Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht [5. überarbeitete Auflage] 9783504383374

Die Neuauflage enthält alle für die anwaltliche Praxis im Arbeitsrecht erforderlichen Formulare und Muster, sowohl im In

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German Pages 1563 [1603] Year 2013

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Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht [5. überarbeitete Auflage]
 9783504383374

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Bauer . Lingemann . Diller . Haußmann Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht

.

AnwaltsFormularbuch

Arbeitsrecht von

Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer Fachanwalt für Arbeitsrecht, Stuttgart Honorarprofessor in Tübingen

Dr. Stefan Lingemann Fachanwalt für Arbeitsrecht und Notar, Berlin

Dr. Martin Diller Fachanwalt für Arbeitsrecht, Stuttgart

Dr. Katrin Haußmann Fachanwältin für Arbeitsrecht, Stuttgart

5. überarbeitete Auflage

2014

Autoren und Verlag bitten um Verständnis dafOr, dass sie keinerlei Haftung filr die Richtigkeit und Vollständigkeit der Musterformulierungen übernehmen. Das Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht kann nur Anregungen liefern.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Ober http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-42668-2 @2014 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrtlcklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz-und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. üchtanford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort „Der Umgang mit Formularen erleichtert die Arbeit, ist aber nicht ungefährlich“. Diese Aussage der Vorauflagen gilt unverändert. Zahlreiche Änderungen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung haben die arbeitsrechtliche Gestaltungspraxis seit 2011 erneut wesentlich beeinflusst. So hat das Bundesarbeitsgericht den bisher grundsätzlich akzeptierten arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt weitgehend entwertet. Dieser muss nun bei jeder Zahlung erklärt werden. Bedeutsamer wird damit die Ermessensgratifikation, zu der neue Formulierungsvorschläge aufgenommen sind. Auch Unterrichtungsschreiben zum Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB folgen neuen Regeln. Das Muster dazu wurde erheblich verändert. Zu berücksichtigen war auch, dass der Gesetzgeber die sozialversicherungsrechtliche Behandlung geringfügiger Beschäftigungen grundlegend modifiziert, nämlich vom „opt in“ zum „opt out“, und die Familienpflegezeit eingeführt hat. Entsprechende Formularsätze sind jeweils enthalten. In Zeiten hoher Auslastung im Management sind Interimsmanager zunehmend gefragt; auch hierfür gibt es ein neues Muster. Für viele Fragen bietet dieses Formularbuch Lösungen an unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs – Stand Juli 2013. Soweit keine „gesicherte“ höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, haben wir uns bemüht, Risiken aufzuzeigen. Aber Vorsicht: Die Verwendung vorgeschlagener Formulierungen unterliegt der Eigenverantwortung der Arbeitsvertragsparteien und ihrer Berater und bedarf immer auch der sachkundigen Anpassung an den Einzelfall. Das Konzept der Vorauflagen wurde beibehalten. Behandelt werden die für Praktiker wichtigen Fragen, nicht Vertiefungen rein akademischer Natur. Den Mustern gehen jeweils detaillierte Einführungen mit zahlreichen Hinweisen voraus. Die Formulierungen der Muster selbst werden zusätzlich unmittelbar in Fußnoten erläutert. Randziffern zum Text und Fettdruck der wesentlichen Begriffe in den Fußnoten zu den Mustern sowie ein wesentlich überarbeitetes Register sichern einen schnellen Zugriff. Für viele Anregungen und Hinweise danken wir unseren Partnern Prof. Dr. Gerhard Röder, Prof. Dr. Ulrich Baeck, Dr. Doris-Maria Schuster, Dr. Steffen Krieger, Dr. Thomas Winzer und Dr. Christian Arnold sowie unseren Mitarbeitern Saskia Gottschalk, Dr. Markus Weingarth und Jörn Otte der Sozietät Gleiss Lutz. Unser Dank gilt vor allem aber auch Frau Petra Fink, Frau Johanna Schmidt sowie Herrn Walter Tschudowski, die neben der Referatsarbeit unermüdlich die Manuskripte betreut haben. Berlin/Hamburg/Stuttgart, September 2013 Jobst-Hubertus Bauer

Stefan Lingemann

Martin Diller

Katrin Haußmann

V

Kapitelübersicht Alle Muster auch auf der CD-ROM am hinteren Buchdeckel. Seite

Vorwort

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhalts- und Musterübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXVII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXIX

Erster Teil Individualarbeitsrecht Kap. 1 Anbahnung des Arbeitsverhältnisses Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . .

1

Kap. 2 Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern) Lingemann . . . . . . .

36

Kap. 3 Verträge mit Angestellten Lingemann

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

130

Kap. 4 Dienstvertrag des Geschäftsführers Lingemann . . . . . . . . . . . . . . . . .

156

Kap. 5 Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds Lingemann

193

Kap. 6 Besondere Arbeitsverträge Lingemann/Diller

. . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

220

Kap. 7 Altersteilzeit Lingemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

297

Kap. 8 Ausbildungs- und Fortbildungsverträge Lingemann . . . . . . . . . . . . . . .

321

Kap. 9 Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses Lingemann/Diller . . . . .

350

Kap. 10 Arbeitnehmerüberlassung Lingemann

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

414

Kap. 11 Auslandseinsatz Lingemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

460

Kap. 12 Vergütung Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

494

Kap. 13 Fehlverhalten, AGG und Mobbing Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . .

592

Kap. 14 Urlaub Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

636

Kap. 15 Krankheit Lingemann/Diller

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

651

Kap. 16 Schwerbehinderte Menschen Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . .

664

Kap. 17 Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit Lingemann/Diller

684

. . . . . . . . . . . .

Kap. 18 Betriebliche Altersversorgung Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

724

Kap. 19 Versetzung Lingemann/Diller

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

761

Kap. 20 Änderungskündigung Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

773

Kap. 21 Anfechtung Lingemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

790

Kap. 22 Beendigungskündigung Lingemann/Diller

805

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 23 Einvernehmliche Beendigung Lingemann/Diller

. . . . . . . . . . . . . . . .

919

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

973

Kap. 25 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . .

992

Kap. 24 Zeugnis Lingemann/Diller Kap. 26–29 frei

VII

Kapitelübersicht

Zweiter Teil Betriebsverfassung/Personalvertretung

Seite

Kap. 30 Errichtung des Betriebsrats Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1017

Kap. 31 Interne Organisation des Betriebsrats Diller

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

1028

Kap. 32 Allgemeine Betriebsratsarbeit Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1033

Kap. 33 Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Mitgliedern Diller

. . . . . . . .

1061

Kap. 34 Betriebsversammlung Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1066

Kap. 35 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Arbeitszeit Bauer/Haußmann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1072

Kap. 36 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Lohngestaltung Bauer/Haußmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1092

Kap. 37 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Technische Einrichtungen Bauer/Haußmann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1099

Kap. 38 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Sozialeinrichtungen Bauer/Haußmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1116

Kap. 39 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebsordnung Bauer/Haußmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1121

Kap. 40 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebliches Vorschlagswesen Bauer/Haußmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1135

Kap. 41 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Urlaub Bauer/Haußmann

. .

1140

Kap. 42 Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten Bauer/Haußmann/Diller . .

1143

Kap. 43 Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten Bauer/Haußmann/Diller

1170

Kap. 44 Einigungsstelle Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1197

Kap. 45 Euro-Betriebsrat Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1212

Kap. 46 Personalvertretungsrecht Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1224

Kap. 47–49 frei

Dritter Teil Tarifrecht/Arbeitskampfrecht Kap. 50 Tarifverträge Haußmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1227

Kap. 51 Arbeitskampf Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1246

Kap. 52–59 frei

Vierter Teil Betriebsübergang Kap. 60 Betriebsübergang Lingemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kap. 61–69 frei

VIII

1267

Kapitelübersicht

Fünfter Teil Datenschutz/Compliance Kap. 70 Compliance und Datenschutz Diller/Haußmann . . . . . . . . . . . . . . . .

Seite

1321

Kap. 71–79 frei

Sechster Teil Insolvenzarbeitsrecht Kap. 80 Besondere Anträge im Insolvenzverfahren Diller . . . . . . . . . . . . . . . .

1337

Kap. 81–89 frei

Siebter Teil Unternehmensmitbestimmung Kap. 90 Unternehmensmitbestimmung Diller

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1345

Kap. 91–99 frei

Achter Teil Arbeitsgerichtsverfahren Kap. 100 Das arbeitsrechtliche Mandat Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1369

Kap. 101 Urteilsverfahren erster Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1372

Kap. 102 Urteilsverfahren zweiter Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1400

Kap. 103 Urteilsverfahren dritter Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1413

Kap. 104 Beschlussverfahren erster Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1434

Kap. 105 Beschlussverfahren zweiter Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1441

Kap. 106 Beschlussverfahren dritter Instanz Diller

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1446

Kap. 107 Einstweiliger Rechtsschutz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1450

Kap. 108 Zwangsvollstreckung Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1464

Kap. 109 Verfahren vor dem EuGH nach Art. 267 AEUV Diller . . . . . . . . . . . . .

1485

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1491

IX

Inhalts- und Musterübersicht Alle Muster auch auf der CD-ROM am hinteren Buchdeckel. Seite

Vorwort

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Kapitelübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXVII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXIX

Erster Teil Individualarbeitsrecht Kap. 1 Anbahnung des Arbeitsverhältnisses I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorstellungsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstellungs-/Personalfragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässige Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligung des Betriebsrats und Haftungsprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . 3. Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beteiligung des Betriebsrats bei der Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufklärungspflichten des Arbeitgebers bei ungesicherter Beschäftigung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einfühlungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Vorstellungseinladung mit Kostenübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Vorstellungseinladung ohne Kostenübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Personalfragebogen im Bewerbungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Personalfragebogen nach erfolgter Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Einwilligung in ärztliche Untersuchung/psychologische und graphologische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Einwilligung zur Aufnahme personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . 1.6 Unterrichtung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Klage auf Erstattung von Vorstellungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8 Klage nach mündlicher Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Klage auf Wiedereinstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10 Klage auf Entschädigung wegen Diskriminierung bei der Einstellung . . . . . . 1.11 Klage des Arbeitgebers auf Schadensersatz und Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeitsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 3 4 4 8 9 10 11 11 12 12 12 13 20 24 25 25 26 27 28 30 32

Kap. 2 Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Arbeitsvertrag . . a) Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besonderheiten auf Grund der Verbraucherstellung cc) Abgrenzung zur Individualvereinbarung . . . . . . . dd) Keine Klauselkontrolle zu Gunsten des Verwenders ee) Beteiligung des Betriebsrats bei Formularverträgen b) Einbeziehung in den Vertrag . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

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. . . . . . . . .

40 40 41 41 41 42 43 43 43

XI

Inhalts- und Musterübersicht Seite

c) d) e) f)

2. 3. 4. 5. 6. 7.

Vorrang der Individualabrede/Schriftformklausel – § 305b BGB . . . . . . . . . . Überraschende Klauseln – § 305c Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unklarheitenregel – § 305c Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit – § 306 BGB . . . . . . aa) Zivilrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) BAG vor Einführung der AGB-Kontrolle/Geltung bei Individualverträgen . . . cc) BAG nach Einführung der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Blue-pencil-test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Unangemessene Benachteiligung – § 307 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kontrollsperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formell unangemessene Benachteiligung (Transparenzgebot) – § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Materiell unangemessene Benachteiligung – § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . dd) Vermutungstatbestände des § 307 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . h) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit – § 308 BGB . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rücktrittsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Widerrufsvorbehalt/Anrechnungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit – § 309 BGB . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbot von Zurückbehaltungsrechten – § 309 Nr. 2b BGB . . . . . . . . . . bb) Vertragsstrafe – § 309 Nr. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beweislastmodifikationen – § 309 Nr. 12 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . AGB-Klauselkontrolle von A–Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweisgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeiter/Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelvertragliche Einbeziehung des Tarifvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässige Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstöße gegen das ArbZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bereitschaftsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Überstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1a Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1b Employment agreement with a (blue collar) employee without reference to a collective bargaining agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) mit Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) unter teilweiser Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 45 46 47 47 48 48 49 49 49 52 53 54 55 55 56 56 57 57 57 58 95 96 97 98 99 99 100 101 101 101 101 115 120 129

Kap. 3 Verträge mit Angestellten I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angestellte und leitende Angestellte . . . . . . . a) Leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG b) Leitende Angestellte nach § 14 Abs. 2 KSchG

. . . . .

. . . . .

130 130 131 131 132

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ausführlicher Anstellungsvertrag mit einem Angestellten ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Anstellungsvertrag mit einem Angestellten mit Bezugnahme auf Tarifvertrag 3.3 Anstellungsvertrag mit einem leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . .

.

133

. . .

133 148 151

XII

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Inhalts- und Musterübersicht Kap. 4 Dienstvertrag des Geschäftsführers

Seite

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an die Person des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . 2. Organstellung und Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages . bb) Form des Dienstvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichten und Verantwortlichkeiten des Geschäftsführers . . . . . . . . . 4. Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Stellung des Geschäftsführers a) Arbeitsrechtliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. AGB-Kontrolle des Geschäftsführervertrages . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anwendung des VorstAG auf die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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158 158 158 158 159 160 161 161 162 162 164 165 165

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1a Dienstvertrag des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1b Service Agreement of the Managing Director . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166 166 183

Kap. 5 Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an die Person des Vorstandes . . . . . . . . . . . . . . 2. Organstellung und Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages bb) Form des Dienstvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Dauer des Dienstvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichten und Verantwortlichkeit des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . 4. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) . . . . 5. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) . . . . . . . . . . . . 6. Sozialversicherungsrechtliche Stellung des Vorstandsmitglieds . . . . . 7. AGB-Kontrolle des Vorstandsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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194 194 195 195 195 196 197 197 197 197 198 201 202

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Schreiben zur Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG . . . . . . . .

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202 202

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218

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222 222 225 231 231 231 232 232 233 235 235 236 236 237

Kap. 6 Besondere Arbeitsverträge I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befristung auf Grund eines sachlichen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kalendermäßige Befristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 1 TzBfG (M 6.1.1) bb) Zweckbefristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 2 TzBfG (M 6.1.2; M 6.1.5) . cc) Auflösende Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Befristung einzelner vertraglicher Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . b) Befristung auf Grund gesetzlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 14 Abs. 2 (M 6.1.6), 2a, 3 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 21 BEEG, § 6 PflegeZG und § 9 FPfZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Befristungen im Hochschulbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teilzeitarbeit (M 6.2.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltendmachung des Teilzeitanspruchs (M 6.2.2; M 6.2.3) . . . . . . . . . .

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XIII

Inhalts- und Musterübersicht Seite

3. 4. 5. 6. 7. 8.

c) Ablehnung des Teilzeitantrags (M 6.2.4) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Klage auf Teilzeitarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Klageart bei wirksamer Ablehnung des Arbeitgebers (M 6.2.5) . bb) Entgegenstehende betriebliche Gründe . . . . . . . . . . . . . . (1) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verringerung . . (2) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verteilung . . . (3) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . cc) Klageart bei Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2 und/oder 3 (M 6.2.6) dd) Einstweilige Verfügung (M 6.2.7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 5–7 BEEG . . . . . . . . . . . . . . f) Teilzeitanspruch nach § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX . . . . . . . . . . g) Teilzeitanspruch nach § 3 PflegeZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Durchführung der Teilzeitarbeit (M 6.2.8) . . . . . . . . . . . . . . . i) Rückkehr zur Vollzeitarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geringfügige Beschäftigung/Minijobs (M 6.3) . . . . . . . . . . . . . . . Job-Sharing (M 6.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abrufarbeit (M 6.5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedereingliederungsvertrag nach § 74 SGB V/§ 28 SGB IX (M 6.7.1) . Telearbeit (M 6.6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabbatical . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Muster 6.1.1 6.1.2 6.1.3.1 6.1.3.2 6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.1.7 6.1.8 6.1.9 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5 6.2.6 6.2.7 6.2.8 6.3.1 6.3.2 6.4.1 6.4.2 6.5 6.6 6.7.1 6.7.2 6.8

XIV

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238 239 239 239 240 242 242 242 243 243 244 245 245 247 248 250 251 251 253 253

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kalendarisch befristeter Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen . . . . . Zweckbefristeter Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen . . . . . . . . . Mitteilung der Zweckerreichung nach § 15 Abs. 2 TzBfG . . . . . . . . . Mitteilung des Ablaufs des vereinbarten Befristungszeitraums (vgl. § 15 Abs. 1 TzBfG) mit hilfsweise Kündigung . . . . . . . . . . . . . Traineevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppelt befristeter Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befristeter Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 2 TzBfG . . . . . . . . . . . . . Probearbeitsverhältnis mit Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlängerung des Probearbeitsverhältnisses mittels Aufhebungsvertrag . Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Befristung und Weiterbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilzeitarbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schreiben bei verspätetem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . Ablehnung des Antrags auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . Klage auf Zustimmung zur Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . Klage auf Feststellung der reduzierten Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . Änderungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilzeitvertrag mit geringfügiger Beschäftigung (Minijob) . . . . . . . . . . Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nach § 6 Abs. 1b SGB VI . . . . . . . . . Job-Sharing-Arbeitsvertrag mit einem Job-Partner . . . . . . . . . . . . . Job-Sharing-Arbeitsvertrag mit allen Job-Partnern . . . . . . . . . . . . . Abrufarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsvertrag über alternierende Telearbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedereingliederungsvertrag nach § 74 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (Wiedereingliederungsplan) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabbatical-Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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255 255 256 257

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258 259 259 260 261 262

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263 265 267 268 269 270 271 273 274 275

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278 279 281 284 285 291

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292 293

Inhalts- und Musterübersicht Kap. 7 Altersteilzeit I. 1. 2. 3. 4.

. . . . . . . . . . . .

298 298 300 301 302 303 303 303 305 306 306 307

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Altersteilzeit-Vertrag Kontinuitätsmodell – laufende Arbeitszeitverkürzung . . 7.2 Altersteilzeit-Vertrag – Blockmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

310 310 315

5. 6. 7. 8. 9.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . Finanzielle Leistungen des Arbeitgebers Wiederbesetzung . . . . . . . . . . . . a) Wiederbesetzer . . . . . . . . . . . b) Wiederbesetzungsnachweis . . . . Kontinuitäts- und Blockmodell . . . . . Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . Insolvenzsicherung . . . . . . . . . . .

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Kap. 8 Ausbildungs- und Fortbildungsverträge I. 1. 2. 3. 4.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auszubildende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktikanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortbildungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rückzahlungsklauseln im Rahmen von Individualabreden b) Rückzahlungsklauseln in AGB . . . . . . . . . . . . . . . c) Tarifvertragliche Rückzahlungsklauseln . . . . . . . . . .

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322 322 325 326 327 328 330 333

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1 Berufsausbildungsvertrag (ausführliche Form) . . . . . . . . 8.1.2 Berufsausbildungsvertrag (kurze Form) . . . . . . . . . . . . 8.2 Allgemeiner Praktikantenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Praktikantenvertrag für Schüler und Studenten (kurze Form) 8.4 Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel . . . . . . . .

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333 333 340 344 346 347

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer (M 9.1.1–9.1.6) . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gründungszuschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arbeitnehmerähnliche Selbständige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anfrageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen eines fälschlich als freie Mitarbeit eingeordneten Anstellungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beratervertrag (M 9.2)/Interimsmanagement (M 9.1.5) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Handelsvertretervertrag (M 9.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. In Heimarbeit Beschäftigte (M 9.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

352 352 352 356 356 357 357

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357 359 360 365

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.1 Freier Mitarbeiter-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.2 Freier Mitarbeiter-Vertrag (Rahmenvertrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.3 Werkvertrag mit einem Subunternehmer – Softwareentwicklung – . . . . . . . 9.1.4 Vereinbarung über die Miete von Betriebsmitteln – hier: Nutzung von PC – . . 9.1.5 Vertrag mit einem Interimsmanager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.6 Statusklage wegen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses (Scheinselbständigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

367 367 370 373 384 387

Kap. 9 Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

391

XV

Inhalts- und Musterübersicht Seite

9.2 9.3.1 9.3.2 9.4

Beratervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handelsvertretervertrag (ausführliche Fassung) Handelsvertretervertrag (kurze Fassung) . . . . Heimarbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . .

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392 395 407 411

Kap. 10 Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

417

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Anstellungsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Verleiher ohne Bezugnahme auf einen Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2 Anstellungsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Verleiher mit Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Arbeitnehmerüberlassung – Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher . . . . 10.3 Rahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Einführung

435 435 444 447 458

Kap. 11 Auslandseinsatz I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbares Individualarbeitsrecht und Gerichtsstand Betriebliche Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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461 461 461 462 466 467 468 468 474

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Entsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Versetzung Auslandsvertrag – Dienstvertrag mit dem ausländischen Tochterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Versetzung Stammhausbindungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

475 475 483 487

Kap. 12 Vergütung I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiwilligkeit, Widerruflichkeit und Anrechenbarkeit der Vergütung . . . . Zulagen/Zuschläge (M 12.7 und M 12.8.1/M 12.8.2) . . . . . . . . . . . . Tantiemen (M 12.10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Provisionsvereinbarung für einen angestellten Handelsvertreter (M 12.11) Akkordvergütung (M 12.13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prämien (M 12.14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gratifikationen (M 12.15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögenswirksame Leistungen (M 12.20) . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz und Auslagen (M 12.21) . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstwagen (M 12.22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstwohnung (M 12.23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitgeberdarlehen (M 12.24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfändung/Abtretung (M 12.25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss der Aufrechnung/Zurückbehaltung (M 12.26) . . . . . . . . . Zielvereinbarungen (M 12.27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktienoptionspläne (M 12.28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

498 498 501 504 505 507 507 509 509 511 512 513 515 516 517 517 519 522

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Festvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.1 Gewerbliche Arbeitnehmer ohne Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . .

524 524 524

XVI

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12.1.2 12.1.3 12.1.4 12.1.5 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7 12.7.1 12.7.2 12.7.3 12.7.4 12.7.5 12.7.6 12.7.7 12.8.1 12.8.2 12.9 12.10 12.10.1 12.10.2 12.10.3 12.10.4 12.11 12.12 12.13 12.13.1 12.13.2 12.14 12.14.1 12.14.2 12.14.3 12.15 12.15.1 12.15.2 12.16 12.17 12.18 12.19 12.20 12.21 12.22 12.23 12.24 12.25 12.26 12.26.1 12.26.2 12.27 12.28 12.29

Gewerbliche Arbeitnehmer mit Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . Angestellte ohne Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angestellte mit Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organmitglieder oder leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Gehaltszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . Gehaltsklage bei zu niedriger Eingruppierung . . . . . . . . . . . . . . . Zahlungsklage bei zweistufiger Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . . Gehaltsklage wegen Ungleichbehandlung/Diskriminierung . . . . . . . Klage im Urkundenprozess auf Geschäftsführervergütung nach fristloser Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übertarifliche Zulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerrufs- und Anrechnungsvorbehalt für die übertarifliche Zulage . . . Erschwerniszulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wechselschichtzulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslandszulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungszulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialzulage mit Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überstundenzuschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachtarbeits-, Sonn- und Feiertagszuschläge . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Überstundenvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tantieme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitender Angestellter oder Geschäftsführer einer GmbH . . . . . . . . Ermessenstantieme für einen leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . Klage auf Ermessenstantieme/Ermessensbonus . . . . . . . . . . . . . Vorstand einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Provisionsvereinbarung für einen angestellten Handelsvertreter . . . . . Stufenklage wegen Abrechnung und Zahlung von Provision . . . . . . . Akkordvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitakkord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geldakkord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwesenheitsprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Treueprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderzuwendungen (Gratifikationen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderzuwendung mit Freiwilligkeitsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . Sonderzuwendung mit Widerrufsvorbehalt und Bindungsklausel . . . . Sonderzuwendung nach Ermessen (Ermessensgratifikation) . . . . . . . Klage auf Sondervergütung wegen Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Ausgabe von Belegschaftsaktien wegen betrieblicher Übung Klage wegen Widerrufs/Teilkündigung von Sonderleistungen . . . . . . Vermögenswirksame Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstwagenüberlassungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitgeberdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfändung/Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss der Aufrechnung/Zurückbehaltung . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . Rahmenvereinbarung für eine Zielvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf künftige Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XVII

Inhalts- und Musterübersicht Seite

12.30 12.31

Klage des Arbeitnehmers auf Gehaltserhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . Klage des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütung . . . . . .

589 591

Kap. 13 Fehlverhalten, AGG und Mobbing I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlverhalten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . a) Ermahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionen der Abmahnung . . . . . . . . . . . . . bb) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Abmahnung . . c) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlverhalten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) . . . . . . . a) Struktur und Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . b) Benachteiligungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Organisationspflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . d) Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht . . . . f) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Folgen für die betriebliche Praxis . . . . . . . . . . . . . h) Folgen für die Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . i) Missbräuchliche Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 628 Abs. 2 BGB

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Vorweggenommene Abmahnung als Erklärung an den Arbeitnehmer . 13.3 Vorweggenommene Abmahnung als Aushang . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Klage gegen eine Abmahnung und auf Widerruf . . . . . . . . . . . . . 13.5 Klage des Arbeitgebers auf Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . 13.6 Klage des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Mankohaftung . . 13.7 Arrest und Arrestpfändung wegen Unterschlagung . . . . . . . . . . . . 13.8 Klage des Arbeitnehmers wegen Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . 13.9 Klage des Arbeitgebers wegen Vertragsbruchs auf Schadensersatz und Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.10 Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Wettbewerbshandlungen 13.11 Klage wegen berechtigter Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers . 13.12 Klage des Arbeitnehmers auf Freistellung von Ansprüchen Dritter . . . 13.13 Gehaltsklage wegen Ungleichbehandlung/Diskriminierung . . . . . . .

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Kap. 14 Urlaub I. Einführung

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 Urlaubsantrag und -bewilligung (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Ausführliche Bewilligung von bezahltem und unbezahltem Urlaub (Brief) 14.3 Urlaubsbescheinigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses . . . . . 14.4 Antrag auf Übertragung des Teilurlaubs vor Erfüllung der Wartezeit in das Folgejahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Urlaub . . . . . . . . . . . . 14.6 Klage auf Urlaubsabgeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVIII

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Inhalts- und Musterübersicht Kap. 15 Krankheit I. Einführung

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Anzeige der Arbeitsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Weisung zum Nachweis einer ärztlichen Bescheinigung . . . . . . . . . . 15.4 Klage auf Entgeltfortzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.5 Aufforderung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6 Antwort des Arbeitnehmers auf die Aufforderung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1 Mitteilung der Schwangerschaft nach § 5 MuSchG . . . . . . . . . . . . 17.2 Informationsschreiben des Arbeitgebers an die schwangere Mitarbeiterin 17.3 Antrag auf Elternzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4 Antwortschreiben des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.5 Antrag auf Zustimmung zur Kündigung in der Elternzeit . . . . . . . . . . 17.6 Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.7 Ablehnung des Antrags auf Teilzeit während Elternzeit . . . . . . . . . . . 17.8 Einstweilige Verfügung auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit .

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Kap. 16 Schwerbehinderte Menschen I. 1. 2. 3. 4.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwerbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderkündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antragstellung und Verfahren beim Integrationsamt (M 16.1) . . . . . a) Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen eines fehlenden Antrages . . . . . . . . . . . . . . . c) Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entscheidungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Prüfung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anhörung des Betriebsrates und Beteiligung des Integrationsamtes g) Einvernehmliche Beendigung vor dem Integrationsamt . . . . . . . h) Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Kündigungserklärungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anfechtung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1 Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen/gleichgestellten behinderten Menschen . . . . . 16.2 Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes . . . . . . . 16.3 Klage des Arbeitgebers gegen die Versagung der Zustimmung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Anfechtung des Arbeitsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5 Klage des Arbeitnehmers auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 17 Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . Mutterschutz . . . Elternzeit . . . . . Elterngeld . . . . Pflegezeit . . . . . Familienpflegezeit

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XIX

Inhalts- und Musterübersicht Seite

17.9 17.10 17.11 17.12 17.13 17.14

Antrag auf Pflegezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablehnung des Antrags auf Pflegezeit . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Pflegezeit . . . . . . Vereinbarung über eine Teilzeittätigkeit während der Pflegezeit . Vereinbarung zur Familienpflegezeit . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Zustimmung zur Kündigung in der Familienpflegezeit

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Kap. 18 Betriebliche Altersversorgung I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Unverfallbarkeit/ratierliche Kürzung . . . Abfindung von Anwartschaften . . . . . . Übertragung der Versorgungsansprüche Insolvenzsicherung . . . . . . . . . . . . Teuerungsanpassung . . . . . . . . . . . Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1 Einzelzusage auf betriebliche Altersversorgung für einen Geschäftsführer . . 18.2 Betriebliche Versorgungsordnung (Gesamtzusage) . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Satzung einer Unterstützungskasse in der Rechtsform eines e.V. . . . . . . . 18.4 Gehaltsumwandlungs-Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5 Unverfallbarkeitsbescheinigung nach § 4a BetrAVG für unmittelbare Versorgungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.6 Abfindungsverlangen des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 2 BetrAVG . . . . . . 18.7 Verlangen auf Übertragung von Versorgungsansprüchen ausgeschiedener Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 3 BetrAVG auf den neuen Arbeitgeber . . . . . 18.8 Dreiseitige Vereinbarung zur Übertragung des Anwartschaftsbarwerts auf den neuen Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.9 Dreiseitige Vereinbarung zur Übernahme der Versorgungszusage durch den neuen Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.10 Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 18.11 Klage auf Rentenzahlung gegen Unterstützungskasse . . . . . . . . . . . . . 18.12 Klage auf Feststellung einer Rentenanwartschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 18.13 Schreiben an den Arbeitnehmer wegen unterbliebener Anpassung nach § 16 BetrAVG mit Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.14 Klage nach § 16 BetrAVG auf Anpassung der Rente . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 19 Versetzung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Individualarbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsverfassungsrechtlicher Versetzungsbegriff b) Zustimmungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen der fehlenden Zustimmung . . . . . . . . . d) Zustimmungsersetzungsverfahren . . . . . . . . . e) Vorläufige personelle Maßnahmen . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.1 Ausübung des Direktionsrechts und vorsorgliche Änderungskündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2 Unterrichtung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG wegen beabsichtigter Versetzung und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3 Klage gegen Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4 Klage auf Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz . . . . . . . . .

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XX

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Inhalts- und Musterübersicht Kap. 20 Änderungskündigung I. 1. 2. 3. 4.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Erklärung (M 20.1) . . . . . . . . . . Form der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . Arten der Änderungskündigung . . . . . . . . Kündigungsgründe und soziale Rechtfertigung a) Personenbedingte Änderungskündigung . b) Verhaltensbedingte Änderungskündigung . c) Betriebsbedingte Änderungskündigung . . d) Außerordentliche Änderungskündigung . . e) Überflüssige Änderungskündigung . . . . . 5. Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers . a) Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Annahme unter Vorbehalt . . . . . . . . . . c) Vorbehaltlose Annahme . . . . . . . . . . . 6. Beteiligung des Betriebsrates . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.1 Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.2 Annahme/Annahme unter Vorbehalt/Ablehnung der Änderungskündigung 20.3 Anhörung des Betriebsrates zur ordentlichen Änderungskündigung gemäß § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4 Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . 20.5 Klage gegen Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 21 Anfechtung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtung des Arbeitsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arglistige Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung des Anfechtungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtung der Eigenkündigung oder des Aufhebungsvertrages (M 21.1) . . a) Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arglistige Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung durch den Arbeitgeber (M 21.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anfechtung des Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang (M 21.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtbarkeit einer betrieblichen Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1 Anfechtung einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Anfechtung eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitgeber . . . . . . . . 21.3 Anfechtung des Widerspruchs durch den Arbeitnehmer gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB auf den Betriebserwerber . . . .

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Kap. 22 Beendigungskündigung I. Einführung 1. Allgemeines

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.1 Ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Ordentliche betriebsbedingte Kündigung nach § 1a KSchG durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Ordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . 22.4 Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . 22.5 Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . 22.6 Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber 22.7 Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.8 Außerordentliche Arbeitnehmerkündigung und Lossagung vom Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.9 Aufforderung zur Mitteilung außerordentlicher Kündigungsgründe . . . . . 22.10 Kündigungszurückweisung wegen fehlender Vollmachtsvorlage . . . . . .

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2. 3.

4.

5.

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

a) Arten der Kündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zugang der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kündigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit des KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhaltensbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verdachtskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Leistungsbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Häufige Kurzerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigung wegen lang anhaltender Krankheit . . . . . . . . . . . . . . c) Kündigung wegen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit d) Kündigung wegen dauernder Leistungsminderung . . . . . . . . . . . . e) Kündigung wegen Suchterkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Betriebsratsanhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . c) Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Soziale Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen fehlerhafter Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . dd) Herausnahme aus der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG) . . d) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Interessenausgleich mit Namensliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Betriebsratsanhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Abfindungsangebot nach § 1a KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderkündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annahmeverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Massenentlassungsanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interessenausgleich und Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedereinstellungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinweis nach §§ 2, 38 Abs. 1 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsschutzklage (M 22.17 ff.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflösungsantrag (M 22.21 und M 22.22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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22.11 Unternehmerentscheidung zur betriebsbedingten Kündigung . . . . . . . . . 22.12 Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung gemäß § 102 BetrVG 22.13 Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen Verdachtskündigung gemäß § 102 BetrVG . . . . . 22.14 Anhörung des Betriebsrats zur ordentlich fristgemäßen personenbedingten Kündigung gemäß § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.15 Anhörung des Betriebsrats zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Kündigung gemäß § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.16 Anhörung des Betriebsrates zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Änderungskündigung sowie alternativ zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Beendigungskündigung gemäß § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . 22.17 Kündigungsschutzklage mit Weiterbeschäftigungsantrag . . . . . . . . . . . 22.18 Klage gegen Kündigung bei Unanwendbarkeit des KSchG . . . . . . . . . . 22.19 Kündigungsschutzklage bei betriebsbedingter Kündigung . . . . . . . . . . 22.20 Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage . . . . . . . 22.21 Auflösungsantrag des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.22 Auflösungsantrag des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.23 Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung bei offensichtlich unwirksamer Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.24 Einstweilige Verfügung auf Beschäftigung während der Kündigungsfrist . . . 22.25 Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG . 22.26 Einstweilige Verfügung des Arbeitgebers auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . 22.27 Klage gegen fristlose Kündigung und auf Gehaltszahlung . . . . . . . . . . . 22.28 Gesellschafterbeschluss zur Abberufung und Kündigung eines GmbHGeschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.29 Einstweilige Verfügung auf Herausgabe von Arbeitspapieren . . . . . . . . . 22.30 Klage auf Wiedereinstellung nach Wegfall des Kündigungsgrundes . . . . . 22.31 Widerklage des Arbeitgebers auf Herausgabe des Dienstwagens und Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 23 Einvernehmliche Beendigung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustandekommen des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . c) Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unwirksamkeit des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beseitigung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . g) Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 3 Nr. 9 EStG aF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) §§ 24, 34 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenballung . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fünftelungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anrufungsauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Sozialversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Beitragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit dd) Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 158 SGB III . . (1) Entschädigungen iSv. § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III

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(2) Maßgebliche Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Berechnung des Ruhenszeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . (5) Folgen des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruchs . . . . . . . . . . . . (6) Ruhen wegen anderweitiger Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sperrzeiten nach § 159 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Echter Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Anrechnung von Abfindungen auf Arbeitslosengeld . . . . . . . . . . . . . . gg) Kürzung bei nicht rechtzeitiger Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Erstattung von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose nach § 147a SGB III aF ii) Vorzeitige Altersrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Ende des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses durch einvernehmliche unwiderrufliche Freistellung . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sperrzeiten nach § 159 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1a Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1b Termination Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2 Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3 Klage wegen Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages 23.4 Verzicht auf § 17 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.1 Einfaches Zeugnis – kurze Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2 Einfaches Zeugnis – ausführliche Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3 Zwischenzeugnis für einen/eine Buchhalter/Buchhalterin mit guter Bewertung 24.4 Qualifiziertes Zeugnis mit guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5 Qualifiziertes Zeugnis für einen Buchhalter/eine Buchhalterin mit guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.6 Qualifiziertes Zeugnis für einen Leiter/eine Leiterin Controlling mit sehr guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.7 Qualifiziertes Zeugnis für eine Assistentin mit unterdurchschnittlicher Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.8 Klage auf Erteilung eines Zeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.9 Klage auf Berichtigung eines Zeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 24 Zeugnis I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeugnisanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeugnisarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht, Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . Formalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfaches Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 2 GewO) . . Qualifiziertes Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 3 GewO) Schlussformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung und Widerruf . . . . . . . . . . . . . Haftung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 25 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXIV

992 992

Inhalts- und Musterübersicht Seite

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingte Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers/unbillige Erschwerung Anrechnung anderweitigen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . Lösung vom Verbot bei Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.1 Wettbewerbsverbot mit einem Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.2 Wettbewerbsverbot mit einem Organmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.3 Verzicht des Arbeitgebers gemäß § 75a HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.4 Lösungserklärung des Arbeitnehmers gemäß § 75 Abs. 1 oder 2 HGB . . . 25.5 Angebot einer erhöhten Karenzentschädigung nach § 75 Abs. 2 HGB . . . 25.6 Lösungserklärung des Arbeitgebers bei fristloser Kündigung nach § 75 Abs. 1, 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.7 Aufforderung zur Mitteilung anderweitigen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . 25.8 Erfüllungsablehnung des Arbeitgebers nach Verstößen des Arbeitnehmers 25.9 Fristsetzung/Ablehnungsandrohung des Arbeitnehmers bei Nichtzahlung der Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.10 Klage auf Zahlung von Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.11 Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von nachvertraglichem Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.12 Schutzschrift gegen eine mögliche Unterlassungsverfügung wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.13 Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes . .

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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.1 Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.2 Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Durchführung einer Betriebsratswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.3 Antrag auf Klärung des Betriebsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.4 Anfechtung der Betriebsratswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.5 Strafanzeige wegen Wahlbehinderung nach § 119 BetrVG . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.1 Anfechtung der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Anfechtung der Wahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds . . . . . . . . .

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Kap. 26–29 frei

Zweiter Teil Betriebsverfassung/Personalvertretung Kap. 30 Errichtung des Betriebsrats

Kap. 31 Interne Organisation des Betriebsrats I. Einführung

XXV

Inhalts- und Musterübersicht Kap. 32 Allgemeine Betriebsratsarbeit I. Einführung

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.1 Einstweilige Verfügung wegen Zugangs eines Betriebsratsmitglieds zum Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2 Antrag auf Feststellung des Status eines leitenden Angestellten . . . . . . 32.3 Antrag auf Duldung des Zugangs von Gewerkschaftsbeauftragten zum Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.4 Antrag auf Freistellung/Übernahme von Sachmittelkosten . . . . . . . . . . 32.5 Antrag auf Erstattung von Schulungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.6 Antrag auf Gestattung der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.7 Antrag auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar wegen Prozessvertretung . 32.8 Klage des Rechtsanwalts gegen den Betriebsrat auf Beratungshonorar bei eigenmächtiger Beauftragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.9 Antrag auf Unterlassung und Ordnungsgeld gegen den Arbeitgeber wegen grober Pflichtverletzung nach § 23 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.10 Antrag der Gewerkschaft auf Nicht-Durchführung einer tarifwidrigen Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.11 Antrag auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . 32.12 Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts . . . 32.13 Antrag auf Feststellung eines Tendenzbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . 32.14 Einstweilige Verfügung auf Unterlassung einer mitbestimmungspflichtigen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.15 Strafanzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.1 Antrag auf Auflösung des Betriebsrats wegen grober Pflichtverletzung . . . . 33.2 Antrag auf Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds wegen Vorteilsannahme .

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Kap. 33 Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Mitgliedern I. Einführung

Kap. 34 Betriebsversammlung I. Einführung

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.1 Einstweilige Verfügung gegen geplante Betriebsversammlung . . . . . . . . . 34.2 Einstweilige Verfügung wegen Teilnahme eines Gewerkschaftsbeauftragten an Betriebsversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 35 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Arbeitszeit I. 1. 2. 3. 4.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorrang von Gesetz und Tarifvertrag (§ 87 Abs. Initiativrecht des Betriebsrates . . . . . . . . . Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarungen zur Dauer der Arbeitszeit . b) Flexibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überstunden und Kurzarbeit . . . . . . . .

. . . . . . 1 BetrVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35.1 Betriebsvereinbarung zur Lage der Arbeitszeit 35.2 Betriebsvereinbarung zu flexibler Arbeitszeit . 35.3 Betriebsvereinbarung zu Gleitzeit . . . . . . . 35.4 Betriebsvereinbarung zu Überstunden . . . .

XXVI

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35.5 Betriebsvereinbarung zu Kurzarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35.6 Betriebliche Arbeitszeitvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35.7 Einstweilige Verfügung wegen Unterlassung von Überstunden ohne Zustimmung des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 36 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Lohngestaltung I. 1. 2. 3. 4.

Einführung . . . . . . . . . Umfang der Mitbestimmung Kollektiver Tatbestand . . . AT-Angestellte . . . . . . . . Freiwillige Zulagen . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.1 Vergütung von AT-Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.2 Übertarifliche Zulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.3 Provisionen im Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.4 Betriebsvereinbarung Erschwerniszulage im Vier-Schicht-Betrieb . . . . . 36.5 Betriebsvereinbarung über zielvereinbarungsgestützte variable Vergütung

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Kap. 37 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Technische Einrichtungen I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . EDV-Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Telefondatenerfassung und Internet-/E-Mail-Nutzung „Whistleblowing-Hotlines“ . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37.1 Gesamtbetriebsvereinbarung EDV-Systeme und Schutz personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37.2 Betriebsvereinbarung zur Nutzung der Telefonanlage . . . . . . . . . . . . . 37.3 Betriebsvereinbarung zur Telefondatenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . 37.4 Betriebsvereinbarung zur elektronischen Zeiterfassung und Zeitwirtschaft . 37.5 Betriebsvereinbarung zur Nutzung von Internet und E-Mail . . . . . . . . . . 37.6 Betriebsvereinbarung „Bring your own device“ . . . . . . . . . . . . . . . . 37.7 Einstweilige Verfügung wegen Unterlassung der Inbetriebnahme eines EDVSystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38.1 Sozialfonds – Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38.2 Betriebsvereinbarung zu Konzern-Mitarbeiterdarlehen . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 38 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Sozialeinrichtungen I. Einführung

Kap. 39 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebsordnung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umfang der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39.1 Arbeitsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39.2 Betriebsvereinbarung zu Alkoholproblemen am Arbeitsplatz . . . . . . 39.3 Betriebsvereinbarung zur Einführung einer einheitlichen Arbeitskleidung 39.4 Betriebsvereinbarung über Arztbesuche während der Arbeitszeit . . .

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XXVII

Inhalts- und Musterübersicht Kap. 40 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebliches Vorschlagswesen I. Einführung

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40.1 Betriebsvereinbarung zu Verbesserungsvorschlägen . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 41 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Urlaub I. 1. 2. 3.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang des Mitbestimmungsrechtes . . . . . . Allgemeine Urlaubsgrundsätze und Urlaubsplan Lage des Urlaubs einzelner Arbeitnehmer . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.1 Betriebsvereinbarung Brückentage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.2 Betriebsferien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 42 Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . Einstellung und Eingruppierung . . . Versetzung und Umgruppierung . . . Stellenausschreibung . . . . . . . . . Auswahl-Richtlinien nach § 95 BetrVG

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.1 Anhörung des Betriebsrates gemäß § 102 BetrVG zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.2 Anhörung gemäß § 102 BetrVG zu betriebsbedingten Kündigungen wegen Betriebsstilllegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.3 Anhörung gemäß § 102 BetrVG zur ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.4 Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes gemäß § 103 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.5 Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 103 BetrVG . . . . . 42.6 Antrag auf Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung eines Bewerbers nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.7 Antrag auf Zustimmung zur Versetzung nach §§ 99, 100 BetrVG . . . . . . . 42.8 Ablehnende Antwort des Betriebsrats auf einen Antrag nach §§ 99, 100 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.9 Antrag des Arbeitgebers an das Arbeitsgericht nach §§ 99, 100 BetrVG . . . 42.10 Antrag des Betriebsrats auf Aufhebung einer personellen Maßnahme nach § 101 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.11 Einstweilige Verfügung wegen mitbestimmungswidriger Personalmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.12 Antrag des Arbeitgebers auf Entbindung von der Übernahmeverpflichtung für Jugendvertreter nach § 78a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.13 Stellenausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.14 Auswahl-Richtlinie für Versetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 43 Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten I. Einführung . . . . . . . . . . . . . 1. Interessenausgleich und Sozialplan a) Interessenausgleich . . . . . . . b) Sozialplan . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen . . . . . . . . . . . 3. Wirtschaftsausschuss . . . . . . . .

XXVIII

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.1 Negativer Interessenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.2 Interessenausgleich Betriebsverlegung, Betriebsübergang und Reorganisation 43.3 Sozialplan Betriebsverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.4 Positiver Interessenausgleich Betriebsstilllegung (kurz) . . . . . . . . . . . . 43.5 Positiver Interessenausgleich Betriebsstilllegung (ausführlich) . . . . . . . . 43.6 Sozialplan Betriebsstilllegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.6.1 Vertrag über die Einrichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.7 Einstweilige Verfügung gegen Kündigungen und weitere Maßnahmen vor Abschluss des Interessenausgleichs-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 43.8 Ordnungswidrigkeiten-Anzeige des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber wegen mangelhafter Unterrichtung nach § 111 BetrVG . . . . . . . . . . . . 43.9 Angaben der Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen im Rahmen eines Verschmelzungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1175 1175 1175 1178 1179 1180 1182 1184 1191 1194 1196

Kap. 44 Einigungsstelle I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besetzung der Einigungsstelle . . . . . . . . Einberufung der Einigungsstelle . . . . . . . Verfahren der Einigungsstelle . . . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung des Spruchs der Einigungsstelle

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44.1 Antrag auf Errichtung der Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44.2 Antrag an das Arbeitsgericht auf Errichtung der Einigungsstelle nach § 98 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44.3 Einigungsstellenspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44.4 Einstweilige Verfügung auf Untersagung der Durchführung eines Einigungsstellenspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44.5 Anfechtung des Einigungsstellenspruchs nach § 76 Abs. 5 BetrVG . . . . .

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1202 1202

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1203 1206

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45.1 Vereinbarung über die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats . . . . . . 45.2 Klage des Betriebsrats auf Auskunftserteilung zwecks Errichtung eines Europäischen Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1217 1217

Kap. 45 Euro-Betriebsrat I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für die Errichtung . . . . . . Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . Europäischer Betriebsrat kraft Vereinbarung (M Schutz der EBR-Mitglieder . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . 45.1) . . . .

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Kap. 46 Personalvertretungsrecht I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1224 1224 1225

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46.1 Antrag an das Verwaltungsgericht zur Einleitung eines Beschlussverfahrens .

1226 1226

Kap. 47–49 frei

XXIX

Inhalts- und Musterübersicht

Dritter Teil Tarifrecht/Arbeitskampfrecht Kap. 50 Tarifverträge I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Seite

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Firmentarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entgelttarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manteltarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tarifverträge über die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen Entgeltumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschäftigungssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tariflicher Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1228 1228 1229 1229 1229 1230 1230 1231

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50.1 Entgelttarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50.2 Firmentarifvertrag in Form eines Anerkennungstarifvertrages . . . 50.3 Firmentarifvertrag nach Betriebsübergang/Gesellschafterwechsel 50.4 Tarifvertrag zur Bildung von Regionalbetriebsräten . . . . . . . . 50.5 Haustarifvertrag über einen gemeinsamen Gesamtbetriebsrat . . 50.6 Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 50.7 Verbandstarifvertrag zur Beschäftigungssicherung . . . . . . . . 50.8 Sozialplantarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 51 Arbeitskampf I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Friedenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . Streikbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . Wilder Streik . . . . . . . . . . . . . . . . Ultima-Ratio-Prinzip . . . . . . . . . . . . Ausgestaltung von Streiks . . . . . . . . Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers Streikfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . Streikprämien/Maßregelung . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.1 Einstweilige Verfügung gegen rechtswidrigen Streik . . . . . . 51.2 Einstweilige Verfügung gegen rechtswidrige Streikmaßnahmen 51.3 Einstweilige Verfügung wegen Einrichtung eines Notdienstes . 51.4 Schlichtungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 52–59 frei

Vierter Teil Betriebsübergang Kap. 60 Betriebsübergang I. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übergang der Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . a) Wirtschaftliche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übergang und Zuordnung der Arbeitsverhältnisse . c) Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterrichtung der Arbeitnehmer (M 60.1 und M 60.2) e) Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB . . . .

XXX

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f) Übergang der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksamkeit einer Kündigung bei Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigungsschutzklage gegen Kündigung wegen Betriebsübergangs (M 60.2) Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsratsamt und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Identitätswahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verlust der Identität bei Übergang in einen betriebsratslosen Betrieb . . . . cc) Verlust der Identität bei Übergang in einen Betrieb mit eigenem Betriebsrat dd) Verlust der Identität bei Zusammenschluss mehrerer Betriebe . . . . . . . ee) Restmandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . a) Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderregelungen im Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1289 1291 1292 1292 1293 1294 1294 1295 1295 1295 1296 1296 1296 1297 1297 1300 1301

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60.1 Informationsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB – Übergang eines Betriebsteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60.2 Informationsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB – Übergang eines Betriebes 60.3 Widerspruch nach § 613a BGB – Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . 60.4 Kündigungsschutzklage gegen Kündigung wegen Betriebsübergangs . . .

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1301

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1301 1310 1317 1318

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1322 1322 1323

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70.1 Betriebsvereinbarung zur Whistleblowing-Hotline . . . . . . . . . . . . . . . 70.2 Betriebsvereinbarung Ethikrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70.3 Belehrung zur Befragung durch den Arbeitgeber oder seine Anwälte . . . . 70.4 Amnestieregelung für Mitwirkung bei Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 70.5 Amnestieregelung für freiwillige Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70.6 Einwilligung des Bewerbers in die Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70.7 Einwilligung des eingestellten Arbeitnehmers in die Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70.8 Verpflichtungsschreiben an Mitarbeiter nach § 5 BDSG . . . . . . . . . . . . 70.9 Bestellung des Datenschutzbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1326 1326 1328 1329 1330 1331

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1334 1335 1336

2. 3.

4. 5.

Kap. 61–69 frei

Fünfter Teil Datenschutz/Compliance Kap. 70 Compliance und Datenschutz

Kap. 71–79 frei

XXXI

Inhalts- und Musterübersicht

Sechster Teil Insolvenzarbeitsrecht Kap. 80 Besondere Anträge im Insolvenzverfahren I. 1. 2. 3.

Seite

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussverfahren nach § 122 InsO wegen Betriebsänderung . . . . Beschlussverfahren wegen Kündigungsschutz nach §§ 125, 126 InsO

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80.1 Antrag des Insolvenzverwalters wegen Durchführung einer Betriebsänderung nach § 122 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80.2 Antrag des Insolvenzverwalters wegen Zustimmung zu Kündigungen nach § 126 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1339 1339 1341

Kap. 81–89 frei

Siebter Teil Unternehmensmitbestimmung Kap. 90 Unternehmensmitbestimmung I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einführung . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . DrittelbG . . . . . . . . . . . . . Mitbestimmungsgesetz 1976 . . Montan-Mitbestimmungsgesetz SE-Mitbestimmung . . . . . . . Statusverfahren . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90.1 Bekanntmachung des Vorstands nach § 97 AktG . . . . . . . . 90.2 Statusklage nach § 98 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90.3 Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer SE

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1369

Kap. 91–99 frei

Achter Teil Arbeitsgerichtsverfahren Kap. 100 Das arbeitsrechtliche Mandat I. Einführung

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100.1 Vergütungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100.2 Belehrung nach § 12a Abs. 1 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100.3 Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Anwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.1 Rubrum auf Klägerseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.2 Rubrum auf Beklagtenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1373 1373 1374

Kap. 101 Urteilsverfahren erster Instanz I. Einführung

XXXII

Inhalts- und Musterübersicht Seite

101.3 101.4 101.5 101.6 101.7 101.8 101.9 101.10 101.11 101.12 101.13 101.14

Allgemeines Muster für Klagen/Zahlungsklagen vor dem Arbeitsgericht . . Rüge der örtlichen Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rüge der Unzulässigkeit des Rechtsweges . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klageerwiderung vor der Güteverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung der Kündigungsschutzklage eines schwerbehinderten Menschen nach § 148 ZPO . . . . . . . . . . . . Sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung eines Kündigungsschutzverfahrens wegen vorgreiflichen Strafverfahrens nach § 149 ZPO . . . . . . . Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . Einspruch gegen Versäumnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG gegen nicht berufungsfähiges Urteil des Arbeitsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitwertbeschwerde nach § 68 GKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1378 1381 1382 1384 1385 1386 1388 1391 1393 1396 1397 1399

Kap. 102 Urteilsverfahren zweiter Instanz I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit der Berufung . . . . . . Allgemeine Verfahrensregeln . . . . Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . Beschwerde/sofortige Beschwerde

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1401 1401 1401 1401 1402 1403

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.1 Berufung mit Berufungsbegründung und Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.2 Berufungseinlegung ohne Begründung und mit Fristverlängerungsantrag . . 102.3 Berufungserwiderung mit Anschlussberufung und Widerklage . . . . . . . . 102.4 Sofortige Beschwerde gegen Rechtswegentscheidung . . . . . . . . . . . .

1403 1403 1407 1409 1411

Kap. 103 Urteilsverfahren dritter Instanz I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einführung . . . . . . . . . Zulässigkeit der Revision . . Fristen, Formvorschrift . . . Verfahren . . . . . . . . . . . Entscheidung des BAG . . . Nichtzulassungsbeschwerde BAG als Beschwerdegericht

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103.1 Einlegung der Revision mit Anträgen und Begründung . . . . . . . . . . . . 103.2 Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . 103.3 Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung . . . . . . 103.4 Nichtzulassungsbeschwerde wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrunds sowie Verletzung rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . . . . 103.5 Revisionsbegründung nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde . . 103.6 Sofortige Beschwerde wegen verspäteter Absetzung des Berufungsurteils nach § 72b ArbGG (Kassationsbeschwerde) . . . . . . . . . . . . . . . . . 103.7 Rechtsbeschwerde gegen Rechtswegentscheidung . . . . . . . . . . . . . 103.8 Revisionsbeschwerde gegen Verwerfung der Berufung als unzulässig . . .

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1416 1416 1421 1424

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1434 1434

Kap. 104 Beschlussverfahren erster Instanz I. Einführung 1. Allgemeines

XXXIII

Inhalts- und Musterübersicht Seite

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Antragstellung . . . . . . . . Beteiligte . . . . . . . . . . . Amtsermittlungsgrundsatz . Anhörung und Entscheidung Beschwerdefrist . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . Einstweilige Verfügung . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104.1 Rubrum eines Beschlussverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104.2 Antrag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft . . . . . . . . . . . . . . .

1439 1439 1440

Kap. 105 Beschlussverfahren zweiter Instanz I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . Allgemeines/Zulässigkeit Aufschiebende Wirkung . Beschwerdebefugnis . . Frist . . . . . . . . . . . . Form/Begründung . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105.1 Beschwerde an das Landesarbeitsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105.2 Beschwerde gegen Zwischenentscheidung des Arbeitsgerichts . . . . . . .

1444 1444 1445

Kap. 106 Beschlussverfahren dritter Instanz I. 1. 2. 3.

Einführung . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde Formalien . . . . . . . . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106.1 Rechtsbeschwerde zum BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106.2 Nichtzulassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1448 1448 1449

Kap. 107 Einstweiliger Rechtsschutz I. Einführung

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107.1 Antrag auf einstweilige Verfügung im Urteilsverfahren . . . . . . . . . . . 107.2 Schutzschrift im Urteilsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107.3 Widerspruch gegen erlassene einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . 107.4 Arrestantrag nebst Arrestpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107.5 Antrag auf einstweilige Verfügung im Beschlussverfahren . . . . . . . . . 107.6 Berufung gegen Abweisung eines Verfügungsantrags im Urteilsverfahren 107.7 Beschwerde gegen Abweisung eines Verfügungsantrags im Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 108 Zwangsvollstreckung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteilsverfahren . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollstreckungsschutzantrag nach § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG c) Vollstreckungsschutzantrag nach § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG d) Vollstreckungsgegenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXIV

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4. Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vollstreckung im Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1467 1468

II. Muster 108.1 108.2 108.3

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109.1 Schriftsatz an den EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1488 1488

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1491

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung . . . . . . . . . . . Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG wegen nicht zu ersetzenden Nachteils . . . . . . . . . . . . 108.4 Berufung mit Antrag auf nachträglichen Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . 108.5 Antrag auf Gerichtsvollzieherpfändung wegen Geldforderungen . . . . . 108.6 Antrag auf Zwangsvollstreckung wegen vertretbarer Handlung . . . . . . 108.7 Antrag auf Zwangsvollstreckung wegen unvertretbarer Handlung (Weiterbeschäftigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108.8 Antrag auf Zurückweisung eines Zwangsvollstreckungsantrags nach § 888 ZPO (Weiterbeschäftigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108.9 Zwangsvollstreckungsantrag nach § 890 ZPO wegen Unterlassungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108.10 Antrag auf Festsetzung von Ordnungsgeld wegen Zuwiderhandlungen gegen eine Unterlassungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 109 Verfahren vor dem EuGH nach Art. 267 AEUV I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion des Vorabentscheidungsverfahrens Reichweite der EuGH-Entscheidung . . . . . Vorlagebeschluss des nationalen Gerichts . Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schriftliches Verfahren . . . . . . . . . . . . Mündliche Verhandlung . . . . . . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XXXV

Allgemeines Literaturverzeichnis Weitere Literatur ist in den ausführlichen Literaturübersichten am Anfang der einzelnen Kapitel nachgewiesen.

Bauer

Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 8. Aufl. 2007

Bauer/Diller

Wettbewerbsverbote, 6. Aufl. 2012

Bauer/Göpfert/Krieger

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), Kommentar, 3. Aufl. 2011 (zit. BGK)

Bauer/Röder

Taschenbuch zur Kündigung, 2. Aufl. 2000

Bauer/Röder/Lingemann

Krankheit im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl. 2006

Baumbach/Hopt

Handelsgesetzbuch, 35. Aufl. 2012

Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann

Zivilprozessordnung, 71. Aufl. 2013

Beck’sches Personalhandbuch

Band I: Arbeitsrechtslexikon, Band II: Lohnsteuer und Sozialversicherung, Loseblatt

Däubler/Kittner/Klebe/Wedde BetrVG – Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung und EBR-Gesetz, 13. Aufl. 2012 Dörner/Luczak/Wildschütz/ Baeck/Hoß

Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2013

Dunkl/Moeller/Baur/ Feldmeier

Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Aufl. 1999 (zitiert: Bearbeiter in Dunkl/Moeller)

Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht

hrsg. von Dieterich/Müller-Glöge/Preis/Schaub, 13. Aufl. 2013 (zitiert: ErfK/Bearbeiter)

Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier

Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, Handkommentar, 26. Aufl. 2012 (zitiert: Fitting)

Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz

10. Aufl. 2013 (zitiert: GK-BetrVG/Bearbeiter)

Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften (KR)

10. Aufl. 2013 (zitiert: KR/Bearbeiter)

Germelmann/Matthes/ Prütting

Arbeitsgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2013

Gift/Baur

Das Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen, 1993

Henssler/Willemsen/Kalb

Arbeitsrecht Kommentar, 5. Aufl. 2012 (zitiert: HWK/Bearbeiter)

Herbst/Bertelsmann/Reiter

Arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, 2. Aufl. 1998

Hess/Schlochauer/Worzalla/ Glock/Nicolai/Rose

Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 8. Aufl. 2011 (zitiert: HSWGNR/Bearbeiter)

Höfer

Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt

Hopt

Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009 (zitiert: Hopt, HVR)

XXXVII

Allgemeines Literaturverzeichnis von Hoyningen-Huene/Linck

Kündigungsschutzgesetz, Kommentar, 15. Aufl. 2013

Hüffer

Aktiengesetz, 10. Aufl. 2012

Hümmerich/Lücke/Mauer

Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2011

Kasseler Kommentar

Sozialversicherungsrecht, Loseblatt (zitiert: Kasseler Kommentar/Bearbeiter)

Kölner Kommentar zum Aktiengesetz

hrsg. von Zöllner, 2. Aufl. 1986 ff. (zitiert: KölnerKommAktG/ Bearbeiter)

KR

siehe Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz

Küttner

Personalbuch 2013, 20. Aufl. 2013 (zitiert: Küttner/Bearbeiter)

Löwisch/Kaiser

Betriebsverfassungsgesetz, 6. Aufl. 2010

Löwisch/Spinner

Kündigungsschutzgesetz, 9. Aufl. 2004

Lutter/Hommelhoff

GmbH-Gesetz, Kommentar, 18. Aufl. 2012

Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts

Band 4: Aktiengesellschaft, 3. Aufl. 2007 (zitiert: Münchener Handbuch AG/Bearbeiter)

Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht

hrsg. von Richardi/Wlotzke, 3. Aufl. 2009 (zitiert: MünchArbR/ Bearbeiter)

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

hrsg. von Rebmann/Rixecker/Säcker, 6. Aufl. 2012 ff. (zitiert: MünchKommBGB/Bearbeiter)

Palandt

Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013 (zitiert: Palandt/ Bearbeiter)

Preis

Der Arbeitsvertrag, 4. Aufl. 2011 (zitiert: Preis/Bearbeiter)

Prütting/Wegen/Weinreich

BGB, Kommentar, 8. Aufl. 2013 (zitiert: PWW/Bearbeiter)

Richardi

Betriebsverfassungsgesetz, 13. Aufl. 2012

Schaub

Arbeitsrechts-Handbuch, 14. Aufl. 2011 (zitiert: Schaub, ArbRHdb.)

Schaub/Schrader/ Straube/Vogelsang

Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 10. Aufl. 2013 (zitiert: Schaub, Formularsammlung)

Stahlhacke/Preis/Vossen

Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 10. Aufl. 2009

Staudinger

Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 14./15. Bearb., 2004 ff. (zitiert: Staudinger/Bearbeiter)

Stein/Jonas

Zivilprozessordnung, 22. Aufl. 2002 ff. (zitiert: Stein/Jonas/ Bearbeiter)

Thomas/Putzo

Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2013

Tschöpe

Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2013 (zitiert: Tschöpe/ Bearbeiter)

Ulmer/Brandner/Hensen

AGB-Recht, Kommentar, 11. Aufl. 2011

Wurm/Wagner/Zartmann

Das Rechtsformularbuch, 16. Aufl. 2011

Zöller

Zivilprozessordnung, 29. Aufl. 2012 (zitiert: Zöller/Bearbeiter)

XXXVIII

Abkürzungsverzeichnis AA aA aaO ABl. abl. Abs. AcP AE aE AEntG AEUV aF AG AGB AGBG AGG AGg. AiB AktG Alt. AltTZG aM Anh. Anm. AnwBl AO AP ArbG ArbGG AR-Blattei ArbNErfG ArbPlSchG ArbR Aktuell ArbRB ArbR-Hdb. ArbuR ArbZG ArEV ArGV ARST Art. ASt. AuA AuB AÜG Aufl. AVmG AZO

Arbeitsrecht aktiv (Zeitschrift) anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt ablehnend Absatz Archiv für die civilistische Praxis Arbeitsrechtliche Entscheidungen (Zeitschrift) am Ende Arbeitnehmer-Entsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft (auch Zeitschrift); Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Antragsgegner(in) Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Aktiengesetz Alternative Altersteilgesetz anderer Meinung Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung; Anordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechtsblattei Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsplatzschutzgesetz Arbeitsrecht aktuell (Zeitschrift) Arbeitsrechts-Berater (Zeitschrift) Arbeitsrechts-Handbuch Arbeit und Recht (Zeitschrift) Arbeitszeitgesetz Arbeitsentgeltverordnung Arbeitsgenehmigungsverordnung Arbeitsrecht in Stichworten Artikel Antragsteller Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Arbeit und Beruf (Zeitschrift) Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Auflage Altersvermögensgesetz Arbeitszeitordnung

BA BAG BAGE

Bundesagentur für Arbeit Bundesarbeitsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

XXXIX

Abkürzungsverzeichnis BAnz. BArbBl. BAT BayObLG BB BBiG BBK BDSG BEEG Beil. Bekl. BErzGG BeschFG BeSchuG

BW

Bundesanzeiger Bundesarbeitsblatt Bundesangestelltentarifvertrag Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Berufsbildungsgesetz Buchführung – Bilanz – Kostenrechnung (Zeitschrift) Bundesdatenschutzgesetz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Beilage Beklagte(r) Bundeserziehungsgeldgesetz Gesetz zur Förderung der Beschäftigung Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz Beteiligte(r) betreffend Betriebliche Altersversorgung (Zeitschrift) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Der Betriebsrat (Zeitschrift) Betriebsverfassungsgesetz Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskindergeldgesetz Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium der Finanzen BRAK-Mitteilungen Bundesrats-Drucksache Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundessozialgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessteuerblatt Bundestag Bundestags-Drucksache Bundesumzugskostengesetz Bundesurlaubsgesetz Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags Baden-Württemberg

c.i.c.

culpa in contrahendo

Bet. betr. BetrAV BetrAVG BetrR BetrVG BfA BFH BFHE BFH/NV BFzA BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BKGG BlStSozArbR BMA(S) BMF BRAK-Mitt. BR-Drucks. BRTV BSG BSGE BStBl. BT BT-Drucks. BUKG BUrlG BuW BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVV

XL

Abkürzungsverzeichnis DA DB DEÜV DEVO dh. Diss. DrittelbG DStR DStRE DStZ DuD DVKA

Durchführungsanordnung Der Betrieb (Zeitschrift) Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung Datenerfassungsverordnung das heißt Dissertation Drittelbeteiligungsgesetz Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStR-Entscheidungsdienst Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Datenschutz und Datensicherung (Zeitschrift) Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland

EBRG EFG EFZG EG EGBGB EGMR EMRK EStG EU EuGH EuGVVO

Europäisches Betriebsräte-Gesetz Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Entgeltfortzahlungsgesetz Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Einigungsvertrag Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

EV EWiR EWS EzA f., ff. FA FamFG FD-ArbR FG FLF Fn. FPersG FPfZG FS

folgende(r) Fachanwalt Arbeitsrecht (Zeitschrift) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fachdienst Arbeitsrecht Finanzgericht Finanzierung, Leasing, Factoring (Zeitschrift) Fußnote Fahrpersonalgesetz Familienpflegezeitgesetz Festschrift

gem. GenDG GewArch. GewO GG ggf. GK GKG GmbH GmbHG GmbHR GRUR GS GVBl. GVG

gemäß Gendiagnostikgesetz Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Großer Senat Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz

XLI

Abkürzungsverzeichnis HAG Halbs. HGB hM HRG

Heimarbeitsgesetz Halbsatz Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Hochschulrahmengesetz

idR idS Info also insb. InsO iS IStR iVm.

in der Regel in diesem Sinne Informationen zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht (Zeitschrift) insbesondere Insolvenzordnung im Sinne Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) in Verbindung mit

JA JArbSchG JurBüro JuS JZ

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jugendarbeitsschutzgesetz Das juristische Büro (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung

Kapovaz KG KJ KKZ Kl. KonTraG KSchG KTS

Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kritische Justiz (Zeitschrift) Kommunal-Kassen-Zeitschrift Kläger Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kündigungsschutzgesetz Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Zeitschrift)

LAG LAGE LMK LPartG LS LStR LuftBO

Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lindenmaier-Möhring, Kommentierte BGH-Rechtsprechung Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Leitsatz Lohnsteuerrichtlinien Betriebsordnung für Luftfahrtgerät

MDR MitbestErgG MitbestG Montan-MitbestG MünchArbR MünchKomm MuSchG mwN

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Mitbestimmungsergänzungsgesetz Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Münchener Kommentar Mutterschutzgesetz mit weiteren Nachweisen

NachwG nF NJOZ NJW NJW-RR Nr. n. rkr.

Nachweisgesetz neue Fassung Neue juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungsreport Nummer nicht rechtskräftig

XLII

Abkürzungsverzeichnis nv. NWB NZA NZA-RR NZS

nicht veröffentlicht Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht/Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Sozialrecht

öAT OHG OLG OWiG

Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PartGmbH PersF PflegeZG PISTB PM PrKG PSV

Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung Personalführung (Zeitschrift) Pflegezeitgesetz Praxis internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Pressemitteilung Preisklauselgesetz Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit

RdA RdJB RDV Rh.-Pf. RiA RIW Rpfleger RPflG RVG Rz. RzK

Recht der Arbeit (Zeitschrift) Recht der Jugend und des Bildungswesens (Zeitschrift) Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift) Rheinland-Pfalz Recht im Amt (Zeitschrift) Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Der deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rechtspflegergesetz Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Randzahl Rechtsprechung zum Kündigungsrecht

S. sa. Sa.-Anh. SAE Schl.-Holst. SchwbG SGB sj SozR SprAuG StGB StPO str. StuB

Seite siehe auch Sachsen-Anhalt Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) Schleswig-Holstein Schwerbehindertengesetz Sozialgesetzbuch steuer-journal Sozialrecht Rechtsprechung und Schrifttum Sprecherausschussgesetz Strafgesetzbuch Strafprozessordnung streitig Steuern und Bilanzen (Zeitschrift)

TransPuG TVG TVöD TzBfG

Transparenz- und Publizitätsgesetz Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Teilzeit- und Befristungsgesetz

UKlaG UmwG UrhG UStG UWG

Unterlassungsklagengesetz Umwandlungsgesetz Urheberrechtsgesetz Umsatzsteuergesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

XLIII

Abkürzungsverzeichnis Var. VermBG VersR vgl. VorstKoG VVaG VVG

Variante Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleiche Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag

WiB WiJ WissZeitVG WO WPg

Wirtschaftsberatung (Zeitschrift) Journal der Wirtschaftsrechtlichen Vereinigung Wissenschaftszeitvertragsgesetz Wahlordnung Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

ZAS zB ZBVR ZfA ZfV ZHR ZIAS ZIP ZKF ZPO ZSteu ZTR

Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht zum Beispiel Zeitschrift für Betriebsverfassungsrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Kommunalfinanzen Zivilprozessordnung Zeitschrift für Steuern und Recht Zeitschrift für Tarifrecht

XLIV

Erster Teil

N N Q NNNN

Kapitel 1

Individualarbeitsrecht Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Literaturübersicht:

Zur Anbahnung des Arbeitsverhältnisses allgemein: Abele, Zum Auskunftsanspruch eines abgelehnten Stellenbewerbers, FA 2010, 330; Barth, Arbeitsrechtliche Einfühlungsverhältnisse rechtssicher gestalten, BB 2009, 2646; Bauer/Baeck/Merten, Scientology – Fragerecht des Arbeitgebers und Kündigungsmöglichkeiten, DB 1997, 2534; Bertzbach, Zur Zulässigkeit von sog. „Einfühlungsverhältnissen“, FA 2002, 340; Brecht-Heitzmann, Die Anfechtbarkeit von Arbeitsverträgen wegen verschwiegener Schwerbehinderung, ZTR 2006, 639; Breitfeld/Strauß, Stolperfallen für Arbeitgeber bei der Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit schwerbehinderten Arbeitnehmern, BB 2012, 2817; Ehrich, Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellungen und Folgen der Falschbeantwortung, DB 2000, 421; Fuhlrott/Hoppe, Einstellungsuntersuchungen und Gentests von Bewerbern, ArbR Aktuell 2010, 183; Hergenröder, Fragerecht des Arbeitgebers und Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers, AR-Blattei SD 715; Hümmerich, Aufklärungspflichten des Arbeitgebers im Anbahnungsverhältnis bei ungesicherter Beschäftigung des Arbeitnehmers, NZA 2002, 1305; Kaehler, Das Arbeitgeberfragerecht im Anbahnungsverhältnis: Kritische Analyse und dogmatische Grundlegung, ZfA 2006, 519; Kasper, Abschied vom Fragerecht des Arbeitgebers nach der Schwangerschaft?, FA 2000, 243; Künzl, Das Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung, ArbR Aktuell 2012, 235; Lelley, Fragen darf man immer – aber nicht jeder darf fragen, FA 2010, 300; Lingemann/Gottschalk, Vertragsstrafengestaltung im Arbeitsrecht – ein kurzer Leitfaden, DStR 2011, 774; Messingschlager, „Sind Sie schwer behindert?“ – Das Ende einer (un)beliebten Frage, NZA 2003, 301; Meyer, Fragerecht nach der Gewerkschaftsmitgliedschaft bei Arbeitsbeginn?, BB 2011, 2362; Schaub, Ist die Frage nach der Schwerbehinderung zulässig?, NZA 2003, 299; Schierbaum, Ärztliche Untersuchungen an Arbeitnehmern, AiB 1997, 458; Thüsing/Lambrich, Das Fragerecht des Arbeitgebers – Aktuelle Probleme zu einem klassischen Thema, BB 2002, 1146; Trümner, Das Fragerecht des Arbeitgebers, FA 2003, 34; Vogt, Compliance und Investigations, NJOZ 2009, 4206; Weber/Wocken, Mitbestimmung bei Einstellungsuntersuchungen im öffentlichen Dienst, NZA 2012, 191.

Zum AGG: Adomeit/Mohr, Benachteiligung von Bewerbern (Beschäftigten) nach dem AGG als Anspruchsgrundlage für Entschädigung und Schadensersatz, NZA 2007, 179; Adomeit/Mohr, Kommentar zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. 2011; Annuß, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsrecht, BB 2006, 1629; Bauer/Evers, Schadensersatz und Entschädigung bei Diskriminierung – Ein Fass ohne Boden?, NZA 2006, 893; Bauer/Göpfert/Krieger, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Kommentar, 3. Aufl. 2011 (zit. BGK); Bauer/Krieger, Das neue Antidiskriminierungsgesetz – Rechtliche und taktische Konsequenzen im arbeitsrechtlichen Mandat, AnwBl 2006, 800; Bauer/Thüsing/Schunder, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien, NZA 2005, 32; Bauer/Thüsing/Schunder, Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – Alter Wein in neuen Schläuchen?, NZA 2006, 774; Bayreuther, Diskriminierung und sachwidrige Ungleichbehandlung: nicht nur eine Frage des Anstandes, NZA Beilage 2011, 27; Beseler/Albers, Wie kann der Arbeitgeber-Vertreter „AGG-Hopper“ erkennen und behandeln?, AA 2009, 42; Besgen, Die Auswirkungen des AGG auf das Betriebsverfassungsrecht, BB 2007, 213; Bezani/Richter, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsrecht, 2006; Bissels/Lützeler, BB-Rechtsprechungsreport 2010/2011 – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (Teil 1), BB 2012, 701; Bissels/Lützeler, Aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung zum AGG, BB 2009, 774 und 833; Boemke, Die Zulässigkeit der Frage nach Grundwehrdienst und Zivildienst, RdA 2008, 129; Boemke/Danko, AGG im Arbeitsrecht – Kommentar, 2007; Däubler, Die Kündigung als unmittelbare Diskriminierung, AiB 2007, 22; Däubler, AGG: Neue Aufgaben für Betriebsräte – Keine Benachteiligung bei der Einstellung, AiB 2006, 614; Däubler/Bertzbach, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Handkommentar, 3. Aufl. 2013; Deinert, Anwendungsprobleme der arbeitsrechtlichen Schadensersatzvorschriften im neuen AGG,

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DB 2007, 398; Diller, „AGG-Hopping“ – Und was man dagegen tun kann!, BB 2006, 1968; Diller, Antidiskriminierung von Kollegen für Kollegen?, FA 2006, 301; Diller, Einstellungsdiskriminierung durch Dritte, NZA 2007, 649; Diller/Kern, Befristung und Schwangerschaft, FA 2007, 103; Diller/ Krieger/Arnold, Kündigungsschutzgesetz plus Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, NZA 2006, 887; Düwell, Die Neuregelung des Verbots der Benachteiligung wegen Behinderung im AGG, BB 2006, 1741; Franke/Merx, Positive Maßnahmen – Handlungsmöglichkeiten nach § 5 AGG, ArbuR 2007, 235; Gaul/Naumann, Praxisrelevante Fragen im Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, ArbRB 2007, 47; Gola, Informationsrecht abgelehnter Bewerber, NZA 2013, 360; Göpfert/Siegrist, Diskriminierungsverdacht: Über den richtigen Umgang mit arbeitsrechtlichen Diskriminierungsfällen, ZIP 2006, 1710; Grobys, Die Beweislast im Anti-Diskriminierungsprozess, NZA 2006, 898; Grobys, Einstellung von Arbeitnehmern im Licht des AGG, NJW-Spezial, Heft 2/2007, 81; Gruber, Zwei problematische Punkte des AGG: Die Anforderung eines Passfotos und die Suche nach dem „muttersprachlichen Mitarbeiter (m/w)“, NZA 2009, 1247; Hamann, Bewerberauswahl und Arbeitgeberkündigung im Lichte des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, Jura 2007, 641; Hinrichs/Stütze, Die Sprache im Arbeitsverhältnis nach fünf Jahren AGG: Eine Bestandsaufnahme, NZA-RR 2011, 113; Hopfner/Naumann, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – Ein Leitfaden für die arbeitsrechtliche Praxis, 3. Aufl. 2009; Hoppe/Fuhlrott, Update Antidiskriminierungsrecht – Vorsicht im Stellenbesetzungsverfahren!, ArbR Aktuell 2013, 91; Hunold, Ausgewählte Rechtsprechung zur Gleichbehandlung im Betrieb, NZA-RR 2006, 56; Joussen, Schwerbehinderung, Fragerecht und positive Diskriminierung nach dem AGG, NZA 2007, 174; Kaehler, Das Arbeitgeberfragerecht im Anbahnungsverhältnis: Kritische Analyse und dogmatische Grundlegung, ZfA 2006, 519; Kalmbach, Speicherung von Bewerberdaten zum Schutz vor AGG-Hoppern, DSB 2007, 26; Kania/Merten, Auswahl und Einstellung von Arbeitnehmern unter Geltung des AGG, ZIP 2007, 8; Kleinebrink, Inhaltliche Gestaltung von Personalfragebögen in Zeiten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) – eine Risikoabwägung, ArbRB 2006, 374; Leisten, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – Leitfaden für Betriebsräte, 2007; Lingemann, AGG, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 8. Aufl. 2013; Lingemann/Gotham, AGG – Benachteiligungen wegen des Alters in kollektivrechtlichen Regelungen, NZA 2007, 663; Lingemann/Müller, Die Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf die Arbeitsvertragsgestaltung, BB 2007, 2006; Löwisch, Kollektivverträge und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, DB 2006, 1729; Maier, Gleichbehandlung – Antidiskriminierung – in Betrieben, 2007; Meinel/Heyn/Herms, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Kommentar, 2. Aufl. 2010; Michel/Möller/Peter, Tarifpluralität und die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft, ArbuR 2008, 36; Moos/Bandehzadeh/Bodenstedt, Datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Aufbewahrung von Bewerberdaten unter Berücksichtigung des AGG, DB 2007, 1194; Nollert-Borasio/Perreng, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Basiskommentar zu den arbeitsrechtlichen Regelungen, 3. Aufl. 2011; Oberrath, Hinreichende Deutschkenntnisse des Arbeitnehmers im Spiegel der Rechtsprechung, NJ 2011, 8; Ohlendorf/Schreier, AGG-konformes Einstellungsverfahren – Handlungsanleitung und Praxistipps, BB 2008, 2458; Olbert, Was beim Bewerbungsgespräch erlaubt ist, AuA 2007, 272; Pallasch, Diskriminierungsverbot wegen Schwangerschaft bei der Einstellung, NZA 2007, 306; Rittweger/Schmidl, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz und Datenschutzrecht, FA 2006, 266; Röder/Krieger, Einführung in das neue Antidiskriminierungsrecht, FA 2006, 199; Rühl/Schmid/Viethen, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2007; Rust/Falke, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz mit weiterführenden Vorschriften – Kommentar, 2007; Schiefer/Ettwig/Krych, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, 2006; Schiek, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Ein Kommentar aus europäischer Perspektive, 2007; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG – Kommentar zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 4. Aufl. 2013; Schmidl, Dokumentationsdaten nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), DuD 2007, 11; Schmitz-Scholemann/Brune, Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – Eine Zwischenbilanz, RdA 2011, 129; Schrader/Klagges, Arbeitsrecht und schwerbehinderte Menschen, NZA-RR 2009, 169; Schreiner/Kolmhuber, Diskriminierungsschutz bei der Einstellung, ArbRB 2006, 314; Schroeder/ Diller, Antidiskriminierung bei der Aufnahme als Gesellschafter?, NZG 2006, 728; Schulte, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Bewerbungsverfahren diskriminierungsfrei gestalten, AuA 2006, 724; Schwab, Diskriminierende Stellenanzeigen durch Personalvermittler, NZA 2007, 178; Seel, Schadensersatz für Diskriminierungen im Bewerbungsverfahren, MDR 2006, 1321; Steinmeyer, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und die betriebliche Altersversorgung, ZfA 2007, 27; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz – Das Allgemeine Gleichbehand-

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lungsgesetz und andere arbeitsrechtliche Benachteiligungsverbote, 2. Aufl. 2013; Walk/Shipton, Zu den Beteiligungsrechten des Betriebsrats im Rahmen des AGG, BB 2010, 1917; Walker, Der Entschädigungsanspruch nach § 15 II AGG, NZA 2009, 5; Wichert/Zange, AGG: Suche nach Berufsanfängern in Stellenanzeigen, DB 2007, 970; Willemsen/Schweibert, Schutz der Beschäftigten im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, NJW 2006, 2583; Windel, Aktuelle Beweisfragen im Antidiskriminierungsprozess, RdA 2011, 193 Wisskirchen, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Auswirkungen auf die Praxis, 3. Aufl. 2007; Wisskirchen/Bissels, Das Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellung unter Berücksichtigung des AGG, NZA 2007, 169; Wolff, Verbot der Altersdiskriminierung – terra incognita im Arbeitsrecht, FA 2006, 260; Zundel, Die Entwicklung des Arbeitsrechts im Jahre 2011, NJW 2012, 435. Zum Datenschutz im Arbeitsverhältnis: Beckschulze, Internet- und E-Mail-Einsatz am Arbeitsplatz, DB 2009, 2097; Beckschulze/Natzel, Das neue Beschäftigtendatenschutzgesetz, BB 2010, 2368; Bissels/Lützeler/Wisskirchen, Facebook, Twitter & Co.: Das Web 2.0 als arbeitsrechtliches Problem, BB 2010, 2433; Brandt, Compliance und Datenschutz, AiB 2009, 288; Brandt, Datenschutz und Betriebsrat, AiB 2009, 80; Däubler, Gläserne Belegschaften? Datenschutz für Arbeiter, Angestellte und Beamte, 5. Aufl. 2010; Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 3. Aufl. 2009; Deutsch/Diller, Die geplante Neuregelung des Arbeitnehmerdatenschutzes in § 32 BDSG, DB 2009, 1462; Düwell, Das Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften, FA 2009, 268; Düwell, Regelungen für den Schutz von Arbeitnehmerdaten, FA 2009, 168; Dzida, Beschäftigtendatenschutz: Nicht auf die lange Bank schieben, BB 2011, 1; Erfurth, Die Betriebsvereinbarung im Arbeitnehmerdatenschutz, DB 2011, 1275; Erfurth, Der „neue“ Arbeitnehmerdatenschutz im BDSG, NJW 2009, 2723; Ernst, Social Networks und ArbeitnehmerDatenschutz, NJOZ 2011, 953; Forst, Bewerberauswahl über soziale Netzwerke im Internet?, NZA 2010, 427; Franzen, Rechtliche Rahmenbedingungen psychologischer Eignungstests; NZA 2013, 1; Franzen, Arbeitnehmerdatenschutz – rechtspolitische Perspektiven, RdA 2010, 257; Gola, Beschäftigtendatenschutz und EU-Datenschutz-Grundverordnung, EuZW 2012, 332; Gola/ Wronka, Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, 5. Aufl. 2009; Jordan/Bissels/Löw, Ist der Betriebsrat zur Speicherung von Arbeitnehmerdaten berechtigt?, BB 2010, 2889; Kania/Sansone, Möglichkeiten und Grenzen des Pre-Employment-Screenings, NZA 2012, 360; Kleinebrink, Einwilligung in die Erhebung von Beschäftigtendaten und Datenschutz, ArbRB 2012, 61; Kock/ Francke, Mitarbeiterkontrolle durch systematischen Datenabgleich zur Korruptionsbekämpfung, NZA 2009, 646; Oberwetter, Soziale Netzwerke im Fadenkreuz des Arbeitsrechts, NJW 2011, 417; Otto/Lampe, Terrorabwehr im Spannungsfeld von Mitbestimmung und Datenschutz, NZA 2011, 1134; Raif, ‚,Fragen Sie nach, oder besser nicht?“ Datenschutzrechtliche Änderungen im Einstellungsverfahren, ArbR Aktuell 2010, 617; Riesenhuber, Die Einwilligung des Arbeitnehmers im Datenschutzrecht, RdA 2011, 257; Roeder/Buhr, Die unterschätzte Pflicht zum Terroristenscreening von Mitarbeitern, BB 2011, 1333; Schriever, Neue Löschungsfristen für Bewerberdaten, BB 2011, 2680; Straube/Klagges, Beschäftigtendatenschutzgesetz: Wiedervorlage in vier Jahren?, ArbR Aktuell 2012, 81; Thüsing, Verbesserungsbedarf beim Beschäftigtendatenschutz, NZA 2011, 16; Thüsing, Datenschutz im Arbeitsverhältnis – Kritische Gedanken zum neuen § 32 BDSG, NZA 2009, 865; Thüsing, Arbeitnehmerdatenschutz als Aufgabe von Gesetzgebung und Rechtsprechung, RDV 2009, 1; Wiese, Genetische Untersuchungen und Analysen zum Arbeitsschutz und Rechtsfolgen bei deren Verweigerung oder Durchführung, BB 2011, 313; Wolf/Mulert, Die Zulässigkeit der Überwachung von E-Mail-Korrespondenz am Arbeitsplatz, BB 2008, 442.

I. Einführung 1. Vorstellungsgespräch Veranlasst der Arbeitgeber ein Vorstellungsgespräch, trifft ihn grds. die Kostentragungspflicht, ohne dass es einer besonderen Vereinbarung bedarf. Es reicht dazu bereits aus, dass der Bewerber sich mit Wissen und Wollen des Arbeitgebers vorstellt (M 1.1).1 Als Anspruchsgrundlage werden die Vorschriften des Auftragsrechts heran1 LAG Nürnberg v. 25.7.1995, LAGE § 670 BGB Nr. 12; ErfK/Müller-Glöge, § 629 BGB Rz. 13 ff.

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gezogen, §§ 662–676 BGB.2 Der Anspruch umfasst die verkehrsüblichen und erforderlichen Auslagen (zB Fahrtkosten,3 Verpflegungsaufwand, ggf. Übernachtungskosten4), nicht aber den Zeitaufwand und Verdienstausfall, da der Arbeitgeber wegen des Entgeltfortzahlungsanspruchs des Bewerbers gegen seinen bisherigen Arbeitgeber (§ 616 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht mit einer Entgelteinbuße rechnen muss.5 Der Anspruch entsteht unabhängig davon, ob ein Arbeitsverhältnis zustande kommt.6 2

Ein Anspruchsausschluss bzw. eine Anspruchsbeschränkung kann vereinbart werden. Es bedarf dazu seitens des Arbeitgebers einer ausdrücklichen und unzweideutigen Erklärung (M 1.2).7

2. Einstellungs-/Personalfragebogen a) Zulässige Fragen 3

Die Verwendung von Einstellungsfragebögen (M 1.3.1) ist grds. zulässig, da sie dem legitimen Interesse des Arbeitgebers an umfassender Information über den Bewerber entspricht. Da das Persönlichkeitsrecht und die Individualsphäre des Bewerbers jedoch ebenfalls schutzwürdig sind, ist er nur auf solche Fragen auskunftspflichtig, die in Zusammenhang mit der Arbeitsstelle stehen.8 Andere Fragen sind unzulässig.

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Praxistipp: Unzulässige Fragen darf der Bewerber wahrheitswidrig beantworten. Ihm steht ein „Recht zur Lüge“ zu.9 Der Arbeitgeber kann einen daraufhin geschlossenen Arbeitsvertrag nicht wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB anfechten, da es an der Rechtswidrigkeit der Täuschung fehlt.10 Auch eine Kündigung des Arbeitsvertrages aufgrund der wahrheitswidrigen Angabe scheidet dann aus.

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Neue Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Verwendung von Einstellungsfragebögen sind mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.8.2006 entstanden.11 Die Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber sind dadurch stark eingeschränkt worden.12 Die vielen neuen Rechtsfragen, welche das AGG auf2 BAG v. 14.2.1977, DB 1977, 1193; v. 29.6.1988, NZA 1989, 468; krit. Sieber/Wagner, NZA 2003, 1312. 3 Vgl. insb. zur Höhe der Fahrtkosten MünchKommBGB/Henssler, § 629 Rz. 31 f. 4 Diese sind nur erstattungsfähig, wenn eine An- und Abreise am selben Tag nicht zumutbar ist. 5 Str.; MünchKommBGB/Henssler, § 629 Rz. 35; Staudinger/Preis, § 629 BGB Rz. 26; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 25 Rz. 28; aA ArbG Berlin v. 25.6.1975, DB 1975, 1609. 6 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 25 Rz. 25. 7 MünchKommBGB/Henssler, § 629 Rz. 27; ArbG Kempten v. 12.4.1994, BB 1994, 1504. 8 BAG v. 7.6.1984, NZA 1985, 57; v. 11.11.1993, NZA 1994, 407; Riesenhuber, NZA 2012, 771. 9 Das gilt auch nach Inkrafttreten des AGG, Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 170; Kania/ Merten, ZIP 2007, 8, 11. 10 Vgl. BAG v. 7.7.2011, NZA 2012, 34; zur Anfechtung s. im Einzelnen Kapitel 21. 11 Vgl. PWW/Lingemann, AGG, 8. Aufl. 2013; BGK, AGG, 3. Aufl. 2011; ferner die Literaturübersicht „zum AGG“. 12 Dies fängt bereits bei der Stellenausschreibung an, denn es gilt zu beachten, keines der in § 1 AGG genannten Merkmale als Einstellungsvoraussetzung zu formulieren, sofern nicht ausnahmsweise ein Rechtfertigungsgrund nach §§ 8 bis 10 AGG einschlägig ist. Verstöße beauftragter Dritter gegen die Diskriminierungsverbote des AGG im Rahmen der Stellenausschreibung werden dem Arbeitgeber zugerechnet (BAG v. 5.2.2004, NZA 2004, 540; BVerfG v. 21.9.2006, NZA 2007, 195; OLG Karlsruhe v. 13.9.2011, NZA-RR 2011, 632). Erforderlich

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wirft, sind zum Großteil immer noch nicht höchstrichterlich geklärt. Bis dahin herrscht in diesem Bereich ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers bei der Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien war es, den vermeintlich unzureichenden Diskriminierungsschutz im deutschen Recht durch das AGG umfassender zu gestalten.13 Das AGG erfasst Benachteiligungen aus Gründen – – – – – – –

der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.14

Neben der unmittelbaren (§ 3 Abs. 1 AGG) ist auch die mittelbare (§ 3 Abs. 2 AGG) Benachteiligung untersagt. Mit Erlass des AGG wurden davor geltende Schutzbestimmungen aufgehoben, insbesondere §§ 611a, 611b, 612 Abs. 3 BGB aF, § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX aF sowie das Beschäftigtenschutzgesetz.

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Verstößt ein Arbeitgeber durch die Nichteinstellung eines Bewerbers aus diskriminierenden Motiven gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 AGG (der Bewerber gilt als Beschäftigter idS. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG), kann dem Bewerber gemäß § 15 Abs. 1 AGG ein Schadensersatzanspruch sowie gemäß § 15 Abs. 2 AGG ein Entschädigungsanspruch zustehen,15 sofern der Arbeitnehmer den Anspruch innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG geltend macht.16 Die Ansprüche bestehen jedoch nicht, wenn eine unterschiedliche Behandlung gemäß §§ 8–10 AGG oder auf Grund einer positiven Maßnahme gemäß § 5 AGG gerechtfertigt ist. Eine mittelbare Benachteiligung scheidet bereits auf der Tatbestandsebene aus, sofern die unterschiedliche

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ist jedoch, dass der Arbeitgeber die diskriminierende Stellenausschreibung nachweislich veranlasst oder wissentlich geduldet hat (LAG Hamm v. 24.4.2008 – 11 Sa 95/08). Zur AGGkonformen Ausgestaltung von Stellenausschreibungen vgl. Hoppe/Fuhlrott, ArbR Aktuell 2013, 91; Ohlendorf/Schreier, BB 2008, 2458. BT-Drucks. 16/1780, S. 22 f. Vgl. § 1 AGG. Dieses Haftungsrisiko besteht nicht nur bei der Ablehnung ernsthafter Bewerber, sondern auch bei der Ablehnung von Bewerbern, die diskriminiert und abgelehnt werden wollen. Bei diesen Fällen des sog. „AGG-Hoppings“ geht es dem Bewerber unter missbräuchlicher Anwendung des AGG lediglich darum, eine Geldentschädigung zu erhalten (dazu Diller, BB 2006, 1968; vgl. auch Einf. Kap. 13 Rz. 54). Ein Entschädigungsanspruch besteht in diesen Fällen jedoch nur dann, wenn der Bewerber objektiv für die zu besetzende Stelle in Betracht gekommen ist und sich subjektiv ernsthaft beworben hat, vgl. BAG v. 17.8.2010, NZA 2010, 153, 158 sowie LAG Hamburg v. 29.10.2008 – 3 Sa 15/08. An einer solchen subjektiv ernsthaften Bewerbung fehlt es etwa dann, wenn der Bewerber auch für ihn erkennbar objektiv nicht für die Stelle in Betracht kommt, vgl. BAG v. 17.8.2010, NZA 2010, 153, 158, oder zu als wesentlich erkennbaren Einstellungsvoraussetzungen keine Angaben macht oder völlig überzogene Vergütungsvorstellungen äußert, LAG Berlin v. 30.3.2006, NZA-RR 2006, 513; vgl. auch PWW/Lingemann, § 2 AGG Rz. 4. Zur Europarechtskonformität des § 15 Abs. 4 AGG s. EuGH v. 8.7.2010, NZA 2010, 869; s. auch Fischinger, NZA 2010, 1048; vom BAG wird diese Frist angewendet, vgl. BAG v. 15.3.2012, NZA 2012, 910. Bei Ablehnung (auch konkludent, BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 160/11) einer Bewerbung beginnt die Frist in dem Moment zu laufen, in dem der Bewerber von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

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Behandlung sachlich gerechtfertigt und angemessen und erforderlich ist (§ 3 Abs. 2 letzter Halbs. AGG).17 Nicht jede Frage nach einem Benachteiligungsgrund iSd. § 1 AGG muss deshalb zwingend eine verbotene Benachteiligung gemäß § 7 Abs. 1 AGG darstellen. In welchem Umfang die §§ 8–10 AGG unterschiedliche Behandlungen rechtfertigen können bzw. wann ein Sachgrund iSd. § 3 Abs. 2 letzter Halbs. AGG vorliegt, ist vor allem angesichts der Vielzahl der darin enthaltenden unbestimmten Rechtsbegriffe weiterhin unklar. 8

Der verschuldensabhängige18 Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG ist auf das positive Interesse, typischerweise den Verdienstausfall, gerichtet. Dabei dürfte nur die Vergütung bis zum ersten möglichen Kündigungstermin zu ersetzen sein, als Obergrenze ist jedenfalls § 10 KSchG entsprechend anzuwenden.19 Der verschuldensunabhängige20 Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG21 umfasst den Ersatz immaterieller Schäden. Eine Obergrenze existiert nur für den Fall, dass der benachteiligte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG. Im Umkehrschluss bedeutet dies zunächst, dass bei Nichteinstellung des bestplatzierten Bewerbers der Entschädigungsanspruch in der Höhe unbegrenzt besteht.

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Eine unzulässige Frage selbst ist zwar benachteiligungsneutral, durch sie allein erfolgt noch keine Ablehnung und damit noch keine Benachteiligung des Bewerbers, zumal ihm bei unzulässigen Fragen das „Recht auf Lüge“ zusteht.

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Trotzdem ist hinsichtlich der in Einstellungsfragebögen enthaltenen Fragen äußerste Zurückhaltung geboten. Kann nämlich der Bewerber hinreichende Indizien vorbringen,22 so bewirkt die Beweiserleichterung des § 22 AGG, dass dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast obliegt, er also das Nichtvorliegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot und/oder eine Rechtfertigung zu beweisen hat.23 Solche Indizien24 können bereits Stellengesuche nach einem „jungen Mitarbei17 BGK, § 3 AGG Rz. 31; PWW/Lingemann, § 3 AGG Rz. 11. 18 Teilweise wird unter Verweis auf EuGH v. 8.11.1990, NZA 1997, 645 – Draempaehl, geltend gemacht, das Fehlen des Verschuldenserfordernisses in § 15 Abs. 1 AGG sei gemeinschaftsrechtswidrig und müsse insofern europarechtskonform ausgelegt werden (Deinert, DB 2007, 398, 399). Jedoch begründet bereits Abs. 2 einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch (PWW/Lingemann, § 15 AGG Rz. 4; BGK, § 15 AGG Rz. 15). 19 BGK, § 15 AGG Rz. 26 ff.; PWW/Lingemann, § 15 AGG Rz. 5 mwN; aA LAG Berlin-Brandenburg v. 26.11.2008, DB 2008, 2707. 20 Erforderlich ist allein ein dem Arbeitgeber zurechenbarer Verstoß; BAG v. 18.3.2010, NZA 2010, 2970, 2973; v. 13.3.2009, NZA 2009, 945. 21 Vgl. dazu auch Walker, NZA 2009, 5; Diller, NZA 2007, 649, 650 ff. 22 Der Beschäftigte genügt seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Aus den Indizien muss lediglich der Schluss gezogen werden können, dass ein Benachteiligungsgrund für eine Benachteiligung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit kausal geworden ist, vgl. BAG v. 7.7.2011, NZA 2012, 34; v. 22.7.2010, NZA 2011, 93, 98 f.; BGK, § 22 AGG Rz. 4. 23 BAG v. 7.7.2011, NZA 2012, 34. 24 Indiz kann auch die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch sein, wenn dem öffentlichen Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft des nach § 82 Satz 2 SGB IX einzuladenden Bewerbers bekannt ist, es sei denn, dem Bewerber fehlt offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle: BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 697/10, NZA 2012, 667.

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Kap. 1

ter“25 oder „Berufsanfänger“26, entsprechende Fragen im Bewerbungsgespräch27, eine unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch entgegen § 82 Satz 2 und 3 SGB IX28 oder Fragen im Einstellungsfragebogen29 nach dem Vorliegen eines der Merkmale des § 1 AGG sein. Zur Risikominimierung kann es insofern ratsam sein, zu den einzelnen Punkten im Fragebogen den Grund für das Interesse des Unternehmens an den Daten anzugeben. Auf diese Weise kann zum Zwecke der Rechtfertigung einer möglichen unterschiedlichen Behandlung dokumentiert werden, dass die Fragen nicht aus diskriminierenden Motiven gestellt werden.30

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Zudem ist zu empfehlen, den bisher üblichen Einstellungsfragebogen in zwei Fragebögen aufzuteilen: Der erste Fragebogen ist bereits im Bewerbungsverfahren auszufüllen,31 der zweite erst nach der Einstellung.32 Während der erste Fragebogen nach Möglichkeit nur Fragen enthalten sollte, die das AGG nicht berühren, können im zweiten auch Fragen gestellt werden, bei denen es zu Berührungen mit dem AGG kommt, wenn diese für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses zwingend erforderlich sind. Denn ist der Bewerber erst eingestellt, können die Fragen im Fragebogen kein Indiz für eine Benachteiligungen des Bewerbers bei der Einstellung mehr darstellen.33 Weiterhin sind jedoch Benachteiligungen – zB bei Beförderungen oder bei Probezeitkündigungen – denkbar. Deshalb gilt für beide Fragebögen, dass besonders risikobehaftete Fragen nur mit äußerster Zurückhaltung und nach eingehender Prüfung, ob eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt wäre, gestellt werden sollten. Maßgeblich für die Rechtfertigung sind idR die strengen Anforderungen des § 8 Abs. 1 AGG; danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen sind. Für die Benachteiligungsmerkmale „Religion“ und „Weltanschauung“

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25 BAG v. 19.8.2010, NZA 2010, 1412: Hier wurde im Stellengesuch nach einem „jungen“ Mitarbeiter gesucht. Die Stellenanzeige sei – so das BAG – nicht altersneutral verfasst und verstoße damit gegen die Verpflichtung aus § 11 AGG, wonach ein Arbeitsplatz unter Verletzung des § 7 AGG nicht ausgeschrieben werden darf, soweit kein Rechtfertigungsgrund gemäß § 10 AGG vorliege. 26 BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498. 27 Nach BAG v. 17.12.2009, NZA 2010, 383 kann die Frage, ob der Bewerber an „Morbus Bechterew“ leide, ein Indiz für eine Diskriminierung gemäß § 22 AGG sein. 28 BVerwG v. 3.3.2011 – BVerwG 5 C 15.10, NZA 2011, 977. Hier wurde entschieden, dass eine schwerbehinderte Bewerberin auf ein Richteramt mit einem zweifachen „befriedigend“ zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden muss, wenn in dem Anforderungsprofil des Arbeitgebers keine bestimmte, von der Bewerberin nicht erreichte Examensnote vorgesehen ist. Folglich griff die Vermutungswirkung des § 22 AGG wegen des Merkmals der „Behinderung“ ein. 29 BAG v. 17.12.2009, NZA 2010, 383; PWW/Lingemann, § 22 AGG Rz. 5; Kania/Merten, ZIP 2007, 8, 13; Kleinebrink, ArbRB 2006, 374, 375; restriktiver jedoch BGK, § 22 AGG Rz. 10, wonach idR weitere Umstände hinzutreten müssen, um die Indizwirkung zu begründen. 30 Schrader, DB 2006, 2571, 2572. 31 Vgl. M 1.3.1. 32 Vgl. M 1.3.2. 33 Kleinebrink, ArbRB 2006, 374, 377; Grobys, NJW-Spezial, Heft 2, 2007, 81, 82; Kania/Merten, ZIP 2007, 8, 13.

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

(§ 9 AGG) sowie wegen des Alters (§ 10 AGG) ist die Rechtfertigung gemäß §§ 9 bzw. 10 AGG unter leichteren Voraussetzungen möglich. 13

Hinsichtlich beider Fragebögen ist wegen des Haftungsprivilegs, § 15 Abs. 3 AGG, die Verwendung auf Grund kollektivrechtlicher Vereinbarungen ratsam (dazu sogleich Rz. 17 ff.).

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Stellt der Arbeitgeber unzulässige Fragen, kann er sich neben den Ansprüchen aus dem AGG auch gemäß § 280 BGB bzw. aus c.i.c. gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB34 oder wegen unerlaubter Handlung nach den §§ 823 ff. BGB schadensersatzpflichtig machen (vgl. § 15 Abs. 5 AGG35). Beantwortet der Arbeitnehmer allerdings eine zulässige Frage bewusst falsch oder unvollständig, so kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB anfechten (dazu näher Kap. 21) oder außerordentlich gemäß § 626 BGB kündigen, wenn die wahrheitswidrige Antwort für die Einstellung kausal war und der Bewerber dies wusste oder erkennen musste.36, 37 b) Beteiligung des Betriebsrats und Haftungsprivilegierung

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Der Fragebogen bedarf der Zustimmung des Betriebsrats nach § 94 Abs. 1 BetrVG.38 Dies gilt auch für Änderungen an bereits bestehenden Fragebögen. Dazu ist eine Betriebsvereinbarung bzw. nach anderer Ansicht lediglich eine formfreie Regelungsabrede erforderlich.39 Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, kann diese durch die Einigungsstelle ersetzt werden, § 76 Abs. 5 BetrVG. Der Betriebsrat hat insoweit auch über die Einhaltung des AGG zu wachen (vgl. 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), wobei die Grenzen dieser Überwachungspflicht streitig sind.40

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Praxistipp: Fragen, die in einem ohne Zustimmung des Betriebsrats verwendeten Fragebogen gestellt werden, muss der Bewerber gleichwohl wahrheitsgemäß beantworten, wenn die Fragen individualrechtlich zulässig sind.41

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Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats gemäß § 94 Abs. 1 BetrVG birgt für den Arbeitgeber auch einen Vorteil. Denn § 15 Abs. 3 AGG sieht eine Haftungsprivilegierung für den Fall vor, dass der Arbeitgeber eine kollektivrechtliche Vereinbarung (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Dienstvereinbarung) anwendet; er haftet dann 34 Str., BGK, § 15 AGG Rz. 65; aA Däubler/Bertzbach/Deinert, § 15 AGG Rz. 24. 35 BGK, § 15 AGG Rz. 65 ff.; vgl. PWW/Lingemann, § 15 AGG Rz. 20. 36 BAG v. 7.7.2011, NZA 2012, 34; v. 6.2.2003, NZA 2003, 848; v. 11.11.1993, NZA 1994, 407; Einzelheiten Einf. Kap. 21 Rz. 12 ff. 37 Zum Fragerecht allgemein Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 26 Rz. 16 ff. 38 Vgl. im Detail Schaub/Koch, ArbR-Hdb., § 238 Rz. 18 ff. 39 Für die Betriebsvereinbarung: Richardi, § 94 BetrVG Rz. 26. Für die Regelungsabrede: HSWGN/Rose, § 94 BetrVG Rz. 57; LAG Hessen v. 8.1.1991, DB 1992, 534. Wegen der uU gravierenden Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats (vgl. Rz. 16, 27) empfiehlt es sich, sicherheitshalber eine Betriebsvereinbarung zu treffen. Diese bedarf nach § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG der Schriftform. 40 Vgl. Besgen, BB 2007, 213; Däubler, AiB 2006, 614. Der Betriebsrat erhält durch § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kein zusätzliches Mitbestimmungsrecht; durch § 17 AGG hat sich das nicht geändert, Fitting, § 80 BetrVG Rz. 14. Allgemein zu den Beteiligungsrechten Walk/Shipton, BB 2010, 1917. 41 BAG v. 2.12.1999, NZA 2001, 107 zum Personalvertretungsrecht; GK-BetrVG/Kraft, § 94 Rz. 32; aA Fitting, § 94 Rz. 35.

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nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Auch die bloß arbeitsvertragliche Inbezugnahme auf die kollektive Regelung reicht aus.42 Gemäß dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 AGG gilt die Haftungsprivilegierung nur für Entschädigungen, also Ansprüche gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Unseres Erachtens handelt sich dabei jedoch um ein Redaktionsversehen, da die „höhere Richtigkeitsgewähr“43 kollektivrechtlicher Vereinbarungen gegenüber Schadensersatzansprüchen gemäß § 15 Abs. 1 AGG ebenfalls besteht.44

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Praxistipp: Wegen der Privilegierungswirkung des § 15 Abs. 3 AGG ist eine „Absicherung“ des Einstellungsfragebogens mit Hilfe kollektivrechtlicher Vereinbarungen ratsam. Dadurch vermindert sich das Haftungsrisiko bei Fragen, deren Zulässigkeit nach Inkrafttreten des AGG zweifelhaft geworden ist.45

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3. Datenschutz Als Reaktion auf eine Reihe von Datenskandalen ist mit Wirkung zum 1.9.2009 eine bereichsspezifische Grundsatzregelung zum Datenschutz der Arbeitnehmer in das BDSG aufgenommen worden. Nach der Gesetzesbegründung soll § 32 BDSG einem eigenständigen Beschäftigtendatenschutzgesetz jedoch nicht vorgreifen und diesen auch nicht entbehrlich machen. Ziel ist es vielmehr, die von der Rechtsprechung formulierten allgemeinen Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten von Beschäftigten zusammenzufassen.46 Bis zum Erlass47 eines eigenständigen Beschäftigtendatenschutzgesetzes bleiben für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis und für dessen Anbahnung weiterhin die Beschränkungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) maßgeblich.48 Dabei erweitert § 32 Abs. 2 BDSG im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen den Anwendungsbereich des Gesetzes auf nichtautomatisierte Erhebungen und Verarbeitungen, so dass nunmehr die strengen datenschutzrechtlichen Anforderungen auch bei nichtautomatisierten Datenverarbeitungsvorgängen Anwendung finden.49 Personenbezogene Daten sind dabei Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, in diesem Fall des Beschäftigten, § 3 BDSG.50 Neben dem BDSG sind auch die Regelungen der 42 BT-Drucks. 16/1780, S. 38; s. auch Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 897; ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rz. 13. 43 BT-Drucks. 16/1780, S. 38. 44 Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2005, 32, 35; Däubler/Berg, § 15 AGG Rz. 11. 45 BGK, § 15 Rz. 43. 46 BT-Drucks. 16/13657, S. 35; krit. zum Bedarf eines solchen Beschäftigtendatenschutzgesetzes Thüsing, RDV 2009, 1. 47 Seit geraumer Zeit gibt es Pläne der Europäischen Kommission, das Datenschutzrecht in Europa zu vereinheitlichen. Der letzte Vorschlag ist der Entwurf vom 25.1.2012 einer Datenschutz-Grundverordnung, dazu Gola, EuZW 2012, 332. Der nationale Entwurf der deutschen Regierung zum Beschäftigtendatenschutz wird nach zahlreichen Kontroversen im Gesetzgebungsverfahren 2013 jedenfalls in der 17. Legislaturperiode nicht fortgeführt. 48 Vgl. zum Verhältnis von AGG und BDSG Kania/Sansone, NZA 2012, 360. 49 Vgl. hierzu krit. Grentzenberg/Schreibauer/Schuppert, K&R 2009, 535, 539, die sich für eine teleologische Reduktion auf sensible (Gesundheits-)Daten aussprechen. 50 Der datenschutzrechtliche Begriff des Beschäftigten umfasst nach § 3 Abs. 11 BDSG neben Arbeitnehmern, auch vor und nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, ua. Auszubildende, Heimarbeiter, Beamte, arbeitnehmerähnliche Personen und Zivildienstleistende.

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Landesdatenschutzgesetze zu beachten.51 Zu Einzelheiten des Datenschutzes und Formulierungsvorschlägen für Einwilligungserklärungen s. Kap. 70 Einf. sowie M 70.6. 21

Stark umstritten ist die Zulässigkeit von Pre Employment Screenings durch InternetRecherche. Hier dürfte die Recherche von Daten, die der Bewerber selbst ins Internet gestellt oder dort allgemein zugänglich gemacht hat, also Daten, die über die Suchmaschinen wie Google und Yahoo erhoben werden können, zulässig sein. Demgegenüber ist eine Nutzung sozialer Netzwerke zum Zwecke des Screenings wohl nicht zulässig, soweit es sich um freizeitorientierte Netzwerke handelt, wie zB Facebook oder StudiVZ. Die Daten in solchen Netzwerken sind insoweit nicht „allgemein zugänglich“ iSv. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG. Zudem überwiegt wegen der Freizeitorientierung das Interesse des Bewerbers gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG. Bei berufsorientierten Netzwerken wie Xing oder LinkedIn überwiegt das Interesse des potentiellen Arbeitgebers, soweit die Daten unmittelbar beim Profil des Bewerbers erhoben werden. Bei einer Erhebung auf dem Profil Dritter hingegen dürfte wiederum das Bewerberinteresse überwiegen, da diese Daten nicht zur Nutzung durch weitere Nutzer zur Verfügung gestellt wurden.52 Nach überwiegender Auffassung soll auch eine weitergehende Einwilligung den zulässigen Rahmen nicht erweitern können.53

4. Beteiligung des Betriebsrats bei der Einstellung 22

Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor54 jeder Einstellung55 zu unterrichten und dessen Zustimmung einzuholen (M 1.6). Er muss dazu die Personalien aller Bewerber mitteilen.56 Der Betriebsrat kann die Zustimmung nur in den in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Fällen verweigern; insbesondere kann er gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG seine Zustimmung zur Einstellung wohl auch verweigern, wenn diese gegen das AGG verstößt.57 Macht der Betriebsrat von diesem Recht Gebrauch, kann der Arbeitgeber die Zustimmung durch das Arbeitsgericht gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzen lassen. In dringenden Fällen kann er nach § 100 BetrVG vorgehen. Die Einstellung leitender Angestellter ist dem Betriebsrat gemäß § 105 BetrVG lediglich mitzuteilen; zu Einzelheiten und Formulierungsvorschlägen siehe Kapitel 9. 51 Vgl. zum DSG NRW BAG v. 15.11.2012, DB 2013, 584. 52 Vgl. zum ganzen Kania/Sansone, NZA 2012, 360, 363. 53 Gola, RDV 2011, 109, 114; Kania/Sansone, NZA 2012, 360, 363; Riesenhuber, RdA 2011, 257, 261. 54 Die Unterrichtung hat rechtzeitig zu erfolgen. 55 Einstellung ist die rein tatsächliche Eingliederung in den Betrieb, ohne dass es auf das Rechtsverhältnis zum Arbeitgeber ankommt. Daher ist auch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern von dem Begriff umfasst, BAG v. 9.3.2011, NZA 2011, 871; v. 10.7.2013 – 1 ABR 91/11, PM 46/13. Dasselbe gilt für die Umwandlung von befristeten in unbefristete Arbeitsverhältnisse, BAG v. 23.6.2009, NZA 2009, 1162; v. 13.4.1994, NZA 1994, 1099, und die Auf- bzw. Übernahme von Auszubildenden, BAG v. 20.4.1993, NZA 1993, 1096; v. 3.10.1989, NZA 1990, 366. Keine Einstellung ist zwar idR die Beschäftigung freier Mitarbeiter und Handelsvertreter, BAG v. 30.8.1994, NZA 1995, 649, über § 80 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat jedoch einen Anspruch auf Mitteilung des Aufgabengebietes, des Ortes der Tätigkeit, der Zeiten der Tätigkeit und der Art der Entlohnung der freien Mitarbeiter, um prüfen zu können, ob es sich nicht doch um Arbeitnehmer handelt, BAG v. 15.12.1998, NZA 1999, 722, 726. 56 BAG v. 1.6.2011, NZA 2011, 1435; v. 28.6.2005, NZA 2006, 111; v. 19.5.1981, DB 1981, 2384. 57 MünchKommBGB/Thüsing, § 17 AGG Rz. 23; Weitergehend zu den Auswirkungen des AGG auf das BetrVG Besgen, BB 2007, 213 ff.

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Wichtig: Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne Zustimmung des Betriebsrats ein, so ist der Vertrag individualrechtlich dennoch wirksam. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer jedoch nicht beschäftigen.58 Dabei bleibt er aber zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. Dies kann zu erheblichen Kosten führen. Der Arbeitgeber setzt sich zudem der Sanktion des § 101 BetrVG aus (Zwangsgeld).

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5. Aufklärungspflichten des Arbeitgebers bei ungesicherter Beschäftigung des Arbeitnehmers Die Frage, ob und wann den Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis anwirbt, eine Aufklärungspflicht trifft, wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unsicher ist, ist nicht abschließend geklärt. Aus § 242 BGB ergibt sich eine derartige Aufklärungspflicht über einen geplanten Stellenabbau jedenfalls dann, wenn die diesbezüglichen Planungen eine hinreichende Reife und Konkretheit aufweisen und der Stellenabbau hinreichend bestimmt und in Einzelheiten bereits absehbar ist.59 Ein Schadensersatzanspruch dürfte zudem bestehen, wenn der Arbeitgeber unwahre Tatsachenangaben macht, auf Grund derer sich der Bewerber zum Abschluss des Arbeitsvertrages entschließt;60 die unterlassene Aufklärung über eine bloß unsichere Auftragslage begründet aber noch keine Aufklärungspflicht und damit auch keine Schadensersatzpflicht.61 Rechtsfolge der Verletzung einer Aufklärungspflicht könnte ferner die Unwirksamkeit der Probezeitkündigung sein.62

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6. Einfühlungsverhältnis Zur Anbahnung des Arbeitsverhältnisses zählt auch das Einfühlungsverhältnis.63 Dabei handelt es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um eine unbezahlte Kennenlernphase von maximal einer Woche.64 Der Aspirant für ein Arbeitsverhältnis untersteht in diesem Fall lediglich dem Hausrecht des Arbeitgebers, nicht aber seinem Direktionsrecht und ist zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet,65 der eventuell spätere Arbeitgeber im Gegenzug nicht zur Zahlung von Vergütung.66 Das Einfühlungsverhältnis birgt erhebliche Risiken für den Arbeitgeber, zB im Hinblick auf das absolute Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Daher wird hier davon abgeraten. 58 Str., BAG v. 2.7.1980, BAGE 34, 1 = DB 1981, 272; v. 26.1.1988, NZA 1988, 476; so auch ErfK/Kania, § 99 BetrVG Rz. 45; HSWGN/Schlochauer, § 99 BetrVG Rz. 139a; Richardi, § 99 BetrVG Rz. 293; aA Fitting, § 99 BetrVG Rz. 278. 59 BAG v. 14.7.2005, NZA 2005, 1298. 60 ArbG Wiesbaden v. 12.6.2001, NZA-RR 2002, 349. 61 LAG Köln v. 9.9.1998 – 8 Sa 532/98, nv.; dazu krit. Hümmerich, NZA 2002, 1305. 62 Hümmerich, NZA 2002, 1305. 63 Barth, BB 2009, 2646; vgl. LAG Schl.-Holst. v. 17.3.2005, AuA 2005, 431; LAG Sachsen v. 5.3.2004 – 2 Sa 386/03, nv.; LAG Bremen v. 25.7.2002, LAGE § 611 BGB Probearbeitsverhältnis Nr. 5; LAG Hamm v. 24.5.1989, LAGE § 611 BGB Probearbeitsverhältnis Nr. 2; Preis/ Kliemt/Ulrich, Das Probearbeitsverhältnis, AR-Blattei SD 1270. 64 Ebenfalls kein Arbeitsverhältnis stellt die betriebliche Praxiserprobung gemäß § 16e SGB II dar. Es handelt sich vielmehr um ein von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägtes Rechtsverhältnis, welches keine Ansprüche auf Vergütungszahlung begründet, BAG v. 19.3.2008, NZA 2008, 760. Vgl. auch BSG v. 29.1.2008, NZA 2008, 806. 65 Maties, RdA 2007, 135, 142; Schaub/Koch, ArbR-Hdb. § 41 Rz. 2; aA ArbG Weiden/Oberpfalz v. 7.5.2008 – 1 Ca 64/08 C. 66 AA ArbG Weiden/Oberpfalz v. 7.5.2008 – 1 Ca 64/08 C; vgl. auch Bertzbach, FA 2002, 340.

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.1

II. Muster 1.1

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Vorstellungseinladung mit Kostenübernahme1

Betr.: Ihre Bewerbung vom . . . Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., wir danken Ihnen für Ihre Bewerbung vom . . . Wir möchten Sie gerne kennen lernen. Wir bitten Sie daher, unsere(n) Herrn/Frau . . . am . . . (Datum) um . . . (Uhr) in . . . aufzusuchen. Sollte Ihnen dieser Termin nicht zusagen, bitten wir, mit uns einen anderen Termin zu vereinbaren. Mit freundlichem Gruß ... (Unterschrift) 1 Zur Kostenübernahme s. Einf. Rz. 1 f.

1.2

u

Vorstellungseinladung ohne Kostenübernahme

Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., auf Grund Ihrer Bewerbungsunterlagen vom . . . können wir nicht ausschließen, dass Sie zu dem aussichtsreichen Bewerberkreis gehören. Wir stellen Ihnen daher anheim, sich bei uns vorzustellen. In diesem Fall bitten wir Sie, mit dem Unterzeichner telefonisch einen Termin zu vereinbaren. Die Ihnen entstehenden Kosten können wir allerdings nicht übernehmen. Mit freundlichem Gruß ... (Unterschrift)

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Lingemann

M 1.3.1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

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Personalfragebogen im Bewerbungsverfahren1

1.3.1

Ich bewerbe mich um die Einstellung als . . . I. Angaben des Bewerbers/der Bewerberin zur Person 1. Die Angabe Ihrer persönlichen Daten2 ist zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nötig.3 Ihre Kontaktdaten benötigen wir, um Sie erreichen zu können und um uns bei Bedarf mit Ihnen abstimmen zu können.4 Name: . . . Vorname: . . . Wohnort: . . . Straße: . . . Nr.: . . . Ruf: . . . E-Mail: . . . Bei minderjährigen Arbeitnehmern Name und Anschrift des gesetzlichen Vertreters: ...

1 Seit Geltung des AGG ist zu empfehlen, die zu stellenden Fragen auf zwei Fragebögen aufzuteilen. Der erste Teil, der dem Bewerber im Bewerbungsverfahren vorgelegt wird, sollte nach Möglichkeit keine Fragen enthalten, deren Zulässigkeit auf Grund des AGG zweifelhaft ist, da das AGG gemäß seinem § 2 Abs. 1 Nr. 1 gerade für die Bedingungen, die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen sowie für den Zugang zu einer bestimmten Erwerbstätigkeit Anwendung findet; solche Fragen sollten – wenn überhaupt – erst nach erfolgter Einstellung gestellt werden (s. Einf. Rz. 3 ff.; Kleinebrink, ArbRB 2006, 374, 377; vgl. zum Fragebogen nach erfolgter Einstellung M 1.3.2). In diesem Fragebogen sind grundsätzlich nur die Fragen aufgelistet, die auch seit Inkrafttreten des AGG im Einstellungsfragebogen noch in Betracht kommen können. Hinsichtlich der Fragen ist jedoch zu beachten, dass die jeweilige Frage nicht für jedes sich anbahnende Arbeitsverhältnis zulässig ist (vgl. näher bei den Fn. zu den einzelnen Fragen). Die Fragen müssen also entsprechend angepasst oder gestrichen werden, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Frage zulässig ist, nicht vorliegen. Grundsätzlich können Fragen, die im Fragebogen vor Einstellung gestellt werden dürfen, erst recht auch im Personalbogen nach bereits erfolgter Einstellung gestellt werden. 2 Zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von sog. „Background-Checks“ s. Kania/Sansone, NZA 2012, 360; Raif, ArbR Aktuell 2010, 617; Ernst, NJOZ 2011, 953; Forst, NZA 2010, 427. 3 Zur Löschungsfrist für Bewerberdaten s. Schriever, BB 2011, 2680. Praxistipp: Es kann ratsam sein, den Bewerber in einer sehr frühen Phase des Bewerbungsverfahrens um eine Einwilligung, die der Schriftform bedarf und in einem gesonderten Schreiben enthalten sein sollte, zur Speicherung seiner Daten zu bitten (vgl. Schriever, aaO): „Hiermit willige ich in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung meiner personenbezogener Daten zum Zwecke . . . durch . . . ein. Mir ist bekannt, dass ich diese Einwilligung nicht erteilen muss und eine Nichterteilung [keine Folgen hat oder: . . . zur Folge hat].“ Eventuell muss auch auf die Speicherung besonders sensibler Daten nach § 3 Abs. 9 BDSG hingewiesen werden. Siehe dazu auch insbesondere unten M 70.5. 4 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572.

Lingemann 13

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.3.1

2. Staatsangehörigkeit:5 Besitzen Sie eine der folgenden Staatsangehörigkeiten: EU-25-Staaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, England, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern); EWR-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen); Schweiz? l ja l nein 3. Sind Sie heimatloser Ausländer?6 l ja l nein 4. Bei Beantwortung der Fragen 2. und 3. mit „nein“: Besitzen Sie eine EU-Arbeitsgenehmigung oder einen Aufenthaltstitel, der Ihnen die Aufnahme der Tätigkeit erlaubt? l ja l nein 5. Bei Beantwortung der Frage 4. mit „ja“: Ist die Arbeitsgenehmigung bzw. ist der Aufenthaltstitel befristet? l ja l nein

5 Die Frage nach der Staatsangehörigkeit war wegen der besonderen Voraussetzungen der Einstellung von Ausländern nach alter Rechtslage zulässig. Nach Inkrafttreten des AGG könnte diese jedoch – zumindest nach den Gesamtumständen (MünchArbR/Oetker, § 14 Rz. 8) – als Diskriminierung im Hinblick auf das Merkmal „ethnische Herkunft“ angesehen werden. Sieht man darin eine mittelbare Diskriminierung, so wäre sie jedoch uE durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, sofern die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind, § 3 Abs. 2 AGG. Der Arbeitgeber hat insofern ein gewichtiges Interesse an der Beantwortung dieser Frage, als die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes, das Europäische Unionsrecht, zwischenstaatliche Vereinbarungen und §§ 284 ff. SGB III zu beachten sind. Keine Arbeits- oder Aufenthaltsgenehmigung benötigen EU-25-Bürger, die ihnen gleichgestellten EWR-Staaten-Bürger, Bürger der Schweiz sowie heimatlose Ausländer (vgl. Kleinebrink, ArbRB 2006, 374, 377). Für Bürger von Bulgarien und Rumänien gelten bis Ende 2013 Übergangsregelungen zur Einschränkung der Beschäftigungsfreiheit. Diese Staatsangehörigen dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie im Besitz einer Genehmigung (sog. Arbeitsgenehmigung-EU) sind, vgl. § 284 SGB III. Ausländer aus Drittstaaten unterliegen dem Anwendungsbereich des AufenthG und dürfen ebenfalls nur nach Vorlage der genannten Genehmigungen eingestellt werden. Zuwiderhandlungen können mit einer Geldstrafe bis zu Euro 500 000,– sanktioniert werden, § 404 Abs. 2 Nr. 3–5 SGB III. Vor diesem Hintergrund ist die Information über die Nationalität des Bewerbers für den Arbeitgeber erforderlich. Statt nach der genauen Staatsangehörigkeit zu fragen, sollte jedoch wie hier mit Hilfe einer Kategorisierung hinsichtlich der unterschiedlichen Freizügigkeit von Ausländern vorgegangen werden (Schiefer/Ettwig/Krych, Rz. 98; Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 171). Nach Möglichkeit sollte diese Frage zudem über eine kollektivrechtliche Vereinbarung bzw. über eine vertragliche Bezugnahme einer solchen Vereinbarung abgesichert werden, um in den Genuss der Haftungsprivilegierung des § 15 Abs. 3 AGG zu kommen (vgl. Einf. Rz. 17 ff.). 6 § 12 HeimatlAuslG.

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6. Bei Beantwortung der Frage 5. mit „ja“: Bis wann gilt die Arbeitsgenehmigung bzw. der Aufenthaltstitel? ... II. Persönliche Verhältnisse des Bewerbers7 Die Fragen 1. und 2. dienen lediglich dem Ziel sicherzustellen, ob Sie gesundheitlich in der Lage sind, als . . . tätig zu werden. Keine der folgenden Fragen sind an sich ein Kriterium, eine Einstellung nicht vorzunehmen.8

7 (1) Insbesondere Fragen nach einer Schwerbehinderung oder Behinderung sollten – wenn überhaupt – nur mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung gestellt werden (BAG v. 16.2.2012, NZA 2012, 555), vgl. dazu M 1.3.2. (2) Die Frage nach einer Schwerbehinderung war früher wegen der mit der Einstellung eines Schwerbehinderten verbundenen Rechte und Pflichten des Arbeitgebers nach dem SGB IX zulässig (BAG v. 7.6.1984, DB 1984, 2706; v. 11.11.1993, DB 1994, 939; v. 5.10.1995, DB 1996, 580; v. 3.12.1998, DB 1999, 852). Allerdings wurde auch schon aus dem später neu eingefügten Benachteiligungsverbot des § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zum Teil geschlossen, dass die Frage nach der Schwerbehinderung nur noch zulässig ist, wenn das Fehlen der Schwerbehinderung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit ist (Joussen, NZA 2007, 174, 176 f.; Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1149; Trümner, FA 2003, 34; Messingschlager, NZA 2003, 301; aA Schaub, NZA 2003, 299). Auch dann sollte nur nach der Behinderung, nicht aber nach der Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch gefragt werden dürfen wegen § 69 SGB IX (Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1149; Trümner, FA 2003, 34; aA Schaub, NZA 2003, 299, 300). Und es wurde auch schon ausgeführt (Einf. Rz. 22, 23), dass nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 iVm. § 3 Abs. 9 BDSG die Frage nach einer Schwerbehinderung als Frage nach dem Gesundheitszustand nur noch eingeschränkt zulässig sein könnte (Gola, RDV 2000, 202, 207; Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1152; Trümner, FA 2003, 34). Ob die Frage im Bewerbungsverfahren auch gestellt werden darf, wenn keine Beeinträchtigung für die avisierte Stelle droht, ist vom BAG bisher offen gelassen worden (zuletzt BAG v. 7.7.2011, NZA 2012, 34: „Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob sich der Arbeitgeber weiterhin nach einer Anerkennung als Schwerbehinderter auch dann erkundigen darf, wenn die Behinderung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ohne Bedeutung ist.“). Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jedenfalls nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Damit ist es dem Arbeitnehmer verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen, wenn er sie wahrheitswidrig verneint hat (BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555). (3) Das AGG differenziert dabei nicht zwischen Behinderung und Schwerbehinderung, es schützt vielmehr jede Behinderung iSd. § 1 AGG (vgl. zum Begriff der Behinderung auch Fn. 9). (4) Die Frage nach dem Vorliegen einer Behinderung kann nur zulässig sein, wenn die Behinderung die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit einschränkt oder ausschließt und deshalb ihr Fehlen eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung gemäß § 8 Abs. 1 AGG darstellt. Nach der gesetzgeberischen Wertung legitimieren auch wirtschaftliche Belastungen sowie organisatorische Probleme des Arbeitgebers die Frage nach einer Behinderung nicht mehr (Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 173). Demzufolge muss ein Bewerber die ihm gestellte Frage nicht mehr wahrheitsgemäß beantworten, der Arbeitgeber hat nach einer Einstellung auch bei wahrheitswidriger Beantwortung kein Anfechtungsrecht gemäß § 123 BGB (Joussen, NZA 2007, 174, 177; ausführlich Brecht-Heitzmann, ZTR 2006, 639, 642 ff.; vgl. auch Einf. Rz. 4). (5) Eine Ausnahme ist aber möglicherweise im folgenden Fall der Schwerbehinderung zulässig: Möchte der Arbeitgeber etwa die Quote des § 71 SGB IX erfüllen oder ist in einer Integrationsvereinbarung nach § 83 Abs. 2a SGB IX eine Regelung zur angemessenen Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier, frei werdender oder neuer Stel-

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1. Leiden Sie an Erkrankungen, durch die die Tauglichkeit für die vorgesehene Tätigkeit eingeschränkt ist? Oder waren Sie in den letzten beiden Jahren wegen einer solchen Erkrankung arbeitsunfähig krank?9 2. Untersuchung10 a) Sind Sie bereit, sich auf Kosten der Firma ärztlich untersuchen zu lassen?11

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len getroffen worden, so muss es dem Arbeitgeber möglich sein, gerade mit diesem Ziel einstellen zu können. (Ohlendorf/Schreier, BB 2008, 2458, 2461) Seine Frage nach der Schwerbehinderung dient dann allein dem Ziel, eine „positive Maßnahme“ iSd. § 5 AGG umzusetzen und ist dann ausnahmsweise zulässig (Joussen, NZA 2007, 174, 177 f.; Thüsing, Rz. 676; aA Künzl, ArbR 2012, 235). Die Beweislast liegt allerdings beim Arbeitgeber. Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt (vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f.). (1) Die Frage nach Erkrankungen war vor Inkrafttreten des AGG nur zulässig, soweit sie die Einsatzfähigkeit des Bewerbers auf dem konkreten Arbeitsplatz betraf (BAG v. 7.6.1984, EzA § 123 BGB Nr. 24; Ehrich, DB 2000, 421, 423; Künzl, ArbR Aktuell 2012, 235 ff., Trümner, FA 2003, 36). (2) Das AGG schränkt das Fragerecht weiter ein. So kann die Frage nach einer bestimmten Erkrankung uU als Frage nach einer Behinderung angesehen werden und eine Ungleichbehandlung indizieren (ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 274; BAG v. 17.12.2009, NZA 2010, 383). Eine Einschränkungen mit sich bringende Krankheit kann einer Behinderung gleichzustellen sein, EuGH v. 11.4.2013 – C-335/11 u. C-337/11. Davon ausgehend kann auch die Frage nach einer AIDS-Erkrankung und möglicherweise auch die Frage nach einer HIV-Infektion als Frage nach einer Behinderung iSd. § 1 AGG gewertet werden (Künzl, ArbR Aktuell 2012, 235). Daher sollten diese Fragen nur dann gestellt werden, wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AGG vorliegen, ihr Nichtvorliegen also wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung ist. Bei Infektionsgefahr Dritter oder zu erwartenden Schäden an Rechtsgütern des Arbeitgebers oder Dritter dürften diese Voraussetzungen aber erfüllt sein. Eine Risikoverringerung kann auch in diesem Fall über die Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen erreicht werden (vgl. § 15 Abs. 3 AGG; Einf. Rz. 17 ff.). Ärztliche Untersuchungen waren vor Inkrafttreten des AGG grds. zulässig, der Bewerber musste nicht zustimmen (vgl. zur Einwilligungserklärung M 1.4); er musste aber damit rechnen, in diesem Fall nicht eingestellt zu werden (Einzelheiten vgl. Fitting, § 94 BetrVG Rz. 25). Durch das AGG sind Untersuchungen zwar nicht generell unzulässig geworden, aber nur noch unter engen Voraussetzungen zulässig. Zunächst ist die Erforschung des Erkrankungszustands schon wegen der unklaren Abgrenzung zwischen einer Erkrankung und dem Benachteiligungsmerkmal „Behinderung“ risikoreich (s. bereits Fn. 7). Und auch wenn der entsprechende Arzt keine konkrete Aussage trifft, sondern nur eine (negative) Empfehlung gegenüber dem Arbeitgeber abgibt, kann diese zum einen ein Indiz für eine Benachteiligung wegen einer Behinderung, zum anderen aber auch für eine Benachteiligung wegen des Alters oder des Geschlechts (Schwangerschaft) sein. Infolgedessen sollte die Zustimmung zu einer ärztlichen Untersuchung nur dann eingeholt werden, wenn die Untersuchung zwingende Voraussetzung für die Einstellung ist (Schiefer/Ettwig/Krych, Rz. 102, 124 f.; vgl. zur Einwilligungserklärung M 1.4). Das dürfte etwa bei Busfahrern oder Piloten in Betracht kommen. Angesichts des mit diesem Punkt verbundenen hohen Risikos für den Arbeitgeber sollten entsprechende kollektivrechtliche Vereinbarungen geschlossen werden (vgl. § 15 Abs. 3 AGG; Einf. Rz. 17 ff.). Zur Zulässigkeit nach Einstellung s. M 1.3.2 Fn. 10; zur (Un-)Zulässigkeit genetischer Untersuchungen nach dem GenDG s. M 1.4 sowie M 1.4 Fn. 1; Wiese, BB 2011, 313. Auch die Frage nach der Durchführung eines Gesundheitstests ist seit Inkrafttreten des AGG problematisch. Sie könnte ein Indiz für eine Benachteiligung sein, wenn der Gesundheitstest dazu geeignet ist, Vorerkrankungen des Bewerbers, die gleichzeitig eine Behinderung iSd. § 1 AGG darstellen, zu ermitteln (Thüsing, Rz. 679; vgl. zum Begriff „Behinderung“ iSd. § 1 AGG unter Fn. 7, 9).

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b) Sind Sie bereit, auf Kosten der Firma ein Drogenscreening durchführen zu lassen?12 c) Entbinden Sie den Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht?13 3. Sind Sie bereit, an einem psychologischen Eignungstest teilzunehmen?14 3. Sind Sie bereit, an einem Assessment Center teilzunehmen?15 4. Bekleiden Sie ein Ehrenamt? III. Ausbildung Die Informationen zu Ihrer Ausbildung benötigen wir um sicherzustellen, dass Sie die für die Tätigkeit als . . . erforderliche Qualifikation aufweisen. Die Fragen zu Kenntnissen und Fähigkeiten stellen wir, um zu ermitteln, in welchen Bereichen wir Sie einsetzen können.16 Schulbildung: . . . Abschluss: . . . Hochschulstudium: . . . Berufsausbildung als: . . . Bei welcher Firma: . . . Welche Abschlussprüfungen haben Sie abgelegt? . . . Haben Sie Fortbildungsveranstaltungen besucht? . . . Falls ja, welche? . . . 12 Drogenscreenings waren schon vor Inkrafttreten des AGG nur zulässig, wenn eine Alkoholoder Drogenabhängigkeit des Bewerbers eine Eignung für den Arbeitsplatz entfallen ließ (Diller/ Powietzka, NZA 2001, 1227). Mit Inkrafttreten des AGG könnte eine Drogen- und/oder Alkoholsucht gleichzeitig als eine Behinderung iSd. § 1 AGG angesehen werden (schon vor Geltung des AGG hat das BAG eine Drogensucht als Behinderung iSd. § 2 Abs. 1 SGB IX eingeordnet, BAG v. 14.1.2004, NZA 2005, 839. Die Frage ist dann gemäß § 8 Abs. 1 AGG nur zulässig, wenn das Fehlen der Abhängigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, die angemessen ist (vgl. auch Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 171; Fuhlrott/Hoppe, ArbR Aktuell 2010, 183; so wohl auch Künzl, ArbR 2012, 235, der Suchterkrankungen generell für so gravierend hält, dass sie der uneingeschränkten Einsetzbarkeit des Bewerbers entgegenstehen). 13 Die Frage nach der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht könnte Indiz für eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG wegen einer Behinderung, des Alters und des Geschlechts (Schwangerschaft) sein. Infolgedessen sollte sie – wenn überhaupt – nach Möglichkeit nicht im Bewerbungsverfahren gestellt werden. Etwas anderes gilt, wenn ein bestimmter Gesundheitszustand Voraussetzung für die Ausübung der konkreten Tätigkeit ist (zB Pilot). 14 Die Zulässigkeit von psychologischen Eignungstests ist nicht geklärt, sie dürften nach § 32 BDSG jedenfalls zulässig sein, wenn die zu testenden Eigenschaften für die vorgesehene Tätigkeit erforderlich sind, der Test für die Entscheidung über die Begründung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist und das Testverfahren die zu testenden Eigenschaften objektiv, valide und zuverlässig messen kann, vgl. Franzen, NZA 2013, 1, 3. 15 Auch die Teilnahme an einem Assessment Center setzt die Zustimmung des Bewerbers voraus. Zur Beteiligung des Betriebsrates bei Assessment Centern: Schönfeld/Gennen, NZA 1989, 543. 16 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f.

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Haben Sie Kenntnisse in Fremdsprachen?17 . . . Falls ja, welche? . . . Sind Sie im Besitz einer Fahrerlaubnis?18 . . . Falls ja, welche? . . . Welche besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten haben Sie? . . . IV. Nachweis der beruflichen Beschäftigung19 Die Angaben zu Ihrem beruflichen Werdegang ermitteln wir ebenfalls, um Ihre Qualifikation für die Tätigkeit als . . . abschätzen zu können.20 1. Beschäftigungsnachweis seit der Ausbildung/der letzten . . . Jahre 2. Waren Sie in den letzten drei Jahren schon einmal in unserem Unternehmen beschäftigt; ggf. von wann bis wann?21 V. Sonstiges Die folgenden Fragen sollen das Bild, welches wir uns von Ihnen machen, abrunden. Insbesondere dienen sie folgenden Zwecken: Ihre Antwort zu eventuellen Vorstrafen und/oder laufenden Ermittlungsverfahren ist für uns von Interesse, da es sich bei der zu besetzenden Position als . . . um eine besondere Vertrauensstellung handelt. Die Angaben zu Ihren Vermögensverhältnissen sind wichtig, da die zu besetzende Position als . . . eine besondere Zuverlässigkeit beim Umgang mit Geld erfordert. Die Frage nach einem eventuellen Wettbewerbsverbot und Ihrer möglichen Arbeitsaufnahme dient unserer Planungssicherheit. Die Frage zu einer möglichen Gewerkschaftszugehörigkeit stellen wir, da wir ein sog. Tendenzbetrieb sind und die zu besetzende Position als . . . (Tendenzträger) ein besonderes darauf gerichtetes Vertrauen voraussetzt.22 17 Die Frage nach Fremdsprachenkenntnissen dürfte auf keine AGG-rechtlichen Bedenken stoßen. Die Frage nach Deutschkenntnissen hingegen kann mittelbar diskriminierend sein und sollte nur dann gestellt werden, wenn sie für den Arbeitsplatz von Bedeutung ist. (Hinrichs/Stütze, NZA-RR 2011, 113, 115; Ohlendorf/Schreier, BB 2008, 2458, 2461; aA ArbG Berlin v. 26.9.2007, BB 2008, 115, krit. hierzu Maier, ArbuR 2008, 112). 18 Die Frage nach einer Fahrerlaubnis könnte ein Indiz für eine mittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung gemäß § 3 Abs. 2 AGG sein. Da aber eine mittelbare Benachteiligung nicht vorliegt, wenn die Ungleichbehandlung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind, dürfte die Frage jedenfalls dann zulässig sein, wenn die Fahrerlaubnis zur Ausübung der konkreten Tätigkeit erforderlich ist (zB Kraftfahrer, evtl. auch Außendienstmitarbeiter). 19 Die Frage nach einem Nachweis des beruflichen Werdegangs ist – auch seit Inkrafttreten des AGG – zulässig. Etwas anderes gilt uU, wenn der Arbeitgeber durch das Verlangen eines lückenlosen Beschäftigungsnachweises das Recht des Bewerbers auf Verschweigen für das Arbeitsverhältnis nicht relevanter Vorstrafen (s. Fn. 24) zu umgehen sucht (vgl. Fitting, § 94 BetrVG Rz. 19). 20 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f. 21 Eine Vorbeschäftigung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG liegt nicht mehr vor, wenn diese mehr als drei Jahre zurückliegt, BAG v. 21.9.2011, NZA 2012, 255. Nach diesem Zeitraum sind sachgrundlose Befristungen erneut möglich. 22 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f.

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1. Welches Gehalt wünschen Sie? 2. Wie hoch war ihr letzter Verdienst?23 3. Sind Sie vorbestraft wegen eines der folgenden Delikte . . .?24 Schwebt gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen eines der folgenden Delikte . . .?25 4. a) Liegen Pfändungen vor?26 Falls ja, durch wen und in welcher Höhe? b) Haben Sie Ihre Bezüge verpfändet oder im Voraus abgetreten? 5. Haben Sie für das laufende Kalenderjahr bereits bei einem früheren Arbeitgeber Urlaub gehabt? 6. Wann können Sie die Arbeit aufnehmen? 7. Unterliegen Sie Wettbewerbsbeschränkungen? Ggf.: Was ist Inhalt der Wettbewerbsbeschränkungen? 8. Haben Sie gegen Ihren früheren Arbeitgeber einen Anspruch auf Betriebsrente oder eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft? 9. Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft?27 23 Die Frage nach dem Verdienst ist nur zulässig, soweit der bisherigen Vergütung eine Aussagekraft für die neue Stelle zukommt (BAG v. 19.5.1983, DB 1984, 298). Gibt der Bewerber absichtlich ein höheres Gehalt an, um den Arbeitgeber zur Vereinbarung eines höheren Gehalts zu bewegen, berechtigt dies den Arbeitgeber zwar nicht speziell zur Anfechtung der Gehaltsabrede, wohl aber zur Anfechtung des gesamten Vertrages nach den allgemeinen Grundsätzen (LAG Düsseldorf v. 29.4.1966, DB 1966, 1137). Jedenfalls aus personalpolitischen Gründen ist von dieser Frage jedoch in der Regel abzuraten. 24 Nach Vorstrafen darf nur gefragt werden, soweit sie im Zusammenhang mit der Arbeitsstelle stehen, zB bei einem Kassierer nach Vermögensdelikten. Dabei muss konkret nach den Delikten gefragt werden, die für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes bei objektiver Betrachtung relevant sind (BAG v. 6.9.2012, NJW 2013, 1115, Rz. 28). Der Bewerber ist berechtigt, die Frage zu verneinen, sobald die Straftat nicht mehr im Zentralregister geführt wird (BAG v. 18.9.1987, BB 1988, 632; v. 21.2.1991, DB 1991, 1934; v. 5.12.1957, BAGE 5, 159 = AP Nr. 2 zu § 123 BGB) oder wenn die Verurteilung nicht in das Führungszeugnis aufzunehmen oder zu tilgen ist (§§ 51, 53 BZRG; BAG v. 5.12.1957, DB 1958, 282; Ehrich, DB 2000, 421, 422). Ein Benachteiligungsmerkmal des AGG ist uE nicht einschlägig, so dass sich an der Rechtslage auch mit Inkrafttreten des AGG nichts geändert hat. 25 An der Zulässigkeit der Frage nach Ermittlungsverfahren bestehen wegen der grundsätzlichen Unschuldsvermutung zu Gunsten des Bewerbers (Art. 6 Abs. 2 EMRK) Zweifel. Sie ist nur zulässig, wenn bereits ein Ermittlungsverfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen kann (BAG v. 6.9.2012, NJW 2013, 1115, Rz. 28; v. 27.7.2005, NZA 2005, 1244; aA ArbG Münster v. 20.11.1992, NZA 1993, 461). Wie bei Vorstrafen ist auch hier konkret nach Delikten zu fragen, die für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes bei objektiver Betrachtung relevant sind (vgl. BAG v. 6.9.2012, NJW 2013, 1115, Rz. 28). Nach eingestellten Ermittlungsverfahren darf nur aufgrund der Wertentscheidung des § 53 BZRG nicht gefragt werden (BAG v. 15.11.2012, DB 2013, 584 mit Anm. Diller, ArbR Aktuell 2013, 198). 26 Die Frage nach dem Vorliegen von Pfändungen ist nur zulässig, wenn die zu besetzende Stelle eine besondere Zuverlässigkeit im Umgang mit Geld erfordert (Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 174 mwN). 27 Die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit ist nur ausnahmsweise zulässig, sofern sich der Arbeitnehmer in einem entsprechenden Tendenzbetrieb (zB Arbeitgeberverband) um eine leitende Position bewirbt, die das besondere persönliche Vertrauen des Arbeitgebers voraussetzt, sog. Tendenzträger (MünchArbR/Buchner, § 30 Rz. 328 ff.; Ehrich, DB 2000, 421, 426). Eine Nichteinstellung auf Grund einer Gewerkschaftszugehörigkeit wäre eine Maßnahme iSd. Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG (BAG v. 28.3.2000, AP Nr. 27 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung). In allen anderen Fällen wird die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit jedenfalls erst nach erfolgter Einstellung für zulässig gehalten (vgl. näher dazu sowie zum möglichen Schutz gewerkschaftlicher Betätigung durch das AGG unter M 1.3.2 Fn. 18).

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Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

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Dieser Personalfragebogen28 ist Bestandteil des Arbeitsvertrages, unvollständige und unrichtige Angaben zu zulässigen Fragen können den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages oder zur – gegebenenfalls auch fristlosen – Entlassung berechtigen und den Arbeitnehmer zum Schadensersatz verpflichten. 28 Zur Aufbewahrung des Personalfragebogens: Kommt ein Arbeitsverhältnis nicht zustande, muss der Arbeitgeber den Fragebogen grundsätzlich vernichten. Der Arbeitnehmer kann dies gemäß § 1004 BGB verlangen (BAG v. 6.6.1984, DB 1984, 2626). Seit Inkrafttreten des AGG besteht jedoch ein Aufbewahrungsrecht des Arbeitgebers unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG (Rittweger/Schmidl, FA 2006, 266, 267; Moos/Bandehzadeh/Bodenstedt, DB 2007, 1194).

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Personalfragebogen nach erfolgter Einstellung1

I. Angaben des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zur Person Die Angabe Ihrer persönlichen Daten2 ist zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses erforderlich.3 Name: . . . Vorname: . . . 1 Fragen, die das AGG berühren, für die Einstellung irrelevant sind, für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses aber erforderlich, können nach der Einstellung jedenfalls nicht mehr als Indiz gemäß § 22 AGG für eine Benachteiligung des Bewerbers wegen Nichteinstellung angeführt werden (s. Einf. Rz. 5 ff.); Kleinebrink, ArbRB 2006, 374, 377; vgl. auch M 1.3.1. Das gilt insbesondere nach Ablauf der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses und damit dem Beginn des Kündigungsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG; für die Frage nach einer Schwerbehinderung hat das BAG dies ausdrücklich nach Beginn des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Mernschen anerkannt (vgl. BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555). Fragen nach einem Merkmal gemäß § 1 AGG können jedoch ein Indiz für eine Benachteiligung im laufenden Arbeitsverhältnis begründen. Deshalb ist auch hier bei jeder Frage genauestens zu prüfen, ob sie eine AGG-Benachteiligung bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses indizieren kann und gegebenenfalls, ob das Vorliegen oder Fehlen der erfragten Tatsache wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Rahmen eines rechtmäßigen Zwecks ist, die auch angemessen ist (§ 8 Abs. 1 AGG; vgl. dazu schon Einf. Rz. 12 ff.). Hinsichtlich der einzelnen Fragen im Muster ist daher zu beachten, dass die jeweilige Frage nicht für jedes Arbeitsverhältnis zulässig ist (vgl. näher bei den Fußnoten zu den einzelnen Fragen), die Fragen in der Umsetzung also entsprechend angepasst oder gestrichen werden müssen. Fragen, die bereits im Bewerbungsverfahren gestellt wurden (M 1.3.1), werden in diesem Fragebogen – bis auf wenige Ausnahmen, bei denen im Einzelfall entschieden werden sollte, ob sie vor oder nach Einstellung gestellt werden – nicht mehr aufgeführt. Solche Fragen sind jedoch im Personalfragebogen nach erfolgter Einstellung im Grundsatz eher noch als vor der Einstellung zulässig. Sollte also im Bewerbungsverfahren noch kein Fragebogen verwendet worden sein, sondern soll dem neuen Mitarbeiter nur ein Fragebogen nach erfolgter Einstellung vorgelegt werden, so können diese Fragen – soweit vor der Einstellung zulässig – noch gestellt werden. Insbesondere gilt auch hier, dass kollektivrechtliche Vereinbarungen geschlossen werden sollten, um die Haftungsprivilegierung des § 15 Abs. 3 AGG zu bewirken (vgl. § 15 Abs. 3 AGG; Einf. Rz. 17 ff.). 2 Zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von sog. „Background-Checks“ s. Kania/Sansone, NZA 2012, 360; Raif, ArbR Aktuell 2010, 617; Ernst, NJOZ 2011, 953; Forst, NZA 2010, 427.

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Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

Geburtstag:4 . . . Geburtsort:5 . . . Familienstand: led./verh./eingetr. Lebenspartnerschaft/gesch./verw. (ggf. seit wann):6 ... Kinder: . . . II. Persönliche Verhältnisse des Bewerbers Die Fragen nach Ihren persönlichen Verhältnissen dienen dem Ziel sicherzustellen, dass Sie gesundheitlich in der Lage sind, als . . . tätig zu werden. Es geht lediglich darum, das Vorliegen der nötigen gesundheitlichen Voraussetzungen zu ermitteln. Unsere Kenntnis über eine möglicherweise bei Ihnen vorliegende Schwerbehinderung, Gleichstellung oder sonstige Behinderung ist darüber hinaus auch notwendig, da sich daran während des Arbeitsverhältnisses gesetzliche Pflichten knüpfen können.7 3 Zur Löschungsfrist für Bewerberdaten s. Schriever, BB 2011, 2680. Praxistipp: Es kann ratsam sein, den Bewerber in einer sehr frühen Phase des Bewerbungsverfahrens um eine Einwilligung, die der Schriftform genügen muss, zur Speicherung seiner Daten zu bitten (vgl. Schriever, aaO): „Hiermit willige ich in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung meiner personenbezogener Daten zum Zwecke . . . durch . . . ein. Mir ist bekannt, dass ich diese Einwilligung nicht erteilen muss und eine Nichterteilung [keine Folgen hat oder: . . . zur Folge hat].“ Eventuell muss auch auf die Speicherung besonders sensibler Daten nach § 3 Abs. 9 BDSG hingewiesen werden. Siehe dazu auch insbesondere unten M 70.5. 4 Die Frage nach dem Geburtsdatum ist seit Inkrafttreten des AGG problematisch (Benachteiligung wegen des Alters, §§ 7, 10 AGG) und sollte jedenfalls nicht im Bewerbungsverfahren gestellt werden (vgl. Künzl, ArbR 2012, 235; Wolff, FA 2006, 260, 261). Nach erfolgter Einstellung dürfte die Frage nach dem Lebensalter hingegen regelmäßig zulässig sein. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters schon zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, wobei die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sein müssen. Diese Vorgaben hat der Gesetzgeber mit einer Auflistung an möglichen Rechtfertigungsgründen in § 10 Satz 1 Nr. 1–6 AGG konkretisiert; diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend. ZB für die betriebliche Altersversorgung hat der Arbeitgeber ein legitimes Interesse daran, das Alter seiner Mitarbeiter zu kennen. Im Übrigen kann aber regelmäßig deshalb auf die Frage nach dem Alter verzichtet werden, weil sich dieses aus den übrigen Dokumenten (Lebenslauf etc.) ergibt. 5 Da die Frage nach dem Geburtsort bei Nichteinstellung als Indiz für eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft gewertet werden könnte, kann sie – wenn überhaupt – erst nach erfolgter Einstellung und Ablauf der Wartezeit von sechs Monaten gestellt werden. Sofern nicht ausnahmsweise die Kenntnis des Geburtsortes für die vorgesehene Tätigkeit von entscheidender Bedeutung iSv. § 8 Abs. 1 AGG ist, sollte die Frage nicht gestellt werden. 6 Die Frage nach dem Familienstand könnte ein Indiz für eine Benachteiligung wegen der sexuellen Identität sein; jedoch dürfte allein diese Frage nicht ausreichen, um eine Benachteiligung zu indizieren, vielmehr müssen weitere Indizien hinzutreten (BGK, § 2 AGG Rz. 23). Sicherer ist es in jedem Fall, diese Frage – wenn überhaupt – erst nach erfolgter Einstellung zu stellen. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hat der Arbeitgeber nämlich ein gewichtiges Interesse an dieser Information, die er zur Entgeltabrechnung benötigt und die im Falle einer Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen erforderlich sein kann (Schaub/Linck, ArbR-Hdb, § 26 Rz. 22). 7 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f. Im Rahmen des Einstellungsverfahrens ist zudem auf die Einschaltungsund Unterrichtungspflicht der Agentur für Arbeit nach § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX zu achten.

Lingemann 21

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.3.2

1. Sind Sie anerkannter Schwerbehinderter oder Gleichgestellter, oder haben Sie einen Gleichstellungsantrag gestellt? Ggf. Grad der Behinderung?8 2. Leiden Sie an chronischen Erkrankungen, durch die die Tauglichkeit für die vorgesehene Tätigkeit eingeschränkt ist? Oder waren Sie in den letzten beiden Jahren wegen einer solchen Erkrankung arbeitsunfähig krank?9 3. Untersuchung10 a) Sind Sie bereit, sich auf Kosten der Firma untersuchen zu lassen? b) Sind Sie bereit, auf Kosten der Firma ein Drogenscreening durchführen zu lassen?11 c) Entbinden Sie den Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht?12

8

9 10 11 12

22

Eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit unterstreicht das ernsthafte Bemühen des Arbeitgebers zur Einstellung schwerbehinderter Bewerber und dient als starkes Indiz zu Gunsten des Arbeitgebers im Rahmen etwaiger Benachteiligungsprozesse. (Ohlendorf/Schreier, BB 2008, 2458, 2459). Im Gegenzug begründet die Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit eine Vermutung für die Benachteiligung eines Bewerbers wegen einer Behinderung, BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 608/10 m. Anm. Krieger, ArbR Aktuell 2011, 561; v. 12.9.2006, NZA 2007, 507. Im Übrigen ist ein öffentlicher Arbeitgeber stets gehalten, schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Pflicht besteht nur dann nicht, wenn der Bewerber offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Unterbleibt die erforderliche Einladung, ist eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung zu vermuten (BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 697/10, NZA 2012, 667; v. 21.7.2009 – 9 AZR 431/08, NZA 2009, 1087). Spätestens seit Inkrafttreten des AGG darf die Frage nach dem Vorliegen einer (Schwer-) Behinderung – von den oben M 1.3.1 [Fn. 7] genannten Ausnahmefällen abgesehen – jedenfalls im Bewerbungsverfahren nicht mehr gestellt werden (BGK, § 2 AGG Rz. 25). Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jedoch nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen, die Frage zulässig. Damit ist es dem Arbeitnehmer verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen, wenn er sie wahrheitswidrig verneint hat (BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555). Die Frage ist jedenfalls im Vorfeld einer (betriebsbedingten) Kündigung zulässig, denn der Arbeitgeber ist durch seine Pflichtenbindung nach § 1 Abs. 3 KSchG gehalten, die Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen und nach § 85 SGB IX eine vorherige Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen. Die zulässige Frage nach der Schwerbehinderung soll es dem Arbeitgeber in derartigen Fällen ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten (BAG aaO). Grund für die Zulässigkeit der Frage nach Einstellung kann uE auch sein, dass der Arbeitgeber wissen muss, ob er eine ausreichende Anzahl schwerbehinderter Menschen gemäß § 71 SGB IX beschäftigt oder eine Ausgleichsabgabe gemäß § 77 SGB IX zahlen muss (Thüsing, Rz. 676; Brecht-Heitzmann, ZTR 2006, 639, 642). Vgl. zur Zulässigkeit dieser Frage bei der Umsetzung einer „positiven Maßnahme“ iSd. § 5 AGG unter M 1.3.1 Fn. 7 unter (5). Vgl. dazu bereits ausführlich M 1.3.1 Fn. 9; weniger riskant ist es, die Frage nach chronischen Erkrankungen – wenn überhaupt – erst an dieser Stelle mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung zu stellen. Vgl. dazu bereits M 1.3.1 Fn. 10; weniger riskant ist es, Untersuchungen – wenn überhaupt – erst an dieser Stelle mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung anzusprechen. Vgl. zur Einwilligungserklärung des Arbeitnehmers M 1.4. Vgl. dazu bereits M 1.3.1 Fn. 12; weniger riskant ist es, ein Drogenscreening – wenn überhaupt – erst an dieser Stelle mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung anzusprechen. Vgl. zur Einwilligungserklärung des Arbeitnehmers M 1.4. Vgl. dazu bereits M 1.3.1 Fn. 13; weniger riskant ist es, diese Frage – wenn überhaupt – erst an dieser Stelle mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung anzusprechen. Die Frage nach der Schwangerschaft dürfte insgesamt unzulässig sein (LAG Köln, NZA-RR 2013, 232).

Lingemann

M 1.3.2

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

III. Sozialversicherung Diese Angaben benötigen wir zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses.13 1. In welcher Krankenkasse sind Sie versichert? 2. Wollen Sie Mitglied in der Betriebskrankenkasse werden? IV. Sonstiges Die folgenden Fragen sollen das Bild, welches wir uns von Ihnen machen, abrunden. Insbesondere dienen sie folgenden Zwecken: Die Frage zu einer möglichen Gewerkschaftszugehörigkeit stellen wir, da wir ein sog. Tendenzbetrieb sind und die zu besetzende Position als . . . (Tendenzträger) ein besonderes darauf gerichtetes Vertrauen voraussetzt.14 Die Information über eine eventuelle Mitgliedschaft in einer Scientology-Organisation benötigen wir um sicherzustellen, dass Sie die beruflichen Anforderungen15 unserer Religionsgemeinschaft/Vereinigung im Hinblick auf unser Selbstbestimmungsrecht oder die Art der Tätigkeit erfüllen.16 1. Haben Sie den Wehr- oder Zivildienst abgeleistet?17 2. Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft?18 13 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f. 14 Zur Zulässigkeit der Frage nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit vgl. im Einzelnen unten Fn. 18. 15 Vgl. § 9 AGG (sog. „Kirchenklausel“). 16 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f. Hinsichtlich einzelner Punkte wie zB der Mitgliedschaft bei Scientology ist zu beachten, dass eine solche Frage wohl nur in Ausnahmefällen zulässig ist (vgl. dazu näher Fn. 19), der Einschub also entsprechend angepasst werden muss. 17 Gemäß § 1 Abs. 1 ArbPlSchG ruht das Arbeitsverhältnis während des freiwilligen Wehrdienstes. Diese Frage sollte nicht im Einstellungsverfahren gestellt werden, da sie zum einen das Diskriminierungsmerkmal der Weltanschauung betreffen kann. Zum anderen kann sie sich nur an Männer richten und daher ein Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts sein (vgl. ausführlich Boemke, RdA 2008, 129 sowie Schiefer/Ettwig/Krych, Rz. 106; MünchKommBGB/Thüsing, § 8 AGG Rz. 29). Andererseits ist eine (mittelbare) Ungleichbehandlung (der Frauen) wegen einer bevorzugten Einstellung von Wehr- oder Ersatzdienstleistenden in den juristischen Vorbereitungsdienst schon früher als sachlich gerechtfertigt anerkannt worden (EuGH v. 7.12.2000, NZA 2001, 141), uE gilt auch gemäß § 3 Abs. 2 AGG nichts anderes. Weniger riskant ist es jedenfalls, die Frage – wenn überhaupt – nicht im Bewerbungsverfahren, sondern erst mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung im Personalfragebogen aufzuführen. Wegen des Aussetzens des Wehrdienstes seit 2011 kann sich die Frage nur noch auf freiwilligen Wehrdienst beziehen und hat damit an Bedeutung verloren. 18 Nach erfolgter Einstellung kann die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit wohl auch Nicht-Tendenzträgern in Nicht-Tendenzunternehmen gestellt werden, um – insbesondere nach Wegfall des Grundsatzes der Tarifeinheit – sicherzustellen, dass der für das Arbeitsverhältnis geltende Tarifvertrag zur Anwendung kommt, es sei denn, dass der mit einer Gewerkschaft abgeschlossene Tarifvertrag ohnehin den Arbeitsbedingungen zu Grunde gelegt wird (Staudinger/Richardi, § 611 BGB Rz. 150; MünchArbR/Buchner, § 30 Rz. 326; Thüsing, Rz. 680; Meyer, BB 2011, 2362; aA Künzl, ArbR Aktuell 2012, 235 ff.; Michel/Möller/ Peter, ArbuR 2008, 36; zur Rechtslage im Bewerbungsverfahren BAG v. 28.3.2000, AP Nr. 27 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung, s. dazu M 1.3.1 Fn. 27). Das Interesse des Arbeit-

Lingemann 23

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.4

3. Wenden Sie Technologien von L. Ron Hubbard an, oder sind Sie Mitglied einer Scientology-Organisation?19 Dieser Personalfragebogen ist Bestandteil des Arbeitsvertrages, unvollständige oder unrichtige Angaben zu zulässigen Fragen können den Arbeitgeber zur – gegebenenfalls auch fristlosen – Entlassung berechtigen und den Arbeitnehmer zum Schadensersatz verpflichten. nehmers, seine Gewerkschaftszugehörigkeit nicht zu offenbaren, ist seit Inkrafttreten des AGG uE auch nicht durch das Merkmal „Weltanschauung“ iSd. § 1 AGG geschützt (aA Wisskirchen/ Bissels, NZA 2007, 169, 172). Der Begriff Weltanschauung ist eng auszulegen, politische Überzeugungen, Ansichten oder Meinungen sind mangels umfassenden Bezugs zum menschlichen Sein davon nicht erfasst (AG München v. 18.10.2012 – 423 C 14869/12; Nollert-Borasio/ Perreng, § 1 AGG Rz. 15 f.; BGK, § 1 AGG Rz. 27 ff.; PWW/Lingemann, § 1 AGG Rz. 6). 19 Die Frage nach Scientology wurde früher, anders als die Frage nach der Religionszugehörigkeit, bei der Besetzung von Vertrauensstellungen als zulässig angesehen (BAG v. 22.3.1995, DB 1995, 1714; Bauer/Baeck/Merten, DB 1997, 2534; Nollert-Borasio/Perreng, § 1 AGG Rz. 14). Unklar ist aber mittlerweile, ob Scientology doch als Religionsgemeinschaft (so möglicherweise BVerwG v. 15.12.2005, NJW 2006, 1303; EGMR v. 5.4.2008, NJW 2008, 495; OVG Berlin-Brandenburg v. 9.7.2009 – OVG 5 S 5.09; aA BAG v. 22.3.1995, NZA 1995, 823; BGK, § 9 AGG Rz. 9; Palandt/Ellenberger, § 1 AGG Rz. 4) oder Weltanschauungsgemeinschaft (BVerwG v. 15.12.2005, NJW, 2006, 1303; ErfK/Schlachter, § 1 AGG Rz. 9; aA Schleusener/Suckow/Voigt, § 1 AGG Rz. 48) anzusehen ist. Dann wäre die Frage nach einer Scientology-Mitgliedschaft auch vor dem Hintergrund des AGG unzulässig (Schiefer/Ettwig/ Krych, Rz. 106; vgl. auch Röder/Krieger, FA 2006, 199, 200). Infolgedessen sollte die Frage nach einer Scientology-Mitgliedschaft – wenn überhaupt – erst mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung gestellt werden, um nicht als Indiz für eine Benachteiligung wegen der Religion/Weltanschauung durch die Nichteinstellung gewertet zu werden; zusätzlich ist wegen der Haftungsprivilegierung die Anwendung auf Grund kollektivrechtlicher Vereinbarungen zu empfehlen (vgl. § 15 Abs. 3 AGG; Einf. Rz. 17 ff.). Gestellt werden darf die Frage jedenfalls bei Kirchen und sonstigen weltanschaulichen Vereinigungen, da eine solche unterschiedliche Behandlung über die sog. „Kirchenklausel“ gemäß § 9 AGG gerechtfertigt ist; dies gilt jedoch nur für Tätigkeiten im verkündungsnahen Bereich (BGK, § 9 AGG Rz. 13 ff.).

1.4

u

Einwilligung in ärztliche Untersuchung1/ psychologische und graphologische Untersuchung2

Ich erkläre hiermit mein Einverständnis mit einer werks- oder vertrauensärztlichen Untersuchung/einem graphologischen Gutachten3/einer psychologischen Eignungsuntersuchung4/einem Drogenscreening. Die Untersuchung wird nur insoweit vorge1 Die Zulässigkeit genetischer Untersuchungen ist speziell im GenDG geregelt, welches im Wesentlichen zum 1.2.2010 in Kraft getreten ist. Nach § 19 GenDG ist es dem Arbeitgeber untersagt, die Vornahme genetischer Untersuchungen und Analysen vor und nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses zu verlangen. Zudem ist das Herausfordern, Entgegennehmen oder Verwenden von Ergebnissen bereits vorgenommener Untersuchungen und Analysen unzulässig. § 20 Abs. 1 GenDG untersagt weiterhin die Vornahme genetischer Untersuchungen oder Analysen im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen. Diese sollen nur ausnahmsweise unter den engen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 GenDG zulässig sein. Diese Vorschriften werden durch das arbeitsrechtliche Benachteiligungsverbot

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Lingemann

M 1.6

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

nommen, als dies zur Feststellung erforderlich ist, ob ich auf Grund meines Gesundheitszustandes zum Zeitpunkt der Einstellung und in absehbarer Zeit nach diesem Zeitpunkt geeignet5 und in der Lage bin, die körperlichen Anforderungen an den Arbeitsplatz zu erfüllen. Den untersuchenden Arzt entbinde ich in dem Umfang von seiner Schweigepflicht, in dem sein Befund zur Beurteilung meiner Eignung für die vorgesehene Tätigkeit erforderlich ist. Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Arzt das Untersuchungsergebnis – geeignet/nicht geeignet – an meinen Arbeitgeber weiterleitet.6 ... (Ort, Datum)

2

3 4 5 6

... (Unterschrift des Arbeitnehmers)

des § 21 GenDG abgerundet, welches hinsichtlich der Rechtsfolgen in Abs. 2 auf die §§ 15 und 22 AGG verweist. Die Einwilligungserklärung sollte nach Möglichkeit nicht im Bewerbungsverfahren vorgelegt werden, da sie nach Inkrafttreten des AGG ein Indiz für eine Benachteiligung wegen einer Behinderung bei Nichteinstellung darstellen kann (vgl. dazu bereits Einf. Rz. 5 ff.). Eine Vorlage nach erfolgter Einstellung dürfte aber zulässig sein (vgl. dazu auch Einf. Rz. 12), jedenfalls dann, wenn ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Untersuchung vorliegt; bei einer rein routinemäßigen Untersuchung ist das nicht der Fall (MünchArbR/Kothe, § 296 Rz. 60). Michel/Wiese, NZA 1986, 505; BAG v. 16.9.1982, DB 1983, 2780. Schmid, BB 1981, 1646. Es geht um die Frage der gegenwärtigen Eignung, die sich auf den Zeitpunkt der Einstellung oder die absehbare Zeit danach bezieht: ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 293. Zu beachten ist allerdings, dass es der ausschließlichen Beurteilung des Arztes unterliegt, ob der gesundheitliche Zustand des Bewerbers den Anforderungen des Arbeitsplatzes genügt. Daher darf der Arzt nur Auskunft über die allgemeine Eignung geben und nicht über die einzelnen Untersuchungsergebnisse. Nur dieses allgemeine Ergebnis – geeignet/nicht geeignet – darf dann an den Arbeitgeber weitergeleitet werden: ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 293.

u

Einwilligung zur Aufnahme personenbezogener Daten

1.5

S. dazu unten M 70.5.

u

Unterrichtung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG S. dazu unten M 38.6.

Lingemann 25

1.6

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

u

1.7

M 1.7

Klage auf Erstattung von Vorstellungskosten

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . brutto2 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz3 seit dem . . . an den Kläger zu zahlen. Begründung: Die Bekl. hat am . . . in der . . . Zeitung die Stelle eines . . . ausgeschrieben. Der Kl. hat daraufhin der Bekl. seine Bewerbungsunterlagen geschickt. Mit Schreiben vom . . . hat die Bekl. dem Kl. mitgeteilt, seine Bewerbung interessiere sie sehr, und er möge am . . . zu einem Vorstellungsgespräch in den Betrieb nach Neustadt kommen. Beweis: Schreiben vom . . ., Anlage K 1 Der Kl. nahm dieses Vorstellungsgespräch am . . . wahr, erhielt aber am . . . eine schriftliche Absage. Beweis: Schreiben vom . . ., Anlage K 2 Mit Schreiben vom . . . forderte der Kl. die Bekl. auf, ihm die Kosten für die Fahrt zum Vorstellungsgespräch nach Neustadt und zurück mit dem eigenen Pkw in Höhe von Euro . . . (× km × Euro 0,30) zu erstatten. Mit Schreiben vom . . . lehnte die Bekl. die Erstattung der Kosten ab und meinte, der Kl. habe sich „auf eigenes Risiko vorgestellt“, deshalb scheide eine Erstattung aus.4 Beweis: Schreiben vom . . ., Anlage K 3 Eine Mahnung des Kl. vom . . . blieb erfolglos.5 ... (Unterschrift)6, 7, 8

1 2 3 4 5

S. M 101.1 und M 101.2. S. dazu M 101.3 Fn. 4. Zur Verzinsung s. M 101.3 Fn. 5–7. Zur Rechtslage s. Einf. Rz. 1. Praxistipp: Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist es regelmäßig überflüssig, zu erfolglosen außergerichtlichen Mahnungen, Zahlungsaufforderungen etc. vorzutragen, da ohnehin jeder seine Kosten selbst trägt und deshalb § 93 ZPO (Kosten bei sofortigem Anerkenntnis) keine große Rolle spielt. Nur für den Zinsanspruch sind verzugsbegründende Mahnungen relevant (s. M 101.3 Fn. 7). 6 Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil fest. In der Praxis begnügen sich die Parteien (und die Rechtsschutzversicherung!) regelmäßig mit einer im Termin zu Protokoll gegebenen Erklärung des Arbeitsgerichts, dass im Falle eines

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Diller

M 1.8

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

förmlichen Antrags der Wert auf eine bestimmte bezifferte Summe festgesetzt werde; dies erspart allen Beteiligten unnützen Papierkrieg. 7 Für die Höhe der festzusetzenden Streitwerte gelten die §§ 39 ff. GKG und subsidiär §§ 3 ff. ZPO. Die Gerichtsgebühren ergeben sich dann aus §§ 34 ff. GKG, die Anwaltsgebühren aus §§ 13 ff. RVG. Gegen eine zu geringe Festsetzung kann der Anwalt gem. § 32 RVG Streitwertbeschwerde nach § 68 GKG einlegen (s. M 101.14), gegen eine zu hohe Festsetzung kann der Mandant diese Beschwerde einlegen. 8 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

u

Klage nach mündlicher Einstellung An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:

1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem . . . ein Arbeitsverhältnis des Inhalts besteht, dass der Kläger im Betrieb in . . . als . . . zu einem Brutto-Monatsgehalt von Euro . . . beschäftigt wird. 2. Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem . . . an den Kläger zu zahlen.2, 3, 4 Begründung: Am . . . schrieb die Bekl. in der . . . Zeitung die Stelle eines . . . aus. Beweis: Stellenanzeige vom . . ., Anlage K 1 Der Kl. bewarb sich mit Schreiben vom . . . auf diese Stelle und erschien auf Wunsch der Bekl. am . . . zu einem Vorstellungstermin. Nach einem etwa halbstündigen Ge-

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Allgemein zu Zahlungsanträgen s. M 101.3. 3 Neben der Klage auf die Rückstände käme auch eine Klage auf künftige Leistung (s. M 12.29) in Betracht. 4 Die Klage könnte kombiniert werden mit einem Antrag auf Verpflichtung des Arbeitgebers zur tatsächlichen Beschäftigung, wenn dem Arbeitnehmer daran gelegen ist; Voraussetzung für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen ist ein solcher Klagantrag nicht. In der Praxis werden Anträge auf tatsächliche Beschäftigung vor allem gestellt, um Druck auf den Arbeitgeber auszuüben (vgl. auch M 22.17 und die dortigen Erläuterungen).

Diller

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1.8

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.9

spräch mit dem Personalleiter . . . der Bekl. erklärte dieser, es sei „alles klar“. Der Kl. könne am . . . anfangen, das Gehalt betrage Euro . . . pro Monat. Auf ausdrückliche Frage des Kl. meinte Herr . . . weiter, diese mündliche Zusage genüge, schriftliche Arbeitsverträge seien bei der Bekl. nicht üblich.5 Beweis: Zeugnis des Herrn . . ., zu laden über die Bekl. Am . . . erschien der Kl. wie vereinbart morgens um 8.00 Uhr zur Arbeit. Zu seinem Erstaunen erklärte ihm jedoch Herr . . ., es handele sich um einen Irrtum. Die Bekl. habe sich für einen anderen Bewerber entschieden. Eine Einstellung des Kl. sei nur unverbindlich „angedacht“ worden, er habe aber keine verbindliche Zusage erhalten. Beweis: wie vor Mit Einschreiben vom . . . protestierte der Kl. schriftlich bei der Bekl. und verlangte seine sofortige Beschäftigung. Zugleich bot er ausdrücklich seine Arbeitskraft an. Beweis: Schreiben des Kl. vom . . ., Anlage K 2 Eine Reaktion der Bekl. erfolgte nicht. Deshalb ist Klage geboten. Herr . . . ist im Handelsregister als alleinvertretungsberechtigter Prokurist der Bekl. eingetragen. Beweis: Handelsregisterauszug der Bekl., Anlage K 3 Mit dem Klageantrag Ziff. 2 wird das vereinbarte Gehalt für den Monat . . . geltend gemacht. Die Bekl. befindet sich in Annahmeverzug, § 615 BGB.6 ... (Unterschrift)7 5 Schriftform ist für den Abschluss von Arbeitsverträgen nicht erforderlich. Selbst eine tarifvertragliche Schriftformregelung (vgl. § 2 Abs. 3 TVöD) hat im Zweifel nur Dokumentationsfunktion, ist also nicht konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung des Arbeitsvertrages (BAG v. 6.9.1972, AP Nr. 2 zu § 4 BAT). Auch das Nachweisgesetz (NachwG) verlangt keine Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung des Arbeitsvertrages. 6 Zur Herbeiführung des Annahmeverzuges ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG kein (tatsächliches oder wörtliches) Arbeitsangebot des Arbeitnehmers erforderlich (BAG v. 9.8.1994, NZA 1985, 119). Es reicht aus, dass der Arbeitgeber erklärt, er werde die Arbeitsleistung nicht annehmen. 7 Der Streitwert des Antrags Ziff. 2 entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag. Der Antrag Ziff. 1 ist entsprechend § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG mit einem Vierteljahresbezug anzusetzen (LAG Berlin-Brandenburg v. 12.7.2007 – 17 Ta (Kost) 26186/07).

1.9

u

Klage auf Wiedereinstellung

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. 1 S. M 101.1 und M 101.2.

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Diller

M 1.9

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ab dem . . .2 als Produktionsarbeiter3 in Vollzeit4 im Betrieb in . . . zu betriebsüblichen Bedingungen und mit einem BruttoMonatsgehalt von Euro5 . . . einzustellen.6 Begründung: Der Kl. war bis zum . . . bei der Bekl. als Produktionsarbeiter beschäftigt. Zum . . . schied er im Zuge einer umfangreichen Personalreduzierung auf der Grundlage des Interessenausgleichs/Sozialplans vom . . . aus. Beweis: Kündigungsschreiben vom . . ., Anlage K 1 Ziff. . . . des Sozialplans vom . . . lautete wörtlich wie folgt: „Mitarbeiter, die auf Grund der im Interessenausgleich vom . . . genannten Maßnahmen entlassen werden, haben

2 Nach dem Urteil des BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 169/11 muss der Arbeitnehmer das Datum des Vertragsbeginns im Klagantrag angeben. Natürlich kann auch auf Einstellung „ab sofort“ geklagt werden. Nach Auffassung des BAG (v. 9.11.2006, EzA § 311a BGB Nr. 1, zuletzt BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 608/08) kann nach der Schuldrechtsreform 2002 nunmehr auch auf rückwirkende Wiedereinstellung geklagt werden. Unter dem Strich bringt die Klage auf rückwirkende Wiedereinstellung allerdings keine Vorteile, denn ob sich der Vergütungsanspruch für die Vergangenheit aus Annahmeverzug (bei rückwirkender Wiedereinstellung) oder aus Schadensersatz (bei Wiedereinstellung ex nunc) ergibt, ist gleich. 3 Die Art der geschuldeten Tätigkeit muss hinreichend bestimmt im Klagantrag formuliert sein, sonst ist die Klage unzulässig. Nach dem Urteil des BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 169/11 reicht es, wenn Beschäftigung in einer bestimmten tariflichen Vergütungsgruppe begehrt wird, weil dann anhand der Tätigkeitsbeispiele und der Leistungsbeschreibungen die geschuldeten Dienste hinreichend feststellbar sind. Es ist weder erforderlich noch zulässig, die Art der geschuldeten Tätigkeit in der Klage so eng zu beschreiben, dass der Arbeitgeber in seinem Direktionsrecht beschränkt wird. 4 Nach der Entscheidung des BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 619/11 ist es nicht zwingend erforderlich, in der Klage den Umfang der Arbeitsleistung anzugeben, da sich dies ggf. aus den betriebsüblichen Umständen entnehmen lasse. Eine Präzisierung ist aber in jedem Fall sinnvoll und bei nicht-tarifgebundenen Arbeitgebern zur Streitvermeidung dringend anzuraten. 5 Sofern klar ist, dass die Arbeitsleistung überhaupt vergütet werden soll, ist die Angabe der Vergütung zwar sinnvoll, aber nicht zwingend erforderlich. Denn beim Arbeitsvertrag gehört die Regelung der Vergütung nicht zu den „essentialia negotii“, sondern der Vergütungsanspruch ist notfalls aus § 612 BGB abzuleiten (BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 169/11). 6 Die Klage „auf Einstellung . . .“ ist ein zulässiger Leistungsantrag (BAG v. 6.8.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2). Er ist auf die Abgabe einer Willenserklärung des Arbeitgebers gerichtet. Mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils gilt die Willenserklärung des Arbeitgebers gemäß § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO als abgegeben. Natürlich kann der Arbeitnehmer seine Klage auch ausdrücklich darauf richten, dass ihm der Arbeitgeber „ein Vertragsangebot als . . . unterbreitet“ (BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 169/11), auch hier erfolgt die Vollstreckung nach § 894 ZPO. In beiden Fällen muss der Arbeitnehmer dann allerdings das nach § 894 ZPO als abgegeben geltende Vertragsangebot noch annehmen. Diesen Schritt spart sich der Arbeitnehmer, wenn er, was ebenfalls zulässig ist (BAG aaO), den Arbeitgeber auf Annahme eines bestimmten Vertragsangebots verklagt, weil dann mit Rechtskraft des Urteils zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen und der Vertrag unmittelbar zustande gekommen ist. Ob statt der Klage auf Einstellung die Klage sogleich auf die Rechtsfolgen des begehrten Arbeitsverhältnisses, nämlich (weitere) Beschäftigung und/oder Gehaltszahlung, gerichtet werden kann, ist umstritten (bejahend BAG v. 27.2.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1; offen gelassen von BAG v. 6.8.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2).

Diller

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Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.10

in der Zeit bis zum . . . bei gleicher Eignung Anspruch auf vorrangige Einstellung gegenüber externen Bewerbern“.7 Beweis: Sozialplan vom . . ., Anlage K 2 Amschrieb die Bekl. in der . . . Zeitung die Stelle eines Produktionsarbeiters aus. Beweis: Stellenanzeige vom . . ., Anlage K 3 Der Kl. bewarb sich mit Schreiben vom . . . auf diese Stelle, wobei er ausdrücklich auf die Wiedereinstellungszusage des Sozialplans hinwies. Beweis: Schreiben des Kl. vom . . ., Anlage K 4 Dennoch sagte die Bekl. dem Kl. mit Schreiben vom . . . ab. Beweis: Schreiben der Bekl. vom . . ., Anlage K 5 Eine Mahnung des Kl. vom . . . blieb erfolglos. Deshalb ist Klage geboten. Der Kl. ist für die Stelle genauso geeignet wie jeder andere Bewerber, er war schließlich bei der Bekl. schon einmal Produktionsarbeiter. Ein Gehalt von Euro . . . entspricht der tariflichen Vergütung für ungelernte Produktionsarbeiter, diese Vergütung wird von der Bekl. auch üblicherweise im Betrieb gezahlt. ... (Unterschrift)8 Wichtig: Im Falle einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung besteht auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Wiedereinstellungszusage ein Wiedereinstellungsanspruch, wenn sich die für die Wirksamkeit der Kündigung maßgebenden Umstände noch während des Laufs der Kündigungsfrist verändern. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat, die die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verhindern würden (BAG v. 27.2.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1). Ergibt sich dagegen erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, hat der Arbeitnehmer keinen Wiedereinstellungsanspruch. Das gilt selbst dann, wenn zu diesem Zeitpunkt noch ein Kündigungsschutzverfahren schwebt (BAG v. 6.8.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2), s. M 22.30. 8 Der Streitwert ist entsprechend § 42 Abs. 3 GKG mit einem Vierteljahresbezug anzusetzen.

7

1.10

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Klage auf Entschädigung wegen Diskriminierung bei der Einstellung1

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . 1 Bis zum Inkrafttreten des AGG am 18.8.2006 gab es nur Diskriminierungsverbote wegen des Geschlechts (§§ 611a f. BGB aF) bzw. wegen Schwerbehinderung (§§ 81 ff. SGB IX aF). Das AGG hat den Diskriminierungsschutz erweitert auf die Kriterien Alter, Rasse und ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung sowie sexuelle Identität. Zugleich mit Inkrafttreten des AGG sind die §§ 611a f. BGB sowie §§ 81 ff. SGB IX aF außer Kraft getreten. Ausführlich zum AGG Einf. Kap. 13.

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Diller

M 1.10

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

(volles Rubrum)2 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro3 . . . brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.4 Begründung: Die Bekl. hat am . . . in der . . . Zeitung die Stelle eines Vorstandsassistenten ausgeschrieben. Beweis: Stellenanzeige vom . . ., Anlage K 1 Die Kl. hat daraufhin der Bekl. ihre Bewerbungsunterlagen geschickt. Mit Schreiben vom . . . erhielt die Kl. eine schriftliche Absage. Gründe für die Absage wurden nicht genannt. Beweis: Schreiben der Beklagten vom . . ., Anlage K 2 Es ist gemäß § 22 AGG zu vermuten, dass die Absage allein auf dem Geschlecht der Kl. beruhte.5 Denn die Bekl. hat entgegen § 11 AGG die Stelle ausschließlich für männliche Bewerber ausgeschrieben, wie die Verwendung der männlichen Bezeichnung „Vorstandsassistent“ in der als Anlage K 1 vorgelegten Anzeige beweist. Mit der Klage macht die Kl. eine Entschädigung6, 7 von fünf Monatsgehältern à Euro . . . geltend. Ein Monatsgehalt von Euro . . . liegt an der unteren Grenze für vergleich2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Statt eines bezifferten Klagantrags kann auch auf eine „ins Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung“ geklagt werden. Wie bei Schmerzensgeldanträgen ist es dann allerdings ein Kunstfehler, wenn nicht ein Mindestbetrag angegeben wird, da sonst bei einer niedrigen Festsetzung die Beschwer für eine Berufung fehlt. 4 Allgemein zu Zahlungsanträgen s. M 101.3. Ein Anspruch auf Einstellung besteht bei Geschlechtsdiskriminierung gemäß § 15 Abs. 6 AGG grundsätzlich nicht, der Bewerber kann nur gemäß § 15 Abs. 2 AGG Entschädigung in Geld verlangen. 5 Das Hauptproblem bei der Geltendmachung einer Diskriminierung ist die Beweislast. Zwar trägt die Beweislast grundsätzlich der klagende Arbeitnehmer. Macht dieser allerdings Tatsachen glaubhaft, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe zu der Entscheidung geführt haben (§ 22 AGG). Indizien für eine geschlechtsbedingte Diskriminierung sind neben geschlechtsdiskriminierenden Äußerungen im Betrieb vor allem eine gegen § 11 AGG verstoßende geschlechtsspezifische Ausschreibung. 6 Wichtig: Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt voraus, dass es sich um eine subjektiv ernsthafte Bewerbung gehandelt hat und der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet war (BAG v. 12.11.1998, DB 1998, 2420). Die in der Praxis immer wieder zu beobachtenden Bewerbungen männlicher Arbeitnehmer auf Sekretärinnenstellen etc. (dazu BAG v. 12.11.1998, DB 1998, 2420) sind meist nicht ernsthaft und allein darauf gerichtet, Schadensersatzklage erheben zu können (sog. „AGG-Hopping“), was aber nach der BAG-Entscheidung (BAG v. 12.11.1998, DB 1998, 2420) nicht funktioniert (ausf. Diller, BB 2006, 1968 und NZA 2007, 1321). 7 Wird neben der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auch Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG eingeklagt, ist es nicht zwingend, aber sinnvoll, zwei getrennte Klaganträge zu stellen, weil hinsichtlich des Schadensersatzes die Anrechnung anderweitigen Verdienstes oder von Arbeitslosengeld in Betracht kommt; außerdem dient das Auseinanderziehen der Anträge der Übersichtlichkeit.

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.11

bare Positionen. Eine Entschädigung von fünf Monatsgehältern ist angemessen, da die Bekl. grob und nachhaltig gegen § 11 AGG verstößt.8, 9 Wie weitere Stellenanzeigen der Bekl. vom . . . zeigen, schreibt die Bekl. Stellen für Führungskräfte grundsätzlich nur für männliche Bewerber aus. Beweis: Stellenanzeigen vom . . ., Anlagen K 3 und 4 Die Kl. hat ihre Ansprüche mit Einschreiben vom . . . geltend gemacht, mithin innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG.10 Beweis: Schreiben der Kl. vom . . ., Anlage K 5 Da die Bekl. auf das Schreiben nicht reagiert hat, ist Klage geboten, die Klage wahrt die Frist des § 61b ArbGG.11 ... (Unterschrift)12 8

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Wichtig: Macht der diskriminierte Arbeitnehmer eine Entschädigung von mehr als drei Monatsgehältern geltend, muss er nicht vortragen, dass er bei diskriminierungsfreier Bewerberauswahl die Stelle erhalten hätte. Denn nach richtiger Auffassung ist die Dreimonatshöchstgrenze (§ 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) eine Einwendung des Arbeitgebers, deren Voraussetzungen dieser darzulegen und ggf. zu beweisen hat (statt aller Treber, NZA 1998, 857; BGK, § 15 AGG Rz. 36). Unsinnig sind die in der Praxis verbreiteten Auskunftsklagen, mit denen der Arbeitgeber zunächst auf Mitteilung verklagt wird, wie hoch das (fiktive) Einstiegsgehalt gewesen wäre. Zum einen ist schon nicht recht ersichtlich, woher der Auskunftsanspruch materiell-rechtlich kommen sollte. Vor allem aber ist er überflüssig, da wie dargelegt die Dreimonatshöchstgrenze eine Einwendung des Arbeitgebers ist. Überdies beträgt der Entschädigungsanspruch ja nicht genau drei Monatsgehälter, sondern dies ist eine Höchstgrenze. Richtigerweise sollte der Arbeitnehmer daher den ihm angemessen erscheinenden Entschädigungsbetrag einklagen. Legt der Arbeitgeber dann dar und beweist ggf., dass der Arbeitnehmer auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre und die Dreimonatshöchstgrenze unter dem einklagten Betrag liegt, kann der Arbeitnehmer gefahrlos (und ohne Kostenfolge) die Klagesumme entsprechend reduzieren. Da es sich bei der „angemessenen Entschädigung“ in § 15 Abs. 2 AGG um einen dem deutschen Recht ansonsten fremden „Strafschadensersatz“ (Punitive Damages) handelt, macht die korrekte Festsetzung des Schadensbetrages außerordentliche Probleme (ausführlich dazu BGK, § 15 AGG Rz. 34 ff.). Die kurzen Geltendmachungsfristen für Ansprüche nach dem AGG sind mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar (EuGH v. 8.7.2010 – C 264/09, NZA 2010, 869 – Bulicke; BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 188/11, NZA 2012, 1211. S. Fn. 10. Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

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Klage des Arbeitgebers auf Schadensersatz und Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeitsstelle

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . 32

Diller

M 1.11

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

(volles Rubrum)1 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen: 1. Der Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen. 2. Der Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen. 3. Der Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.2, 3 4. Hilfsweise: Der Beklagte wird verurteilt, als Vertragsstrafe Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen. Begründung: Die Kl. ist ein EDV-Systemhaus. Im Januar . . . arbeitete die Kl. intensiv an der Fertigstellung eines großen EDV-Programms für die Kundin X. Als Abnahmetermin war der 1.3. . . . vereinbart. Bei Überschreitung des Abnahmetermins war die Kl. gemäß dem Vertrag vom . . . zur Zahlung einer Konventionalstrafe von Euro . . . pro Tag verpflichtet. Beweis: Liefervertrag zwischen der Kl. und der Firma X vom . . ., Anlage K 1 Anfang Januar . . . fiel einer der wichtigsten Systemprogrammierer der Kl. auf Grund eines Autounfalls längerfristig aus. Die Kl. suchte daraufhin fieberhaft nach einem Ersatz. Der Kontakt mit dem Bekl. wurde über die Agentur für Arbeit vermittelt. Die Kl. wurde mit dem Bekl. schnell über die Konditionen des Anstellungsverhältnisses einig. Die Parteien schlossen am 15.1. . . . einen „Anstellungsvertrag“, nach dem der Bekl. am 1.2. . . . bei der Kl. als Systemprogrammierer mit einem Gehalt von Euro . . . pro Monat beginnen sollte. Beweis: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage K 2 Bei dem Vorstellungsgespräch am . . . wies die Kl. den Bekl. ausdrücklich darauf hin, dass seine pünktliche Dienstaufnahme am 1.2. . . . (vorher konnte der Bekl. aus persönlichen Gründen nicht anfangen) ganz wesentlich für die Einhaltung der Lieferverpflichtung gegenüber der Firma X sei.

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Natürlich wäre es möglich, alle drei Schadenspositionen in einer Summe zusammenzufassen. Die Aufspaltung in drei verschiedene Klaganträge dient jedoch der Übersichtlichkeit. 3 Tritt der Arbeitnehmer schuldhaft die Arbeit nicht an, macht nur eine Klage auf Schadensersatz Sinn. Zwar könnte man den Arbeitnehmer gerichtlich dazu verurteilen lassen, zum Dienst zu erscheinen. Gemäß § 888 Abs. 2 ZPO wäre dieses Urteil aber nicht vollstreckbar, außerdem käme es regelmäßig zu spät. Auch die Festsetzung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG (s. M 108.2) führt nicht weiter. Denn eine Entschädigung darf nur festgesetzt werden, wenn der Arbeitgeber darlegt, dass ihm überhaupt ein Schaden entstanden ist. Dann kann aber auch gleich unmittelbar auf Schadensersatz in bezifferter Höhe geklagt werden. Der Schadensersatzanspruch ist nicht davon abhängig, dass zugleich die Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers anerkannt werden. Die Gehaltsansprüche sind – unabhängig von möglichen Schadensersatzansprüchen – bereits nach §§ 320 ff. BGB entfallen.

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.11

Beweis: Zeugnis des Personalleiters A, zu laden über die Kl. Der Bekl. hat jedoch seine Arbeit nicht wie vertraglich vereinbart am 1.2. . . . aufgenommen. Auf telefonische Nachfrage erklärte er vielmehr, er habe „sich für einen anderen Arbeitgeber entschieden“. In der Folgezeit versuchte die Kl., den Ausfall des Bekl. durch Mehrarbeit anderer Systemprogrammierer auszugleichen. In der Zeit vom 1.2. . . . bis zum 28.2. . . . leisteten andere Systemprogrammierer der Kl., die alle ausschließlich an dem Auftrag für Firma X arbeiteten, insgesamt . . . Überstunden. Die Überstunden sind in der Anlage K 3 einzeln nach Mitarbeitern, Tag und Uhrzeit aufgeschlüsselt. In den Verträgen aller Systemprogrammierer ist vorgesehen, dass für Überstunden ein Überstundenzuschlag von 50 % zu zahlen ist. Beweis: Anstellungsvertrag des Mitarbeiters B als Beispiel, Anlage K 4 Die für die gemäß Anlage K 3 geleisteten Überstunden von der Kl. gezahlten Überstundenzuschläge betrugen insgesamt Euro . . . (Klageantrag Ziff. 1). In Anlage K 5 sind die einzelnen Zuschläge für jede einzelne geleistete Überstunde einzeln aufgeschlüsselt.4 Trotz der Überstunden der anderen Systemprogrammierer gelang es nicht mehr, das Programm für die Firma X termingerecht bis zum 1.3. . . . fertig zu stellen. Vielmehr erfolgte die Fertigstellung erst am . . . Daraufhin forderte die Firma X vertragsgemäß eine Konventionalstrafe von . . . x Euro . . . = Euro . . . (Klageantrag Ziff. 2), die mittlerweile gezahlt wurde.5 Beweis: Schreiben der Firma X-GmbH an die Kl. vom . . ., Anlage K 6 In ihrer Not versuchte die Kl. Ende Januar/Anfang Februar im Übrigen, so rasch wie möglich einen Ersatz für den Bekl. zu finden. Bislang hatte die Kl. ihr Personal immer entweder über die Agentur für Arbeit oder über Stelleninserate in Zeitungen angeworben. Ein sofortiger Anruf bei der Agentur für Arbeit am . . . ergab, dass der Agentur für Arbeit keine stellensuchenden Systemprogrammierer bekannt waren. Dies änderte sich auch in den darauf folgenden Tagen nicht. Da eine Stellensuche per Zeitungsinserat viel zu lange gedauert hätte, wandte sich die Kl. am . . . an einen ihr bekannten „Headhunter“, die Personalberatung Y und Partner. Der Kl. war bekannt, dass diese Personalberatung über eine ausgezeichnete Datenbank mit EDV-Spezialisten verfügte und in der Lage sein könnte, binnen weniger Tage eine Ersatzkraft zu vermitteln. Mit der Personalberatung Y und Partner vereinbarte die Kl. ein nicht-erfolgsabhängiges Pauschalhonorar für die Suche nach einem neuen Systemprogrammierer in Höhe von Euro . . . (Klageantrag Ziff. 3). Die sofort eingeleitete Suche der Personalberatung 4

Praxistipp: Zahlungen an Aushilfskräfte sind normalerweise ebenso wenig schadensersatzfähig wie erhöhte Lohnkosten wegen überobligationsmäßiger Mehrarbeit anderer Mitarbeiter. Denn der Arbeitnehmer kann regelmäßig einwenden, die gleichen Kosten wären auch entstanden, wenn er den Dienst angetreten hätte, denn dann hätte er natürlich Gehaltsansprüche gehabt. Geltend machen kann der Arbeitgeber also nur Überstundenzuschläge, die bei Vertragserfüllung durch den Arbeitnehmer nicht angefallen wären. In der Praxis scheitern viele Klagen daran, dass eine entsprechende Substantiierung des Arbeitgebers fehlt. 5 Klassischer Fall eines einklagbaren Schadensersatzanspruchs bei Vertragsbruch ist eine auf Grund des Fehlens des Arbeitnehmers verwirkte Konventionalstrafe. Allerdings wird der Arbeitnehmer regelmäßig einwenden, auch bei rechtzeitigem Dienstantritt wäre die Konventionalstrafe unvermeidbar gewesen. Dann trifft den Arbeitgeber die Beweislast.

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M 1.11

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

blieb jedoch erfolglos. Erst zum . . . (mithin für die Abwicklung des Auftrags der X-GmbH zu spät) konnte eine Ersatzkraft eingestellt werden. Das vereinbarte Pauschalhonorar von Euro . . . zahlte die Kl. am . . ., diese Schadensposition wird mit dem Klageantrag Ziff. 3 geltend gemacht.6 Beweis: Zeugnis des Geschäftsführers der Personalberatung Y und Partner Der Bekl. hat schuldhaft ohne jeglichen Grund seine Arbeit am . . . nicht wie vertraglich vorgesehen aufgenommen.7 Kausal auf Grund der Nichtaufnahme der Arbeit sind der Kl. die mit den Klaganträgen Ziff. 1 bis 3 geltend gemachten Schadensbeträge entstanden. Der Bekl. ist für alle entstandenen Schäden ersatzpflichtig. Auf § 287 ZPO wird vorsorglich hingewiesen.8 Mit dem Klageantrag Ziff. 4 wird die in § 10 des Anstellungsvertrages vereinbarte Vertragsstrafe geltend gemacht. In § 10 hieß es wörtlich: „Bei Vertragsbruch des Mitarbeiters, insbesondere bei Nichtantritt der Arbeitsstelle ohne wichtigen Grund, ist der Mitarbeiter zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe des letzten Bruttomonatsgehalts verpflichtet.“ Diese Vertragsstrafe war entgegen der außergerichtlich geäußerten Rechtsauffassung des Bekl. auch wirksam vereinbart (wird ausgeführt). Da der Bekl., wie oben ausgeführt, die Arbeit ohne wichtigen Grund nicht angetreten hat, ist die Vertragsstrafe in Höhe von Euro . . . verwirkt. Allerdings ist gemäß § 340 Abs. 2 BGB der tatsächliche Schaden auf die Vertragsstrafe anzurechnen. Da im vorliegenden Fall die Schadenspositionen der Klageanträge Ziff. 1 bis 3 die Höhe der Vertragsstrafe übersteigen, wird der Klagantrag Ziff. 4 nur hilfsweise und insoweit gestellt, als die aus den Klag-

6 Inserats- und Headhunter-Kosten sind nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht erstattungsfähig. Denn erstattungsfähig ist nur der so genannte Verfrühungsschaden (BAG v. 22.5.1980, v. 26.3.1981 und v. 23.4.1984, AP Nr. 6–8 zu § 276 BGB – Vertragsbruch). Es kommt also darauf an, dass der Schaden nicht auch dann eingetreten wäre, wenn der Arbeitnehmer, statt den Vertrag zu brechen, ordentlich zum nächstmöglichen Termin gekündigt hätte. Das ist jedoch bei Headhunter-Inseratskosten regelmäßig der Fall. Erstattungsfähig sind diese Kosten also nur dann, wenn der Arbeitgeber darlegt, dass er durch den Vertragsbruch in eine derartige Zwangslage geraten ist, dass er diese Kosten ausnahmsweise aufwenden musste, und dass bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist ein billigerer Weg für die Suche eines Nachfolgers gewählt worden wäre. Streitig ist, wer die Beweislast dafür trägt, dass die gleichen Kosten auch bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist angefallen wären. 7 Gemäß § 280 Abs. 1 BGB wird im Rahmen eines Schuldverhältnisses vermutet, dass eine Leistungsstörung auf Verschulden des anderen Vertragsteils beruht. Der Arbeitgeber muss deshalb kein Verschulden des Arbeitnehmers am Vertragsbruch darlegen. Vielmehr ist es Sache des Arbeitnehmers, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass ihn an der Nichtaufnahme des Dienstes kein Verschulden trifft. Daran ändert auch § 619a BGB nichts. Die dort geregelte Beweislastumkehr gilt nur für Schadensfälle in der betrieblichen Sphäre (Oetker, BB 2002, 43). 8 Praxistipp: Das Hauptproblem bei Schadensersatzklagen wegen Nichtaufnahme der Arbeit ist die schlüssige Darlegung eines Schadens. Arbeitsgerichte sind aus unverständlichen Gründen bei der Anwendung von § 287 ZPO (Schadensschätzung, wenn keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Schadensberechnung vorliegen) außerordentlich zurückhaltend. Es kann nur dringend empfohlen werden, in der Klage das Gericht eindringlich auf die Anwendbarkeit der Vorschrift hinzuweisen (das Gericht hat insoweit kein Ermessen!). Die Schätzung eines Schadens darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre. Eine völlig abstrakte Berechnung eines Schadens ist daher nicht möglich (ausf. BAG v. 26.9.2012 – 10 AZR 370/10, NZA 2013, 152).

Diller

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

anträgen Ziff. 1 bis 3 zugesprochenen Beträge hinter dem Betrag des Klagantrags Ziff. 4 zurückbleiben.9 ... (Unterschrift)10 9 Der Kl. hat die Wahl, ob er die Vertragsstrafe hilfsweise zum tatsächlichen Schaden oder umgekehrt geltend macht. Mit dem Hauptantrag wird zweckmäßigerweise diejenige Forderung geltend gemacht, die „sicherer“ erscheint. 10 Der Streitwert entspricht den eingeklagten Bruttobeträgen.

N N Q NNNN

Kapitel 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Literaturübersicht: Zu Arbeitsvertrag und AGB: Albicker/Wiesenecker, Sonderzahlungen und Stichtagsklauseln in Betriebsvereinbarungen, BB 2008, 2631; Annuß, Grundstrukturen der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, BB 2006, 1333; Baeck/Winzer, Neuere Entwicklungen im Arbeitsrecht – Stichtagsklauseln – was geht noch?, NZG 2012, 657; Bauer, Anm. zu BAG: Tarifliche Altersgrenze 65, FD-ArbR 2008, 262318; Bauer, Anm. zu BAG: Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen, FDArbR 2008, 264804; Bauer, Doppelt hält nicht besser, BB 2009, 1588; Bauer/Arnold, Altersdiskriminierung von Organmitgliedern, ZIP 2012, 597; Bauer/Arnold/Willemsen, Überstunden und ihre Tücken, DB 2012, 1986; Bauer/Diller, EuGH – Rosenbladt – rosiges oder dorniges Blatt für Altersgrenzen?, DB 2010, 2727; Bauer/Günther, Bezugnahmeklauseln bei Verbandswechsel und Betriebsübergang – Ein Irrgarten?, NZA 2008, 6; Bauer/Günther, Die Freistellung von der Arbeitspflicht – Grundlagen und aktuelle Entwicklungen, DStR 2008, 2422; Bauer/Günther, Neue Spielregeln für Klageverzichtsvereinbarungen, NJW 2008, 1617; Bauer/Günther, Ungelöste Probleme bei Einführung von Kurzarbeit, BB 2009, 662; Bauer/Kock, Arbeitsrechtliche Auswirkungen des neuen Verbraucherschutzrechts, DB 2002, 42; Bauer/von Medem, Altersgrenzen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen – Was geht, was geht nicht?, NZA 2012, 945; Bauer/von Medem, Von Schultz-Hoff zu Schulte – der EuGH erweist sich als lernfähig, NZA 2012, 113; Bayreuther, Altersgrenzen, Kündigungsschutz nach Erreichen der Altersgrenze und die Befristung von „Altersrentnern“, NJW 2012, 2758; Bayreuther, „Hinauskündigung“ von Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag, DB 2007, 166; Bayreuther, Freiwilligkeitsvorbehalte: Zulässig, aber überflüssig?, BB 2009, 102; Bayreuther, Übertragung von Urlaub bei längerer Arbeitsunfähigkeit nach dem KHS-Urteil des EuGH, DB 2011, 2848; Benedict, Der Maßstab der AGB-Kontrolle – oder die Suche nach dem „indispositiven Leitbild“ im Arbeitsvertragsrecht, JZ 2012, 172; Berg/ Natzel, Die Last des Alters aus arbeitsrechtlicher Sicht, BB 2010, 2885; Betz, Die Inbezugnahme tarifvertraglicher Regelungen im Wege der betrieblichen Übung, BB 2010, 2045; Bieder, Die „gegenläufige“ betriebliche Übung – neu entdecktes Phänomen des AGB-Rechts?, DB 2009, 1929; Bissels/Domke/Wisskirchen, Blackberry & Co.: Was ist heute Arbeitszeit?, DB 2010, 2052; Bissels/Haag, Rückzahlung von Fortbildungskosten und pauschale Abgeltung von Überstunden – Aktuelle Rechtsprechung, ArbR Aktuell 2011, 83; Bloching/Ortolf, „Große“ oder „kleine Übergangslösung“ zur negativen betrieblichen Übung in Altfällen, NZA 2010, 1335; Bonanni/Ludwig, Freistellung unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen, ArbRB 2011, 379; Bonanni/Naumann, Konjunkturelle Kurzarbeit: Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Voraussetzungen und Konsequenzen, DStR 2009, 1375; Brachmann/Diepold, Stolperfallen im Arbeitsvertrag, AuA 2009, 504; Brecht-Heitzmann, Verfassungsrechtliche Neubewertung zweistufiger Ausschlussfristen, DB 2011, 1523; Brierley, Arbeitnehmer zwischen Arbeitspflicht, Geheimnisschutz und Persönlichkeitsrecht, FA 2012, 103; Brors, Equal Pay Anspruch und Ausschlussfristen, NZA

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Diller/Lingemann

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

anträgen Ziff. 1 bis 3 zugesprochenen Beträge hinter dem Betrag des Klagantrags Ziff. 4 zurückbleiben.9 ... (Unterschrift)10 9 Der Kl. hat die Wahl, ob er die Vertragsstrafe hilfsweise zum tatsächlichen Schaden oder umgekehrt geltend macht. Mit dem Hauptantrag wird zweckmäßigerweise diejenige Forderung geltend gemacht, die „sicherer“ erscheint. 10 Der Streitwert entspricht den eingeklagten Bruttobeträgen.

N N Q NNNN

Kapitel 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Literaturübersicht: Zu Arbeitsvertrag und AGB: Albicker/Wiesenecker, Sonderzahlungen und Stichtagsklauseln in Betriebsvereinbarungen, BB 2008, 2631; Annuß, Grundstrukturen der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, BB 2006, 1333; Baeck/Winzer, Neuere Entwicklungen im Arbeitsrecht – Stichtagsklauseln – was geht noch?, NZG 2012, 657; Bauer, Anm. zu BAG: Tarifliche Altersgrenze 65, FD-ArbR 2008, 262318; Bauer, Anm. zu BAG: Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen, FDArbR 2008, 264804; Bauer, Doppelt hält nicht besser, BB 2009, 1588; Bauer/Arnold, Altersdiskriminierung von Organmitgliedern, ZIP 2012, 597; Bauer/Arnold/Willemsen, Überstunden und ihre Tücken, DB 2012, 1986; Bauer/Diller, EuGH – Rosenbladt – rosiges oder dorniges Blatt für Altersgrenzen?, DB 2010, 2727; Bauer/Günther, Bezugnahmeklauseln bei Verbandswechsel und Betriebsübergang – Ein Irrgarten?, NZA 2008, 6; Bauer/Günther, Die Freistellung von der Arbeitspflicht – Grundlagen und aktuelle Entwicklungen, DStR 2008, 2422; Bauer/Günther, Neue Spielregeln für Klageverzichtsvereinbarungen, NJW 2008, 1617; Bauer/Günther, Ungelöste Probleme bei Einführung von Kurzarbeit, BB 2009, 662; Bauer/Kock, Arbeitsrechtliche Auswirkungen des neuen Verbraucherschutzrechts, DB 2002, 42; Bauer/von Medem, Altersgrenzen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen – Was geht, was geht nicht?, NZA 2012, 945; Bauer/von Medem, Von Schultz-Hoff zu Schulte – der EuGH erweist sich als lernfähig, NZA 2012, 113; Bayreuther, Altersgrenzen, Kündigungsschutz nach Erreichen der Altersgrenze und die Befristung von „Altersrentnern“, NJW 2012, 2758; Bayreuther, „Hinauskündigung“ von Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag, DB 2007, 166; Bayreuther, Freiwilligkeitsvorbehalte: Zulässig, aber überflüssig?, BB 2009, 102; Bayreuther, Übertragung von Urlaub bei längerer Arbeitsunfähigkeit nach dem KHS-Urteil des EuGH, DB 2011, 2848; Benedict, Der Maßstab der AGB-Kontrolle – oder die Suche nach dem „indispositiven Leitbild“ im Arbeitsvertragsrecht, JZ 2012, 172; Berg/ Natzel, Die Last des Alters aus arbeitsrechtlicher Sicht, BB 2010, 2885; Betz, Die Inbezugnahme tarifvertraglicher Regelungen im Wege der betrieblichen Übung, BB 2010, 2045; Bieder, Die „gegenläufige“ betriebliche Übung – neu entdecktes Phänomen des AGB-Rechts?, DB 2009, 1929; Bissels/Domke/Wisskirchen, Blackberry & Co.: Was ist heute Arbeitszeit?, DB 2010, 2052; Bissels/Haag, Rückzahlung von Fortbildungskosten und pauschale Abgeltung von Überstunden – Aktuelle Rechtsprechung, ArbR Aktuell 2011, 83; Bloching/Ortolf, „Große“ oder „kleine Übergangslösung“ zur negativen betrieblichen Übung in Altfällen, NZA 2010, 1335; Bonanni/Ludwig, Freistellung unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen, ArbRB 2011, 379; Bonanni/Naumann, Konjunkturelle Kurzarbeit: Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Voraussetzungen und Konsequenzen, DStR 2009, 1375; Brachmann/Diepold, Stolperfallen im Arbeitsvertrag, AuA 2009, 504; Brecht-Heitzmann, Verfassungsrechtliche Neubewertung zweistufiger Ausschlussfristen, DB 2011, 1523; Brierley, Arbeitnehmer zwischen Arbeitspflicht, Geheimnisschutz und Persönlichkeitsrecht, FA 2012, 103; Brors, Equal Pay Anspruch und Ausschlussfristen, NZA

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Diller/Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

2010, 1385; Brugger, Urlaubsrecht: Unentwegt unstet, NJW-Spezial 2012, 114; Clemenz, Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge – ein Paradigmenwechsel mit offenen Fragen, NZA 2007, 769; Clemenz/Kreft/Krause, AGB-Arbeitsrecht, 2013; Crisolli/Zaumseil, BB-Rechtsprechungsreport zum arbeitsrechtlichen AGB-Recht, BB 2012, 1281; Düwell, Abgeltung des Urlaubsanspruchs als Surrogat? – Ein Luxemburger Missverständnis!, DB 2011, 2492; Düwell/ Ebeling, Rückzahlung von verauslagten Bildungsinvestitionen, DB 2008, 406; Dzida, Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen, ArbRB 2012, 286; Dzida/Schramm, Versetzungsklauseln: mehr Flexibilität für den Arbeitgeber, mehr Kündigungsschutz für den Arbeitnehmer, BB 2007, 1221; Ennemann, Das Ende der zweistufigen Ausschlussfrist, FA 2011, 133; Ernst, Tarifverträge und ihre Transparenzkontrolle bei arbeitsvertraglichen dynamischen Globalverweisungen, NZA 2007, 1405; Falder, Arbeitszeit- und Urlaubsrecht in Zeiten des technologischen Wandels, NZA 2010, 1150; Feddersen, Möglichkeiten zur Entgeltflexibilisierung, NWB 2010, 1348; Feddersen, Die Anrechnung übertariflicher Leistungen bei Tariflohnerhöhungen, NWB 2010, 2546; Fischer, Vom Ende einer arbeitsrechtlichen Kaffeefahrt – Hat der Freiwilligkeitsvorbehalt ausgedient?, FA 2007, 105; Fischer, Der langsame Tod des Freiwilligkeitsvorbehalts, FA 2011, 42; Fischer, Der Rosenbladt-Drehtür-Effekt, FA 2011, 103; Foerster, Steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit – Voraussetzungen an die Steuerfreiheit, StuB 2010, 814; Fornasier/Werner, Formularmäßige Anerkenntnisse und Schuldversprechen nach Haftpflichtfällen: AGB-rechtliche und arbeitsrechtsspezifische Wirksamkeitsschranken, RdA 2007, 235; Franzen, Zeitliche Begrenzung der Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer, NZA 2011, 1403; Freckmann/Müller, Verschärfte Anforderungen an vertragliche Widerrufsvorbehalte – BAG, Urteil vom 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NWB 2011, 2552; Fröhlich, Herausgabe des Dienstwagens bei Kündigung und Freistellung, ArbRB 2011, 253; Fuhlrott/Fabritius, Die Begrenzung von Nebentätigkeiten durch Wettbewerbsverbote, FA 2010, 194; Gaul/Kaul, Verschärfung der Rechtsprechung zum Widerrufsvorbehalt, BB 2011, 181; Gaul/Ludwig, Neues zu arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln, ArbRB 2012, 283; Gehlhaar, Sozialauswahl: Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern bei unwirksamer Versetzungsklausel?, NJW 2010, 2550; Gehlhaar, Das BAG, der EuGH und der Urlaub, NJW 2012, 271; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, 2. Aufl. 2003; Greiner, Der unechte Tarifwechsel – Zu den Wirkungen kleiner dynamischer Bezugnahmeklauseln bei Tarifwechsel, Tarifsukzession und Tarifrestrukturierung, NZA 2009, 877; Grimm/Freh, Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte, ArbRB 2011, 285; Groeger, Arbeitsvertragliche Vereinbarungen über Sondervergütungen, ArbRB 2010, 156: Groeger/Sadtler, Möglichkeiten und Grenzen der flexiblen Gestaltung des Umfangs der Arbeitszeit, ArbRB 2009, 117; Günther/Günther, Widerrufsvorbehalt bei privater Dienstwagennutzung, ArbR Aktuell 2011, 107; Günther/Nolde, Vertragsstrafenklauseln bei Vertragsbruch – Angemessene und abschreckende Strafhöhe, NZA 2012, 62; Haas/Fabritius, Auslegung von unwirksamen Formularklauseln, FA 2009, 130; Haußmann, Anm. zu BAG: Kleine dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge nach einem Teilbetriebsübergang bleibt maßgeblich, auch wenn beim Erwerber allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten, FD-ArbR 2007, 240797; Haußmann, Bezugnahme auf Tarifvertrag und Branchenwechsel – Betriebsübergang: Tarifwechsel nur bei kongruenter Tarifgebundenheit, DB 2001, 1839; Haußmann, Tarifwechselklauseln in Arbeitsverträgen seit der Schuldrechtsreform („Neuverträgen“), DB 2013, 1359; Hohenstatt/Schramm, Neue Gestaltungsmöglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, NZA 2007, 238; Höppner, Nochmals: Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln, NZA 2009, 420; Höppner, Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln, NZA 2008, 91; Holthausen, Hinweise zur Gestaltung arbeitsvertraglicher Bezugnahmen, ArbR Aktuell 2011, 29; Hromadka, Die betriebliche Übung: Vertrauensschutz im Gewande eines Vertrags, NZA 2011, 65; Hromadka, Grenzen des Weisungsrechts, NZA 2012, 233; Hümmerich, Anwendbarkeit des § 308 Nr. 4 BGB auch bei freiwilligen Leistungen?, BB 2007, 1498; Hunold, AGB-Kontrolle einer Versetzungsklausel, NZA 2007, 19; Hunold, AGB-Kontrolle: Widerruf der Gestellung eines Dienstwagens, NZA 2010, 1276; Hunold, Die Rechtsprechung des BAG zur AGB-Kontrolle arbeitsvertraglicher Versetzungsklauseln, BB 2011, 693; Husemann, Ausschlussfristen im Arbeitsrecht, NZA-RR 2011, 337; Insam/Plümpe, Keine Flucht mehr in den Firmentarifvertrag?, DB 2008, 1265; Jacobs, Tarifpluralität statt Tarifeinheit – Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!, NZA 2008, 325; Jacobs, Bezugnahmeklauseln als Stolpersteine beim Betriebsübergang, BB 2011, 2037; Jensen, Arbeitsvertragsklauseln gegen betriebliche Übungen – was geht noch?, NZA-RR 2011, 225; Jesgarzewski, Rückzahlungsvereinbarungen für Fortbildungskosten,

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BB 2011, 1594; Jordan/Bissels, Gilt „der jeweils anwendbare Tarifvertrag in der jeweils gültigen Fassung“ noch?, NZA 2010, 71; Klebeck, Unklarheiten bei arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel – zur angekündigten Anwendbarkeit des § 305c II BGB auf arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln, NZA 2006, 15; Kleinebrink, Tätigkeitsklauseln in Formulararbeitsverträgen, ArbRB 2007, 57; Kleinebrink, Strategien bei fehlendem Verfall von Urlaubsansprüchen, DB 2011, 2843; Kock, Pauschalabgeltung von Überstunden, DB 2012, 1328; Krieger/Günther, Die arbeitsrechtliche Stellung des Compliance Officers, NZA 2010, 367; Lakies, AGB-Kontrolle von Sonderzahlungen, ArbR Aktuell 2012, 306; Lakies, AGB-Kontrolle von Ausschlussfristen, ArbR Aktuell 2013, 318; Lakies, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers und Vertragsgestaltungsoptionen (Versetzungsklauseln), ArbR Aktuell 2013, 3; Lakies, Neue Rechtsprechung zu Flexibilisierungsvarianten bei Sonderzuwendungen, ArbR Aktuell 2013, 251; Lakies, Praktische Anwendungsprobleme bei Ausschlussfristen, ArbR Aktuell 2013, 379; Leder, Der Freiwilligkeitsvorbehalt sprengt den Kernbereich, BB 2009, 1367; Leder/Scheuermann, Schriftformklauseln in Arbeitsverträgen – das Ende einer betrieblichen Übung?, NZA 2008, 1222; Lingemann, Anm. zu BAG: „Andere Abmachung“ im Sinne von § 4 V TVG geht auch in AGB dem nachwirkenden Tarifvertrag vor, FDArbR 2007, 240798; Lingemann, Betriebliche Übung und Schriftformklausel, Anm. zu BAG v. 24.6.2003, SAE 2005, 40; Lingemann, Kleine dynamische Bezugnahmeklausel bei Änderung der Tarifbindung, FS ARGE Arbeitsrecht im DAV, 2006, S. 71; Lingemann, Widerruf übertariflicher Leistungen – AGB-Kontrolle, Anm. zu BAG v. 11.10.2006, NJW 2007, 539; Lingemann, Anm. zu BAG: AGB-Kontrolle einer doppelten Schriftformklausel, FD-ArbR 2008, 260623; Lingemann/ Gotham, Doppelte Schriftformklausel – gar nicht einfach!, NJW 2009, 268; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – gibt es sie noch?, DB 2007, 1754; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – es gibt sie noch!, DB 2008, 2307; Lingemann/Gotham, Freiwilligkeits-, Stichtags- und Rückzahlungsregelungen bei Bonusvereinbarungen – was geht noch?, NZA 2008, 509; Lingemann/Gottschalk, Vertragsstrafengestaltung im Arbeitsrecht – ein kurzer Leitfaden, DStR 2011, 774; Lingemann/Kiecza, Rückzahlungsvereinbarungen bei Fortbildungskosten, ArbR Aktuell 2009, 156; Lingemann/Müller, Die Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf die Arbeitsvertragsgestaltung, BB 2007, 2006; Lingemann/Rolf, AGB-Kontrolle von Widerrufsklauseln, LAGReport 2004, 321; Lingemann/Weingarth, Zur Anwendung des AGG auf Organmitglieder, DB 2012, 2325; Lunk/Leder, Teilbefristungen – Neues Recht und alte Regeln?, NZA 2008, 504; Lunk/Leder, Mitbestimmung der Betriebsräte bei freiwilligen Leistungen, NZA 2011, 249; Maaß, Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt – Welche Formulierung genügt dem Transparenzgebot?, ArbR Aktuell 2011, 59; Maier/Mosik, Unwirksame Rückzahlungsklauseln bei arbeitgeberseitiger Übernahme der Ausbildungskosten, NZA 2008, 1168; Matthiessen, Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen und das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB, NZA 2007, 361; Matthiessen, Klageweise Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung einer zweistufigen Ausschlussfrist durch Kündigungsschutzklage, NZA 2008, 1165; Meier, Der Arbeitsvertrag des Compliance-Beauftragten – Rechtliche Notwendigkeiten und Möglichkeiten, NZA 2011, 779; C. Meyer, Transformierende Betriebsvereinbarungen bei Betriebsübergang, NZA 2007, 1408; Miethaner, AGB oder Individualvereinbarung – die gesetzliche Schlüsselstelle „im Einzelnen ausgehandelt“, NJW 2010, 3121; Moderegger, Urlaub ohne Grenzen?, ArbRB 2010, 276; Moderegger, Rolle rückwärts im Urlaubsrecht?, ArbRB 2012, 54; Münzel, Chefarztverträge und AGB-Recht, NZA 2011, 886; Mues, Inhaltskontrolle von Freistellungsklauseln, ArbRB 2009, 214; Nägele/Gertler, Tarifliche Ausschlussfristen auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts, NZA 2011, 442; Oertel/Chmel, Verfällt der Urlaub bei Krankheit nun doch?, DB 2012, 460; Ohlendorf/Salamon, Freistellungsvorbehalte im Lichte des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, NZA 2008, 856; Powietzka/Fallenstein, Urlaubsklauseln in Arbeitsverträgen – Regelungsbedarf und Gestaltungsmöglichkeiten nach der „Schultz-Hoff“-Entscheidung, NZA 2010, 673; Preis, AGB-Recht und Arbeitsrecht – Eine Zwischenbilanz, NZA Beilage 3/2006, 115; Preis, Änderungsvorbehalte – Das BAG durchschlägt den gordischen Knoten, NZA 2006, 632; Preis, Widerrufsvorbehalt auf dem höchstrichterlichen Prüfstand, NZA 2004, 1014; Preis, Der langsame Tod der Freiwilligkeitsvorbehalte und die Grenzen betrieblicher Übung, NZA 2009, 281; Preis/Bender, Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen – Kontrolle durch Gesetz oder Richterrecht?, NZA-RR 2005, 337; Preis/Bleser/Rauf, Die Inhaltskontrolle von Ausgleichsquittungen und Verzichtserklärungen, DB 2006, 2812; Preis/Genenger, Die unechte Direktionsrechtserweiterung, NZA 2008, 969; Preis/Greiner, Vertragsgestaltung bei Bezugnahmeklauseln nach der Rechtsprechungsänderung des BAG, NZA 2007, 1073; Preis/Sagan, Der Freiwilligkeitsvor-

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Kap. 2

behalt im Fadenkreuz der Rechtsgeschäftslehre – Chronik eines angekündigten Todes, NZA 2012, 697; Preis/Ulber, Direktionsrecht und Sonntagsarbeit, NZA 2010, 729; Reinecke, Zur AGBKontrolle von Arbeitsentgeltvereinbarungen, BB 2008, 554; Richter/Lange, Kontrolle von Freistellungs- und Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen mit Fußballbundesliga-Trainern, NZA-RR 2012, 57; Rid, Das Arbeitsverhältnis im Konzern und seine Auswirkungen auf den Kündigungsschutz, NZA 2011, 1121; Riemer, Auslegung und Wirksamkeit dynamischer Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen, NWB 2012, 828; Roeder, Zweierlei Maß oder das Ende der gegenläufigen betrieblichen Übung, NZA 2009, 883; Rolfs, Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand, NZA Beilage 2010, 139; Rosenau, Die Anordnung von Überstunden, NJW-Spezial 2010, 754; Rudkowski, Die Umrechnung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit und ihre Vereinbarkeit mit der Arbeitszeitrichtlinie, NZA 2012, 74; Salamon, Rechtsfolgen des Zusammentreffens von Freiwilligkeitsvorbehalten und Gratifikationszweckvereinbarungen, NZA 2009, 656; Salamon, Umgehung der Voraussetzungen einer betrieblichen Übung durch Anerkennung schlüssiger Individualzusagen?, NZA 2010, 1272; Salamon, Das Ende von Sonderzahlungen mit Mischcharakter?, NZA 2011, 1328; Salamon/Fuhlrott, Die Festlegung des Arbeitsplatzes als Vorfrage der AGB-Kontrolle, NZA 2011, 839; Schiefer/Brasse, Verfallbarkeit wegen Krankheit nicht genommenen Urlaubs – Richtungswechsel?, DB 2011, 1976; Schmitt-Rolfes, Ein Überblick, AuA 2009, 84; Schneider, Betriebliche Übung: Vertragstheorie oder Fiktion von Willenserklärungen?, DB 2011, 2718; Schramm, Die Zulässigkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen, NZA 2007, 1325; Schramm/Kröpelin, Neue Anforderungen an die arbeitsvertragliche Gestaltung von Schriftformklauseln, DB 2008, 2363; Schramm/Kuhnke, Neue Grundsätze des BAG zur Überstundenvergütung, NZA 2012, 127; Schwarz/Ziegler, Kleine dynamische Bezugnahmeklauseln – Abschied vom Tarifwechsel, BB 2010, 1021; Seel, Wirksamkeit von Überstundenregelungen in Formulararbeitsverträgen, DB 2005, 1330; Simon/Greßlin, Der Freiwilligkeitsvorbehalt lebt, und zwar nicht nur beim Weihnachtsgeld, BB 2008, 2467; Singer, Flexible Gestaltung von Arbeitsverträgen, RdA 2006, 362; Straube/Klagges, „In der jeweils geltenden Fassung“- Regelungen sind unwirksam!, ArbR Aktuell, 2011, 421; Sutschet, Bezugnahmeklausel kraft betrieblicher Übung, NZA 2008, 679; Tempelmann/Stenslik, Altersgrenzenregelungen im Arbeitsrecht, DStR 2011, 577; Thüsing/Pötters, Flexibilisierung der Arbeitszeit durch Zeitkonten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung, BB 2012, 317; Tiedemann/Triebel, Warum dürfen sich Arbeitgeber nicht auf die Unwirksamkeit ihrer AGB-Vertragsklauseln berufen?, BB 2011, 1723; Tödtmann/Kaluza, Anforderungen an allgemeine Geschäftsbedingungen in arbeitsrechtlichen Verträgen, DB 2011, 114; Ulber, Ausschlussfristen und zwingendes Gesetzesrecht, DB 2011, 1808; Wass, Bezugnahme auf Tarifvertrag und Branchenwechsel, Anm. AP Nr. 12 zu § 1 TVG – Bezugnahme auf Tarifvertrag; Weinbrenner, Vertragsstrafen im Betriebsverfasungsrecht, FA 2010, 229; Willemsen/ Mehrens, Das Ende der Tarifeinheit – Folgen und Lösungsansätze, NZA 2010, 1313; Winter, Wirksamkeits- und Angemessenheitskontrolle bei Vertragsstrafen im Formulararbeitsvertrag, BB 2010, 2757; Wisskirchen/Lützeler, Bezugnahmeklauseln, AuA 2006, 528; Woerz/Klinkhammer, Arbeitsrechtliche Regelungen zur Beschränkung von Nebentätigkeiten, ArbR Aktuell 2012, 183; Zaumseil, Arbeitsvertraglicher Ausschluss des Annahmeverzugs, ArbRB 2011, 222; Zimmermann, Rechtsfolgen unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen, ArbR Aktuell 2012, 105; Zundel, Die Entwicklung des Arbeitsrechts im Jahre 2011, NJW 2012, 131. Zum Nachweisgesetz: Boudon, Arbeitsvertragsschluss und Nachweisgesetz, ArbRB 2006, 155; Franke, Bedeutung des Nachweisgesetzes für die Darlegungs- und Beweislast im arbeitsgerichtlichen Verfahren, DB 2000, 274; Hoß/Medla, Das Nachweisgesetz – zahnloser Papiertiger oder sanktionsbewährtes Regelungswerk?, ArbRB 2002, 336; Müller-Glöge, Zur Umsetzung der Nachweisrichtlinie in nationales Recht, RdA Sonderbeilage zu Heft 5/2001, 46; Weber, Materielle und prozessuale Folgen des Nachweisgesetzes bei Nichterteilung des Nachweises, NZA 2002, 641. Zur Gewerbeordnung: Bauer, Arbeitsrechtliche Änderungen in der Gewerbeordnung, BB 2002, 1590; Düwell, Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in der Gewerbeordnung, DB 2002, 2270; Düwell, Neues Arbeitsrecht in der Gewerbeordnung, ZTR 2002, 461; Gaul, Änderung der Gewerbeordnung, ArbRB 2002, 234; Hunold, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, AR-Blattei ST 600; Lakies, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) – Inhalt und Grenzen, BB 2003, 364; Perreng, Änderungen der Gewerbeordnung – erste Fassung eines Arbeitsgesetzbuches?, AiB 2002, 521; Sartorius, Novellierung der Gewerbeordnung – arbeitsrechtliche Vorschriften, ZAP 2002, Fach 17, 685; Schöne, Die Novellierung der Gewerbeordnung und die Aus-

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wirkungen auf das Arbeitsrecht, NZA 2002, 829; Wisskirchen, Novellierung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Gewerbeordnung, DB 2002, 1886.

I. Einführung 1

Gemäß § 105 GewO können Arbeitgeber und Arbeitnehmer Abschluss, Inhalt und Form des Arbeitsvertrages frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen.

1. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Arbeitsvertrag1 2

Praxistipp: Im Folgenden werden zunächst die Grundlagen und die Prüfungsfolge der AGB-Kontrolle dargestellt. Zum leichteren Auffinden werden verschiedene Klauseltypen im Anschluss unter 2. „Klauselkontrolle von A–Z“ (Rz. 82 ff.) alphabetisch jeweils mit den wichtigsten Hinweisen behandelt.

3

Die für die arbeitsrechtliche Vertragsgestaltung wohl wichtigste Einschränkung ist die Anwendung der AGB-Kontrolle auch auf Arbeitsverträge gemäß § 310 Abs. 4 BGB auf Grund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts.2

4

Die Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge ergibt sich daraus, dass Arbeitsverträge – anders als Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen – in der Ausnahmeregelung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB entgegen der Vorregelung nicht mehr genannt sind.3

5

Die AGB-Kontrolle gilt für Verträge, die seit dem 1.1.2002 geschlossen worden sind. Für (Alt-)Verträge, die vorher geschlossen wurden, gilt sie seit dem 1.1.2003, Art. 229 § 5 EGBGB. Für solche Verträge gilt jedoch möglicherweise ein großzügigerer Maßstab: Um eine verfassungswidrige echte Rückwirkung zu vermeiden, legt das BAG Altverträge ggf. ergänzend danach aus, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die neue Rechtslage bekannt gewesen wäre.4

6

Seit Inkrafttreten des AGBG am 1.4.1977 regelte § 23 AGBG die Bereichsausnahme, nach der das AGBG keine Anwendung findet (ua.) bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. An die Stelle dieser Bereichsausnahme ist seit dem 1.1.2002 die Bereichseinschränkung des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB getreten. Danach sind bei der Anwendung auf Arbeitsverträge „. . . die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“.

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Damit sollen nicht nur rechtlich besonders ausgestaltete Arbeitsverhältnisse erfasst werden; vielmehr schreibt § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB bei der Klauselkontrolle in jedem 1 Näher dazu auch Benedict, JZ 2012, 172; Brachmann/Diepold, AuA 2009, 504; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281; Hunold, NZA-RR 2006, 113; Hunold, BB 2011, 693; Junker, BB 2007, 1274; Lingemann, NZA 2002, 181 ff.; Preis, NZA Beilage 3/2006, 115; Zimmermann, ArbR Aktuell 2012, 105. 2 V. 26.11.2001, BGBl. I, S. 3138 ff. 3 Auch kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien unterliegen grds. einer Überprüfung nach §§ 305 ff. BGB, BAG v. 19.11.2009, NZA 2010, 583; v. 17.11.2005, NZA 2006, 872. 4 BAG v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; einschränkend BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; jetzt aber BAG v. 20.4.2011, NJW 2011, 2153.

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Kap. 2

Arbeitsverhältnis die Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten vor.5 Im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten sind beispielsweise der Charakter der Arbeitsleistung als absolute Fixschuld, die fehlende Vollstreckbarkeit der Arbeitspflicht,6 kurze Ausschlussfristen, Anrechnungsvorbehalte,7 Besonderheiten der betrieblichen Altersversorgung8 sowie Besonderheiten der Arbeitsverträge mit Tendenzunternehmen und kirchlichen Einrichtungen. Allein die jahrelange Verwendung einer Klausel reicht demgegenüber nicht aus. a) Allgemeine Geschäftsbedingungen Die Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB gilt nur für Allgemeine Geschäftsbedingungen.

8

aa) Begriff Das sind gemäß § 305 Abs. 1 BGB „alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt“.

9

Davon werden typischerweise erfasst Formulararbeitsverträge und Formularaufhebungsverträge, die für eine mehrfache Verwendung vorgesehen sind, soweit sie vom Arbeitgeber gestellt werden. Mehrfach ist eine dreifache Verwendung, wobei die AGB-Kontrolle schon im ersten Verwendungsfall einsetzt.9 Gestellt sind AGB, wenn der Verwender ihre Einbeziehung in den Vertrag verlangt.10

10

bb) Besonderheiten auf Grund der Verbraucherstellung Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträgen) ist der Anwendungsbereich gemäß § 310 Abs. 3 BGB noch weiter: Da Arbeitnehmer und Fremdgeschäftsführer Verbraucher iSd. § 13 BGB sind und ihr Vertrag damit ein Verbrauchervertrag iSd. § 310 Abs. 3 BGB ist, finden diese Regeln auch für den Arbeitsvertrag und den Anstellungsvertrag des Fremdgeschäftsführers Anwendung:11 – Damit gelten AGB als vom Arbeitgeber gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB.

5 BAG v. 29.9.2010, NZA 2011, 206; v. 4.3.2004, NZA 2004, 727. 6 BAG v. 29.9.2010, NZA 2011, 206; v. 28.5.2009, AP BGB § 306 Nr. 6; 4.3.2004, NZA 2004, 727. 7 BAG v. 29.9.2010, NZA 2011, 206; v. 27.8.2008, NZA 2009, 49, 52; v. 1.3.2006, NZA 2006, 746. 8 BAG v. 29.9.2010, NZA 2011, 206, 209. 9 BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89; v. 18.3.2008, NZA 2008, 1004; v. 1.3.2006, NZA 2006, 746; dabei kann sich schon aus dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass die Bedingungen zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind. 10 BGH v. 24.5.1995, BGHZ 130, 57 ff.; Palandt/Grüneberg, § 305 BGB Rz. 10 mwN. 11 BAG v. 25.5.2005, NZA 2005, 1111; v. 18.5.2010, NZA 2010, 935, 937 (Arbeitsvertrag); v. 19.5.2010, NZA 2010, 939, 940 (Geschäftsführervertrag).

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

– Auch nur zur einmaligen Verwendung bestimmte Klauseln unterliegen, soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte, einer Inhaltskontrolle, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB.12 – Bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Dazu gehören bei richtlinienkonformer Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung des 16. Erwägungsgrundes zur Richtlinie 93/13/EWG des Rates v. 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen insbesondere – persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, – Besonderheiten der konkreten Vertragsabschlusssituation, wie zB Überrumpelung einerseits oder Belehrung andererseits sowie – untypische Sonderinteressen des Vertragspartners.13 Diese können auch zu Gunsten des Verwenders Beachtung finden.14 12

Trotz Verbraucherstellung steht dem Arbeitnehmer allerdings kein Widerrufsrecht nach § 312 BGB zu, wenn er durch mündliche Verhandlungen am Arbeitsplatz zum Abschluss eines Änderungs- oder Aufhebungsvertrages bestimmt worden ist. Das BAG hat ein Recht zum Widerruf eines im Personalbüro geschlossenen Aufhebungsvertrags nach Sinn und Zweck des § 312 BGB verneint, da er nicht in einer atypischen Umgebung abgeschlossen wurde. Schon unabhängig von der Verbraucherstellung des Arbeitnehmers kommt auch der erhöhte Zinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.15 cc) Abgrenzung zur Individualvereinbarung

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Die AGB-Kontrolle gilt nicht, soweit die Bedingungen des Vertrages „zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind“, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.16 Ausgehandelt iSv. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ist die Vertragsbedingung nicht schon dann, wenn sie lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Vertragspartners entspricht, sondern nur, wenn der Verwender den gesetzesfremden Kern inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingung zu beeinflussen.17 Der Verwender muss sich also deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklären. Auch ändert ein Aushandeln nur einzelner Vertragsbedingungen nichts daran, dass die übrigen Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen bleiben, wie sich schon aus der Gesetzesformulierung „soweit“ 12 BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 804/11, NZA 2013, 268; v. 8.8.2007, NZA 2008, 229; dazu Lunk/ Leder, NZA 2008, 504; BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324, 328. 13 BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324, 328. 14 BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324, 328. 15 BAG v. 23.2.2005, NZA 2005, 694; v. 24.8.2006, AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 54. 16 Eingehend dazu Miethaner, NJW 2010, 3121. 17 BAG v. 15.9.2009, NZA 2010, 342; v. 18.12.2008, NZA-RR 2009, 519, 521; v. 1.3.2006, NZA 2006, 746; v. 27.7.2005, NZA 2006, 40, 44; vgl. auch BGH v. 15.12.1976, NJW 1977, 624, 625.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ergibt.18 Auch Klauseln in arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, die auf kollektivrechtlich ausgehandelte Vertragsbedingungen Bezug nehmen oder inhaltlich mit ihnen übereinstimmen, sind nach denselben Maßstäben auszulegen wie einseitig vom Arbeitgeber vorformulierte Klauseln.19 dd) Keine Klauselkontrolle zu Gunsten des Verwenders Eine AGB-Kontrolle findet nicht zu Gunsten des Klauselverwenders statt.20

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ee) Beteiligung des Betriebsrats bei Formularverträgen Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat auch die in Formulararbeitsverträgen enthaltenen Bestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Nachweisgesetzes sowie den §§ 305 ff. BGB zu überwachen. Allerdings umfasst das Überwachungsrecht keine Zweckmäßigkeitskontrolle, sondern nur eine Rechtskontrolle der in den Formulararbeitsverträgen enthaltenen Vertragsklauseln. Will der Betriebsrat dazu einen Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG hinzuziehen, so muss er zuvor alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nutzen, um sich das notwendige Wissen anzueignen. Hat der Betriebsrat sich nicht zuvor bei dem Arbeitgeber um die Klärung der offenen Fragen bemüht, so ist die Beauftragung eines Sachverständigen nicht erforderlich.21

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b) Einbeziehung in den Vertrag Die Bestimmungen in § 305 Abs. 2 und 3 BGB für die Einbeziehung in den Vertrag gelten nicht für Arbeitsverträge. An ihre Stelle treten die Sonderregelungen in § 2 NachwG (s. Rz. 144 ff.) und die allgemeinen Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre.22 Ohne die Aufnahme in die dortige Niederschrift entstehen Beweisnachteile für den Arbeitgeber, wenn er die Geltung seiner üblicherweise verwendeten Bedingungen für den konkreten Arbeitsvertrag nachweisen will.23 Dementsprechend führt der bloße Aushang gemäß § 305 Abs. 2 BGB auch nicht schon zur Einbeziehung in den Vertrag. Auch den in § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB aufgenommenen besonderen Anforderungen für die Kenntnisnahme durch eine Vertragspartei mit erkennbarer körperlicher Behinderung ist durch das Erfordernis der Aushändigung in § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG wohl Rechnung getragen. Die in § 305 Abs. 3 BGB vorgesehene Rahmenvereinbarung wird im Arbeitsverhältnis im Zweifel nicht praktisch werden. Auch eine konkludente Einbeziehung von Arbeitsvertragsbedingungen, die insbesondere bei der Bezugnahme auf Tarifverträge und andere allgemeine Regelwerke in Betracht kommt, soll zulässig sein. Die dynamische Bezugnahme auf ein einseitiges Regelungswerk des Arbeitgebers ist allerdings nicht dynamisch, wenn keinerlei Gründe für 18 Vgl. BGH v. 6.3.1986, BGHZ 97, 215. 19 BAG v. 22.7.2010, NZA 2011, 634 f.; v. 19.3.2009, NZA 2009, 896. 20 BAG v. 27.10.2005, NZA 2006, 257; BGH v. 30.6.1994, BGHZ 126, 326, 332; krit. Tiedemann/Triebel, BB 2011, 1723. 21 BAG v. 16.11.2005, NZA 2006, 553. 22 BT-Drucks. 14/6857, S. 54; krit. Thüsing, BB 2002, 2666, 2670 und Annuß, BB 2002, 458, 460; zum Nachweisgesetz im Einzelnen unten Rz. 144 ff. 23 Vgl. unten Rz. 148; Preis, NZA 1997, 10, 13 mwN; LAG Köln v. 9.1.1998, LAGE § 2 NachwG Nr. 4; Hohmeister, BB 1998, 587; Berwitz, BB 2001, 2316.

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Kap. 2

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eine etwaige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen genannt oder erkennbar sind.24 c) Vorrang der Individualabrede/Schriftformklausel – § 305b BGB 17

Der Vorrang der Individualabrede gemäß § 305b BGB war als allgemeiner Rechtsgedanke auch schon vor Inkrafttreten des AGBG allgemein anerkannt.25 Dementsprechend hat eine nachgewiesene spätere mündliche Individualabrede oder ein Bestätigungsschreiben in Änderung des ursprünglichen Vertrages Vorrang vor dessen AGB.26

18

Auch eine Schriftformklausel in AGB27 setzt mündliche und wohl auch konkludente abweichende Vereinbarungen nicht außer Kraft. Denn soweit für Nebenabreden und Vertragsänderungen in AGB konstitutiv die Schriftform vereinbart würde, verstieße dies wiederum gegen den Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB.28 Vollständigkeitsklauseln („Nebenabreden bestehen nicht“) werden indes überwiegend als zulässig angesehen, da sie nur anderweitige Vereinbarungen für die Zeit bis zum Vertragsschluss ausschließen.29

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Unklar ist allerdings, ob die Individualabrede im Arbeitsrecht nur Vorrang hat, wenn die Parteien ausdrücklich die Schriftformklausel außer Kraft setzen wollten,30 oder ob es ausreicht, dass sie das mündlich Vereinbarte als maßgeblich gewollt haben, auch ohne an die Schriftform zu denken.31

20

Für die doppelte Schriftformklausel gilt der Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB, gleichfalls. Die Klausel ist daher nach der Rechtsprechungsänderung im Urteil des BAG v. 20.5.2008 zu weit gefasst, wenn der Vorrang darin nicht zum Ausdruck kommt.32 Auch eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus, § 306 Abs. 2 BGB.33 Eine insoweit zu weit gefasste Schriftformklausel schützt daher auch nicht gegen eine betriebliche Übung.34 Einer ergänzenden Vertragsauslegung steht eine wirksame doppelte Schriftformklausel indes nicht entgegen, da der Vertrag damit nur ausgelegt und nicht geändert wird.35 24 BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 99c. 25 Vgl. BGH v. 6.11.1967, BGHZ 49, 84, 86 f.; v. 25.6.1975, NJW 1975, 1693; v. 13.1.1982, WM 1982, 447, 450. 26 Vgl. Pauly, NZA 1997, 1030, 1032; zum Zivilrecht BGH v. 9.4.1987, NJW 1987, 2011; v. 20.10.1994, NJW-RR 1995, 179. 27 Dazu Hromadka, DB 2004, 1261; zu Einzelheiten BAG v. 20.5.2008, NZA 2008, 1233; Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. 28 Vgl. auch BAG v. 24.6.2003, SAE 2005, 37, m. Anm. Lingemann. 29 BGH v. 14.10.1999, ZIP 1999, 1887; v. 19.6.1985, NJW 1985, 2329; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 305b BGB Rz. 30, 39; Preis/Preis, II V 60 Rz. 5. 30 BAG v. 4.6.1963, AP BGB § 127 Nr. 1. 31 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82; v. 10.1.1989, AP HGB § 74 Nr. 57; vgl. Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 32 Rz. 56 mwN; zu betrieblicher Übung und Schriftformklauseln BAG v. 24.6.2003, SAE 2005, 37 m. Anm. Lingemann; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. 32 BAG v. 20.5.2008, NZA 2008, 1233, dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268; anders noch BAG v. 24.6.2003, NZA 2003, 1145 = SAE 2005, 37 m. Anm. Lingemann; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. 33 BAG v. 20.5.2008, NZA 2008, 1233, dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268. 34 BAG v. 20.5.2008, NZA 2008, 1233, dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268. 35 BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423.

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Kap. 2

d) Überraschende Klauseln – § 305c Abs. 1 BGB Gemäß § 305c BGB werden „Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, . . . nicht Vertragsbestandteil“.

21

Überraschend ist eine Klausel, der ein „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“ innewohnt. Daher wurde eine vertragliche Ausschlussfrist schon nach alter Rechtslage nicht Vertragsinhalt, wenn sie der Verwender ohne besonderen Hinweis und ohne drucktechnische Hervorhebung unter falscher oder missverständlicher Überschrift einordnete.36

22

Eine Klausel ist überraschend, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners des Verwenders deutlich abweicht und er mit ihr den Umständen nach insbesondere auf Grund der Gestaltung des Vertrags und dessen äußerem Erscheinungsbild nicht zu rechnen braucht.37 Daher sind insbesondere versteckt angebrachte Regelungen überraschend und damit unwirksam,38 zB, wenn die Befristung im Arbeitsvertrag drucktechnisch hervorgehoben wird, die kürzere Probezeitbefristung jedoch nicht. (Zumindest) letztere ist dann unwirksam.39 Das Gleiche gilt für in Schlussbestimmungen versteckte Verfallklauseln.40 Sind allerdings innerhalb einer im Arbeitsvertrag enthaltenen Vereinbarung unter der Überschrift „Wettbewerbsverbot“ alle das Wettbewerbsverbot konstituierenden und ausgestaltenden Einzelelemente geregelt und sind keine Regelungen enthalten, die damit in keinem Zusammenhang stehen, so ist eine innerhalb dieser Vereinbarung vorgesehene aufschiebende Bedingung für das Inkrafttreten des Wettbewerbsverbots nicht „überraschend“ iSv. § 305c Abs. 1 BGB.41 Auch dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge in Formularverträgen sind nicht überraschend.42

23

Maßgeblich für die Beurteilung ist nicht das Verständnis des konkreten Arbeitnehmers, sondern das Verständnis des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders.43

24

36 BAG v. 29.11.1995, NZA 1996, 702; im konkreten Fall handelte es sich um eine Vier-Wochen-Verfallfrist, die dadurch in den Arbeitsvertrag einbezogen werden sollte, dass im sechsten Absatz des § 9 des Arbeitsvertrages unter der Überschrift „Verschiedenes“ ein Verweis auf die Betriebsordnung enthalten war, welche ihrerseits wiederum unter der Überschrift „Lohnberechnung und Zahlung“ die Ausschlussklausel enthielt. Als überraschende Klausel wurde diese nicht Vertragsbestandteil; vgl. schon früher BAG v. 21.12.1970, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 1. 37 BAG v. 29.8.2012, NZA 2013, 148; v. 16.4.2008, NZA 2008, 876. 38 BAG v. 27.7.2005, NZA 2006, 37, 38 f. (Altersgrenze); v. 23.2.2005, NZA 2005, 1193, 1198 f. (unwirksame Ausgleichsklausel); v. 31.8.2005, NZA 2006, 324, 326 (unwirksame Verfallklausel); LAG Düsseldorf v. 13.4.2005, DB 2005, 1463 (unwirksame Ausgleichsquittung). 39 BAG v. 16.4.2008, NZA 2008, 876. 40 BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324. 41 BAG v. 13.7.2005, AP HGB § 74 Nr. 78; vgl. auch Junker, BB 2007, 1274, 1280; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 122 f. 42 BAG v. 24.9.2008, NZA 2009, 154. 43 Vgl. BAG v. 29.6.2011, AP TVG § 1 Tarifvertrag Arzt Nr. 49; v. 23.2.2011, NZA-RR 2012, 122, 125; v. 13.6.2007, DB 2007, 2035, 2036.

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Kap. 2

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e) Unklarheitenregel – § 305c Abs. 2 BGB 25

Gemäß § 305c BGB gehen „Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen . . . zu Lasten des Verwenders“.

26

Es ist Sache des Verwenders, sich klar und unmissverständlich auszudrücken.44 Eine unklare oder mehrdeutige Regelung ging auch vor Einführung der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge „zu Lasten des Arbeitgebers (. . .), der bei der Formulierung dieser Vereinbarung für die nötige Klarheit hätte sorgen müssen“.45 Eine Vertragsstrafe für den Fall des „Vertragsbruchs des Mitarbeiters“ umfasste daher schon vor Inkrafttreten der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge zwar den Fall der rechtswidrigen Eigenkündigung, nicht aber den Fall der vom Arbeitnehmer schuldhaft veranlassten vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung des Arbeitgebers. Auch die unklare Regelung des Anspruchs auf Karenzentschädigung in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Wettbewerbsverbot führte unabhängig von der AGB-Kontrolle zu dessen Unwirksamkeit.46

27

Seit Einführung der AGB-Kontrolle kommt der Unklarheitenregel insbesondere47 bei arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge ganz erhebliche Bedeutung zu.48 So hat das BAG in Anwendung der Unklarheitenregel die Auslegung von nach dem 1.1.2002 vereinbarten kleinen dynamischen Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede aufgegeben49 (dazu im Einzelnen Rz. 99 sowie M 2.2 Ziff. 5 mit Anm.).

28

Im Zweifel gilt die kundenfreundlichste Auslegung,50 sofern sich die Klausel nicht bei kundenfeindlichster Auslegung bereits als inhaltlich unwirksam erweist.51

29

Auf die Unklarheitenregel darf allerdings nur zurückgegriffen werden, wenn trotz Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare erhebliche Zweifel verbleiben.52

44 Palandt/Grüneberg, § 305c BGB Rz. 15. 45 Vgl. zu einer unklar formulierten Ausgleichsquittung schon BAG v. 3.5.1979, DB 1979, 1465. 46 BAG v. 5.9.1995, NZA 1996, 700, 701: „Die Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss so eindeutig formuliert sein, dass aus Sicht des Arbeitnehmers kein vernünftiger Zweifel über den Anspruch auf Karenzentschädigung bestehen kann.“ 47 Zu anderen Anwendungsbereichen s. BAG v. 24.10.2007, NZA 2008, 40 mit Anm. Lingemann, FD-ArbR 2007, 245079 (Freiwilligkeitsvorbehalt bei Bonuszahlung); v. 31.8.2005, NZA 2006, 324 (in einer Ausschlussklausel muss zur Vermeidung von Intransparenz die Rechtsfolge mitgeteilt werden); Einzelheiten unten Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92. 48 Vgl. BAG v. 9.11.2005, NZA 2006, 202; v. 14.12.2005, NZA 2006, 607; v. 18.4.2007, NZA 2007, 965; v. 24.8.2011, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 94. 49 BAG v. 20.10.2008, NZA 2009, 323; v. 18.4.2007, NZA 2007, 965; v. 14.12.2005, NZA 2006, 607. 50 Palandt/Grüneberg, § 305c BGB Rz. 18; PWW/Berger, § 305c BGB Rz. 17 mwN. 51 BGH v. 23.3.2006, NZA 2006, 551; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Familienmitglieder als Arbeitnehmer“, Rz. 102; BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1357; v. 9.11.2005, NZA 2006, 202, 203. 52 BAG v. 23.2.2011, NZA-RR 2012, 122, 125; v. 9.2.2011, AP BGB § 307 Nr. 52; v. 17.1.2006, BB 2006, 2532.

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Kap. 2

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f) Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit – § 306 BGB § 306 BGB enthält spezielle Rechtsfolgen für den Fall der nicht wirksamen Einbeziehung oder der Unwirksamkeit einer AGB-Klausel.53

30

aa) Zivilrechtliche Grundsätze Im Zivilrecht gilt für die AGB-Kontrolle: Entgegen § 139 BGB führt die Unwirksamkeit oder Nichteinbeziehung einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt. Vielmehr bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam, § 306 Abs. 1 BGB.54

31

Die Bestimmung selbst allerdings, die nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam ist, kann nicht auf ein zulässiges Maß zurückgeführt werden. Eine geltungserhaltende Reduktion ist unzulässig.55 Gemäß § 306 Abs. 2 BGB richtet sich der Inhalt des Vertrages insoweit vielmehr nach den gesetzlichen Vorschriften, wozu auch die von Rechtsprechung und Literatur herausgebildeten ungeschriebenen Rechtsgrundsätze zählen.56

32

Dies gilt allerdings nicht ohne Einschränkungen. Fehlen beispielsweise für eine Vertragsergänzung geeignete Vorschriften oder Rechtsgrundsätze und ist die ersatzlose Streichung der Klausel keine interessengerechte Lösung, so schließt die Rechtsprechung die durch die Unwirksamkeit entstehende Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 242, 315 BGB.57 Eine ergänzende Vertragsauslegung soll jedoch scheitern, wenn verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung der Lücke in Betracht kommen und kein Anhaltspunkt dafür besteht, welche Regelung die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit getroffen hätten.58

33

Nur wenn ein Festhalten an dem Vertrag unter Berücksichtigung dieser Grundsätze eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei – idR den Verwender – darstellen würde, erfasst die Unwirksamkeit der einzelnen AGB-Klausel den Vertrag insgesamt, § 306 Abs. 3 BGB. Diese Regelung ist jedoch eng auszulegen und auf den Fall beschränkt, dass der Wegfall der AGB das Vertragsgleichgewicht grundlegend stört.59 Diese zu der Vorgängerregelung in § 6 AGBG entwickelten Grundsätze gelten unverändert für den wortgleichen § 306 BGB.

34

53 Zu Einzelheiten Haas/Fabritius, FA 2009, 130; Zimmermann, ArbR Aktuell 2012, 105. 54 BGH v. 9.5.1996, BB 1996, 1524, 1525; PWW/Berger, § 306 BGB Rz. 1. 55 BGH v. 29.7.2004, NJW-RR 2004, 1498; v. 3.11.1999, NJW 2000, 1113; PWW/Berger, § 306 Rz. 4 ff. 56 BGH v. 14.5.1996, NJW 1996, 2092, 2093; v. 11.7.1996, NJW 1996, 2788 (Vorlagebeschluss an den Großen Senat); Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rz. 12; PWW/Berger, § 306 BGB Rz. 13. 57 Vgl. BGH v. 11.10.2011, NJW 2012, 222, 224; v. 4.7.2002, NJW 2002, 3098; v. 3.11.1999, NJW 2000, 1110, ständige Rechtsprechung; BGH v. 31.10.1984, BB 1985, 481. 58 BGH v. 10.2.2009, NJW 2009, 1482, 1484 mwN; v. 3.11.1999, NJW 2000, 1110, 1111; für eine weiter gehende Lückenfüllung auch bei mehreren denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, § 306 BGB Rz. 38. 59 BGH v. 22.2.2002, NJW-RR 2002, 1136; v. 9.5.1996, NJW-RR 1996, 1009, 1010 (unter IV 1 der Gründe); PWW/Berger, § 306 BGB Rz. 17 mwN.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

bb) BAG vor Einführung der AGB-Kontrolle/Geltung bei Individualverträgen 35

Das Bundesarbeitsgericht nahm vor Einführung der AGB-Kontrolle einzelfallbezogen zum Teil eine geltungserhaltende Reduktion vor, zum Teil leitete es aus der Unbilligkeit einer Klausel aber auch die vollständige Unwirksamkeit der jeweiligen Regelung her. So hat das BAG mit Urteil v. 30.9.199860 eine Vergütungsvereinbarung, die entgegen § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG unangemessen niedrig war, auf ein angemessenes Maß angehoben. Mit Urteil v. 11.4.198461 hat der 5. Senat auch die überhöhte Bindungsdauer bei der Verpflichtung zur Rückzahlung von Fortbildungskosten von fünf Jahren auf drei Jahre als angemessenes Maß herabgesetzt.

36

Umgekehrt hat das BAG vor allem bei Verstößen gegen die Unklarheitenregel zu Lasten des Arbeitgebers Unwirksamkeit angenommen; eine arbeitsvertragliche Klausel zur Rückzahlung des Weihnachtsgeldes war daher unwirksam, wenn sie weder Voraussetzungen für die Rückzahlungspflicht noch einen eindeutig bestimmten Zeitraum für die Bindung des Arbeitnehmers festlegte.62 Eine ergänzende Vertragsauslegung scheiterte daran, dass verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten bestanden und der Vertrag keinerlei Anhaltspunkte dafür enthielt, dass gerade auf die vom BAG als eine Möglichkeit angesehenen Rückforderungsmechanismen abgestellt werden sollte und nicht etwa auf abweichende Gestaltungen.

37

Eine unklare Regelung zur Karenzentschädigung führte nach der Entscheidung des 9. Senates des BAG v. 5.9.1995 zur Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbotes insgesamt.63 Auch eine überraschende Ausschlussklausel war insgesamt unwirksam.64 cc) BAG nach Einführung der AGB-Kontrolle

38

Auch nach Einführung der AGB-Kontrolle entscheidet das BAG eher einzelfallorientiert. Eine überhöhte Vertragsstrafe im Formularvertrag ist unwirksam und nicht auf ein angemessenes Maß herabzusetzen.65 Unwirksam ist auch eine Rückzahlungsklausel, die einen Mitarbeiter zur Rückzahlung von Ausbildungskosten verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird, ohne danach zu unterscheiden, wessen Sphäre der Grund für die Beendigung zuzuordnen ist.66 Bei einer zu langen Bindungsdauer für die Rückzahlung von Ausbildungskosten differenziert das BAG: Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer zu bestimmen.67 Auch eine zu kurze und deshalb unwirksame Ausschlussklausel kann nicht auf die zulässige Dauer ausgedehnt werden.68

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Hingegen kann der Einwendungsausschluss in einem Schuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB für sich alleine unwirksam sein, ohne dass das Schuldanerkenntnis 60 61 62 63 64 65 66 67

BAG v. 30.9.1998, NZA 1999, 265. BAG v. 11.4.1984, AP BGB § 611 Nr. 8. BAG v. 14.6.1995, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 176. BAG v. 5.9.1995, NZA 1996, 700, 701. BAG v. 29.11.1995, NZA 1996, 702. BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89; v. 4.3.2004, NZA 2004, 727. BAG v. 18.11.2008, NZA 2009, 435, 437 f.; v. 23.1.2007, NZA 2007, 748. BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 666; v. 15.9.2009, NZA 2010, 342, 345 f.; im Einzelnen Lingemann/Kiecza, ArbR Aktuell 2009, 156. 68 BAG v. 12.3.2008, NZA 2008, 699, 701; v. 28.9.2005, NZA 2006, 149, 150.

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insgesamt deswegen unwirksam wird.69 Auch kann eine unwirksame Vereinbarung über Arbeit auf Abruf mangels entsprechender gesetzlicher Regelung nicht gemäß § 306 Abs. 2 BGB ersetzt werden, so dass die entsprechende Lücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist.70 Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet schon nicht deswegen aus, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht innerhalb der Übergangsfrist bis zum 1.1.2003 (s. Rz. 5) eine Anpassung der Klausel angeboten hat.71 dd) Blue-pencil-test Die Unwirksamkeit einer Teilregelung erfasst allerdings nicht automatisch die anderen Regelungen der Klausel. Kann die unwirksame Regelung herausgestrichen werden und bleibt die restliche Regelung verständlich („blue pencil test“), so bleibt die restliche Regelung wirksam.72 Das BAG hat den blue-pencil-test insbesondere angewendet bei einer zu kurzen Frist auf der zweiten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist,73 bei einer Stichtagsregelung zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum Stichtag, jedoch nicht zum ungekündigten Fortbestand,74 bei zu engen Voraussetzungen für ein vertragliches Rückkehrrecht75 und bei einer Vertragsstrafe auf Grund zT konkreter und zT – und daher zu streichender – unkonkreter Voraussetzungen.76

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g) Unangemessene Benachteiligung – § 307 BGB Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (materiell unangemessene Benachteiligung, Rz. 55 f. sowie 57 ff.). Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (formell unangemessene Benachteiligung, Transparenzgebot, Rz. 50 ff.).

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aa) Kontrollsperre Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch nur dann der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2, §§ 308 und 309 BGB, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden („Kontrollsperre“). In jedem Falle aber gilt das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

69 BAG v. 15.3.2005, NZA 2005, 682. 70 BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423, 428. 71 BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 796; aA BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; vgl. auch Crisolli/ Zaumseil, BB 2012, 1281, 1287 f. 72 BAG v. 21.6.2011, NZA 2011, 1274, 1277; v. 6.5.2009, NZA 2009, 783 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2009, 285230; v. 12.3.2008, NZA 2008, 699; v. 19.12.2006, BB 2007, 1624, 1626 mwN; v. 21.4.2005, BB 2005, 2822, 2824; vgl. auch Rz. 132 sowie Thüsing, BB 2006, 661. 73 BAG v. 12.3.2008, NZA 2008, 699. 74 BAG v. 6.5.2009, NZA 2009, 783. 75 BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 519/10. 76 BAG v. 21.4.2005, NZA 2005, 1053.

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(1) Rechtsvorschriften iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, dh. auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die auf Grund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten.77 Das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung führt zB nicht dazu, dass die formularmäßig vereinbarte Befristung einzelner Arbeitsbedingungen wegen § 307 Abs. 3 BGB nicht nach §§ 307 ff. BGB zu kontrollieren wäre. Auch gesetzlich nicht geregelte Vertragstypen können am Maßstab der §§ 307 ff. BGB gemessen werden.78

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(2) Allerdings unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 BGB rein deklaratorische Vertragsklauseln, die in jeder Hinsicht mit einer bestehenden gesetzlichen Regelung übereinstimmen, nicht der Inhaltskontrolle. Denn bei Unwirksamkeit solcher Klauseln würde ohnehin gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung gelten.79

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Auch Abreden, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterliegen, sondern von den Vertragsparteien festgelegt werden müssen, sind der Inhaltskontrolle nicht unterworfen. Dies betrifft Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (Leistungsbeschreibung) und das dafür zu zahlende Entgelt sowie Klauseln, die das Entgelt für eine zusätzlich angebotene Sonderleistung festlegen, wenn hierfür keine Regelungen bestehen. Das gilt also insbesondere für Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen.80 Ebenso sind Verweisungen auf die für die Berechnung des Ruhegehalts jeweils geltenden Vorschriften des Beamtenversorgungsrechts kontrollfrei, da sie die Hauptleistung, nämlich die Versorgung, festlegen. Solche Klauseln können nicht in einen den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung regelnden Teil und einen Teil, der die Hauptleistungspflicht modifiziert, aufgespalten werden.81

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(3) Klauseln hingegen, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, weichen im Allgemeinen von Vorschriften des dispositiven Gesetzesrechts82 ab. Sie sind daher Gegenstand der Inhaltskontrolle.83 Im Falle der Unwirksamkeit derartiger Klauseln kann an ihre Stelle die gesetzliche Regelung treten.

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Bei den Leistungsbeschreibungen gilt die Inhaltskontrolle daher nur für solche Leistungsbezeichnungen nicht, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag schon nicht angenommen werden kann.84 77 BAG v. 9.6.2010, NJW 2010, 2455, 2458; v. 11.10.2006, NZA 2007, 87; v. 7.12.2005, AP TzBfG § 12 Nr. 4; v. 31.8.2005, AP ArbZG § 6 Nr. 8. 78 BAG v. 10.12.2008, NZA-RR 2010, 7, 11 f.; v. 27.7.2005, NZA 2006, 40, 44 mwN. 79 BAG v. 9.2.2011, AP BGB § 307 Nr. 52; v. 10.12.2008, NZA-RR 2010, 7, 11; v. 27.7.2005, NZA 2006, 40, 44 mwN. 80 BAG v. 10.12.2008, NZA-RR 2010, 7, 11; v. 27.7.2005, NZA 2006, 40, 44 mwN. 81 BAG v. 30.11.2010, NZA-RR 2011, 255; v. 4.12.2010, NZA 2011, 576, 579. 82 Kritisch zum Leitbild des dispositiven Rechts Benedict, JZ 2012, 172. 83 BAG v. 9.2.2011, AP BGB § 307 Nr. 52; v. 10.12.2008, NZA-RR 2010, 7, 11; v. 27.7.2005, NZA 2006, 40, 44 mwN. 84 BAG v. 23.3.2011, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 88; v. 10.12.2008, NZA-RR 2010, 7, 11; v. 27.7.2005, NZA 2006, 40, 44 mwN.

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(4) Auch die Inhaltskontrolle der folgenden Regelungen scheitert daher nicht an der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. – Die befristete Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit stellt als befristete Änderung der synallagmatischen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eine Änderung des Hauptleistungsversprechens dar, die nach § 307 Abs. 3 BGB kontrollfähig ist.85 Auch die befristete Aufstockung eines Stundendeputats für Lehrkräfte kann daher eine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung sein.86 – In einer zu weit gehenden Regelung zur Arbeit auf Abruf sah das BAG eine gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB verstoßende Verlagerung des den Arbeitgeber nach § 615 BGB treffenden Wirtschaftsrisikos und damit eine gemäß § 307 Abs. 3 BGB kontrollfähige Regelung.87 – Auch eine Ausgleichsklausel unterfällt der Inhaltskontrolle, da ein einseitiger Rechtsverzicht vom ungeschriebenen Grundsatz des Äquivalenzprinzips abweicht. Erfolgt keine angemessene Gegenleistung, ist die entsprechende Klausel auch unwirksam nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.88 – In einer zu kurzen einzelvertraglichen Ausschlussfrist sah das BAG nicht nur einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern auch eine Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts entgegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und eine Einschränkung wesentlicher Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrags ergeben derart, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist, entgegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.89 – Einseitige Leistungsbestimmungsrechte, die dem Verwender das Recht einräumen, die Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu modifizieren, unterliegen einer Inhaltskontrolle, denn sie weichen von dem allgemeinen Grundsatz pacta sunt servanda ab.90 Daher unterliegt auch ein Widerrufsvorbehalt des Arbeitgebers der AGB-Kontrolle, allerdings nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm.91 – Ebenso weicht ein Einwendungsausschluss in einem Schuldanerkenntnis von § 812 Abs. 2, § 821 BGB ab und ist daher gemäß § 307 Abs. 3 BGB kontrollfähig.92 – Gleiches gilt für eine Rückzahlungsklausel von Weiterbildungskosten, die den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und seine Berufsfreiheit unzulässig beeinträchtigt, wenn die Rückzahlungsverpflichtung allein an eine Kündigung des Mitarbeiters anknüpft, ohne nach Kündigungsgrund bzw. -verantwortlichkeiten zu differenzieren.93 85 BAG v. 27.7.2005, NZA 2006, 40; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Befristung einzelner Vertragsteile“, Rz. 96. 86 BAG v. 18.1.2006, NZA 2007, 351. 87 BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89. 88 BAG v. 26.6.2011, NZA 2011, 1338. 89 BAG v. 12.3.2008, NZA 2008, 699, 701; v. 28.9.2005, NZA 2006, 149; vgl. auch Einf., AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 f. 90 BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 796; v. 11.10.2006, NZA 2007, 87. 91 BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 796; v. 11.10.2006, NZA 2007, 87; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138. 92 BAG v. 15.3.2005, NZA 2005, 682. 93 BAG v. 13.12.2011, NZA 2012, 738.

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(5) Keine Abweichung von Rechtsvorschriften gemäß § 307 Abs. 3 BGB enthält allerdings die Beendigungsvereinbarung im Aufhebungsvertrag, so dass sie nicht der Inhaltskontrolle unterliegt.94 Sie kann aber überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB sein.95 bb) Formell unangemessene Benachteiligung (Transparenzgebot) – § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB

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§ 307 BGB enthält das Verbot, „den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen zu benachteiligen“. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hält ferner ausdrücklich fest, dass sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben (kann), „dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist“.

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Dieses „Transparenzgebot“ verpflichtet den Verwender, seine AGB so zu gestalten, dass der rechtsunkundige Durchschnittsbürger in der Lage ist, die ihn benachteiligende Wirkung einer Klausel ohne Einholung von Rechtsrat zu erkennen.96

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Das BAG hat auch vor Inkrafttreten der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge das Transparenzgebot bei Austauschverträgen außerhalb des eigentlichen Arbeitsverhältnisses – zB Dienstwagenverträgen – uneingeschränkt angewendet,97 die Grundsätze aber auch für das Arbeitsverhältnis selbst. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung von Gratifikationen beispielsweise musste „ausdrücklich und eindeutig sowie für den Arbeitnehmer überschaubar und klar geregelt werden.“98 Fehlte es daran, war die Regelung schon deswegen unwirksam. Dies galt nicht nur für die Verständlichkeit der Formulierung, sondern auch für die mühelose Lesbarkeit der Vertragsregelung.99

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Das Transparenzgebot erfordert auch im Rahmen der AGB-Kontrolle nicht, alle möglichen Konkretisierungen der Arbeitspflicht und des Weisungsrechts ausdrücklich zu regeln.100 Sinn des Transparenzgebotes ist es vielmehr, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertrags94 BAG v. 8.5.2008, NZA 2008, 1148; v. 3.6.2004 – 2 AZR 427/03; v. 22.4.2004, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 27; v. 27.11.2003, NZA 2004, 597–604. 95 BAG v. 15.2.2007, NZA 2007, 614. 96 BGH v. 24.11.1988, BGHZ 106, 49; v. 10.7.1990, NJW 1990, 2383; v. 19.10.1999, NJW 2000, 651; v. 15.4.2010, NJW 2010, 2942, 2944; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rz. 21. 97 BAG v. 26.5.1993, NJW 1994, 213; zur neuen Rechtslage BAG v. 19.12.2006, DB 2007, 1253, in diesem Fall entsprach die entsprechende Widerrufsklausel dem Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. 98 Vgl. BAG v. 14.6.1996, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 176; v. 26.6.1975, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 86; v. 8.11.1978, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 100. 99 Prägnant ArbG Berlin v. 24.8.2001, AiB 2002, 442, 443: „Der Arbeitsvertrag ist auf Grund seines Schriftbildes nur mit äußerster Mühe zu lesen. Wenn man versucht, den Text der maschinenschriftlichen Passagen des Arbeitsvertrages zu entziffern, beginnt das Schriftbild auf Grund der Größe der gewählten Schrift und des Abstandes zwischen den einzelnen Buchstaben vor den Augen zu tanzen, so dass man den Inhalt der einzelnen Vertragsklauseln nur mit äußerster Konzentration und nach wiederholtem Lesen inhaltlich erfassen kann. Damit ist die Vertragsstrafenabrede des § 6 des Formulararbeitsvertrags nicht zum Inhalt der arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien geworden.“ 100 BAG v. 13.6.2007, DB 2007, 2035, 2036.

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bedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.101 Das Transparenzgebot schließt insbesondere das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen, eine Klausel muss also im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben.102 Gleichwohl darf das Transparenzgebot den Verwender auch nicht überfordern, die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht daher nur im Rahmen des Möglichen.103 Wegen der weit reichenden Folgen von Ausschlussfristen erfordert das Transparenzgebot beispielsweise regelmäßig einen Hinweis auf die Rechtsfolge des Verfalls der Ansprüche bei nicht fristgerechter Geltendmachung.104 Bei Bezugnahmeklauseln, die die Gleichstellung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern bezwecken, muss der Gleichstellungszweck hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen.105

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cc) Materiell unangemessene Benachteiligung – § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Zur Feststellung, ob die Klausel inhaltlich den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind bei der gebotenen generalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt;106 die Klausel ist insbesondere dann unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.107 101 BAG v. 21.6.2011, NZA 2011, 1274, 1277; v. 25.4.2007, NZA 2007, 853; dazu Lingemann/ Gotham, DB 2007, 1754; BAG v. 14.3.2007, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45. 102 BGH v. 3.3.2004, NZM 2004, 379; BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324, 326; v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335 f. 103 BGH v. 6.10.2004, WuM 2004, 663; BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324, 326; v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335 f.; vgl. auch BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 688. 104 BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324; eine Widerrufsklausel muss so gefasst sein, dass der Arbeitnehmer weiß, in welchen Fällen er mit der Ausübung des Widerrufs rechnen muss, BAG v. 19.12.2006, DB 2007, 1253; vgl. auch BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 796; eine Vertragsstrafe muss die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass der Arbeitnehmer sich darauf einstellen kann, BAG v. 18.8.2005, BB 2006, 720; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“ bzw. „Vertragsstrafe“, Rz. 138 f. bzw. 130 f. 105 BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 151 mwN., s. unten Rz. 99 ff. 106 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 84; v. 7.12.2005, NZA 2006, 423, 426; v. 31.8.2005, NZA 2006, 324, 326; vgl. BAG v. 27.4.2000, AP BGB § 765 Nr. 1 zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. 107 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 84; v. 14.1.2009, NZA 2009, 666; v. 10.1.2007, NZA 2007, 384; v. 9.5.2006, AP BGB § 307 Nr. 21; v. 11.4.2006, AP BGB § 307 Nr. 17; v. 31.8.2005, NZA 2006, 324, 326; BGH v. 3.11.1999, NJW 2000, 1110, 1112 mwN; im Einzelnen Lingemann/Kiecza, ArbR Aktuell 2009, 156; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rz. 12.

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So sollten Versetzungsklauseln § 106 Satz 1 GewO nachgebildet werden, so dass der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen muss.108 Soll die vertragliche Tätigkeit als solche geändert werden, muss gewährleistet sein, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand hat.109 Insbesondere bei den oben in Rz. 48 aufgeführten Fällen zur Befristung von Arbeitszeiterhöhungen, Abrufarbeit, Ausschlussfrist, Einwendungsausschluss in einem Schuldanerkenntnis, Rückzahlungs- und Ausgleichsklauseln nahm das BAG jeweils eine Kontrolle anhand des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vor (vgl. auch Einf. Rz. 96, 89, 92 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Befristung einzelner Vertragsteile“, „Arbeit auf Abruf“ sowie „Ausschlussfrist“). dd) Vermutungstatbestände des § 307 Abs. 2 BGB

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Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung „mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist“; nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB greift die Vermutung auch, wenn „die Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.“

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Allerdings gilt, wie oben (Rz. 42 ff.) dargestellt, § 307 Abs. 2 BGB nur, soweit von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, § 307 Abs. 3 BGB („Kontrollsperre“).110

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(1) Die Abweichung von gesetzlichen Vorschriften, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, ist etwa bei Freistellungsklauseln von Bedeutung, denn bei diesen muss insbesondere der allgemeine Beschäftigungsanspruch als Leitbild iSd. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB berücksichtigt werden.111 Die Entscheidungen zur Befristung von Arbeitszeiterhöhungen, zu Abrufarbeit, Ausschlussfrist oder Einwendungsausschluss in einem Schuldanerkenntnis stützte das BAG neben § 307 Abs. 1 BGB auch jeweils auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (im Einzelnen wie oben Rz. 48 sowie unten unter Einf. Rz. 96, 89, 92 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Befristung einzelner Vertragsteile“, „Arbeit auf Abruf“ sowie „Ausschlussfrist“).

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(2) Maßstab für die Angemessenheitsregelung sind nicht Tarifverträge, Betriebsoder Dienstvereinbarungen. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB beschränkt sich darauf, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie umfassende Verweisungen auf diese in Arbeitsverträgen von der AGB-Kontrolle auszunehmen.112 Eine weitergehende Orien108 BAG v. 11.4.2006, BB 2006, 2195; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“, Rz. 129. 109 BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355; v. 9.5.2006, NZA 2007, 145; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“ bzw. „Änderungsvereinbarung“, Rz. 129, 82a f. 110 S. dazu Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 98 f. 111 LAG München v. 7.5.2003, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“, Rz. 103; zur Vergütung während der Freistellung vgl. BAG v. 23.1.2008, NZA 2008, 595. 112 Zur Begründung im Einzelnen vgl. Gotthardt, ZIP 2002, 277, 282; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, 2002, Rz. 242; Annuß, BB 2002, 458, 460; Lindemann, ArbuR 2002, 81, 86; Lingemann, NZA 2002, 181, 188; Thüsing, BB 2002, 2666, 2671; aA Däubler, NZA 2001, 1329, 1334; Lakies, NZA-RR 2002, 337; unentschieden Reinecke, DB

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Kap. 2

tierung von arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten an Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen begründet sie nicht. Tarifverträge können allerdings bei der Beurteilung von Lohnwucher eine Rolle spielen. So liegt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung iSv. § 138 Abs. 2 BGB vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht.113 Einstweilen frei.

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(3) Fälle der Vertragszweckgefährdung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind bisher selten. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB begrenzt zB Ausschlussklauseln, da sie den sich aus der Natur des Arbeitsvertrags (§ 611 Abs. 1 BGB) ergebenden Vergütungsanspruch einschränken.114 Denn zu kurz bemessene Ausschlussklauseln für den Vergütungsanspruch bergen die Gefahr, dass der für das Arbeitsverhältnis wesentliche Leistungsaustausch verfehlt wird. Der Vertragszweck ist gefährdet, wenn die Leistung des Arbeitnehmers ohne Gegenleistung bleibt.115

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h) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit – § 308 BGB Die spezifischen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeiten – § 309 BGB – sollen nach der Gesetzesbegründung im Arbeitsrecht nur eingeschränkt gelten. Hier soll der Hauptanwendungsbereich für die „Besonderheiten des Arbeitsrechts“ gemäß der Bereichseinschränkung, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, liegen. Eine ausdrückliche Aussage zu den Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit – § 308 BGB – findet sich in der Gesetzesbegründung nicht. Jedoch werden hier die Besonderheiten des Arbeitsrechts, die nach dem Wortlaut des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB insgesamt bei der AGB-Kontrolle zu berücksichtigen sind, schon über die in § 308 BGB selbst vorgesehene Wertungsmöglichkeit einfließen.

64

Bei den Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit ist § 308 Nr. 3 BGB von Bedeutung (Rücktrittsvorbehalt, Rz. 66), ferner § 308 Nr. 4 BGB (eingeschränkte Wirksamkeit einseitiger Änderungsvorbehalte, insbesondere Widerrufsvorbehalte, Rz. 67 ff.).

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aa) Rücktrittsvorbehalt Ein Rücktrittsvorbehalt ist nach § 308 Nr. 3 BGB nur wirksam, wenn in dem Vorbehalt auch der Grund für die Lösung vom Vertrag mit hinreichender Deutlichkeit angegeben ist und ein sachlich gerechtfertigter Grund für seine Aufnahme in die Vereinbarung besteht.116

113 114 115 116

2002, 583, 585. Vgl. zu kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen BAG v. 22.7.2010, NZA 2011, 634 m. Anm. Thüsing, BB 2011, 190. BAG v. 18.4.2012, NZA 2012, 978 m. Anm. Diller, ArbR Aktuell 2012, 378; v. 22.4.2009, NZA 2009, 837. BAG v. 28.9.2005, NZA 2006, 149, 152. BAG v. 28.9.2005, NZA 2006, 149, 152. BAG v. 27.7.2005, AP BGB § 308 Nr. 2; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rücktrittsvorbehalt“, Rz. 120.

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bb) Widerrufsvorbehalt/Anrechnungsvorbehalt 67

§ 308 Nr. 4 BGB stellt die Wirksamkeit einseitiger Änderungsvorbehalte unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit für den anderen Vertragsteil. Die Vorschrift betrifft Klauseln, in denen der Verwender sich das Recht vorbehält, die versprochene Leistung zu ändern – nicht anwendbar ist sie daher auf Änderungsvorbehalte, die etwa den Umfang der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers betreffen.117

68

Ein Widerrufsvorbehalt ist daher nur wirksam, wenn die Gründe für den Widerruf im Arbeitsvertrag genannt sind. Aus der Klausel muss wenigstens in groben Zügen hervorgehen, wann ein Widerruf möglich ist. Außerdem muss der widerrufliche Teil unter 25 % (bei Leistungen im Austauschverhältnis) bzw. 30 % (bei sonstigen Leistungen) der Gesamtvergütung liegen.118 Zudem sollte vorsorglich auch der Grad der Störung mit angegeben werden, der das Widerrufsrecht auslösen soll (vgl. zum Ganzen M 2.2 Ziff. 4 (2) mit Anm. sowie ausführlich Einf. Rz. 138 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“). Für Formularverträge, die vor dem 1.1.2002 abgeschlossen wurden, kommt allerdings eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht, sofern der Widerufsgrund nicht im Vertrag genannt ist.119

69

Nicht nötig ist die Nennung von Gründen dagegen bei der Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen, da die Tariferhöhung selbst „für sich gesehen bereits ein sachlicher, die Anrechnung rechtfertigender Grund“ ist.120 Dies gilt umso mehr, als die übertarifliche Zulage letztlich nur als bloßer Rechnungsposten die Differenz zwischen dem tariflichen und dem arbeitsvertraglichen Gehalt wiedergibt, die sich naturgemäß mit jeder Tariferhöhung verringert.121 Eines gesonderten Anrechnungsvorbehaltes bedarf es daher auch unter der Geltung des AGB-Rechts nicht, da sich die vereinbarte Vergütung nicht ändert.122 i) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit – § 309 BGB

70

Auch die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit erfordern im Arbeitsrecht eine Wertung, denn sie sind ausweislich der Gesetzesbegründung123 in besonderer Weise an den Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß der Bereichseinschränkung des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu messen.

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Praxisrelevant bei den Klauselverboten ohne Wertungsmöglichkeit sind im Arbeitsrecht vor allem die Regelungen zum Zurückbehaltungsrecht, § 309 Nr. 2b BGB 117 BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423, 427. 118 BAG v. 12.1.2005, NZA 2005, 465; v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann. Vgl. hierzu Gaul/Kaul, BB 2011, 181. 119 BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 796; v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; v. 12.1.2005, AP BGB § 308 Nr. 1. 120 BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 746, 748 f.; v. 22.8.1979, EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 3; vgl. auch die Nachweise in den nachstehenden beiden Fn.; Schnitker/Grau, BB 2002, 2120, 2124; vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f.; Lingemann, NZA 2002, 181. 121 Vgl. schon BAG v. 16.4.1986, DB 1987, 1542; v. 27.8.2009, NZA 2009, 49; v. 1.3.2006, NZA 2006, 746. 122 Vgl. BAG v. 27.8.2009, NZA 2009, 49; v. 1.3.2006, NZA 2006, 688; Lingemann, NZA 2002, 181; ferner Rz. 87. 123 BT-Drucks. 14/6857, S. 53/54 zu Nr. 5.

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(Rz. 72), zur Vertragsstrafe, § 309 Nr. 6 BGB (Rz. 73 ff.) und zur Beweislastmodifikation, § 309 Nr. 12 BGB (Rz. 77 ff.): aa) Verbot von Zurückbehaltungsrechten – § 309 Nr. 2b BGB Gemäß § 309 Nr. 2b BGB ist eine Bestimmung unwirksam, durch die ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Daraus wird zum Teil geschlossen, dass der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts des Arbeitnehmers, welches typischerweise vereinbart wird für Gegenstände, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zum Besitz überlassen hat (zB Pkw, Mobiltelefon, Laptop), ohne Wertungsmöglichkeit unwirksam sei.124 Indes sind auch bei § 309 BGB die Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu berücksichtigen. Solche Besonderheiten können jedenfalls bestehen, wenn der Arbeitgeber ein aus der spezifischen Struktur der Arbeitsbeziehung resultierendes berechtigtes Interesse am Ausschluss des Zurückbehaltungsrechtes hat, zB weil die weitere Besitzüberlassung eine Gefahr für Betriebsgeheimnisse darstellt,125 was typischerweise beim Notebook und Smartphone der Fall ist.

72

bb) Vertragsstrafe – § 309 Nr. 6 BGB Nach § 309 Nr. 6 BGB sind Vertragsstrafenklauseln126 in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie (ua.) für den Fall vereinbart werden, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst.

73

Die Vertragsstrafe für den Fall der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist oder des Nichtantritts der Arbeitsstelle ist auch unter Geltung des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB in den Grenzen von § 307 BGB weiterhin wirksam; der Ausschluss der Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO ist eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit. Vertragsstrafenabreden sind deshalb nicht gemäß § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig.127

74

Einstweilen frei.

75–76

cc) Beweislastmodifikationen – § 309 Nr. 12 BGB Nach § 309 Nr. 12 BGB ist eine Bestimmung unwirksam, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder b) ihn bestimmte Tatsachen bestätigen lässt; Letzteres gilt jedoch nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind (unten Rz. 79). 124 Schuster, AiB 2002, 274, 278. 125 So namentlich Annuß, BB 2002, 458, 463; krit. Hümmerich, NZA 2003, 753, 764. 126 S. ausführlich zu Vertragsstrafenklauseln auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 f. 127 BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89 f.; v. 4.3.2004, NZA 2004, 727; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 f. Anders aber bei Vertragsstraferegelungen zugunsten gemeinnütziger Dritter, vgl. Weinbrenner, FA 2010, 229.

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Schon bisher hatte das BAG arbeitsvertragliche Eingriffe in die gesetzlichen oder richterrechtlichen Beweislastregeln im Arbeitsvertrag als unzulässig angesehen. Die Bestätigung des Arbeitnehmers beispielsweise, ihm sei bekannt, dass die Ausbildung viel teurer sei als der Betrag, den der Arbeitgeber bei fehlender Vertragstreue zurückfordere, sah das BAG als unzulässige Beweislastmodifikation an und bezog sich dabei ausdrücklich auf den Rechtsgedanken des § 11 Nr. 15b AGBG, der Vorgängerregelung des jetzigen § 309 Nr. 12b BGB.128

79

Gem. § 309 Nr. 12b BGB sind Empfangsbekenntnisse nur wirksam, wenn sie gesondert unterschrieben sind.129

80

Praxistipp: Wichtig ist, dass Empfangsbekenntnisse vom übrigen Vertragstext deutlich abgesetzt130 und vom Empfänger gesondert unterschrieben werden und nicht im Allgemeinen Vertragswerk „untergehen“.

81

Festzuhalten bleibt, dass eine Reihe von Fragen immer noch ungeklärt sind, weil höchstrichterliche Rechtsprechung dazu noch nicht oder nicht abschließend vorliegt. Im Bereich der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen besteht daher nach wie vor eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Formulierungsvorschläge in diesem Buch geben die von uns erwartete Entwicklung wieder, können aber nicht unkritisch übernommen werden, sondern müssen für die praktische Anwendung jeweils dem dann aktuellen Stand der Rechtsprechung angepasst werden.

2. AGB-Klauselkontrolle von A–Z – Abgeltungsklausel131 82

Abgeltungsklauseln in Abwicklungs- oder Aufhebungsverträgen sind grundsätzlich weit auszulegen und idR auch keine überraschenden oder ungewöhnlichen Klauseln iSd. § 305c BGB.132 – Änderungsklausel (s. auch „Versetzungsklausel“, Rz. 129)133

82a

Soll mit Hilfe einer Änderungsklausel, also einer Klausel, die eine Änderung über § 106 Satz 1 GewO hinaus regelt („echte Direktionsrechtserweiterung“),134 die vertragliche Tätigkeit als solche geändert werden, so muss gewährleistet sein, dass 128 BAG v. 16.3.1994, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18. 129 Vgl. aber Preis, ArbuR 1979, 101 zu Ausgleichsquittungen; zu den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Klageverzichts BAG v. 20.6.1985, NZA 1986, 258: Die Erklärung „Ich erhebe gegen die Kündigung keine Einwendungen und werde meine Rechte, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, nicht wahrnehmen oder eine mit diesem Ziel erhobene Klage nicht durchführen“, reicht aus, nicht aber „Ich erkläre hiermit, dass mir aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Ansprüche mehr zustehen“, BAG v. 3.5.1979, DB 1979, 1465 = EzA KSchG § 4 Nr. 15 m. Anm. Heckelmann; zum Ganzen Preis/Rolfs, II A 100d), S. 493 ff. 130 OLG Hamburg v. 5.9.1986, ZIP 1986, 1260; vgl. zu überraschenden Klauseln bereits oben unter Rz. 21 f. 131 Einzelheiten und Formulierungsvorschlag s. M 23.1, § 26. 132 BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355; v. 19.11.2008, NZA 2009, 318. 133 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 1 (2). 134 BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355; Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 974 f.; kritisch Hromadka, NZA 2012, 233, 236.

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die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand hat. Andernfalls stellt sie eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, da sie mit wesentlichen Grundgedanken des arbeitsrechtlichen Inhaltsschutzes gemäß § 2 KSchG nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).135 Das BAG geht bei der Auslegung einer Versetzungsklausel nach folgenden Grundsätzen vor:136 Durch Auslegung der vertraglichen Regelungen ist zunächst zu ermitteln, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und -ort vertraglich festgelegt wurde.137 Enthält der Vertrag hierüber eine nähere Festlegung, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, da es sich um eine inhaltliche Bestimmung der Hauptpflicht handelt. Vorzunehmen ist nur eine Transparenzkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ist der Inhalt der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag nicht festgelegt, ergibt sich der Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht mehr an.138 Enthält der Vertrag neben einer Festlegung von Art oder Ort der Tätigkeit einen Versetzungsvorbehalt, unterliegt dieser nicht der gesetzlichen Angemessenheitskontrolle, wenn er inhaltlich der Regelung des § 106 Satz 1 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht. Auch dann gilt nur eine Transparenzkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dabei muss die vertragliche Regelung die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten – gegebenenfalls noch unter Verringerung der Vergütung – vorbehält. Dagegen erfordert auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gemäß § 307 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält.139 Geht der Vorbehalt über § 106 GewO hinaus, findet eine uneingeschränkte Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB statt.140 Behält sich der Arbeitgeber vor, die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten einseitig ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung zulasten des Arbeitnehmers zu ändern, so liegt darin regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB. Erweist sich die Versetzung danach als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer auch dann einen Anspruch auf Beschäftigung mit seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort, wenn Inhalt und Ort der Arbeitsleistung im Vertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO unterliegen.141 Das deutet darauf hin, dass bei unwirksamer Versetzungsklausel auch 135 BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1358; Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 974 f.; aA Hromadka, NZA 2012, 233, 236 f. 136 Vgl. BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355 sowie BAG Jahresbericht 2010, S. 21. 137 BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1357. 138 BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1357 f. 139 BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1358 mwN. 140 BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1358. 141 BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1358.

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82b

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eine Versetzung nach § 106 GewO nicht mehr möglich ist. Nicht zulässig wäre eine Klausel, nach der der Arbeitgeber „falls erforderlich nach Abstimmung der beiderseitigen Interessen Art und Ort der Tätigkeit“ ändern kann,142 da diese nicht gewährleistet, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand hat.143 Dennoch ist nicht abschließend geklärt, ob im Einzelfall nicht auch eine geringerwertige Tätigkeit, ggf. sogar mit einer geringeren Vergütung, einseitig zugewiesen werden kann.144 Möglicherweise geht dies, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen einer Änderungskündigung erfüllt sind oder unter den Beschränkungen, die das BAG für Widerrufsvorbehalte aufgestellt hat.145 Im letzteren Fall müsste dies zusammen mit Widerrufsgründen in der Klausel auch ausdrücklich geregelt werden.146 Ob damit die Klausel dann angemessen ist, ist gleichwohl offen. 83

Auch die befristete Änderung einzelner Vertragsbedingungen unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB147 (im Einzelnen unten Rz. 96).

84

Zu Einzelheiten s. auch unter „Versetzungsklausel“, Rz. 129. – Änderungsvorbehalt (s. auch „Änderungsklausel“, Rz. 82a, und „Versetzungsklausel“, Rz. 129)148

85

Klauseln, durch die sich der Verwender das Recht vorbehält, die versprochene Leistung zu ändern, sind an § 308 Nr. 4 BGB zu messen. Insbesondere fallen darunter Änderungsvorbehalte, die bei unveränderter Arbeitspflicht des Arbeitnehmers die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers ändern. Dagegen unterfällt ein Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nicht § 308 Nr. 4 BGB, sondern nur § 307 BGB, da es nicht die Leistungspflicht des Arbeitgebers, sondern den Umfang der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers betrifft.149 – Aktienoptionsplan150

85a

Die Grundsätze der AGB-Kontrolle zu Sonderzahlungen, Bindungsfristen und Verfallklauseln gelten für Aktienoptionspläne wegen des spekulativen Charakters dieser Pläne nur eingeschränkt. Auch können Aktienoptionsrechte grundsätzlich an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gebunden werden.151 Soweit sie vom Arbeitgeber zugesagt wurden, unterfallen sie auch grundsätzlich einer vertraglichen Ausgleichsklausel.152 Auch für die Gewährung von Aktienoptionen gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz.153

142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153

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BAG v. 9.5.2006, NZA 2007, 145. BAG v. 9.5.2006, NZA 2007, 145. Dagegen Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 974 f. Dafür Hromadka, NZA 2012, 233, 236 f. S. unter Widerrufsvorbehalt, Rz. 138, also namentlich eine Reduzierung um nicht mehr als 20 %. Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 974 f. BAG v. 2.9.2009, NZA 2009, 1253, 1254; v. 18.1.2006, DB 2006, 1379. Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 1 (2). BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423, 427. Formulierungsvorschlag s. M 12.28. BAG v. 28.5.2008, NZA 2008, 1066. BAG v. 28.5.2008, NZA 2008, 1066 = AP BGB § 305 Nr. 12 m. Anm. Lingemann/Gotham. BAG v. 21.10.2009, DB 2010, 115; vgl. auch BAG v. 5.8.2009, NZA 2009, 1135 m. Anm. Spielberger/Burkhardt, BB 2010, 3096.

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Kap. 2

– Altersgrenze154 Eine Altersgrenze im Formulararbeitsvertrag stellt für sich alleine keine überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB dar, da ihr kein „Überrumpelungsoder Übertöpelungseffekt“ innewohnt. Sie ist nicht so ungewöhnlich, dass ein Arbeitnehmer nicht mit ihr zu rechnen braucht. Insbesondere ist sie nicht überraschend, solange sie nicht an versteckter Stelle, sondern unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ zu finden oder sonst deutlich sichtbar ist. Die Altersgrenze lediglich in den Schlussbestimmungen aufzuführen reicht hingegen nicht.155 Jedenfalls eine Altersgrenze, nach der das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters endet, ist wirksam156, wenn der Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine gesetzliche Altersrente erwerben kann oder bereits erworben hat157, oder die Auszahlung aus einer befreienden Lebensversicherung erhält.158 Der EuGH hat zudem mehrfach159 entschieden, dass die mit der Altersgrenze verbundene Ungleichbehandlung wegen des Alters objektiv und angemessen gerechtfertigt wird durch ein aus dem allgemeinen Kontext einer nationalen Regelung abgeleitetes Ziel, über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Beschäftigungszugang zu fördern. Dabei betont der EuGH den weiten Spielraum der Mitgliedstaaten160 bzw. der Sozialpartner161 und hält es für die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Altersgrenze für ausreichend, wenn nachgewiesen ist, dass diese zur Erreichung des verfolgten Ziels nicht unvernünftig ist.162 Auch nach Auffassung des BAG verstößt die Vereinbarung einer Altersgrenze „65“ in einem Tarifvertrag nicht gegen das EU-Diskriminierungsrecht, jedenfalls wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf eine Rente wegen Alters iSd. § 35 SGB VI hat.163 Die Wirksamkeit der Befristung ist dabei nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Regelaltersgrenze abhängig, da es für die Wirksamkeit der Befristung nur darauf ankommt, ob bei Vertragsschluss ein entsprechender Befristungsgrund vorlag.164 Die Begründung der Entscheidungen des BAG und auch der EuGH trägt uE auch für individualvertragliche 154 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 2 (3); vgl. auch Tempelmann/Stenslik, DStR 2011, 577. 155 BAG v. 27.7.2005, NZA 2006, 37, 38 f. 156 So ohne Einschränkungen zu Betriebsvereinbarungen BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, PM 14/13 mit Anm. Bauer, ArbR Aktuell 2013, 155. 157 BAG v. 27.7.2005, NZA 2006, 37. Zur Höhe der Rente Rolfs, NZA Beilage 2010, 139. Vgl. auch BAG v. 8.12.2010, NZA 2011, 586 zu einer entsprechenden tarifvertraglichen Regelung sowie BAG v. 5.3.2013, PM 14/13 zu Betriebsvereinbarungen. 158 BAG v. 16.11.2005, NZA 2006, 535. 159 Vgl. EuGH v. 16.10.2007, NZA 2007, 1219 – Palacios; v. 5.3.2009, NZA 2009, 305 – Age Concern; v. 12.10.2012, NZA 2010, 1167 – Rosenbladt; v. 5.7.2012, NZA 2012, 785 – Hörnfeldt. 160 EuGH v. 21.7.2011, NvWZ 2011, 1249 – Fuchs. 161 EuGH v. 12.10.2010, NZA 2010, 1167 – Rosenbladt. 162 Ebenso EuGH v. 5.7.2012, NZA 2012, 785 – Hörnfeldt. Vgl. auch allgemein Bauer/von Medem, NZA 2012, 945, die von einem „rein abstrakten Prüfungsmaßstab“ sprechen. 163 BAG v. 21.9.2011, NZA 2012, 271; v. 16.10.2008, DB 2009, 850; v. 18.6.2008, NZA 2008, 1302 sowie BAG v. 5.3.2013, PM 14/13 zu einem Tarifvertrag, der auf das Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung abstellt. 164 BAG v. 8.12.2010, NZA 2011, 586; Bauer/von Medem, NZA 2012, 945; Bayreuther, NJW 2012, 2758.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Altersgrenzen, die auf die Regelaltersgrenze abstellen.165 Einer branchenbezogenen Analyse bedarf es nicht.166 Zulässig dürfte erst recht die Vereinbarung einer Altersgrenze auf einen Zeitpunkt sein, der später liegt als die gesetzliche Regelaltersgrenze.167 Offen ist, ob der Arbeitgeber, wenn er eine (Wieder)Einstellung des wegen Altersgrenze ausgeschiedenen Arbeitnehmers ablehnt, gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach §§ 1, 7 AGG verstößt.168 Auch für Organmitglieder ist die Regelaltersgrenze zulässig,169 die Vereinbarung niedrigerer Altersgrenzen ist uE zulässig, aber nicht geklärt.170 86a

Befristungen zum 60. Lebensjahr können bei Chefärzten aus Haftungsgründen oder bei Piloten aus Gründen der Flugsicherheit zulässig sein,171 sie verstoßen nicht gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG.172 Sie stellen jedoch bei Piloten einen Verstoß gegen die RL 2000/78/EG dar, wenn nationale und internationale Regelungen eine höhere Altersgrenze für die Berufsausübung festsetzen, denn dann ist die Beschränkung unverhältnismäßig.173 Nicht zulässig ist auch die zT tarifvertraglich geregelte Altersgrenze von 60 Jahren für Kabinenpersonal im Flugverkehr.174 Unwirksam ist auch eine Regelung, mit der der Arbeitgeber sich in Anlehnung an das Beamtenrecht die einseitige Versetzung des Arbeitnehmers in den einstweiligen Ruhestand vorbehält, ohne dafür eine Kündigung erklären zu müssen.175 Insgesamt sind Altersgrenzen ohne Bezug zu einer Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nur unter engen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Rechtsgüter wie Gesundheit und Leben möglich.176 – Anrechnungsvorbehalt177

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Wird in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Zulage unter dem Vorbehalt der Anrechnung gewährt, ohne dass die Anrechnungsgründe näher bestimmt sind, führt das nicht zur Unwirksamkeit nach § 308 Nr. 4 BGB. Eine solche Klausel verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.178 Ohne Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auch vereinbart werden, dass eine tarifli165 Vgl. Bauer, FD-ArbR 2008, 262318; so auch Bayreuther, NJW 2012, 2758; Berg/Natzel, BB 2010, 2885; Tempelmann/Stenslik, DStR 2011, 577, 579 f. 166 Bauer/von Medem, NZA 2012, 945; Bayreuther, NJW 2012, 2758. 167 Bauer/von Medem, NZA 2012, 945. 168 So Fischer, FA 2011, 103; dagegen Bauer/Diller, DB 2010, 2727; Bauer/von Medem, NZA 2012, 945; Bayreuther, NJW 2012, 2758. 169 Vgl. BGH v. 23.4.2012, NZA 2012, 797 m. Anm. Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325 und Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597. 170 Vom BGH v. 23.4.2012, NZA 2012, 797 ausdrücklich offen gelassen, vgl. auch Bauer/von Medem, NZA 2012, 945. 171 BAG v. 12.2.1992, NZA 1993, 998; v. 20.2.2002, NZA 2002, 789. 172 BVerfG v. 25.11.2004, BB 2005, 1231; anders aber bei Höchsteintrittsalter, BAG v. 8.12.2010, NZA 2011, 751. 173 EuGH v. 13.9.2011, NZA 2011, 1039 – Deutsche Lufthansa; BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 575 und 691. 174 BAG v. 23.6.2010, NZA 2010, 1248; 16.10.2008, DB 2009, 850 m. gleichzeitiger Vorlagefrage zur Vereinbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG in der bis zum 30.4.2007 geltenden Fassung mit dem Gemeinschaftsrecht. 175 BAG v. 5.2.2009, DB 2009, 1710. 176 Bauer/von Medem, NZA 2012, 945. 177 Formulierungsvorschlag s. M 2.2 Ziff. 4 (3); M 12.7.2. 178 BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49; v. 1.3.2006, DB 2006, 1377.

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che Einmalzahlung auf übertariflich gezahlten Stundenlohn angerechnet wird.179 Typischerweise handelt es sich bei einer solchen Anrechnungsklausel um eine Bruttolohnabrede, wegen der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB (oben Rz. 42 ff.) ist diese nur am Maßstab des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu überprüfen.180 Anrechnungsvorbehalte sind zudem in arbeitsvertraglichen Vergütungsabreden seit Jahrzehnten gang und gäbe. Sie stellen daher eine Besonderheit des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB dar.181 Die vollständige und gleichmäßige Anrechnung bei allen Arbeitnehmern ist mitbestimmungsfrei.182

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– Arbeit auf Abruf183 Zur Vermeidung einer unangemessenen Verlagerung des Wirtschaftsrisikos entgegen § 615 BGB auf den Arbeitnehmer ist ein Anteil abrufbarer Arbeitsleistung, der über 25 % der vereinbarten Mindestarbeitszeit hinaus geht, unwirksam.184 Bei einer Vereinbarung über die Verringerung der vereinbarten Arbeitszeit beträgt das Volumen dementsprechend 20 % der Arbeitszeit.185 Ausnahmen von diesem Grundsatz kann es jedoch geben für Tarifverträge186 oder zur Ermöglichung eines sozialverträglichen Personalabbaus.187 Bei einem zu großen flexiblen Anteil kann der Vertrag ergänzend ausgelegt werden.188 Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel bedacht hätten.189 Eine doppelte Schriftformklausel (Rz. 124) steht einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen, weil die Auslegung nur das bestimmt, was von Anfang an als vereinbarter Vertragsinhalt anzusehen ist.190 Die Überschreitung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, auch über einen längeren Zeitraum, führt keine einvernehmliche Änderung des Vertrags herbei.191

179 BAG v. 1.3.2006, DB 2006, 1276; vgl. auch BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49. Zur Anrechnung übertariflicher Leistungen im Allgemeinen vgl. Feddersen, NWB 2010, 2546. 180 BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49, 52; v. 1.3.2006, DB 2006, 1276; v. 1.3.2006, DB 2006, 1377, 1378; die Klausel lautete „freiwillige, jederzeit widerrufliche, anrechenbare betriebliche Ausgleichszulage . . .“. 181 BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49; v. 1.3.2006, DB 2006, 1377, 1378. 182 Zuletzt BAG v. 1.3.2006, DB 2006, 1377, 1379; v. 10.3.2009, NZA 2009, 684, 685. 183 Formulierungsvorschlag s. M 6.5; zum Ganzen Bauer/Günther, DB 2006, 950. 184 Zulässig bleiben aber Rahmenvereinbarungen, die selbst keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründen, sondern insoweit auf den Abschluss einzelner (befristeter) Arbeitsverträge abzielen. Dem Arbeitnehmer bleibt hier die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Befristung im Einzelfall gerichtlich überprüfen zu lassen, vgl. BAG v. 15.2.2012, NZA 2012, 733, 736; v. 16.5.2012, NZA 2012, 974 m. Anm. Günther, ArbR Aktuell 2012, 401. 185 BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423, 428. 186 BAG v. 14.8.2007, NZA 2008, 1194. 187 BAG v. 14.8.2007, NZA-RR 2008, 129. 188 BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423, 428. 189 BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423, 428 mwN. 190 BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423, 428 mwN. 191 BAG v. 21.6.2011, AP BGB § 307 Nr. 54.

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– Aufhebungsvertrag192 90

Die Hauptleistungspflichten eines Aufhebungsvertrages (Beendigung und Abfindung) unterliegen wegen der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (oben Rz. 42) nicht der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.193 Zu Einzelheiten der AGB-Kontrolle von Aufhebungsverträgen s. Einf. Kap. 23 Rz. 25 ff. – Auflösende Bedingung

90a

Eine auflösende Bedingung vor Ablauf einer Befristung ist im Vertragtext deutlich hervorzuheben.194 – Ausgleichsquittung

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Die Wirksamkeit von Ausgleichsquittungen ist nicht abschließend geklärt. ZT werden umfassende Ausgleichsquittungen als unangemessen und damit unwirksam angesehen;195 zT soll hier zwar die Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB greifen, zur Vermeidung von Intransparenz, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, sollen aber alle Ansprüche, die ausgeschlossen werden sollen, in der Klausel im Einzelnen aufgeführt werden.196 Die Rechtsprechung des BAG197 deutet eher darauf hin, dass Erledigungsklauseln ohne detaillierte Aufzählung möglicher Ansprüche auch unter der AGB-Kontrolle wirksam sind.198 Eine detaillierte Aufzählung legt jedoch die Reichweite des Anspruchsverzichts eindeutig fest, die anderenfalls durch Auslegung zu ermitteln ist. Ein Klageverzicht ohne Gegenleistung ist als unangemessene Benachteiligung, § 307 Abs. 1 BGB, unwirksam.199 Auch ist eine Ausgleichsquittung überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB, wenn sie anlässlich der Übergabe der Arbeitspapiere gleichzeitig mit der Bestätigung des Empfangs von Arbeitspapieren, der Herausgabe von Firmeneigentum sowie weiterer Abwicklungsformalitäten auch einen Globalverzicht auf Rechte und Ansprüche enthält.200 Auch eine Ausgleichsquittung ohne drucktechnische Hervorhebungen ist überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB.201

192 Formulierungsvorschlag s. M 23.1. 193 BAG v. 8.5.2008, NZA 2008, 1148 zur Vereinbarung über die Beendigung; v. 22.4.2004, NZA 2004, 1295; v. 27.11.2003, NZA 2004, 597, 603. 194 BAG v. 8.8.2007, NZA 2008, 1208 zu einem Altersteilzeitvertrag. 195 LAG Düsseldorf v. 13.4.2005, NZA 2006, 149; LAG Schl.-Holst. v. 24.9.2003, BB 2004, 608. 196 LAG Berlin v. 5.6.2007, LAGE BGB 2002, § 307 Nr. 13; auch Preis/Bleser/Rauf, DB 2006, 2812, 2815. 197 Vgl. BAG v. 8.3.2006, DB 2006, 1443; v. 19.3.2009, NZA 2009, 897; v. 28.5.2008, NZA 2008, 1066, 1073. 198 So auch LAG Rheinland-Pfalz v. 14.9.2012 – 9 Sa 254/12, nv.; aA LAG Berlin-Brandenburg 24.11.2011, ArbR Aktuell 2012, 205, Revision eingelegt unter 5 AZR 135/12. 199 Vgl. BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, 219 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2007, 241903; LAG Düsseldorf v. 13.4.2005, NZA 2006, 149; Bauer/Günther, NJW 2008, 1617; vgl. auch Preis/ Bleser/Rauf, DB 2006, 2812, 2815. 200 BAG v. 23.2.2005, NZA 2005, 1193. 201 BAG v. 21.6.2011, NZA 2011, 1338, 1340; v. 23.2.2005, NZA 2005, 1193.

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– Ausschlussfrist/Ausschlussklausel202 Eine formularvertragliche Ausschlussfrist, die die schriftliche203 Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von weniger als drei Monaten ab Fälligkeit verlangt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und schränkt wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsverhältnisses ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Sie ist auf Grund der unangemessen kurzen Frist insgesamt unwirksam, eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus (§ 306 Abs. 1, 2 BGB).204 Überdies muss in der Ausschlussklausel selbst zur Vermeidung von Intransparenz, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, die Rechtsfolge, also der Verfall der Ansprüche, mitgeteilt werden.205 § 309 Nr. 7 BGB steht der Zulässigkeit umfassender Ausschlussfristen wohl nicht entgegen.206 Befindet sich die Ausschlussklausel an unerwarteter Stelle, wird sie nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil.207 Eine tarifliche Ausschlussfrist kann auch durch Bezugnahme Gegenstand des Arbeitsverhältnisses werden.208 Soweit gesetzliche Regelungen jedoch längere Ausschlussfristen vorschreiben209 oder keine Ausschlussfristen zulassen,210 haben sie natürlich Vorrang. Die Parteien eines Arbeitsvertrages können weder die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtern (§ 202 Abs. 1 BGB) noch die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner im Voraus erlassen (§ 276 Abs. 3 BGB). Zudem haftet der Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen und Berufsunfähigkeit ausschließlich bei Vorsatz, § 104 Abs. 1 SGB VII. Daher sollte211 die Haftung wegen Vorsatzes von der Ausschlussfrist ausgenommen werden.

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Ausschlussfristen erfassen trotz § 13 Abs. 1 BUrlG auch den Urlaubsabgeltungsanspruch, da dieser zumindest bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit ein reiner Geldanspruch ist, der sich nicht mehr von anderen Entgeltansprüchen unter-

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202 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 10. 203 Schriftform des § 126 BGB nicht erforderlich, Geltendmachung eines Anspruchs ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf die § 126 BGB auch nicht analog anwendbar ist (BAG v. 7.7.2010, NZA 2010, 1068 f.). 204 BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 971; v. 12.3.2008, NZA 2008, 699, 701; v. 28.9.2005, NZA 2006, 149. 205 BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324. 206 Vgl. BAG v. 28.9.2005, NZA 2006, 149, 152; v. 25.5.2005, NZA 2005, 1111, 1113; aA BGH v. 15.11.2006, NJW 2007, 674, 675; Matthiesen, NZA 2007, 361; Ulber, DB 2011, 1808. 207 So LAG Köln v. 22.6.2012 – 10 Sa 88/12, für eine Ausschlussklausel, die sich unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ befand. 208 BAG v. 6.5.2009, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8; v. 30.10.2008, DB 2009, 1241. 209 So die Mindestfrist von sechs Monaten nach dem AEntG, dazu Kortstock, NZA 2010, 311. 210 § 8 Abs. 3 Satz 3 MiArbG, dazu Kortstock, NZA 2010, 311. 211 Das BAG hat in der Entscheidung v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, PM 42/2013 noch mit einer Auslegung einer Klausel geholfen, die keine entsprechende Einschränkung enthielt. Darauf sollte man sich aber nicht verlassen und stattdessen die Einschränkung ausdrücklich vorsehen. ZT wird auch verlangt, dass von der Ausschlussklausel ausgenommen wird „die Haftung für Sach- oder Personenschäden, die auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen und für Schäden aufgrund fahrlässiger oder vorsätzlicher Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit“ (so Lakies, ArbR Aktuell 2013, 318 mwN insb. auf die Rspr. des BGH v. 26.2.2009, NJW 2009, 1486 und v. 15.11.2006, NJW 2007, 674, 675 f.). Aus den Entscheidungen des BAG ergibt sich diese Einschränkung bisher jedoch nicht.

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scheidet.212 Gleiches gilt für Ansprüche auf Urlaubsgeld.213 Ausschlussfristen erfassen jedoch nicht den Anspruch auf Korrektur des Arbeitszeitkontos.214 Einmal in einer schriftlichen Lohnabrechnung ausgewiesene Arbeitszeiten bzw. Lohnansprüche unterfallen ebenfalls keinen Ausschlussfristen, da sie durch die Ausweisung streitlos gestellt sind.215 Ausschlussfristen, die im Entleiherbetrieb gelten, muss der Leiharbeitnehmer bei der Geltendmachung seines equal-pay-Anspruches nicht einhalten.216 Eine für „tarifliche Ansprüche“ geltende Ausschlussfrist erfasst regelmäßig auch gesetzliche und vertragliche Ansprüche, deren Bestand von einem tariflich ausgestalteten Anspruch abhängig ist.217 Zumindest eine tarifliche Ausschlussfrist kann ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden. Das kommt in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist.218 93

Zweistufige Ausschlussfristen sind trotz § 309 Nr. 13 BGB zulässig, da sie eine Besonderheit des Arbeitsrechts iSd § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB darstellen.219 Die Frist darf auf jeder Stufe jedoch nicht weniger als drei Monate betragen.220 Bei einer zu kurzen Frist auf der zweiten Stufe bleibt auf Grund des „blue-pencil-tests“ (Rz. 40) die Ausschlussfrist für die erste Stufe wirksam.221 Allerdings kann durch (Teil-) Verweisung auf einen Tarifvertrag für den Arbeitnehmer auch eine kürzere Ausschlussfrist als für den Arbeitgeber vereinbart werden.222 Aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz folgt, wie das BVerfG entschieden hat, dass einem Arbeitnehmer die Erhebung einer Leistungsklage zur Wahrung der Ausschlussfrist aus Kostengründen nicht zumutbar ist, solange das Verfahren über den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.223 Verlangt die Klausel auf der zweiten Stufe die Einklagung der abgelehnten Ansprüche, genügt daher die Erhebung einer Bestandsschutzklage, um das Erlöschen der vom Ausgang des Bestandsschutzrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern.224 Nach den Entscheidungen des BAG v. 19.3.2008225 und v. 19.5.2010226 ergibt sich das durch Auslegung des Begriffes „geltend machen“ in der einzelvertraglichen Re-

212 213 214 215 216 217 218 219 220

225 226

BAG v. 9.8.2011, NZA 2011, 1421. BAG v. 20.4.2012, NZA 2012, 982 m. Anm. Göpfert, ArbR Aktuell 2012, 403. BAG v. 26.1.2011, NZA 2011, 640, 642. BAG v. 28.7.2010, NZA 2010, 1241. BAG v. 23.3.2011, NZA 2011, 850; vgl. Brors, BZA 2010, 1385. BAG v. 8.9.2010, NZA 2011, 159. BAG v. 16.1.2013, ArbuR 2013, 228. BAG v. 25.5.2005, NZA 2005, 1111. BAG v. v. 16.5.2012, NZA 2012, 971; 12.3.2008, NZA 2008, 699, 701; v. 25.5.2005, NZA 2005, 1111. BAG v. 12.3.2008, NZA 2008, 699. BAG v. 6.5.2009, NZA-RR 2009, 593. BVerfG v. 1.12.2010, NZA 2011, 354, 355 f. = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 m. Anm. Husemann; Brecht-Heitzmann, DB 2011, 1523; Ennemann, FA 2011, 133; Nägele/ Gertler, NZA 2011, 442. Zum Tarifvertrag BAG v. 19.9.2012, NZA 2013, 101; zum Einzelvertrag BAG v. 19.5.2010, NZA 2010, 939 m. Anm. Ley, BB 2010, 2439; v. 19.3.2008, NZA 2008, 757 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2008, 262310; Matthiessen, NZA 2008, 1165; von Medem, NZA 2013, 345. NZA 2008, 699, 701. NZA 2010, 939.

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gelung. Das spricht dafür, dass eine weitere Einschränkung in der Klausel selbst, die diese Auslegung noch einmal ausdrücklich wiedergibt, nicht erforderlich ist.227 Die – gegenüber den gesetzlichen Verjährungsfristen immer noch deutlich kürzeren – Ausschlussfristen stellen eine arbeitsrechtliche Besonderheit iSd. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB dar.228

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Für den Fristbeginn darf nicht mehr auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgestellt werden; vielmehr ist für den Fristbeginn jeweils die Fälligkeit des Anspruchs maßgebend.229

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Die Berufung auf eine Ausschlussfrist kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Informationen vorenthalten hat, die diesem die Einhaltung der Ausschlussfrist ermöglicht hätten.230 – Befristung des Vertrages231 Die Befristung des Vertrages unterliegt wegen der Kontrollsperre (Rz. 42, 45) als Abrede über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (Leistungsbeschreibung) nicht der Inhaltskontrolle. Überraschend und damit nach § 305c Abs. 1 BGB unwirksam ist aber eine Probezeitbefristung, wenn sie im Vertrag nicht drucktechnisch hervorgehoben wird, die längere probezeitunabhängige Befristung des Vertrages hingegen wohl.232

95a

– Befristung einzelner Vertragsbedingungen233 Befristete Arbeitsbedingungen unterliegen nicht dem TzBfG, sondern der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine Angabe des Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag ist nicht erforderlich.234 Bei der Abwägung ist im Rahmen befristeter Arbeitszeitregelungen das rechtlich anerkennenswerte Interesse des Arbeitnehmers an einer unbefristeten Vereinbarung des Umfangs seiner Arbeitszeit zu berücksichtigen. Allein die Ungewissheit über den künftigen Arbeitskräftebedarf genügt daher nicht, um ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Arbeitgebers zu begründen, die regelmäßige Arbeitszeit eines bei ihm unbefristet beschäftigten Arbeitnehmers befristet zu erhöhen. Dieses unternehmerische Risiko darf nicht auf den Arbeitnehmer verlagert werden.235 Hält die Befristung allerdings einer Prüfung nach dem TzBfG stand, so spricht dies gegen eine unangemessene Benachteiligung.236 Jedenfalls eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang – zB für drei Monate um 4/ 8 – bedarf eines sachlichen Grundes, der auch die Befristung eines gesondert im 227 Vorsorglicher Formulierungsvorschlag in Anm. zu M 2.1a, Ziff. 10. 228 BAG v. 25.5.2005, NZA 2005, 1111. 229 BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 783; Bayreuther, DB 2011, 2267, 2268; Richter/Lange, NZA-RR 2012, 57, 60. 230 BAG v. 13.10.2010, NZA 2011, 219. 231 Formulierungsvorschlag s. M 6.1.1 ff. 232 BAG v. 16.4.2008, NZA 2008, 876. 233 Formulierungsvorschlag s. M 11.1. 234 BAG v. 2.9.2009, DB 2009, 2439; Dzida, ArbRB 2012, 286. 235 BAG v. 27.7.2005, NZA 2006, 40. 236 BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 674; v. 2.9.2009, DB 2009, 2439; v. 8.8.2007, NZA 2008, 229; dazu Lunk/Leder, NZA 2008, 504. Gleiches gilt für die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung bestimmter Vertragsbestandteile nach BAG v. 18.5.2011, NZA 2011, 1289.

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Umfang der Arbeitszeiterhöhung geschlossenen zusätzlichen Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 1 TzBfG rerchtfertigen würde.237 – Betriebliche Übung238 96a

Zur Vermeidung einer betrieblichen Übung durch doppelte Schriftformklausel oder Regelung in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen s. Rz. 124, 125 sowie zu Freiwilligkeitsvorbehalten Rz. 104 ff. Wegen der Beschränkungen des § 308 Nr. 5 BGB (fingierte Erklärungen) hat der 10. Senat seine ständige Rechtsprechung, wonach eine betriebliche Übung durch eine gegenläufige betriebliche Übung aufgehoben werden kann,239 mit Urteil v. 18.3.2009240 aufgegeben. – Betriebsvereinbarungen

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Betriebsvereinbarungen unterliegen nicht der AGB-Kontrolle, wohl aber der Inhaltskontrolle nach § 75 BetrVG.241 – Beweislastregelung

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Regelungen zur Beweislast sind an § 309 Nr. 12 BGB zu messen. Empfangsbekenntnisse sollten wegen § 309 Nr. 12b BGB gesondert unterschrieben werden (§ 309 Nr. 12 BGB aE).242 – Bezugnahmeklausel243

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Bezugnahmeklauseln können verweisen auf einen oder mehrere Tarifverträge und ihnen so schuldrechtliche Geltung zwischen den Arbeitsvertragsparteien verleihen.244 Tarifverträge unterliegen selbst nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Nimmt der Formularvertrag in vollem Umfang auf einen sachlich und räumlich einschlägigen Tarifvertrag Bezug, ist der Tarifvertrag ebenfalls der Inhaltskontrolle entzogen.245 Umstritten ist dies jedoch bei Verweisungen auf branchenfremde Tarifverträge oder lediglich auf Teile von Tarifverträgen. Nach wohl herrschender Meinung sind die §§ 305 ff. BGB in diesen Fällen anwendbar, es sei denn, es wird auf ein in sich geschlossenes Regelungssystem des einschlägigen Tarifvertrages verwiesen.246 Auch bei vollständiger Inbezugnahme des einschlägigen Tarifwerkes wird 237 BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 674. 238 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 13. 239 BAG v. 26.3.1997, NZA 1997, 1007; vgl. für Fälle aus Zeiten vor der Schuldrechtsreform Bloching/Ortolf, NZA 2010, 1335. 240 NZA 2009, 601; dazu Bieder, DB 2009, 1929; Leder, BB 2009, 1367; Roeder, NZA 2009, 883; Schmitt-Rolfes, AuA 2009, 84. 241 BAG v. 1.2.2006, NZA 2006, 563. 242 Vgl. dazu ausführlicher Rz. 79 f. 243 Einzelheiten und Formulierungsvorschläge zu Bezugnahmeklauseln bei M 2.2 Ziff. 5 m. Anm. 244 Zur konstitutiven Wirkung der Bezugnahme auf einen Tarifvertrag bei tarifgebundenen Arbeitnehmern BAG v. 19.3.2003, NZA 2003, 1207; v. 29.8.2007, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen können hingegen nur kraft Bezugnahme Anwendung finden, BAG v. 24.2.2011, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 59. 245 BAG v. 25.4.2007, NZA 2007, 875; v. 28.6.2007, NJW-Spezial 2007, 483; vgl. auch Reinecke, BB 2005, 378; LAG Berlin v. 10.10.2003, LAGReport 2004, 27. 246 BAG v. 6.5.2009, NZA-RR 2009, 593.

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die Bezugnahmeklausel vom BAG vorwiegend247 an der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB gemessen. Zweifel gehen dabei zu Lasten des Arbeitgebers als Verwender.248 Statische Bezugnahmeklauseln verweisen auf einen bestimmten Tarifvertrag in einer bestimmten Fassung. Auf Grund der Unklarheitenregel wurde die Formulierung „Der Arbeitnehmer erhält folgende Vergütung“ mit Bezeichnung einer Tarifgruppe eines Gehaltstarifvertrages und Nennung des konkreten Gehaltsbetrags hinsichtlich ihrer Dynamik als unklar und damit zu Lasten des Arbeitgebers als dynamische Verweisung angesehen.249 Dynamische Bezugnahmeklauseln verweisen auf einen bestimmten Tarifvertrag oder ein bestimmtes Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung („kleine dynamische Klausel“)250 oder auf den jeweils für den Arbeitgeber geltenden Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung („große dynamische“ bzw. nach der neueren Terminologie des BAG „Tarifwechselklausel“).251 Ist der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses eines formularmäßigen Arbeitsvertrages tarifgebunden,252 legt das BAG solche Klauseln in vor dem 1.1.2002 geschlossenen Verträgen (Altverträgen) in ständiger Rechtsprechung als Gleichstellungsabrede aus.253 Das gilt für Verträge, die zwar vor diesem Datum geschlossen, aber danach geändert wurden, nur, wenn die Bezugnahmeklausel bei der Änderung nicht zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht wurde.254 Lautet die Klausel daher „Alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag vom . . . bleiben unberührt“, so handelt es sich nach der Rechtsprechung des BAG um einen Neuvertrag255, bei der 247 So der 4. und 5. Senat (BAG v. 14.11.2012, 5 AZR 107/11; v. 18.4.2007, NZA 2007, 965); anders wohl der 6. Senat, der die Unklarheitenregel nicht anwendet, weil sich die Frage der Günstigkeit für den Arbeitnehmer nicht eindeutig beantworten ließe (BAG v. 24.9.2008, NZA 2009, 154). 248 BAG v. 9.11.2005, NZA 2006, 202. 249 BAG v. 9.11.2005, NZA 2006, 202. 250 Vgl. M 2.2 Ziff. 5 Var. 2. Nicht erforderlich ist die sog. „Jeweiligkeitsklausel“, solange sich aus anderen Umständen ergibt, dass eine dynamische Verweisung gewollt ist (BAG v. 20.4.2012, NZA 2012, 982 m. Anm. Göpfert, ArbR Aktuell 2012, 403). Die Bezugnahme auf den BAT ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung als Bezugnahme auf den TVöD bzw. TV-L anzusehen (BAG v. 24.8.2011, AP TVG § 1. Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 94; v. 18.5.2011, NJOZ 2011, 1587; v. 25.8.2010, NZA-RR 2011, 248; v. 19.5.2010, NZA 2010, 1183). Zur Auslegung einer dynamischen Bezugnahmeklausel bei Nichtfortschreibung des in Bezug genommenen Regelwerkes BAG v. 16.6.2010, NJOZ 2011, 63. Dynamische Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen kirchlicher Arbeitnehmer sind regelmäßig dahin auszulegen, dass das gesamte kirchenrechtliche System der Arbeitsrechtsetzung erfasst werden soll. Zu ihm gehören auch alle Verfahrensordnungen und die daraus hervorgegangenen Beschlüsse Arbeitsrechtlicher Kommissionen, Unter- oder Regionalkommissionen, die auf dem sog. Dritten Weg zustande gekommen sind, BAG v. 28.6.2012, NZA 2012, 1440. 251 Vgl. M 2.2 Ziff. 5 Var. 3 und 4. 252 BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 323; v. 21.10.2009, NZA-RR 2010, 361; zusätzliche Allgemeinverbindlicherklärung des TV ist unbeachtlich, vgl. BAG v. 27.1.2010, NJOZ 2010, 1948. 253 BAG v. 23.2.2011, NZA-RR 2011, 510; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 537; v. 23.1.2008, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63; v. 14.12.2005, NZA 2006, 607. Es gibt keine zeitliche Begrenzung dieses Vertrauensschutzes, BAG v. 14.12.2011, DB 2012, 1211. 254 BAG v. 18.11.2009, NZA 2010, 170, 172; v. 24.2.2010, NZA-RR 2010, 530 m. Anm. Lipinski/ Hund, BB 2011, 511. 255 BAG v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173.

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Klausel „Des Weiteren bleibt es bei den bisherigen Arbeitsbedingungen“ hingegen um einen Altvertrag.256 Die Gleichstellungsabrede bewirkt, dass nicht oder anders organisierte Arbeitnehmer gleich behandelt werden wie organisierte Arbeitnehmer, für die der Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung gilt.257 99a

Das bedeutet für die kleine dynamische Klausel, soweit sie bis zum 31.12.2001 vereinbart wurde: Endet die Tarifbindung des Arbeitgebers zB durch Betriebsübergang auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber oder durch Verbandsaustritt, so gilt der Tarifvertrag gemäß dem Modell von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 4 Abs. 5 TVG nach diesem Ereignis auch für nicht organisierte Arbeitnehmer nur noch statisch fort.258 Soweit Tariferhöhungen259 oder ein Lebensaltersstufenaufstieg260 allerdings bereits vor dem Wegfall der Tarifbindung im Tarifvertrag vereinbart waren, gelten sie weiter. Der Gleichstellungszweck geht aber nicht so weit, dass bei einem Tarifwechsel des Arbeitgebers automatisch der neue Tarifvertrag in Bezug genommen wird; dazu bedarf es vielmehr besonderer Anhaltspunkte.261 Fehlen sie, so beschränkt sich die Gleichstellungsabrede auf das in Bezug genommene Tarifwerk.262 Für nach dem 31.12.2001 vereinbarte kleine dynamische Klauseln gilt diese Auslegung als Gleichstellungsabrede nicht mehr, wenn sich weder im Vertragswortlaut noch in den Begleitumständen des Vertragsschlusses ein Anhaltspunkt für den Gleichstellungszweck der Klausel findet.263 Der 4. Senat264 begründet dies mit der Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB), dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 BGB).265 Sofern ein etwaiger Gleichstellungszweck in der Klausel nicht ausdrücklich geregelt ist, bleibt der in Bezug genommene Tarifvertrag auch nach Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers 256 BAG v. 19.10.2011, DB 2011, 2783. 257 Einschränkend BAG v. 16.7.2011, NZA 2012, 100, 105 f. 258 BAG v. 19.10.2011, DB 2011, 2783; v. 23.2.2011, NZA-RR 2011, 510 f.; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 537; v. 23.1.2008, ZTR 2008, 665; v. 14.12.2005, NZA 2006, 607; Einzelheiten bei Lingemann, FS 25 Jahre ARGE Arbeitsrecht im DAV, 2006, S. 71 ff.; Jacobs, BB 2011, 2037. 259 BAG v. 19.9.2007, NZA 2008, 241. 260 BAG v. 14.11.2007, NZA 2008, 420. 261 BAG v. 16.5.2012, ZTR 2012, 707; v. 22.2.2012, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 110; v. 16.7.2011, NZA 2012, 100; v. 22.10.2008, NZA 2009, 151; v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 586; v. 29.8.2007, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797. 262 BAG v. 16.7.2011, NZA 2012, 100; v. 22.10.2008, NZA 2009, 151; v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 586; v. 29.8.2007, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797. 263 BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 323; v. 14.12.2005, NZA 2006, 607 (Ankündigung der Rechtsprechungsänderung); v. 18.4.2007, NZA 2007, 965. 264 BAG v. 9.5.2007, DB 2008, 874. 265 Überraschend sind nach Auffassung des 6. Senats dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge nicht, wenn sie auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge verweisen und diese vollständig in Bezug nehmen oder übernommen werden, BAG v. 24.9.2008, NZA 2009, 154. Der Senat sieht dynamische Verweisungen auf das jeweils gültige Tarifrecht auch nicht als unklar an, weil die im Zeitpunkt der jeweiligen Tarifbindung geltenden in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind; ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet daher gleichfalls aus, BAG v. 24.9.2008, NZA 2009, 154. Bei Bezugnahme auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag kann jedoch Intransparenz vorliegen, ArbG Lübeck v. 15.3.2011 – 3 Ca 3147/10; aA Gaul/Koehler, ArbRB 2011, 309.

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dynamisch anwendbar, und zwar für organisierte wie für nicht organisierte Arbeitnehmer (sog. „unbedingte zeitdynamische Verweisung“266). Die Bezugnahmeklausel erfasst dann allerdings auch für den Arbeitnehmer ungünstige Sanierungstarifverträge.267 Soll nach einem Verbandswechsel oder Betriebsübergang der dann normativ anwendbare Tarifvertrag auch kraft Bezugnahme für das Arbeitsverhältnis gelten, muss dies gleichfalls in der Bezugnahmeklausel klar zum Ausdruck kommen, sie muss für diesen Fall als Tarifwechselklausel (Rz. 99b) ausgestaltet sein.268 Auch Tarifwechselklauseln aus der Zeit seit dem 1.1.2002 werden eng nach ihrem Wortlaut ausgelegt. Dabei ergeben sich die Rechtsfolgen eines Tarifwechsels, nämlich die Geltung der dann normativ anwendbaren Tarifverträge aus der Regelung, dass die für den Betrieb oder Betriebsteil, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden.269 Soll bei Beendigung der Tarifbindung die Dynamik der Tarifverträge insgesamt nach dem Modell von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 4 Abs. 5 TVG beendet werden, sollte das zusätzlich festgehalten werden.270

99b

Gegenstand der Bezugnahme sind häufig auch allgemeine Regelungswerke des Arbeitgebers, namentlich Arbeitsordnungen. In einer dynamischen Bezugnahmeklausel auf ein solches Werk in seiner jeweiligen Fassung sieht das BAG ein einseitiges Vertragsänderungsrecht des Arbeitgebers, welches den Arbeitnehmer unangemessen iSd. § 308 Nr. 4 BGB benachteiligt, wenn es Verschlechterungen ermöglichen soll, für die in der Klausel oder der darin in Bezug genommenen Regelung aber keinerlei Gründe genannt oder erkennbar sind.271 Denn ähnlich wie beim Widerrufsvorbehalt muss der Arbeitnehmer erkennen können, was auf ihn zukommt.272 Anders ist dies allerdings bei dynamischer Bezugnahme auf Versorgungsrichtlinien einer Unterstützungskasse. Hier müssen die Arbeitnehmer schon aufgrund des Ausschlusses eines Rechtsanspruchs stets mit einer Änderung auch zu ihren Lasten rechnen; der Ausschluss des Rechtsanspruchs begründet ein Widerrufsrecht, das jedoch an sachliche Gründe gebunden ist.273

99c

266 BAG v. 22.4.2009, BB 2010, 963; v. 22.10.2008, NZA 2009, 323; v. 18.4.2007, NZA 2007, 96; Einzelheiten und Formulierungsvorschläge in M 2.2 bei Ziff. 5. Dies gilt auch im Falle eines Betriebsübergangs (vgl. BAG v. 17.11.2010 – 4 AZR 403/09; v. 24.2.2010, NZA-RR 2010, 530;v. 21.10.2009, BB 2010, 2245 m. Anm. Heuchemer/Kloft); die dynamische Weitergeltung des Tarifvertrages verletzt die negative Koalitionsfreiheit des Betriebserwerbers nicht, BAG v. 21.10.2009, NZA-RR 2010, 361. 267 BAG v. 24.9.2008, NZA 2009, 154; vgl. auch BAG v. 23.2.2011, AP BGB § 133 Nr. 60. 268 Vgl. BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 159; v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 586; v. 29.8.2007, NZA 2008, 264; Schwarz/Ziegler, BB 2010, 1021; Einzelheiten und Formulierungsvorschläge in M 2.2 bei Ziff. 5. 269 So die Formulierung in BAG v. 21.11.2012, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbR Aktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1359. 270 Einzelheiten insbesondere bei M 2.2 Fn. 24. 271 BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; so auch BAG v. 24.2.2011, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 59, wobei die Unwirksamkeit der Jeweiligkeitsklausel nicht insgesamt die Unwirksamkeit der Bezugnahme begründen soll, da die Verweisungsklausel teilbar sei; vgl. hierzu auch Straube/Klagges, ArbR Aktuell 2011, 421. 272 BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; Anders bei kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen, die auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind, BAG v. 22.7.2010, NZA 2011, 634; v. 18.11.2009, NZA 2010, 599. 273 BAG v. 16.2.2010, NZA 2011, 42.

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– Bindungsklauseln 100

Unter Bindungsklauseln versteht man Stichtags- und Rückzahlungsklauseln. Stichtagsklauseln sind Regelungen, nach denen die Leistung einer Sonderzahlung voraussetzt, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt (Stichtag) noch im Arbeitsverhältnis steht.274 Rückzahlungsklauseln hingegen verpflichten den Arbeitnehmer, erhaltene Sonderzahlungen zurückzuzahlen, wenn er vor einem bestimmten Zeitpunkt ausscheidet.275 Bindungsklauseln dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen, insbesondere ihn nicht in unzulässiger Weise in seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG behindern; sie unterliegen insoweit einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.276 Bei der Zulässigkeit von Stichtagsklauseln ist zu unterscheiden zwischen solchen, die eine Leistung betreffen, die keinerlei Entgeltcharakter haben, sondern ausschließlich vergangene oder künftige Betriebstreue honoriert einerseits, und solchen, die Entgeltcharakter haben andererseits, weil sie ausschließlich oder zumindest auch (Leistungen mit Mischcharakter) die Vergütung von Leistungen betreffen.277

100a

Bei Leistungen ohne jeden Entgeltcharakter (Gratifikationen) gilt Folgendes: Dient eine Sonderzuwendung nicht der Vergütung geleisteter Arbeit, sondern anderen Zwecken, und knüpft sie nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an, kann ihre Zahlung von der Erbringungen einer angemessenen Betriebstreue abhängig gemacht werden. Weihnachtsgratifikationen, Urlaubsgelder,278 Abschluss- und Treueprämien279 oder Jubiläumszuwendungen280 können daher von Stichtags- oder Rückzahlungsklauseln erfasst werden.281 Eine Weihnachtsgratifikation, die an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft und nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dient, kann folglich vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig gemacht werden, ohne dass danach differenziert werden muss, wer die Kündigung ausgesprochen hat und ob sie auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers liegen.282 Bei solchen Gratifikationen sind Stichtage wohl auch außerhalb des Bezugszeitraums zulässig.283 Dafür spricht insbesondere die Entscheidung des BAG v. 16.1.2013.284 Dort war Stichtag für eine Ermessensgratifikation (dazu im Einzelnen Rz. 100d) der 31.3. des Folgejahres (zum Wortlaut M 15.2). Das BAG hat in der Begründung (Rz. 14) ausdrücklich diesen Stichtag herangezogen, ohne ihn zu monieren. Allerdings dürfen die zulässigen Bindungsfristen (dazu im Einzelnen Rz. 100g) nicht überschritten werden.

274 275 276 277 278 279 280 281

BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221. BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221. BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221. Vgl. zum ganzen Baeck/Winzer, NZG 2012, 657 ff. Vgl. BAG v. 3.10.1963, DB 1963, 1683. BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221. LAG Köln v. 14.5.1993, LAGE § 611 BGB Gratifikation Nr. 19. Einzelheiten s. Einf. Kap. 2, Rz. 40; zur – hiervon klar zu unterscheidenden – Rückzahlung von Fortbildungskosten s. Einf. Kap. 8 Rz. 12 ff. 282 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620; m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221. 283 Dafür auch Baeck/Winzer, NZG 2012, 657, 658. Zum Stichtag innerhalb des Bezugszeitraums ist ein Rechtsstreit unter dem Az. 10 AZR 848/12 beim BAG anhängig. Die mündliche Verhandlung ist für den 13.11.2013 terminiert. 284 BAG v. 16.1.2013, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180.

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Kap. 2

Bei der Abgrenzung, welche Leistungen zumindest auch Entgeltcharakter haben, versteht der 10. Senat den Begriff des Entgelts weit: Knüpft die Sonderzuwendung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele an, so handelt es sich um Entgelt. Das gilt auch, wenn die Ziele nicht an die persönliche Leistung des Arbeitnehmers, sondern an das Betriebsergebnis anknüpfen.285 Gratifikationscharakter können auch nur solche Sonderzuwendungen haben, die keinen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung ausmachen, sich also im üblichen Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen bewegen.286 Zudem muss sich der Gratifikationscharakter deutlich aus der zu Grunde liegenden Vereinbarung ergeben.287

100b

Für Sonderzahlungen mit Mischcharakter oder reinem Vergütungscharakter – das BAG behandelt beide nunmehr gleich288 – gilt Folgendes: Eine Sonderzahlung mit Vergütungs- oder Mischcharakter kann nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden.289 Mit Urteil vom 18.1.2012290 hat der 10. Senat insoweit ausdrücklich seine frühere Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Stichtagsklauseln auch bei Vergütungen mit Mischcharakter291 aufgegeben. Ob Sonderzahlungen mit Vergütungselementen von Stichtagen innerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden dürfen, ist offen: Nach einer Entscheidung des BAG vom 6.5.2009 darf zwar der Anspruch auf eine Bonuszahlung an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Geschäftsjahr geknüpft werden, denn ein Bonus, der auf das Geschäftsergebnis bezogen ist, kann erst verdient sein, wenn das Geschäftsjahr abgeschlossen ist.292 ZT werden aber Zweifel geäußert, ob das BAG angesichts seiner restriktiven Tendenz zu Stichtagsklauseln an dieser Rechtsprechung festhalten wird293; der 10. Senat hat sie allerdings in seiner Entscheidung vom 18.1.2012 noch einmal ausdrücklich zitiert.294

100c

Inwieweit Bindungsklauseln, wie früher vom BAG angenommen,295 auch dann zulässig sind, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Bindungsfrist nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt, etwa bei einer betriebsbedingten Kündigung, ist nicht abschließend geklärt. Jedenfalls soweit eine Sonderzahlung nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dient, muss nach neuester Rechtsprechung eine Stichtagsregelung innerhalb des Bezugszeitraumes nicht nach Beendigungsgründen differenzieren (Rz. 100a).296

100d

Ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Stichtagen außerhalb des Bezugszeitraums eine Rolle spielt, ist jedoch offen, ebenso, welche Anforde285 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2012, 249. 286 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2012, 249; v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221; Baeck/Winzer, NZG 2012, 657, 658. 287 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2012, 249. 288 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2012, 249. 289 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2012, 249. 290 NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2012, 249. 291 BAG v. 28.3.2007, NZA 2007, 687. 292 So BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620, 621; v. 6.5.2009, NZA 2009, 783. 293 Baeck/Winzer, NZG 2012, 657, 659; in diese Richtung auch BAG v. 12.4.2011, NZA 2011, 989. 294 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620. 295 BAG v. 19.11.1992, NZA 1993, 353. 296 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221.

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Kap. 2

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rungen bei Zahlungen mit Vergütungscharakter innerhalb des Bezugszeitraums (selten) oder für Rückzahlungsklauseln zu stellen sind. Zu Ausbildungskosten hatte das BAG bereits entschieden, dass Rückzahlungsklauseln den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind.297 Danach wäre eine Rückzahlungsklausel bei reinen Gratifikationen außerhalb des Bezugszeitraumes ohne Differenzierung nach dem Grund des Ausscheidens möglicherweise unwirksam, bei einer entsprechenden Differenzierung dürfte sie jedoch wirksam sein.298 Das gleiche könnte für Stichtagsklauseln innerhalb des Bezugszeitraumes bezogen auf Sonderzahlungen gelten, die zumindest auch Vergütungscharakter haben. Daher sollte bei diesen Gestaltungen vorsorglich eine Ausnahme für den Fall vorgesehen werden, dass die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht dem Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen ist. 100e

Für Rückzahlungsklauseln gilt Folgendes: Das BAG hat offen gelassen, ob gemäß der früheren Rechtsprechung299 für Rückzahlungsklauseln strengere Voraussetzungen gelten als für Stichtagsklauseln, oder ob beide gleich zu behandeln sind.300 Jedenfalls aber werden die Anforderungen an Rückzahlungsklauseln nicht hinter denen an Stichtagsklauseln zurückbleiben, so dass letztere als Mindestanforderungen bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen sind:

100f

Daher sind bei Sonderzahlungen, die zumindest auch der Vergütung geleisteter Arbeit dienen, Rückzahlungsklauseln für die Zeit nach Ablauf des Bezugszeitraumes unzulässig, weil dem Arbeitnehmer eine bereits verdiente Vergütung nach Ablauf des Bezugszeitraums nicht rückwirkend entzogen werden kann.301 Ob bei solchen Zahlungen Stichtage innerhalb des Bezugszeitraums zulässig sind, ist zwar offen,302 Rückzahlungspflichten sind bei solchen Stichtagen jedoch kaum praxisrelevant, da die Zahlung regelmäßig ohnehin erst gegen Ende des Bezugszeitraums erfolgt. Rückzahlungsklauseln können damit letztlich nur noch bei solchen Sonderzahlungen vorgesehen werden, die ausschließlich der Honorierung geleisteter bzw. dem Ansporn zu künftiger Betriebstreue dienen.303 Dabei steht bei Rückzahlungsklauseln der An297 BAG v. 13.12.2011, NZA 2012, 738; v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042, 1044; v. 23.1.2007, NZA 2007, 748; vgl. auch Lingemann/Kiecza, ArbR Aktuell 2009, 156; Jesgarzewski, BB 2011, 1594 sowie Einf. Kap. 8 Rz. 20. 298 In der Entscheidung v. 16.1.2013, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180 hat das BAG jedenfalls eine Bindung zum 31.3. des Folgejahres bei einer Ermessengratifikation akzeptiert, sofern als Grund für die Beendigung eine Kündigung des Arbeitnehmers, ein Aufhebungsvertrag oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses geregelt war. Die Gratifikation befand sich allerdings unter der Überschrift „Vergütung“, was nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des 10. Senates steht, wonach Stichtage außerhalb des Bezugszeitraums für Sonderzahlungen mit Vergütungscharakter nicht vereinbart werden dürfen (dazu Rz. 100f). 299 BAG v. 30.11.1989 – 6 AZR 21/88; v. 19.9.1984 – 5 AZR 366/84, nv.; Einzelheiten bei Einf. Kap. 12 Rz. 31 aE sowie M 12.15 2. und 3. Alternative. 300 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561, Rz. 21 m. Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2012, 249; v. 24.10.2007, DB 2008, 126; Lingemann/Gotham, NZA 2008, 513. 301 Vgl. BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2012, 249. 302 Dafür noch BAG v. 6.5.2009, NZA 2009, 783, zweifelnd Baeck/Winzer, NZG 2012, 657, 659; Clemenz/Kreft/Krause//Klumpp, § 307 BGB Rz. 238. 303 Vgl. auch Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1286 f.

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sporn für künftige Betriebstreue im Mittelpunkt, da sie in der Regel auf Stichtage nach dem Bezugszeitraum abstellen.304 Auch wenn die Sonderzahlung keinerlei Vergütungscharakter hat, müssen Bindungsdauer und Höhe der Zahlung in einem angemessenen Verhältnis stehen, um den Arbeitnehmer nicht entgegen Art. 12 GG in seiner Berufsausübung in unzulässiger Weise zu behindern.305 Nach bisheriger Rechtsprechung galt für Rückzahlungsklauseln folgende Staffelung: Erhält ein Arbeitnehmer zum Jahresende eine Sonderzahlung von Euro 100,– oder weniger, so kann keine Rückzahlungsverpflichtung vereinbart werden.306 Bei einer Sonderzahlung zum Jahresende von mehr als Euro 100,– und weniger als einer Monatsvergütung kommt eine Bindung bis zum 31.3. des Folgejahres in Betracht,307 bei einem Monatsgehalt ist eine Bindung über diesen Zeitpunkt hinaus bis zu dem darauf folgenden erstmöglichen Kündigungstermin zulässig.308 Bei einer Sonderzahlung von mehr als einem bis zu zwei Monatsgehältern kommt uU auch eine Bindung bis zum 30.6.,309 bei darüber hinaus gehenden Sonderzahlungen ggf. sogar bis zum 30.9. des Folgejahres310 in Betracht.

100g

Zahlt der Arbeitgeber in mehreren Einzelbeträgen aus, so werden diese zur Ermittlung der zulässigen Bindungsfrist nur zusammengerechnet, wenn sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen; daran fehlt es im Verhältnis von Urlaubsgeld Mitte des Jahres und Weihnachtsgeld Ende des Jahres.311 Die Bindungsfrist beginnt zwar grundsätzlich mit dem Auszahlungszeitpunkt; bei der Weihnachtsgratifikation soll es jedoch auf das Ende des Kalenderjahres als Bezugszeitraum ankommen,312 bei Urlaubsgratifikationen auf den 1.7. eines Kalenderjahres.313 Das greift jedenfalls dann, wenn der Auszahlungszeitpunkt nicht mehr als zwei Monate zurückliegt. Liegt der Auszahlungstermin allerdings lange nach dem Ende des Bezugszeitraumes, so entscheidet Letzterer.314 Steht die Höhe der Sonderzahlung nicht fest, muss der Vertrag selbst eine Staffelung zur Abhängigkeit der Bindungsdauer von der Höhe enthalten.315 Ob diese Staffel noch gilt, ist offen. Insbesondere ist fraglich, ob die Rückzahlung von mehr als einem Monatsgehalt noch verlangt werden kann, denn für Leistungen mit Entgeltcharakter ist ja, wie ausgeführt (Rz. 100c), ein Stichtag außerhalb des Bezugszeitraumes nicht mehr zulässig. Und den Begriff des Entgelts versteht der 304 Vgl. BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620, Rz. 13. 305 BAG v. 6.5.2009, NZA 2009, 783, 784; v. 28.4.2004, NZA 2004, 924; v. 25.4.2007, NZA 2007, 875. 306 BAG v. 25.4.2007, NZA 2007, 875; v. 21.5.2003, NZA 2003, 1032, 1033. 307 BAG v. 25.4.2007, NZA 2007, 875. 308 BAG v. 28.4.2004, NZA 2004, 924; v. 25.4.2007, NZA 2007, 875. 309 Vgl. LAG Köln v. 14.5.1993, LAGE § 611 BGB Gratifikation Nr. 19. 310 BAG v. 13.11.1969, DB 1970, 352. 311 BAG v. 15.3.1973, DB 1973, 973. 312 BAG v. 12.10.1972, DB 1973, 285; v. 27.10.1978, DB 1979, 898; v. 21.5.2003, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 250. 313 BAG v. 15.3.1973, DB 1973, 973. 314 BAG v. 12.10.1972, DB 1973, 285; Preis/Preis, II S 40 Rz. 105. Für einen Auszahlungstermin vor Ende des Bezugszeitraums verbleibt es bei Fristbeginn zum Zeitpunkt der Auszahlung, vgl. Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572, 1573 f. 315 BAG v. 24.10.2007, NZA 2008, 40; dazu Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509 mit Formulierungsvorschlag; LAG München v. 24.1.2008 – 4 Sa 781/07.

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10. Senat weit: Gratifikationscharakter können nur solche Sonderzuwendungen haben, die u.a.316 keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung ausmachen, sich also im üblichen Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen bewegen.317 Wo die Grenze zu ziehen ist, hat das BAG nicht entschieden. In einer früheren Entscheidung ist das BAG bei Prüfung der Wirksamkeit einer Stichtagsklausel auf die Höhe der Bonuszahlung, die im konkreten Fall etwa 60 % der Gesamtjahresvergütung ausmachte, nicht eingegangen,318 die Entscheidung ist aber wahrscheinlich überholt. Möglicherweise liegt die Grenze auch bei 25 % der Gesamtvergütung.319 Aufgrund der unklaren Rechtslage ist es ratsam, zusätzlich zu der bereits empfohlenen Differenzierungsklausel die Rückzahlungspflicht bzw. die Bindungswirkung auf weniger als 25 % der Gesamtjahresvergütung zu begrenzen320 oder zur weiteren Verminderung des Risikos auf eine Monatsvergütung, um sich im „üblichen Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen“ zu bewegen.321 100i

Für Bindungs- und Verfallklauseln bei Aktienoptionen gelten die vom BAG für Sonderzahlungen entwickelten strengen Grundsätze nicht uneingeschränkt.322 Zu Einzelheiten der Rückzahlungsklausel bei Sonderzahlungen siehe auch M 12.15 mit Anmerkungen. – Dienstwagenrückforderung323

100j

Heranzuziehen sind die Grundsätze über den Widerrufsvorbehalt, so dass insbesondere die sachlichen Gründe in der Klausel genannt werden müssen, die zu einem Widerruf berechtigen; zudem muss der geldwerte Vorteil des Dienstwagens unter 25 % des Gesamtverdienstes liegen.324 Sofern der Wert der Nutzung des Dienstwagens im Verhältnis zum Gesamtverdienst nur unbedeutend ist, kann eine Rückforderungsklausel möglicherweise auch ohne Angabe sachlicher Gründe wirksam sein.325 Im Falle der Erkrankung des Arbeitnehmers endet das Recht zur Privatnutzung des Dienstwagens – 316 Zu weiteren Anforderungen s. Rz. 100a. 317 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2012, 249; v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221; Baeck/Winzer, NZG 2012, 657, 658. 318 BAG v. 6.5.2009, NZA 2009, 783. 319 In diese Richtung noch BAG v. 25.4.2007, NZA 2007, 875; v. 24.10.2007, NZA 2008, 40; gegen eine Beschränkung auch Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509; Leder, RdA 2010, 93, 98 f. sowie Salamon, NZA 2011, 1328. 320 Vgl. hierzu Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509, 512 sowie Leder, RdA 2010, 93, 98 f.; Lembke, NJW 2010, 321, 324; Salamon, NZA 2010, 314, 316 f.; Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572, 1576. 321 Vgl. oben Rz. 100g; BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620; Baeck/Winzer, NZG 2012, 657, 658. 322 Vgl. Rz. 85a; BAG v. 28.5.2008, AP BGB § 305 Nr. 12 m. Anm. Lingemann/Gotham. 323 Einzelheiten zur Vertragsgestaltung s. Einf. Kap. 12 Rz. 42 ff.; Formulierungsvorschlag s. M 12.22, § 7 m. Anm. 324 BAG v. 21.3.2012, NJW 2012, 1756 mit der wirksamen Klausel: „wenn und solange der PKW für dienstliche Zwecke seitens des Arbeitnehmers nicht benötigt wird“; v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 459; v. 19.12.2006, DB 2007, 1253; LAG Niedersachsen v. 17.1.2006, NZA-RR 2006, 289; Gaul/Kaul, BB 2011, 181; Günther/Günther, ArbR Aktuell 2011, 107; Fröhlich, ArbRB 2011, 253; s. auch Einf. Kap. 12 Rz. 43; allgemein zum Widerrufsvorbehalt BAG v. 12.1.2005, NZA 2005, 465; s. näher unter Einf. Rz. 138 ff., „Widerrufsvorbehalt“. 325 So offenbar LAG Hessen v. 20.7.2004, MDR 2005, 459. Der Wert der Nutzung des Pkw lag im Verhältnis zur restlichen Vergütung allerdings auch nur bei 2,62 %; vgl. auch Einf. Kap. 12 Rz. 43.

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vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung – allerdings mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums; der Vereinbarung eines entsprechenden Widerrufsvorbehaltes bedarf es für diesen Fall nicht.326 Auch bei einer wirksamen Dienstwagenwiderrufsklausel muss die Ausübung aber natürlich billigem Ermessen entsprechen (Ausübungskontrolle), so dass ggf. eine Ankündigungsfrist einzuhalten ist.327 – Ermessensgratifikation/Ermessenstantiemen328 Das BAG beurteilt Vergütungen, deren Höhe zT in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt wird, weniger kritisch als Freiwilligkeitsvorbehalte. Das gilt sowohl für Ermessengratifikationen329 als auch für Ermessentantiemen, sofern die Beurteilungsgrundsätze hinreichend transparent sind.330 Behält sich der Arbeitgeber daher im Formulararbeitsvertrag ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Hinblick auf die Höhe einer jährlichen Zuwendung vor, so ist das nicht AGB-widrig.331 Die Regelung, wonach der Arbeitnehmer je nach Betriebszugehörigkeit einen bestimmten Prozentsatz „von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation“ erhält, welche mit dem Novembergehalt gezahlt wird und bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers bis zum 31.3. des Folgejahres zurückzuzahlen ist, stellt keinen Freiwilligkeitsvorbehalt dar, sondern gewährt einen Anspruch auf Zahlung der Gratifikation in der vom Arbeitgeber nach § 315 Abs. 1 BGB festzulegenden Höhe. Diese kann gemäß § 315 Abs. 3 BGB vom Gericht auch überprüft und ggf. sogar ersetzt werden. Es handelt sich auch nicht um einen Änderungsvorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB, weil hier jeweils nur die erstmalige Leistung festgelegt wird.332 Die Regelung ist auch nicht intransparent, auch wenn keine Maßstäbe für die Höhe vereinbart sind, denn der Arbeitgeber könnte die Leistung sogar unter einem bei der jeweiligen Zahlung zu erklärenden Freiwilligkeitsvorbehalt gewähren; weitergehend als bei einem solchen Freiwilligkeitsvorbehalt erhält der Arbeitnehmer bei der Ermessensregelung aber einen klagbaren Anspruch.333 Schließlich ist die Leistung auch nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB, denn § 315 BGB lässt ja gerade einseitige Leistungsbestimmungsrechte zu.334 Der 10. Senat sieht bei einer solchen Regelung auch nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber einerseits die leistungssteuernde Wirkung eine Versprechens für die Zukunft in Anspruch nehme, andererseits aber die Entscheidung über die Gewährung der Leistung ausschließlich von seinem Willen abhängig mache, da die Regelung keine spezifischen Leistungsanreize setzt und Anspruchsvoraussetzung lediglich der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum 31.3. des Folgejahres ist.335 Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten, ob und ggf. in welchem Umfang ein Freiwilligkeitsvorbehalt im Vertrag überhaupt noch wirksam vereinbart werden kann, 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335

BAG v. 14.12.2010, NJW 2011, 1469; LAG BW v. 27.7.2009, DB 2009, 2050. BAG v. 21.3.2012, NZA 2012, 616. S. Formulierungsvorschlag M 12.16. BAG v. 16.1.2013, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180 und M 12.16. BAG v. 14.11.2012, NJW Spezial 2013, 82 zu einer sehr aufwändigen Partnerregelung in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; v. 18.1.2012, NZA 2012, 499 – dazu M 12.10.2. BAG v. 16.1.2013, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180. BAG v. 16.1.2013, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180. BAG v. 16.1.2013, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180. BAG v. 16.1.2013, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180. BAG v. 16.1.2013, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180.

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könnte eine solche Ermessensgratifikation eine sinnvolle Alternative sein. Allerdings begründet sie einen Anspruch, und der Arbeitgeber muss jeweils im Einzelnen darlegen, warum seine Entscheidung, sie in bestimmter Höhe oder auch nicht zu gewähren, billigem Ermessen nach § 315 Abs. 1 BGB entspricht. Soll der Freiwilligkeitsvorbehalt allerdings nur dazu dienen, in Fällen schlechter Ertragslage an die unter Vorbehalt gestellten Leistungen nicht gebunden zu sein, könnte der Arbeitgeber die reduzierte Gewährung mittels der Ermessensgratifikation zumindest ebenso gut begründen.336 Auch wenn der Formularvertrag vorsieht, dass der Arbeitgeber über die Höhe eines variablen Vergütungsbestandteils abschließend nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) unter Beachtung bestimmter Faktoren zu entscheiden hat und sich die zugrunde zu legende individuelle Leistung des Arbeitnehmers nach dem Erreichen vereinbarter Ziele bestimmt, ist dies auch ohne Festlegung des Verhältnisses der verschiedenen Beurteilungsfaktoren zueinander nicht intransparent iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auch eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Festvergütung bestimmt und gesichert ist, ein Anspruch auf Festsetzung eines angemessenen Zieleinkommens besteht und die Festsetzung von Zieleinkommen und variabler Vergütung der gerichtlichen Kontrolle nach § 315 BGB unterliegt.337 Da es sich um die Vergütung erbrachter Leistungen handelt, darf – nach den neuen Grundsätzen des BAG zu Bindungsklauseln338 – eine solche Regelung nicht vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisse über den Bezugszeitraum hinaus abhängig gemacht werden.339 Auch insoweit besteht also eine Alternative zum Freiwilligkeitsvorbehalt. – Familienmitglieder als Arbeitnehmer 102

Die Verpflichtung eines Tankstellenpächters, bei Beendigung des Tankstellenvertrags die mit Familienmitgliedern eingegangenen Arbeitsverhältnisse „auf seine Kosten (zu) beenden“ und andernfalls den Verpächter oder den Nachfolgebetreiber „von allen daraus entstehenden Kosten freizuhalten bzw. entstandene Kosten (zu) erstatten“, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Eine solche Regelung ist schon mit § 613a Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 4 Satz 1 BGB unvereinbar.340 Sie ist auch in der Höhe nicht begrenzt; nach (kundenfeindlichster341) Auslegung der Klausel (vgl. § 305 Abs. 2 BGB) ist daher nicht auszuschließen, dass der Tankstellenbetreiber die Ver-

336 Vgl. auch Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180. Gem. Urteil des BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12 mit Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2013, 329, ist eine Reduzierung auf null nicht ausgeschlossen. Denn nach diesem Urteil enthält eine Regelung in einem Arbeitsvertrag, nach der ein Arbeitnehmer einen Leistungsbonus erhält, der sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg des Arbeitnehmers richtet und jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird, auch die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern im Ausnahmefall auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen Leistungsbonus zu zahlen. Der Vorbehalt des Arbeitgebers, den Leistungsbonus zu bestimmen, stellt keine unzulässige Benachteiligung dar, wenn die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfolgen muss. 337 BAG v. 14.11.2012, NJW Spezial 2013, 82. 338 Dazu oben Rz. 100 „Bindungsklausel“. 339 BAG v. 14.11.2012, NJW Spezial 2013, 82. 340 BGH v. 23.3.2006, NZA 2006, 551. 341 Vgl. oben Rz. 28; PWW/Berger, § 305c BGB Rz. 17 mwN.

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pflichtung nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten erfüllen könnte, auch deswegen ist die Vereinbarung unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).342 – Freistellungsklausel343 Zweifelhaft ist, ob eine generelle Freistellungsklausel ohne besondere Voraussetzungen einer Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhält.344 Dabei muss insbesondere der allgemeine Beschäftigungsanspruch als Leitbild im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB berücksichtigt werden.345 Zulässig dürfte eine Freistellungsklausel jedenfalls dann sein, wenn die sachlichen Gründe, nach denen eine Freistellung möglich sein soll, in der Klausel aufgeführt sind.346 Soll die Freistellung unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen erfolgen, sollte dies in der Klausel deutlich zum Ausdruck kommen.347

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– Freiwilligkeitsvorbehalt348, 349 Ursprünglich waren auch nach Geltung der AGB-Kontrolle Freiwilligkeitsvorbehalte jahrelang prinzipiell zulässig, jedenfalls, wenn sie sich auf Sonderzahlungen bezogen.350 Für die Wirksamkeit eines solchem Vorbehalts kam es nicht auf den mit der Zahlung verfolgten Zweck an. Bei einem klar und verständlich formulierten Vorbehalt fehlte es nämlich schon an einer versprochenen Leistung iSv. § 308 Nr. 4 BGB. Ein einmaliger klarer und eindeutiger Hinweis im Arbeitsvertrag reichte aus, der Freiwilligkeitsvorbehalt musste dann nicht vor jeder Sonderzahlung wiederholt werden.351 Das galt auch dann, wenn die Sonderzahlung ausschließlich im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich vergütete.352 Auch bei beträchtlicher Höhe der Sonderzahlung (Euro 25 000,– bis 30 000,– bei einem Jahresgehalt von Euro 55 000,–) war 342 BAG v. 23.3.2006, NZA 2006, 551, 552. 343 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 3 (3). 344 Bauer/Günther, DStR 2008, 2422; Mues, ArbRB 2009, 214; Ohlendorf/Salamon, NZA 2008, 856; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Richter/Lange, NZA-RR 2012, 57. 345 LAG Hessen v. 14.3.2011, NZA-RR 2011, 419; LAG München v. 7.5.2003, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Preis/Preis, II F 10 Rz. 1; Brachmann/ Diepold, AuA 2009, 508. 346 Vgl. auch M 3.1 § 16 Abs. 6 m. Anm.; ferner die Klauseln bei Preis/Preis, II F 10 Rz. 15, 29a, 37; Bauer/Günther, DStR 2008, 2422; Mues, ArbRB 2009, 214; Ohlendorf/Salamon, NZA 2008, 856; aA ArbG Frankfurt v. 19.11.2003, NZA-RR 2004, 409; wie hier ArbG Stralsund v. 11.8.2004, NZA-RR 2005, 23. 347 Vgl. Bonanni/Ludwig, ArbRB 2011, 379. 348 Dazu Bayreuther, BB 2009, 102; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281 f.; Grimm/Freh, ArbRB 2011, 285; Jensen, NZA-RR 2011, 225; Krause, FS J.-H. Bauer, 2010, S. 577; Lakies, ArbR Aktuell 2012, 306; Maaß, ArbR Aktuell 2011, 59; Preis, NZA 2009, 281; Preis/Sagan, NZA 2012, 697; Salamon, NZA 2009, 656; Schramm, NZA 2007, 1325; Simon/Greßlin, BB 2008, 2467. 349 Formulierungsvorschlag s. M 12.15. 350 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.; v. 21.1.1009, NZA 2009, 310; v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173; v. 25.4.2007, DB 2007, 1757; Feddersen, NWB 2010, 1348; Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307; Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754; Reinecke, BB 2008, 554; Schramm, NZA 2007, 1325; für die Wirksamkeit LAG Hamm v. 9.6.2005, NZA-RR 2005, 624; krit. zur Abgrenzung zwischen laufender Vergütung und Sonderzahlungen Bayreuther, BB 2009, 102. 351 BAG v. 30.7.2008, DB 2008, 2194. 352 BAG v. 18.3.2009, NZA 2009, 535; v. 21.1.2009, NZA 2009, 310; v. 30.7.2008, DB 2008, 2194.

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ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht ausgeschlossen.353 Demnach galt für Freiwilligkeitsvorbehalte die 25/30 %-Grenze, die das BAG für Widerrufsvorbehalte aufgestellt hat (oben Rz. 67 ff.), nicht.354 Ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz konnte der Arbeitgeber auch entscheiden, dass die Sonderleistung nur solchen Arbeitnehmern zukommen sollte, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs betriebsangehörig waren.355 104a

Nunmehr stellt der 10. Senat aber mit Urteil vom 14.9.2011 in Frage, ob Freiwilligkeitsvorbehalte an sich im Arbeitsvertrag überhaupt noch angemessen sind oder ob sie nicht den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen.356 Der Senat äußert nunmehr zum einen generelle Bedenken, ob Freiwilligkeitsvorbehalte zukünftig noch geeignet sind, das Entstehen von Ansprüchen aufgrund konkludenten Verhaltens auszuschließen, insbesondere bei langjähriger und vorbehaltloser Zahlung. Zum anderen sollen Freiwilligkeitsvorbehalte, die alle zukünftigen Leistungen unabhängig von Art und Entstehungsgrund erfassen, in jedem Fall unangemessen benachteiligend sein, so dass die folgende Formulierung unwirksam ist: „Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind freiwillig und jederzeit widerruflich. Auch wenn der Arbeitgeber sie mehrmals und regelmäßig erbringen sollte, erwirbt der Arbeitnehmer dadurch keinen Rechtsanspruch für die Zukunft.“357 Diese Formulierung erfasst nämlich neben Sonderzahlungen auch laufende Leistungen, soweit diese nicht im ursprünglichen Vertrag enthalten sind, so dass neben betrieblichen Übungen auch Gesamtzusagen und ausdrückliche Einzelabreden ausgeschlossen werden.358 Auch sei ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der so ausgelegt werden kann, dass er Rechtsansprüche aus späteren Individualabreden ausschließt, mit dem Grundsatz des Vorrangs der Individualabrede, § 305b BGB, nicht vereinbar. Eine solche Regelung weiche zudem von dem allgemeinen Grundsatz „pacta sunt servanda“ ab, dieser gelte auch für nach Abschluss des Arbeitsvertrages im laufenden Areitsverhältnis eingegangene Verpflichtungen. Von diesen könne nicht unter Hinweis auf einen vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt wieder Abstand genommen werden. Auch arbeitsrechtliche Besonderheiten iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB würden eine abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen.359 Insoweit übernimmt der 10. Senat die Rechtsprechung des 9. Senats zur doppelten Schriftformklausel360 auch für Freiwilligkeitsvorbehalte.361

104b

ZT wird die Entscheidung in der Literatur so verstanden, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt nur noch bei Sonderzahlungen wirksam vereinbart werden könne.362 Angesichts der vom 10. Senat gewählten sehr umfassenden Formulierungen ist das aber 353 BAG v. 18.3.2009, NZA 2009, 535. 354 Vgl. Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2310; für die Einbeziehung von Leistungen, die unter Freiwilligkeitsvorbehalt stehen, in die 25(30) %-Regelung Bayreuther, BB 2009, 102, 104; LAG Düsseldorf, EzA-SD 2008, Nr. 14, 16. 355 BAG v. 18.3.2009, NZA 2009, 535. 356 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81; Bauer/von Medem, NZA 2012, 894. Vgl. hierzu Crisolli/ Zaumseil, BB 2012, 1281. 357 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81. 358 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81. 359 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 85. 360 Vgl. Rz. 124 f. sowie Formulierungsvorschlag M.2.1.a Ziff. 13. 361 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81. 362 Hunold, Schnellbrief Arbeitsrecht 5/2012, S. 2.

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zweifelhaft. Daher sollte der Arbeitgeber bei jeder Sonderzahlung eindeutig erklären, dass die Leistung einmalig ist, freiwillig erfolgt und keinen Anspruch für die Zukunft begründet.363 Die Aufnahme eines generellen Freiwilligkeitsvorbehalts im Arbeitsvertrag ist wahrscheinlich nur noch ein Anzeichen für den objektiven Willen des Arbeitgebers, durch freiwillige Sonderzahlungen keine dauerhaften, zukünftigen Leistungen anzubieten. Er wird aber – wenn überhaupt – bestenfalls noch eine betriebliche Übung ausschließen können, solange diese nicht als vorrangige Individualvereinbarung angesehen wird. In jedem Fall sollte künftig bei der Formulierung ausdrücklich auf den Vorrang der Individualabrede hingewiesen werden. Nachdem dieser Hinweis nun bei der doppelten Schriftformklausel und beim Freiwilligkeitsvorbehalt erforderlich ist und der Vorrang der Individualabrede den gesamten Inhalt des Formularvertrages umfasst, ist zu erwägen, ihn in einer gesonderten Regelung aufzunehmen und die Einzelregelungen damit nicht zu überfrachten. Eine solche Gestaltung ist bisher aber nicht üblich und schon gar nicht von der Rechtsprechung abgesichert. Der Vorbehalt ist zudem auf Leistungen zu beschränken, die nicht laufende Entgelte sind. Denn laufende Entgelte – zB Leistungszulagen – können auch schon nach der älteren Rechtsprechung nicht als freiwillige Leistung vereinbart werden.364

105

Ein unwirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt kann auch nicht in einen Widerrufsvorbehalt umgedeutet werden, da in diesem die Voraussetzungen und der Umfang für einen Widerruf konkretisiert sein müssen.365 Da für Verträge, die bis zum 31.12.2001 geschlossen wurden, auch Widerrufsvorbehalte, die diesen strengen Anforderungen nicht genügen, auf Grund ergänzender Vertragsauslegung wirksam sein können, müsste auch für Freiwilligkeitsvorbehalte in solchen „Altverträgen“ jedoch eine Umdeutung möglich sein.366

105a

Der Vorbehalt muss – das galt auch schon vor der Entscheidung des BAG vom 14.9.2011 – nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB transparent formuliert sein. Der Ausschluss künftiger Leistungen muss daher im Wortlaut klar geregelt sein, indem insbesondere klargestellt wird, dass auch die mehrfache vorbehaltlose Gewährung keine Ansprüche begründet.367 Intransparent ist es, einerseits eine Sonderzahlung zu-

105b

363 Vgl. BAG v. 18.3.2009, NZA 2009, 535; die Klausel lautete: „Wir freuen uns, Ihnen für das Jahr 2001 eine Sonderzahlung in Höhe von Euro 25 000,– zukommen zu lassen. Die Auszahlung erfolgt mit dem Gehalt für April 2002. Diese Zahlung ist einmalig und schließt zukünftige Ansprüche aus. Wir danken Ihnen für Ihre bisherige Arbeit und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in unserem Hause.“ 364 BAG v. 25.4.2007, DB 2007, 1757; v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f. 365 BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 796; v. 25.4.2007, DB 2007, 1757; zum Widerrufsvorbehalt BAG v. 12.1.2005, NZA 2005, 465; v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; vgl. auch unter Einf. Rz. 138 ff., „Widerrufsvorbehalt“. 366 Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754. 367 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 83; v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 f.; die Formulierung unter der Überschrift „Vergütung und Urlaub“ mit dem Wortlaut: „Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Gehalt von DM 3250,– brutto. Die Vergütung wird dem Arbeitnehmer jeweils bis zum 5. des Folgemonats gezahlt. Die Gewährung sonstiger Leistungen (zB Weihnachtsund Urlaubsgeld, 13. Gehalt, etc.) durch den Arbeitgeber erfolgt freiwillig und mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird.“ hat das BAG als ausreichenden Freiwilligkeitsvorbehalt hinsichtlich des Weihnachtsgeldes angesehen, der weder gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB noch gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße. Vgl. schon BAG v. 12.1.2000, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 223; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 68. Möglicherweise

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zusagen, andererseits aber zu bestimmen, dass der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch darauf hat. Dementsprechend muss die sprachliche Kombination von „Anspruch“ einerseits und „Freiwilligkeit“ andererseits vermieden werden. Das gilt schon für die Formulierung „Darüber hinaus erhalten Sie einen gewinn- und leistungsabhängigen Bonus“368 oder auch „Der Angestellte erhält Weihnachtsgratifikation“369 oder „als freiwillige soziale Leistungen werden zurzeit . . . gewährt“,370 oder „Als Sonderleistung zahlt die Unternehmung (ab 1999) als Weihnachtsgeld . . .“371 oder „Sie nehmen an dem in unserem Haus üblichen Bonussystem teil“ und natürlich auch für die Formulierung „Der Anspruch auf Zahlung eines Bonus entfällt, wenn . . .“. Alle diese Formulierungen sind nach der Rechtsprechung des 10. Senates zusammen mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt widersprüchlich und intransparent, der entsprechende Freiwilligkeitsvorbehalt daher unwirksam.372 Auch die Regelung „Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann“ ist nach Auffassung des 10. Senats intransparent, da daraus nicht klar hervorgeht, ob nur das „Ob“ der Zahlung und/oder das „Wie“ der Zahlung (als Weihnachts- oder Urlaubsgeld) im Belieben des Arbeitgebers stehe.373 Ein Anspruch wird auch dann begründet, wenn die Voraussetzungen für die Sonderzahlung präzise bestimmt sind, zB „jeweils 50 % des vereinbarten Brutto-Monatsverdienstes“ oder bei einer Staffelung je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit.374 Wird im Arbeitsvertrag – ggf. durch eine dieser Formulierungen – ein Anspruch begründet, so ändert daran auch ein bei jeder Zahlung ausgesprochener Freiwilligkeitsvorbehalt nichts, denn dieser würde nur eine betriebliche Übung verhindern, nicht aber einen im Arbeitsvertrag begründeten Anspruch beseitigen.375 Angesichts der Unsicherheit darüber, wie ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt ausgestaltet sein muss, kann es ratsam sein, im Vertrag die freiwillige Leistung und damit den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu regeln und stattdessen bei jeder Zahlung den Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich zu erklären. 106

Bei der Kombination von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt in vorformulierten Arbeitsbedingungen sind wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB beide Vorbehalte unwirksam.376

106a

Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten wäre eine Ermessensgratifikation, die das BAG mit Urteil vom 31.1.2013377 gebilligt hat, möglicherweise eine valide Alternative.

377

hielt die Formulierung im Fall des BAG v. 21.1.2009 nur für das Weihnachtsgeld und somit nur mithilfe des „blue pencil test“ (oben Rz. 40); näher dazu Kap. 12 Rz. 5 ff. Vgl. BAG v. 5.7.2011, AP BetrVG § 87 Lohngestaltung Nr. 139. BAG v. 7.6.2011, NZA 2011, 1234, 1236; v. 24.10.2007, NZA 2008, 40 m. Anm. Bauer, FDArbR 2008, 264804 „an der Grenze zur Wortklauberei“. BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203 zu einer sehr ähnlichen Formulierung. BAG v. 10.12.2008, DB 2009, 684. BAG v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173; v. 24.10.2007, NZA 2008, 40; eingehend dazu Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509. BAG v. 17.4.2013, NZA 2013, 787 m. Anm. Fuhlrott, ArbR Aktuell 2013, 327. BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203. BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203. BAG v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173; v. 14.9.2011, NZA 2012, 81; einschränkend BAG v. 8.12.2010, NZA 2011, 628 m. Anm. Reinhard, NJW 2011, 2314. BAG v. 16.1.2013, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180.

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368 369 370 371 372 373 374 375 376

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– Haftung des Arbeitnehmers Die Grundsätze der Haftungsbeschränkung bei der Arbeitnehmerhaftung378 haben grundsätzlich auch nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform weiter Bestand. Zu Abweichungen s. sogleich unter „Haftungsverschärfung“, Rz. 108.

107

– Haftungsverschärfung Das BAG versteht die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung als einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, von dem nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann.379 Diese Auffassung wird seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in Zweifel gezogen.380 Haftungsverschärfungen zu Ungunsten des Arbeitnehmers in vorformulierten Arbeitsbedingungen seien grundsätzlich zulässig, eine Kontrolle sei am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB durchzuführen.381 Dem ist zuzustimmen. Die Regeln zur Arbeitnehmerhaftung sind jedoch nur insoweit abdingbar, wie das vom BAG bestimmte Schutzniveau nicht unterschritten wird; die Vereinbarung einer Haftungsverschärfung ist daher nur zulässig, wenn sie durch Risikoprämien ausgeglichen wird.382

108

– Jahreswagen-Regelung Um dem Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen, muss eine Klausel, nach der ein Preisnachlass beim Kauf eines vom Arbeitgeber produzierten Kfz entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Ablauf einer bestimmten Frist endet, nicht nur die Voraussetzungen für den Wegfall klar und verständlich darstellen, sondern auch die Höhe der Forderung des Arbeitgebers so deutlich machen, dass nicht erst eine intensive Beschäftigung mit den Arbeitsbedingungen oder eine Nachfrage notwendig ist.383

109

Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot kann nur so lange „geheilt“ werden, wie der Arbeitnehmer noch über den Abschluss des Kaufvertrags für das Kfz entscheiden kann.384

110

– Klageverzicht Ein formularmäßiger Klageverzicht ohne Gegenleistung ist unwirksam.385

110a

– Konzernversetzungsklausel386 Konzernversetzungsklauseln sollen einen Arbeitgeberwechsel bewirken. Besonderheiten des Arbeitsrechts und die Vorteile für den Arbeitnehmer im Hinblick auf seine

378 379 380 381 382 383 384 385 386

Vgl. etwa BAG GS v. 27.9.1994, NZA 1994, 1083; Einf. Kap. 13 Rz. 18 ff. Vgl. etwa BAG v. 17.9.1998, NZA 1999, 141. ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 11 mwN. ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 11 mwN. MünchKommBGB/Henssler, § 619a Rz. 13. LAG Düsseldorf v. 4.3.2005, ArbuR 2005, 341. LAG Düsseldorf v. 4.3.2005, ArbuR 2005, 341. BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, 219 m. Anm. Lingemann FD-ArbR 2007, 241903. Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 1 (2) 3. Var.

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110b

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kündigungsrechtliche Stellung lassen eine solche Klausel uE zu.387 Das BAG hat die Frage bisher offen gelassen.388 – Kündigungsausschluss389 111

Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung vor Dienstantritt ist zulässig,390 der Ausschluss der außerordentlichen Kündigung nicht.391 Mangels geltungserhaltender Reduktion (vgl. § 306 Abs. 1, 2 BGB) sollte der Kündigungsausschluss im Vertrag daher ausdrücklich auf die ordentliche Kündigung beschränkt werden. – Kurzarbeitsklausel392

111a

Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit nicht einseitig mit Hilfe seines Direktionsrechtes einführen. Er benötigt hierfür eine kollektivrechtliche Rechtsgrundlage, namentlich in Form einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages.393 Eine Betriebsvereinbarung bewirkt unmittelbar und zwingend eine vorübergehende Herabsetzung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit mit der Folge der Vergütungsminderung, ohne dass es auf den Willen der betroffenen Arbeitnehmer ankommt.394 Bei betriebsratslosen Betrieben und gegenüber leitenden Angestellten kann Kurzarbeit demgegenüber nur über eine Änderungskündigung oder nach Maßgabe einer Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag eingeführt werden.395 Ungeklärt ist, ob die Klauseln uneingeschränkt zulässig sind, auf die Voraussetzungen der §§ 95 f. SGB III zu beschränken sind396 oder die Anforderungen an einen Widerrufsvorbehalt397 erfüllen müssen.398 – Mehrarbeitsklausel/Überstundenpauschale399

112

Die Zahl der pauschal abzugeltenden Überstunden ist – im Rahmen der gesetzlich zulässigen Überstunden – im Vertrag zu beschränken.400 Einzelheiten dazu unter „Pauschalabgeltung“, Rz. 118.

387 So wohl auch Rid, NZA 2011, 1121; aA Tödtmann/Kaluza, DB 2011, 114, 116; Hromadka, NZA 2012, 233, 238, der zumindest ein Widerspruchsrecht analog § 613a Abs. 5 BGB für erforderlich hält. 388 BAG v. 13.4.2010, NJOZ 2010, 2625, 2626; v. 23.3.2006, NZA 2007, 30; v. 23.11.2004, NZA 2005, 929. 389 Formulierungsvorschlag s. M 3.1 § 16 (1) Satz 2. 390 Preis/Preis, II K 10 Rz. 27. 391 Preis/Preis, II K 10 Rz. 16. 392 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 3 (2). 393 Einzelheiten Bauer/Günther, BB 2009, 662. 394 BAG v. 10.10.2006, NZA 2007, 637, 639; v. 14.2.1991, BB 1991, 2017; Fitting, § 87 BetrVG Rz. 158; Kleinebrink, DB 2009, 342, 344. 395 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 663 ff. 396 Gegen eine Angemessenheitskontrolle anhand der §§ 95 f. SGB III Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664; dafür Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Becker, Arbeitsrecht, Rz. 19. 397 Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 398 Dazu im Einzelnen auch M 2.1a Ziff. 3 (2) mwN. 399 Formulierungsvorschlag s. M 3.1 § 3 (2). 400 BAG v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335; v. 28.9.2005, BB 2006, 327 m. Anm. Lindemann, BB 2006, 826.

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– Nachvertragliches Wettbewerbsverbot401 Eine Klausel, die auf die §§ 74 ff. HGB Bezug nimmt, verstößt nicht gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Angesichts der Regelungsdichte dieser Vorschriften reicht eine Bezugnahme aus, um alle wesentlichen Elemente eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots abzudecken.402

113

Die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung bei einem nachvertraglichem Wettbewerbsverbot ist nicht unüblich und stellt damit keine überraschende Klausel iSd. § 305c Abs. 1 BGB dar, wenn sich die Regelung unter der Überschrift „Wettbewerbsverbot“ befindet und unter dieser Überschrift keine Regelungen enthalten sind, die von anderen Regelungsmaterien handeln.403

114

Soweit ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot „im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit“ vereinbart wird, ohne dass ein Verweis auf die §§ 74 ff. HGB enthalten ist, kann der Arbeitnehmer nach Auffassung des OLG Köln aufgrund der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB auch ohne Regelung im Arbeitsvertrag eine Karenzentschädigung verlangen.404

114a

– Nebentätigkeitsverbot405 Ein absolutes Nebentätigkeitsverbot ist grundsätzlich wegen Art. 12 Abs. 1 GG unzulässig.406

115

Zulässig sind jedoch Nebentätigkeitsverbote mit Erlaubnisvorbehalt, nach denen der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Genehmigung hat, wenn eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen des Arbeitgebers nicht zu befürchten ist.407

116

Um dem Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen, sollte in der Klausel zudem ausdrücklich erwähnt werden, dass der Arbeitnehmer diesen Anspruch hat.408

117

– Pauschalabgeltung409 Pauschale Überstundenabgeltungen sind grundsätzlich zulässig und nicht überraschend iSv. § 305c BGB.410 Soweit die Klausel ausschließlich die Vergütung der 401 Formulierungsvorschlag s. M 25.1. 402 BAG v. 28.6.2006, NZA 2006, 1157, 1158 f.; vgl. auch Junker, BB 2007, 1274, 1280; ausführlich Gravenhorst, NJW 2006, 3609. 403 BAG v. 13.7.2005, AP HGB § 74 Nr. 78; vgl. auch Junker, BB 2007, 1274, 1280; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 122 f. 404 LAG Köln v. 28.5.2010 – 10 Sa 162/10 m. Anm. Diller, ArbR Aktuell 2011, 126, der schon die Interpretation als nachvertragliches Wettbewerbsverbot kritisiert, vor allem aber die Annahme eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots wegen Nichtbeachtung des Schriftformgebots als unwirksam ansieht. 405 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 9. 406 BAG v. 24.3.2010, DB 2010, 1240 zu mittelbarer Wettbewerbstätigkeit m. Anm. Fuhlrott/Fabritius, FA 2010, 194; v. 6.9.1990, NZA 1991, 221. 407 BAG v. 11.12.2001, NZA 2002, 965; ausführlich Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69; Woerz/ Klinkhammer, ArbR Aktuell 2012, 183. 408 Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69; Woerz/Klinkhammer, ArbR Aktuell 2012, 183. 409 Formulierungsvorschlag s. M 3.1 § 3 (2). 410 BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 908.

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Überstunden, nicht aber auch die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden regelt, ist sie von der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen, weil es sich um eine Hauptleistungsabrede handelt.411 Grenze ist damit die Sittenwidrigkeit, wobei der Umfang zulässiger Abgeltung ungeklärt ist. In der Entscheidung vom 16.5.2012412 hat das BAG die pauschale Abgeltung von 20 Stunden pro Monat akzeptiert, das wären bei einer 40-Stunden-Woche somit 11,6 %. Die Literatur lehnt sich zT an die Rechtsprechung zum Widerrufsvorbehalt an (bis zu 25 %),413 ist teilweise aber auch deutlich restriktiver (bis zu 10 %).414 ZT wird auch differenziert mit bis zu 10 % bis zur Beitragsbemessungsgrenze und bis zu 25 % darüber.415 Wir halten die Begrenzung auf 25 % gemäß der Rechtsprechung zur Abrufarbeit für angemessen.416 Die Klausel muss transparent sein, die Zahl der pauschal abzugeltenden Überstunden ist daher im Vertrag zu beschränken.417 Eine Pauschalabgeltung kommt auch nur im Rahmen der gesetzlich zulässigen Überstunden in Betracht, so dass auch das in den Vertrag aufzunehmen ist.418 Soweit schon eine objektive Vergütungserwartung für die Vergütung von Überstunden fehlt (dazu im Einzelnen Rz. 127), kann die Abgeltung ausgeschlossen werden, eine unwirksame Pauschalabgeltungsklausel wäre dann unschädlich.419 118a

Auch eine pauschale Vergütung von Reisezeiten kommt in Betracht. Die Regelung muss dem Arbeitnehmer allerdings verdeutlichen, „was auf ihn zukommt“. Daher muss angegeben werden, welche Reisetätigkeit mit der Vergütung abgegolten sein soll. Die bloße Regelung, dass Reisezeiten mit der Monatsvergütung abgegolten sind, reicht nicht aus.420

119

Auch eine Pauschalierung von Nachtarbeitszuschlägen in AGB ist nicht ausgeschlossen.421 Natürlich darf auch sie nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent oder entgegen § 305c Abs. 1 BGB überraschend sein.422 Sie wäre nach 411 412 413 414 415 416 417

418

419 420 421 422

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BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 908, 910 m. Anm. Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986. BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 908. Bauer/Merten, RdA 2012, 178; Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 92; LAG Hamm v. 22.5.2012, LAGE BGB § 611 Überarbeit Nr. 4. Kock, DB 2012, 1328. Ebenso Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986, 1989. BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 908, 909; v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335; v. 31.8.2005, NZA 2006, 324; LAG Düsseldorf v. 11.7.2008, FD-ArbR 2008, 270554; LAG Hamm v. 18.3.2009, EzA-SD 18/2009, 13; vgl. Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986; Bissels/Haag, ArbR Aktuell 2011, 83; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1283 f.; Kock, DB 2012, 1328; Schramm/ Kuhnke, NZA 2012, 127; ebenso für pauschale Abgeltung von Reisezeiten BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 917. BAG v. 22.2.2012, NZA 2012, 861; v 1.9.2010, NZA 2011, 575 f.; v. 28.9.2005, BB 2006, 327 m. Anm. Lindemann, BB 2006, 826; Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986, 1988; Kleinebrink, ArbRB 2006, 21, 23; vgl. M 3.1, § 3 Abs. 2, 3. Var. iVm. § 2 Abs. 2; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 92 hält sogar nur eine Abgeltung bei einer Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit um bis zu 10 % für zulässig. So im Fall des BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 908. BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 917. BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324. Zur Steuerfreiheit vgl. Foerster, StuB 2010, 814. BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324; vgl. für Abgeltung von Reisezeiten BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 917.

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§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB unangemessen, wenn sie das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung maßgeblich stört. Dies ist bei einem Pauschalgehalt, das wesentlich über dem Gehalt eines nicht nachts arbeitenden Arbeitnehmers liegt, jedoch nicht der Fall.423 – Probezeitvereinbarung424 Eine Probezeitvereinbarung bis zu sechs Monaten ist wirksam, da sie nicht vom Gesetz abweicht, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB;425 sie ist aber unwirksam, wenn nur eine längere Vertragsbefristung drucktechnisch hervorgehoben wird, § 305c Abs. 1 BGB.426

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– Rücktrittsvorbehalt Ein Rücktrittsvorbehalt ist nach § 308 Nr. 3 BGB nur wirksam, wenn in der vertraglichen Vorbehaltsregelung der Grund für die Lösung vom Vertrag mit hinreichender Deutlichkeit angegeben ist und ein sachlich gerechtfertigter Grund für seine Aufnahme in die Vereinbarung besteht.427 Insbesondere kann die dem Arbeitgeber vorbehaltene einseitige Lösungsmöglichkeit von einem Vorvertrag einen Rücktrittsvorbehalt iSv. § 308 Nr. 3 BGB darstellen. Die Privilegierung des § 308 Nr. 3 BGB für Rücktrittsvorbehalte in Dauerschuldverhältnissen gilt für einen Vorvertrag zu einem Arbeitsvertrag nicht.428

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– Rückzahlung von Sonderzahlungen429 – s. dazu Bindungsklauseln, Rz. 100 ff.

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– Rückzahlung von Ausbildungskosten430 Die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Frist vom Arbeitgeber übernommene Ausbildungskosten zurückzahlen muss,431 ohne dass es auf den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ankommt, ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, denn sie würde die Rückzahlungsverpflichtung entgegen Treu und Glauben auch dann auslösen, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein in die Verantwortungs- oder Risikosphäre des Arbeitgebers fällt (Rz. 100d).432 Eine einschränkende Auslegung der Klausel dahingehend, dass sie nur gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer selbst oder wegen eines von ihm zu vertretenden Grundes durch den Arbeitgeber beendet wird, scheidet wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion (vgl. § 306 Abs. 1, 2 BGB) aus.433

423 BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324. 424 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 2 (1). 425 BAG v. 24.1.2008, NZA 2008, 521. Im Einzelfall kann auch eine längere Erprobungsdauer vereinbart werden, BAG v. 2.6.2010, NZA 2010, 1293. 426 BAG v. 16.4.2008, BB 2008, 1736. 427 BAG v. 27.7.2005, AP BGB § 308 Nr. 2. 428 BAG v. 27.7.2005, AP BGB § 308 Nr. 2. 429 S. M 12.15 Fn 3. 430 Formulierungsvorschlag s. M 8.4, § 3. 431 Düwell/Ebeling, DB 2008, 406; Lingemann/Kiecza, ArbR Aktuell 2009, 156; dazu allgemein Bissels/Haag, ArbR Aktuell 2011, 83; Maier/Mosik, NZA 2008, 1168. 432 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, 89; v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042. 433 BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042.

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Eine Rückzahlungsklausel ist auch unwirksam, wenn die Höhe der Ausbildungskosten und die Bindungsdauer nicht in angemessenem Verhältnis stehen.434 Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt dann nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer zu bestimmen.435 Die Klausel hält der AGB-Kontrolle auch nicht stand, wenn Art und Vergütung der Anschlusstätigkeit im Bindungszeitraum nicht klar und verständlich geregelt sind, oder wenn gar keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur weiteren Beschäftigung nach Ende der Ausbildung vereinbart ist.436 Dasselbe gilt, wenn eine Rückzahlungsvereinbarung über Studiengebühren auch für den Fall vereinbart ist, dass der potentielle Arbeitgeber dem potentiellen Arbeitnehmer keinen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz anbieten kann oder will.437

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Eine Rückzahlungsverpflichtung kann auch für die Fälle vereinbart werden, in denen das Arbeitsverhältnis vor Abschluss der Aus- oder Weiterbildung auf Grund von Umständen endet, die im alleinigen Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers liegen. Ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil erhalten hätte und er nur die bis zum Ausscheiden tatsächlich angefallenen Kosten zurückzuzahlen hat.438 Jedoch muss eine solche Rückzahlungsklausel die zurückzuzahlenden Kosten beziffern, jedenfalls deren Berechnungsfaktoren offenlegen, damit die Zahlungsverpflichtung so weit als möglich aus den Angaben in der Klausel selbst errechnet werden und der Arbeitnehmer seine potentielle Rückzahlungsverpflichtung absehen kann; anderenfalls würden dem Klauselverwender vermeidbare Spielräume verbleiben.439 – Schriftformklausel440

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Individuelle Vertragsabreden haben gemäß § 305b BGB Vorrang vor Allgemeinen Arbeitsbedingungen. Eine im Formularvertrag vereinbarte Schriftformklausel ist daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn sie beim Arbeitnehmer den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen allgemeinen Grundsätzen unwirksam, und diesen damit von der Geltendmachung seiner Rechte abhält.441 Der Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB, muss daher in der Klausel ausdrücklich vorbehalten werden, anderenfalls ist sie zu weit gefasst, eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus, § 306 Abs. 2 BGB, und eine auf Grund dessen unwirksame Klausel schützt auch nicht (mehr) gegen eine betriebliche Übung.442 ZT wird allerdings auch die Auffassung vertreten, dass eine doppelte Schriftformklausel ohnehin eine betriebliche Übung nicht verhindert443 oder nur dann, wenn sie ausschließlich auf 434 BAG v. 15.9.2009, NZA 2010, 342, 344 f.; v. 14.1.2009, NZA 2009, 666; dazu Lingemann/ Kiecza, ArbR Aktuell 2009, 156. 435 BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 666; dazu Lingemann/Kiecza, ArbR Aktuell 2009, 156. 436 BAG v. 18.3.2008, BB 2008, 721; LAG Köln v. 27.5.2010, NZA-RR 2011, 11. 437 BAG v. 18.3.2008, NZA 2008, 1004; v. 18.11.2003, NZA 2009, 853. 438 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, 90; vgl. auch Jesgarzewski, BB 2011, 1594. 439 BAG v. 21.8.2012, NZA 2012, 1428. 440 Vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 17 ff. Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 13. 441 BAG v. 20.5.2008, NZA 2008, 1233 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2008, 260623; Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268; BGH v. 15.2.1995, BB 1995, 742; Hromadka, DB 2004, 1261, 1264 mwN; Ulrici, BB 2005, 1902, 1903. 442 BAG v. 20.5.2008, NZA 2008, 1233 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2008, 260623; Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268; Formulierungsvorschlag s. M 2.2 Ziff. 14. 443 Preis/Preis, II S 30, Rz. 13.

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die Vermeidung einer betrieblichen Übung gerichtet ist.444 Wir halten die doppelte Schriftformklausel demgegenüber unverändert für geeignet, die Entstehung einer betrieblichen Übung auszuschließen, da diese nicht als Individualvereinbarung gilt.445 Da es an Rechtsprechung fehlt, empfiehlt es sich jedoch, die doppelte Schriftformklausel auf die betriebliche Übung zu beschränken. Für einen über die betriebliche Übung hinausgehenden Schutz sollten Schriftformklauseln – soweit nicht bereits geschehen – statt in Arbeitsbedingungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen vereinbart werden.446 Regelt eine solche Tarifvorschrift allerdings nur, dass Nebenabreden der Schriftform bedürfen, so werden Vereinbarungen der Parteien über die beiderseitigen Hauptrechte und -pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach § 611 BGB nicht erfasst. Trotz einer solchen Klausel kann daher aus betrieblicher Übung ein Anspruch auf Sondervergütungen entstehen, die der Arbeitgeber ohne schriftliche Zusage vorbehaltlos gewährt hat.447

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– Schuldversprechen/Schuldanerkenntnis Die Vereinbarung eines selbstständigen Schuldanerkenntnisses weicht für sich genommen nicht von Rechtsvorschriften ab, da sie vom zugrunde liegenden Rechtsgeschäft und damit den Rechtsnormen, denen dieses unterliegt, unabhängig ist.448 Insoweit greift für das Schuldanerkenntnis selbst die Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (s. Rz. 42 ff.). Schließt ein Schuldanerkenntnis jedoch die Möglichkeit aus, geltend zu machen, dass der zugrunde liegende Anspruch nicht besteht, so weicht es insoweit von den §§ 812 Abs. 2, 821 BGB ab und benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders unangemessen, § 307 Abs. 1 BGB.449

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– Stichtagsklausel450 – s. Bindungsklauseln, Rz. 100 ff.

126a

– Überstundenklausel451 Der Arbeitgeber kann Überstunden anordnen, wenn dies im Vertrag vorgesehen ist. Ob die anzuordnenden Überstunden beschränkt oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen sind, ist nicht geklärt. Die Begrenzung der Überstundenanzahl ist jedenfalls ratsam.452 Sofern sie allerdings pauschal abgegolten werden sollen, ist die Zahl der pauschal abzugeltenden Überstunden zwingend im Rahmen der gesetzlich zulässigen Überstunden zu beschränken.453 Vgl. dazu unter „Pauschalabgeltung“, Rz. 118 f. Auch wenn ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber längere Zeit unter 444 Preis/Genenger, Anm. BAG EzA BGB § 307 Nr. 38. Demnach wären auch Zusätze, nach denen die Schriftformklausel „insbesondere“ eine betriebliche Übung ausschließt, schon schädlich. Rechtsprechung dazu findet sich jedoch nicht. 445 Vgl. auch Rz. 96a und M. 2.1a Ziff. 14 m. Anm. 446 Vgl. dazu Hromadka, DB 2004, 1261, 1266. 447 BAG v. 1.4.2009, EzA-SD 2009, Nr. 13, S. 7; v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82. 448 BAG v. 15.3.2005, NZA 2005, 682, 684 f.; weitergehend Fornasier/Werner, RdA 2007, 235. 449 BAG v. 15.3.2005, NZA 2005, 682, 685 f. 450 Formulierungsvorschlag s. M 12.15. 451 Formulierungsvorschlag s. M 3.1 § 3 (2). 452 Bauer/Arnold, DB 2012, 1986; Peterhänsel, Juris-PR 36/2012, Anm. 1; Spielberger, AuA 2012, 573. 453 BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 939; v. 22.2.2012, NZA 2012, 861; v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335; v. 28.9.2005, BB 2006, 327 m. Anm. Lindemann, BB 2006, 826; vgl. auch Rosenau, NJW-Spezial 2010, 754.

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Überschreitung der vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit eingesetzt wird, bedeutet das für sich genommen noch keine einvernehmliche Vertragsänderung hin zu einer höheren Arbeitszeit.454 Die Anordnungsbefugnis kann ausdrücklich geregelt werden, die Abgeltungsklausel ist dafür wohl keine ausreichende Rechtsgrundlage.455 Überstunden sind allerdings gemäß § 612 Abs. 1 BGB nur dann zu vergüten, wenn auch eine objektive Vergütungserwartung besteht. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es – gerade bei Diensten höherer Art – nicht.456 Diese Vergütungserwartung besteht im Zweifel, wenn es in der Branche Tarifverträge gibt, die für vergleichbare Arbeiten eine Überstundenvergütung vorsehen.457 Sie kann ferner grundsätzlich unterstellt werden bei Vollzeittätigkeit mit einer Vergütung unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze; bei einer höheren Vergütung muss der Arbeitnehmer die Erwartung substantiiert darlegen und beweisen.458 Dasselbe gilt bei einer hervorgehobenen Position zB nach § 18 Abs. 1 Nr. 12 ArbZG, so zB bei leitenden Angestellten459 und Chefärzten460. – Verfallklausel461 (s. auch „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff.) 128

Eine Klausel, nach der Aktienoptionen unter bestimmten Umständen verfallen, unterliegt nicht den strengen Anforderungen wie Bindungs- und Verfallklauseln (Rz. 100), da Aktienoptionen per se ein spekulatives Element innewohnt. Daher ist auch die Verknüpfung des Bezugsrechtes nach Ablauf der Wartezeit mit dem ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses idR keine unangemessene Benachteiligung.462 – Vergütung463

128a

Die Vereinbarung der Vergütungshöhe unterliegt wegen der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (Rz. 42 ff.) nicht der Inhaltskontrolle.464 Demgegenüber sind Abreden zur Einschränkung, Veränderung, Ausgestaltung oder Modifizierung der Hauptleistungspflichten der Inhaltskontrolle unterworfen.465 – Versetzungsklausel (s. auch „Änderungsklausel“, Rz. 82a f.)466

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§ 308 Nr. 4 BGB gilt nicht für arbeitsvertragliche Versetzungsvorbehalte,467 da sie nicht die Leistung des Verwenders, sondern die dem Verwender geschuldete Gegen-

454 455 456 457 458 459 460 461 462 463 464 465 466 467

BAG v. 22.4.2009, DB 2009, 1652. Vgl. BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 2683. BAG v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335. BAG v. 22.2.2012, NZA 2012, 861. BAG v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335. LAG Hamm v. 6.1.2012 – 19 Sa 896/11. BAG v. 17.3.1982, NJW 1982, 2139. Formulierungsvorschlag s. M 12.8 § 7. BAG v. 28.5.2008, AP BGB § 305 Nr. 12 m. zust. Anm. Lingemann/Gotham; s.o. Rz. 85a. Einzelheiten in Kap. 12; Formulierungsvorschlag s. M 12.1 ff.; M 2.1a Ziff. 5; M 3.1 §§ 3, 4. BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428. BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; v. 27.7.2005, NZA 2006, 40; vgl. oben Rz. 42 ff. Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 1. Gemeint sind damit Vorbehalte der Versetzung innerhalb der Reichweite von § 106 Satz 1 GewO, von Preis/Genenger, NZA 2008, 969 bezeichnet als „unechte Direktionsrechtserweiterung“; Einzelheiten bei Lakies, ArbR Aktuell 2013, 3.

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leistung betreffen.468 Eine § 106 Satz 1 GewO nachgebildete Versetzungsklausel stellt keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar; sie muss daher auch nicht konkrete Versetzungsgründe benennen.469 Soweit die Klausel nicht über § 106 Satz 1 GewO hinausgeht, unterliegt sie auch nicht der Inhaltskontrolle;470 da sie nicht von Rechtsvorschriften abweicht, greift die Kontrollsperre,471 es handelt sich um eine „unechte Direktionsrechtserweiterung“.472 Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt idR nicht vor, da die Klausel erst später durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers konkretisiert werden kann.473 Der arbeitsvertragliche Vorbehalt, den Mitarbeiter entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Unternehmen des Arbeitgebers liegenden Tätigkeit zu betrauen und auch an einem anderen Ort zu beschäftigen, erweitert zwar das Direktionsrecht des Arbeitgebers,474 benachteiligt den Arbeitnehmer aber nicht iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen und verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.475 Sofern sich die Klausel im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO hält, ist es auch nicht erforderlich, die Gründe für eine Änderung des Beschäftigungsortes in die Vertragsklausel aufzunehmen.476 Nicht erforderlich ist, dass ein maximaler Entfernungsradius und eine angemessene Ankündigungsfrist angegeben werden; die Angemessenheit ist insoweit erst im Rahmen einer Ausübungskontrolle zu überprüfen.477 Dasselbe dürfte auch bei einer bundesweiten Versetzungsklausel gelten, die über § 106 Satz 1 GewO hinausgeht.478 Wir halten es jedoch für ratsam, in jedem Falle zumindest klarstellend zu regeln, dass nur eine gleichwertige Tätigkeit zugewiesen werden darf.479 Sofern die Versetzungsklausel selbst die in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränkt, ist das natürlich verbindlich.480 Die Versetzungsentscheidung selbst unterliegt zudem der Ausübungskontrolle, sie muss also billigem Ermessen entsprechen, § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB.481 Die 468 BAG v. 11.4.2006, BB 2006, 2195; vgl. auch Hunold, BB 2011, 693. 469 BAG v. 11.4.2006, BB 2006, 2195; v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160; s. dazu auch M 2.1a Ziff. 1 mit Anm. 470 BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1356; kritisch hierzu Hromadka, NZA 2012, 233, 234 f. 471 Rz. 42 ff. 472 Preis/Genenger, NZA 2008, 969; kritisch hierzu Hromadka, NZA 2012, 233, 236. 473 BAG v. 11.4.2006, BB 2006, 2195. 474 Er verhindert regelmäßig die Beschränkung auf den im Arbeitsvertrag genannten Ort der Arbeitsleistung, BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 631; vgl. hierzu Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1285 f.; Salamon/Fuhlrott, NZA 2011, 839; Hromadka, NZA 2012, 233, 238. 475 BAG v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160. 476 BAG v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160, 3165; v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1358; Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 973. Die Beschränkung auf § 106 GewO muss allerdings aus der Klausel heraus erkennbar sein, BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1356. 477 BAG v. 26.9.2012, AP Nr. 22 zu § 106 GewO; v. 13.4.2010, NZA 2011, 64. 478 Vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA 2011, 64; v. 19.1.2011, NZA 2011, 631; Hromadka, NZA 2012, 233, 239. 479 Ebenso Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 975 ff.; einschränkend Hromadka, NZA 2012, 233, 236. 480 BAG v. 23.2.2010, AuR 2010, 180. 481 BAG v. 17.8.2011, NJW 2012, 331; v. 19.1.2011, NZA 2011, 631; v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160, 3166.

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Beweislast dafür, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 106 GewO für die Versetzung vorliegen und die Versetzung sich auch im Übrigen im Rahmen der gesetzlichen, arbeitsvertraglichen und gegebenenfalls kollektivrechtlichen Grenzen hält, trägt der Arbeitgeber.482 Zu Versetzungsklauseln, die die vertragliche Tätigkeit als solche ändern sollen, vgl. oben unter „Änderungsklausel“, Rz. 82a f. – Vertragsstrafe483 130

(1) Vertragsstrafenabreden in formularmäßigen Arbeitsverträgen sind trotz § 309 Nr. 6 BGB grundsätzlich zulässig. Dies folgt aus der Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB.484 Eine solche arbeitsrechtliche Besonderheit ist zB der Ausschluss der Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO, der dem Arbeitgeber im Gegensatz zu anderen Gläubigern die Möglichkeit verwehrt, seinen Primäranspruch durchzusetzen.485

131

(2) Die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenabrede kann sich allerdings aus § 307 BGB ergeben.486 Eine vorformulierte Vertragsstrafenklausel in einem Arbeitsvertrag, die vorsieht, dass bei einer fristlosen Kündigung seitens des Arbeitgebers in Folge eines schuldhaften vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers der Arbeitnehmer eine Zahlung von einem Bruttomonatsgehalt an den Arbeitgeber zu leisten hat, benachteiligt den Arbeitnehmer treuwidrig und ist unwirksam, weil bereits die fristlose Kündigung das Fehlverhalten sanktioniert.487

132

Auch globale Strafversprechen (zB „schuldhaft vertragswidriges Verhalten“488) sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam. Ist eine entsprechend unwirksame Regelung Teil einer umfassenden Vertragsstrafenklausel, die ausdrücklich auch Vertragsstrafen wegen Nichtantritts des Arbeitsverhältnisses oder bei Lösung des Arbeitsverhältnisses wegen Vertragsbruchs vorsieht, so erfasst die Unwirksamkeit der Teilregelung nicht automatisch die anderen Regelungen der Klausel.489 Kann die unwirksame Regelung nämlich herausgestrichen werden und bleibt die restliche Regelung nach dem „Blue-pencil-Test“ (Rz. 40) verständlich, bleibt letztere wirksam.490 Der „gravierende Vertragsverstoß“ kann auch durch in Klammern genannte Beispielaufzählungen konkretisiert werden, so dass klargestellt ist, dass von den Vertragsparteien zB ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot als gravierender Vertragsverstoß angesehen wird.491 Auch muss aus der Vertragsstraferegelung insbesondere beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot hervorgehen, wann ein einzelner Verstoß und wann ein Dauerverstoß vorliegt, und ob die Vertragsstrafe bei jeder Wettbewerbstätigkeit oder nur einmal pro Monat anfällt.492 482 BAG v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160, 3171. 483 Formulierungsvorschlag s. M 3.1, § 15; Günther/Nolde, NZA 2012, 62; Lingemann/Gottschalk, DStR 2011, 774; Winter, BB 2010, 2757. 484 BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89 f.; v. 4.3.2004, NZA 2004, 727. 485 BAG v. 4.3.2004, NZA 2004, 727, 731 f. 486 BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89 f.; v. 4.3.2004, NZA 2004, 727. 487 BAG v. 21.4.2005, BB 2005, 2822. 488 BAG v. 18.8.2005, NZA 2006, 34; v. 21.4.2005, NZA 2005, 1053. 489 BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89 f.; v. 21.4.2005, BB 2005, 2822. 490 BAG v. 21.4.2005, BB 2005, 2822, 2824 mwN. 491 BAG v. 18.8.2005, BB 2006, 720. 492 BAG v. 14.8.2007, DB 2008, 66; Diller, NZA 2008, 574 m. Formulierungsvorschlag.

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Kap. 2

(3) Eine zu hohe Vertragsstrafe in AGB kann wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht gemäß § 343 BGB auf ein angemessenes Maß reduziert werden, sondern ist unwirksam.493

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Eine generelle Höchstgrenze für eine arbeitsvertraglich vereinbarte Vertragsstrafe gibt es nicht.494 In der Regel ist ein Monatsgehalt jedoch als Maßstab geeignet.495 Die Vertragsstrafe darf allerdings für den Fall des Nichtantritts oder vertragswidriger Lösung des Arbeitsverhältnisses nicht höher sein als das Arbeitsentgelt, welches der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses schulden würde.496 Bei verschieden langen Kündigungsfristen scheidet eine geltungserhaltende Reduktion auf Zeiträume, in denen längere Kündigungsfristen gelten, aus.497 Daher ist eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsverdiensten für den Fall vertragswidriger Kündigung unangemessen, wenn der Vertrag zwar nur eine einmalige jährliche Kündigungsmöglichkeit zum 31.7., jedoch mit einer zweimonatigen Frist vorsieht, weil die kürzestmögliche Kündigungsfrist dann zwei und nicht drei Monate beträgt.498 Diese Obergrenze gilt nur dann nicht, wenn das Sanktionsinteresse des Arbeitgebers auf Grund besonderer Umstände den Wert der Arbeitsleistung, der sich in der Arbeitsvergütung bis zur vertraglich zulässigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dokumentiert, typischerweise und generell übersteigt.499

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Unangemessen ist auch eine Klausel, die für jeden Einzelfall eines Wettbewerbsverstoßes eine Vertragsstrafe in Höhe des ein- bis dreifachen Monatsgehalts vorsieht, wobei die genaue Höhe vom Arbeitgeber nach der Schwere des Verstoßes festgelegt wird.500 Das gilt umso mehr, wenn die Vertragsstrafe in erster Linie der bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Arbeitgebers losgelöster Geldforderungen dient.501

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Ferner kann nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg die Höhe der Vertragsstrafe nicht nach der „Bruttomonatsvergütung“ bemessen werden, wenn sich die Vergütung aus einem Festgehalt und einer variablen Umsatzbeteiligung zusammensetzt.502 Insgesamt wird man bei der Vertragsgestaltung mehr als früher darauf achten müssen, dass die Strafe in einem sachgerechten Verhältnis zur Bedeutung des Vertragsverstoßes für den Verwender steht.503

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(4) Ist die Vertragsstrafenregelung im Text nicht hervorgehoben, enthält jedoch der gesamte Vertragstext ein einheitliches Schriftbild und keinerlei Hervorhebungen oder

137

493 494 495 496 497 498 499 500 501 502 503

BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89; v. 4.3.2004, NZA 2004, 727. BAG v. 18.12.2008, DB 2009, 2269; v. 25.9.2008, NZA 2009, 370. So auch die Formulierung in BAG v. 28.5.2009, NZA 2009, 1337. BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89 f.; v. 18.12.2008, DB 2009, 2269; v. 25.9.2008, NZA 2009, 370; wirksame Formulierung bei BAG v. 28.5.2009, NZA 2009, 1337. BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89, 92. BAG v. 25.9.2008, NZA 2009, 370. BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89, 91; v. 18.12.2008, DB 2009, 2269; nach LAG SchleswigHolstein v. 28.2.2012, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 29, kann bei besonderem Sanktionsinteresse auch eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern angemessen sein. BAG v. 18.8.2005, NZA 2006, 34, 37. BAG v. 18.8.2005, BB 2006, 720. LAG Berlin-Brandenburg v. 12.11.2009, GWR 2010, 255. Vgl. LAG Düsseldorf v. 8.1.2003, NZA 2003, 382; ferner BGH v. 3.4.1998, NJW 1998, 2600 unter II.3.b) der Urteilsgründe; OLG Düsseldorf v. 18.10.1991, DB 1992, 86.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Überschriften, und ist die Regelung auch nicht versteckt bei einer anderen Thematik eingeordnet, so ist die Vertragsstrafenregelung nach Auffassung des LAG Schl.Holst. nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.504 – Widerrufsvorbehalt505 138

Ein Widerrufsvorbehalt ist nur wirksam, wenn er Widerrufsgründe und Umfang erkennen lässt, der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25/30 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird.506 Der widerrufliche Teil muss unter 25 % liegen, wenn er im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, ansonsten kann sich der widerrufliche Teil auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes erhöhen.507

139

Die widerrufliche Leistung muss nach Art und Höhe eindeutig sein. Hinsichtlich der Widerrufsgründe ist zumindest die Richtung anzugeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Gründe in der Leistung oder im Verhalten des Arbeitnehmers).508 Allerdings reicht die Klausel, die Überlassung des Dienstwagens könne „aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden“, nicht aus, weil sie einen Widerruf auch aus Marktaspekten oder verstärktem Gewinnstreben heraus ermöglichen würde.509 Die Angabe „wirtschaftliche Verluste“ hingegen reicht als Widerrufsgrund möglicherweise aus.510 Der Grad der Störung (wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, nicht ausreichender Gewinn etc.) muss konkretisiert werden, wenn der Arbeitgeber darauf abstellen will.511 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob bei der Auflistung der Gründe auch nur beispielhaften Aufzählungen, etwa eingeleitet durch „insbesondere“, zulässig sind. In der Entscheidung vom 21.3.2012512 hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Insoweit kann es ratsam sein, besonders wichtige Fälle beispielhaft aufzuzählen.

140

Der Arbeitgeber kann eine Gehaltserhöhung auch im vorformulierten Arbeitsvertrag gemäß einer tariflichen Regelung zusagen unter dem Vorbehalt, dass die tariflichen Entgelterhöhungen keine „strukturelle Änderung“ des Tarifwerks darstellen. Eine solche Klausel verstößt weder gegen die Unklarheitenregel gemäß § 305c Abs. 2 BGB noch gegen § 308 Nr. 4 BGB.513 § 308 Nr. 4 BGB erfasst nicht den Vorbehalt des Verwenders, die eigene Leistung zu erhöhen.514

141

Die Regelung eines Widerrufsvorbehalts in einer Betriebsvereinbarung unterliegt gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, wohl 504 505 506 507 508

512 513 514

LAG Schl.-Holst. v. 2.2.2005, BB 2005, 896. Formulierungsvorschlag bei M 2.2 Ziff. 4 (2). BAG v. 12.1.2005, NZA 2005, 465. BAG v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann. BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 796; BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann. Großzügiger jedoch bei tariflichen Regelungen BAG v. 7.7.2011, ZTR 2011, 678. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 460; Freckmann/Müller, NWB 2011, 2552; Fröhlich, ArbRB 2011, 253; Gaul/Kaul, BB 2011, 181; Hunold, NZA 2010, 1276; kritisch hierzu Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1286. BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 796 f. BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; vgl. dazu Schimmelpfennig, NZA 2005, 603, 607. NZA 2012, 616. BAG v. 9.11.2005, DB 2006, 1061. BAG v. 9.11.2005, DB 2006, 1061.

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509 510 511

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

aber nach § 75 BetrVG.515 Für die Umsetzung gilt gleichfalls die Ausübungskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB.516 Zur Unwirksamkeit der Kombination von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt s. unter „Freiwilligkeitsvorbehalt“ (Rz. 106).

142

– Zielvereinbarung517 Ist vereinbart, dass dem Arbeitnehmer ein Bonus zusteht, wenn er die von den Arbeitsvertragsparteien gemeinsam für eine Zielperiode festgelegten Ziele erreicht, unterliegt die von den Parteien getroffene Zielvereinbarung als Entgeltabrede grundsätzlich keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB.518 Sie muss aber dem Transparenzgebot genügen.

142a

– Zillmerung Voll gezillmerte Versicherungsverträge verstoßen zwar nicht gegen das Wertgleichheitsgebot des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG, können jedoch eine unangemessene Benachteiligung iSd. § 308 BGB darstellen. Die Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten auf fünf Jahre könnte demgegenüber angemessen sein. Eine zu weit gehende Zillmerung führt nicht zur Unwirksamkeit der Entgeltumwandlungsvereinbarung, sondern zu höherer betrieblicher Altersversorgung.519

142b

– Zugangsfiktion Gemäß § 308 Nr. 6 BGB ist eine Klausel, die den Zugang wichtiger Erklärungen des Arbeitgebers (Mahnungen, Kündigungen etc.) fingiert, unwirksam.

143

3. Nachweisgesetz Gemäß § 2 NachwG hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen: – – – –

Name und Anschrift der Vertragsparteien, Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, bei befristeten Arbeitsverhältnissen: vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann, – eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, – Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgeltes und deren Fälligkeit,

515 516 517 518 519

BAG v. 1.2.2006, BB 2006, 1057. BAG v. 1.2.2006, BB 2006, 1057. Formulierungsvorschlag s. M 12.27. BAG v. 12.12.2007, NZA 2008, 409. BAG v. 15.9.2009, DB 2010, 61; vgl. auch Reinhard/Luchtenberg, BB 2010, 1277; Falkner, BB 2011, 2488.

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144

Kap. 2 – – – –

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

vereinbarte Arbeitszeit, Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

145

Gemäß § 2 Abs. 3 NachwG können die Vorgaben zum Arbeitsentgelt, zur Arbeitszeit, zum Erholungsurlaub und zu den Kündigungsfristen auch durch eine Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen und ähnliche Regelungen, die für das Arbeitsverhältnis gelten, ersetzt werden.

146

Besonderheiten gelten bei Auslandseinsatz.520

147

Das NachwG gilt für alle Arbeitsverhältnisse.

148

Eine Verletzung der Nachweispflicht durch den Arbeitgeber berührt die Wirksamkeit des geschlossenen Arbeitsvertrages zwar nicht.521 Sie kann jedoch zu Beweiserleichterungen zu Gunsten des Arbeitnehmers522 führen bis hin zur analogen Anwendung der Beweisvereitelung nach § 444 ZPO523 und zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers.524 Letztere hat das BAG bejaht, wenn eine tarifvertragliche Ausschlussklausel auf Grund Betriebsüblichkeit in dem Betrieb gilt, der Arbeitgeber jedoch entgegen der Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG diese Geltung des Tarifvertrags nicht in den Nachweis aufnimmt. Zwar gilt die Ausschlussklausel auch ohne diese Aufnahme; der Arbeitnehmer hat jedoch einen Schadensersatzanspruch dahin, so gestellt zu werden, als sei er rechtzeitig darauf hingewiesen worden.525 Nimmt der Nachweis bereits auf einen bestimmten Tarifvertrag Bezug, bedarf es der gesonderten Erwähnung der darin geregelten Ausschlussfrist allerdings nicht mehr.526

4. Arbeiter/Angestellte 149

Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten hat auf Grund der Entscheidung des BVerfG v. 30.5.1990527 und der Angleichung der Kündigungsfristen in § 622 BGB durch das am 15.10.1993 in Kraft getretene Kündigungsfristengesetz zu einem 520 Dazu Einf. Kap. 11 Rz. 2. 521 LAG Berlin v. 6.12.2002 – 2 Sa 941/02. 522 So zB die Auslegung einer Stundenlohnabrede als Nettolohnvereinbarung, LAG Köln v. 19.1.2010, AuA 2012, 370. 523 Vgl. Boudon, ArbRB 2006, 155 ff.; Preis, NZA 1997, 10, 13 mwN; LAG Köln v. 9.1.1998, LAGE § 2 NachwG Nr. 4; Hohmeister, BB 1998, 587. 524 BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 1173, 1175; v. 23.1.2002, NZA 2002, 800; ArbG Frankfurt/M v. 25.8.1999, DB 1999, 2316. 525 BAG v. 23.1.2002, NZA 2002, 800. Der Arbeitnehmer muss aber die Kausalität zwischen unterbliebenem Nachweis und eingetretenem Schaden darlegen, es greift dann die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, vgl. BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 1173, 1175. 526 LAG Niedersachsen v. 7.12.2000, NZA-RR 2001, 145; LAG Köln v. 6.12.2000, ZIP 2001, 336; LAG Bremen v. 9.11.2000, NZA-RR 2001, 98; LAG Hamm v. 10.9.1999, MDR 2000, 463; aA LAG Schl.-Holst. v. 8.2.2000, NZA-RR 2000, 196; ErfK/Preis, § 2 NachwG Rz. 25; Koch, FS Schaub, 1998, S. 421, 438. 527 BVerfG v. 30.5.1990, NZA 1990, 721; so auch ausdrücklich BAG v. 10.12.2002, DB 2003, 2018 zur betrieblichen Altersversorgung, Vertrauensschutz des Arbeitgebers für eine Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten bestand danach nur bis zum 30.6.1993.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

erheblichen Teil ihre rechtliche Bedeutung verloren. Eine Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten in der betrieblichen Altersversorgung ist gleichheitswidrig und damit unzulässig, sofern nicht weiter gehende Gründe als nur der bloße Statusunterschied die Ungleichbehandlung rechtfertigen.528 Eine Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten bei der Gewährung von Weihnachtsgeld ist nur bei Vorliegen eines sachlichen Differenzierungsgrundes zulässig. Ein solcher Grund kann zwar das Bedürfnis des Arbeitgebers sein, Angestellte stärker an sich zu binden, das gilt jedoch nur, wenn diese stärkere Bindung der Angestellten einem objektiven wirklichen Bedürfnis entspricht, welches vom Arbeitgeber substantiiert darzulegen ist.529 Allerdings steht den Tarifvertragsparteien bei der Bemessung von Leistungen an Arbeitnehmergruppen wegen Art. 9 Abs. 3 GG eine Einschätzungsprärogative zu.530 Bei einigen Tarifverträgen spielt diese Unterscheidung noch eine Rolle.531. Folgende Kriterien sind für die Unterscheidung maßgeblich: 150

Checkliste: Abgrenzung Arbeiter/Angestellte Arbeiter fi überwiegend körperliche Tätigkeit fi überwiegend ausführende Tätigkeit in der Produktion/Technik fi Ferne zur Unternehmensleitung fi Produktionsbereich fi starke Umgebungseinflüsse Angestellte fi überwiegend geistige, dh. kaufmännische oder büromäßige Tätigkeit fi in Produktion/Technik stärker leitende Tätigkeit fi Nähe zur Unternehmensleitung fi höhere Qualifikation fi geringere Umgebungseinflüsse Angestellte sind zB Kassierer in Selbstbedienungsläden, Krankenschwestern, Musiker, Telefonisten. Arbeiter sind zB Boten, Kellner, Lageristen, Portiers.532

151

5. Tarifbindung Erst wenn feststeht, ob und ggf. welcher Tarifvertrag anwendbar ist, kann auch der Arbeitsvertrag sachgerecht gefasst werden. Bleibt der Arbeitsvertrag hinter den tariflich festgelegten Mindestnormen in einem anwendbaren Tarifvertrag zurück, so gel528 BAG v. 16.2.2010, NZA 2010, 701; v. 23.4.2002, AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 54; v. 10.12.2003, DB 2003, 2018. 529 BAG v. 12.10.2005, DB 2006, 283. 530 BAG v. 16.8.2005, DB 2006, 790, 791; Einzelheiten zur Gleichbehandlung bei PWW/Lingemann, § 611 BGB Rz. 49 ff. 531 ZB der BRTV, ERTV und BAT, vgl. BAG v. 25.8.2010, NJOZ 2011, 812, 814; v. 17.12.2009, NJOZ 2010, 1452. 532 LAG Saarland v. 27.1.1982, BB 1982, 1302, fragwürdig.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

ten die für den Arbeitnehmer günstigeren Tarifnormen (Günstigkeitsprinzip, § 4 Abs. 3 TVG).533 Anwendbar ist der Tarifvertrag, wenn er nach seinem – räumlichen, – betrieblich/fachlichen und – persönlichen Geltungsbereich für das Arbeitsverhältnis einschlägig ist und Tarifbindung besteht. Tarifbindung wiederum besteht, wenn – der Arbeitgeber Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes ist und der Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft, § 3 Abs. 1 TVG (beiderseitige Verbandsmitgliedschaft)534, oder – der Arbeitgeber selbst einen Haus- oder Firmentarifvertrag geschlossen hat und der Arbeitnehmer Mitglied der vertragschließenden Gewerkschaft ist, § 3 Abs. 1 TVG, oder – der Bundesminister für Arbeit und Soziales oder nach § 5 Abs. 6 TVG die entsprechenden obersten Landesbehörden den Tarifvertrag gemäß § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt haben. Dann gilt der Tarifvertrag auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber unmittelbar und zwingend. Die allgemeinverbindlichen Tarifverträge werden nach § 6 TVG bei den Tarifregistern beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales geführt. 153

Ist der Tarifvertrag danach anwendbar, so gelten nach § 4 Abs. 5 TVG seine Rechtsnormen auch nach seinem Ablauf noch so lange weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt worden sind. In diesem „Nachwirkungszeitraum“ ist der Tarifvertrag nicht mehr zwingend, dh. seine Bestimmungen dürfen auch von tarifgebundenen Parteien durch eine einzelvertragliche Abmachung unterschritten werden.535 Ein Tarifvertrag kann auch auf einen anderen Tarifvertrag verweisen, soweit dessen Geltungsbereich mit dem verweisenden Tarifvertrag in einem engen sachlichen Zusammenhang steht, was regelmäßig dann anzunehmen ist, wenn beide Tarifverträge von denselben Tarifvertragsparteien geschlossen worden sind.536 Der tarifvertraglich in Bezug genommene Tarifvertrag gilt nicht als solcher, sondern nur als Teil des verweisenden Tarifvertrags für die Arbeitsvertragsparteien. Jede Änderung des inkorporierten Tarifvertrages steht daher einer Änderung des verweisenden Tarifvertrages gleich, so dass die Nachbindung an den verweisenden Tarifvertrag in dem Moment durch die Nachwirkung ersetzt wird, in dem der inkorporierte Tarifvertrag geändert wird.537

6. Einzelvertragliche Einbeziehung des Tarifvertrages 154

Tarifverträge können auch durch Einzelarbeitsvertrag ganz oder teilweise einbezogen werden, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG. § 622 Abs. 4 BGB bestimmt dies beispiels533 Vgl. BAG GS v. 7.11.1989, DB 1990, 1724. 534 Ausreichend ist auch ein Eintritt des Arbeitnehmers in die tarifschließende Gewerkschaft nach dem Verbandsaustritt des Arbeitgebers während dessen Nachbindung, BAG v. 6.7.2011, NZA 2012, 281. 535 BAG v. 6.7.2011, NZA 2012, 281; v. 23.2.2005, NZA 2005, 1320. 536 BAG v. 22.2.2012, ZTR 2012, 436. 537 BAG v. 22.2.2012, ZTR 2012, 436.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

weise ausdrücklich für die tariflichen Kündigungsfristen, § 4 Abs. 4 EFZG für die tariflichen Berechnungsvorschriften für die Krankenvergütung oder § 13 Abs. 1 Satz 2 BUrlG für tarifliche Urlaubsregelungen. Die vertragliche Inbezugnahme muss allerdings bestimmt und eindeutig sein. Es muss klar ersichtlich sein, auf welchen Tarifvertrag und gegebenenfalls auf welche Bestimmungen im Einzelnen verwiesen werden soll.538 Daneben kann der Tarifvertrag in Bezug genommen werden durch – arbeitsvertragliche Einheitsregelung, – eindeutige Gesamtzusage, – Betriebsvereinbarung für die nicht organisierten Arbeitnehmer. Allerdings gilt dies nach § 77 Abs. 3 BetrVG nicht für Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt sind. Insoweit kann auch nicht auf Entgelttarifverträge verwiesen werden,539 es sei denn, der Tarifvertrag enthält eine Öffnungsklausel. Ist Gegenstand der Betriebsvereinbarung ein Tatbestand zwingender Mitbestimmung nach § 87 BetrVG (insbesondere Fragen der Lohngestaltung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG), so hindert nach hM nur ein tatsächlich bestehender Tarifvertrag den Abschluss einer Betriebsvereinbarung;540 oder – betriebliche Übung.541 Die vertragliche Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen ist nicht an eine Form gebunden. Sie kann sich daher auch aus einer betrieblichen Übung oder konkludentem Verhalten der Arbeitsvertragsparteien ergeben. Sie ist in den Nachweis gemäß NachwG aufzunehmen (vgl. oben Rz. 144 ff.). Die betriebliche Übung kann nur durch Vereinbarung oder Änderungskündigung beendet werden, eine Beendigung durch „negative betriebliche Übung“ gibt es nicht mehr.542 Der Grundsatz der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung führt nicht zur Tarifbindung nicht organisierter Arbeitnehmer, da die Unterscheidung zwischen organisierten Arbeitnehmern und Außenseitern eine sachliche Differenzierung rechtfertigt. Zu Einzelheiten der Wirkung und Auslegung von Bezugnahmeklauseln vgl. oben Rz. 98 ff. sowie M 2.2 Ziff. 5 mit Anmerkungen.

155

7. Arbeitszeit a) Zulässige Arbeitszeit Für die zulässige Arbeitszeit nach dem ArbZG gilt Folgendes:

156

Die werktägliche Arbeitszeit darf die Dauer von acht Stunden nicht überschreiten, § 3 Satz 1 ArbZG, bei sechs Werktagen pro Woche (Montag bis Samstag) somit 538 BAG v. 2.3.1988, DB 1988, 1322; v. 29.7.1986, NZA 1987, 668; LAG Düsseldorf v. 10.8.2011 – 7 Sa 534/11; vgl. auch Jacobs, Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, 1999, S. 177 ff. 539 Fitting, § 77 BetrVG Rz. 67. 540 BAG v. 20.8.1991, DB 1992, 275; v. 24.2.1987, BB 1987, 1246. 541 Vgl. BAG v. 23.1.2002, NZA 2002, 800; v. 19.1.1999, BB 1999, 1388 (LS); allerdings gelten bei Bezugnahme auf Tarifverträge im öffentlichen Dienst Besonderheiten: Im Geltungsbereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes kann eine bloße betriebliche Übung, die eine vertragliche Nebenpflicht betrifft, wegen des Schriftformgebots des § 2 Abs. 2 TVöD (früher § 4 BMT-G II bzw. § 4 II BAT) keinen Anspruch auf die üblich gewordene Leistung begründen, vgl. BAG v. 18.9.2002, NZA 2003, 337. Vgl. auch Betz, BB 2010, 2045. 542 BAG v. 18.3.2009, NZA 2009, 601; v. 25.11.2009, BB 2010, 308; vgl. zur betrieblichen Übung BAG v. 24.3.2010, NZA 2010, 759; Hromadka, NZA 2011, 65; Schneider, DB 2011, 2718; Salamon, NZA 2010, 1272.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

48 Stunden/Woche. Sie kann auf zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 3 Satz 2 ArbZG). Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben, § 5 ArbZG. Nachtarbeit ist nur acht Stunden werktäglich zulässig; bei einer Verlängerung auf zehn Stunden muss sichergestellt sein, dass innerhalb eines Ausgleichszeitraums von einem Monat oder vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 6 Abs. 2 ArbZG). 157

Vor allem durch Tarifvertrag oder durch Betriebsvereinbarung sind nach § 7 ArbZG erhebliche Erweiterungen zulässig: Fällt in die Arbeitszeit regelmäßig oder in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft, so kann die werktägliche Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus verlängert werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 4a ArbZG), wenn die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von 12 Kalendermonaten nicht überschreitet (§ 7 Abs. 8 ArbZG). Der Ausgleichszeitraum kann ausgedehnt werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 4b ArbZG). In Schicht- und Verkehrsbetrieben können Kurzpausen von weniger als 15 Minuten zugelassen werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG). Auch die Ruhezeit kann um bis zu zwei Stunden gekürzt werden, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung innerhalb eines festzulegenden Zeitraums ausgeglichen wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG). Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, fällt sein Betrieb jedoch in den räumlichen, betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich eines entsprechenden Tarifvertrages, so kann er dessen Arbeitszeitregelungen durch Betriebsvereinbarung oder – soweit ein Betriebsrat nicht besteht – auch einzelvertraglich in Bezug nehmen. Diese Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer bedarf der Schriftform. Enthält der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel, kann der nicht tarifgebundene Arbeitgeber in seinem Betrieb durch Betriebsvereinbarung davon auch dann Gebrauch machen, wenn sein Betrieb nicht in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fällt (§ 7 Abs. 3 ArbZG).

158

Auch das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung (§ 9 ArbZG) gilt nicht uneingeschränkt543, wobei 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei bleiben müssen und Sonntagsarbeit wie Feiertagsarbeit durch einen Ersatzruhetag ausgeglichen werden muss (§ 11 ArbZG). Auch hier können in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung Ausgleichszeiträume geändert werden, § 12 ArbZG. Zur Form der Inbezugnahme von Tarifverträgen gilt das zu § 7 ArbZG Gesagte (vgl. § 7 Abs. 3, § 12 Satz 2 ArbZG). Die befristete Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit ist auch an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen (vgl. Einf. Kap. 6 Rz. 23). b) Verstöße gegen das ArbZG

159

Verstöße gegen das ArbZG begründen gegenüber einem privatrechtlichen Arbeitgeber keine Vergütungsansprüche544, anders aber gegenüber einem öffentlichrechtlichen Arbeitgeber545. Dieser kann den Schaden durch Gewährung von Freizeit ausgleichen; eine Verpflichtung dazu besteht jedoch nur für die Zeiträume ab Antragstel543 Vgl. hierzu Preis/Ulber, NZA 2010, 729. 544 BAG v. 24.3.2011, NJOZ 2011, 1589. 545 Vgl. EuGH v. 25.11.2010, NZA 2011, 53 – Fuß.

100 Lingemann

M 2.1a

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

lung. Die zu viel geleistete Arbeit ist dabei in vollem Umfang auszugleichen, insbesondere kann für zu viel geleisteten Bereitschaftsdienst keine Ermäßigung erfolgen546. c) Bereitschaftsdienst Wie auch § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG klarstellt, zählt der Bereitschaftsdienst zur Arbeitszeit547; Zeitzuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit sind auch für diese Zeiten zu zahlen.548 Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsort gilt als Arbeitszeit und ggf. als Überstunden, Bereitschaftsdienst „in Form ständiger Erreichbarkeit“ hingegen nicht.549 Umkleidezeiten und durch das Umkleiden veranlasste innerbetriebliche Wegezeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss.550

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d) Überstunden Überstunde ist jede Arbeitsstunde, welche die tariflich, betrieblich oder arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitszeit im Rahmen der gesetzlichen Höchstarbeitszeit überschreitet. Demgegenüber ist Mehrarbeit die die gesetzliche Arbeitszeit gemäß § 3 ArbZG überschreitende Arbeitszeit. Umstritten ist, in welchem Umfang der Arbeitgeber berechtigt ist, Überstunden anzuordnen und inwieweit sie pauschal abgegolten werden können. Dazu im Einzelnen Einführung, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 112 „Mehrarbeitsklausel/Überstundenpauschale“.

161

546 BVerwG v. 29.9.2011, BVerwGE 140, 351. 547 ErfK/Wank, § 2 ArbZG Rz. 23 ff.; vgl. auch BAG v. 16.3.2004, NZA 2004, 927; v. 23.6.2010, NZA 2010, 1081; zur Abgrenzung von Bereitschaftsdienst und Überstunden BAG v. 25.4.2007, EzA-SD 2007, Nr. 19.9; vgl. auch Falder, NZA 2010, 1150. 548 BAG v. 28.7.2010, NZA-RR 2011, 28. 549 EuGH v. 3.10.2000, NZA 2000, 1227 – Simap; v. 9.9.2003, NZA 2003, 1019 – Jaeger; v. 1.12.2005, NZA 2006, 89, 90 – Dellas; sog. Rufbereitschaft. 550 BAG v. 19.9.2012, NZA-RR 2013, 63.

II. Muster

u

Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag1 1. Art und Ort der Tätigkeit2 (1) Der Arbeitnehmer wird ab . . . als . . . in . . . eingestellt.

1 Mangels Tarifvertrag müssen hier auch die Regelungen in den Vertrag aufgenommen werden, die sonst Gegenstand des Tarifvertrages sind. 2 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 4 und 5 NachwG. Zu den Besonderheiten bei Compliance-Beauftragten Meier, NZA 2011, 779; Krieger/Günther, NZA 2010, 367; zu Chefarztverträgen Münzel, NZA 2011, 886.

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2.1a

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.1a

(2) Der Arbeitgeber behält sich3 unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers4 die Zuweisung eines anderen gleichwertigen Arbeitsgebietes vor.5, 6 Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Arbeitsgebiete.

3 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 NachwG iVm. § 106 GewO. Über die Versetzungsklausel hinaus kann eine andere Tätigkeit nur im Wege der Änderungskündigung zugewiesen werden. Je weiter die Versetzungsklausel reicht, desto weiter ist auch der Kreis vergleichbarer Arbeitsplätze im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. BAG v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160; v. 15.8.2002, NZA 2003, 430; v. 29.3.1990, DB 1991, 173; s. dazu Fn. 6). Auch muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen der Versetzungsklausel gegebenenfalls versetzen, um einen leistungsgerechten Arbeitsplatz für einen leistungsgeminderten Arbeitnehmer zu schaffen (BAG v. 29.1.1997, BB 1997, 894; krit. Lingemann, BB 1998, 1106). Zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit von Konzernversetzungsklauseln s. Rz. 110b sowie Fn. 10. 4 Zur Versetzungsklausel vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“, Rz. 129; § 308 Nr. 4 BGB ist nicht auf Versetzungsklauseln in Arbeitsverträgen anzuwenden (BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1149; v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160), da diese Vorschrift nur ein einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich der Leistung des Verwenders – also des Arbeitgebers – erfasst, nicht dagegen hinsichtlich der ihm geschuldeten Gegenleistung, der Arbeitsleistung. Ist die Versetzungsklausel § 106 Satz 1 GewO nachgebildet („unechte Direktionsrechtserweiterung“, vgl. Preis/Genenger, NZA 2008, 969), stellt sie auch keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, sofern sie sicherstellt, dass der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt („billiges Ermessen“; BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1149). Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt idR nicht vor; denn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses kann die Klausel kaum konkretisiert werden, dies geschieht vielmehr erst durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Als Besonderheit des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB unterliegt die Zulässigkeit der Versetzung damit in erster Linie einer Ausübungskontrolle (BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1358 f.). 5 Die Klausel hat das BAG – ohne die Einschränkung auf ein „gleichwertiges“ Arbeitsgebiet – gebilligt (v. 11.4.2006, BB 2006, 2195), da sie materiell § 106 Satz 1 GewO nachgebildet ist. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn auch eine Änderung der Art der Tätigkeit vorbehalten bleiben soll. Dann würde es sich um eine Änderungsklausel handeln, in die auch aufgenommen werden muss, dass nur gleichwertige Tätigkeiten zugewiesen werden können (BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355). Auf Grund dessen ist es ratsam, diese Einschränkung auch in reine Versetzungsklauseln aufzunehmen. Zu Einzelheiten s. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“ und „Änderungsklausel“, Rz. 82a ff., 129 ff. 6 Als Besonderheit des Arbeitsrechts wird das Arbeitsverhältnis mit einer weiten Versetzungsklausel sicherer, zum einen, weil sich der Kreis der Sozialauswahl erweitert, zum anderen, weil auch anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten ggf. in größerem Umfang zu prüfen sind (BAG v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160; Hromadka, FS Dieterich, 1999, S. 270; Schnitker/Grau, BB 2002, 2120, 2124; vgl. zu den Auswirkungen der konzernweiten Versetzungsklausel insoweit BAG v. 21.1.1999, DB 1999, 806; dazu Lingemann/von Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161; diese Besonderheit steht uE auch der Unwirksamkeit einer Konzernversetzungsklausel nach § 309 Nr. 10 BGB entgegen; hier steht eine gerichtliche Klärung aber aus). Gerade ein solcher angemessener Ausgleich für eine möglicherweise belastende Regelung ist bei der Bewertung der Unangemessenheit einer Klausel auch nach allgemeinen AGB-rechtlichen Grundsätzen zu berücksichtigen (vgl. BAG v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160; BGH v. 3.11.1999, NJW 2000, 1110). Sollte eine zu weite Versetzungsklausel dennoch unwirksam sein, so ist fraglich, wie sich diese Unwirksamkeit auf die Sozialauswahl auswirkt. Der Arbeitgeber wird idR im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Klausel einwenden. Damit würde er sich allerdings auf den eigenen Rechtsverstoß berufen, was im Grundsatz treuwidrig ist (vgl. Einf. Rz. 14 – keine Klauselkontrolle zu Gunsten des Verwenders, BAG v. 27.10.2005, NZA 2006, 257). UE ist dies im Rahmen der Sozialauswahl jedoch ausnahmsweise zulässig, da die Sozialauswahl nicht nur das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft, sondern auch das Verhältnis zu Dritten, nämlich zu anderen vergleichbaren Arbeitnehmern.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

oder7 (2) Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Aufgabe betrauen, ihn an einem anderen Ort8 sowie vorübergehend auch bei einem anderen Konzernunternehmen einsetzen. oder9 (2) Der Arbeitgeber behält sich vor, den Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Tätigkeit zu betrauen. Der Vorbehalt erstreckt sich auch auf eine Beschäftigung an einem anderen Ort oder bei einer Tochtergesellschaft des Arbeitgebers.10 oder11 (2) Der Arbeitgeber behält sich vor, ohne dass es einer Kündigung bedarf, dem Arbeitnehmer innerhalb des Unternehmens eine andere, seiner Ausbildung und beruflichen Entwicklung oder vorherigen Tätigkeit entsprechende Tätigkeit zu übertragen, soweit dies mit einem Wohnungswechsel nicht verbunden ist. oder12 (2) Der Arbeitgeber behält sich das Recht vor, den Arbeitnehmer im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns [ . . .] entsprechend seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden seine persönlichen Belange angemessen berücksichtigt.

7

8

9 10

11 12

Sie können nicht mit Hilfe einer unwirksamen Versetzungsklausel in die Sozialauswahl einbezogen werden (so auch Gehlhaar, NJW 2010, 2550). Auch die nachfolgende Klausel hat das BAG (v. 13.3.2007, AP BGB § 307 Nr. 26, Rz. 18) – auch hier ohne die Beschränkung auf eine gleichwertige Aufgabe – gebilligt. Sie umfasst auch eine Konzernversetzung, über die das BAG aber nicht entschieden hat, s. auch Anmerkungen zur weiteren Alternative, Fn. 10. Bei der Versetzung an einen anderen Ort über den Betrieb hinaus hat das BAG die Angabe der Gründe oder eines maximalen Entfernungsradius für wünschenswert, jedoch nicht für zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gehalten (so BAG v. 13.4.2010, NJOZ 2010, 2625; vgl. ferner BAG v. 26.9.2012, DB 2013, 350; v. 13.6.2012, NZA 2012, 1154; v. 19.1.2011, NZA 2011, 631). Die Klausel ist in BAG v. 13.3.2007, AP BGB § 307 Nr. 26, zwar nicht wörtlich, aber sinngemäß wiedergegeben (Rz. 17) und dürfte nach den Entscheidungsgründen wohl gleichfalls zulässig sein. Ob auch die Konzernversetzung zulässig ist, ohne dass dafür nähere Gründe angegeben werden müssen (aA wohl Dzida/Schramm, BB 2007, 1221, 1227 mwN) ist offen, denn im konkreten Fall kam es nicht auf die Wirksamkeit der Konzernversetzung, sondern nur auf die räumliche Versetzung innerhalb des Betriebs oder Unternehmens an, insoweit war nach dem „blue pencil test“ (vgl. Einf. Rz. 40) die Wirksamkeit der Konzernversetzungsklausel nicht zwingend zu prüfen (ebenso BAG v. 13.4.2010, NJOZ 2010, 2625, 2626). Diese Klausel hat das BAG mit Urteil v. 3.12.2008, AP BGB § 307 Nr. 42, gebilligt, obwohl darin die Gleichwertigkeit der Verweisungstätigkeit nicht ausdrücklich genannt ist. Diese Klausel hat das BAG im Urteil v. 13.4.2010, NJOZ 2010, 2625 hinsichtlich der Versetzung an einen anderen Arbeitsort gebilligt; ob die Konzernversetzung wirksam war, blieb offen, die verbleibende Regelung hielt aber dem „blue pencil test“ stand. Die Regelung zum Arbeitsort in diesem Vertrag lautete im Wesentlichen: „1. Beginn und Inhalt des Arbeitsverhältnisses. (1) Der Arbeitnehmer wird ab 1.7.2000 als Manager für den Bereich TLS in der Niederlassung des Arbeitgebers in Bielefeld eingestellt“.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.1a

oder13 (2) Das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung richtet sich nach § 106 GewO. 2. Probezeit und Vertragsdauer (1) Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit.14 Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.15 oder (1) Es wird zunächst ein befristetes Probearbeitsverhältnis16 vereinbart; dieses endet am . . ., ohne dass es einer Kündigung bedarf. Das Probearbeitsverhältnis kann beiderseits mit einer Frist von . . . zum . . . vorzeitig gekündigt werden. Der Arbeitgeber wird den Arbeitnehmer spätestens . . . vor Ablauf darüber informieren, ob die Fortsetzung der Beschäftigung als (unbefristetes) Arbeitsverhältnis beabsichtigt ist. Wird die Beschäftigung als (unbefristetes) Arbeitsverhältnis fortgesetzt, so kann das Arbeitsverhältnis mit gesetzlicher Kündigungsfrist gekündigt werden.17 (2) Das Arbeitsverhältnis endet spätestens, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die für ihn maßgebliche Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht (zur Zeit des Vertragsabschlusses das 67. Lebensjahr).18

13 § 106 GewO gilt wohl auch, wenn er, anders als mit nachstehender Klausel, nicht ausdrücklich vereinbart ist. Wir halten jedoch die zumindest klarstellende Aufnahme für ratsam. Zudem ist eine solche Klausel nur dann kontrollfrei, wenn die Beschränkung auf den Regelungsgehalt des § 106 GewO aus ihr deutlich hervorgeht, vgl. BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355, 1356. Dies ist wohl so zu verstehen, dass bei einer unwirksamen Versetzungsklausel auch eine Versetzung nach § 106 GewO nicht mehr in Betracht kommt. 14 Wird keine Probezeit vereinbart, besteht trotzdem während der ersten sechs Monate kein Kündigungsschutz, § 1 Abs. 1 KSchG. Die Vereinbarung einer Probezeit dient daher nur dazu, für diese Zeit bis maximal sechs Monate die kürzere Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB anzuwenden anstelle der Mindestkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gemäß § 622 Abs. 1 BGB. Soll die Kündigungsfrist nicht entsprechend verkürzt werden, so ist der Hinweis auf die Probezeit im Vertrag überflüssig. Umgekehrt kann die Sechs-Monats-Frist des § 1 Abs. 1 KSchG nicht vertraglich verlängert werden. Zulässig ist aber der Abschluss eines Aufhebungsvertrages über die Probezeit hinaus – im Fall des BAG vier Monate – mit Wiedereinstellungszusage für den Fall der Bewährung (M 6.1.8; BAG v. 7.3.2002, DB 2002, 1997; Lembke, DB 2002, 2648). 15 Formulierungsvorschlag zum Kündigungsausschluss vor Dienstantritt s. M 3.1, § 16 (1) Satz 2 m. Anm.; im Einzelnen s. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kündigungsausschluss“, Rz. 111. 16 S. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Probezeitvereinbarung“, Rz. 119a. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG ist die Erprobung ein Sachgrund für eine Befristung; die Dauer wird sich jedoch an sechs Monaten orientieren müssen, sofern nicht Besonderheiten der Tätigkeit oder des Arbeitnehmers eine längere Erprobungszeit erfordern (vgl. BAG v. 2.6.2010, NZA 2010, 1293); Einzelheiten zur Erprobung als Befristungsgrund s. Einf. Kap. 6 Rz. 15 f. 17 Für den Arbeitgeber richtet sich die Kündigungsfrist gemäß § 622 BGB nach der Beschäftigungsdauer. Entgegen § 622 Abs. 2 BGB müssen für die Berechnung der Beschäftigungsdauer auch solche Zeiten mitgerechnet werden, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen; § 622 Abs. 2 BGB bzw. darauf verweisende Tarifverträge sind unionsrechtswidrig (EuGH v. 19.1.2010, NZA 2010, 85 – Kücükdeveci; BAG v. 29.9.2011, DB 2012, 807).

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M 2.1a

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

3. Arbeitszeit, Kurzarbeit, Freistellung (1) Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 40 Stunden.19 Ihre Lage richtet sich nach der betrieblichen Einteilung.20 oder (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 40 Stunden/Woche. Sie kann aus betrieblichen Gründen auf mehrere Wochen ungleichmäßig verteilt werden, jedoch nur so, dass in . . . zusammenhängenden Wochen der Ausgleich erreicht wird.21

18 Regelungen, nach denen das Arbeitsverhältnis am Ende des Monats endet, in dem der Arbeitnehmer das gesetzliche Rentenalter erreicht, sind sowohl nach Art. 12 GG als auch nach § 14 Abs. 1 TzBfG wirksam und auch nicht AGB- oder AGG-widrig (EuGH v. 12.10.2010, NZA 2010, 1167 – Rosenbladt m. Anm. Fischer, FA 2011, 103; BAG v. 27.7.2005, NZA 2006, 37), vgl. im Einzelnen Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Altersgrenze“, Rz. 86. Zu Alternativen und Erweiterungen sowie der Vereinbarkeit einer solchen Klausel mit dem AGG vgl. ferner M 3.1 bei § 16 (3). 19 Die Dauer der Arbeitszeit ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 NachwG im Nachweis schriftlich niederzulegen. Sie unterliegt der Transparenzkontrolle; bei Fehlen einer Teilzeitvereinbarung wird im Zweifel ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet (BAG v. 21.6.2011, NZA 2011, 1274; kritisch Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1284 f.). Allein der faktische Einsatz als Vollzeitkraft bedeutet jedoch nicht die konkludente Vereinbarung einer Vollzeitbeschäftigung (BAG v. 24.6.2010, NJOZ 2011, 275). Die Arbeitszeit steht nicht zur freien Disposition des Arbeitgebers; eine Klausel, die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, einseitig die Arbeitszeitdauer zu verändern, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn die vom Arbeitgeber abrufbare über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinaus gehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit beträgt (BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423; Bestätigung durch BVerfG v. 23.11.2006, NZA 2007, 85; zustimmend Preis, NZA 2006, 632; vgl. dazu Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238; im Einzelnen Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89). Auch eine Klausel, die den Arbeitnehmer verpflichtet, „im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten“, ist intransparent und damit unwirksam, da sie nicht regelt, ob die durchschnittliche Arbeitszeit monatlich, jährlich oder sogar über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses zu ermitteln ist (BAG v. 21.6.2011, NZA 2011, 1274). Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit allerdings nicht ausdrücklich geregelt, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart (BAG v. 15.5.2012 – 10 AZR 325/12, PM 34/13). 20 Vgl. BAG v. 8.10.2008 – 5 AZR 155/08; eine genaue Regelung der Lage der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag ist aus Arbeitgebersicht nicht sinnvoll. Die Festlegung der Lage der Arbeitszeit gehört zum Kernbereich des Direktionsrechtes des Arbeitgebers (BAG v. 17.7.2007, NZA 2008, 118), so dass eine vertragliche Regelung dieses beschränken würde; allerdings ist § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2 BetrVG zu beachten. Auch eine langjährig unveränderte Arbeitszeit führt nicht zu einer Konkretisierung und damit Beschränkung des Weisungsrechts für die Zukunft; auch die Übertragung von Mehrarbeit über mehrere Jahre begründet daher für sich alleine noch keine dauerhafte Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit (BAG v. 22.4.2009, DB 2009, 1652; v. 11.10.1995, DB 1996, 834; aA wohl ArbG Freiburg v. 15.9.1987, DB 1988, 184; BAG v. 19.6.1985, DB 1986, 132). Unterlässt der Arbeitgeber allerdings eine Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage, kommt er ohne entsprechendes Angebot des Arbeitnehmers mit Ablauf eines jeden Arbeitstages in Annahmeverzug, soweit er die Sollarbeitszeit nicht ausschöpft (BAG v. 26.1.2011, NZA 2011, 640; zur Möglichkeit, den Annahmeverzug für diesen Fall vertraglich auszuschließen, vgl. Zaumseil, ArbRB 2011, 222; Richter/Lange, NZA-RR 2012, 57). Für Sonntagsarbeit empfiehlt sich eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag, die in Ziff. 4 enthalten ist. 21 Beachte aber § 3 ArbZG.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.1a

(2) Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen,22 wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III).23 Dabei ist eine Ankündigungsfrist von drei Wochen einzuhalten.24 Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in Ziff. 5 geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit. (3) Nach Ausspruch einer Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge und Anrechnung von Urlaub und Arbeitszeitguthaben von der Arbeitsleistung freizustellen, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer den Vertrag in grober, das Vertrauen beeinträchtigender Weise verletzt (zB durch Konkurrenztätigkeit, Weitergabe von Interna) oder der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann (zB wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes).25 4. Mehrarbeit, Überstunden etc.26 (1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet27, auf Anordnung des Arbeitgebers28 Mehrarbeitsund Überstunden bis zu . . . Stunden/Monat29, höchstens jedoch in gesetzlich zulässi22 Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit nur auf Grund einer kollektiven oder einzelvertraglichen Vereinbarung einführen; eine einseitige Einführung mit Hilfe seines Direktionsrechts ist nicht möglich, dann bedarf es zur Arbeitszeitverkürzung einer Änderungskündigung (BAG v. 14.2.1991, AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 4). Im Einzelnen Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, Rz. 111a. 23 Nach vordringender Auffassung muss der Arbeitnehmer gemäß der Rechtsprechung zum Widerrufsvorbehalt (Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 111a, 138 f.) auch bei der Kurzarbeitsklausel „wissen, was auf ihn zukommt“. Daher sind hier die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit auf die Berechtigung zum Bezug von Kurzarbeitergeld beschränkt. Eine voraussetzungslose Kurzarbeitsklausel wird zT als unbillige Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 BGB angesehen (vgl. Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664; Bonanni/Naumann, DStR 2009, 1374, 1375; Groeger/Sadtler, ArbRB 2009, 117, 118). 24 Vgl. auch Groeger/Sadtler, ArbRB 2009, 117, 118. 25 Bei der Angemessenheitskontrolle einer Freistellungsklausel im Formularvertrag ist der allgemeine Beschäftigungsanspruch zu berücksichtigen; aus diesem Grund empfiehlt es sich, die sachlichen Gründe, die zu einer Freistellung berechtigen, in der Klausel aufzuführen (Brachmann/Diepold, AuA 2009, 508; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Preis/Preis, II F 10 Rz. 25, 29a; s. unter Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“ Rz. 103). Zu einer Alternativformulierung mit weiteren Regelungen und Ergänzungen s. M 3.1 § 16 (6). 26 Vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Überstunden“, Rz. 127 sowie eingehend Bauer/ Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986 ff. 27 Die Regelung zur Pauschalabgeltung von Überstunden unterliegt als Hauptleistungsabrede nicht der Inhaltskontrolle. Ob sich das ändert, wenn der Vertrag auch eine Anordnungsbefugnis vorsieht, ist offen (dagegen Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986 ff.). Ohne Regelung einer Anordnungsbefugnis ist der Arbeitnehmer allerdings nicht zur Leistung von Überstunden verpflichtet. Insoweit muss der Arbeitgeber abwägen, ob er das Risiko in Kauf nimmt, dass ein Arbeitnehmer keine Überstunden leistet, oder das Risiko, dass bei entsprechender Vereinbarung die Pauschalabrede der Inhaltskontrolle unterfällt. Vorliegend sind Anordnungsbefugnis und Vergütung streng getrennt, möglicherweise scheidet dann eine Inhaltskontrolle der Vergütungsregelung aus (so Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986 ff.). 28 Vgl. EuGH v. 8.1.2001, NZA 2001, 381 – Lange; ob und ggf. inwieweit die Gründe für die Anordnung von Überstunden angegeben werden müssen, ist umstritten, s. dazu Einf., AGBKlauselkontrolle von A–Z, Rz. 127, „Überstunden“.

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Kap. 2

gem Umfang, zu leisten. Darüber hinaus ist er verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Nacht-, Schicht-, Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten. Das gilt auch für Geschäftsreisen. evtl. Auch wenn der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers wiederholt Mehrarbeits- oder Überstunden leistet, bleibt die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit im Übrigen unverändert. Aus der wiederholten Anordnung von Mehrarbeits- und/oder Überstunden entsteht kein Anspruch auf deren künftige Anordnung oder entsprechende Vergütung.30 evtl. (2) Mehrarbeits- und Überstunden werden durch Freizeitausgleich mit dem Faktor 1,25 abgegolten.31 Soweit man auf dem Standpunkt steht, dass die Gründe angegeben werden müssen, könnte die Klausel lauten wie folgt: „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers bei betrieblichem Bedarf Mehrarbeit/Überstunden bis zu den Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes in seiner jeweils gültigen Fassung zu leisten. Für Teilzeitbeschäftigte gilt diese Regelung anteilig entsprechend. Betriebliche Bedarfe im Sinne dieser Klausel liegen vor bei Arbeitsmehrbedarfen – zur Einhaltung von Fertigstellungsterminen, Fristen etc. – zur Wahrnehmung von Terminen, die aufgrund Vorgaben Dritter (Kunden, Lieferanten o.Ä.) oder der Verfügbarkeit anderer Mitarbeiter Mehrarbeit/Überstunden bedingen; – zur Abdeckung von vorübergehenden Arbeitsspitzen; – zur Abdeckung von sonstigem nicht planbaren Personalbedarf, insbesondere in Vertretungssituationen; – im Falle sonstiger betrieblicher Erfordernisse, die im Einzelfall auch unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers die Anordnung vorübergehender Mehrarbeit/Überstunden rechtfertigen“. (Vorschlag von Chwalisz/Salamon auf der Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht 2013; ähnlich Salamon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720). UE bedarf es der Angabe von Gründen nicht. Bei Versetzungsklauseln verlangt das BAG wegen der erforderlichen Flexibilität und Nichtvorhersehbarkeit von Gründen für eine Versetzung keine Angabe von Gründen. Die gleichen Erwägungen gelten bei Überstunden umso mehr, denn sie decken regelmäßig einen aus verschiedensten Gründen und häufig nicht planbaren Mehrbedarf an Arbeit ab. Auch die Klausel belegt letztlich, dass eine Aufzählung von Gründen keine zusätzliche Vorhersehbarkeit für den Arbeitnehmer bringt. 29 Eine Beschränkung der Überstundenanzahl ist ratsam. Maßgeblich für die Höhe ist, ob es sich um eine Arbeitsabruf-Klausel (dazu BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423) oder um eine Überstunden-Klausel handelt. Während erstere einen plan- und vorhersehbaren, jedoch unter Umständen schwankenden Personalbedarf decken soll, geht es bei letzterer um einen besonderen, unvorhergesehenen Umstand, der vorübergehend längere Arbeitszeit erfordert (BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423; Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238, 242). Bei einer Arbeitsabrufklausel gilt die Grenze von 25 % bzw. 30 % (vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89), bei einer Überstundenregelung wie hier in Ziff. 4 des Musters dürfte ua. wegen der vorübergehenden Natur der Mehrarbeit/Überstunden auch eine größere Ausdehnung zulässig sein. Zu den Anforderungen des ArbZG Einf. Rz. 156 ff. 30 Die Klausel dient dazu, eine entsprechende betriebliche Übung oder Konkretisierung zu vermeiden; zurückhaltend zumindest gegenüber einer konkludenten Vertragsänderung bei Mehrleistung BAG v. 22.4.2009, DB 2009, 1652; vgl. auch Groeger/Sadtler, ArbRB 2009, 117, 120 sowie Fn. 19. 31 Im Vertrag für gewerbliche Arbeitnehmer ist eine Pauschalabgeltung für Überstunden eher ungewöhnlich, so dass sie hier nicht vorgesehen wurde. Ein Formulierungsvorschlag findet sich in M 3.1, § 3 (2).

Lingemann 107

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

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oder (2) Der Arbeitgeber zahlt für jede geleistete Mehrarbeits- oder Überstunde einen Zuschlag von 25 % zu dem Arbeitsentgelt nach Ziff. 5.32 Ziff. 5 Abs. 2 bleibt unberührt. oder (2) Die ersten 2033 Über- und Mehrarbeitsstunden im Monat sind durch die Vergütung gemäß Ziff. 5 Abs. 1 abgegolten.34 Darüber hinausgehende Über- und Mehrarbeitsstunden werden durch Freizeitausgleich mit dem Faktor . . . abgegolten. 5. Vergütung, sonstige Leistungen (1) Der Arbeitnehmer erhält folgende Grundvergütung und folgende Zuschläge:35 – Grundvergütung in Höhe von Euro . . ./Monat – Zuschläge für 1. Nachtarbeit in Höhe von . . . % pro Stunde, wobei Nachtarbeit die zwischen 23.00 und 6.00 Uhr geleistete Arbeit ist. 2. Wechselschicht in Höhe von Euro . . . je Schicht. 3. Sonn- und Feiertagsarbeit in Höhe von . . . % pro Stunde. 4. Arbeit an Samstagen in Höhe von . . . % pro Stunde. (2) Treffen mehrere Zuschläge zusammen, wird nur der höchste Zuschlag gezahlt. (3) Grundvergütung und Zuschläge sind fällig jeweils zum 3. Arbeitstag des Folgemonats. (4) Im Falle des Verzuges sind Zinsen nicht aus dem Bruttoentgelt, sondern aus dem Nettoentgelt geschuldet.36 (5) Ansprüche auf Arbeitsentgelt dürfen nicht abgetreten oder verpfändet werden.37 Bei Pfändungen von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt werden Euro 2,50 pro Pfändung, 32 Überstunden sind nicht zwingend gesondert zu vergüten (Einf. Rz. 127). Gerade bei Verschränkung von arbeitszeitbezogen und arbeitszeitunabhängig vergüteter Arbeitsleistung bedarf es einer ausdrücklichen Regelung (BAG v. 27.6.2012, NZA 2012, 1147; v. 21.9.2011, NZA 2012, 145). Im Übrigen kommt es auf die objektive Vergütungserwartung an (BAG v. 27.6. 2012, NZA 2012, 1147 mit Anm. Bauer, FD-ArbR 2012, 338218; v. 22.2.2012, NZA 2012, 861). 33 Die Anzahl der pauschal abzugeltenden Überstunden muss im Vertrag genannt werden (BAG v. 1.9.2010, DB 2011, 61). 34 Diese pauschale Abgeltung dürfte zulässig sein (16.5.2012, NZA 2012, 908, 909; v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335). Bezieht man allerdings die gesamte Vergütung – also auch etwaige Sonderzahlungen – in die Pauschalabgeltung ein, so gelten diese wahrscheinlich als Vergütungsbestandteil mit der Folge, dass erhebliche Einschränkungen bei Bindungsklauseln besteht, Einzelheiten s. AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklauseln“, Rz. 100 ff. 35 Zu Einzelheiten der Vergütung, insbesondere auch zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten vgl. Einf. Kap. 12 Rz. 5 ff. und auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. sowie „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. 36 Gemäß BAG v. 7.3.2001, NZA 2001, 1195 sind Verzugszinsen aus dem Bruttolohn geschuldet. Eine abweichende Vereinbarung hat das BAG allerdings nicht ausdrücklich ausgeschlossen; die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung ist daher offen. 37 Die Abtretung von Lohnforderungen kann nach § 399 BGB wirksam ausgeschlossen werden mit der Folge, dass sie auch gegenüber dem Abtretungsempfänger (absolut) unwirksam ist. Dann ist auch eine Verpfändung unwirksam (§ 1274 Abs. 2 BGB). Ein solcher Ausschluss findet sich häufig in Verträgen mit gewerblichen Arbeitnehmern, seltener in Verträgen mit Führungskräften. Zahlreiche Lohnpfändungen oder Abtretungen können eine Kündigung rechtfer-

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Euro 2,50 für jedes zusätzliche Schreiben sowie Euro 1,– je Überweisung vom Lohn einbehalten.38 Dies gilt nicht, soweit dadurch der unpfändbare Teil des Lohns geschmälert wird.39 Dem Arbeitnehmer bleibt der Nachweis, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale ist, vorbehalten.40 6. Arbeitsunfähigkeit Der Arbeitnehmer zeigt jede Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich der Personalleitung an. evtl. Er weist sie binnen zwei Arbeitstagen41 durch ärztliches Attest nach, dasselbe gilt bei Folgeerkrankungen.42 7. Urlaub Der Arbeitnehmer erhält kalenderjährlich einen Erholungsurlaub von . . . Arbeitstagen.43

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tigen, wenn sie einen derartigen Arbeitsaufwand des Arbeitgebers verursachen, dass sie bei objektiver Beurteilung wesentliche Störungen im Arbeitsablauf – etwa in der Lohnbuchhaltung oder Rechtsabteilung – oder in der betrieblichen Organisation zur Folge haben (BAG v. 4.11.1981, DB 1982, 498; LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237). Zuvor muss der Arbeitnehmer jedoch abgemahnt worden sein (LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237). Bei besonderer Vertrauensstellung (zB Kassierer, Buchhalter) kann auch schon bei geringeren Beeinträchtigungen eine Kündigung in Betracht kommen (LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237; LAG Rh.-Pf. v. 18.12.1978, EzA KSchG § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5). Auch wenn die Abtretung und Verpfändung vertraglich ausgeschlossen ist, hindert dies Gläubiger nicht, im Wege der Lohnpfändung auf das Arbeitseinkommen zuzugreifen (teilweise unpfändbar sind allerdings Ansprüche auf Weihnachtsvergütungen, vgl. BAG v. 14.3.2012, NZA 2012, 1246). Daher empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, zumindest für diesen Fall eine Kostenregelung zu vereinbaren. Ohne ausdrückliche vertragliche Regelung besteht kein Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung der durch Gehaltspfändungen entstehenden Kosten (BAG v. 18.7.2006, DB 2007, 227), der Anspruch kann auch nicht durch freiwillige Betriebsvereinbarung begründet werden (BAG v. 18.7.2006, DB 2007, 227). Da der Arbeitsaufwand nicht von der gepfändeten Summe abhängt und gemäß § 309 Nr. 5a BGB der pauschalierte Schadensersatz den nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigen darf, empfiehlt sich eher eine pauschalierte Anknüpfung an die tatsächlich entstehenden Kosten, wie im Muster vorgesehen. Vergleichbare Klauseln in den AGB-Banken hat der BGH wegen Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung für unwirksam erklärt (vgl. BGH v. 19.10.1999, NJW 2000, 651; v. 18.5.1999, NJW 1999, 2276). Ob dies auch im Arbeitsrecht gilt, ist unklar (vgl. Hannewald, NZA 2001, 19 noch unter Berücksichtigung des § 23 AGBG aF). Vgl. BAG v. 18.7.2006, BB 2007, 220. Die Einschränkung ist wegen § 309 Nr. 5b BGB erforderlich. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG gilt eine Frist von drei Tagen, gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ist der Arbeitgeber jedoch berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigungen früher zu verlangen. Der Arbeitgeber ist in der Entscheidung, wann er die Bescheinigung verlangt, frei (BAG v. 14.11.2012, NZA 2013, 322). Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG; ob auch hier die Drei-Tages-Frist wie bei Erstbescheinigungen gilt, ist nicht sicher und sollte daher geregelt werden. Der Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG beträgt 24 Werktage, wobei Werktage gemäß § 3 Abs. 2 BUrlG alle Kalendertage außer Sonn- und Feiertagen sind, so dass auch arbeitsfreie Samstage auf den Urlaub nach Werktagen angerechnet werden. Wird der Urlaub – wie in der Praxis üblich und daher auch im Muster vorgesehen – nach Arbeitstagen festgelegt, so kommt es auf die konkreten Arbeitstage im Betrieb an, wobei der Urlaubsanspruch sich

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oder44 (1) Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG von vier Wochen/Jahr. berechnet nach der Zahl der Urlaubswerktage geteilt durch 6, multipliziert mit der Zahl der Arbeitstage des Arbeitnehmers in einer Woche (BAG v. 27.1.1987, DB 1987, 340; v. 14.1.1992, DB 1992, 1889; v. 5.9.2002, NZA 2003, 726). Zur Berechnung bei Teilzeitarbeitnehmern vgl. BAG v. 5.9.2002, NZA 2003, 726; v. 14.2.1991, NZA 1991, 777. Zur Berechnung des Urlaubsentgelts vgl. EuGH v. 15.9.2011, NZA 2011, 1167 – Williams. Der Urlaubsanspruch ist nicht abhängig von einer Mindestarbeitszeit, vgl. EuGH v. 24.1.2012, NZA 2012, 139 – Dominguez. 44 Die nachfolgende Variante soll der geänderten EuGH-Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung (EuGH v. 20.1.2009, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff, und EuGH v. 22.11.2011, BB 2012, 59 – KHS/Schulte) Rechnung tragen (vgl. auch Brugger, NJW-Spezial 2012, 114; Kleinebrink, DB 2011, 2843). Zuvor hatte das BAG § 7 Abs. 3, 4 BUrlG so ausgelegt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn der Urlaubsanspruch auf Grund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht erfüllt werden kann. Nach den Entscheidungen des EuGH steht Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG jedoch einer nationalen Vorschrift entgegen, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums oder des Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Arbeitnehmer vollständig oder teilweise krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat. Das gilt gleichermaßen für Urlaubsabgeltung. Arbeitnehmer haben nach dieser Entscheidung also auch dann Anspruch auf den gesetzlichen Jahresurlaub, wenn sie während des gesamten Kalenderjahres einschließlich des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig sind und die Arbeitsunfähigkeit auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses andauert. Dies bezieht sich jedoch nur auf den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG, so dass für einen etwaigen Mehrurlaub ein Verfall auch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit vorgesehen werden kann (vgl. hierzu BAG v. 7.8.2012, NZA 2013, 104; Moderegger, ArbRB 2010, 276 und ArbRB 2012, 54; Schiefer/Brasse, DB 2011, 1976). Mit Urteil v. 22.11.2011, BB 2012, 59 – KHS/Schulte hat der EuGH diese Rechtsprechung modifiziert. Einzelstaatliche Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten wie Tarifverträge können einen Übertragungszeitraum vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub unabhängig von einer Arbeitsunfähigkeit erlischt. Ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten ist dabei nicht zu beanstanden (EuGH v. 22.11.2011, BB 2012, 59 – KHS/ Schulte; vgl. Bauer/von Medem, NZA 2012, 113; Bayreuther, DB 2011, 2848; Franzen, NZA 2011, 1403; Gehlhaar, NJW 2012, 271; Oertel/Chmel, DB 2012, 460). Auf Grund dieser Entscheidung hat der 9. Senat des BAG § 7 Abs. 3 BUrlG unionsrechtskonform dahin ausgelegt, dass der Urlaub im Falle der Arbeitsunfähigkeit spätestens nach 15 Monaten verfällt (BAG v. 7.8.2012, NZA 2012, 1216 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 399; LAG Baden-Württemberg v. 21.12.2011, BB 2012, 1353; Bauer/von Medem, NZA 2012, 113, 116; aA LAG Hamm v. 12.1.2012 – 16 Sa 1352/11). Ob dem der EuGH folgt, ist offen. Das Muster geht davon aus, dass dies einzelvertraglich vereinbart werden kann. Ferner hat das BAG seine bislang vertretene „Surrogatstheorie“ aufgegeben (BAG v. 19.6.2012, NZA 2012, 1087). Dies bedeutet, dass kein strenger Zusammenhang zwischen Abgeltungs- und Urlaubsanspruch mehr besteht. Eine Abgeltung ist auch dann möglich, wenn der Urlaubsanspruch – zB wegen andauernder Krankheit oder Zeitablauf – nicht mehr erfüllbar ist. Insbesondere die Fristen des § 7 Abs. 3 BUrlG gelten somit nicht für den Abgeltungsanspruch als reinem Geldanspruch. Allerdings unterliegt der Abgeltungsanspruch nach lang dauernder Arbeitsunfähigkeit auch tariflichen Ausschlussfristen (BAG v. 9.8.2011, NZA 2011, 1421; vgl. auch Düwell, DB 2011, 2492). Soweit hingegen der Arbeitnehmer seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt, verfällt auch der übertragene Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, diesen im laufenden Urlaubsjahr zu nehmen (BAG v. 9.8.2011, NZA 2012, 29). Hat der Arbeitnehmer Urlaub rechtzeitig beantragt, ist ihm dieser aber nicht gewährt worden, steht ihm nach Ablauf des Übertragungszeitraums kein Abgeltungsanspruch, sondern ein Anspruch auf Gewäh-

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(2) Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch von zwei weiteren Wochen/Jahr. Für diesen zusätzlichen Urlaub gilt abweichend von den rechtlichen Vorgaben für den gesetzlichen Mindesturlaub, dass der Urlaubsanspruch nach Ablauf des Übertragungszeitraums gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG auch dann verfällt, wenn der Urlaub bis dahin wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht genommen werden kann. (3) Mit der Erteilung von Urlaub wird bis zu dessen vollständiger Erfüllung zunächst der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch erfüllt.45 evtl.46 (4) Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird nur der gesetzliche Mindesturlaub (Abs. 1), soweit er nicht in natura gewährt wurde, abgegolten. 8. Geheimhaltung Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dritten Personen gegenüber Stillschweigen zu bewahren, und zwar auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt auch für solche Angelegenheiten, die der Arbeitgeber ausdrücklich als vertraulich bezeichnet.47 9. Nebentätigkeit48 (1) Die Aufnahme einer anderweitigen entgeltlichen Tätigkeit ist dem Arbeitnehmer nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Arbeitgebers gestattet. Hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber schriftlich die beabsichtigte Tätigkeit unter Angabe von Art, Ort und Dauer angezeigt, so hat der Arbeitgeber unverzüglich zuzustimmen. Der Arbeitgeber kann die Zustimmung verweigern, wenn die Nebentätigkeit die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben mehr als nur unwesentlich beeinträchtigt oder sonstige berechtigte betriebliche Interessen durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt wer-

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rung von Ersatzurlaub im Wege des Schadensersatzes zu; ein Abgeltungsanspruch entsteht stets nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 20.4.2012, NZA 2012, 982 m. Anm. Göpfert, ArbR Aktuell 2012, 403). Bei Kurzarbeit ist der Urlaubsanspruch pro rata temporis gekürzt, soweit im Rahmen der Kurzarbeit die gegenseitigen Leistungspflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers suspendiert sind (EuGH v. 8.11.2012, NZA 2012, 1273 – Heimann, Toltschin; vgl. hierzu Rudkowski, NZA 2012, 74). Diese Tilgungsbestimmung wird aufgenommen, um die Unterscheidung zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub gemäß der Entscheidung des BAG v. 7.8.2012, NZA 2013, 104 deutlich zu machen. Mit der nachfolgenden Klausel könnte der Arbeitgeber versuchen, als Kompensation für die gestiegenen Lasten durch längere Urlaubsabgeltung auch bei Dauererkrankung (Fn. 44) die Abgeltung insgesamt auf den gesetzlichen Mindesturlaub zu beschränken. In der Praxis ist das bisher aber nicht üblich. Zu Einzelheiten und Alternativen s. M 3.1 § 5 m. Anm. Vgl. BAG v. 11.12.2001, NZA 2002, 965; Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69; Woerz/Klinkhammer, ArbR Aktuell 2012, 183; allerdings sind Neben- und auch Wettbewerbstätigkeiten, bei denen es sich lediglich um einfache Tätigkeiten handelt, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenten führen, von einem Nebentätigkeitsund Wettbewerbsverbot nicht erfasst, BAG v. 24.3.2010, NZA 2010, 693 = AP GG Art. 12 Nr. 141 m Anm. Diller sowie Fuhlrott/Fabritius, FA 2010, 194; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“, Rz. 115 ff.

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den49. Der Arbeitgeber kann seine Zustimmung befristet oder unter einem Widerrufsvorbehalt erteilen. Die Zustimmung bedarf der Schriftform. (2) Das Zustimmungserfordernis gemäß Abs. 1 besteht nicht für die Aufnahme ehrenamtlicher, karitativer, konfessioneller oder politischer Tätigkeiten, sofern sie die Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrags nicht beeinträchtigen. 10. Ausschlussfristen50 (1) Alle51 Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen,52 wenn sie nicht binnen drei Monaten53 nach Fälligkeit54 gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. evtl.55 Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von drei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Ablauf der Drei-WochenFrist gerichtlich geltend gemacht wird.56 49 Vgl. Woerz/Klinkhammer, ArbR Aktuell 2012, 183. 50 Vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff. 51 Ausschlussfristen erfassen grds. nicht zwingende Ansprüche aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen (§ 4 Abs. 4 Satz 3 TVG; § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG) oder nicht abdingbare gesetzliche Ansprüche (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, betriebliche Altersversorgung, Urlaub, Urlaubsabgeltung; Ausnahme aber für die Abgeltung von Urlaubsansprüchen nach lang andauernder Arbeitsunfähigkeit: Nach BAG v. 19.6.2012, NZA 2012, 1087 erfassen tarifliche Ausschlussfristen den Abgeltungsanspruch, was infolge der Aufgabe der „Surrogatstheorie“ im Einklang mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie steht). Diese Rechtsfolge ergibt sich jedoch jeweils aus dem Gesetz, sodass uE eine ausdrückliche Herausnahme aus der Ausschlussfrist im Formular nicht erforderlich ist. Eine abschließende Entscheidung zu dieser Frage steht jedoch aus. 52 Zur Vermeidung von Intransparenz muss auch die Rechtsfolge einer Versäumung der Ausschlussfrist in der vertraglichen Regelung genannt werden (BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324). 53 Eine drei Monate unterschreitende Ausschlussfrist benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist unwirksam. Der übrige Arbeitsvertrag bleibt wirksam (BAG v. 12.3.2008, NZA 2008, 699 f.; v. 28.9.2005, NZA 2006, 149). 54 Fristbeginn für die Verfallklausel kann entgegen früherer Praxis nicht mehr die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein, sondern wegen der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur noch die Fälligkeit der Ansprüche. Stellt die Klausel demgegenüber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab, benachteiligt sie den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 783). 55 Auch zweistufige Ausschlussfristen sind zulässig, sofern die Fristen auf beiden Stufen jeweils drei Monate nicht unterschreiten (vgl. BAG v. 12.3.2008, NZA 2008, 699, 701; v. 24.5.2005, NZA 2005, 1111). 56 Vgl. zu den Einzelheiten Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 93. Aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz folgt, dass einem Arbeitnehmer die Erhebung einer Leistungsklage zur Wahrung der Ausschlussfrist aus Kostengründen nicht zumutbar ist, solange das Verfahren über den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht rechtskräftig abgeschlossen ist (BVerfG v. 1.12.2010, NZA 2011, 354, 355 f.; vgl. hierzu Nägele/Gertler, NZA 2011, 442; Brecht-Heitzmann, DB 2011, 1523; Ennemann, FA 2011, 133). Sowohl zur Wahrung der ersten wie der zweiten Stufe genügt die Erhebung einer Bestandsschutzklage, also insbesondere Kündigungsschutz- oder Entfristungsklage, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern (zum Tarifvertrag BAG v. 19.9.2012, NZA 2013, 101; zum Einzelvertrag BAG v. 19.5.2010, NZA 2010, 939 m. Anm. Ley, BB 2010, 2439; v.

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(2) Abs. 1 gilt auch für Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen.57 (3) Abs. 1 und 2 gelten nicht bei einer Haftung wegen Vorsatz58 und bei Ansprüchen, die auf strafbaren Handlungen oder unerlaubten Handlungen beruhen. 11. Geltung von kollektiven und betrieblichen Regelungen (1) Im Übrigen gelten die für den Betrieb jeweils einschlägigen Betriebsvereinbarungen. Dies gilt auch dann, wenn sie nach Abschluss des Vertrages geändert werden und für den Arbeitnehmer ungünstiger als der Vertrag sind.59 (2) Darüber hinaus gelten die für den Betrieb jeweils einschlägigen Betriebsordnungen, Arbeitsanordnungen, Dienstanweisungen etc. in ihrer jeweils gültigen Fassung.60 (3) Die in Abs. 1 und 2 genannten Vereinbarungen und Regelungen können in der Personalabteilung zu den üblichen Dienststunden und im Intranet unter . . . eingesehen werden.61

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19.3.2008, NZA 2008, 757 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2008, 262310; Matthiessen, NZA 2008, 1165; von Medem, NZA 2013, 345). Nach der Entscheidung des BAG v. 19.3.2008, NZA 2008, 699, 701 und v. 19.5.2010, NZA 2010, 939 ergibt sich das durch Auslegung des Begriffes „geltend machen“ in der einzelvertraglichen Regelung. Das spricht dafür, dass eine weitere Einschränkung in der Klausel selbst, etwa „Mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (insbesondere eine Kündigungsschutzklage oder eine Entfristungsklage) gelten auch solche Ansprüche als geltend gemacht gemäß Abs. 1 und als gerichtlich geltend gemacht gemäß Abs. 2, die vom Erfolg der Bestandsschutzstreitigkeit abhängen“, nicht erforderlich ist. Es ist nicht geklärt, ob die bisher übliche Einbeziehung auch von solchen Zusammenhangsansprüchen entgegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent ist. Sofern die Aufnahme in den Vertrag gewünscht ist, sollte sie in einem gesonderten Absatz erfolgen, damit sie im Falle der Unwirksamkeit gestrichen werden kann, ohne dass die Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gleichfalls unwirksam ist („blue pencil test“, BAG v. 21.4.2005, BB 2005, 2822, 2824 mwN; vgl. auch Einf. Rz. 40; ausführlich Thüsing, BB 2006, 661). Vgl. § 202 Abs. 1 BGB. Ob auch für eine Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen die Einschränkungen wie bei einseitigen Regelungswerken des Arbeitgebers gelten (s. nachfolgende Fn.), ist nicht entschieden, in diese Richtung wohl LAG Köln v. 22.4.2008, AE 2009, 111 L; dagegen zu Recht Preis, NZA 2010, 361, 366, wenn die vom Vertrag zu Lasten des Arbeitnehmers abweichende Geltung ausdrücklich vereinbart ist. Dem trägt das Muster Rechnung. Eine dynamische Bezugnahmeklausel auf ein solches Werk in seiner jeweiligen Fassung sieht das BAG als einseitiges Vertragsänderungsrecht des Arbeitgebers an, welches den Arbeitnehmer unangemessen iSd. § 308 Nr. 4 BGB benachteiligt, wenn in der Klausel oder der darin in Bezug genommenen Regelung keinerlei Gründe für eine Verschlechterung genannt oder erkennbar sind (BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428); soweit diese hingegen nur das Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO umsetzen, sind im Rahmen dieses Weisungsrechtes auch künftige Änderungen zulässig und erfasst. Andernfalls wirkt die Bezugnahme auf diese Regelungen nicht dynamisch, sondern nur statisch (Einzelheiten Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 99c „Bezugnahmeklausel“). Die Reichweite der Klausel hängt damit letztlich vom Inhalt der in Bezug genommenen Regelungen ab. Ob die Betriebsvereinbarungen etc. dem Vertrag auch jeweils beigefügt werden müssen, ist nicht abschließend geklärt. Nach hier vertretener Auffassung ist das nicht der Fall; ebenso wohl BAG v. 3.4.2007, NZA 2007, 1045 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2007, 240798.

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12. Datenschutz Der Arbeitnehmer willigt in die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Speicherung seiner personenbezogenen Daten ein, soweit diese zur Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Das gilt auch für alle Daten, die er im Rahmen seiner Bewerbung unaufgefordert mitgeteilt hat. Soweit ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Speicherung der Daten nicht mehr besteht, kann der Arbeitnehmer die Löschung der Daten jederzeit verlangen.62 13. Ausschluss abweichender Absprachen und Nebenabreden Mit Abschluss dieses Vertrages werden alle eventuell bisher vorhandenen schriftlichen oder mündlichen Absprachen und Nebenabreden hinfällig. Ergänzende mündliche Abmachungen zu diesem Vertrag wurden nicht getroffen.63 14. Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung64 Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Ände-

62 Vgl. § 4a iVm. § 32 BDSG; ob eine solche Einwilligung im laufenden Arbeitsverhältnis wirksam wäre, ist umstritten. UE geht die Klausel aber nicht über das hinaus, was nach §§ 28, 32 BDSG ohnehin gilt, sie hat daher nur klarstellende Funktion. Einzelheiten sowie ausführliche Formulierungsvorschläge s. Kap. 70, Einf. Rz. 10 sowie M 70.6. Zum umgekehrten Fall der (negativen) Äußerungen des Arbeitnehmers über den Arbeitgeber und Preisgabe konkreter betrieblicher Vorgänge in sozialen Medien vgl. Brierley, FA 2012, 103. 63 Derartige Vollständigkeitsklauseln dürften der AGB-Kontrolle standhalten, vgl. im Einzelnen Einf. Rz. 18. Vor Unterzeichnung eines Formulararbeitsvertrages mündlich getroffene individuelle Vereinbarungen könnten jedoch Vorrang haben, BAG v. 23.5.2007, NZA 2007, 940, wodurch ein erheblicher Anwendungsbereich der Vollständigkeitsklauseln wegfiele. 64 Gegenüber einer einfachen („Änderungen dieses Vertrages bedürften der Schriftform“) oder auch doppelten Schriftformklausel („Änderungen dieses Vertrages bedürften der Schriftform, das gilt auch für die Änderungen dieses Schriftformerfordernisses“) haben mündliche Individualabreden Vorrang, § 305b BGB. Gemäß BAG v. 20.5.2008, NZA 2008, 1233 (dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268), muss dieser Vorrang daher auch in der Klausel zum Ausdruck kommen. Erweckt sie demgegenüber beim Arbeitnehmer den Eindruck, auch eine mündliche individuelle Vertragsabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform gemäß § 125 Satz 2 BGB unwirksam, so ist die Schriftformklausel zu weit gefasst und daher unwirksam. Sie schließt dann auch eine betriebliche Übung nicht aus; vgl. Einf. Rz. 17 ff. und ausführlich Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. Das BAG hat damit seine frühere Rechtsprechung (BAG v. 24.6.2003, NZA 2003, 1145 m. Anm. Lingemann, SAE 2005, 40; Ulrici, BB 2005, 1902, 1903) um diese formale Anforderung ergänzt, deren genaue Umsetzung allerdings unklar ist. UE nicht geändert hat sich die Rechtsprechung, nach der eine – wirksame – doppelte Schriftformklausel eine betriebliche Übung ausschließt, denn die betriebliche Übung stellt keine individuell ausgehandelte Regelung und damit keine Individualabrede gem. § 305b BGB dar. Allerdings ist dies bislang nicht höchstrichterlich entschieden und die Rechtsprechung tendiert dazu, Schriftformklauseln bzw. Freiwilligkeitsvorbehalte strenger zu bewerten (s. Einf. Rz. 104 ff.). In jedem Fall sollte daher bei jeder Leistung/Sonderzahlung ein entsprechender Vorbehalt ausdrücklich erklärt werden. Nur so kann letztlich eine betriebliche Übung zuverlässig verhindert werden. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt im Vertrag reicht nach neuerer Rechtsprechung das BAG (v. 14.9.2011, NZA 2012, 81) wohl nicht mehr aus. Er könnte auch nur Sonderleistungen erfassen, wäre also vom Anwendungsbereich her enger als die Schriftformklausel. Für die Kündigung oder den Aufhebungsvertrag sowie die Befristung gilt ohnehin zwingend gesetzliche Schriftform, § 623 BGB.

114 Lingemann

M 2.1b

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

rung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet,65 dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen. 65 ZT wird vorgeschlagen, mit dem Zusatz „insbesondere“ den Anwendungsbereich der Klausel nicht auf den Ausschluss betrieblicher Übung zu beschränken (Meier-Rudolph, sj 2009, 45). Preis/Genenger, Anm. zu BAG EzA BGB § 307 Nr. 38, halten demgegenüber eine doppelte Schriftformklausel nur für wirksam, wenn sie ausschließlich darauf gerichtet ist, eine betriebliche Übung zu verhindern. Da dies der Hauptanwendungsbereich der Klausel sein soll, beschränkt das Muster die Klausel auf diesen Fall. In jedem Fall empfiehlt es sich dringend, bei der Gewährung von Leistungen unabhängig von den Regelungen im Arbeitsvertrag auch noch einmal ausdrücklich einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu erklären (s. vorherige Fußnote).

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Employment agreement with a (blue collar) employee without reference to a collective bargaining agreement

2.1b

1. Type and place of work (1) The Employee shall be engaged as a . . . in . . . commencing on . . . (2) The Employer reserves the right, while safeguarding the Employee’s interests, to assign him to an equivalent area of operation. This reservation also applies to duties assigned to the Employee in the future. or (2) The Employer can entrust the Employee with an equivalent task corresponding to his performance and abilities if this is in the Employer’s interest, and/or transfer the Employee to a different location, and/or temporarily assign him to a different company. or (2) The Employer reserves the right to entrust the Employee with an equivalent task corresponding to his performance and abilities if this is in the Employer’s interest. This reservation also extends to work at a different location or a subsidiary of the Employer. or (2) The Employer reserves the right, without a dismissal being necessary, to assign the Employee to a different or additional activity within the undertaking corresponding to his training and professional development or previous activity, as long as this is not associated with a change in residence. or (2) The Employer’s right to issue directives regarding the content, location and working hours shall be based on sec. 106 of the Trade Code (Gewerbeordnung – GewO). 2. Probationary period and term of Agreement (1) The first six months shall be deemed to be a probationary period. During this period, the employment relationship can be terminated with a notice period of two weeks. Lingemann 115

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.1b

or (1) The employment relationship is initially entered into for a fixed probationary period of six months, which shall end on . . ., without a dismissal being necessary. During this period the employment relationship can be terminated by either party with a notice period of . . . to the end of . . . The Employer shall inform the Employee by no later than . . . before the fixed term expires if it intends to continue the Employee’s engagement as an (unlimited) employment relationship. If the Employee’s engagement is continued as an (unlimited) employment relationship, it can be terminated in compliance with the statutory notice period. (2) Without a dismissal being necessary, the employment relationship ends no later than the end of the month in which the Employee reaches the normal age of retirement of the statutory pension fund (i.e. the age of 67 at the time of the conclusion of this Agreement). 3. Working hours, short-time work, release from work duties (1) The weekly working time, excluding breaks, comprises 40 hours. They shall be arranged in accordance with the company’s schedule. or (1) The regular working time, excluding breaks, averages 40 hours/week. The working hours can be unevenly distributed over several weeks for operational reasons, but only in such a way that a balance is achieved over . . . consecutive weeks. or (1) The working time comprises 163 hours/month, whereby the actual working time in the individual months can vary between 150 and 180 hours. The remuneration shall be constant. The number of hours worked shall be equalized at the end of the year. (2) The Employer shall be entitled to unilaterally introduce short-time work if a serious loss of work occurs due to economic grounds and/or an inevitable event and this loss of work is notified to the labour administration (sec. 95 ff. of the Social Security Code III [Sozialgesetzbuch III – SGB III). Such short-time work must be announced three weeks in advance. For the duration of the short-time work, the remuneration regulated in Clause 5 shall be reduced according to the proportion of the cancelled working time to the regular working time. (3) Upon termination of this Agreement – regardless of the identity of the terminating party – the Employer shall be entitled to release the Employee from his work duties subject to continued payment of the contractual remuneration if there are objective grounds for doing so. Objective grounds exist in particular if there is a specific danger that the Employee has grossly breached this Agreement in such a way as to undermine trust (e.g. competitive activity, disclosure of internal information) or the Employer can no longer occupy the Employee (e.g. due to job cuts). 4. Additional work, overtime etc. The Employee shall be obligated to perform additional work and overtime of up to . . . hours/month at the Employer’s direction. He is further obligated to work nights, perform shift work, work on Saturdays, Sundays and holidays, as well as be available for 116 Lingemann

M 2.1b

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

stand-by (Arbeitsbereitschaft) and on-call duty (Bereitschaftsdienst) to the extent permissible by law. if applicable Even if the Employee repeatedly performs additional work or overtime at the Employer’s direction, the contractual working time shall remain unchanged. Repeated additional work and/or overtime shall not give rise to a claim for a renewed assignment to such work or for corresponding remuneration. if applicable Additional work and overtime shall be satisfied by compensatory time off at a factor of 1.25. or The Employer shall pay a premium of 25 % of the remuneration pursuant to Clause 5 for each hour of additional work or overtime. Clause 5 para. 2 remains unaffected. or The first 20 hours of additional work and overtime per month shall be discharged with the contractual renumeration pursuant to Clause 5 para 1. Additional work and overtime beyond this limit shall be satisfied by compensatory time off at a factor of . . .. 5. Remuneration, other payments (1) The Employee shall receive the following basic wage and premiums: – a monthly basic wage of EUR . . . – premiums for 1. night work in the amount of . . . % per hour, whereby night work is work performed between 11:00 p.m. and 6:00 a.m. 2. rotating shifts in the amount of EUR . . . per shift. 3. Sunday and holiday work in the amount of . . . % per hour. 4. Saturday work in the amount of . . . % per hour. (2) Should two or more premiums coincide, only the highest premium shall be paid. (3) Basic wage and premiums shall be payable on the third working day of the following month. (4) Other benefits (e.g. extra Christmas and/or vacation payments, 13th month’s wage, etc.) are voluntary payments by the Employer. Even a repeated voluntary payment does not establish a legal claim for the future. The Employer reserves the right to decide each year whether, and in what amount, it awards such voluntary payments. (5) In the event of default, interest shall not be owed on the gross remuneration, but rather on the net remuneration. (6) Claims for remuneration may not be assigned or pledged. Where remuneration claims are attached, the sum of EUR 2.50 per attachment, EUR 2.50 for each additional letter and EUR 1 for each transfer shall be retained and set off against the wage. This shall not apply if the offsetting would reduce the unseizable portion of the wage. The Employee shall have the right to prove that no damage was incurred at all or that it was substantially less than the lump-sum. Lingemann 117

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.1b

6. Inability to work The Employee is obliged to report any inability to work and its anticipated duration to the management. He shall provide proof within two working days by means of a medical certificate; the same shall apply for follow-up illnesses. 7. Vacation The Employee is entitled to . . . working days’ vacation per year. or (1) The Employee is entitled to the statutory minimum vacation of four weeks/year according to sec. 3 (1) of the Federal Vacation Act (Bundesurlaubsgesetz – BUrlG). (2) The Employer shall grant the Employee a vacation claim of two additional weeks/ year. Notwithstanding the legal provisions on the statutory minimum vacation time, this additional vacation claim shall be forfeited upon expiration of the carryover period defined in sec. 7 (3) of the Federal Vacation Act (Bundesurlaubsgesetz), even if the vacation cannot be taken by then due to the Employee’s inability to work. (3) With the granting of vacation, the statutory minimum vacation time claim shall initially be fulfilled until the vacation has been taken in full. if applicable (4) Upon termination of this Agreement only the statutory minimum vacation time set forth in para. 1 shall be compensated to the extent that the vacation can no longer be granted due to the termination of the employment relationship. 8. Confidentiality The Employee is obliged to maintain confidentiality vis-à-vis third parties with regard to all business and trade secrets, even after the employment relationship comes to an end. This also applies to matters the Employer has expressly designated as confidential. 9. Secondary employment (1) The Employee shall be permitted to perform activities for remuneration elsewhere only with the Employer’s prior written consent. If the Employee has notified the Employer in writing of the intended activity, stating the nature, location and duration of such activity and if there are no objective grounds for opposing the performance of the activity, the Employer must render its consent without delay. It may render its consent for a limited period of time only or subject to revocation. The consent shall require written form. (2) The consent requirement set forth in para. 1 shall not apply to the assumption of honorary, charitable, religious or political activities, provided that they do not interfere with the activity regulated in this Agreement. 10. Exclusionary periods (1) All claims arising from this employment relationship shall be forfeited if they are not asserted against the other Party in writing within three months of their maturity.

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M 2.1b

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

if applicable Should the other Party reject the claim or it does not take a position on it within three weeks of the assertion of the claim, the claim shall be forfeited if it is not asserted in court within three months of the rejection or the expiration of the three-week period. (2) Para. 1 shall also apply to claims associated with the employment relationship. (3) Paras. 1 and 2 shall not apply in cases of liability due to intent and in cases of claims that are based on criminal actions or torts. 11. Application of works and other operational agreements (1) In all other respects, the relevant works agreements in force for the establishment shall apply, even if they are amended following the conclusion of this Agreement and are less favourable for the Employee than this Agreement. (2) Additionally, the relevant plant rules, work rules, service instructions, etc. in force for the establishment shall apply, as they may change from time to time. (3) The agreements and regulations set forth in paras. 1 and 2 can be inspected in the personnel department during normal business hours and in the intranet under . . . 12. Data protection By signing this Agreement the Employee consents to the collection, processing, use and storage of his peronal data, as far as this is necessary for the execution or termination of the employment relationship. This applies in particular to all data the Employee disclosed without being asked in the context of the application. To the extent a legitimate Employer’s interest in storing the data no longer exists, the Employee can at all time demand the deletion of the data. 13. Exclusion of diverging and side agreements Upon the signing of this Agreement any and all previous written or verbal agreements or side agreements shall lapse. No verbal agreements additional to this Agreement have been concluded. 14. Requirement of written form, exclusion of company practice (betriebliche Übung) Amendments of this Agreement through individual contractual agreements shall be effective in any form. Otherwise, contractual amendments shall require written form; this also applies to the amendment of this written form requirement. This means that no claims shall arise from company practice. if applicable, in place of the last sentence The repeated granting of special benefits shall not give rise to a claim to their granting in the future (exclusion of company practice).

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Kap. 2

2.2

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.2

Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) mit Bezugnahme auf Tarifvertrag 1. Art und Ort der Tätigkeit

(1) Der Arbeitnehmer* wird ab . . . als . . . in . . . eingestellt. (2) Der Arbeitgeber behält sich unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers die Zuweisung eines anderen gleichwertigen Arbeitsgebietes vor. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Arbeitsgebiete.1 2. Probezeit und Vertragsdauer Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.2 3. Arbeitszeit, Kurzarbeit, Freistellung (1) Die Arbeitszeit richtet sich nach den jeweiligen für den Betrieb geltenden gesetzlichen/tariflichen Regelungen und nach der betrieblichen Einteilung der Arbeitszeit. (2) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Mehrarbeitsund Überstunden bis zu . . . Stunden/Monat3, höchstens jedoch in gesetzlich zulässigem Umfang, zu leisten. (3) Darüber hinaus ist er verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Nacht-, Schicht-, Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten. Zur Abgeltung der in diesem Umfang angefallenen Mehrarbeits- und Überstunden gemäß Abs. 2 erhält der Arbeitnehmer zusätzlich zu seinem Tariflohn/Grundgehalt nach Ziff. 4 eine Pauschale iHv. Euro . . . brutto.4 evtl. Auch wenn der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers wiederholt Überstunden leistet, bleibt die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit im Übrigen unverändert. Aus der wiederholten Anordnung von Überstunden entsteht kein Anspruch auf deren künftige Anordnung oder entsprechende Vergütung.5 * Der Begriff umfasst sowohl die weibliche als auch die männliche Form. 1 Zu weiteren Varianten und Einzelheiten vgl. M 2.1a Ziff. 1 m. Anm.; vgl. ferner Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“ bzw. „Änderungsklausel“, Rz. 129 bzw. 82a f. 2 Vgl. M 2.1a Ziff. 1(2) m. Anm. 3 Zur Beschränkung der Überstundenanzahl s. schon unter M 2.1a Ziff. 4 m. Anm. sowie Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Überstunden/Mehrarbeitsklausel“, Rz. 127. 4 Eine Pauschalabgeltung von Überstunden kommt nur im Rahmen der gesetzlich zulässigen Überstunden in Betracht (BAG v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335; v. 28.9.2005, BB 2006, 327; vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“, Rz. 118 f.; zu den Anforderungen des ArbZG s. oben Einf. Rz. 16 ff.). Auch Nachtarbeitszuschläge können pauschaliert werden (BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324). 5 Die Klausel dient dazu, eine entsprechende betriebliche Übung oder Konkretisierung zu vermeiden; zurückhaltend gegenüber einer konkludenten Vertragsänderung auch bei jahrelanger Mehrleistung BAG v. 22.4.2009, DB 2009, 1652; vgl. auch Groeger/Sadtler, ArbRB 2009, 117, 120.

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M 2.2

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

(3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen,6 wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III). Dabei ist eine Ankündigungsfrist von drei Wochen einzuhalten. Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in Ziff. 4 geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit. (4) Nach Ausspruch einer Kündigung – gleichgültig, von welcher Seite – ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge und Anrechnung von Urlaub und Arbeitszeitguthaben von der Arbeitsleistung freizustellen, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer den Vertrag in grober, das Vertrauen beeinträchtigender Weise verletzt (zB Konkurrenztätigkeit, Weitergabe von Interna), oder der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann (zB wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes).7 4. Vergütung Der Arbeitnehmer wird in die tarifliche Entgeltgruppe: . . . eingruppiert.8 (1) Die Vergütung setzt sich wie folgt zusammen:9 Tariflohn (zurzeit): Euro . . . übertarifliche Zulage:10 Euro . . . Zuschläge für . . .: Euro . . .

6 Zu dieser Kurzarbeitsklausel s. im Einzelnen Anm. zu M 2.1a Ziff. 3 (2) sowie Einf., AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, Rz. 111a. 7 Bei der Angemessenheitskontrolle einer Freistellungsklausel im Formularvertrag ist der allgemeine Beschäftigungsanspruch zu berücksichtigen; aus diesem Grund empfiehlt es sich, die sachlichen Gründe, die zu einer Freistellung berechtigen, in der Klausel aufzuführen (Brachmann/Diepold, AuA 2009, 508; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Preis/Preis, II F 10 Rz. 22, 29a; s. unter Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“, Rz. 103). Zu einer Alternativformulierung mit weiteren Regelungen und Ergänzungen s. M 3.1 § 16 (6). 8 Damit verändert sich die Vergütung dynamisch mit Änderungen des Tarifvertrages für diese Entgeltgruppe. Eine solche Dynamik kann aber auch bestehen, wenn der Vertrag statt einer Bezugnahme einen konkret bezifferten Stundenlohn wiedergibt, weil der Arbeitnehmer „zwischen zwei Lohngruppen“ liegt, BAG v. 17.11.2011, NZA-RR 2012, 392. 9 Aus der Formulierung geht nach Auffassung des BAG nicht bereits hervor, ob die tarifliche Vergütung bei einem Wegfall oder Wechsel der Tarifbindung des Arbeitgebers statisch oder dynamisch fortzuzahlen ist, diese Unklarheit geht gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Arbeitgebers (BAG v. 9.11.2005, NZA 2006, 202). Eine entsprechende Regelung ist daher im Rahmen der Bezugnahmeklausel erforderlich, wie im Muster unter Ziff. 5 geregelt. Ohne eine solche ausdrückliche Einschränkung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf dynamische Fortzahlung aller tariflichen Vergütungsbestandteile (BAG v. 9.11.2005, NZA 2006, 202). 10 Laufende Entgelte und damit auch übertarifliche Zulagen können nicht unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit gestellt werden (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82; v. 20.4.2011, NZA 2011, 796). Ein unwirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt kann auch nicht in einen Widerrufsvorbehalt umgedeutet werden (BAG v. 25.4.2007, DB 2007, 1757). Einzelheiten Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. sowie Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754. Das Muster sieht daher unter Ziff. 4 Abs. 2 nur noch einen Widerrufsvorbehalt vor.

Lingemann 121

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.2

(2) Der Arbeitgeber behält sich vor, die übertarifliche Zulage bei Vorliegen eines sachlichen Grundes unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers zu widerrufen.11 Sachliche Gründe sind12 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens13 (insbesondere14 ein Umsatzrückgang von mehr als . . . % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als. . . im letzten Geschäftsjahr), – eine um . . . % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von . . . Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Der Tariflohn bleibt dabei unangetastet. Der widerrufliche Teil ist begrenzt auf 24,5 % der Gesamtvergütung.15 (3) Die übertarifliche Zulage kann auf den Tariflohn angerechnet werden, wenn sich dieser infolge von Tariferhöhungen oder infolge einer Umgruppierung des Arbeitnehmers erhöht.16 Dasselbe gilt bei einer Verkürzung der Arbeitszeit. 11 Ein Widerrufsvorbehalt ist gemäß § 308 Abs. 4 BGB nur wirksam, wenn der widerrufliche Teil unter 25 bzw. 30 % der Gesamtvergütung liegt, der Tariflohn nicht unterschritten wird und ein Sachgrund für den Widerruf vorliegt. Zudem muss die widerrufliche Leistung nach Art und Höhe eindeutig bestimmt sein. Aus der Klausel muss somit in groben Zügen hervorgehen, in welchen Fällen ein Widerruf möglich sein soll (BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 459; v. 12.1.2005, NZA 2005, 465 f.; v. 11.10.2006, NJW 2007, 536, m. Anm. Lingemann). Nicht klar ist, inwieweit der Arbeitgeber auch den Grad der Störung konkretisieren muss. Das Maß einer nötigen Konkretisierung dürfte je nach Art der Störung (zB Pflichtverletzung, wirtschaftliche Störung) und der betroffenen Leistung (Gegenseitigkeitsverhältnis oder nicht) unterschiedlich sein (Schimmelpfennig, NZA 2005, 603, 607). Vorsorglich sollte der Grad der Störung mit angegeben werden. Vgl. zum Ganzen Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. Da das BAG in den genannten Entscheidungen verlangt, die widerrufliche synallagmatische Leistung müsse „weniger als 25 % der Gesamtvergütung“ (BAG v. 12.1.2005, NZA 2005, 465, 467 unter I 4d) betragen, dürfte eine Klausel, die genau 25 % angibt, bereits unwirksam sein, 24,9 % hingegen sind danach wohl zulässig. Demgegenüber darf nach dem Wortlaut der Entscheidungen des BAG die Grenze von 30 % für nicht synallagmatische Leistungen nur nicht überschritten, folglich aber erreicht werden (vgl. BAG v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann). 12 Es ist nicht abschließend geklärt, ob nur beispielhafte Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.). 13 Die bloße Nennung „wirtschaftlicher Gründe“ reicht nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BAG nicht aus. Danach ist die Klausel, die Überlassung des Dienstwagens könne „aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden“, AGB-widrig, schon weil sie einen Widerruf auch bei einer unwirtschaftlichen Nutzung des Dienstwagens ermöglichen würde (BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 460 ff.). Die Angabe „wirtschaftliche Verluste“ hingegen soll genügen (BAG v, 20.4.2011, NZA 2011, 796; s. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138, 139). 14 S. zur beispielhaften Aufzählung die vorstehende Fn. 15 Vgl. auch Hunold, NZA-RR 2006, 113, 120. 16 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 NachwG. Der Anrechnungsvorbehalt erlaubt die Anrechnung übertariflicher Bestandteile bei Erhöhungen des Tariflohns. Er ist im Grundsatz AGB-fest, da er nicht zu einer Kürzung des Gesamtverdienstes führt (BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 746; vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f.). Ein Anrechnungsvorbehalt ist nicht gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Er verstößt auch nicht gegen das

122 Lingemann

M 2.2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

oder (3) Bei der übertariflichen Zulage handelt es sich um eine anrechenbare betriebliche Zulage.17 5. Bezugnahme auf Tarifvertrag (Var. 1 – statische Bezugnahmeklausel)18 Im Übrigen gilt der . . . Tarifvertrag in seiner Fassung vom . . .. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Weitergabe künftiger Tarifänderungen. Evtl.19

Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Vielmehr stellt er eine Besonderheit des Arbeitsrechts dar, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB (BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 746). Klauseln im Tarifvertrag, die eine solche Anrechnung verhindern sollen („Effektivklauseln“), sind unwirksam (BAG v. 14.2.1968, BB 1968, 665; v. 16.9.1987, DB 1987, 2522). Fehlt der Anrechnungsvorbehalt, so sind zumindest solche Zulagen anrechnungsfest, die an besondere Erschwernisse bei der Arbeit anknüpfen (vgl. BAG v. 20.9.1978, DB 1979, 215; v. 23.3.1993, NZA 1993, 806). Bei sonstigen übertariflichen Zulagen soll die Anrechnungsbefugnis nach der Rspr. vor Einführung der AGB-Kontrolle auch ohne Vorbehalt nicht verloren gehen, selbst wenn der Arbeitgeber mehrfach nicht angerechnet hat (BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 746; v. 8.12.1982, DB 1983, 997; v. 3.6.1987, DB 1987, 1943; v. 11.8.1992, DB 1993, 46). Wichtig: Vorsicht bei der Gestaltung: wird nur die Anrechnung auf „kommende“ oder „künftige“ Tariferhöhungen vorbehalten, so kann nicht rückwirkend auf zuvor in Kraft getretene Tariferhöhungen angerechnet werden (BAG v. 17.9.2003, NZA 2004, 437). Die Anrechnung übertariflicher Bestandteile ist grds. mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (BAG GS v. 3.12.1991, NZA 1992, 749), es sei denn, es verbleibt – ausnahmsweise – keinerlei Regelungsspielraum, weil das Zulagenvolumen durch die Anrechnung vollständig aufgezehrt wird oder die Tariflohnerhöhung vollständig und gleichmäßig auf alle übertariflichen Zulagen angerechnet wird (BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 746; BAG GS v. 3.12.1991, NZA 1992, 749; BAG v. 14.2.1995, DB 1995, 1917; v. 14.8.2001, NZA 2002, 342; vgl. auch Lunk/Leder, NZA 2011, 249). Wird der Betriebsrat nicht beteiligt, so bleibt die Zulage bis zur Einigung mit dem Betriebsrat – ggf. vor der Einigungsstelle – ungekürzt (BAG v. 19.9.1995, DB 1995, 2020). 17 Das BAG (1.3.2006, NZA 2006, 746) hat die Formulierung „Es handelt sich um eine anrechenbare betriebliche Ausgleichszulage“ als hinreichenden Anrechnungsvorbehalt angesehen. 18 Sog. statische Bezugnahme. Auch bei einem Tarifwechsel bleibt damit der in der Bezugnahme konkret genannte Tarifvertrag vereinbart, die Bezugnahme begründet auch keinen Anspruch auf Weitergabe künftiger Tariferhöhungen. Sofern allerdings nicht auf eine konkret nach Datum festgelegte Fassung des Tarifvertrages Bezug genommen wird, ist regelmäßig anzunehmen, dass der Tarifvertrag in der jeweiligen Fassung gelten soll, dann sind auch künftige Änderungen erfasst (BAG v. 17.1.2006, NZA 2006, 923 mwN). Das gleiche Risiko besteht, wenn vorbehaltlos jede Tariferhöhung weitergegeben wird. Bei beidseitiger Tarifbindung gilt aber natürlich das Günstigkeitsprinzip, § 4 Abs. 3 TVG: Soweit im Betrieb dieser oder ein anderer Tarifvertrag gegenüber Gewerkschaftsmitgliedern normativ gilt, werden durch diese Klausel daher bei höheren Tarifen in den normativ geltenden Tarifverträgen nicht organisierte Arbeitnehmer gegenüber organisierten schlechter gestellt. Die Klausel ergibt daher nur Sinn, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden und daher auch nicht an den in Bezug genommenen Tarifvertrag normativ gebunden ist. Auch ein fachlich oder räumlich nicht einschlägiger Tarifvertrag kann wirksam in Bezug genommen werden, dann greift allerdings die AGB-Kontrolle; Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 98 ff. 19 Bezugnahmeklauseln gelten auch für gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer konstitutiv (so für die kleine dynamische Bezugnahmeklausel BAG v. 29.8.2007, NZA 2008,

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.2

Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit auf das Arbeitsverhältnis Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft gesetzlicher Anordnung anwendbar sind. oder (Var. 2 – kleine dynamische Bezugnahmeklausel)20 (1) Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge, an die der Arbeitgeber derzeit tarifgebunden ist und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge21 in ihren jeweils gültigen Fassungen. Das sind die Tarifverträge der 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797). Deshalb und nach dem Wegfall der Tarifeinheit (BAG v. 27.1.2010, NZA 2010, 645; v. 23.6.2010, ZTR 2010, 354) ergibt uE eine Bezugnahmeklausel, die auch tarifgebundene Arbeitnehmer erfasst, keinen Sinn mehr (vgl. auch Preis/Genenger, NZA 2007, 1073; Beck’sches Formularbuch Arbeitsrecht/Ubber, 2. Aufl. 2009, A II 2 Anm. 4). Daher wird die Anwendung hier auf nicht organisierte Arbeitnehmer beschränkt. Diese ist zwar nur mit Fragen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit durchzuhalten (dazu BAG v. 19.3.2003, NZA 2003, 1207), die dann aber wohl zulässig sein dürften. Bei der statischen Bezugnahme würde sie nur den Fall absichern, dass der Arbeitgeber sie trotz Tarifbindung vereinbart hat oder später tarifgebunden wird (s. vorherige Fn.). 20 (1) Sog. kleine dynamische Klausel (vgl. Holthausen, ArbR Aktuell 2011, 29). Sie umfasst zwar künftige Entwicklungen des in Bezug genommenen Tarifwerkes, verweist aber bei einem Tarifwechsel des Arbeitgebers nicht dynamisch auf den neuen Tarifvertrag. Ist der Arbeitgeber bei Vertragsschluss tarifgebunden, so dient die Bezugnahmeklausel nach früherer Rechtsprechung regelmäßig dazu, nicht organisierte und organisierte Arbeitnehmer gleichzustellen. Das BAG legt daher auch die früher üblichen einfachen kleinen dynamischen Bezugnahmeklauseln (zB: „Im Übrigen gelten die Tarifverträge der . . . Industrie in ihrer jeweiligen Fassung“) in vor dem 1.1.2002 geschlossenen oder letztmals geänderten (zu Änderungen im Einzelnen Einf. Rz. 99) Arbeitsverträgen (Altverträgen) in ständiger Rechtsprechung als Gleichstellungsabreden aus (BAG v. 18.11.2009, NZA 2010, 170; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 537, im Einzelnen Einf. Rz. 99, AGB-Kontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“ mwN). (2) In seit dem 1.1.2002 geschlossenen oder geänderten Verträgen (Neuverträge) stellt die Bezugnahmeklausel hingegen eine unbedingte zeitdynamische Verweisung dar, so dass der in Bezug genommene Tarifvertrag auch nach Ende oder Wechsel der Tarifbindung des Arbeitgebers dynamisch weiter gilt (BAG v. 17.11.2010, NZA 2011, 356; v. 20.10.2008, NZA 2009, 323; v. 18.4.2007, NZA 2007, 965; v. 14.12.2005, NZA 2006, 607; im Einzelnen Einf. Rz. 99, AGB-Kontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“ mwN). Für die Auslegung als Gleichstellungsabrede reicht in Neuverträgen die bloße Regelung des Gleichstellungszwecks wahrscheinlich nicht einmal mehr aus (vgl. BAG v. 29.8.2007, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797), die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag muss vielmehr in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht werden (BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286; v. 20.10.2008, NZA 2009, 323). Dazu ist in dieser Variante (Var. 2 Abs. 1 Satz 3 iVm. Abs. 2) für den Fall der Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers ausdrücklich festgehalten, dass künftige Tarifänderungen nicht mehr berücksichtigt werden. (3) Die bloße Regelung des Gleichstellungszwecks (Var. 2 Abs. 1 Satz 4) reicht in Alt- wie in Neuverträgen erst recht nicht aus, um die kleine dynamische Klausel als Tarifwechselklausel auszulegen; der Gleichstellungszweck beschränkt sich vielmehr, sofern – wie meist – keine gegenteiligen besonderen Umstände bestehen, auf das in Bezug genommene Tarifwerk (BAG v. 16.5.2012, ZTR 2012, 707; v. 22.10.2008, NZA 2009, 151 mwN; v. 29.8.2007, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797). Soll daher bei einem Tarifwechsel der neue Tarifvertrag gelten, ist idR die ausdrückliche Gestaltung als Tarifwechselklausel erforderlich (Vorschlag insbesondere in Var. 4). 21 Damit werden solche Tarifverträge erfasst, die für den Arbeitgeber nicht auf Grund eines Tarifwechsels, sondern auf Grund einer von denselben Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages gelten (BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286). Wenn die Klausel fehlt, kommt ggf. eine ergänzende Vertrags-

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. . .-Industrie. Diese Abrede gilt, weil und solange der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Sie bezweckt die Gleichstellung nicht organisierter mit organisierten Arbeitnehmern.22 [Evtl.] Sie gilt nicht, soweit für das Arbeitsverhältnis Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft gesetzlicher Anordnung anwendbar sind.23 (2) Endet die Tarifbindung des Arbeitgebers, finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen der in Bezug genommenen Tarifverträge mit dem Inhalt Anwendung, den sie bei Ende der Tarifbindung des Arbeitgebers haben, soweit sie nicht durch andere Abmachungen ersetzt werden; der Arbeitgeber wird dem Arbeitnehmer jeweils mitteilen, wenn seine Tarifbindung endet. oder (Var. 3 – einfache Tarifwechselklausel)24 Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die für den Betrieb oder Betriebsteil, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifauslegung in Betracht (BAG v. 12.12.2012, BB 2013, 1716); einschränkend bei neuen Vergütungsformen im Nachfolgetarifvertrag BAG v. 17.11.2011, NJOZ 2012, 870. 22 Hiermit soll knapp der Gleichstellungszweck der Abrede klargestellt werden. In Satz 3 wird bereits die Tarifbindung als auflösende Bedingung der Vereinbarung geregelt (s. Fn. 20 unter (2)). Eine umfangreiche Formulierung zum Gleichstellungszweck für die Tarifwechselklausel enthält Var. 4, Abs. (2). 23 S.o. Fn. 19. 24 (1) Diese Bezugnahmeklausel ist nach der neueren Terminologie des BAG (v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286, vgl. auch Bauer/Haußmann, DB 2003, 610) eine einfache „Tarifwechselklausel“, dh. sie verweist auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag. Damit soll für den Fall eines Tarifwechsels des Arbeitgebers – zB auf Grund Verbandswechsels (vgl. etwa BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286; v. 22.10.2008, NZA 2009, 323), Abschlusses eines Firmentarifvertrages mit einer anderen Gewerkschaft oder bei Veränderungen im Bereich des Unternehmens oder des betreffenden Betriebes, in deren Folge ein Tarifvertrag einer anderen Branche einschlägig wird (BAG v. 18.4.2007, BAGE 122, 74) – erreicht werden, dass die Bezugnahmeklausel entweder die Tarifverträge des anderen Verbandes, der anderen Gewerkschaft oder die fachlich oder betrieblich geltenden Tarifverträge der dann einschlägigen Branche erfasst (BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286). Die vorliegende Klausel orientiert sich weitgehend an der Formulierung, die das BAG mit Urteil v. 21.11.2012, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbR Aktuell 2013, 267, gebilligt und als geeignet für den Tarifwechsel im Falle eines Betriebsübergangs auf einen anders tarifgebundenen Arbeitgeber angesehen hat. Dazu im Einzelnen Haußmann, DB 2013, 1359. (2) Die Gestaltung von Bezugnahmeklauseln ist allerdings auf Grund der engen Wortlautauslegung des BAG bei dynamischen Klauseln in Verträgen ab dem 1.1.2002 (BAG v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 537; im Einzelnen Fn. 20 sowie Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 99 mwN) mit Unsicherheiten behaftet. Für ab diesem Zeitpunkt geschlossene Verträge muss man davon ausgehen, dass auch Tarifwechselklauseln nicht mehr ohne weiteres als Gleichstellungsabrede ausgelegt werden können (dazu Bauer/Haußmann, DB 2005, 2815). Sollen daher künftige Tarifabschlüsse oder -änderungen nach einer Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers nicht übernommen werden, also der Effekt einer Gleichstellungsabrede erreicht werden, sollte dies auch in Tarifwechselklauseln ausdrücklich geregelt werden (vgl. auch Giesen, NZA 2006, 625, 630; Wisskirchen/Lützeler, AuA 2006, 528, 531). Einen Formulierungsvorschlag enthält Var. 4 Abs. 2 ggf. iVm. Abs. 3. (3) Fehlt die ausdrückliche Vereinbarung, dass nur der jeweils für den Arbeitgeber einschlägige Tarifvertrag gemeint ist, und wird stattdessen ein konkretes Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung in Bezug genommen (BAG v. 29.8.2007, NZA 2008, 364 – kleine dynamische Klausel, s. Var. 2), so kann die Verweisung ohne besondere Umstände nicht (mehr) als Tarifwechselklausel ausgelegt werden (Fn. 20 mwN).

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.2

verträge25 und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge26 in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Derzeit sind dies die Tarifverträge der . . . - Industrie.27 oder (Var. 4 – ausführlichere Tarifwechselklausel)28 (1) Im Übrigen sind auf das Arbeitsverhältnis anwendbar die jeweils für den Arbeitgeber kraft Tarifbindung geltenden Tarifverträge und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge29 in ihrer jeweils gültigen Fassung.

25 Gem. BAG (v. 21.11.2012, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbR Aktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1359) sind das die Bestimmungen, die von ihrem fachlichen oder betrieblichen Geltungsbereich, den die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit autonom festlegen, den Betrieb oder das Unternehmen, in dem der Arbeitnehmer jeweils tätig ist, erfassen. 26 Damit werden solche Tarifverträge umfasst, die für den Arbeitgeber nicht auf Grund eines Tarifwechsels, sondern auf Grund einer von denselben Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages gelten (BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286). Wenn die Klausel fehlt, kommt ggf. eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (BAG v. 12.12.2012, BB 2013, 1716); einschränkend bei neuen Vergütungsformen im Nachfolgetarifvertrag BAG v. 17.11.2011, NJOZ 2012, 870. 27 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG; ist der Hinweis in den Vertrag aufgenommen, so kommt es auf eine Auslage der Tarifverträge im Betrieb gem. § 8 TVG nicht mehr an (BAG v. 23.1.2002, NZA 2002, 800). Ein vorformulierter Arbeitsvertrag ist auch nicht intransparent, wenn er einen Tarifvertrag nur in Bezug nimmt, ohne dass der Arbeitgeber ihn dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellt oder ohne besondere Schwierigkeiten bereit hält (BAG v. 3.4.2007, NZA 2007, 1045, 1048 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2007, 240798). Die Hinweispflicht besteht auch, wenn der Tarifvertrag nur kraft betrieblicher Übung Anwendung findet; erfüllt der Arbeitgeber seine Nachweispflichten nicht, haftet er dem Arbeitnehmer gem. §§ 286, 284, 249 BGB auf Schadensersatz (BAG v. 17.4.2002, NZA 2002, 1096; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 148). 28 Die ausführlichere Tarifwechselklausel formuliert den Gleichstellungszweck der Bezugnahme auf die Tarifverträge aus (vgl. auch Holthausen, ArbR Aktuell 2011, 29; Klebeck, NZA 2006, 15). Endet die Tarifbindung, so sollen die Tarifverträge statisch fortgelten. Wird der Arbeitgeber in der Folge wieder tarifgebunden, so soll der dann anzuwendende Tarifvertrag wieder dynamisch gelten. Natürlich besteht ein erhebliches Risiko, dass eine zu detaillierte Klausel als intransparent angesehen wird, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, und deswegen unwirksam ist. Wo genau der Grat zwischen Unangemessenheit und Intransparenz verläuft, ist offen, gerade die Entscheidung des BAG v. 24.10.2007, NZA 2008, 40 (m. Anm. Lingemann/ Gotham, NZA 2008, 509) macht deutlich, wie schwer diese Grenze einzuschätzen ist. Nach der Entscheidung des BAG v. 21.11.2012, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbR Aktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1359, ist jetzt aber geklärt, dass eine Tarifwechselklausel, die idR ja lange vor einem etwaigen Tarifwechsel vereinbart wird, einen solchen Tarifwechsel wirksam herbeiführt, obwohl das BAG eine „andere Abmachung“ iSv. § 4 Abs. 5 TVG vor Eintritt der Nachwirkung nur für zulässig hält, wenn sie „konkret und zeitnah vor dem bevorstehenden Ablauf des Tarifvertrages die sich auf Grund der Nachwirkung ergebende Situation regelt“ (BAG v. 6.7.2011, NZA 2012, 281; v. 20.5.2009, AuR 2009, 212; v. 17.1.2006, NZA 2006, 923; vgl. dazu auch Bauer/Günther, NZA 2008, 6). 29 Damit werden solche Tarifverträge erfasst, die für den Arbeitgeber nicht auf Grund eines Tarifwechsels, sondern auf Grund einer von denselben Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages gelten (BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286). Wenn die Klausel fehlt, kommt ggf. eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (BAG v. 12.12.2012, BB 2013, 1716); einschränkend jedoch bei neuen Vergütungsformen im Nachfolgetarifvertrag BAG v. 17.11.2011, NJOZ 2012, 870.

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M 2.2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

Ist der Arbeitgeber an mehrere Tarifverträge gebunden, so sind auf das Arbeitsverhältnis anwendbar die Tarifverträge, in deren Geltungsbereich das Arbeitsverhältnis fällt. Fällt das Arbeitsverhältnis in den Bereich mehrerer konkurrierender Tarifverträge, so ist der speziellste Tarifvertrag anwendbar. Das ist der Tarifvertrag, der dem Betrieb30 räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebs und der dort tätigen Arbeitnehmer31 am besten gerecht wird. Derzeit sind damit nach Auffassung des Arbeitgebers anwendbar die folgenden Tarifverträge: . . .32 (2) Diese Abrede bezweckt die Gleichstellung nicht organisierter mit organisierten Arbeitnehmern und ist daher eine Gleichstellungsabrede. Das bedeutet: (a) Sie ersetzt lediglich eine fehlende Tarifbindung auf Seiten des Arbeitnehmers. Einen weiter gehenden Zweck hat die Abrede nicht, insbesondere soll einem nicht organisierten Arbeitnehmer keine weiter gehende Rechtsstellung eingeräumt werden als diejenige, die für den organisierten Arbeitnehmer nach Tarifrecht gilt. Die Tarifverträge gemäß Abs. 1 finden daher nur solange auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, wie der Arbeitgeber normativ gegenüber organisierten Arbeitnehmern tarifgebunden ist.33 (b) Endet die Tarifbindung des Arbeitgebers oder geht der Betrieb durch Betriebsübergang auf einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber über, finden die Bestimmungen der Tarifverträge mit dem Inhalt Anwendung, den sie bei Ende der Tarifbindung 30 Hier muss entschieden werden, welcher Bezugspunkt gewählt werden soll. Bei Gestaltung der Klausel sollte dazu jeweils bezogen auf die spezifischen betrieblichen Verhältnisse geprüft werden, ob mittels der Bezugnahmeklausel für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer weiterhin ein einheitlicher Tarifvertrag und damit sinngemäß die Grundsätze der Tarifeinheit angewendet werden sollen, oder ob berufsgruppenspezifisch spezielle Regelungen erwünscht sind. Im letzteren Fall könnte statt „dem Betrieb“ formuliert werden „/der Berufsgruppe, zu der der Arbeitnehmer gehört“. 31 S. vorherige Fn.; will man auf die Berufsgruppe abstellen, könnte statt „des Betriebs und der dort tätigen Arbeitnehmer“ abgestellt werden auf „dieser Berufsgruppe“. 32 Vgl. Klebeck, NZA 2006, 15, 20; Jordan/Bissels, NZA 2010, 71; Willemsen/Mehrens, NZA 2010, 1313. Nachdem die Rechtsprechung des BAG nicht mehr am Grundsatz der Tarifeinheit festhält (BAG v. 27.1.2010, NZA 2010, 645; v. 23.6.2010, ZTR 2010, 354), muss das anwendbare Tarifwerk näher eingegrenzt werden. Das Abstellen auf den speziellsten Tarifvertrag halten wir nach wie vor für zulässig, wenn die Klausel auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer beschränkt wird. Alternativ oder ergänzend könnte man auf den repräsentativsten Tarifvertrag abstellen. Die Formulierung könnte dann lauten: „Fällt das Arbeitsverhältnis in den Bereich mehrerer konkurrierender Tarifverträge, so gilt der repräsentativste Tarifvertrag. Das ist der Tarifvertrag, der kraft Tarifbindung für die relative Mehrheit der organisierten Beschäftigten im jeweiligen Beschäftigungsbetrieb des Arbeitnehmers gilt.“ (vgl. Preis/Greiner, NZA 2007, 1073; Willemsen/Mehrens, NZA 2010, 1313, 1315 in diese Richtung auch der seinerzeitige Vorschlag von DGB und BDA zu einer gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit. Dieser lautete: „Überschneiden sich in einem Betrieb die Geltungsbereiche mehrerer Tarifverträge, die von unterschiedlichen Gewerkschaften geschlossen werden [konkurrierende Tarifverträge/Tarifpluralität], so ist nur der Tarifvertrag anwendbar, an den die Mehrzahl der Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb gebunden ist. Maßgeblich ist bei solchen sich überschneidenden Tarifverträgen folglich, welche der konkurrierenden Gewerkschaften im Betrieb mehr Mitglieder hat [Grundsatz der Repräsentativität]. Treffen demnach zB zwei Entgelt-Tarifverträge zusammen, die das Entgelt zumindest teilweise gleicher Arbeitnehmergruppen regeln, gilt im Betrieb der Tarifvertrag, an den die größere Anzahl von Gewerkschaftsmitgliedern gebunden ist.“). 33 Formulierungsvorschlag zu Abs. 2 Satz 1–4 zur Klarstellung des Gleichstellungszwecks der Bezugnahmeklausel nach Brachmann/Diepold, AuA 2009, 504, 508.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.2

des Arbeitgebers haben; der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Weitergabe künftiger Tarifänderungen; der Arbeitgeber wird dem Arbeitnehmer jeweils mitteilen, wenn seine Tarifbindung endet. Diese Regelung gilt jeweils so lange, bis für den Arbeitgeber wieder kraft Tarifbindung ein oder mehrere Tarifverträge Anwendung finden; im Fall eines Verbandswechsels des Arbeitgebers, eines Betriebsübergangs oder eines Wechsels der Branche gelten daher die dann jeweils für den Arbeitgeber kraft Tarifbindung anwendbaren Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung für das Arbeitsverhältnis und zwar unabhängig davon, ob sie die Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer verbessern oder verschlechtern. Der Arbeitgeber wird dem Arbeitnehmer die anwendbaren Tarifverträge jeweils mitteilen. (3) [Evtl.] Der Arbeitgeber kann aus wirtschaftlichen Gründen durch schriftliche Erklärung die Anwendung der geltenden Tarifverträge auf die im Zeitpunkt der Erklärung geltende Fassung beschränken; der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Weitergabe zukünftiger Tarifänderungen.34 (4) Abs. 1–3 gelten nicht, soweit für das Arbeitsverhältnis Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft gesetzlicher Anordnung anwendbar sind.35 6. ff. – Ergänzende Regelungen, soweit sie nicht schon im Tarifvertrag getroffen sind, zB Arbeitsunfähigkeit, Geheimhaltung, Nebentätigkeit, Datenschutz, Schriftformklausel, ggf. Geltung von Betriebsvereinbarungen, vgl. entsprechend M 2.1a. 34 Eine solche Klausel (vgl. Preis/Greiner, NZA 2007, 1073) war bislang noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Sie enthält zusätzlich einen Widerrufsvorbehalt, mit dem der Arbeitgeber gegenüber nicht normativ tarifgebundenen Arbeitnehmern unabhängig von der eigenen Tarifbindung (Abs. 4) die Dynamik des jeweils in Bezug genommenen Tarifvertrags beenden kann; die Wirksamkeit ist jedoch auch hier ungeklärt. Sie gilt nur für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer, denn bei tarifgebundenen kann von einer tariflichen Dynamik nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden, § 4 Abs. 3 TVG. Der Arbeitgeber sollte jedoch genau prüfen, ob eine solche mögliche Schlechterstellung nicht organisierter Arbeitnehmer wirklich gewünscht ist. Ungeklärt ist auch, ob der Klausel die Anforderungen des BAG an einen formularmäßigen Widerrufsvorbehalt entgegenstehen (BAG v. 12.1.2005, NZA 2005, 465; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 138). Danach müssen die Voraussetzungen und der Gegenstand des Widerrufs konkret im Vertrag genannt sein, so dass der Arbeitnehmer erkennen kann „was auf ihn zukommt“. Eine abschließende Aufzählung der Widerrufsgründe dürfte nicht praktikabel sein. „Wirtschaftliche Gründe“ reichen nicht aus (BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 460). Da die Arbeitnehmer auf Grund des Widerrufs jedoch keine Gehaltseinbuße hinnehmen müssen, sondern ihr Gehalt lediglich auf dem Stand zum Zeitpunkt des Widerrufs eingefroren wird, sollten die Anforderungen hier weniger streng sein (dazu Klebeck, NZA 2006, 15; Preis/Greiner, NZA 2007, 1073; Wisskirchen/Lützeler, AuA 2006, 528). 35 S. Fn. 19. Nach dem Wegfall der Tarifeinheit (BAG v. 27.1.2010, NZA 2010, 645; v. 23.6. 2010, ZTR 2010, 354) ergibt uE eine Bezugnahmeklausel, die auch tarifgebundene Arbeitnehmer erfasst, keinen Sinn mehr. Daher wird die Anwendung nunmehr auf nicht organisierte Arbeitnehmer beschränkt. Dies ist zwar nur mit Fragen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit durchzuhalten (dazu BAG v. 19.3.2003, NZA 2003, 1207), die dann aber wohl zulässig sein dürften. Alternativ kommt auch die Formulierung in Betracht „Hiervon unberührt bleibt die normative Geltung eines Tarifvertrags, an den der Arbeitnehmer kraft Gewerkschaftsmitgliedschaft oder Allgemeinverbindlichkeit gebunden ist. Ist der Arbeitnehmer an einen anderen als den nach obigen Grundsätzen bestimmten Tarifvertrag normativ gebunden, findet der für den Arbeitnehmer günstigere Tarifvertag Anwendung (§ 4 Abs. 3 TVG).“ (so der Vorschlag von Willemsen/Mehrens, NZA 2010, 1313, 1315, die damit die Bezugnahmeklausel für alle Arbeitnehmer anwenden und die Differenzierung über das Günstigkeitsprinzip vornehmen).

128 Lingemann

M 2.3

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

u

Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) unter teilweiser Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen1 §§ 1 ff. (Beginn des Arbeitsverhältnisses usw. s. M 2.1a) §...

Bezugnahme auf Tarifvertrag

(Var. 1) Die Ansprüche auf Urlaub, zusätzliches Urlaubsgeld und Urlaubsabgeltung richten sich nach dem Urlaubsabkommen der . . . – Industrie . . . Im Übrigen gelten keine tarifvertraglichen Bestimmungen.2 oder: (Var. 2) Die Arbeitszeit richtet sich nach den §§ . . . des Manteltarifvertrages der . . . Industrie in seiner jeweiligen Fassung. Im Übrigen gelten keine tarifvertraglichen Bestimmungen. (evtl. ergänzen gemäß M 2.2, Var. 2 zu Ziff. 5) oder: (Var. 3) Die Ansprüche auf . . . richten sich nach den für den Betrieb des Arbeitgebers, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträgen in ihrer jeweils gültigen Fassung. Derzeit sind dies die Tarifverträge der . . .-Industrie . . .3 (evtl. ergänzen gemäß M 2.2, Var. 4 zu Ziff. 5). §§ . . .

(weitere nicht von der Verweisung erfasste Regelungen, s. M 2.1a)

1 Soweit keine Tarifbindung besteht (vgl. im Einzelnen Einf. Rz. 152 f.), können die Vertragsparteien die Arbeitsbedingungen im Rahmen der gesetzlichen Regelungen frei vereinbaren. Dabei kommt sowohl die vollständige Inbezugnahme eines Tarifvertrages (hier: Urlaubsabkommen) als Auffangregelung in Betracht (Var. 1) als auch die bloße Bezugnahme auf einzelne tarifvertragliche Regelungen (Var. 2. und 3). Eine solche Teilbezugnahme ist nicht überraschend (BAG v. 21.11.2012, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbR Aktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1989. Insbesondere bei tariflichen Kündigungsfristen, § 622 Abs. 3 Satz 2 BGB, tariflichen Berechnungsvorschriften für die Krankenvergütung, § 4 Abs. 4 EFZG, tariflichen Urlaubsregelungen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BUrlG und bei Arbeitszeitregelungen, §§ 7 und 12 ArbZG oder bei der Vergütung (BAG v. 21.11.2012, NZA 2013, 512), bietet sich eine Bezugnahme auf einzelne Bestandteile eines Tarifvertrages an (vgl. auch Einf., AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 154 f.). Allerdings gilt das Tarifprivileg der §§ 307 Abs. 3, 310 Abs. 4 Satz 3 BGB wohl nur für die vollständige Inbezugnahme des einschlägigen Tarifvertrages oder eines in sich geschlossenen Regelungssystems des einschlägigen Tarifvertrages im Arbeitsvertrag (BAG v. 6.5.2009, NZA-RR 2009, 593); werden hingegen nur einzelne tarifvertragliche Regelungen übernommen, so findet eine Inhaltskontrolle statt (vgl. Einf. Rz. 98 ff.). Vorschläge und Erläuterungen für Bezugnahmeklauseln finden sich in M 2.2 Ziff. 5. 2 Je nachdem, welche Wirkung mit der Bezugnahmeklausel erzielt werden soll, sollte diese entsprechend klar und ggf. einschränkend formuliert werden. Soll etwa nur auf die Urlaubsdauer verwiesen werden, muss das ausdrücklich so aufgenommen werden. Die Bezugnahme auf die tariflichen Regelungen für den „Urlaub“ ist als Bezugnahme auf den gesamten Regelungskomplex einschließlich eines zusätzlichen tariflichen Urlaubsgeldes zu verstehen (BAG v. 17.1.2006, NZA 2006, 923, 926).

Lingemann 129

2.3

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

3 Weitere Formulierungsbeispiele in Ziff. 5 zu M 2.2. Will man den Effekt der früheren BAGRechtsprechung zur Gleichstellungsabrede erreichen, muss ein entsprechender Zusatz in die Klausel aufgenommen werden (vgl. M 2.2 Ziff. 5, Var. 2 Abs. 1 m. Anm.). In BAG v. 21.11.2012, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbR Aktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1359, wurde zusammen mit einer Tarifwechselklausel gemäß M 2.2 Ziff. 5 Var.3 geregelt: „Der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers richtet sich nach den jeweils geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen“.

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Kapitel 3

Verträge mit Angestellten

Literaturübersicht (ergänzend zur Literaturübersicht zu Kap. 2):

Zu leitenden Angestellten: Bauer/Krieger, Bezugnahmeklausel und Statusveränderung – Alterssicherung für leitende Angestellte?, NZA 2004, 464; Birnbaum, Die Rechtsstellung des PersonalLeiters, AuA 2003, Nr. 1, 26; Blanke/Weike, AT-Angestellte, 2. Aufl. 2012; Deich, Die Führungskraft zwischen den Stühlen, AuA 2006, 464; Diringer, Der Chefarzt als leitender Angestellter, NZA 2003, 890; Diringer, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, BuW 2004, 342; Diringer, Kündigung leitender Angestellter, AuA 2004, Nr. 12, 19; Faltermeier, Der Auflösungsantrag bei leitenden Angestellten, Der Syndikus 29, 15; Fuhlrott, Die rechtliche Stellung leitender Angestellter, ArbR Aktuell 2011, 55; Goldschmidt, Sprecherausschüsse für leitende Angestellte – Organisationsgrundsätze, FA 2003, 6; Kaiser, Leitende Angestellte, AR-Blattei SD 70.2; Kleinebrink, Besonderheiten bei der Beschäftigung von Prokuristen, ArbRB 2012, 90; Kliemt/Teusch, Der Auflösungsantrag bei „leitenden Angestellten“ – ein Vabanquespiel?, ArbRB 2006, 252; Korthus, Chefarzt als leitender Angestellter, KH 2006, 517; Kossens, Leitende Angestellte im Arbeitsrecht – Neue Rechtsprechung zu den Beurteilungskriterien, ArbRB 2005, 118; Kraushaar, Mindestrepräsentation leitender Angestellter in der Europäischen Aktiengesellschaft, NZA 2004, 591; Kronisch, Organisationsformen und Wahl von Sprecherausschüssen der leitenden Angestellten, AR-Blattei SD 1490.1; Oetker, Die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) unter besonderer Berücksichtigung der leitenden Angestellten, BB-Special 2005, Nr. 1, 2; Powietzka/Hager, Statusänderung leitender Angestellter bei Freistellung?, ArbRB 2006, 102. Zum Anstellungsvertrag allgemein: S. die Literaturübersicht zu Kap. 2; ergänzend: Gennen, Auswirkungen der Reform des Arbeitnehmererfinderrechts, ArbRB 2011, 86; Hunold, Außertarifliche Angestellte: Gehalt, Arbeitszeit, Betriebsrat, NZA-RR 2010, 505; Lingemann/Winkel, Der Anstellungsvertrag des Rechtsanwaltes, NJW 2009, 343, 483, 817, 966, 1574 und 2195; Manthey/Meine, Entgelt-Tarifverträge für Arbeiter und Angestellte und einheitlicher Arbeitnehmerstatus, AiB 2004, 199; Meine, „Arbeiter und Angestellte“: Vom Ende und Beharrungsvermögen alter Scheidelinien, WSI-Mitteilungen 2005, 76; Schulze-Osterloh, Die Regelung des Anstellungsverhältnisses der Mitglieder des Beirats einer Personengesellschaft, ZIP 2005, 49.

I. Einführung 1. Grundsätzliches 1

Zur Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten verweisen wir auf die Erläuterungen zu Kap. 2. Die unterschiedliche Art der Tätigkeit von Angestellten und die Nähe zur Unternehmensführung führt oft zu einer größeren Freiheit bei der Lage der Arbeitszeit und zu einem monatlichen Gehalt anstelle von Stundenlohn. Die flexiblere Art der Tätigkeit und die umfassendere Kenntnis des Know-hows des Unternehmens 130 Lingemann

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

3 Weitere Formulierungsbeispiele in Ziff. 5 zu M 2.2. Will man den Effekt der früheren BAGRechtsprechung zur Gleichstellungsabrede erreichen, muss ein entsprechender Zusatz in die Klausel aufgenommen werden (vgl. M 2.2 Ziff. 5, Var. 2 Abs. 1 m. Anm.). In BAG v. 21.11.2012, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbR Aktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1359, wurde zusammen mit einer Tarifwechselklausel gemäß M 2.2 Ziff. 5 Var.3 geregelt: „Der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers richtet sich nach den jeweils geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen“.

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Kapitel 3

Verträge mit Angestellten

Literaturübersicht (ergänzend zur Literaturübersicht zu Kap. 2):

Zu leitenden Angestellten: Bauer/Krieger, Bezugnahmeklausel und Statusveränderung – Alterssicherung für leitende Angestellte?, NZA 2004, 464; Birnbaum, Die Rechtsstellung des PersonalLeiters, AuA 2003, Nr. 1, 26; Blanke/Weike, AT-Angestellte, 2. Aufl. 2012; Deich, Die Führungskraft zwischen den Stühlen, AuA 2006, 464; Diringer, Der Chefarzt als leitender Angestellter, NZA 2003, 890; Diringer, Der Kündigungsschutz leitender Angestellter, BuW 2004, 342; Diringer, Kündigung leitender Angestellter, AuA 2004, Nr. 12, 19; Faltermeier, Der Auflösungsantrag bei leitenden Angestellten, Der Syndikus 29, 15; Fuhlrott, Die rechtliche Stellung leitender Angestellter, ArbR Aktuell 2011, 55; Goldschmidt, Sprecherausschüsse für leitende Angestellte – Organisationsgrundsätze, FA 2003, 6; Kaiser, Leitende Angestellte, AR-Blattei SD 70.2; Kleinebrink, Besonderheiten bei der Beschäftigung von Prokuristen, ArbRB 2012, 90; Kliemt/Teusch, Der Auflösungsantrag bei „leitenden Angestellten“ – ein Vabanquespiel?, ArbRB 2006, 252; Korthus, Chefarzt als leitender Angestellter, KH 2006, 517; Kossens, Leitende Angestellte im Arbeitsrecht – Neue Rechtsprechung zu den Beurteilungskriterien, ArbRB 2005, 118; Kraushaar, Mindestrepräsentation leitender Angestellter in der Europäischen Aktiengesellschaft, NZA 2004, 591; Kronisch, Organisationsformen und Wahl von Sprecherausschüssen der leitenden Angestellten, AR-Blattei SD 1490.1; Oetker, Die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) unter besonderer Berücksichtigung der leitenden Angestellten, BB-Special 2005, Nr. 1, 2; Powietzka/Hager, Statusänderung leitender Angestellter bei Freistellung?, ArbRB 2006, 102. Zum Anstellungsvertrag allgemein: S. die Literaturübersicht zu Kap. 2; ergänzend: Gennen, Auswirkungen der Reform des Arbeitnehmererfinderrechts, ArbRB 2011, 86; Hunold, Außertarifliche Angestellte: Gehalt, Arbeitszeit, Betriebsrat, NZA-RR 2010, 505; Lingemann/Winkel, Der Anstellungsvertrag des Rechtsanwaltes, NJW 2009, 343, 483, 817, 966, 1574 und 2195; Manthey/Meine, Entgelt-Tarifverträge für Arbeiter und Angestellte und einheitlicher Arbeitnehmerstatus, AiB 2004, 199; Meine, „Arbeiter und Angestellte“: Vom Ende und Beharrungsvermögen alter Scheidelinien, WSI-Mitteilungen 2005, 76; Schulze-Osterloh, Die Regelung des Anstellungsverhältnisses der Mitglieder des Beirats einer Personengesellschaft, ZIP 2005, 49.

I. Einführung 1. Grundsätzliches 1

Zur Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten verweisen wir auf die Erläuterungen zu Kap. 2. Die unterschiedliche Art der Tätigkeit von Angestellten und die Nähe zur Unternehmensführung führt oft zu einer größeren Freiheit bei der Lage der Arbeitszeit und zu einem monatlichen Gehalt anstelle von Stundenlohn. Die flexiblere Art der Tätigkeit und die umfassendere Kenntnis des Know-hows des Unternehmens 130 Lingemann

Verträge mit Angestellten

Kap. 3

bedingen Regelungen zur Verschwiegenheit, ggf. zu Erfindungen und Urheberrechten sowie zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Häufig werden die vertraglichen Kündigungsfristen großzügiger bemessen.

2. Angestellte und leitende Angestellte Innerhalb der Gruppe der Angestellten unterscheidet man insbesondere zwischen (einfachen) Angestellten und leitenden Angestellten. Im Gegensatz zu Organmitgliedern sind leitende Angestellte auch Arbeitnehmer, für die jedoch zahlreiche Sondervorschriften1 gelten. Der Begriff der leitenden Angestellten wird von den Sondervorschriften je nach ihrem Zweck unterschiedlich definiert.

2

a) Leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG2 Nach § 5 Abs. 3 BetrVG gilt das BetrVG nicht für leitende Angestellte. Auch § 1 SprAuG und § 3 MitbestG verweisen auf diese Definition. § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG sind zwingend, eine vertragliche Bestimmung, nach der der Arbeitnehmer leitender Angestellter ist, wäre also nicht konstitutiv.3 Die Zuordnung kann im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geklärt werden4 sowie speziell für die Beteiligung an den Wahlen zum Betriebsrat bzw. Sprecherausschuss durch § 18a BetrVG. Leitende Angestellte nehmen unter eigener Verantwortung typische Unternehmerfunktionen mit einem eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum wahr.5 Kennzeichnend für den leitenden Angestellten ist gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG – die arbeitsvertraglich oder auf Grund der Stellung im Unternehmen vermittelte Berechtigung zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern. Die Berechtigung muss im Innenverhältnis zum Arbeitgeber bestehen und sich auf Einstellung und Entlassung (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG) beziehen. Die Personalverantwortung muss zudem von erheblicher unternehmerischer Bedeutung sein.6 Diese kann sich aus der Zahl der betreffenden Arbeitnehmer oder aus der Bedeutung von deren Tätigkeit für das Unternehmen ergeben. Die Ausübung der Personalkompetenz darf namentlich nicht von der Zustimmung einer anderen Person abhängig sein. Allerdings liegt keine Beschränkung der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis vor, wenn der Angestellte lediglich Richtlinien oder Budgets zu beachten hat oder eine zweite Unterschrift einholen muss.7 – eine Generalvollmacht oder eine im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutende Prokura (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG). Gesamtprokura (§ 48 Abs. 2 1 Vgl. Fuhlrott, ArbR Aktuell 2011, 55. 2 Vgl. auch Fuhlrott, ArbR Aktuell 2011, 55. 3 BAG v. 16.4.2002, NZA 2003, 56. Zulässig und verfassungskonform ist aber die in § 45 Satz 2 WPO unwiderleglich angeordnete Geltung der Bereichsausnahme für Wirtschaftsprüfer mit Prokura, BAG v. 29.6.2011, NJW 2012, 873, 874 f. Zu angestellten Rechtsanwälten vgl. BAG v. 29.6.2011, NZA-RR 2011, 647 m. Anm. Reckin, AnwBl 2012, 461. 4 BAG v. 29.6.2011, NJW 2012, 873 m. Anm. Reckin, AnwBl 2012, 461. 5 Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb., § 13 Rz. 2. 6 BAG v. 25.3.2009, NZA 2009, 1296, 1298. 7 BAG v. 25.3.2009, NZA 2009, 1296, 1298; v. 10.10.2007, DB 2008, 590; v. 16.4.2002, NZA 2003, 56.

Lingemann 131

3

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

HGB) oder Niederlassungsprokura (§ 50 Abs. 3 HGB) schaden nicht; „nicht unbedeutend“ ist die Prokura allerdings nur, wenn die Aufgaben den in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG umschriebenen Leitungsfunktionen (dazu sogleich) entsprechen8 und die Prokura für diese Aufgaben sachliche Bedeutung hat.9 – die Wahrnehmung sonstiger Aufgaben, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG). Entscheidend ist, dass der Angestellte unternehmerische Leitungsaufgaben im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst. Sofern ihm rechtlich und tatsächlich ein eigener erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht, reicht es auch aus, wenn er auf Grund seiner Position Entscheidungen so vorbereiten kann, dass die Entscheidungsträger an den Vorschlägen nicht vorbeigehen können.10 Derartige Aufgaben muss er regelmäßig, also nicht nur zur Vertretung, übernehmen. 4

Nur wenn das Ergebnis nach diesen Kriterien immer noch zweifelhaft ist, gibt § 5 Abs. 4 BetrVG eine Entscheidungshilfe. Danach ist leitender Angestellter im Zweifel, wer – aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrates, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist (§ 5 Abs. 4 Nr. 1 BetrVG), oder – einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind (§ 5 Abs. 4 Nr. 2 BetrVG), oder – ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist (§ 5 Abs. 4 Nr. 3 BetrVG), oder – falls auch bei der Anwendung von Nr. 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet (§ 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG). b) Leitende Angestellte nach § 14 Abs. 2 KSchG11

5

Während größere Unternehmen durchaus leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3, 4 BetrVG haben, sind leitende Angestellte nach §§ 14 Abs. 2, 17 Abs. 5 KSchG selten. Zwar gilt auch für diese leitenden Angestellten das KSchG, jedoch bedarf ein Antrag des Arbeitgebers auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 KSchG keiner Begründung, der Arbeitgeber kann sich also von einem leitenden Angestellten iSd. § 14 Abs. 2 KSchG im Kündigungsschutzprozess ohne Begründung trennen, wenn auch gegen Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung. Darüber hinaus hat der leitende Angestellte nicht die – praktisch wenig bedeutsame – Möglichkeit, gegen die Kündigung gemäß § 3 KSchG Einspruch beim Betriebsrat einzulegen; auch die Regelungen zu Massenentlassungen gelten für ihn nicht (§ 17 Abs. 5 Nr. 3 KSchG).

8 BAG v. 25.3.2009, DB 2009, 1825; v. 11.1.1995, NZA 1995, 747; vgl. auch Kleinebrink, ArbRB 2012, 90, 92. 9 BAG v. 25.3.2009, NZA 2009, 1296, 1297. 10 BT-Drucks. 11/2503, S. 30; BAG v. 25.3.2009, DB 2009, 1825; v. 11.1.1995, NZA 1995, 747; vgl. auch Kleinebrink, ArbRB 2012, 90, 92. 11 Vgl. auch Lingemann, Kündigungsschutz, S. 28 ff.; Fuhlrott, ArbR Aktuell 2011, 55.

132 Lingemann

M 3.1

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

Zentrales Merkmal eines leitenden Angestellten nach § 14 Abs. 2 KSchG ist die Befugnis zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern. Allein die vertragliche Befugnis reicht aber nicht aus, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt worden ist.12 Die Befugnis muss nicht nur im Außenverhältnis, sondern auch im Innenverhältnis uneingeschränkt bestehen,13 wobei es ausreicht, dass sie die Einstellung oder die Entlassung betrifft.14 Obwohl die Voraussetzungen insoweit weiter sind als nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG, finden sich leitende Angestellte nach § 14 Abs. 2 KSchG nur sehr selten, da leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG auch regelmäßig nicht nach dessen Nr. 1, sondern nach den Nummern 2 und 3 definiert werden.

6

Daneben gilt für leitende Angestellte das ArbZG nicht, § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG.

7

12 BAG v. 14.4.2011, DB 2011, 2496; v. 10.10.2002, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122; vgl. auch Kleinebrink, ArbRB 2012, 90, 93. 13 BAG v. 14.4.2011, DB 2011, 2496; v. 18.10.2000, NZA 2001, 437. 14 BAG v. 27.9.2001, BB 2002, 2131; v. 10.10.2002, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122.

II. Muster

u

Ausführlicher Anstellungsvertrag mit einem Angestellten ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag Zwischen der X-AG (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau . . .1 wird Folgendes vereinbart: §1

Art und Ort der Tätigkeit2

(1) Herr/Frau . . . wird ab . . . als . . . in . . . eingestellt. (2) Der Arbeitgeber behält sich unter Wahrung der Interessen von Herrn/Frau . . . die Zuweisung eines anderen gleichwertigen Arbeitsgebietes vor.3 Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgabenbereiche.

1 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NachwG. 2 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 4 und 5 NachwG. 3 Weitere Formulierungsvorschläge sowie Einzelheiten zur Versetzungsklausel Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“ und „Änderungsklausel“, Rz. 129, 82a ff. sowie unter M 2.1a Ziff. 1. Die Versetzungsklausel verliert allerdings umso mehr an Bedeutung, je länger der Angestellte unverändert eine Tätigkeit erbracht hat; hat sich dadurch seine Vertragspflicht auf die Tätigkeit „konkretisiert“, so ist es ratsam, neben der Versetzung eine hilfsweise Änderungskündigung auszusprechen (dazu näher unten Kap. 19 und 20 sowie M 19.1).

Lingemann 133

3.1

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.1

§ 2 Arbeitszeit,4 Kurzarbeit (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ohne Pausen . . . Stunden wöchentlich.5 (2) Herr/Frau . . . wird seine/ihre ganze Arbeitskraft im Interesse des Arbeitgebers einsetzen.6 Er/Sie ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Mehrarbeits- und Überstunden bis zu . . . Stunden/Monat zu leisten, höchstens jedoch in gesetzlich zulässigem Umfang. Darüber hinaus ist er/sie verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers Nacht-, Schicht-, Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten.7 (3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III). Dabei ist eine Ankündigungsfrist von drei Wochen einzuhalten. Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in § 3 geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit.8 § 3 Vergütung9 (1) Herr/Frau . . . erhält eine am Monatsende zahlbare Bruttovergütung von Euro . . ./Monat. Im Falle von Tariferhöhungen oder -ermäßigungen erhöht oder ermäßigt sich die Bruttovergütung um den Prozentsatz, um den sich das Tarifgehalt der Gehaltsgruppe . . . für Angestellte des . . . Tarifvertrages verändert.10 (Var. 1) (2) Mit dieser Vergütung sind Mehrarbeits- und Überstunden bis zum Umfang von § 2 Abs. 2 abgegolten, jedoch begrenzt auf 25 % der Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 1.11, 12 4 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG. 5 Zu Einzelheiten der Arbeitszeit und alternativen Formulierungen vgl. oben M 2.1a, Anm. zu § 3. Zur Lage der Arbeitszeit hat der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht, § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, sofern ein kollektiver Tatbestand vorliegt. 6 Es ist zweifelhaft, ob diese Klausel allein schon ein Nebentätigkeitsverbot enthält. Es sollte daher gesondert geregelt werden (dazu § 6). 7 Vgl. M 2.1a Ziff. 4, Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Mehrarbeitsklausel/Überstundenpauschale“, Rz. 112. 8 Zu dieser Kurzarbeitsklausel s. im Einzelnen Anm. zu M 2.1a Ziff. 3 (2) sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, Rz. 111a. 9 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG; weitere Formulierungsbeispiele und Hinweise s. Kap. 12. 10 Wertsicherungsklauseln sind seit dem 14.9.2007 gemäß § 1 Abs. 1 PrKG grundsätzlich unzulässig. Die Erteilung einer Genehmigung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ist nicht mehr möglich. Zulässig sind jedoch weiterhin Gehalts- und Lohngleitklauseln, die an Tarifgehälter gekoppelt werden („Spannungsklauseln“, § 3 (1) Satz 2 des Musters), vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKG. 11 Bis zu welchem Anteil Überstunden pauschal abgegolten werden können, ist umstritten. Wir gehen hier von einer Obergrenze von 25 % der vereinbarten Arbeitszeit aus. Sofern diese schon mit der Obergrenze in § 2 Abs. 2 nicht überschritten wird, bedarf es in § 3 Abs. 2 dieser Einschränkung nicht mehr; Einzelheiten bei Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“, Rz. 118. 12 Die Regelung korrespondiert mit § 2 Abs. 2. Die Pauschalabgeltungsklausel ist unwirksam, wenn der Angestellte nur eine tarifliche Vergütung erhält. Umgekehrt ist bei leitenden Angestellten die Pauschalabgeltung der Überstunden die Regel und jedenfalls in Individualarbeitsverträgen wirksam (BAG v. 17.11.1966, AP BGB § 611 Leitende Angestellte Nr. 1;

134 Lingemann

M 3.1

Verträge mit Angestellten

Kap. 3

Darüber hinausgehende Mehrarbeits- und Überstunden sind durch Freizeit auszugleichen.13 oder (Var. 2) (2) Mit der vereinbarten Bruttovergütung sind bis zu . . . Mehrarbeits- und Überstunden monatlich abgegolten.14 Darüber hinausgehende Mehrarbeits- und Überstunden sind durch Freizeit auszugleichen. oder (Var. 3) (2) Zur Abgeltung der Mehrarbeits- und Überstunden gemäß § 2 Abs. 2 erhält Herr/ Frau . . . eine monatliche Pauschale in Höhe von Euro . . . (3) Die Pauschalabgeltung gemäß Abs. 2 kann von dem Arbeitgeber mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende widerrufen und die Ablösung durch eine Einzelabrechnung verlangt werden.15

v. 13.3.1967, AP BGB § 618 Nr. 15; v. 17.3.1982, NJW 1982, 2139). In Formulararbeitsverträgen – Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“, Rz. 118 – sollte entweder die Anzahl der pauschal abgegoltenen Überstunden – wie hier in Var. 1 und 2 beschränkt oder ausdrücklich eine Pauschale für die Abgeltung üblicherweise zu erwartender Überstunden vorgesehen werden (Var. 3). Es reicht für die Transparenz der Regelung dabei aus, wenn der Arbeitnehmer weiß, was ggf. „auf ihn zukommt“ und wie viel er maximal für seine Vergütung arbeiten muss (BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 908 m. Anm. Bauer/Arnold/Willemsen, NZA 2012, 908). Es reicht daher im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, wenn die Zahl der zu leistenden Überstunden begrenzt ist (für leitende Angestellte vgl. M 3.3 § 3 Abs. 3). 13 Bei der Entscheidung des Arbeitgebers darüber, ob ein Ausgleich für Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 ArbZG durch bezahlte freie Tage oder durch Entgeltzuschlag zu gewähren ist, hat der Betriebsrat nach 87 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen. Die Zahl der freien Tage und die Höhe des Zuschlags sind hingegen eine Frage der Billigkeit. Da der Arbeitgeber insoweit rechtlich gebunden ist, besteht hier kein Mitbestimmungsrecht (BAG v. 26.4.2005, NZA 2005, 884, 887; v. 26.8.1997, NZA 1998, 441). 14 BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 908 hält eine solche Klausel für wirksam, wobei der konkrete Fall eine Pauschalabgeltung von 20 Stunden pro Monat vorsah. Allerdings wurde nur die isolierte Pauschalabgeltung geprüft, nicht aber eine etwaige Anordnungsbefugnis. Möglicherweise wird bei einer Kombination von Anordnungsbefugnis und Pauschalabgeltung auch die Abgeltungsklausel kontrollfähig (vgl. Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986, die dies im Ergebnis ablehnen). UE sollte man in jedem Fall darauf achten, Anordnungsbefugnis und Abgeltungsklausel so zu trennen, dass bei einer unwirksamen Anordnungsbefugnis zumindest die Pauschalabgeltung im Wege des blue-pencil-tests bestehen bleiben kann, falls man nicht insgesamt auf die Anordnungsbefugnis verzichten will (vgl. zu dieser Möglichkeit Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986). Hinsichtlich der Anzahl der maximal pauschaliert abzugeltenden Überstunden kommt es jeweils auf den Einzelfall an, da eine Pauschalabgeltungsklausel die Vergütung des Arbeitnehmers senkt und er – je nach Branche und Gehalt – somit in den sittenwidrigen Bereich geraten kann, falls das Gehalt 2/3 des tarifüblichen Gehalts in dem Wirtschaftszweig unterschreitet (BAG v. 17.10.2012, EzA-SD 2013, Nr. 4, 8–10). 15 Ohne diese Klausel wäre eine Änderung von der Pauschalvergütung zur „Spitzabrechnung“ wohl nur durch Änderungskündigung zulässig (BAG v. 23.11.2000, NZA 2001, 492; Kleinebrink, ArbRB 2006, 21, 24). Ob diese Regelung allerdings der AGB-Kontrolle, insbesondere den Anforderungen an einen Widerrufsvorbehalt (s. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.), standhält, ist offen.

Lingemann 135

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.1

§ 4 Sonstige Leistungen16 (1) Sofern der Arbeitgeber eine Weihnachtsgratifikation leistet,17 erfolgt dies freiwillig und mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten vorbehaltlosen Leistung ein Rechtsanspruch nur auf die jeweils erhaltenen Leistungen entsteht und kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird. Der Arbeitgeber behält sich vor, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine solche Gratifikation geleistet wird. Dies gilt nicht für Leistungen nach Satz 1 oder 2, die auf einer individuellen Vertragsabrede mit dem Arbeitnehmer im Sinne des § 305b BGB beruhen.18 (2) Herr/Frau . . . erhält19 vermögenswirksame Leistungen nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz in Höhe von monatlich Euro . . ., sofern er/sie einen entsprechenden Vertrag nachweist. (3) Herr/Frau . . . erhält20 zusätzlich zur Vergütung einen Zuschuss zu seinen/ihren Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Ver16 Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 12 Rz. 26 ff. und M 12.15 mit weiteren Formulierungsbeispielen und Hinweisen. 17 Die früher übliche Formulierung „Der Arbeitnehmer erhält“ sieht das BAG nunmehr als anspruchsbegründend an, ein gleichzeitig vereinbarter Freiwilligkeitsvorbehalt, soweit er überhaupt noch wirksam wäre, stehe dazu im Widerspruch und sei daher intransparent und somit unwirksam, BAG v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173; v. 24.10.2007, NZA 2008, 40, eingehend dazu Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509; Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Kontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff., insbesondere Rz. 105b. Dasselbe gilt, wenn die Höhe der Leistung genau bestimmt ist; auch von der Angabe der Höhe ist daher abzuraten (BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203; v. 10.12.2008, DB 2009, 684). Auch ob die hier vorgeschlagene Klausel einer AGB-Kontrolle durch das BAG standhalten wird, kann nicht mit Sicherheit abgesehen werden. In der Entscheidung des BAG v. 30.7.2008 heißt es in Rz. 28 wörtlich: „Mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbundene Sonderzahlungen werden oft jahrelang geleistet“. Das Verb „leisten“ führt demnach wohl nicht zur Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts. Auch hier besteht aber Unsicherheit. Dem Arbeitgeber ist in jedem Falle dringend zu raten, den Freiwilligkeitsvorbehalt bei jeder Zahlung erneut zu erklären. 18 Diese Formulierung ist angelehnt an Preis/Sagan, NZA 2012, 697 im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung zu Freiwilligkeitsvorbehalten (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81), derzufolge nicht nur darauf zu achten ist, dass der Vorbehalt transparent formuliert ist, sondern auch, dass nur Sonderzahlungen erfasst werden und der Vorrang der Individualabrede zu beachten ist. Auch ist dem Arbeitgeber dringend zu raten, bei jeder zusätzlichen Leistung nochmals ausdrücklich zu erklären, dass diese einmalig ist und freiwillig erfolgt, ohne einen Rechtsanspruch für die Zukunft zu begründen; vgl. auch Hromadka, DB 2012, 1037; Hunold, DB 2012, 1096. Wie eine rechtssichere Formulierung aussieht, ist allerdings mehr denn je ungeklärt. Wird aber im Arbeitsvertrag zB bei unwirksamem Freiwilligkeitsvorbehalt ein Anspruch begründet, so ändert daran auch ein bei jeder Zahlung ausgesprochener Freiwilligkeitsvorbehalt nichts, denn dieser würde nur eine betriebliche Übung verhindern, nicht aber einen im Arbeitsvertrag begründeten Anspruch beseitigen (BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203). Angesichts der Unsicherheit darüber, wie ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt ausgestaltet sein muss, kann es ratsam sein, im Vertrag die freiwillige Leistung und damit den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu regeln und stattdessen bei jeder Zahlung den Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich zu erklären. 19 Hier handelt es sich um einen Anspruch wegen des Begriffes „erhält“, die Leistung kann daher nicht gleichzeitig unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, sondern nur unter Widerrufsvorbehalt, Einf. Kap. 2 „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff., 105b; „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 20 Hier handelt es sich um einen Anspruch wegen der Begriffes „erhält“, die Leistung kann daher nicht unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, sondern nur unter Widerrufsvorbehalt, Einf. Kap. 2 „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff., 105b; „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.

136 Lingemann

M 3.1

Verträge mit Angestellten

Kap. 3

kehrsmitteln im Linienverkehr bis zur Höhe von Euro . . . pro Monat, sofern er/sie entsprechende Aufwendungen nachweist.21 Der Arbeitgeber behält sich vor, den Zuschuss bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens für die Zukunft zu widerrufen.22 Wirtschaftliche Schwierigkeiten sind insbesondere23 ein Umsatzrückgang um . . . %. § 5 Verschwiegenheitspflicht (1) Herr/Frau . . . ist verpflichtet, während des Arbeitsverhältnisses und nach seiner Beendigung24 über alle nicht allgemein bekannten geschäftlichen Angelegenheiten25 [alternativ:] über alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse26 sowohl gegenüber Au21 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind Teil der privaten Lebensführung und daher vom Arbeitnehmer zu tragen (BAG v. 28.8.1991, DB 1991, 2594). Gewährt der Arbeitgeber Fahrtkostenzuschüsse, so hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zwar nicht bei der Frage, ob ein solcher Zuschuss eingeführt wird, wohl aber bei der Verteilung (BAG v. 9.7.1985, DB 1986, 230). Ein Initiativrecht des Betriebsrats besteht nicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist zu beachten. Praxistipp: Steuerfrei sind nach Maßgabe von § 3 Nr. 32 EStG die Kosten der Sammelbeförderung. Soweit Fahrtkostenersatz nicht steuerbefreit ist, kommt noch eine Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG mit (zzt.) 15 % in Betracht. 22 Sofern die Leistung – wie hier – als Anspruch gewährt wird, kann sie nicht unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden. Auch die Erklärung der Freiwilligkeit bei jeder Zahlung stünde wohl im Widerspruch zu einer solchen vertraglichen Formulierung. Sie könnte aber unter Widerrufsvorbehalt gestellt werden. Satz 2 enthält den Vorschlag für einen Widerrufsvorbehalt beschränkt auf wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens. Denkbar, hier aber uE nicht passend, wären auch Gründe in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers, Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff., weitere Formulierungsvorschläge s. M 12.15.2. 23 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.). 24 Die Schweigepflicht über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse besteht auch nach rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 19.5.1998, NZA 1999, 200). 25 Der Schutz des § 17 UWG ist auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beschränkt, die vereinbarte Verschwiegenheitspflicht kann weiter gehen (MünchArbR/Reichold, § 48 Rz. 33, 38). Ob die Verschwiegenheitspflicht so weit wie im Muster gefasst werden kann, ist unsicher (dagegen möglicherweise LAG Hamm v. 5.10.1988, DB 1989, 783). Will man dieses Risiko vermindern, müsste man die alternative Formulierung wählen und § 5 insoweit auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beschränken. Zulässig ist wahrscheinlich die Erstreckung der Schweigepflicht über Geschäftsgeheimnisse hinaus auf solche Daten, die der Arbeitgeber ausdrücklich als vertraulich bezeichnet (Preis/Reinfeld, ArbuR 1989, 361, 363; vgl. letzter Halbsatz des Musters). Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist auch keine Wettbewerbsabrede nach §§ 74 ff. HGB und daher nicht karenzentschädigungspflichtig (BAG v. 19.5.1998, NZA 1999, 200, 201; v. 16.3.1982, BB 1982, 1792). Demgegenüber haben Kundenschutzabreden häufig die Wirkung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes (BAG v. 15.12.1987, NZA 1988, 502 – Weinberater; v. 16.8.1988 – 3 AZR 664/87; BVerfG v. 10.10.1989, AP BGB § 611 Betriebsgeheimnis Nr. 5a), so dass sie ohne gleichzeitige Vereinbarung einer Entschädigung nach Maßgabe der §§ 74 ff. HGB unwirksam bzw. bei unzureichender Entschädigung für den (ehemaligen) Arbeitnehmer unverbindlich sein können (vgl. Lingemann/Winkel, NJW 2009, 966 zu Mandantenschutzklauseln). 26 Die Alternative ist deutlich enger gefasst, allerdings ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie der Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhält, höher (vgl. Preis/ Rolfs, II V 20 Rz. 33 ff.).

Lingemann 137

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.1

ßenstehenden als auch gegenüber anderen Mitarbeitern, die mit dem betreffenden Sachgebiet nicht unmittelbar befasst sind, Verschwiegenheit zu wahren.27 Herr/Frau . . . verpflichtet sich ferner, Anweisungen der Geschäftsleitung zur Geheimhaltung zu erfüllen und im Zweifelsfall eine Weisung der Geschäftsleitung zur Vertraulichkeit bestimmter Tatsachen einzuholen. (2) Sollte die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht Herrn/Frau . . . in seinem/ihrem beruflichen Fortkommen unangemessen behindern, hat er/sie gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung von dieser Pflicht.28 § 6 Nebentätigkeit29 (1) Die Aufnahme einer anderweitigen entgeltlichen Tätigkeit ist Herrn/Frau . . . nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Arbeitgebers gestattet. Hat Herr/Frau . . . dem Arbeitgeber schriftlich die beabsichtigte Tätigkeit unter Angabe von Art, Ort und Dauer angezeigt30 und stehen sachliche Gründe der Aufnahme der Tätigkeit nicht entgegen, hat der Arbeitgeber unverzüglich zuzustimmen.31 Er kann seine Zustimmung auch befristet oder unter einem Widerrufsvorbehalt32 erteilen. (2) Abs. 1 gilt auch für Vorträge und/oder Veröffentlichungen. (3) Das Zustimmungserfordernis gemäß Abs. 1 besteht nicht für die Aufnahme karitativer, konfessioneller oder politischer Tätigkeiten, sofern sie die Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrags nicht beeinträchtigen. 27 Droht ein Verstoß, so kann der Arbeitgeber Unterlassung verlangen. Hält der Arbeitnehmer noch Geheimnismaterial in Händen, kann der Arbeitgeber die Herausgabe fordern. Im Übrigen kommen Schadensersatzansprüche in Betracht (vgl. BAG v. 13.12.2007, NZA-RR 2008, 421; v. 25.4.1989, NZA 1989, 860; Molkenbur, BB 1990, 1196 zu den prozessualen Problemen, insbesondere der Bestimmtheit des Antrags). In laufenden Arbeitsverhältnissen kann auch eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein (BAG v. 24.3.2011, NZA 2011, 1029). 28 Zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine solche Öffnungsklausel ratsam sein; vgl. Hunold, SPA 21/2002, S. 1. 29 Die Klausel stellt die Aufnahme einer weiteren beruflichen Tätigkeit unter Erlaubnisvorbehalt. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zustimmung des Arbeitgebers, wenn die Aufnahme der Nebentätigkeit betriebliche Interessen nicht beeinträchtigt (BAG v. 11.12.2001, BB 2002, 2447). Die Einschränkung von Nebentätigkeiten korrespondiert mit der Verpflichtung, die gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen (oben § 2 Abs. 2). Ein absolutes Nebentätigkeitsverbot, also ein Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt, ist demgegenüber unzulässig (vgl. BAG v. 3.12.1970, AP BGB § 626 Nr. 60; v. 15.12.1999, NZA 2000, 481, 484). Wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion kann eine solche Klausel auch nicht einschränkend ausgelegt werden (vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 32, 38 ff.). Im Einzelnen zum Nebentätigkeitsverbot Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“, Rz. 115; Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69. 30 Auch umfassende Anzeigepflichten werden weitgehend als wirksam angesehen (Hunold, NZA-RR 2002, 505; Löwisch/Röder, Anm. zu BAG AP BGB § 626 Nr. 68; aA Singer, Anm. zu BAG AP BGB § 611 Nr. 8). Sie geben dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Beeinträchtigung von Arbeitgeberinteressen überhaupt erst zu prüfen (Löwisch/Röder, Anm. zu BAG AP BGB § 626 Nr. 68). Die Aufnahme einer Nebentätigkeit ohne erforderliche Einwilligung und/oder der Verstoß gegen die Anzeigepflicht kann nach Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. 31 Vgl. BAG v. 11.12.2001, NZA 2002, 965, 967; dies sollte im Hinblick auf das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erwähnt werden (vgl. Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69). 32 Vgl. zum Widerrufsvorbehalt Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.

138 Lingemann

M 3.1

Verträge mit Angestellten

§7

Kap. 3

Urlaub

Herr/Frau . . . erhält kalenderjährlich einen Erholungsurlaub von . . . Arbeitstagen.33 oder34 (1) Herr/Frau . . . hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG von vier Wochen/Jahr. (2) Der Arbeitgeber gewährt Herrn/Frau . . . zusätzlich einen Urlaubsanspruch von zwei weiteren Wochen/Jahr. Für diesen zusätzlichen Urlaub gilt abweichend von den rechtlichen Vorgaben für den gesetzlichen Mindesturlaub, dass der Urlaubsanspruch nach Ablauf des Übertragungszeitraums gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG auch dann verfällt, wenn der Urlaub bis dahin wegen Arbeitsunfähigkeit von Herrn/Frau . . . nicht genommen werden kann. (3) Mit der Erteilung von Urlaub wird bis zu dessen vollständiger Erfüllung zunächst der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch erfüllt. § 8 Reisekosten35 Die Reisekosten werden Herrn/Frau . . . nach den36 Reisekostenrichtlinien des Arbeitgebers erstattet. evtl. Der Arbeitgeber behält sich vor, die Regelungen aus sachlichen Gründen zu widerrufen. Sachliche Gründe sind – wirtschaftliche Gründe (insbesondere37 negatives wirtschaftliches Ergebnis, Rückgang der bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung), – Änderung der Tätigkeit des Arbeitnehmers, der rechtlichen Rahmenbedingungen oder veränderten gesetzlichen Vorgaben zur Benutzung von Verkehrsmitteln oder Hotels38

33 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 NachwG; der gesetzliche Mindestanspruch auf Jahresurlaub beträgt 24 Werktage, § 3 Abs. 1 BUrlG. Zu Einzelheiten vgl. M 2.1a Ziff. 7 mit Anm. sowie Kap. 14. 34 Die nachfolgende Variante soll der geänderten EuGH-Rechtsprechung zur Urlaubsgewährung EuGH v. 20.1.2009, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff und EuGH v. 22.11.2011, BB 2012, 59 – Schulte/KHS Rechnung tragen, Einzelheiten bei M 2.1a Ziff. 7. 35 Zu ausführlichen Formulierungen, Alternativen und Einzelheiten vgl. M 12.20. 36 Eine dynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Reisekostenrichtlinien wäre wahrscheinlich unwirksam, wenn keine Gründe für eine etwaige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen genannt oder erkennbar sind. BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; vgl. auch Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 99c. Will man die Klausel daher flexibilisieren, muss man wohl einen Widerrufsvorbehalt aufnehmen, wie im nachstehenden Eventualvorschlag. 37 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.). 38 Formulierungsvorschlag für den Widerrufsvorbehalt in Anlehnung an Gaul/Ludwig, BB 2010, 58.

Lingemann 139

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

§9

M 3.1

Erfindungen, Urheberrechte

(1) Für die Behandlung von Diensterfindungen gelten die Vorschriften des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen in seiner jeweiligen Fassung sowie die jeweils hierzu ergangenen Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmern im privaten Dienst.39 (2) Sonstige Urheberrechte aller Art, die auf Grund der Tätigkeit von Herrn/Frau . . . entstehen, sind auf den Arbeitgeber zu übertragen, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen. Die Übertragung dieser Rechte ist durch die Vergütung nach § 3 Abs. 1 abgegolten.40 § 10

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot41

(1) Herr/Frau . . . wird in den zwei Jahren nach Beendigung dieses Anstellungsvertrages weder selbstständig noch unselbstständig oder in sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig werden, das auf den Arbeitsgebieten . . . mit dem Arbeitgeber oder einem deutschen mit ihm verbundenen Unternehmen in mittelbarem oder unmittelbarem Wettbewerb steht. Er/sie wird während dieser Zeit ein solches Unternehmen auch nicht errichten, erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar beteiligen. evtl. Dies gilt nicht für einfache Tätigkeiten, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung eines Konkurrenzunternehmens führen können und im Übrigen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers nicht berühren.42 39 Die Vorschriften des ArbNErfG sind zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingend. Sie umfassen Erfindungen, soweit sie patent- oder gebrauchsmusterfähig sind (§ 2 ArbNErfG), und technische Verbesserungsvorschläge (§ 3 ArbNErfG). Diensterfindungen (§ 4 Abs. 2 ArbNErfG) kann der Arbeitgeber nach unverzüglicher Anzeige durch den Arbeitnehmer durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung in Textform freigeben (§ 8 Satz 1 ArbNErfG) oder sie – gegen angemessene Vergütung (vgl. §§ 9, 11, 12 ArbNErfG) – in Anspruch nehmen (§ 6 ArbNErfG). An freien Erfindungen muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mindestens ein nicht ausschließliches Recht zur Benutzung zu angemessenen Bedingungen anbieten (§ 19 Abs. 1 ArbNErfG). Abweichungen vom ArbNErfG zu Lasten des Arbeitnehmers sind erst nach Meldung von Diensterfindungen bzw. Mitteilungen freier Erfindungen im Rahmen der Billigkeit zulässig (§ 22 ArbNErfG). Zu den für die Berechnung der Vergütung maßgeblichen Umständen hat der Arbeitnehmer nach § 242 BGB einen Auskunftsanspruch, der sich bei Nutzung der Erfindung für andere Konzernunternehmen auch gegen diese richten kann (BAG v. 16.4.2002, BB 2002, 1490). Zur Reform des Arbeitnehmererfinderrechts vgl. Gennen, ArbRB 2011, 86. 40 Ob die Abgeltung der Übertragung der Nutzungsrechte mit dem Gehalt seit der 2002 erfolgten Neufassung der §§ 32, 32a UrhG noch wirksam ist oder an der Unabdingbarkeit in § 32 Abs. 3 UrhG scheitert, ist immer noch ungeklärt; Unwirksamkeit einer solchen Abgeltungsregelung nehmen an Grobys/Förstel, NZA 2002, 1015, 1018. Gegen diese Auffassung spricht, dass mit der Abgeltung die Urheberrechtsvergütung ja nicht wegfällt, sondern lediglich im Arbeitsentgelt enthalten ist (so die wohl h.M.: vgl. Moll/Gennen, Münchener AnwaltsHdb ArbR, § 16 Rz. 246; Leuze, GRUR 2006, 552 jeweils mwN.). Will man das Risiko vermindern, könnte gemäß § 32 Abs. 3 Satz 3 UrhG formuliert werden: „Der Urheber räumt an sonstigen Urheberrechten aller Art, die auf Grund der Tätigkeit von Herrn/Frau . . . entstehen, dem Arbeitgeber ein einfaches Nutzungsrecht ein. Die Übertragung dieses Rechtes ist durch die Vergütung nach § 3 abgegolten.“ Diese Vereinbarung ist nach § 32 Abs. 3 Satz 3 UrhG ausdrücklich vorgesehen. 41 Zu ausführlichen Formulierungen, Alternativen und Einzelheiten vgl. Kap. 25. 42 Das BAG hat für das vertragliche Wettbewerbsverbot angedeutet, dass solche Nebentätigkeiten von diesem Verbot nicht erfasst werden, vgl. BAG v. 24.3.2010, NZA 2010, 693. Ob dies auch für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gilt, ist offen.

140 Lingemann

M 3.1

Verträge mit Angestellten

Kap. 3

(2) Für die Dauer des Verbots erhält Herr/Frau . . . eine Entschädigung, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von ihm/ihr zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. (3) Im Übrigen gelten die §§ 74 ff. HGB entsprechend.43 § 11

Altersversorgung44

(1) Herr/Frau . . . hat Anspruch auf betriebliche Altersversorgung im Rahmen der Betriebsvereinbarung vom . . ., deren Anwendbarkeit auf das vorliegende Anstellungsverhältnis hiermit vereinbart wird. oder (1) Herr/Frau . . . erhält betriebliche Altersversorgung auf Grund einer Ruhegeld-Direktzusage, die diesem Vertrag als Anlage beigefügt ist.45 (2) Die Firma bietet die Umwandlung künftiger Entgeltansprüche bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung über die Pensionskasse . . . an.46 § 12

Dienstverhinderung

(1) Herr/Frau . . . ist verpflichtet, dem Arbeitgeber jede Dienstverhinderung und ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Auf Verlangen sind die Gründe der Dienstverhinderung mitzuteilen. (2) Jede Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit weist er/sie ferner binnen zwei Tagen durch ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach; dasselbe gilt für Folgeerkrankungen.47 (3) Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit erhält Herr/Frau . . . Entgeltfortzahlung nach den gesetzlichen Vorschriften.

43 Ggf. könnte noch eine Vertragsstrafe vereinbart werden, dazu M 25.1. 44 Zu ausführlichen Formulierungen, Alternativen und Einzelheiten vgl. Kap. 18. 45 Bei betrieblichen Versorgungsleistungen kann eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen sowohl aus betrieblichen Gründen (nachvollziehbar unterschiedliches Interesse an fortdauernder Betriebstreue der jeweiligen Arbeitnehmergruppen) als auch aus sozialen Gründen (unterschiedlicher Versorgungsbedarf) gerechtfertigt sein. Leitende Angestellte können nur dann eine Gleichbehandlung mit nicht leitenden Angestellten verlangen, wenn besondere Anhaltspunkte für eine solche Gleichbehandlung sprechen (BAG v. 20.7. 2004, DB 2005, 508). 46 Gemäß § 1a Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltumwandlung in dieser Höhe. Der Arbeitgeber kann die Durchführung über einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse anbieten, anderenfalls kann der Arbeitnehmer die Durchführung über eine Direktversicherung verlangen, § 1a Abs. 1 Satz 3 und 4 BetrAVG. Allerdings muss der Arbeitgeber bei dem Angebot größte Vorsicht walten lassen, insbesondere eine unangemessene Zillmerung kann dazu führen, dass der Arbeitgeber eine bei vorzeitiger Vertragsbeendigung auf Grund dessen zu niedrige Altersversorgung ausgleichen muss (BAG v. 15.9.2009, DB 2010, 61; weitergehend noch LAG München v. 15.3.2007, ZIP 2007, 978; abl. Neumann/ Schwebe, ZIP 2007, 981 ff.; Lingemann, FD-ArbR 2007, 233170; näher Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Zillmerung“, Rz. 142b). 47 Zu Einzelheiten vgl. M 2.1a Ziff. 6 mit Anm.

Lingemann 141

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

§ 13

M 3.1

Umzugskosten

(1) Der Arbeitgeber verpflichtet sich, Herrn/Frau . . . die Umzugskosten von . . . nach . . . gegen Vorlage der Belege zu erstatten. (2) Die Erteilung des Umzugsauftrages darf nur im Einverständnis mit dem Arbeitgeber erfolgen. Vorher hat Herr/Frau . . . die Angebote von mindestens . . . Möbelspediteuren beizubringen. (3) Scheidet Herr/Frau . . . vor Ablauf von drei Jahren nach dem Umzugstermin auf Grund einer Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis aus, ohne dass er/sie dafür einen wichtigen Grund hat, oder beruht eine Kündigung des Arbeitgebers innerhalb dieses Zeitraums auf Gründen, die Herr/Frau . . . zu vertreten hat, so ist Herr/Frau . . . verpflichtet, die Umzugskosten zurückzuzahlen, wobei pro Monat der Betriebszugehörigkeit nach dem Umzugstermin 1/ 36 der Umzugskosten als getilgt gelten.48 § 14 Gehaltsabtretung/Verpfändung (1) Ansprüche auf Arbeitsentgelt dürfen nicht abgetreten oder verpfändet werden.49 (2) Bei Pfändungen von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt werden Euro 2,50 pro Pfändung, zusätzlich Euro 2,50 für jedes zusätzliche Schreiben sowie Euro 1,– je Überweisung von dem Gehalt einbehalten. Das gilt nicht, soweit dadurch der unpfändbare Teil des Gehalts geschmälert wird. Herrn/Frau . . . bleibt der Nachweis gestattet, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger ist als die Pauschale.50 § 15

Vertragsstrafe51

(1) Nimmt Herr/Frau . . . vorsätzlich oder fahrlässig die Arbeit nicht oder verspätet auf, löst er/sie das Arbeitsverhältnis vorsätzlich oder fahrlässig ohne Einhaltung der Kündigungsfrist auf oder veranlasst er/sie vorsätzlich oder fahrlässig die Beendigung des Anstellungsverhältnisses durch den Arbeitgeber,52 so hat er/sie an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe zu zahlen.53 48 Klauseln über die Pro-rata-Rückzahlung von Ausbildungskosten nach Ende der Ausbildung müssen die Fälle ausschließen, in denen der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein in die Verantwortungs- oder Risikosphäre des Arbeitgebers fällt, BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042; v. 13.12.2011, NZA 2012, 738, Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Rückzahlungsklausel“, Rz. 121 ff. Für Umzugskosten gilt wahrscheinlich nichts anderes, betriebsbedingte Kündigungen werden daher von § 13 Abs. 3 nicht erfasst; vgl. auch Kap. 12 und M 12.21, Ziff. 5 mit Anm. 49 Zu den Einzelheiten vgl. Einf. Kap. 12 Rz. 53 sowie M 2.1a Ziff. 5 (5) und M 12.24. 50 Die Ergänzung sollte zur Vermeidung eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 5b BGB aufgenommen werden; Näheres M 2.1a Ziff. 5 (6) mit Anm. 51 Vertragsstrafen sind auch in Formulararbeitsverträgen in den Grenzen von § 307 BGB zulässig (BAG v. 28.5.2009, NZA 2009, 1337; v. 18.8.2005, BB 2006, 720; v. 21.3.2005, BB 2005, 2822; v. 4.3.2004, NZA 2004, 727; Einzelheiten Lingemann/Gottschalk, DStR 2011, 77 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 73 ff. und 130 ff.). Vorsicht beim „Verstecken“ einer Vertragsstrafe: Überraschende Klauseln werden nicht Vertragsbestandteil (§ 305c BGB), daher wird die Vertragsstrafe hier unter eigener Überschrift hervorgehoben; zur zulässigen Formulierung einer Vertragsstrafe s. auch BAG v. 28.5.2009, NZA 2009, 1337, 1340 f. 52 Die Tatbestände für die Verwirkung der Vertragsstrafe müssen spätestens seit der Geltung der AGB-Kontrolle auch für Arbeitsverträge eindeutig bestimmt sein (BAG v. 18.8.2005, NZA 2006, 34; Lingemann, NZA 2002, 181, 191 mwN). Im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff., 132; zur Rechtslage bei Individualverträ-

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

(2) Für den Fall des Nichtantritts der Arbeit54 beträgt die Vertragsstrafe das Bruttoarbeitsentgelt, welches Herr/Frau . . . bei Einhaltung der Mindestkündigungsfrist erhalten hätte.55 (3) Für den Fall der vorsätzlichen oder fahrlässig verspäteten Arbeitsaufnahme beträgt die Vertragsstrafe für jeden Tag der verspäteten Arbeitsaufnahme das auf einen Tag entfallende Bruttoentgelt. Maximal beträgt die Vertragsstrafe das Bruttoarbeitsentgelt, welches Herr/Frau . . . bei Einhaltung der Mindestkündigungsfrist erhalten hätte. (4) Für den Fall der vorsätzlichen oder fahrlässigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist oder der von Herrn/Frau . . . vorsätzlich oder fahrlässig veranlassten Beendigung des Anstellungsverhältnisses durch den Arbeitgeber beträgt die Vertragsstrafe ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt. Maximal beträgt die Vertragsstrafe jedoch das Bruttoarbeitsentgelt, welches Herr/Frau . . . bei Einhaltung der Mindestkündigungsfrist erhalten hätte. (5) Das Recht des Arbeitgebers, einen weiter gehenden Schaden geltend zu machen, bleibt unberührt.56 § 16

Beendigung des Anstellungsverhältnisses57

(1) Während der ersten sechs Monate kann das Anstellungsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.58 Vor der Arbeitsaufnahme59 kann das Arbeitsverhältnis nicht ordentlich60 gekündigt61 werden.62

53 54 55

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gen s. LAG Berlin v. 24.6.1991, DB 1992, 744; BAG v. 5.2.1986, NZA 1986, 782; v. 18.9.1991, DB 1992, 383: Soll die Vertragsstrafe auch die vom Arbeitnehmer schuldhaft veranlasste vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeberkündigung erfassen, so muss dies ausdrücklich vereinbart sein. Die Vertragsstrafe sichert die Erfüllung und erleichtert gleichzeitig die Durchsetzung von Schadensersatz in ihrer Höhe. Vgl. unten § 16 Abs. 1 Satz 2 m. Anm. Die Höhe muss feststehen und billigem Ermessen entsprechen (BGH v. 11.5.1989, DB 1989, 1868; v. 5.2.1986, NZA 1986, 782). Eine entgegen § 307 BGB in Formularverträgen zu hoch bemessene Vertragsstrafe kann nicht gemäß § 343 Abs. 1 BGB auf einen angemessenen Betrag gerichtlich herabgesetzt werden und führt zur Nichtigkeit der gesamten Klausel gemäß § 306 BGB (BAG v. 25.9.2008, NZA 2009, 370, 377; v. 4.3.2004, NZA 2004, 727). Von einer höheren Vertragsstrafe als dem für die normale Kündigungsfrist zu zahlenden Gehalt ist auch in Individualverträgen abzuraten (vgl. BAG v. 23.5.1984, DB 1984, 2143; LAG Düsseldorf v. 19.10.1967, DB 1968, 90), wobei wohl auch eine vertraglich verlängerte Kündigungsfrist maßgeblich sein kann (BAG v. 27.5.1992, EzA BGB § 339 Nr. 8). Ein Monatsgehalt ist generell als Maßstab geeignet, nicht jedoch, wenn in der Probezeit die Kündigungsfrist nur zwei Wochen beträgt (BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89; v. 4.3.2004, NZA 2004, 727). Unwirksam ist dagegen eine Klausel, welche angibt, dass die Strafe pauschal das ein- bis dreifache Monatsgehalt beträgt, und der Arbeitgeber die genaue Höhe anhand der Schwere des Verstoßes festlegen kann (BAG v. 18.8.2005, NZA 2006, 34, 37). Auch soll nach dem LAG Berlin-Brandenburg v. 12.11.2009, GWR 2010, 255 eine Klausel mangels Transparenz unwirksam sein, die an das „Bruttomonatsgehalt“ anknüpft, wenn neben dem Festgehalt eine variable Umsatzbeteiligung vereinbart ist. Vgl. auch Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 73 ff. und 130 ff. Vgl. §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB; die Regelung gibt nur deklaratorisch die Gesetzeslage wieder. Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 NachwG; zu Einzelheiten s. unten Kap. 22. Zur Mindestkündigungsfrist während der Probezeit vgl. § 622 Abs. 3 BGB. Im Zweifel können beide Parteien auch vor Arbeitsaufnahme unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist ordentlich kündigen (BAG v. 25.3.2004, NZA 2004, 1089; v. 2.11.1978,

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(2) Nach Ablauf von sechs Monaten kann das Arbeitsverhältnis nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften mit einer Kündigungsfrist von . . . Monaten zum Quartal/Halbjahresende/Jahresende gekündigt werden.63 Jede gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist zu Gunsten von Herrn/Frau . . . gilt auch zu Gunsten des Arbeitgebers. (3) Ohne dass es einer Kündigung bedarf, endet das Anstellungsverhältnis spätestens mit Ablauf des Monats, in dem Herr/Frau . . . die für ihn/sie maßgebliche Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (derzeit Vollendung des 67. Lebensjahres)64 erreicht.65 (4) Das Anstellungsverhältnis endet auch mit Ablauf des Monats, in dem ein Bescheid zugestellt wird, mit dem der zuständige Sozialversicherungsträger feststellt, dass Herr/ Frau . . . auf Dauer vollständig erwerbsgemindert ist, und Herr/Frau . . . nicht vor Ablauf der Widerspruchsfrist seinen/ihren Antrag zurücknimmt oder auf eine Rente auf Zeit einschränkt,66 bei späterem Beginn des entsprechenden Rentenbezugs jedoch erst mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorhergehenden Tages. Gewährt der Sozialversicherungsträger nur eine Rente auf Zeit, so ruht der Arbeitsvertrag für den Bewil-

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BB 1979, 1038). Ein Vertragsbruch ist die Kündigung vor Dienstaufnahme daher nur, wenn sich aus dem Anstellungsvertrag – wie hier – oder den sonstigen Umständen ergibt, dass eine solche Kündigung ausgeschlossen sein soll (vgl. BAG v. 25.3.2004, NZA 2004, 1089). Die außerordentliche Kündigung kann nicht ausgeschlossen werden. Da eine geltungserhaltende Reduktion nicht zulässig ist, § 306 Abs. 2 BGB, ist zu empfehlen, den Kündigungsausschluss ausdrücklich auf die ordentliche Kündigung zu beschränken. In einem Vorvertrag zu einem Arbeitsverhältnis (vgl. § 308 Nr. 3 Halbs. 2 BGB) kann auch ein Rücktrittsvorbehalt vereinbart werden. Um den Anforderungen des § 308 Nr. 3 BGB zu genügen, muss der Vorbehalt, soweit er dem Verwender ein Rücktrittsrecht gewährt, jedoch den Grund für die Lösung vom Vertrag mit hinreichender Deutlichkeit angeben, zudem muss die Aufnahme des Vorbehalts in den Vorvertrag sachlich gerechtfertigt sein (BAG v. 27.7.2005, NZA 2006, 539). Praxistipp: Wird vertragswidrig gekündigt, entsteht in vielen Fällen nur ein theoretischer Schadensersatzanspruch, weil es dem Arbeitgeber schwer fällt, einen Schaden nachzuweisen. Inseratskosten können nur geltend gemacht werden, wenn sie bei ordnungsgemäßer Kündigung nicht entstanden wären (BAG v. 23.3.1984, DB 1984, 1731). Hier wird vorsorglich ein Kündigungsrecht geregelt, da der Vertrag altersbefristet ist, § 15 Abs. 3 TzBfG. Der Klammerzusatz soll deutlich machen, dass das Bezugsalter für die gesetzliche Regelaltersrente sich ändern kann, das Arbeitsverhältnis würde sich mit dieser Klausel jeweils bis zu dem dann für den jeweiligen Arbeitnehmer geltenden Rentenbezugsalter verlängern. Vgl. zur Altersgrenze ferner Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Altersgrenze“, Rz. 86. Ohne ausdrückliche Regelung endet das Arbeitsverhältnis nicht „automatisch“ mit Erreichen des Rentenalters oder des 65. Lebensjahres. Eine Bezugnahme auf die Regelaltersgrenze ist nur wirksam bei Absicherung durch gesetzliche Altersrente (vgl. BAG v. 8.12.2010, NZA 2011, 586 zu einer entsprechenden tarifvertraglichen Regelung sowie BAG v. 5.3.2013 – AZR 417/12, PM 14/13 zu Betriebsvereinbarungen sowie BAG v. 14.8.2002, DB 2003, 394), möglicherweise allerdings auch, wenn der Arbeitnehmer die Auszahlung aus einer befreienden Lebensversicherung erhält (BAG v. 16.11.2005, NZA 2006, 535). Die Wirksamkeit der Befristung ist dabei aber nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig, da es für die Wirksamkeit der Befristung nur darauf ankommt, ob bei Vertragsschluss ein entsprechender Befristungsgrund vorlag (BAG v. 8.12.2010, NZA 2011, 586). Im Einzelnen zur Altersgrenze Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Altersgrenze“, Rz. 86. Vgl. BAG v. 23.2.2000, AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 25; ebenso LAG Nürnberg v. 26.9.2012 – 2 Sa 75/12, n. rkr. (anhängig unter Az. 2 Sa 75/12).

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Kap. 3

ligungszeitraum dieser Rente, längstens jedoch bis zum Beendigungszeitpunkt gemäß Satz 1.67 Satz 1 und 2 gelten nicht, wenn Herr/Frau . . . noch ohne Einschränkungen in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen.68 (5) Jede Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.69 (6) Nach Ausspruch einer Kündigung – gleichgültig, von welcher Seite – ist der Arbeitgeber berechtigt, Herrn/Frau . . . unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung freizustellen, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass Herr/Frau . . . den Vertrag in grober, das Vertrauen beeinträchtigender Weise verletzt (zB Konkurrenztätigkeit, Weitergabe von Interna) oder der Arbeitgeber Herrn/Frau . . . nicht mehr beschäftigen kann (zB wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes).70 Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung auf den Erholungsurlaub. Im Falle einer jahresübergreifenden Kündigungsfrist wird dabei vorsorglich der gesamte Jahresurlaub des dem Ausspruch der Kündigung folgenden Jahres gewährt.71 Auf die nach Anrechnung etwaiger restlicher Urlaubsansprüche fortzuzahlenden Bezüge muss Herr/Frau . . . sich den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er/sie infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner/ihrer Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.72 § 17 Vorschüsse und Arbeitgeberdarlehen Soweit der Arbeitgeber Herrn/Frau . . . Vorschüsse und Darlehen gewährt, werden die Restbeträge daraus bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf die 67 Die Wirksamkeit von Beendigungsklauseln ist seit Einführung der AGB-Kontrolle ungeklärt. Auch für den Fall der dauernden vollständigen Erwerbsminderung dürfte eine Befristung sachlich begründet sein (BAG v. 24.6.1987, AP BAT § 59 Nr. 5, die Rechtslage ist aber auch insoweit offen, ausf. Schmitt-Rolfes, NZA-Beil. 2010, 81), nicht aber bei einem nur vorübergehenden Bezug (Gaul, NZA 2000, Sonderbeil. zu Heft 3, 56). 68 So die Einschränkung in BAG v. 9.8.2000, NZA 2001, 737, die vorsorglich in die Klausel aufgenommen wurde. 69 Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag ohnehin zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die Regelung hat daher nur den Zweck, unternehmensintern die Beachtung der Schriftform sicherzustellen. Soweit im Anstellungsvertrag eine bestimmte Versendungsart vereinbart wird („. . . und ist durch eingeschriebenen Brief zu erklären“), hat diese nur beweissichernde Funktion. Auch eine in anderer Weise übermittelte Kündigung ist wirksam, wenn ihr Zugang bewiesen werden kann. Zu Einzelheiten der Kündigung, auch der Kündigungsformalien s. Kap. 22. 70 Bei der Angemessenheitskontrolle einer Freistellungsklausel im Formularvertrag ist der allgemeine Beschäftigungsanspruch zu berücksichtigen; aus diesem Grund empfiehlt es sich, die sachlichen Gründe, die zu einer Freistellung berechtigen, in der Klausel aufzuführen (Brachmann/Diepold, AuA 2009, 508; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Preis/Preis, II F 10 Rz. 21; s. unter Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“, Rz. 103). 71 Vgl. hierzu BAG v. 17.5.2011, NZA 2011, 1032: Die Freistellung könnte ansonsten dahingehend verstanden werden, dass der Arbeitgeber nur den Teilurlaubsanspruch gemäß § 5 Abs. 1 lit. c BUrlG gewähren wollte, soweit er davon ausging, dass aufgrund der Kündigung das Arbeitsverhältnis in der ersten Hälfte des Kalenderjahres endet. Dies ginge dann zu Lasten des Arbeitgebers, wenn sich die Kündigung im Nachhinein als rechtsunwirksam herausstellte. 72 Wichtig: Gemäß BAG v. 19.3.2002, NZA 2002, 1055 läuft der Arbeitgeber Gefahr, dass ohne eine solche ausdrückliche Anrechnungserklärung bei Freistellung keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes erfolgt. Einzelheiten zur Freistellung s. M 23.1a mit Anm. zu § 3.

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

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bei Hingabe getroffenen Vereinbarungen fällig, es sei denn, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen gekündigt oder Herr/Frau . . . aus einem von dem Arbeitgeber zu vertretenden Grund außerordentlich gekündigt hat. § 18 Einstellungsfragebogen Angaben von Herrn/Frau . . . im Einstellungsfragebogen bzw. Personalfragebogen sind wesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrages.73 § 19

Zahlungsabwicklung, Zinsen

(1) Alle Zahlungen erfolgen bargeldlos. Herr/Frau . . . wird innerhalb von zehn Tagen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Konto errichten und die Kontonummer mitteilen.74 (2) Im Falle des Verzuges sind Zinsen aus dem Nettobetrag und nicht aus dem Bruttobetrag geschuldet.75 § 20 Internetnutzung Herr/Frau . . . ist nicht berechtigt, den Internetzugang zu privaten Zwecken zu nutzen. Er/sie ist damit einverstanden, dass der Arbeitgeber den E-Mail-Verkehr auf die Einhaltung dieser Regelung hin prüft.76 § 21 Ausschlussfristen77 (1) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von drei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Ablauf der Drei-WochenFrist gerichtlich geltend gemacht wird.78

73 Sie begründen daher bei falscher Beantwortung zulässiger Fragen die Anfechtung des Anstellungsvertrages (dazu oben Einf. Kap. 1 und M 1.3.1, M 1.3.2 sowie Kap. 21). 74 Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Art der Gehaltszahlung. Auch die einzelvertragliche Vereinbarung bargeldloser Zahlung schränkt dieses Mitbestimmungsrecht – anders als eine tarifliche Regelung – nicht ein (vgl. BAG v. 5.3.1991, NZA 1991, 611; v. 24.11.1987, NZA 1988, 405). 75 Die Wirksamkeit dieser Klausel ist fraglich, da § 288 BGB insoweit möglicherweise zwingend ist; im Einzelnen vgl. M 2.1a Ziff. 5 (4). 76 Sofern ein Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem Umfang nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, kann dies einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen (BAG v. 7.7.2005, NZA 2006, 98; v. 31.5.2007, NZA 2007, 922). Die Pflichtverletzung wiegt umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt (BAG v. 27.4.2006, NJW 2006, 2939). Einzelheiten bei Einf. Kap. 22, Rz. 42. 77 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 10; ferner Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist/Ausschlussklausel“, Rz. 92 ff. 78 Vgl. zu den Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Kontrolle von A–Z, „Ausschlussklausel“, Rz. 93.

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

(2) Abs. 1 gilt auch für Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen. (3) Abs. 1 und Abs. 2 gelten nicht bei einer Haftung wegen Vorsatz und bei Ansprüchen, die auf strafbaren Handlungen oder unerlaubten Handlungen beruhen. § 22 Geltung von kollektiven und betrieblichen Regelungen79 (1) Im Übrigen gelten die für den Betrieb jeweils einschlägigen Betriebsvereinbarungen. Dies gilt auch dann, wenn sie nach Abschluss des Vertrages geändert werden und für den Arbeitnehmer ungünstiger als der Vertrag sind. (2) Darüber hinaus gelten die für den Betrieb jeweils einschlägigen Betriebsordnungen, Arbeitsanordnungen, Dienstanweisungen etc. in ihrer jeweils gültigen Fassung. (3) Die in Abs. 1 und 2 genannten Vereinbarungen und Regelungen können in der Personalabteilung zu den üblichen Dienststunden und im Intranet unter . . . eingesehen werden. § 23 Datenschutz80 Herr/Frau . . . willigt in die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Speicherung seiner/ ihrer personenbezogenen Daten ein, soweit diese zur Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Das gilt insbesondere auch für alle Daten, die er/sie im Rahmen seiner Bewerbung unaufgefordert mitgeteilt hat. Soweit ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Speicherung der Daten nicht mehr besteht, kann Herr/Frau . . . die Löschung der Daten jederzeit verlangen.81 § 24 Ausschluss abweichender Absprachen und Nebenabreden82 Mit Abschluss dieses Vertrages werden alle eventuell bisher vorhandenen schriftlichen oder mündlichen Absprachen und Nebenabreden hinfällig. Ergänzende mündliche Abmachungen zu diesem Vertrag wurden nicht getroffen. § 25 Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung83 Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.84 § 26 Salvatorische Klausel Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages und/oder seiner Änderungen bzw. Ergänzungen unwirksam sein, so wird dadurch die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung ver79 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 11. 80 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 12. 81 Vgl. § 4a iVm. § 32 BDSG; Einzelheiten sowie ausführlichere Formulierungsvorschläge s. Einf. Kap. 70 Rz. 10 sowie M 70.5 ff. 82 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 13. 83 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 14. 84 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 14.

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.2

pflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.85 § 27 Gerichtsstand Für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, seiner Beendigung und Abwicklung ist das Arbeitsgericht . . . zuständig.86 § 28

Vertragsaushändigung

Der Vertrag wird in zwei Ausfertigungen erstellt, von denen jede Partei eine erhalten hat.87 ... (Ort, Datum) ... (Unterschrift Arbeitgeber)

... (Ort, Datum) ... (Unterschrift Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin)

85 Satz 1 der Klausel entspricht der gesetzlichen Regelung in § 306 Abs. 1 BGB. Zu Satz 2: Eine Ersetzungsklausel, wonach statt des dispositiven Rechts „automatisch“ eine Regelung gelten soll, die wirtschaftlich der unwirksamen Klausel am nächsten kommt, ist in Formularverträgen gem. §§ 306 Abs. 2, 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht mehr zulässig (BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12; v. 13.12.2011, NZA 2012, 738, 741; Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rz. 15 mwN), daher ist hier eine Verhandlungsverpflichtung vorgesehen (Klauselvorschlag nach Tomicic in Krauß/Weise, Beck’sche Online-Formulare Vertragsrecht, Stand: 1.6.2012, M 2.1.8, § 21). 86 Eine Gerichtsstandsvereinbarung greift nur, wenn eine Partei im Inland keinen dauernden Wohnsitz hat, § 38 Abs. 2 ZPO. Auch dann gilt die Einschränkung des § 38 Abs. 2 Satz 3 ZPO. 87 Gemäß § 309 Nr. 12b BGB bedarf das Empfangsbekenntnis, um nicht AGB-widrig zu sein, der gesonderten Unterschrift.

3.2

u

Anstellungsvertrag mit einem Angestellten mit Bezugnahme auf Tarifvertrag1

Zwischen der X-AG (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau . . . wird Folgendes vereinbart: 1 Soweit die Vertragspartner tarifgebunden sind, sind nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) in dem Anstellungsvertrag nur solche Regelungen wirksam, die entweder im Tarifvertrag nicht geregelt sind oder, soweit sie von ihm abweichen, durch den Tarifvertrag gestattet sind oder von den tariflichen Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers abweichen. Je nach dem Inhalt des Tarifvertrages kommen also auch hier zusätzliche Regelungen gemäß M 3.1 in Betracht. Zu AT-Angestellten vgl. Hunold, NZA-RR 2010, 505.

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M 3.2

Verträge mit Angestellten

Kap. 3

§ 1 Art der Tätigkeit (1) Herr/Frau . . . wird ab . . . als . . . in . . . eingestellt. (2) Der Arbeitgeber behält sich unter Wahrung der Interessen von Herrn/Frau . . . die Zuweisung eines anderen gleichwertigen Arbeitsgebietes vor. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgabenbereiche.2 § 2 Probezeit und Vertragsdauer3 (1) Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann das Anstellungsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. (2) Nach Ablauf von sechs Monaten kann das Arbeitsverhältnis nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften mit einer Kündigungsfrist von . . . Monaten zum Quartal/Halbjahresende/Jahresende gekündigt werden. Jede gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist zu Gunsten von Herrn/Frau . . . gilt auch zu Gunsten des Arbeitgebers. (3) Ohne dass es einer Kündigung bedarf, endet das Anstellungsverhältnis spätestens mit Ablauf des Monats, in dem Herr/Frau . . . die für ihn/sie maßgebliche Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (derzeit Vollendung des 67. Lebensjahres) erreicht. § 3 Arbeitszeit (1) Die Arbeitszeit richtet sich nach den jeweils für den Betrieb geltenden gesetzlichen/ tariflichen Regelungen und den für den Betrieb geltenden Einteilungen.4 (2) Herr/Frau . . . wird seine/ihre ganze Arbeitskraft im Interesse des Arbeitgebers einsetzen.5 Er/Sie ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Mehrarbeits- und Überstunden bis zu . . . Stunden/Monat zu leisten. Darüber hinaus ist er/sie verpflichtet, Nacht-, Schicht-, Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten.6 (3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III). Dabei ist eine Ankündigungsfrist von drei Wochen einzuhalten. Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in § 4 Abs. 1 geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit.7 2 Zu alternativen Formulierungsvorschlägen und Einzelheiten s. M 2.1a Ziff. 1 (2) m. Anm.; vgl. ferner Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z „Versetzungsklausel“ und „Änderungsklausel“, Rz. 82a ff., 129. 3 Vgl. im Einzelnen M 2.1a Ziff. 2 m. Anm. 4 Zur zulässigen Arbeitszeit vgl. Einf. Kap. 2, Rz. 156 ff. Die Klausel ist in erster Linie auf Angestellte zugeschnitten, die nicht an die Arbeitszeiten der Produktion gebunden sind, also insb. kaufmännische Angestellte. Für Angestellte – zB Abteilungsleiter – in der Produktion wäre die jeweilige Fassung des gewerblichen Vertrages (vgl. M 2.2 Ziff. 3) zu übernehmen, soweit die jeweiligen tariflichen Regelungen für Angestellte dem nicht entgegenstehen. 5 Es ist zweifelhaft, ob diese Klausel allein schon ein Nebentätigkeitsverbot enthält. Es sollte daher gesondert geregelt werden (dazu unten unter § 6). 6 Vgl. Anm. zu M 2.1a Ziff. 4, Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Mehrarbeitsklausel“, Rz. 112. Vgl. ferner M 2.2 Fn. 4 ff. 7 Einzelheiten bei M 2.1a Ziff. 3 (2) und Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, Rz. 111a.

Lingemann 149

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

§4

M 3.2

Vergütung

(1) Herr/Frau . . . wird nach der Tarifgruppe . . . vergütet wie folgt:8 Tarifgehalt (zurzeit): Übertarifliche Zulage

Euro . . ./Monat 9

Euro . . ./Monat

Zuschläge für . . . (zurzeit):

Euro . . ./Monat

(2) Der Arbeitgeber behält sich vor, die übertarifliche Zulage bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen.10 Sachliche Gründe sind – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere11 ein Umsatzrückgang von mehr als . . . % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als . . . im letzten Geschäftsjahr), – eine um . . . % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von . . . Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Das Tarifgehalt bleibt dabei unangetastet. Der widerrufliche Teil ist begrenzt auf 24,5 % der Gesamtvergütung.12 (3) Die übertarifliche Zulage kann auf den Tariflohn angerechnet werden, wenn sich dieser infolge von Tariferhöhungen oder infolge einer Umgruppierung des Arbeitnehmers erhöht.13 Dasselbe gilt bei einer Verkürzung der Arbeitszeit. §5

Tarifgeltung

Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die für den Betrieb oder Betriebsteil, in dem Herr/Frau . . . beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Derzeit sind dies die Tarifverträge der . . .-Industrie.14 8 Sofern der Vertrag nicht eine ausdrückliche Regelung dazu enthält, dass die tariflichen Regelungen nicht dynamisch gelten, wertet das BAG eine solche Vereinbarung in Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB als dynamische Verweisung (BAG v. 10.11.2010, NJOZ 2011, 376; v. 9.11.2005, NZA 2006, 202; Einzelheiten bei M 2.2 Ziff. 4 (1). 9 S. Anm. zu M 2.2 Ziff. 4 (1) sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt, Rz. 104“; Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754. 10 S. Anm. zu M 2.2 Ziff. 4 (2) sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. Im Einzelnen s. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 11 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82f). 12 Die widerrufliche synallagmatische Leistung muss „weniger als“ 25 % der Gesamtvergütung (BAG v. 12.1.2005, NZA 2005, 465, 467 unter I 4d) betragen, 24,9 % oder, wie hier, sicherheitshalber 24,5 % müssten also zulässig sein, vgl. auch M 2.2 Ziff. 4 (2) m. Anm. sowie Hunold, NZA-RR 2006, 113, 120. 13 S. Anm. zu M 2.2 Ziff. 4 (3) sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f. 14 § 5 enthält eine einfache Tarifwechselklausel, s. M 2.2 Ziff. 5, Var. 3 mit Anm. Zu Einzelheiten und weiteren Formulierungsvorschlägen, ferner zu kleinen dynamischen und statischen Bezugnahmeklauseln s. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 98 ff., „Bezugnahmeklausel“ sowie M 2.2 Ziff. 5.

150 Lingemann

M 3.3

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

... (Ort, Datum) ... (Unterschrift Arbeitgeber)

... (Ort, Datum) ... (Unterschrift Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin)

u

Anstellungsvertrag mit einem leitenden Angestellten Zwischen der X-AG (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau . . . wird Folgendes vereinbart: § 1 Art der Tätigkeit (1) Der Arbeitgeber überträgt Herrn/Frau . . . die Leitung der Abteilung . . .

(2) Die Stelle ist mit Prokura/Handlungsvollmacht/Generalvollmacht ausgestattet. oder1 (2) Nach einer Einarbeitungszeit von . . . Monaten wird Herrn/Frau . . . bei Bewährung Prokura/Handlungsvollmacht/Generalvollmacht erteilt. evtl. Die Prokura kann der Arbeitgeber jederzeit widerrufen.2 (3) Herr/Frau . . . ist leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG.3 (4) Sein/ihr Aufgabenbereich umfasst . . . Der Arbeitgeber behält sich vor, Herrn/Frau . . . entsprechend seinen/ihren Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Tätigkeit zu betrauen. Der Vorbehalt erstreckt sich auch auf eine Beschäftigung an einem anderen Ort oder bei einer Tochtergesellschaft des Arbeitgebers. Soweit nicht dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, wird der Arbeitgeber die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes nur mit 1 Widerruft der Arbeitgeber vertragswidrig eine Prokura, so kann er schadensersatzpflichtig werden, oder der Arbeitnehmer kann außerordentlich kündigen; der Arbeitnehmer kann aber nicht verlangen, dass ihm die Prokura erteilt wird (BAG v. 26.8.1986, NZA 1987, 202; Kleinebrink, ArbRB 2012, 90, 91 f.). 2 Eine solche Regelung dient dazu, Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers bei Widerruf der Prokura auszuschließen, vgl. Kleinebrink, ArbRB 2012, 90, 92. 3 Eine solche Klausel findet sich in vielen Verträgen mit Führungskräften. Das Selbstverständnis und die Bezeichnung eines Angestellten als „Leitender Angestellter“ im Arbeitsvertrag ist jedoch nicht bindend (vgl. oben Einf. Rz. 2 ff.). Die Zuordnung eines leitenden Angestellten nach § 18a BetrVG beschränkt sich auch nur auf die Betriebsrats-/Sprecherausschusswahl. In Zweifelsfällen sollte der Arbeitgeber deshalb vor Ausspruch einer Kündigung den Betriebsrat hilfsweise nach § 102 BetrVG anhören. Besteht ein Sprecherausschuss, ist dieser vor der Kündigung eines leitenden Angestellten zu hören, § 31 SprAuG.

Lingemann 151

3.3

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.3

einer Ankündigungsfrist von . . . Wochen/Monaten erklären. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgabenbereiche.4 (5) Herr/Frau . . . tritt seine/ihre Stelle spätestens am . . . an. § 2 Arbeitszeit, Kurzarbeit (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt . . . Stunden wöchentlich.5 (2) Herr/Frau . . . ist verpflichtet, seine/ihre ganze Arbeitskraft im Interesse des Arbeitgebers einzusetzen und, soweit erforderlich, auch über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus zu arbeiten.6 (3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III). Dabei ist eine Ankündigungsfrist von drei Wochen einzuhalten. Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in § 3 Abs. 1 geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit.7 §3

Vergütung

(1) Herr/Frau . . . erhält eine am Monatsende zahlbare Bruttovergütung von Euro . . . monatlich.8 evtl. Im Falle von Tariferhöhungen oder -ermäßigungen erhöht oder ermäßigt sich die Bruttovergütung um den Prozentsatz, um den sich das Tarifgehalt der Gehaltsgruppe . . . für Angestellte des . . . Tarifvertrages verändert.9 4 Zu weiteren Formulierungsvorschlägen und Einzelheiten s. M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“ und „Änderungsvereinbarung“, Rz. 82a ff., 129. 5 Das ArbZG gilt für leitende Angestellte nicht, § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG. 6 Vgl. M 2.2 Anm. zu Ziff. 1; für leitende Angestellte dürfte auch eine Regelung ohne Obergrenze wirksam sein; anderenfalls müsste man sich an M 3.1 § 2 Abs. 2 orientieren. 7 Einzelheiten bei M 2.1a Ziff. 3 Abs. 3 und Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, Rz. 111a. Betriebsvereinbarungen zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit gelten für leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3, 4 BetrVG nicht. Daher kann Kurzarbeit einseitig nur durchgesetzt werden, wenn dies einzelvertraglich entweder aus konkretem Anlass oder bereits im Arbeitsvertrag vereinbart ist (vgl. Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 47 Rz. 7). Setzt der Arbeitnehmer angeordnete Kurzarbeit tatsächlich um, so kann dies auch als konkludente Vereinbarung gedeutet werden (LAG Düsseldorf v. 14.10.1994, DB 1995, 682). Fehlt indes eine entsprechende Vereinbarung, so bleibt dem Arbeitgeber nur die Änderungskündigung, die jedoch wegen Einhaltung der Kündigungsfristen regelmäßig erst (zu) spät greifen wird. 8 Leitende Angestellte sind im Hinblick auf die Wertigkeit ihres Aufgabengebietes stets AT-Angestellte, vgl. Hunold, NZA-RR 2010, 505 f., so dass das Gehalt unabhängig von einem Tarifvertrag vereinbart wird. 9 Zur Zulässigkeit von Wertsicherungsklauseln nach dem PrKG vgl. M 3.1, § 3 Abs. 1 Satz 2 m. Anm. Zulässig sind jedenfalls Gehalts- und Lohngleitklauseln, die – wie § 3 Abs. 1 Satz 2 – an Tarifgehälter gekoppelt werden („Spannungsklauseln“), vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKG. Bei leitenden Angestellten ist das allerdings nicht unbedingt gewünscht. Tarifabstandsklauseln sind auch in Verbindung mit einer Pauschalabgeltung von Überstunden problematisch, da durch die faktische Inanspruchnahme die Vergütung unter das Tarifstundenniveau sinken kann und damit doch ein Anspruch auf Überstundenvergütung entsteht, vgl. Hunold, NZA-RR 2010, 505, 508.

152 Lingemann

M 3.3

Verträge mit Angestellten

Kap. 3

(2) Herr/Frau . . . erhält eine Gewinnbeteiligung (Tantieme)10 in Höhe von . . . % des Jahresgewinns gemäß Handelsbilanz des Arbeitgebers, vor Abzug der Tantieme, nach Abschreibungen, Wertberichtigungen und Bildung von Rückstellungen sowie abzüglich des Teils des Gewinns, der durch die Auflösung von Rückstellungen entstanden ist.11 Die Tantieme beträgt in den ersten zwei Jahren jedoch mindestens jährlich Euro . . .12 Die Tantieme wird binnen Monatsfrist nach Feststellung des Jahresabschlusses gezahlt. Scheidet Herr/Frau . . . innerhalb des laufenden Geschäftsjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus, besteht der Anspruch pro rata temporis.13 oder (2) Herr/Frau . . . erhält eine Tantieme, deren Höhe im Ermessen der Gesellschaft liegt. Sie kommt nur zur Auszahlung, wenn die Gesellschaft ihren Aktionären eine Dividende ausschüttet und Herr/Frau . . . sich zum Zeitpunkt der Fälligkeit im ungekündigten Dienstverhältnis befindet.14 10 Die strengen Regelungen des VorstAG (Einf. Kap. 5 Rz. 13 ff.) gelten für leitende Angestellte nicht unmittelbar. Will man verhindern, dass deren variable Vergütung sich von den für den Vorstand ggf. nach VorstAG zwingenden Strukturen der variablen Vergütung unterscheidet, kann man sich an der Gestaltung im Vorstandsvertrag (M 5.1 § 3 Abs. 2) orientieren. Anders als eine Beteiligung am Gewinn ist eine Beteiligung am Verlust sittenwidrig und damit schon gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn dafür kein angemessener Ausgleich gewährt wird, weil dem Arbeitnehmer damit in unzulässiger Weise das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers überlastet wird (BAG v. 10.10.1990, DB 1991, 659). Die Gewinnbeteiligung (Tantieme) richtet sich nach Gewinn oder – im Ausnahmefall – Umsatz des Unternehmens, unabhängig vom Grad der Mitwirkung des Berechtigten. Demgegenüber setzt eine Provision voraus, dass eine bestimmte Tätigkeit des Arbeitnehmers für den die Provision begründenden Tatbestand (zB Geschäftsabschluss) kausal geworden ist. Rechtsgrundlage einer Gewinnbeteiligung kann zwar auch ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung sein; regelmäßig geht sie jedoch auf den Arbeitsvertrag zurück. Zulässig ist es, die Zahlung einer Gewinnbeteiligung von der Ausschüttung einer Dividende an die Aktionäre abhängig zu machen (vgl. BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 499). Will der Arbeitgeber Gewinnbeteiligungen oder Umsatzprämien einführen, bedarf sowohl deren Einführung als auch die Ausgestaltung und Änderung des Beteiligungssystems zwar der Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (BAG v. 25.4.1995, NZA 1995, 1063 zur Einführung von Umsatzprämien). Das gilt aber nicht für Gewinnbeteiligungen für leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG. Der Betriebsrat kann die Einführung eines Gewinnbeteiligungssystems nicht erzwingen. Vgl. näher zum Ganzen Kap. 12, insb. M 12.10 ff. 11 Häufig ist Bemessungsgrundlage der Jahresgewinn nach Handelsbilanz (nicht Steuerbilanz), uU auch mit den Einschränkungen nach dem Muster. Zur Durchsetzung des Anspruchs hat der Arbeitnehmer aus § 242 BGB gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung über den erzielten Gewinn, insbesondere durch Vorlage des Jahresabschlusses. 12 Die Tantieme ist als Anspruch ausgestaltet durch die Formulierung „erhält“ (Einf. Kap. 2, Rz. 105b). Die Vereinbarung einer Mindesttantieme empfiehlt sich insbesondere in Turnaround-Situationen. Sie kann dann – wie im Muster – angemessen befristet sein. 13 Alternativ käme die Ermittlung des Gewinns zum Ausscheidenszeitpunkt durch Erstellung einer Zwischenbilanz in Betracht; zur Vermeidung dieses enormen Aufwandes empfiehlt es sich, die Pro-rata-Geltung im Vertrag festzulegen. UE gilt die Pro-rata-Regelung auch, wenn das Arbeitsverhältnis auf Grund betriebsbedingter Kündigung beendet wurde. 14 Formulierung wie in BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 499. Das BAG hat diese Formulierung gebilligt, sie sei weder intransparent noch stelle sie eine unangemessene Benachteiligung dar. Auch die Tatsache, dass die Gesellschaft mehrere Jahre lang den Zahlungen keinen Hinweis auf den Dividendenvorbehalt beigefügt hatte, hielt der 10. Senat für unschädlich, die Mittei-

Lingemann 153

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.3

oder15 (2) Herrn/Frau . . . kann nach Abschluss des Geschäftsjahres am 31.3. des folgenden Kalenderjahres eine Sonderzahlung gewährt werden. Die Gewährung dieser Sonderzahlung erfolgt freiwillig und mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten vorbehaltlosen Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird.16 Der Arbeitgeber behält sich vor, vor Beginn eines jeden Jahr neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe die Sondervergütung gewährt wird. Dies gilt nicht für Sonderzahlungen, die auf einer individuellen Vertragsabrede mit dem Arbeitnehmer im Sinne des § 305b BGB beruhen.17 oder (2) Herr/Frau . . . erhält eine Provision in Höhe von Euro . . . je . . .18 (3) Mit dieser Vergütung sind Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit abgegolten.19

15 16 17

18 19

lung der Anspruchsvoraussetzung bei einer Leistung sei rechtsgeschäftlich ohne Bedeutung. Insofern ist genau zu differenzieren zwischen einem Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeweils bei jeder Zahlung erklärt werden muss (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81), und einer solchen rechtsgeschäftlichen Bedingung, bei der die Regelung im Vertrag ausreicht. Folgende Variante mit ausdrücklichem Freiwilligkeitsvorbehalt, Einzelheiten dazu s. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. S. M 2.1a Ziff. 5 Abs. 4. Vgl. auch Hromadka, DB 2012, 1037; Hunold, DB 2012, 1096. Nach der neueren Rechtsprechung zu Freiwilligkeitsvorbehalten (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81), muss der Vorbehalt nicht nur transparent formuliert sein, sondern auch den Vorrang der Individualabrede beachten. Zudem können Freiwilligkeitsvorbehalte wohl nur noch dazu dienen, eine betriebliche Übung hinsichtlich der konkreten Leistung zu vermeiden. In jedem Fall muss bei jeder Zahlung nochmals ausdrücklich erklärt werden, dass diese einmalig ist und freiwillig erfolgt, ohne einen Rechtsanspruch für die Zukunft zu begründen, da die Rechtsprechung Freiwilligkeitsvorbehalte in Formularverträgen zunehmend restriktiv beurteilt; sie reichen alleine zur Begründung der Freiwilligkeit wohl nicht mehr aus (Einzelheiten s. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104). Zu Einzelheiten der Provisionsansprüche vgl. M 12.11. Anders als bei (einfachen) Angestellten (vgl. oben M 3.1 § 3 Abs. 2) ist bei leitenden Angestellten die gesonderte Vergütung von Überstunden die Ausnahme. Ohne ausdrückliche Vereinbarung sind sie nach der Rechtslage vor Einführung der AGB-Kontrolle nur gesondert zu vergüten, wenn die vertraglichen Bezüge lediglich eine bestimmte Normalleistung abgelten sollen oder wenn dem leitenden Angestellten zusätzlich Arbeiten außerhalb seines eigentlichen Aufgabenkreises übertragen werden (vgl. BAG v. 17.11.1966, AP BGB § 611 Leitende Angestellte Nr. 1; v. 13.3.1967, AP BGB § 618 Nr. 15). Ob auch bei leitenden Angestellten wegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB die Unwirksamkeit einer solchen Pauschalabgeltung in Formularverträgen droht, ist offen. Eine solche Pauschalabgeltung war in der Vergangenheit absolut üblich, was uE eine Besonderheit des Arbeitsrechts nach § 310 Abs. 4 BGB darstellt, so dass eine solche Regelung uE auch jetzt noch zulässig ist. Will man dieses Risiko vermindern, müsste man sich an § 3 Abs. 2, Var. 3 in M 3.1 orientieren. Bei der Beschränkung der pauschal abzugeltenden Überstunden gelten bei leitenden Angestellten aber möglicherweise großzügigere Maßstäbe, da das Arbeitszeitgesetz nicht anzuwenden ist. Auch wiegt das Risiko der Unwirksamkeit der Abgeltungsklausel weniger schwer, da im Fall der Unwirksamkeit einer Abgeltungsklausel eine objektive Vergütungserwartung notwendig ist, um Überstunden ohne vertragliche Regelung vergüten zu müssen. Diese muss der Arbeitnehmer darlegen, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind, bei Diensten höherer Art sowie bei Besserverdienern, deren Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet (vgl. BAG v. 22.2.2012, NZA 2012, 861 mwN). In diesen Fällen ist also im Zwei-

154 Lingemann

M 3.3

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

§ 4 Sonstige Leistungen § 5 Verschwiegenheitspflicht § 6 Nebentätigkeiten §7

Urlaub

§ 8 Reisekosten §9

Erfindungen, Urheberrechte

§ 10 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot § 11 § 12

Altersversorgung Dienstverhinderung20

(vgl. M 3.1 §§ 4–12) § 13

Sterbegeld

(1) Sollte Herr/Frau . . . während des ungekündigten21 Bestands des Arbeitsverhältnisses sterben, so erhalten seine/ihre Erben oder unterhaltsberechtigten Angehörigen bis zum Ende des Sterbemonats und danach noch für . . . Monate das Monatsgehalt nach § 3 Abs. . . . als Sterbegeld. (2) Falls Herr/Frau . . . gegenüber dem Arbeitgeber keine schriftliche Bestimmung getroffen hat, bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, an welchen Erben oder Unterhaltsberechtigten das Sterbegeld nach Abs. 1 gezahlt wird. Die Erben bzw. Unterhaltsberechtigten haben sich ggf. selbst auseinander zu setzen. § 14

Umzugskosten

§ 15

Vertragsstrafe

(vgl. M 3.1 § 13)

§ 16

Beendigung des Anstellungsverhältnisses22

§ 17 Vorschüsse und Arbeitgeberdarlehen

fel ohne vertragliche Regelung ohnehin keine Überstundenabgeltung geschuldet. Einzelheiten s. Einf. Kap. 2, AGB-Kontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“ Rz. 118 und „Überstundenklausel“ Rz. 127. 20 Gelegentlich wird bei leitenden Angestellten eine längere Dauer der Entgeltfortzahlung als nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz vereinbart. 21 Diese Voraussetzung ist uE wirksam, denn es geht hier um eine soziale Unterstützung und nicht die Vergütung von geleisteter Arbeit; dies spricht ebenso wie beim Weihnachtsgeld dafür, dass die Anknüpfung an den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zulässig ist (BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann; ArbR Aktuell 2012, 221). Bei einer Leistung, die zumindest auch Vergütungscharakter hat, wäre dies hingegen nicht zulässig (BAG aaO). Wahrscheinlich würde hier auch der blue-pencil-test helfen (BAG v. 6.5.2009, NZA 2009, 783); im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 40. 22 Bei leitenden Angestellten werden die Kündigungsfristen allerdings regelmäßig großzügiger gewählt als die gesetzlichen Kündigungsfristen, auch als Ausgleich für den ggf. nach § 14 KSchG geminderten Schutz gegen Kündigungen.

Lingemann 155

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

§ 18

Zahlungsabwicklung, Zinsen § 19 Internetnutzung § 20 Ausschlussfristen

(vgl. M 3.1 §§ 15–21)23 § 21 § 22 § 23

Datenschutz

Ausschluss abweichender Absprachen und Nebenabreden Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung § 24 Salvatorische Klausel § 25 Gerichtsstand § 26

(vgl. M 3.1 §§ 23–28)

Vertragsaushändigung

24

... (Ort, Datum) ... (Unterschrift Arbeitgeber)

... (Ort, Datum) ... (Unterschrift Arbeitnehmer)

23 Bei leitenden Angestellten sind Regelungen zur Gehaltsabtretung/Verpfändung (M 3.1 § 14) und zu Einstellungsfragebögen (M 3.1 § 18) weniger üblich; sofern die Bezugnahme auf einzelne kollektive Regelungen gewünscht ist, könnte diese in Anlehnung an M 3.1 § 22 erfolgen. Eine Bezugnahme auf tarifliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen ist bei leitenden Angestellten jedoch die Ausnahme. 24 Gemäß § 309 Nr. 12b BGB bedarf das Empfangsbekenntnis, um nicht AGB-widrig zu sein, der gesonderten Unterschrift.

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Kapitel 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

Literaturübersicht: Baeck/Götze/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Geschäftsführervergütung – Welche Änderungen bringt das VorstAG?, NZG 2009, 1121; Baeck/Hopfner, Schlüssige Aufhebungsverträge mit Organmitgliedern auch nach Inkrafttreten des § 623 BGB, DB 2000, 1914; Bauer, Nun Schriftform bei Beförderung zum Geschäftsführer?, GmbHR 2000, 767; Bauer/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Vorstandsvergütungen nach dem VorstAG, AG 2009, 717; Bauer/Arnold, Kein Kündigungsschutz für „Arbeitnehmer-Geschäftsführer“ – oder doch?, DB 2008, 350; Bauer/Göpfert/Siegrist, Abberufung von Organmitgliedern: Wegfall der variablen Vergütung?, DB 2006, 1774; Bauer/von Medem, Wettbewerbsverbote mit vertretungsberechtigten Organmitgliedern, ArbR Aktuell 2011, 473; Bosse, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) – Überblick und Handlungsbedarf, BB 2009, 1654; Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, 18. Aufl. 2006; Bruns, Lebenspartner und die betriebliche Altersversorgung, NZA 2009, 596; Diller, Nachträgliche Herabsetzung von Vorstandsvergütungen und -ruhegeldern nach dem

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Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

§ 18

Zahlungsabwicklung, Zinsen § 19 Internetnutzung § 20 Ausschlussfristen

(vgl. M 3.1 §§ 15–21)23 § 21 § 22 § 23

Datenschutz

Ausschluss abweichender Absprachen und Nebenabreden Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung § 24 Salvatorische Klausel § 25 Gerichtsstand § 26

(vgl. M 3.1 §§ 23–28)

Vertragsaushändigung

24

... (Ort, Datum) ... (Unterschrift Arbeitgeber)

... (Ort, Datum) ... (Unterschrift Arbeitnehmer)

23 Bei leitenden Angestellten sind Regelungen zur Gehaltsabtretung/Verpfändung (M 3.1 § 14) und zu Einstellungsfragebögen (M 3.1 § 18) weniger üblich; sofern die Bezugnahme auf einzelne kollektive Regelungen gewünscht ist, könnte diese in Anlehnung an M 3.1 § 22 erfolgen. Eine Bezugnahme auf tarifliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen ist bei leitenden Angestellten jedoch die Ausnahme. 24 Gemäß § 309 Nr. 12b BGB bedarf das Empfangsbekenntnis, um nicht AGB-widrig zu sein, der gesonderten Unterschrift.

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Kapitel 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

Literaturübersicht: Baeck/Götze/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Geschäftsführervergütung – Welche Änderungen bringt das VorstAG?, NZG 2009, 1121; Baeck/Hopfner, Schlüssige Aufhebungsverträge mit Organmitgliedern auch nach Inkrafttreten des § 623 BGB, DB 2000, 1914; Bauer, Nun Schriftform bei Beförderung zum Geschäftsführer?, GmbHR 2000, 767; Bauer/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Vorstandsvergütungen nach dem VorstAG, AG 2009, 717; Bauer/Arnold, Kein Kündigungsschutz für „Arbeitnehmer-Geschäftsführer“ – oder doch?, DB 2008, 350; Bauer/Göpfert/Siegrist, Abberufung von Organmitgliedern: Wegfall der variablen Vergütung?, DB 2006, 1774; Bauer/von Medem, Wettbewerbsverbote mit vertretungsberechtigten Organmitgliedern, ArbR Aktuell 2011, 473; Bosse, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) – Überblick und Handlungsbedarf, BB 2009, 1654; Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, 18. Aufl. 2006; Bruns, Lebenspartner und die betriebliche Altersversorgung, NZA 2009, 596; Diller, Nachträgliche Herabsetzung von Vorstandsvergütungen und -ruhegeldern nach dem

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Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

VorstAG, NZG 2009, 1006; Diller, Ordentliche Kündigung des Geschäftsführers sowie Verhältnis von Arbeitsverhältnis und Geschäftsführerdienstvertrag, NJW 2008, 1019; Diller, Kündigung des GmbH-Geschäftsführers wegen Spesenbetrugs, GmbHR 2006, 333; Diller, Konkurrenztätigkeit des GmbH-Geschäftsführers während des Kündigungsschutzprozesses, ZIP 2007, 201; Diller/ Arnold/Kern, Abdingbarkeit des Betriebsrentengesetzes für Organmitglieder, GmbHR 2010, 281; Döring/Grau, Anwendbarkeit der Änderungen durch das VorstAG auf die mitbestimmte GmbH, DB 2009, 2139; Dzida/Naber, Diskriminierungsschutz für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, ArbRB 2012, 373; Ege/Grebler, Dienstverträge mit Geschäftsführern, AuA 2009, 462; Fischer, Die Fremdgeschäftsführerin und andere Organvertreter auf dem Weg zur Arbeitnehmereigenschaft, NJW 2011, 2329; Fleischer, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), NZG 2009, 801; Freckmann, Neues zur Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern, BB 2006, 2077; Freund, Abberufung und außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers, GmbHR 2010, 117; Friemel/Kamlah, Der Geschäftsführer als Erfinder, BB 2008, 613; Gaul/Janz, Das neue VorstAG – Veränderte Vorgaben auch für die Geschäftsführer und den Aufsichtsrat der GmbH, GmbHR 2009, 959; Gehlhaar, Die Rechtsprechung zu (ruhenden) Arbeitsverhältnissen von Organen juristischer Personen, NZA-RR 2009, 569; Gravenhorst, Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers nach seiner Abberufung, GmbHR 2007, 417; Greven, Die Bedeutung des VorstAG für die GmbH, BB 2009, 2154; Grimm, Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers und AG-Vorstands?, DB 2012, 175; Grobys/Glanz, Kopplungsklauseln in Geschäftsführerverträgen, NJW-Spezial 2007, 129; Haase, Der Erholungsurlaub des Geschäftsführers einer GmbH aus rechtlicher Sicht, GmbHR 2005, 338; Haase, Zur Frage des ruhenden Arbeitsverhältnisses eines zum Geschäftsführer einer GmbH oder einer Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG aufgestiegenen Arbeitnehmers, GmbHR 2006, 596; Heidenhain/Meister, in Münchener Vertragshandbuch, Bd. I: Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011, IV 54; Hillmann-Stadtfeld, Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern, GmbHR 2004, 1207; Hohenstatt, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, ZIP 2009, 1349; Hohenstatt/Kuhnke, Vergütungsstruktur und variable Vergütungsmodelle für Vorstandsmitglieder nach dem VorstAG, ZIP 2009, 1981; Horstmeier, Geschäftsführer und Vorstände als „Beschäftigte“ – Diskriminierungsschutz für Organe nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, GmbHR 2007, 125; Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, 5. Aufl. 2009; Jooß, Aufhebung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages, RdA 2008, 285; Kruse/Stenslik, Mutterschutz für Organe von Gesellschaften?, NZA 2013, 596; Lindemann, Herabsetzung der Geschäftsführervergütung in der Krise und Insolvenz, GmbHR 2009, 737; Lingemann/Weingarth, Zur Anwendung des AGG auf Organmitglieder, DB 2012, 1499; Lingemann, in Prütting/Wegen/Weinreich (PWW), BGB, 8. 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Aufl. 2008; Röder/Lingemann, Schicksal von Vorstand und Geschäftsführer bei Unternehmensumwandlungen und Unternehmensveräußerungen, DB 1993, 1341; Röhrborn, Die örtliche Versetzung des GmbH-Geschäftsführers und AG-Vorstands, BB 2013, 394; Sasse/Schnittger, Das ruhende Arbeitsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers, DB 2007, 154; Schmitt-Rolfes, Anwendbarkeit von AGB-Recht auf Verträge mit Organmitgliedern, in FS Hromadka, 2008, S. 393; Schrader/Hilgenstock, Ist der Geschäftsführer Arbeitnehmer oder nicht?, ArbR 2011, 370; Schrader/Schubert, Der Geschäftsführer als Arbeitnehmer, DB 2005, 1457; Schubert, Der Diskriminierungsschutz der Organvertreter und die Kapitalverkehrsfreiheit der Investoren im Konflikt, ZIP 2013, 289; Schuhmann, Amtsniederlegung des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2007, 305; Stagat, Und es geht doch: Kündigungsschutz für GmbH-Geschäftsführer, NZA 2010, 975; Stephan, in Beck’sches Formularbuch zum Bürgerlichen, Handels- und Wirtschaftsrecht, 11. Aufl. 2013, IX 48; Tillmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, 10. Aufl. 2013; Tschöpe/Wortmann, Abberufung und außerordentliche Kündigung von geschäftsführenden Organvertretern – Grundlagen und Verfahrensfragen, NZG 2009, 85; Vogel/Kramp, Die An- und Bestellung eines GmbH-Geschäfts-

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führers, AuA 2008, 718; Wackerbarth, Die Festlegung der Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers, GmbHR 2009, 65; Wilske/Arnold/Grillitsch, Streitbeilegungsklauseln in Vorstands- und Geschäftsführerverträgen – Vorzüge und Gestaltungsmöglichkeiten, ZIP 2009, 2425; Wübbelsmann, Die Vergütung des Geschäftsführers – Ausstrahlung des VorstAG auf die GmbH?, GmbHR 2009, 988.

I. Einführung 1. Anforderungen an die Person des Geschäftsführers 1

Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG kann Geschäftsführer nur eine natürliche und voll geschäftsfähige Person sein. Eine juristische Person als Geschäftsführer scheidet aus. Zu weiteren Ausschlüssen vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Aufsichtsratsmitglieder in der mitbestimmten GmbH sind von der Geschäftsführerstellung ausgeschlossen, § 6 Abs. 2 MitbestG iVm. § 105 Abs. 1 AktG; § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG iVm. § 105 Abs. 1 AktG. Dies gilt auch bei einem bloß fakultativen Aufsichtsrat.

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Fehlt eine gesetzliche Eignungsvoraussetzung, so ist die Bestellung des Organmitgliedes nichtig. Auch Ausländer können Geschäftsführer einer deutschen GmbH sein. Für EU-Ausländer ist die Situation unproblematisch. Nicht-EU-Ausländer benötigen eine Aufenthaltserlaubnis, nicht aber eine Arbeitserlaubnis.1 Die Satzung der Gesellschaft kann engere persönliche und sachliche Eignungsvoraussetzungen für die Organmitglieder aufstellen. Allerdings darf dadurch die Bestellungskompetenz des zuständigen Organs nicht unverhältnismäßig eingeengt werden. In der Regel handelt es sich um besondere Anforderungen an die Qualifikation und Erfahrung.

2. Organstellung und Dienstvertrag a) Organstellung 3

Der Geschäftsführer ist Organ der GmbH. Die Organstellung beginnt mit der Annahme der Bestellung. Die Bestellung erfolgt entweder im Gesellschaftsvertrag, durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 5 GmbHG, oder durch Entscheidung des von der Satzung dazu bestimmten Organs, zB eines Beirates. Unterliegt die GmbH dem Mitbestimmungsgesetz (bei idR mehr als 2000 Arbeitnehmern), ist gemäß § 31 Abs. 1 MitbestG der Aufsichtsrat zuständig. Unterliegt die GmbH dem DrittelbG (idR mehr als 500 Arbeitnehmer), so bleibt die Gesellschafterversammlung zuständig.

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Als Organ obliegt dem Geschäftsführer die Vertretung der Gesellschaft nach außen, § 35 Abs. 1 GmbHG. Diese ist in der Sache nicht beschränkt. Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG vertreten mehrere Geschäftsführer die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich jedoch gemeinschaftlich. Die Satzung kann demgegenüber Einzelvertretungsbefugnis vorsehen oder auch die Befugnis zur Vertretung nur mit einem weiteren Geschäftsführer oder Prokuristen. Sie kann diese Bestimmung auch durch bloße Gesellschafterbeschlüsse zulassen. Willenserklärungen, die der Geschäftsführer unter Missachtung dieser Vorschriften abgibt, sind auch nach außen unwirksam. 1 § 9 Nr. 1 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) iVm. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG und § 4 Nr. 2 BeschV neu gefasst, BGBl. 2013 I S. 1499, 4 Nr. 2 Beschäftigungsverordnung (BeschV).

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Zur Empfangnahme einer Willenserklärung ist indes jeder Geschäftsführer allein berechtigt, § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Von der Vertretung nach außen zu unterscheiden ist die Geschäftsführungsbefugnis, § 37 GmbHG. Sie regelt das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer. Sie verpflichtet und berechtigt den Geschäftsführer, im Rahmen des in der Satzung bestimmten Unternehmensgegenstandes sämtliche Maßnahmen zu beschließen und auszuführen, die erforderlich sind, um den Unternehmensgegenstand nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Geschäftsleitung (§ 43 Abs. 1 GmbHG) zu verwirklichen. Sie wird daher beschränkt – zB auf Geschäfte einer bestimmten Sparte oder Geschäfte bis zu einem bestimmten Volumen – durch die Satzung, die Geschäftsordnung, den Dienstvertrag und Beschlüsse, insbesondere Weisungen oder Zustimmungsvorbehalte der Gesellschafterversammlung. Typisches Regelungsinstrument ist der Zustimmungskatalog in der Satzung oder Geschäftsordnung, welcher oft auch im Dienstvertrag Niederschlag findet. Vorrang haben die Satzung bzw. Geschäftsordnung gegenüber dem Dienstvertrag, soweit sie engere Regelungen treffen, also zB das Zustimmungserfordernis schon bei niedrigeren Beträgen auslösen als der Dienstvertrag. Enthält umgekehrt der Dienstvertrag engere Regelungen, so sind diese für den Geschäftsführer bindend. Schließt der Geschäftsführer entgegen einer solchen Beschränkung einen Vertrag, so ist er gegenüber dem Vertragspartner gleichwohl wirksam, § 37 Abs. 2 GmbHG. Der Geschäftsführer verstößt dadurch jedoch im Innenverhältnis gegen seine Pflicht, die Beschränkungen einzuhalten, die die Gesellschafterversammlung festgesetzt hat, § 37 Abs. 1 GmbHG. Entstehen daraus Schäden, so ist er für diese haftbar, § 43 GmbHG.

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b) Dienstvertrag Neben der Organstellung besteht in der Regel ein Dienstvertrag (oft synonym auch als Anstellungsvertrag bezeichnet) gemäß §§ 611 ff. BGB zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer. Dieser bestimmt das schuldrechtliche Verhältnis. Er regelt insbesondere die Gegenleistung für die Tätigkeit, also Vergütung, Urlaubsansprüche, Ansprüche auf Betriebsrenten, Form und Frist von Vertragsänderung und Kündigung. Er bestimmt oft auch den Pflichtenkreis des Geschäftsführers (zB kaufmännische oder technische Leitung, Geschäftsführungsbefugnis) genauer (s. Rz. 5). Materiellrechtlich handelt es sich regelmäßig um ein freies Dienstverhältnis, welches eine entgeltliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, §§ 611, 675 BGB.

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Ein in der Praxis entscheidender Unterschied zwischen Organstellung und Dienstverhältnis zeigt sich bei deren Beendigung. Die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers kann die Gesellschafterversammlung – sofern im Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes vereinbart ist – jederzeit widerrufen, § 38 Abs. 1 GmbHG.2 Zur Beendigung des Dienstvertrages hingegen muss sie die Vertragslaufzeit einhalten oder, wenn der Vertrag keine feste Laufzeit vorsieht, die vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen. Auch wenn der Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung abberufen wird, dauert sein Dienstverhältnis daher bis zum Ablauf dieser Fristen an, so-

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2 Eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Abberufung gilt aufgrund der Danosa-Entscheidung des EuGH vom 11.11.2010, NZA 2011, 143 wahrscheinlich auch bei Schwangerschaft der Geschäftsführerin; dazu unten Rz. 17; Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596; Dzida/Naber, ArbRB 2012, 373.

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fern es nicht gleichzeitig wirksam fristlos gemäß § 626 BGB gekündigt wird. Er hat damit auch Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einer Funktion unterhalb der Organebene besteht nicht,3 eine entsprechende Pflicht des Geschäftsführers wohl auch nicht.4 Die Abberufung oder die Unterlassung einer vereinbarten Bestellung zum Geschäftsführer kann je nach den Umständen des Einzelfalles eine fristlose Kündigung durch den Dienstnehmer rechtfertigen sowie Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft gemäß § 628 Abs. 2 BGB begründen.5 8

Der Geschäftsführer ist in der Regel nicht Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne. Daher gelten die arbeitnehmerschützenden Normen für ihn regelmäßig nicht. Die Danosa-Entscheidung des EuGH könnte aber dazu führen, dass künftig doch einzelne Arbeitnehmerschutzregelungen für Geschäftsführer gelten, so namentlich das MuSchG.6 Eine höchstrichterliche Entscheidung in Deutschland liegt dazu jedoch noch nicht vor. Bisher gelten nicht: ArbNErfG,7 ArbZG, BEEG, BetrVG (§ 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG), EFZG, BUrlG (§ 1 BUrlG), KSchG (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG), TzBfG und § 613a BGB. Soweit entsprechende Regelungen gewollt sind, müssen sie also in den Vertrag – ggf. durch Bezugnahme auf die Normen – aufgenommen werden. Das AGG gilt gemäß § 6 Abs. 3 AGG für Organmitglieder entsprechend, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft. Kündigungen wegen eines Merkmals nach § 1 AGG sind daher möglicherweise in den Grenzen des Missbrauchs zulässig, auch besondere Kündigungsrechte bei lang dauender Erkrankung bleiben wohl auch dann zulässig, wenn die Erkrankung in eine Behinderung umschlägt. Auch wird die Beendigung von Geschäftsführerverträgen mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters, auch wenn dies nicht schon das Rentenbezugsalter ist, zulässig sein.8 Allerdings hat der BGH mit Urteil vom 23.4.20129 die alterbedingte Nichtverlängerung eines Vertrages als Entscheidung über eine Einstellung angesehen, so dass zwar die Befristung des Vertrages wirksam, die Nichtverlängerung aber AGG-widrig war mit den Folgen des § 15 AGG. aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages

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Der Abschluss des Dienstvertrages sowie seine Änderung und Kündigung obliegen dem für Bestellung und Abberufung zuständigen Organ, in der GmbH also der Gesellschafterversammlung, es sei denn, die Satzung trifft eine abweichende Regelung. In mitbestimmten Gesellschaften nach MitbestG ist der Aufsichtsrat zuständig, in Gesellschaften nach dem Drittelbeteiligungsgesetz für die Bestellung und den Dienstvertrag die Gesellschafterversammlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG)10. 3 4 5 6 7 8

BGH v. 11.10.2010, GmbHR 2011, 82. Kothe-Heggemann/Schelp, GmbHR 2011, 75; Lunk/Rodenbusch, NZA 2011, 497. BAG v. 8.8.2002, DB 2002, 2273; möglicherweise aA BGH v. 28.10.2002, NJW 2003, 351. Vgl. unten Rz. 17. Vergütungsansprüche können hier aber aus § 612 Abs. 2 BGB bestehen. BGK, § 6 AGG Rz. 26 ff.; Jacobs, NZA Editorial 13/2012; Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325; Lutter, BB 2007, 725; PWW/Lingemann, § 6 AGG Rz. 6. 9 NZA 2012, 797, dazu Bauer/Arnold, NZG 2012, 921; Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325. Zur Anwendung des AGG bereits Reufels/Molle, NZR-RR 2011, 281. 10 Ulmer/Habersack/Henssler/Habersack, MitbestR, 3. Aufl. 2013, § 1 DrittelbG Rz. 34; Wlotzke/Wissmann/Koberski/Kleinsorge, MitbestR, 4. Aufl. 2011, § 1 DrittelbG Rz. 30.

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In der GmbH & Co. KG wird der Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH bestellt. Der Dienstvertrag kann gleichzeitig mit der Komplementär-GmbH, auch insoweit vertreten durch ihre Gesellschafterversammlung, geschlossen werden. Zulässig, wenn auch in der Praxis seltener, ist auch der Dienstvertrag mit der GmbH & Co. KG. Obwohl der Geschäftsführer dann nicht Organ der KG ist, gilt für ihn das Kündigungsschutzgesetz nicht ohne weiteres.11

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bb) Form des Dienstvertrages Der Dienstvertrag des Geschäftsführers ist formfrei. Die Schriftform ist jedoch ratsam und üblich. Dies gilt in besonderem Maße für den Gesellschafter-Geschäftsführer, um die steuerliche Berücksichtigung seiner Bezüge als Betriebsausgaben zu sichern und die Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttung zu vermeiden. Auch wenn beim Wechsel eines (ggf. leitenden) Angestellten in die Geschäftsführerposition das frühere Arbeitsverhältnis wirksam beendet werden soll, ist wegen § 623 BGB Schriftform dringend anzuraten (Rz. 18).12

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3. Pflichten und Verantwortlichkeiten des Geschäftsführers Der Geschäftsführer hat in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, § 43 Abs. 1 GmbHG, dh. er hat die Gesellschaft zu führen mit der Sorgfalt eines selbständigen, treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen.13

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Eine gesonderte Regelung zu diesem Punkt ist im Dienstvertrag des Geschäftsführers zwar üblich aber überflüssig, da die strengen Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers sich schon aus dem Gesetz ergeben. Die Gesellschaft muss im Haftungsfall – ggf. mit Hilfe von § 287 ZPO – nur darlegen und beweisen, dass ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist. Es ist dann Sache des Geschäftsführers, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.14

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Allerdings kommen Haftungsbeschränkungen in Betracht. Zu unterscheiden ist zwischen der Teilnahme des Geschäftsführers am allgemeinen Rechtsverkehr (zB Führen eines Kfz) und der Erfüllung seiner spezifischen Pflichten. Für die Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr wird man weit gehende Haftungsausschlüsse zulassen.15 Ob auch für die spezifischen Pflichten des Geschäftsführers eine Haftungs-

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11 BAG v. 13.7.1995, WiB 1996, 26. Gemäß BAG v. 20.8.2003, NZA 2003, 1108 ist er nicht Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, so dass auch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist. 12 BAG v. 3.2.2009, NZA 2009, 669; v. 5.6.2008, NZA 2008, 1002; v. 19.7.2007, NZA 2007, 1095; Einzelheiten bei M 4.1a Fn. 15. 13 OLG Oldenburg v. 22.6.2006, NZG 2007, 434, 435; OLG Celle v. 21.12.2005, GmbHR 2006, 377; Brandenburgisches OLG v. 21.2.2001, NZG 2001, 756; OLG Zweibrücken v. 22.12.1998, GmbHR 1999, 715; OLG Koblenz v. 10.6.1991, GmbHR 1991, 416, 417. 14 BGH v. 4.11.2002, DB 2002, 2706. 15 Vgl. OLG Koblenz v. 14.5.1998, GmbHR 1999, 344.

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beschränkung zulässig ist, war höchst streitig.16 Bei Vorsatz scheidet sie aus, § 276 Abs. 3 BGB. Ob eine Haftungsbeschränkung auch für grobe Fahrlässigkeit zulässig wäre, ist fraglich. Die Entscheidung des BGH v. 16.9.200217 deutet darauf hin, dass ein Haftungsausschluss nach allgemeinen Regeln zulässig ist, solange nicht die Pflichtverletzung des Geschäftsführers darin besteht, dass er entgegen § 43 Abs. 3 GmbHG an der Auszahlung gebundenen Kapitals der GmbH an die Gesellschafter mitgewirkt hat. 15

Weisungen der Gesellschafterversammlung und Geschäftsverteilung können haftungsbeschränkende Wirkung haben.18

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Daneben führt die Entlastung (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG) durch die Gesellschafterversammlung zu einem Verzicht der Gesellschafterversammlung auf alle Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer, deren Haftungsvoraussetzungen auf Grund eines Rechenschaftsberichtes sowie der vorgelegten Unterlagen allen Gesellschaftern „erkennbar“ waren.19 Dies ist eine durchaus beachtliche Einschränkung der Wirkung der Entlastung. Daneben gibt es die „Generalbereinigung“. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft, vertreten durch die Gesellschafterversammlung, nach der keinerlei gegenseitige Ansprüche aus der Geschäftsführertätigkeit mehr bestehen. Ein solcher Vertrag erledigt etwaige Haftungsansprüche umfassend – allerdings nur, soweit sie aus dem Geschäftsführerverhältnis resultieren.20 Das gilt natürlich auch nur mit Ausnahme der nicht abdingbaren Haftung zB nach § 43 Abs. 3 iVm. § 9b GmbHG. Für den Abschluss einer Generalbereinigung mit dem ausscheidenden Geschäftsführer bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses.21

4. Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Stellung des Geschäftsführers a) Arbeitsrechtliche Stellung 17

Wie dargelegt (Rz. 8), ist der Geschäftsführer in der Regel nicht Arbeitnehmer. Das BAG hält jedoch eine Arbeitnehmerstellung je nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit ausnahmsweise für möglich. Dies gilt insbesondere, wenn die Gesellschafter dem Geschäftsführer auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese Weise die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung bestimmen können.22 Maßgeblich sind letztlich die Kriterien für die Unter16 Nachweise bei Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2013, § 43 Rz. 2. 17 BGH v. 16.9.2002, DB 2002, 2480; in ausdrücklicher Abweichung von der Entscheidung BGH v. 29.11.1999, DB 2000, 269. Vgl. zur Haftungsbeschränkung auch OLG Stuttgart v. 26.5.2003, GmbHR 2003, 835. 18 Vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 43 Rz. 22. 19 BGH v. 12.6.1989, NJW 1989, 2694; v. 19.1.1976, WM 1976, 736; Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 46 Rz. 30. 20 Insgesamt zur Generalbereinigung vgl. BGH v. 7.4.2003, NZG 2003, 528; Ansprüche aus anderen Vertragsverhältnissen, insbesondere dem Gesellschafterverhältnis, bleiben unberührt, vgl. BGH v. 18.9.2000, DB 2000, 2422. 21 BGH v. 8.12.1997, NJW 1998, 1315; v. 18.9.2000, DB 2000, 2422. 22 BAG v. 24.11.2005, GmbHR 2006, 592 mit Anm. Haase; BAG v. 26.5.1999, GmbHR 1999, 925; Stück, GmbHR 2006, 1009, 1012.

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scheidung zwischen Arbeitnehmer und freiem Mitarbeiter/Dienstnehmer.23 Ist der Geschäftsführer allerdings zugleich Gesellschafter dergestalt, dass er jede ihm unangenehme Entscheidung verhindern kann, so scheidet eine Arbeitnehmerstellung aus.24 Nach der Danosa-Entscheidung des EuGH25 ist zwar nicht jeder Fremdgeschäftsführer Arbeitnehmer, einzelne Arbeitnehmerschutzvorschriften werden aber voraussichtlich anwendbar sein, namentlich das Mutterschutzrecht.26 War der Geschäftsführer vor Übernahme des Amtes Arbeitnehmer, so lebt in der Regel nach der Bestellung und späteren Abberufung als Geschäftsführer das alte Arbeitsverhältnis nicht wieder auf.27 Das BAG bejaht jedoch ein „ruhendes“ Arbeitsverhältnis28, wenn ein (ggf. leitender) Angestellter zum Geschäftsführer bestellt wird, ohne dass ein neuer Vertrag mit ihm geschlossen wird oder seine Konditionen der geänderten Position angepasst werden, zB durch Erhöhung der Vergütung,29 eine Erhöhung des Sozialprestiges,30 ggf. Dienstwagenüberlassung auch zur privaten Nutzung,31 eine Verbesserung der Pensionszusage32 oder die Gewährung einer – wenn auch ggf. geringen – Mitgesellschafterstellung.33 Der Geschäftsführer wird natürlich auch dann wieder Arbeitnehmer, wenn nach Kündigung des Geschäftsführervertrages seine Weiterbeschäftigung ohne wesentliche Änderung seiner Arbeitsaufgaben im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses vereinbart wird.34 In dem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages liegt im Zweifel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses;35 die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB steht dieser Vermutung auch bei vorformulierten Vertragsbedingungen nicht entgegen.36 Ein schriftlicher Geschäftsführerdienstvertrag wahrt auch das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.37 Bei einem bloß mündlichen Geschäftsführervertrag wäre das vorherige Arbeitsverhältnis hingegen wegen Nichteinhaltung der Schriftform gemäß § 623 BGB wohl nicht aufgehoben.38 23 Dazu Einf. Kap. 9 Rz. 3 ff. 24 BAG v. 13.5.1992, GmbHR 1993, 35; v. 6.5.1998, GmbHR 1998, 928; Stück, GmbHR 2006, 1009, 1012. 25 EuGH v. 11.11.2010, NZA 2011, 143. 26 Für eine weitreichende Anwendung von Arbeitnehmerschutzvorschriften Fischer, NJW 2011, 2329; vgl. auch Bauer, GWR 2010, 686; Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597, 598; Oberthür, NZA 2011, 253, Schrader/Hilgenstock, ArbR Aktuell 2011, 370; von Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178. 27 Einzelheiten zum ruhenden Arbeitsverhältnis Gehlhaar, NZA-RR 2009, 569. 28 Vgl. dazu eingehend Schreiber, GmbHR 2012, 929; dagegen und für eine Umwandlung des Arbeitsvertrages in einen Dienstvertrag Stagat, DB 2010, 2801. 29 BAG v. 24.11.2005, GmbHR 2006, 592 mit Anm. Haase. 30 BAG v. 24.11.2005, GmbHR 2006, 592 mit Anm. Haase; ebenso Jaeger, NZA 1998, 964. 31 Stück, GmbHR 2006, 1009, 1017. 32 LAG Berlin v. 15.2.2006, DB 2006, 787. 33 ArbG Ulm v. 4.11.2005, EzA-SD 2006, Nr. 2, 14; Stück, GmbHR 2006, 1009, 1017. 34 BAG v. 24.11.2005, GmbHR 2006, 592 mit Anm. Haase. 35 LAG Schleswig-Holstein v. 25.9.2012, LAGE § 5 ArbGG 1979 Nr. 17; LAG Hessen v. 14.3.2011 – 17 Sa 1673/10; BAG v. 3.2.2009, NZA 2009, 669; v. 5.6.2008, NZA 2008, 1002; v. 19.7.2007, NZA 2007, 1095; v. 14.6.2006, DB 2006, 2239. 36 BAG v. 3.2.2009, NZA 2009, 669; v. 5.6.2008, NZA 2008, 1002; v. 19.7.2007, NZA 2007, 1095. 37 BAG v. 3.2.2009, NZA 2009, 669; v. 5.6.2008, NZA 2008, 1002; v. 19.7.2007, NZA 2007, 1095. 38 BAG v. 26.10.2012, DB 2012, 2699; v. 15.3.2011 – 10 AZB 32/10 mit Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2011, 333; LAG Bremen v. 2.3.2006, NZA 2006, 623.

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Da der Geschäftsführer nicht Arbeitnehmer ist, genießt er auch keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer auf Grundlage eines Arbeitsvertrages tätig ist, die Kündigung jedoch vor Widerruf der Geschäftsführerbestellung ausgesprochen wird.39 Im Geschäftsführervertrag kann jedoch vereinbart werden, dass die materiellen Regeln des KSchG zu Gunsten des Geschäftsführers gelten sollen. In einem solchen Fall ist durch Auslegung des Vertrages festzustellen, ob sich die Gesellschaft in Anlehnung an §§ 9 f. KSchG gegen Abfindung aus dem Vertrag lösen kann.40

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Wendet sich der Geschäftsführer gegen die Wirksamkeit der Kündigung seines Dienstvertrages, so ist nur der Rechtsweg zu den Landgerichten gegeben. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG scheidet der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch dann aus, wenn das Dienstverhältnis auf Grund einer starken internen Weisungsabhängigkeit ausnahmsweise als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren wäre.41 Das gilt auch dann, wenn der Geschäftsführerdienstvertrag mit der Muttergesellschaft geschlossen wurde.42 Ein Verweisungsbeschluss an das Arbeitsgericht für den Rechtsstreit eines Geschäftsführers gegen die GmbH wäre nicht bindend.43 Nur wenn nach der Abberufung ein ruhendes Arbeitsverhältnis44 wieder besteht, können die daraus entstehenden Ansprüche – auch soweit sie während der Zeit der Organstellung entstanden sind – vor den Arbeitsgerichten geltend gemacht werden.45 b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung46

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Ob der GmbH-Geschäftsführer sozialversicherungsrechtlich abhängig Beschäftigter ist, richtet sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV. Soweit die Beschäftigung nach dem 1.1.2005 aufgenommen wurde, müssen geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH sowie mitarbeitende Ehegatten bzw. Lebenspartner gemäß § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV ein obligatorisches Statusfeststellungsverfahren durchführen, nach dessen Ergebnis sich auch die Bundesagentur für Arbeit richtet.47 Der Geschäftsführer einer GmbH, der nicht am Stammkapital beteiligt ist (Fremdgeschäftsführer), ist im Regelfall abhängig Beschäftigter der GmbH und versicherungs- und beitragspflichtig.48 Weitere Kriterien, die nachrangig für eine abhängige Beschäftigung sprechen können, sind ein Dienstvertrag mit Schwerpunkt bei der Fixvergütung, eine Tätigkeit nach Weisungen der Gesellschafter oder die Regelung einer wöchentlichen Arbeitszeit. Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen namentlich eine Kapitalbeteiligung von mindestens 50 %, eine Vergütung, die im Wesentlichen gewinnabhängig ist, eine weisungsfreie Wahrnehmung der Unternehmensleitung und Ge39 BAG v. 25.10.2007, DB 2008, 355; dazu Bauer/Arnold, DB 2008, 350. 40 BGH v. 10.5.2010, DStR 2010, 1390; Formulierungsvorschlag in M 4.1a, Alternative in § 3 Abs. 1. 41 LAG Köln v. 21.3.2006 – 7 Ca 14/06, EzA-SD 13/2006, S. 15. 42 LAG Hamm v. 18.8.2004, GmbHR 2004, 1588. 43 BAG v. 12.7.2006, NZA 2006, 1004. 44 Vgl. dazu Rz. 18. 45 BAG v. 26.10.2012, DB 2012, 2699 mit Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 131. 46 Vgl. dazu Rundschreiben der Sozialversicherungsträger v. 13.4.2010, Ebert, ArbRB 2012, 24 und Grimm, DB 2012, 175, jeweils mit Checklisten zur Statusfeststellung, Klose, GmbHR 2012, 1097. 47 Dazu Giesen, NZA 2005, 680. 48 BSG v. 18.12.2001, AuA 2002, 573.

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Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

schäftsführung, eine Sperrminorität oder auch eine Beteiligung an der Familien-GmbH in der Gestalt, dass für den Geschäftsführer nachteilige Entscheidungen vermieden werden können.49 Auch bei einer Kapitalbeteiligung von weniger als 50 % kann der Geschäftsführer jedoch im Ausnahmefall sozialversicherungsfrei sein, wenn er aufgrund seines tatsächlichen Einflusses dort „schalten und walten“ kann wie er will.50 Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI und § 2 Satz 2 Nr. 3 SGB VI51 ist52 der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer nicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI rentenversicherungspflichtig, wenn die GmbH mindestens einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt oder selbst auf Dauer und im Wesentlichen für mehr als einen Auftraggeber tätig ist.53

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Für den abhängig beschäftigten Geschäftsführer hat die Gesellschaft auch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung und ggf. Kranken- und Pflegeversicherung abzuführen.

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5. AGB-Kontrolle des Geschäftsführervertrages Die AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB gilt grundsätzlich auch für formularmäßige Geschäftsführerverträge.54 Sie gilt jedoch nicht für individuell ausgehandelte Verträge, bei denen der Verwender – idR also die Gesellschaft – den gesamten gesetzesfremden Kerngehalt des Vertrages inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt hat.55 Wir gehen auf die Fragen der AGB-Kontrolle für ein Organmitglied im Rahmen des Vorstandsvertrages, M 5.1, näher ein.56 Hier wie dort stellen sich die Probleme insbesondere bei Regelungen über den Wegfall der variablen Vergütung bei Ende der Organstellung,57 Freistellungsklauseln,58 Kopplungsklauseln,59 Vertragsstrafen und ggf. Change-in-Control-Klauseln.60

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6. Anwendung des VorstAG auf die GmbH Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) v. 18.6.200961 konkretisiert § 87 Abs. 1 AktG zur Vorstandsvergütung und verlangt insbesondere eine 49 Vgl. die Übersichten bei Hillmann-Stadtfeld, GmbHR 2004, 1207, Freckmann, BB 2006, 2077, 2078, Reiserer, BB 2009, 718 f. 50 LSG Baden-Württemberg v. 26.6.2012 – L 11 KR 2769/11 m. Anm. Plagemann, FD-SozVR 2012, 336832; LSG Hessen v. 23.11.2006, GmbHR 2007, 847. 51 Durch Haushaltsbegleitgesetz 2006, BR-Drucks. 332/06. 52 Entgegen BFG v. 24.11.2005, GmbHR 2006, 367. 53 Einzelheiten bei Freckmann, BB 2006, 2077, 2082. 54 BAG v. 19.5.2010, NZA 2010, 939, 940; zur AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen s. eingehend Einf. Kap. 2 Rz. 2 ff., 82 ff. 55 BAG v. 19.5.2010, NZA 2010, 939, 940; BGH v. 19.5.2005, NJW 2005, 2543, 2544. 56 S. Einf. Kap. 5 Rz. 34 ff. 57 Vgl. M 5.1 Anm. zu § 3 Abs. 3d) und 4. 58 Vgl. M 5.1 Anm. zu § 2 Abs. 2 m. Anm. 59 Vgl. M 5.1 Anm. zu § 2 Abs. 2 m. Anm. 60 Vgl. dazu in Vorstandsverträgen Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 sowie Bauer/Arnold, DB 2006, 260. 61 BT-Drucks. 16/12278 v. 17.3.2009 iVm. BT-Drucks. 16/13433 v. 17.6.2009; BGBl. I, 2509 ff.; dazu Arnold/Schansker, KSzW 2012, 39; Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121; Bauer/Ar-

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Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1a

Orientierung der Gesamtvergütung an der nachhaltigen Unternehmensentwicklung sowie einen erheblichen Selbstbehalt des Vorstandsmitglieds bei der D&O-Versicherung.62 Dieser Nachhaltigkeitsgedanke ist nur für börsennotierte AGs gesetzlich geregelt. Auch wenn dies – zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten bei der GmbH – nicht im Gesetz steht, „sollte“ er, so die Begründung des Rechtsausschusses, grundsätzlich auch von nicht börsennotierten Gesellschaften berücksichtigt werden.63 Eine Ausdehnung dieser Grundsätze auf die GmbH ist uE jedenfalls nicht angebracht, soweit die Gesellschafter selbst über die Vergütung von Fremdgeschäftsführern entscheiden.64 Da die Gesellschafter selbst das Risiko der GmbH tragen, sind sie auch frei darin, wie sie die Geschäftsführer vergüten. Eine externe Angemessenheitskontrolle kommt daher nur in den Fällen in Betracht, in denen nicht die Gesellschafter selbst, sondern andere Organe der Gesellschaft über die Vergütung entscheiden, wie dies bei der AG oder der nach dem MitbestG mitbestimmten GmbH der Fall ist. Der Geschäftsführervertrag einer solchen GmbH orientiert sich ohnehin stark am Vorstandsvertrag einer AG. Insoweit wird auf M 5.1 und die Anmerkungen dazu verwiesen. nold, AG 2009, 717; Bosse, BB 2009, 1650; Diller, NZG 2009, 1006; Fleischer, NZG 2009, 801 ff.; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 ff.; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40; Lingemann, BB 2009, 1918; Mertens, AG 2011, 57. 62 Einzelheiten bei Kap. 5, Einf., Rz. 13a. 63 BT-Drucks. 16/13433, S. 10. 64 Dafür bei der GmbH Wübbelsmann, GmbHR 2009, 988; für eine vorsichtige Ausdehnung nur auf die mitbestimmte GmbH Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121; Gaul/Janz, GmbHR 2009, 959 ff.; vgl. auch Döring/Grau, DB 2009, 2139; Greven, BB 2009, 2154; Wachter, GmbHR 2009, 953, 957. Gegen eine Ausdehnung auch auf die mitbestimmten GmbH Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40, 1, 5 f.; Knapp, DStR 2010, 56, 57; Mohr, GmbHR 2011, 402, 402.

II. Muster 4.1a

u

Dienstvertrag des Geschäftsführers1

zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Gesellschaft) und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Geschäftsführer) Vorbemerkung2 Herr/Frau . . . wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom . . . mit Wirkung zum . . . zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Dazu wird Folgendes vereinbart: 1 Zu Fragen der AGB-Kontrolle vgl. insbesondere Einf. Rz. 24. Das Muster betrifft den Dienstvertrag des Geschäftsführers in einer nicht nach MitbestG oder DrittelbG mitbestimmten GmbH. Der Dienstvertrag des Fremdgeschäftsführers in einer nach DrittelbG mitbestimmten GmbH wäre an Muster M 4.1a zu orientieren, der Dienstvertrag eines Fremdgeschäftsführers in einer nach MitbestG mitbestimmten GmbH an Muster M 5.1. 2 Die Wiedergabe der Bestellung in der Vorbemerkung hat nur nachrichtliche Bedeutung. Die Bestellung wird dadurch insbesondere nicht zur Geschäftsgrundlage des Dienstvertrages

166 Lingemann

M 4.1a

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

§ 1 Vertretung (1) Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft allein.3 oder (1) Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft zusammen mit einem anderen Geschäftsführer oder Prokuristen. (2) Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.4 (3) Die Gesellschaft kann die Vertretungsbefugnis jederzeit ändern. §2

Geschäftsführung5

(1) Der Geschäftsführer führt die Gesellschaft oder den . . . Geschäftsbereich der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, dieses Vertrages, des Gesellschaftsvertrages, einer etwaigen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung in ihrer jeweils gültigen Fassung sowie den Bestimmungen der Gesellschafter. (2) Der Geschäftsführer bedarf für die in der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung/der Satzung der Gesellschaft jeweils aufgeführten Geschäfte der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung. oder (2) Der Geschäftsführer bedarf für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung der Gesellschafter.6 Hierzu zählen insbesondere: – Veräußerung und Stilllegung eines Betriebs der Gesellschaft oder wesentlicher Teile hiervon; – Errichtung von Zweigniederlassungen; – Erwerb oder Veräußerung anderer Unternehmen oder Beteiligungen der Gesellschaft;

3

4

5 6

dergestalt, dass mit Widerruf der Bestellung auch der Dienstvertrag gekündigt ist; anders wäre dies nur bei ausdrücklicher Regelung im Dienstvertrag (vgl. § 3 Abs. 4 des Musters). Die Regelung der Alleinvertretung im Dienstvertrag hindert die Gesellschaft nicht, jederzeit wirksam die Gesamtvertretung zu beschließen. Da dies jedoch – sofern nicht, wie in Abs. 3, eine Öffnungsklausel geregelt ist – gegen den Dienstvertrag verstößt, könnte der Geschäftsführer dies zum Anlass für eine fristlose Kündigung mit den Folgen des § 628 Abs. 2 BGB nehmen. Abs. 3 enthält die Öffnungsklausel für die Gesellschaft; ohne eine solche Öffnungsklausel im Interesse der Gesellschaft sollte die Vertretung nicht im Dienstvertrag geregelt werden. Es ist unproblematisch, dazu keinerlei vertragliche Regelungen zu treffen, sondern sich auf die entsprechenden Beschlüsse des Bestellungsorgans zu beschränken. Die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ist beim Fremdgeschäftsführer eher selten, soweit er nicht bei mehreren Konzerngesellschaften Geschäftsführer ist und daher Verträge zwischen diesen zeichnen muss oder besonderes Vertrauen der Gesellschafterversammlung genießt. Zur Abgrenzung von Geschäftsführung und Vertretung vgl. oben Einf. Rz. 4 f. Der Zustimmungskatalog sollte in der Geschäftsordnung oder der Satzung der Gesellschaft geregelt sein. Die Aufnahme in den Anstellungsvertrag ist nur dann sinnvoll, wenn das nicht der Fall ist.

Lingemann 167

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1a

– Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie die Verpflichtung zur Vornahme derartiger Rechtsgeschäfte; – Übernahme von Bürgschaften oder Garantien jeder Art; – Inanspruchnahme oder Gewährung von Krediten oder Sicherheitsleistungen jeglicher Art, die Euro . . . übersteigen und nicht geschäftsüblich sind; – Abschluss, Änderung oder Aufhebung von Verträgen, die die Gesellschaft im Einzelfall mit mehr als Euro . . . belasten; – Einstellung, Beförderung oder Entlassung leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG; – Erteilung oder Widerruf von Prokuren und Handlungsvollmachten; – Erteilung von Versorgungszusagen jeder Art. Die Liste der Geschäfte und Maßnahmen, deren Ausführung der vorherigen Zustimmung der Gesellschafter bedarf, kann jederzeit durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erweitert oder eingeschränkt werden.7 (3) Der Geschäftsführer haftet gegenüber der Gesellschaft nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.8 § 43 Abs. 3 GmbHG bleibt unberührt.9 (4) Alle Ansprüche aus dem Dienstverhältnis und dem Organverhältnis einschließlich deliktischer Ansprüche sind von den Vertragspartnern innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen; andernfalls sind sie erloschen.10 (5) Die Gesellschaft kann jederzeit weitere Geschäftsführer bestellen. Die Gesellschafterversammlung bestimmt die Geschäftsverteilung11 unter den Geschäftsführern. 7 Ohne diese Öffnungsklausel wäre eine Erweiterung der zustimmungspflichtigen Geschäfte in der Satzung oder Geschäftsordnung zwar wirksam, jedoch ein Verstoß gegen den Anstellungsvertrag mit den möglichen Folgen des § 626 iVm. § 628 Abs. 2 BGB. Aus Sicht der Gesellschaft ist die Öffnungsklausel daher unabdingbar. Hat der Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung vor Einholung der Zustimmung ordnungsgemäß unterrichtet, so befreit ihn deren Zustimmung von der Haftung für die Maßnahme. 8 Soweit der Geschäftsführer objektiv und subjektiv gegen die ihm obliegende Sorgfalt verstößt, haftet er nach § 43 GmbHG gegenüber der Gesellschaft. Zum Sorgfaltsmaßstab, zur Beweislast und zur Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen s. BGH v. 22.6.2009, NJW 2009, 2598; v. 14.7.2008, NJW 2008, 3361; v. 18.2.2008, WM 2008, 696; v. 16.9.2002, DB 2002, 2480 sowie oben Einf. Rz. 14 f. Unstreitig erfasst eine Haftungsbeschränkung nicht Verstöße gegen die gläubigerschützenden Regeln gemäß § 43 Abs. 3 GmbHG, die im Muster daher auch klarstellend vorbehalten sind. Zur Nachhaftung eines früheren Geschäftsführers vgl. BAG v. 20.1.1998, BB 1998, 957. 9 Vgl. § 43 Abs. 3 Satz 2 GmbHG iVm. § 9b Abs. 1 GmbHG. Während der BGH mit Urteil v. 15.11.1999, DB 2000, 268, verjährungsverkürzende Regelungen schon immer dann als unwirksam angesehen hat, wenn die Schadensersatzansprüche zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger notwendig sind, hat er mit Urteil v. 16.9.2002, DB 2002, 2480, diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und die Unwirksamkeit auf den Verstoß gegen § 43 Abs. 3 GmbHG beschränkt. 10 Mit Urteil v. 16.9.2002, DB 2002, 2480, hat der BGH die haftungsverkürzende Wirkung einer entsprechenden Klausel bejaht; soweit deliktische Ansprüche nicht ausdrücklich darin genannt sind, ist die Erstreckung auf deliktische Ansprüche zweifelhaft. 11 Die wirksame Geschäftsverteilung befreit den Geschäftsführer von der Haftung, soweit der Schaden nicht in seinem Ressort verursacht wurde. Er muss auch dann aber seiner Überwachungspflicht genügen und Anhaltspunkten für Pflichtverletzungen nachgehen. Keine Haftungsbefreiung besteht bei Verantwortung der Gesamtgeschäftsführung, so insbesondere für den Jahresabschluss, aber auch für das Management in der Krise. Auch die

168 Lingemann

M 4.1a

Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

(6) Der Geschäftsführer leitet den Geschäftsbereich . . . Die Gesellschaft ist berechtigt, ihm andere gleichwertige Aufgaben zuzuweisen, auch wenn sie mit einem Ortswechsel verbunden sind.12 oder (6) Das Vertragsverhältnis wird auf die vereinbarte Position im Unternehmen als . . . mit Sitz in . . . konkretisiert. Eine Änderung bedarf der Zustimmung des Geschäftsführers. oder (6) Die Versetzung des Geschäftsführers an einen anderen Ort ist ohne seine Zustimmung nur mit einer Ankündigungsfrist von . . . zulässig.13 (7) Der Geschäftsführer wird auf Verlangen der Gesellschafterversammlung auch Organtätigkeiten in verbundenen Unternehmen übernehmen; diese sind durch die Vergütung gemäß § 4 abgegolten. §3

Vertragsdauer

(1) Der Vertrag beginnt am . . . und wird auf . . . Jahr(e) geschlossen.14 Er verlängert sich jeweils um . . . Jahr(e), wenn er nicht mit einer Frist von . . . Monaten vor Vertragsende gekündigt wird. (evtl. Er tritt an die Stelle des Arbeitsvertrages vom . . . mit allen späteren Änderungen, der damit endet.)15 oder

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durch das KonTraG v. 27.4.1998 eingeführte gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung und Fortführung eines Überwachungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG (vgl. dazu Lingemann/ Wasmann, BB 1998, 853), soweit sie auf die GmbH anwendbar ist, ist Teil der Gesamtverantwortung der Geschäftsführung, so dass die Geschäftsverteilung nicht von der Haftung befreit. Die Insolvenzantragspflicht nach § 64 GmbHG obliegt jedem Geschäftsführer unabhängig von der Geschäftsverteilung, er ist insoweit stets alleinvertretungsbefugt. Wenn die Aufgaben im Anstellungsvertrag festgelegt sind, kann die Gesellschaft andere Aufgaben ohne Verstoß gegen den Vertrag nur zuweisen, wenn dies – wie im Muster – ausdrücklich vorbehalten ist. Auf Grund der AGB-Kontrolle (Einf. Rz. 24) sind sie auf gleichwertige Tätigkeiten beschränkt (Kap. 2, Einf., Rz. 129). Die 2. und 3. Alternative begünstigen den Geschäftsführer, der mit diesen Klauseln die Übertragung neuer Aufgaben zur Verbesserung seiner Vertragsposition nutzen könnte (zu Einzelheiten Röder/Lingemann, DB 1993, 1341 ff., 1346); zur Versetzung von Organmitgliedern Röhrborn, BB 2013, 693. Da der Geschäftsführer keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genießt (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG), ist für ihn eine lange Vertragslaufzeit von besonderer Bedeutung. Anders als im Arbeitsverhältnis sind Befristungen des Geschäftsführervertrages ohne sachlichen Grund wirksam und üblich. Dann ist der Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Dauer nicht ordentlich kündbar, es sei denn, der Vertrag sieht dies ausdrücklich vor (§ 620 Abs. 1 BGB). ZT wird die Befristung als AGB-widrig angesehen, wenn die Voraussetzungen des TzBfG nicht vorliegen (von Alvensleben/Haug/Schnabel, BB 2012, 774). Das würde allerdings zu einem unbefristeten Vertrag führen, den die Gesellschaft jederzeit mit gesetzlicher Kündigungsfrist beenden könnte, der Schutzzweck des TzBfG würde sich also in sein Gegenteil verkehren. Die Ergänzung ist wegen § 623 BGB ratsam, wenn der Geschäftsführer zuvor Arbeitnehmer war. Sie dient dazu, ein „ruhendes Arbeitsverhältnis“ zu vermeiden (Einzelheiten Einf. Rz. 18 f.).

Lingemann 169

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1a

(1) Der Vertrag wird auf unbestimmte Dauer geschlossen. Er kann mit einer Kündigungsfrist von . . . gekündigt werden. Für den Geschäftsführer gilt dieselbe Kündigungsfrist. Für die Kündigung gelten im Übrigen zugunsten des Geschäftsführers die Bestimmungen des Kündigungsschutzes16 [evtl.] mit Ausnahme von § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG.17 (2) Der Vertrag endet ohne Kündigung am Ende des Monats, in dem der Geschäftsführer die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht (das ist derzeit die Vollendung des 67. Lebensjahrs) oder seine volle Erwerbsminderung festgestellt wird.18 (3) Der Vertrag ist jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar. Ein wichtiger Grund liegt für die Gesellschaft insbesondere vor, wenn . . .19 – der Geschäftsführer gegen die ihm im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen der Geschäftsführung (insbesondere nach § 2 Abs. 2) verstößt,20 . . . evtl. Ein wichtiger Grund für den Geschäftsführer liegt insbesondere vor, wenn . . . – die Mehrheit der Geschäftsanteile an Personen außerhalb des bisherigen Gesellschafterkreises veräußert wird. (4) Die Bestellung zum Geschäftsführer kann jederzeit durch Beschluss der Gesellschafterversammlung widerrufen werden.21 evtl. 16 Die Formulierung ist angelehnt an diejenige, die der Entscheidung des BGH v. 10.5.2010, DStR 2010, 1390, zugrunde lag. Der BGH hat auf Grund der dortigen Regelung Kündigungsschutz nach dem KSchG für den Geschäftsführer bejaht (s. auch Einf. Rz. 19). Bisher ist die Aufnahme eine solchen Regelung aber wenig üblich. Zu den kündigungsschutzrechtlichen Folgen einer solchen Vereinbarung Jaeger, DStR 2010, 2312, Stagat, NZA 2010, 975 ff. 17 Den Ausschluss von § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG schlägt vor Stagat, NZA 2010, 975, 978; dann kann die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis nicht durch einseitige Erklärung auflösen. 18 Ebenso wie eine Befristung ist auch eine auflösende Bedingung beim Geschäftsführerdienstvertrag ohne sachlichen Grund zulässig. Das AGG steht uE einer Altersbefristung in Verträgen mit Organen juristischer Personen nicht entgegen (PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 15; oben Einf. Rz. 8). Zu Alternativen s. M 5.1 § 2 Abs. 6. 19 Wichtige Gründe können im Rahmen des Zumutbaren vertraglich erweitert (BGH v. 11.5.1981, DB 1981, 1661; v. 9.7.1990, DB 1990, 1709) und wohl auch beschränkt werden (ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rz. 241 mwN; Palandt/Weidenkaff, § 626 BGB Rz. 2; PWW/ Lingemann, § 626 BGB Rz. 1 aE). Eine vertragliche Beschränkung darf jedoch die Entscheidungsfreiheit der Gesellschafterversammlung nicht unangemessen einengen (Reiserer, BB 2002, 1199). Dementsprechend kann auch nicht im Anstellungsvertrag eine Abfindung für den Fall einer fristlosen Kündigung vereinbart werden (BGH v. 3.7.2000, BB 2000, 1751). 20 Ein solcher Verstoß kann auch ausnahmsweise keine fristlose Kündigung rechtfertigen (vgl. BGH v. 10.12.2007, DB 2008, 805). Sieht der Vertrag des Geschäftsführers vor, dass ein wichtiger Grund vorliegt, wenn „der Gesellschaftergeschäftsführer aus der Gesellschaft ausscheidet“, so ist damit nicht schon die bloße Abberufung des Geschäftsführers gemeint, sondern nur das Ausscheiden als Mitgesellschafter (BGH v. 1.12.1997, DB 1998, 874). 21 Das Recht zum Widerruf der Bestellung nach § 38 Abs. 1 GmbHG ist unbeschränkt, soweit die Satzung es nicht gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG auf wichtige Gründe beschränkt. Eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Abberufung gilt aufgrund der Danosa-Entscheidung des EuGH vom 11.11.2010, NZA 2011, 143 wahrscheinlich auch bei Schwangerschaft der Geschäftsführerin; dazu Einf. Rz. 7 und 17.

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M 4.1a

Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

Der Widerruf der Bestellung (Abberufung) gilt als Kündigung dieses Vertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt.22 Beruht der Widerruf jedoch auf einem Grund, der nicht zugleich ein wichtiger Grund gemäß § 626 BGB für die fristlose Kündigung des Dienstvertrages ist, so endet der Dienstvertrag erst mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist ab Ende der Organstellung.23, 24 oder Der Widerruf der Bestellung (Abberufung) gilt als Kündigung dieses Vertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt.25 Beruht der Widerruf jedoch auf einem Grund, der nicht zugleich ein wichtiger Grund gemäß § 626 BGB für die fristlose Kündigung des Dienstvertrages ist, so endet der Dienstvertrag erst mit Ablauf der Vertragsdauer gemäß Abs. 1. (5) Jede Kündigung/Abberufung bedarf der Schriftform. Ist der Geschäftsführer bei der Beschlussfassung anwesend, so ist die Kündigung ihm gegenüber abweichend von Satz 1 bereits dadurch formwirksam erklärt, dass der Versammlungsleiter den Beschluss über die Abberufung und/oder Kündigung feststellt. Ist der Geschäftsführer nicht anwesend, wird die Kündigung ihm gegenüber erklärt, indem der Versammlungsleiter ihm das Versammlungsprotokoll mit der Beschlussfassung über die Abberufung und/oder Kündigung übersendet.26 (6) Eine Kündigung des Geschäftsführers ist gegenüber dem Gesellschafter mit der höchsten Kapitalbeteiligung an der Gesellschaft zu erklären. oder (6) Eine Kündigung des Geschäftsführers ist gegenüber dem weiteren Geschäftsführer zu erklären, soweit ein solcher nicht bestellt ist, gegenüber dem Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung. 22 Diese „Kopplungsklausel“ ist möglicherweise dahingehend auszulegen, dass mit Widerruf der Bestellung der Dienstvertrag zwar nicht sofort, wohl aber mit Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist des § 622 BGB endet (Lingemann, Kündigungsschutz, S. 380 f.; Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 38 Rz. 44; OLG München, v. 17.3.2011– 23 U 3673/10; OLG Hamm v. 20.11.2006, GmbHR 2007, 442, 443; BGH v. 29.5.1989, DB 1989, 1865; vgl. auch M 5.1, Anm. zu § 2 Abs. 2 m. Anm. sowie Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809). Aus Sicht des Geschäftsführers ist daher von der Vereinbarung einer solchen Klausel abzuraten, da sie letztlich dazu führen kann, dass die feste Laufzeit des Dienstvertrages durch Abberufung unterlaufen und damit wertlos wird. Da dies Abs. 4 Satz 2 nicht unmittelbar zu entnehmen ist, verstößt die Regelung durch Satz 2 allein allerdings ohne Klarstellung der Rechtsfolge in Formularverträgen wahrscheinlich gegen § 305c BGB, ggf. auch gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (Grobys/Glanz, NJW Spezial 2007, 129). Im Muster ist die Rechtsfolge daher in Satz 3 klargestellt (vgl. Einl. Rz. 7). 23 Satz 3 stellt die Rechtsfolgen dieser Klausel klar und ist zur Vermeidung von Unklarheiten gemäß 305c Abs. 1 BGB jedenfalls in Formulargeschäftsführerverträgen ratsam (zu Vorstandsverträgen Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343). Da eine Abberufung jedoch gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG auch ohne jeden Grund zulässig ist, ist die Kopplungsklausel möglicherweise insgesamt in Formularverträgen wegen Verstoßes gegen § 305c BGB, ggf. auch § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (Grobys/Glanz, NJW Spezial 2007, 129). 24 Bei der Berechnung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB sind Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses, an das sich das Geschäftsführerverhältnis nahtlos angeschlossen hat, wohl anzurechnen (zum umgekehrten Fall LAG Rh.-Pf. v. 17.4.2008, DB 2008, 1632). 25 Das Recht zum Widerruf der Bestellung nach § 38 Abs. 1 GmbHG ist unbeschränkt, soweit die Satzung es nicht gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG auf wichtige Gründe beschränkt. 26 Diese Regelung erleichtert die Abgabe der Willenserklärung, insbesondere Zurückweisungen nach § 174 BGB werden vermieden.

Lingemann 171

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1a

(7) Nach Kündigung dieses Vertrages, gleich durch welche Partei, [oder: im Falle des Widerrufs der Organstellung oder der Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer]27 ist die Gesellschaft berechtigt, den Geschäftsführer jederzeit unter Fortzahlung der Vergütung und Anrechnung von Urlaubsansprüchen von seiner Verpflichtung zur Dienstleistung für die Gesellschaft freizustellen. Für die Zeit der Freistellung gilt § 615 Satz 2 BGB.28 §4

Vergütung29

(1) Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit a) ein festes Jahresgehalt von Euro . . ., zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von Euro . . . jeweils am Monatsende; b) für die Zeit bis zum . . . eine garantierte Tantieme30 von Euro . . ./Jahr, zahlbar jeweils am . . .; c) eine jährliche Tantieme,31 die die Gesellschafterversammlung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ergebnisse des Geschäftsjahres nach Feststellung des Jahresabschlusses festsetzt.32 oder 27 Vgl. Ebert, ArbRB 2011, 155. 28 Bei einer einvernehmlichen Freistellung kommt es für die Frage der Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf die Auslegung des Vertrages an. Ist die Anrechnung nicht ausdrücklich geregelt, gilt § 615 Satz 2 BGB im Zweifel nicht, was eine doppelte Vergütung zur Folge haben kann (BAG v. 17.10.2012, NZA 2013, 207; vgl. auch BAG v. 19.3.2002, NZA 2002, 1055). 29 Als Organmitglieder sind Geschäftsführer von Leistungen nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz („vermögenswirksame Leistungen“) ausgeschlossen. 30 Eine garantierte Tantieme ist in Turn-around-Situationen empfehlenswert, allerdings nur, wie im Muster, befristet. Vertragstechnisch wird eine garantierte Tantieme häufig vereinbart, um diesen Teil der Vergütung aus der Berechnungsgrundlage für die betriebliche Altersversorgung, die Karenzentschädigung beim Wettbewerbsverbot, die Berechnung des Sterbegeldes oder die Entgeltfortzahlung herauszunehmen. 31 Als Erfolgsbeteiligung wird idR eine Tantieme vereinbart. Bei überdurchschnittlicher Ertragssituation macht diese 15–35 % der Gesamtvergütung aus, bei unterdurchschnittlicher Situation ca. 10–20 %, Anteil steigend.Bezugsgröße der Tantieme ist meist der Gewinn bzw. Jahresüberschuss vor Steuern, EBT oder EBIT. Wichtig: Zulässig, jedoch die Ausnahme ist auch eine am Umsatz orientierte Tantieme. Von einer solchen Tantieme ist zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung beim Gesellschaftergeschäftsführer abzuraten (vgl. BFH v. 12.10.2010, BFH/NV 2011, 301; v. 6.4.2005, GmbHR 2005, 1442; v. 19.5.1993, BFH/NV 1994, 124; v. 5.10.1977, GmbHR 1978, 93;); steuerrechtlich anzuerkennen ist sie nur ausnahmsweise, wenn eine Gewinntantieme den gewünschten Zweck nicht erfüllen kann, etwa während der ertragsschwachen Aufbauphase des Unternehmens (BFH v. 12.10.2010, BFH/NV 2011, 301; v. 20.9.1995, GmbHR 1996, 301). In jedem Fall muss eine umsatzorientierte Tantieme zeitlich und der Höhe nach begrenzt sowie branchenüblich sein (BFH v. 2.4.2008, ZSteu 2008, R 601); sie sollte auf den Vertrieb beschränkt werden (BFH v. 9.7.2007, BFH/NV 2007, 2148). Aus demselben Grund muss beim Gesellschaftergeschäftsführer die Tantiemeklausel ferner so formuliert sein, dass allein durch Rechenvorgänge die Tantiemehöhe ermittelt werden kann; ein Spielraum für eine Ermessensausübung durch die Gesellschafterversammlung darf nicht bestehen. 32 Entspricht die Bestimmung der Tantieme durch die Gesellschaft nicht der Billigkeit, so kann gerichtlich eine andere Höhe bestimmt werden, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Zur Bestimmung durch Urteil nach § 315 BGB vgl. BGH v. 9.5.1994, DB 1994, 1351.

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a) ein Gehalt von monatlich Euro . . ., das am Ende eines jeden Monats gezahlt wird; b) eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehaltes zum 1.12. und ein Urlaubsgeld in Höhe eines Monatsgehaltes, das am 1.7. eines jeden Jahres zahlbar ist;33 c) eine Tantieme in Höhe von . . . % des Jahresgewinns der Gesellschaft. Bemessungsgrundlage ist der Jahresüberschuss nach Steuern und vor Abzug etwaiger Rücklagen und gewinnabhängiger Tantiemen der Geschäftsführer. Ein etwaiger Verlustvortrag aus dem Vorjahr ist bei Bildung der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Tantieme zu berücksichtigen.34 Erlöse aus außergewöhnlichen Geschäften (zB Veräußerung einer Geschäftssparte) sind bei der Bildung der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Tantieme nicht zu berücksichtigen. d) Die Tantieme wird einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. e) Kündigt die Gesellschaft den Geschäftsführervertrag aus wichtigem Grund, so entfällt für das Jahr, in dem die Kündigung wirksam wird, der Anspruch auf Tantieme oder e) Der Anspruch auf Tantieme besteht nur für die Dauer der Organstellung. Endet die Organstellung unterjährig, besteht der Anspruch pro rata temporis.35 (2) Eventuelle Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit ist mit diesen Bezügen abgegolten.36 (3) Sollte sich das Tarifgehalt eines technischen Angestellten der Gruppe . . . nach dem Tarifvertrag um mehr als 10 % erhöhen oder vermindern, so tritt mit Wirksamkeit dieser Erhöhung oder Verminderung im gleichen Verhältnis eine Erhöhung oder Verminderung des unter § 4 Abs. 1 lit. a bestimmten Monatsgehaltes ein. Bei weiteren Erhöhungen oder Verminderungen gilt Satz 1 entsprechend.37 oder 33 Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld besteht nur bei ausdrücklicher Vereinbarung, die bei Organmitgliedern eher selten ist. 34 Formulierungsvorschlag nach Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, 5. Aufl. 2009, S. 119. Ist der Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG nur bei der GmbH angestellt, so ist darauf zu achten, dass als Berechnungsgrundlage nicht auf den Gewinn bzw. Jahresüberschuss der GmbH, sondern der KG abgestellt wird. 35 Die Voraussetzungen, unter denen der Tantiemeanspruch bei Beendigung der Organstellung ausgeschlossen werden kann, sind ungeklärt. Wahrscheinlich gelten auch bei Formulargeschäftsführerverträgen nicht die engen Grenzen, die das BAG für den Widerruf vertraglicher Leistungen in Formulararbeitsverträgen (vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 138 ff.) gezogen hat (so Bauer/Göpfert/Siegrist, DB 2006, 1774, 1776; Khanian, GmbHR 2011, 116). Enthält der Vertrag keine gesonderte Regelung, so ist die Tantieme im Zweifel unabhängig von der Organstellung für die gesamte Dauer des Dienstvertrages geschuldet (Bauer/Göpfert/Siegrist, DB 2006, 1774, 1776). 36 Im Arbeitsverhältnis wäre eine solche Pauschalabgeltung im Formularvertrag wohl nicht zulässig, vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 112, 118 f.; wir halten sie jedoch trotz der AGB-Kontrolle von Geschäftsführerverträgen (Einf., Rz. 24) auf Grund der Verpflichtung von Organen, umfassend zur Verfügung zu stehen, im freien Dienstverhältnis des Geschäftsführers oder auch Vorstandsmitgliedes für zulässig, zumal für diese auch das ArbZG nicht gilt. 37 Vgl. zur Zulässigkeit von Wertsicherungsklauseln M 3.1 § 3 Abs. 1 m. Anm. Zulässig sind jedenfalls Klauseln, die eine Anpassung an einen Tarifvertrag (1. Alt.) enthalten (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKG, sog. Spannungsklauseln) oder Überprüfungsvorbehalte (2. Alt.), deren Ausübung nur nach § 315 BGB auf Unbilligkeit gerichtlich überprüft werden kann.

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Dienstvertrag des Geschäftsführers

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(3) Die Gesellschaft überprüft die Bezüge jeweils am 1.1. eines jeden Jahres, erstmals am 1.1. . . . (4) Soweit vorstehend nichts Abweichendes geregelt ist, sind die Bezüge bei unterjährigem Eintritt oder Ausscheiden zeitanteilig zu zahlen. §5

Fortzahlung der Bezüge38

(1) Wird der Geschäftsführer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder einem anderen von ihm nicht zu vertretenden Grund an der Erbringung seiner vertraglichen Leistung verhindert, so werden ihm die Bezüge nach § 4 Abs. 1 lit. . . . sechs Monate, längstens aber bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses weitergezahlt. Der Geschäftsführer muss sich auf diese Zahlungen anrechnen lassen, was er von Kassen oder Versicherungen an Krankengeld, Krankentagegeld oder Rente erhält, soweit die Leistungen nicht ausschließlich auf seinen Beiträgen beruhen. (2) Der Geschäftsführer tritt bereits jetzt etwaige Ansprüche an die Gesellschaft ab, die ihm gegenüber Dritten wegen der Arbeitsunfähigkeit zustehen. Die Abtretung ist begrenzt auf die Höhe der nach Abs. 1 geleisteten oder zu leistenden Zahlungen.39 (3) Stirbt der Geschäftsführer während der Dauer dieses Vertrages, so haben seine Witwe und seine unterhaltsberechtigten Kinder als Gesamtgläubiger Anspruch auf Fortzahlung des Gehaltes gemäß § 4 Abs. 1 für den Sterbemonat und die drei folgenden Monate. Hinterlässt der Geschäftsführer weder Witwe noch unterhaltsberechtigte Kinder, so besteht kein Anspruch gemäß Satz 1. §6

Versicherungen

(1) Die Gesellschaft schließt für die Dauer dieses Vertrages zu Gunsten des Geschäftsführers eine Unfallversicherung für Berufsunfälle und Unfälle des täglichen Lebens mit Deckungssummen von Euro . . . für den Todesfall und Euro . . . für den Invaliditätsfall ab. (2) Die Gesellschaft schließt für den Geschäftsführer eine Rechtsschutzversicherung mit einer Deckungssumme von Euro 250 000,– je Schadensfall ab, die folgende Risiken erfasst: 38 Für Organmitglieder gilt das Entgeltfortzahlungsgesetz weder unmittelbar noch analog. Sie haben nur gemäß § 616 BGB Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“, dh. nur für wenige Tage (Palandt/Weidenkaff, § 616 BGB Rz. 9, 14; PWW/Lingemann, § 616 BGB Rz. 3). Dies gilt auch für die Nebenleistungen. Die Vereinbarung einer längeren Entgeltfortzahlungszeit im Anstellungsvertrag ist daher aus Sicht des Geschäftsführers erforderlich. Nach der Danosa-Entscheidung gilt wohl das MuSchG (dazu oben Einf. Rz. 17, die Geltung des BEEG ist jedoch offen, so dass vorsorglich für Zeiten der Schwangerschaft und Kindererziehung ggf. individuelle Regelungen zu vereinbaren sind. Ob das PflegeZG auf Geschäftsführer Anwendung findet, entscheidet sich nach dem Einzelfall, nämlich, ob der Geschäftsführer eine arbeitnehmerähnliche Person iSd. § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG ist. Das ist der Fall, wenn er auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Tätigkeit für den Vertragspartner zur Sicherung seiner Existenzgrundlage angewiesen ist (BAG v. 25.7.1996, NZA 1997, 63; ErfK/Gallner, § 7 PflegeZG Rz. 1; Überblick bei Küttner/Röller, Personalbuch, 20. Aufl. 2013, Arbeitnehmerähnliche Personen, Rz. 6 ff.). 39 Für Arbeitnehmer bestimmt § 6 Abs. 1 EFZG bereits einen entsprechenden Anspruchsübergang; Geschäftsführer dürften zu der entsprechenden Abtretung bereits auf Grund ihrer Treuepflicht verpflichtet sein, der Vertrag regelt dies jedoch vorsorglich auch ausdrücklich.

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– Inanspruchnahme auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für Vermögensschäden, – Verteidigung in Ermittlungs-, Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen fahrlässig begangener Delikte, – Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus diesem Dienstvertrag. (3) Die Gesellschaft versichert den Geschäftsführer gegen Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche, die der Gesellschaft und/oder Dritten gegen den Geschäftsführer auf Grund oder im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit zustehen können mit einer Deckungssumme von Euro 5 Mio. pro Schadensfall. Sie bezieht den Geschäftsführer in Haftpflichtversicherungen der Gesellschaft ein. Die Gesellschaft gewährt dem Geschäftsführer jederzeit auf Verlangen Einsicht in die Versicherungsunterlagen und legt die Belege über die Prämienzahlungen vor. Diese Verpflichtung gilt auch nach Beendigung dieses Dienstvertrages.40 §7

Versorgungszusage41

(1) Die Gesellschaft schließt zum Zwecke der Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung auf das Leben des Geschäftsführers eine Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme von Euro . . . ab, die mit Vollendung des 67. Lebensjahres, bei Eintritt [evtl.: teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI oder] voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI oder dem Tod des Geschäftsführers zur Zahlung fällig wird.

40 Auf die Einbeziehung auch von Ansprüchen der Gesellschaft in den Versicherungsschutz sollte geachtet werden, da sie in manchen D&O-Policen als „Anspruch zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer“ („insured vs. insured“) ausgeschlossen ist. 41 Eingehend zur Versorgungszusage an einen GmbH-Geschäftsführer s. M 18.1. Der BFH akzeptiert eine Pensionszusage an neu bestellte Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH nur nach Einhaltung einer angemessenen Probezeit (BFH v. 24.4.2002, BB 2002, 1999). Die 1. Alternative des Musters enthält eine Direktversicherung, die 2. Alternative eine Direktzusage. Versorgungszusagen werden in Form von Pensionszusagen (Ruhegeldzusagen), Zusagen für den Fall der Invalidität und Zusagen auf Hinterbliebenenversorgung gewährt. Sie sind ausdrücklich im Dienstvertrag festzulegen; die betriebliche Altersversorgung im Unternehmen erfasst Organmitglieder ohne entsprechende ausdrückliche Regelung nicht. Für Versorgungszusagen an Fremdgeschäftsführer gilt das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG), für Gesellschafter-Geschäftsführer gemäß § 17 BetrAVG hingegen nur, soweit sie „unbedeutend“ an der GmbH beteiligt sind. Eine Beteiligung von mehr als 50 % schließt die Anwendung des BetrAVG und damit den Insolvenzschutz aus. Da der PSV dann nicht eintrittspflichtig ist, empfiehlt sich eine anderweitige Absicherung, zB eine an den Geschäftsführer verpfändete Rückdeckungsversicherung der Direktzusage. Auch soweit das BetrAVG anwendbar ist, kann von tarifdispositiven Regelungen des BetrAVG (§ 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG) auch zu Lasten des Organmitgliedes abgewichen werden (BAG v. 21.4.2009, ZTR 2009, 657; dazu Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281). In Betracht kommen insbesondere Abweichungen beim Anspruch auf Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG), der Ermittlung der Höhe der ratierlichen Anwartschaft (§ 2 BetrAVG), der Berechnung der vorzeitigen Altersrente (§ 2 iVm. § 6 BetrAVG), dem Abfindungsverbot (§ 3 BetrAVG), dem Übertragungsanspruch und der Übertragungsbeschränkung (§ 4 BetrAVG), dem Auskunftsanspruch (§ 4a BetrAVG), dem Auszehrungs- und Anrechnungsverbot (§ 5 BetrAVG), der Anpassungspflicht (§ 16 BetrAVG) und der Verjährung (§ 18a BetrAVG) (Einzelheiten bei Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281). Solche Abweichungen sind bisher allerdings nicht Praxis.

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(2) Die Versicherungsprämien werden für die Dauer dieses Dienstvertrages von der Gesellschaft zusätzlich zur Vergütung gemäß § 4 gezahlt. Sie sind steuerpflichtige Vergütung, werden jedoch, soweit gesetzlich zulässig, pauschal versteuert. (3) Unwiderruflich42 bezugsberechtigt aus der Versicherung sollen im Erlebensfall der Geschäftsführer, im Todesfall die von ihm bestimmten Personen oder bei Fehlen einer solchen Bestimmung seine Erben sein. Das unwiderrufliche Bezugsrecht kann nicht beliehen, abgetreten oder verpfändet werden. (4) Scheidet der Geschäftsführer vor Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung aus den Diensten der Gesellschaft aus, ohne dass eine teilweise oder volle Erwerbsminderung vorliegt, so wird die Gesellschaft die Versicherung mit allen Rechten und Pflichten auf den Geschäftsführer übertragen, sofern der Geschäftsführer zum Zeitpunkt seines Ausscheidens eine mindestens . . .-jährige Dienstzeit bei der Gesellschaft erfüllt hat. (5) Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 1 ff. BetrAVG.43 oder (1) Der Geschäftsführer erhält eine Pension in Höhe von 60 % des von ihm zuletzt bezogenen festen Jahresgehalts gemäß § 4 Abs. 1 lit. a. Die Pension wird gezahlt ab Vollendung des 67. Lebensjahres44 oder vorher im Falle der [evtl.: teilweisen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI oder] vollen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI, in monatlichen Raten jeweils am Monatsende. (2) Stirbt der Geschäftsführer während der Laufzeit seines Vertrages mit der Gesellschaft oder nach seiner Pensionierung nach Ablauf der Vertragslaufzeit, so erhält seine Ehefrau . . . [hier wäre der Name einzusetzen] 60 % der Pension, die er bezogen hat oder die er bezogen hätte, wenn er am Todestag in den Ruhestand getreten wäre. Das Witwengeld entfällt, wenn sich die Witwe wieder verheiratet. Ein Anspruch auf Witwengeld besteht nicht, wenn die Ehe erst nach der Pensionierung geschlossen wurde.45 42 Bei der Direktversicherung steht dem Geschäftsführer im Insolvenzfall nur dann ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO zu, wenn ihm ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt wurde, wobei auch ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht ausreicht (BAG v. 31.7.2007, NZA-RR 2008, 32; BGH v. 3.5.2006, NZA-RR 2006, 532; BAG v. 26.6.1990, NZA 1991, 60). Bei einem nur widerruflichen Bezugsrecht erhält er nur eine einfache Insolvenzforderung (OLG Düsseldorf v. 11.12.2007 – 4 U 205/06; BGH v. 18.7.2002, BB 2002, 2350). Die ausdrückliche Erklärung der GmbH muss insbesondere auch gegenüber dem Versicherer herbeigeführt werden (BAG v. 26.2.1991, NZA 1991, 845; OLG Hamm v. 15.11.1990, ZIP 1990, 1603). 43 Das BetrAVG regelt auch die Beschränkung der Versicherungsansprüche bei Ausscheiden vor Eintritt des Versicherungsfalles auf die Leistungen gemäß § 2 Abs. 2 BetrAVG. Diese Regelung dürfte aber in Verträgen mit Organmitgliedern auch zu deren Lasten abdingbar sein (BAG v. 21.4.2009, ZTR 2009, 657; dazu Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281; s.o. Fn. 41). 44 Bisher wurden Pensionszusagen für Organmitglieder steuerlich anerkannt bei einer Pensionsberechtigung ab dem 60. Lebensjahr. Gemäß Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums v. 31.3.2010 (BStBl. I 2010, 279, Rz. 249) gilt dies nunmehr nur noch ab dem 62. Lebensjahr. 45 Diese Einschränkung ist zwar betriebsrentenrechtlich zulässig und kann bei sachlichen Gründen auch auf bereits erteilte Versorgungszusagen und schon zurückgelegte Beschäftigungszeiten erstreckt werden (vgl. BAG v. 26.8.1997, DB 1998, 1190). Umstritten ist aber, ob solche oder auch andere Späteheklauseln gegen das Verbot der Geschlechterdiskriminierung oder der Altersdiskriminierung, §§ 1, 7, 10 AGG, verstoßen. Einzelheiten dazu bei M 5.1 Anm. zu § 7 Abs. 4.

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(3) Abs. 2 gilt entsprechend für eingetragene Lebenspartner.46 (4) Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 1 ff. BetrAVG. §8

Spesen

(1) Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die dem Geschäftsführer in der Ausübung seiner Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages entstehen, werden ihm nach den jeweiligen internen Richtlinien der Gesellschaft erstattet. oder (1) Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die dem Geschäftsführer in der Ausübung seiner Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages entstehen, werden ihm gegen Beleg nach den steuerlich zulässigen Höchstsätzen erstattet. (2) Soweit sich der Geschäftsführer bei seinen geschäftlichen Reisen öffentlicher Verkehrsmittel bedient, ist er berechtigt, die erste Klasse zu benutzen, bei Flügen Business Class. (3) Die Gesellschaft trägt die Kosten für ein dienstliches Mobiltelefon mit den dazugehörigen Vertrags-, Geräte- und Gesprächskosten. Der Geschäftsführer darf das Mobiltelefon in angemessenem Umfang auch privat nutzen. § 9 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend. § 9 Dienstfahrzeug (1) Die Gesellschaft stellt dem Geschäftsführer für seine Tätigkeit im Rahmen dieses Vertrages einen Pkw gemäß den jeweiligen internen Richtlinien der Gesellschaft/Typ . . . oder vergleichbar, zur Verfügung. Der Geschäftsführer darf den Pkw auch privat nutzen. Die Einkommensteuer auf den Geldwertvorteil der Privatnutzung trägt der Geschäftsführer.47 (2) Das Fahrzeug ist nach Beendigung der Organstellung als Geschäftsführer unverzüglich an die Gesellschaft zu übergeben. Der Geschäftsführer hat kein Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrzeug und keinen Anspruch auf Abgeltung entgangener Gebrauchsvorteile.48 46 Das würde auf Grund der Gleichstellung von Ehepartnern mit eingetragenen Lebenspartnern wohl auch ohne Aufnahme in den Vertrag gelten, wenn der Vertrag nach dem 1.1.2005 geschlossen worden ist, vgl. EuGH v. 1.4.2008, NZA 2008, 459; BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 490; v. 15.9.2009, NZA 2010, 216. 47 Die Privatnutzung ist, auch wenn sie dem Gesellschaftergeschäftsführer im Dienstvertrag zugesagt ist, geldwerter Vorteil, aber keine verdeckte Gewinnausschüttung, BFH v. 23.4.2009, DStR 2009, 1355. 48 Bei vorzeitiger Rückforderung des Dienstfahrzeugs ohne vertragliche Grundlage hat der Geschäftsführer einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Dies gilt bei Vereinbarung des Alternativvorschlages im Muster zB auch, wenn der Geschäftsführer das Fahrzeug zurückgibt, weil die Gesellschaft es trotz fortbestehenden Dienstvertrages zB nach der Abberufung zurückverlangt hat. Nach BAG v. 27.5.1999, NZA 1999, 1038, richtet sich im Arbeitsverhältnis die Höhe der Nutzungsentschädigung nicht mehr nach den Kostentabellen des ADAC oder den Nutzungsausfalltabellen (so noch BAG v. 23.6.1994, DB 1994, 2239) oder nach einer konkreten Schadensberechnung (so jedenfalls bei Nutzung eines gleichwertigen PrivatPkw im Ausfallzeitraum, BAG v. 16.11.1995, NJW 1996, 1771), sondern nach der lohnsteuerrechtlichen Vorteilsermittlung (BAG v. 27.5.1999, NJW 1999, 3507; Küttner/Griese, Personalbuch, 20. Aufl. 2013, Dienstwagen Rz. 13). Unseres Erachtens gelten die strengen Voraussetzungen für die Rückforderung eines Dienstfahrzeuges im Arbeitsverhältnis (dazu

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oder (2) Das Dienstfahrzeug steht dem Geschäftsführer für die gesamte Dauer des Vertrages zu. Arbeitszeit49

§ 10

Der Geschäftsführer stellt seine gesamte Arbeitskraft, fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung. § 11

Nebentätigkeit

Eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit, ein Amt als Aufsichtsrat, Beirat oÄ oder ein Ehrenamt darf der Geschäftsführer nur mit schriftlicher Einwilligung der Gesellschaft übernehmen.50 § 12

Urlaub51

(1) Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Der Urlaub ist unter Berücksichtigung der Belange der Gesellschaft im Einvernehmen mit den anderen Geschäftsführern festzulegen. (2) Kann der Geschäftsführer Urlaub nicht nehmen, weil die Interessen der Gesellschaft entgegenstehen, so ist der restliche Urlaubsanspruch auf das nächste Jahr zu übertragen. Eine weitere Übertragung auf die folgenden Jahre findet nicht statt. (3) Der Geschäftsführer wird dafür sorgen, dass er auch im Urlaub kurzfristig erreichbar ist. § 13

Wettbewerbsverbot52

Dem Geschäftsführer ist es untersagt, während der Dauer dieses Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden,

49 50 51 52

Einf. Kap. 12, Rz. 43, Kap. 12, M 12.21 § 7) für Geschäftsführer trotz der AGB-Kontrolle von Geschäftsführerverträgen (Einf. Rz. 24) nicht für die Verknüpfung der Dienstwagennutzung mit der Organstellung, zumal letztere schon gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG frei widerruflich ist. Andernfalls wäre die Formulierung in Kap. 12 M 12.21 § 7 zu verwenden. Das ArbZG gilt für den Geschäftsführer nicht, da er nicht zu den Arbeitern und Angestellten gemäß § 2 Abs. 2 ArbZG zählt, vgl. auch § 18 ArbZG. Während beim Arbeitnehmer Nebentätigkeiten nur bei Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers untersagt werden können, gilt dies beim Geschäftsführer umfassend, da er seine gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft voll zur Verfügung stellen muss. Das BUrlG und damit auch der Mindesturlaub gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG gilt für Organmitglieder nicht, vgl. § 1 BUrlG. Wird der Urlaub nach Tagen berechnet, so ist zu beachten, dass Werktage auch den Samstag umfassen, Arbeitstage dagegen nur Montag bis Freitag. Schon auf Grund seiner Treuepflicht ist dem Geschäftsführer Wettbewerb mit der Gesellschaft untersagt. Dieses Wettbewerbsverbot zieht die Rechtsprechung weit. Es umfasst den gesamten in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand, jedenfalls, soweit die Gesellschaft ihn ausübt (BGH v. 5.12.1983, BGHZ 89, 162). Auch Geschäftschancen („corporate opportunities“) muss der Geschäftsführer in diesem Bereich zunächst der Gesellschaft anbieten; nur wenn diese die Geschäftschance nicht wahrnimmt, darf er sie selbst nutzen (OLG Frankfurt v. 13.5.1997, GmbHR 1998, 7; BGH v. 10.2.1992, BB 1992, 726; v. 23.9.1985, ZIP 1985, 1484; Schiessl, GmbHR 1988, 53). Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot, insbesondere die Nutzung von Geschäftschancen der Gesellschaft zu eigenen Zwecken, rechtfertigt vielfach eine fristlose Kündigung des Geschäftsführeranstellungs-

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welches mit der Gesellschaft in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen iSv. § 15 AktG verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Geschäftsführer untersagt, während der Dauer dieses Vertrages ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen, es sei denn, der Anteilsbesitz ermöglicht keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten von mit der Gesellschaft iSv. § 15 AktG verbundenen Unternehmen. § 14

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot53

(1) Der Geschäftsführer verpflichtet sich, für die Dauer von . . . Monaten nach Beendigung dieses Vertrages nicht in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Gesellschaft in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen iSv. § 15 AktG verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Geschäftsführer untersagt, während dieser Zeit ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen, es sei denn, der Anteilsbesitz ermöglicht keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten von mit der Gesellschaft iSv. § 15 AktG verbundenen Unternehmen. Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich räumlich auf . . . (2) Die Gesellschaft verpflichtet sich, dem Geschäftsführer für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots eine Karenzentschädigung von 50 % der von dem Geschäftsführer im Durchschnitt der letzten zwölf Monate bezogenen Vergütung nach § 4 Abs. 1 lit. a [und b] zu zahlen.54 Die Karenzentschädigung wird fällig am Schluss eines jeden Monats. vertrages gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Ferner kann die Gesellschaft Unterlassung des wettbewerbswidrigen Verhaltens sowie Schadensersatz verlangen oder an Stelle des Schadensersatzes Herausgabe des aus den wettbewerbswidrigen Geschäften erzielten Erlöses (§ 88 Abs. 1 Satz 2 AktG; § 113 HGB). 53 S. auch M 25.2. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers ist nicht an §§ 74 ff. HGB zu messen, sondern nur am Maßstab der Sittenwidrigkeit, § 138 BGB iVm. Art. 12 GG. Es muss einem berechtigten Interesse der Gesellschaft dienen; es gilt gleichfalls die zeitliche Höchstgrenze von zwei Jahren. Bedingte Wettbewerbsverbote sind auch gegenüber Organmitgliedern unwirksam. Die Karenzentschädigung kann wohl unter der 50 %-Grenze des § 74 Abs. 2 HGB liegen, vor allem, wenn das Wettbewerbsverbot sehr eng begrenzt ist nur auf den Kundenstamm des Unternehmens. Selbst ein umfassendes Wettbewerbsverbot ist nach überwiegender Auffassung bei einer Karenzentschädigung von 50 % der zuletzt erhaltenen Festbezüge (also ohne erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile) wirksam. Will man ganz sichergehen, muss man jedoch eine Karenzentschädigung wie bei Arbeitnehmern vereinbaren (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 6. Aufl. 2012, Rz. 1076), somit mindestens „die Hälfte der von dem Geschäftsführer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen“ gemäß § 74 Abs. 2 HGB. Sieht der Vertrag keine Karenzentschädigung vor, so ist das Wettbewerbsverbot unwirksam. Ist die Karenzentschädigung zu niedrig, so wird das Wettbewerbsverbot nach einer Auffassung lediglich unverbindlich (Thüsing, NZG 2004, 14; Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, 5. Aufl. 2009, S. 175 f.), dh. der Geschäftsführer kann entscheiden, ob er das Wettbewerbsverbot bei Zahlung der niedrigeren Karenzentschädigung annimmt oder ob er es nicht beachtet; nach unserer Auffassung ist es gemäß § 138 BGB nichtig (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 6. Aufl. 2012, Rz. 1084, sowie unten Kap. 25). Übersicht zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bei Organmitgliedern bei Bauer/von Medem, ArbR Aktuell 2011, 473, Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050. 54 Vgl. vorstehende Fn.

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Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1a

Die Entschädigung wird auf laufende Leistungen aus der Versorgungszusage gemäß § 7 angerechnet. evtl. Auf die Entschädigung wird alles angerechnet, was der Geschäftsführer durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Karenzentschädigung und die Einkünfte das zuletzt bezogene Monatsgehalt nach § 4 Abs. 1 lit. a [und b] übersteigen.55 oder § 74c HGB gilt entsprechend.56 (3) Der Geschäftsführer verpflichtet sich, während der Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auf Verlangen Auskunft über die Höhe seiner Bezüge zu geben und die Anschrift seines jeweiligen Arbeitgebers mitzuteilen. Am Schluss eines Kalenderjahres ist er verpflichtet, seine etwaige Lohnsteuerkarte vorzulegen. (4) Für jede Handlung, durch die der Geschäftsführer das Verbot schuldhaft verletzt, hat er eine Vertragsstrafe von Euro . . . zu zahlen.57 Besteht die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreter- oder Beraterverhältnis), wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die kapitalmäßige Beteiligung oder das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung (zB Unterlassungsansprüche, Wegfall des Anspruchs auf Karenzentschädigung für die Dauer des Verstoßes etc.). (5) Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot tritt nicht in Kraft, wenn bei seinem Ausscheiden der Geschäftsführer das . . . Lebensjahr vollendet oder das Dienstverhältnis weniger als ein Jahr bestanden hat. (6) Die Gesellschaft kann jederzeit – auch nach Beendigung dieses Dienstvertrages – auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, dass die Gesellschaft mit Ab-

55 Sofern die Anrechnung nicht ausdrücklich geregelt ist, sind anderweitige Bezüge nicht auf die Karenzentschädigung anzurechnen, BGH v. 28.4.2008, WM 2008, 1226. Im Interesse des Geschäftsführers wäre es daher, keine Anrechnungsregelung aufzunehmen und, soweit auf §§ 74 ff. HGB verwiesen wird, § 74c HGB auszunehmen. Während die Anrechnungsgrenze analog § 74c HGB für Arbeitnehmer erst bei 110 % bzw. 125 % liegt, kann gegenüber dem Geschäftsführer wohl auch bei geringeren Gesamtbezügen angerechnet werden. 56 S. vorstehende Fn. 57 Auf Grund der AGB-Kontrolle auch von Geschäftsführerverträgen (Einf. Rz. 24) muss aus der Vertragsstrafenregelung hervorgehen, wann ein einzelner Verstoß und wann ein Dauerverstoß vorliegt, und ob die Vertragsstrafe bei jeder Wettbewerbstätigkeit oder nur einmal pro Monat anfällt, BAG v. 14.8.2007, NZA 2008, 170. Vorsorglich wird daher auch hier im Anschluss an Diller, NZA 2008, 574 eine entsprechende Formulierung vorgeschlagen.

180 Lingemann

M 4.1a

Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

lauf von sechs Monaten seit der Verzichtserklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung frei wird.58 (7) Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB entsprechend59 [evtl.: mit Ausnahme von § 74c HGB].60 § 15

Geheimhaltung

Der Geschäftsführer verpflichtet sich, über alle ihm während seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangten vertraulichen geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft oder deren Geschäftspartner, insbesondere über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Entwicklungsarbeiten, Konstruktionen, Planung und Kundenbeziehungen Stillschweigen zu bewahren und diese Informationen weder für sich noch für Dritte zu verwenden. Solche Angelegenheiten dürfen unbefugten Personen außerhalb und innerhalb des Unternehmens nicht zugänglich gemacht werden. Die Verpflichtung gilt auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses.61 § 16

Erfindungen

Für Erfindungen, die der Geschäftsführer während der Dauer des Dienstvertrages macht, gilt das Arbeitnehmererfindungsgesetz.62 Die Verwertung von technischen oder organisatorischen Verbesserungsvorschlägen, die sich unmittelbar oder mittelbar aus den Aufgaben des Geschäftsführers in der Gesellschaft ergeben oder die mit dieser Tätigkeit zusammenhängen, steht ausschließlich der Gesellschaft zu. oder63 (1) Erfindungen, die der Geschäftsführer während der Dauer dieses Dienstvertrages macht, stehen ausschließlich der Gesellschaft zu. Das gilt ebenfalls für technische und organisatorische Verbesserungsvorschläge, die sich unmittelbar oder mittelbar aus den Aufgaben des Geschäftsführers ergeben oder mit ihnen zusammenhängen. (2) Der Geschäftsfüher ist verpflichtet, Erfindungen und Verbesserungsvorschläge der Gesellschaft oder einer von ihr benannten Person unverzüglich schriftlich mitzuteilen

58 § 75a HGB erlaubt den Verzicht nur während des Anstellungsverhältnisses und auch nur mit der Folge, dass der Arbeitnehmer sofort frei wird, der Arbeitgeber jedoch noch ein Jahr lang Karenzentschädigung zahlen muss. Beim Geschäftsführer dürfte ein Verzicht auch nachträglich mit abgekürzter Restlaufzeit zulässig sein, einzuhalten ist mindestens aber die Kündigungsfrist des Vertrages. Formulierung nach Bauer/von Medem, ArbR Aktuell 2011, 473. 59 Dh., dass auch die Varianten des § 75 HGB (analog) bei Beendigung aus wichtigem Grund bestehen. 60 Ohne diese Herausnahme würde durch die Bezugnahme auf §§ 74 ff. HGB auch die Anrechnungsregelung des § 74c HGB gelten, s. oben Fn. 55. 61 Zur Geheimhaltungspflicht im Arbeitsverhältnis vgl. oben M 3.1 § 5. Auf Grund von § 85 GmbHG und § 93 AktG ist uE ein Anspruch auf Freistellung von der Geheimhaltung beim Geschäftsführer nicht erforderlich. 62 Das Arbeitnehmererfindungsgesetz gilt nicht unmittelbar für Organe einer juristischen Person. Alternativ kommt in Betracht, auch die Rechte an Erfindungen ohne gesonderte Vergütung der Gesellschaft zu übertragen. Enthält der Vertrag keine Regelung, so steht dem Geschäftsführer die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zu (BGH v. 20.10.1988, WM 1990, 350). 63 Formulierungsvorschlag von Küttner/Röller, Personalbuch, 20. Aufl. 2013, M 25.3. Ausführlicher Formulierungsvorschlag bei Friemel/Kamlah, BB 2008, 613.

Lingemann 181

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1a

und die Gesellschaft bei der Erlangung von Patentschutz und sonstigen gewerblichen Schutzrechten zu unterstützen. (3) Ein Anspruch auf gesonderte Vergütung für Erfindungen und Verbesserungen besteht nicht. Die Leistung des Geschäftsführers ist mit der in § 4 vereinbarten Vergütung abgegolten. § 17

Rückgabe von Unterlagen

Der Geschäftsführer hat bei seinem Ausscheiden alle Unterlagen, Urkunden, Aufzeichnungen, Notizen, Entwürfe oder hiervon gefertigte Durchschriften oder Kopien, gleich auf welchem Datenträger, unaufgefordert an die Gesellschaft zurückzugeben. Ihm steht an diesen Unterlagen ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Gesellschaft nicht zu. § 18

Schriftform

Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.64 § 19

Ausschluss des Urkundenprozesses

Keine Partei ist berechtigt, Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis im Wege des Urkundenprozesses gemäß §§ 592 ff. ZPO geltend zu machen.65 § 20 Salvatorische Klausel 66 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden, so soll hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt werden. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.67

64 Zur Schriftformklausel im Arbeitsverhältnis vgl. im Einzelnen M 2.1a Ziff. 14; M 7.1 § 12. Die Problematik betrieblicher Übung stellt sich im Verhältnis zum Geschäftsführer allerdings nicht, da für den Geschäftsführer betriebliche Übungen nicht gelten, jedenfalls sofern er nicht ausnahmsweise Arbeitnehmer ist; uE kann die Klausel jedoch unabhängig von einer möglichen betrieblichen Übung auch im Dienstvertrag des Geschäftsführers verwendet werden. 65 Der BGH hält den Ausschluss des Urkundenprozesses bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern für zulässig (BGH v. 12.7.2001, NJW 2001, 3549). Der Ausschluss des Urkundenprozesses kann daher zumindest individualvertraglich vereinbart werden (ohne Differenzierung nach AGB und Individualvertrag: Münch-KommZPO/Braun, 4. Aufl. 2012, § 592 Rz. 8; Musielak/Voit, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 592 ZPO Rz. 15; Zöller/Greger, Vorbem. § 592 ZPO Rz. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 592 ZPO Rz. 2). In Formulargeschäftsführerverträgen ist der Ausschluss dann zulässig, wenn er für beide Vertragsparteien gilt. Ein solcher Ausschluss ist bisher allerdings noch wenig verbreitet. 66 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 67 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

182 Lingemann

M 4.1b

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

... (Ort, Datum) ... (Gesellschaft)

... (Ort, Datum) ... (Geschäftsführer)

u

Service Agreement of the Managing Director

4.1b

between the company . . . (hereinafter: Company) and Mr./Ms. . . . (hereinafter: Managing Director) Preliminary remark Mr./Ms. . . . was appointed Managing Director of the Company by resolution of the shareholders’ meeting of . . . with effect as of . . . The following has been agreed in this respect: § 1 Representation (1) The Managing Director shall represent the Company alone. or (1) The Managing Director shall represent the Company together with another managing director or procuration officer (Prokurist). (2) The Managing Director is released from the restrictions set forth in section 181 of the German Civil Code (BGB). (3) The Company can change the authority to represent at any time. §2

Management

(1) The Managing Director shall run the Company or the . . . business area of the Company in accordance with the statutes, this Agreement, the articles of association, any rules of procedure for the management as they may change from time to time, as well as the stipulations of the shareholders. (2) The Managing Director shall require the explicit prior consent of the shareholders’ meeting for the transactions listed in the rules of procedure for the management/the articles of association of the Company. or Lingemann 183

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1b

(2) The Managing Director shall require the explicit prior consent of the shareholders for all transactions and measures that go beyond the Company’s ordinary business operation. This includes in particular: – the sale and closure of the Company’s operation or material parts thereof; – the establishment of branches; – the acquisition or sale of other undertakings or participations of the Company; – the acquisition, sale or encumbrance of real properties and equivalent rights, as well as the obligation to enter into legal transactions of this nature; – the assumption of suretyships or guarantees of any kind; – the utilization or granting of loans or security payments of any kind that exceed EUR . . . and are not customary in the trade; – the conclusion, amendment or cancellation of contracts that burden the Company with more than EUR . . . in an individual case; – the hiring, promotion or dismissal of executive employees within the meaning of section 5 (3) and (4) of the German Works Constitution Act (BetrVG); – the issuance or revocation of full powers of attorney (Prokuren) and commercial powers of attorney (Handlungsvollmachten); – the issuance of pension commitments of any kind. This list of transactions and measures requiring the prior consent of the shareholders can be expanded or restricted at any time by resolution of the shareholders’ meeting. (3) The Managing Director bears liability toward the Company only for intent and gross negligence. Section 43 (3) of the German Limited Liability Companies Act (GmbHG) remains unaffected. (4) All claims arising from the service relationship and the status as a governing body, including claims in tort, shall be asserted in writing by the Parties within six months of their maturity; otherwise, they shall extinguish. (5) The Company may appoint additional managing directors at any time. The shareholders’ meeting shall determine the allocation of the business among the managing directors. (6) The Managing Director shall run the business area . . . The Company shall be entitled to assign other equivalent tasks to him, even if they involve a change of location. or (6) The contractual relationship is specified as the agreed upon position in the undertaking as a . . . with his workplace in . . . Any change shall require the consent of the Managing Director. or (6) The transfer of the Managing Director to a different location without his consent shall be permissible only in compliance with an advance notice period of . . . (7) At the request of the shareholders’ meeting, the Managing Director shall also perform governing body activities in affiliated companies; these shall be discharged by the remuneration pursuant to § 4.

184 Lingemann

M 4.1b

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

§3

Term of Agreement

(1) The Agreement commences on . . . and is concluded for a term of . . . year(s). It shall extend by . . . year(s) at a time if it is not terminated with a notice period of . . . months prior to the end of the Agreement. (if applicable It replaces the employment agreement of . . ., with all subsequent amendments, which thereby comes to an end.) or (1) The Agreement is entered into for an indefinite period. The employment relationship may be terminated with a notice period of . . . The same notice period applies to the Managing Director. Apart from that, the provisions of the Protection Against Wrongful Dismissals Act (KSchG) shall apply to the benefit of the Managing Director [if applicable:] with the exception of section 14 (2) sentence 2 of the Protection Against Wrongful Dismissals Act. (2) This Agreement shall end, without a dismissal being necessary, at the end of the month in which the Managing Director reaches the normal age of retirement of the statutory pension funds (currently the 67th birthday) or his complete reduction in earning capacity is determined. (3) The Agreement may be summarily terminated for good cause at any time. The Company shall in particular have cause for termination if . . . – the Managing Director violates the restrictions of management that have been imposed on him internally (in particular pursuant to § 2 (2)), . . . if applicable The Managing Director shall in particular have cause for termination if . . . – the majority of the shares are sold to persons outside of the current group of shareholders. (4) The appointment as Managing Director can be revoked at any time by resolution of the shareholders’ meeting. if applicable The revocation of the appointment (removal) shall be deemed to constitute a termination of this Agreement at the next possible date. However, if the revocation is due to grounds that do not at the same time constitute cause for summary termination of the Service Agreement pursuant to section 626 of the German Civil Code (BGB), the Service Agreement shall only end upon the expiration of the statutory notice period as of the end of the position as a governing body. or The revocation of the appointment (removal) shall be deemed to constitute a termination of this Agreement at the next possible date. However, if the revocation is due to grounds that do not at the same time constitute cause for summary termination of the Service Agreement pursuant to section 626 of the German Civil Code (BGB), the Service Agreement shall end only upon the expiration of the contractual term pursuant to paragraph 1. Lingemann 185

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1b

(5) Any termination/removal must be in written form. If the Managing Director is present during the adoption of the resolution, notwithstanding sentence 1, the termination will have already been declared to him in a valid form by virtue of the announcement of the resolution on the removal and/or termination by the chairperson of the meeting. If the Managing Director is not present, the termination shall be declared to him by virtue of the transmission of the minutes of the meeting with the resolution on the removal and/or termination by the chairperson of the meeting. (6) A termination by the Managing Director must be declared to the shareholder with the greatest capital participation in the Company. or (6) A termination by the Managing Director must be declared to the other managing director or, if none has been appointed, to the chairperson of the shareholders’ meeting. (7) Following the termination of this Agreement, regardless of which Party has terminated [or: in the case of a revocation of the position as governing body or the Managing Director’s resignation from his office], the Company shall be entitled to release the Managing Director from his obligation to render services for the Company at any time, with continuation of the remuneration and an offsetting against vacation claims. For the period of the release, section 615 sentence 2 of the German Civil Code (BGB) shall apply. §4

Remuneration

(1) The Managing Director shall receive for his services a) a fixed annual salary of EUR . . ., payable in monthly installments of EUR . . . at the end of each month; b) for the period up to . . ., a guaranteed bonus of EUR . . ./year, payable each year on . . .; c) an annual bonus to be determined by the shareholders’ meeting, taking into account the economic results of the fiscal year, following the adoption of the annual financial statement. or a) a salary of EUR . . . per month, to be paid at the end of each month; b) a Christmas bonus in the amount of a monthly salary as of 1 December and vacation money in the amount of a monthly salary as of 1 July, payable each year; c) a bonus in the amount of . . . % of the Company’s annual profit. Basis of assessment for the calculation of the bonus shall be the Company’s annual net income after taxes and before deduction of any reserves and profit-related bonuses of the managing directors. Any loss carried forward from the previous year shall be taken into account in forming the basis of assessment for the calculation of the bonus. Revenues from unusual transactions (e.g. sale of a business division) shall not be taken into account in forming the basis of assessment for the calculation of the bonus. d) The bonus shall be payable one month after the adoption of the annual financial statement by the shareholders’ meeting.

186 Lingemann

M 4.1b

Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

e) Should the Company terminate the Service Agreement for cause, the Managing Director’s claim for a bonus for the year in which the termination comes into effect shall extinguish. or e) The claim for a bonus exists only for the duration of the position as a governing body. Should this position end during a year, the claim shall exist pro rata temporis. (2) Any additional, Sunday and holiday work shall be discharged with this remuneration. (3) Should the salary of a technical employee of the . . . group increase or decrease by more than 10 % pursuant to the collective bargaining agreement, then the monthly salary defined in § 4 (1) (a) shall be increased or decreased in the same proportion. In the event of any further increases or decreases, sentence 1 shall apply mutatis mutandis. or (3) The Company shall review the remuneration on 1 January of each year, for the first time on 1 January . . . (4) Unless otherwise provided above, if the Managing Director joins or leaves the Company during a year, the remuneration shall be paid pro rata temporis. § 5 Continued payment of remuneration (1) Should the Managing Director be prevented from rendering services pursuant to this Agreement due to an inability to work resulting from illness or another reason beyond his control, the remuneration pursuant to § 4 (1) . . . shall continue to be paid for six months, but at most up to the end of the service relationship. The Managing Director must allow these payments to be set off against the sick pay, daily benefits or pension he receives from health insurance funds or insurances, to the extent these benefits are not based exclusively on his contributions. (2) The Managing Director here and now assigns to the Company any claims against third parties to which he is entitled due to his inability to work. This assignment shall be limited to the payments made or to be made pursuant to paragraph 1. (3) Should the Managing Director pass away during the term of this Agreement, his widow and dependent children shall have a claim as joint and several creditors to continued payment of the salary pursuant to § 4 (1) for the month of death and the following three months. Should the Managing Director not leave behind a widow or dependent children, no claim pursuant to sentence 1 shall exist. §6

Insurances

(1) The Company shall take out accident insurance for the Managing Director against industrial accidents and accidents in daily life for the duration of this Agreement with a coverage of EUR . . . for death and EUR . . . for invalidity. (2) The Company shall take out legal expenses insurance for the Managing Director with a coverage of EUR 250,000 per damage event, which covers the following risks: – assertion of claims against him for financial losses due to statutory liability provisions, – defense in investigative, criminal or administrative offense proceedings for offenses committed through negligence, Lingemann 187

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1b

– protection of legal interests under this Service Agreement. (3) The Company shall insure the Managing Director against claims, in particular damages claims, to which the Company and/or third parties could be entitled due to or in connection with his activity, with a coverage of EUR 5 million per damage event. The Company shall include the Managing Director in its third party liability insurance. It shall allow the Managing Director, upon his request at any time, to inspect the insurance documents and present the receipts for the premium payments. This obligation shall survive this Service Agreement. §7

Pension commitment

(1) The Company shall take out life insurance for the Managing Director for the purpose of providing an old age, reduction in earning capacity and survivor’s pension, with a coverage of EUR . . ., which shall be due and payable on his 67th birthday, at the onset [if applicable: of a partial reduction in earning capacity pursuant to section 43 (1) of the Social Security Code (SGB) VI or] of a full reduction in earning capacity pursuant to section 43 (2) Social Security Code VI or the death of the Managing Director. (2) The insurance premiums shall be paid by the Company for the duration of this Service Agreement, in addition to the remuneration pursuant to § 4. They are taxable remuneration but shall be taxed as a lump sum to the extent legally possible. (3) In the event of the Managing Director’s survival, he shall be irrevocably entitled to benefits from the insurance; in the event of his death, the persons designated by him or, if no such designation is made, his heirs shall be so entitled. This irrevocable entitlement to benefits cannot be used as collateral for a loan or assigned or pledged. (4) Should the Managing Director leave the Company before achieving the normal age of retirement of the statutary pension funds, without a partial or full reduction in earning capacity having occurred, the Company shall transfer the insurance, with all rights and duties, to the Managing Director, provided that at the time of his leaving, he has worked for the Company for at least . . . years. (5) In all other respects, the provisions of sections 1 et seqq. of the Act for the Improvement of Company Pension Plans (BetrAVG) shall apply. or (1) The Managing Director shall receive a pension amounting to 60 % of the annual salary most recently paid to him pursuant to § 4 (1) (a). The Pension shall be paid as of the Managing Director’s 67th birthday or earlier in the event of [if applicable: a partial reduction in earning capacity pursuant to section 43 (1) of the Social Security Code (SGB) VI or] a full reduction in earning capacity pursuant to section 43 (2) Social Security Code (SGB) VI in monthly installments at the end of each month. (2) Should the Managing Director pass away during the term of this Agreement with the Company or after his retirement upon expiration of the contractual term, then his wife . . . [insert name] shall receive 60 % of the pension he received or would have received had he been retired on the day of his death. The widow’s benefits shall cease to be paid if she remarries. No claim to widow’s benefits exists if the marriage did not take place until after the retirement. (3) Paragraph 2 shall apply mutatis mutandis for a registered life partner (Lebenspartner). 188 Lingemann

M 4.1b

Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

(4) In all other respects, the provisions of sections 1 et seqq. of the Act for the Improvement of Company Pension Plans (BetrAVG) shall apply. §8

Expenses

(1) Travel expenses and other expenditures the Managing Director incurs in the performance of his tasks within the scope of this Agreement shall be refunded to him in accordance with the relevant internal guidelines of the Company. or (1) Travel expenses and other expenditures the Managing Director incurs in the performance of his tasks within the scope of this Agreement shall be refunded to him upon presentation of receipts at the maximum rates permissible under the tax laws. (2) Where the Managing Director uses public transportation for his business trips, he shall be entitled to travel first class, and business class for air travel. (3) The Company shall bear the cost of a business mobile telephone with the accompanying contract, device and telephony costs. The Managing Director may also use the mobile telephone for his own private purposes to an appropriate extent. § 9 (1) sentence 3 applies mutatis mutandis. §9

Company vehicle

(1) For his activity within the scope of this Agreement the Company shall provide the Managing Director with an automobile pursuant to the respective internal guidelines of the Company/type . . . or equivalent. The Managing Director may also use this car for his own private purposes. The income tax on the imputed income for the private use shall be borne by the Managing Director. (2) The vehicle shall be returned to the Company without delay once his position as Managing Director comes to an end. The Managing Director shall have no right of retention to the vehicle and no claim for compensation for lost use benefits. or (2) The Managing Director shall be entitled to use the company vehicle for the entire duration of this Agreement. § 10 Working time The Managing Director shall make his entire work capacity, technical knowledge and experience available to the Company. § 11

Secondary employment

The Managing Director may assume a secondary employment, remunerated or unremunerated, a seat on a supervisory board, advisory board or the like, or an honorary position only with the Company’s written permission. § 12

Vacation

(1) The Managing Director shall have a claim to a paid annual vacation of 30 working days. His vacation shall be scheduled in consideration of the Company’s interests in agreement with the other managing directors. Lingemann 189

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1b

(2) If the Managing Director cannot take a vacation because that would conflict with the interests of the Company, then the remaining vacation claim shall be carried over to the next year. It shall not be further carried over to the following years. (3) The Managing Director shall ensure that he can be reached on short notice even while on vacation. § 13 Covenant not to compete The Managing Director shall be prohibited from working for a company during the term of this Agreement on a freelance, dependent or other basis that is in direct or indirect competition with the Company or is affiliated with a competitive company within the meaning of section 15 of the Stock Corporation Act (AktG). In the same way, the Managing Director shall be prohibited from forming, acquiring or directly or indirectly participating in such a company during the term of this Agreement unless his shareholding does not enable him to exert influence over the governing bodies of the company in question. The covenant not to compete shall also apply to the benefit of affiliates of the Company within the meaning of section 15 Stock Corporation Act. § 14

Post-contractual covenant not to compete

(1) The Managing Director undertakes for the duration of . . . months after this Agreement comes to an end not to work for a company on a freelance, dependent or other basis that is in direct or indirect competition with the Company or is affiliated with a competitive company within the meaning of section 15 of the Stock Corporation Act (AktG). In the same way, the Managing Director shall be prohibited from forming, acquiring or directly or indirectly participating in such a company during the term of this Agreement unless his shareholding does not enable him to exert influence over the governing bodies of the company in question. The post-contractual covenant not to compete shall also apply to the benefit of affiliates of the Company within the meaning of section 15 Stock Corporation Act. The covenant not to compete shall cover the territory of . . . (2) The Company undertakes to pay the Managing Director for the duration of the post-contractual covenant not to compete compensation in the amount of 50 % of the average remuneration received by him over the last twelve months pursuant to § 4 (1) (a) [and (b)]. The compensation shall be payable at the end of each month. The compensation shall be credited against ongoing payments made pursuant to the pension commitment set forth in § 7. if applicable Any money the Managing Director acquires or maliciously fails to acquire by exploiting his work capacity elsewhere shall be credited against the compensation, to the extent the compensation payment and the income exceed the monthly salary most recently received pursuant to § 4 (1) (a) [and (b)]. or Section 74c of the German Commercial Code (HGB) applies mutatis mutandis. (3) The Managing Director undertakes for the duration of the post-contractual covenant not to compete to state the amount of his remuneration upon request and provide the address of his respective employer. At the end of a calendar year he shall be obligated to present his tax card, if he has one.

190 Lingemann

M 4.1b

Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

(4) For every action by which the Managing Director culpably breaches the covenant not to compete, he must pay a contractual penalty of EUR . . . If the breaching activity consists of a capital participation in a competing company or entry into a contract for the performance for a continuing obligation (e.g. employment, service, commercial agent or consultancy relationship), the contractual penalty for each full or partial month in which the capital participation or the contract for the performance for a continuing obligation exists, shall be imposed anew (ongoing breach). Multiple breaches shall each trigger a separate contractual penalty, possibly even more than once within a month. On the other hand, if individual breaches occur within the scope of an ongoing breach, they shall be included in the contractual penalty owed for the ongoing breach. The Company reserves the right to assert damages above and beyond the forfeited contractual penalty, as well as to assert all other statutory claims and legal consequences arising from a breach (e.g. cease and desist claims, forfeiture of the compensation claim for the duration of the breach, etc.). (5) The post-contractual covenant not to compete shall not enter into force if upon his resignation the Managing Director has reached the age of . . . or the service relationship lasted less than one year. (6) The Company may waive the covenant not to compete at any time – even after this Service Agreement comes to an end – with the result that it will be free of the obligation to pay the compensation upon the expiration of six months since the declaration of waiver. (7) In all other respects, the provisions of section 74 et seqq. of the German Commercial Code (HGB) shall apply mutatis mutandis [if applicable: with the exception of section 74c German Commercial Code]. § 15

Confidentiality

The Managing Director undertakes to maintain secrecy with regard to all confidential business matters of the Company or its business partners that become known to him during his activity, in particular regarding business and trade secrets, development work, constructions, planning and customer relationships and not to use this information for himself or for third parties. Such matters may not be made accessible to unauthorized persons inside or outside of the company. This obligation shall survive the service relationship. § 16 Inventions Inventions made by the Managing Director during the term of the Service Agreement shall be governed by the Act on Employees’ Inventions (Arbeitnehmererfindungsgesetz). The Company shall be exclusively entitled to exploit technical or organizational suggestions for improvement that arise directly or indirectly from the tasks of the Managing Director in the Company or are associated with this activity. or (1) The Company shall be exclusively entitled to inventions made by the Managing Director during the term of this Service Agreement. This shall also apply to technical and organizational suggestions for improvement that result directly or indirectly from the Managing Director’s tasks or are related to them. Lingemann 191

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1b

(2) The Managing Director shall be obligated to notify the Company, or a person designated by it, of any inventions and suggestions for improvement in writing without delay and assist the Company in obtaining patent protection and other intellectual property rights. (3) The Managing Director shall not have a claim to separate remuneration for inventions and suggestions for improvement. The Managing Director’s performance shall be discharged by the remuneration agreed upon in § 4. § 17

Return of documents

Upon leaving the Company, the Managing Director shall return to the Company of his own accord all documents, deeds, records, notes, drafts or carbon copies or photocopies made thereof, regardless of what data carrier they are on. He shall not be entitled to a right of retention to these documents against the Company. § 18

Written form

Amendments to this Agreement by individual contractual arrangement shall be valid in any form. Otherwise, contractual amendments must be in written form; this also applies to the amendment of this written form agreement. § 19 Exclusion of procedure using only documentary evidence No Party shall be entitled to assert claims arising from or in connection with the services relationship by way of a procedure using only documentary evidence (Urkundenprozess) pursuant to sections 592 et seqq. German Code of Civil Procedure (ZPO). § 20

Severability clause

Should any provision of this Agreement be or become wholly or partially invalid, this shall not affect the validity of the remaining provisions. In the event of an invalid provision, the Parties shall be obliged to negotiate on a valid and reasonable substitute provision which comes as close as possible to the economic purpose the Parties had pursued with the invalid provision. ... (City, date) ... (Company)

192 Lingemann

... (City, date) ... (Managing Director)

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

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Kapitel 5

Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Literaturübersicht: Annuß/Theusinger, Das VorstAG – Praktische Hinweise zum Umgang mit dem neuen Recht, BB 2009, 2434; Arnold, Variable Vergütung von Vorstandsmitgliedern im faktischen Konzern, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 35; Arnold/Schansker, Vergütungsgestaltung in Vorstandsverträgen – Rechtliche Anforderungen und praktische Umsetzung, KSzW 2012, 39; Baeck/Diller, Rettungsfonds für Banken: Welche Opfer müssen die Arbeitnehmer bringen?, DB 2008, 2423; Baeck/Götze/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Geschäftsführervergütung – Welche Änderungen bringt das VorstAG?, NZG 2009, 1121; Bauer, Rechtliche und taktische Probleme bei der Beendigung von Vorstandsverhältnissen, DB 1992, 1413; Bauer, Kündigung und Kündigungsschutz vertretungsberechtigter Organmitglieder, BB 1994, 855; Bauer/Arnold, AGB-Kontrolle von Vorstandsverträgen, ZIP 2006, 2337; Bauer/Arnold, Mannesmann und die Folgen für Vorstandsverträge, DB 2006, 546; Bauer/Arnold, Vorstandsverträge im Kreuzfeuer der Kritik, DB 2006, 260; Bauer/Arnold, Abfindungs-Caps in Vorstandsverträgen – Gute corporate governance?, BB 2007, 1793; Bauer/Arnold, Der „richtige Zeitpunkt“ für die Erstbestellung von Vorstandsmitgliedern, DB 2007, 1571; Bauer/Arnold, Sind Abfindungs-Caps in Vorstandsverträgen wirklich zu empfehlen? – Zur Überarbeitung des Deutschen Corporate Governance Kodex, BB 2008, 1692; Bauer/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Vorstandsvergütung nach dem VorstAG, AG 2009, 717; Bauer/Göpfert/Siegrist, Abberufung von Organmitgliedern: Wegfall der variablen Vergütung?, DB 2006, 1774; Diller, Nachträgliche Herabsetzung von Vorstandsvergütungen und -ruhegeldern nach dem VorstAG, NZG 2009, 1006; Diller/Göpfert, Rettungsfonds für Banken: Eingriffe in Vorstandsbeträge und -bezüge, DB 2008, 2579; Döring/Grau, Anwendbarkeit der Änderungen durch das VorstAG auf die paritätisch mitbestimmte GmbH, DB 2009, 2139; Dreher, Change of Control-Klausel bei Aktiengesellschaften, AG 2002, 214; Dzida/Naber, Diskriminierungsschutz für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, ArbRB 2012, 373; Fleischer, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), NZG 2009, 801; Fleischer, Aufsichtsratsverantwortlichkeit für die Vorstandsvergütung und Unabhängigkeit der Vergütungsberater, BB 2010, 67; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, §§ 4–6; Grimm, Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers und AG-Vorstands?, DB 2012, 175; Grumann, Abberufung und Kündigung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, DB 2003, 770; Hecker, Die aktuellen Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex im Überblick, BB 2009, 1654; Hölters, in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1, Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011; Hölters/Weber, Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern, AG 2005, 629; Hoffmann-Becking, in: Beck’sches Formularbuch zum Bürgerlichen, Handels- und Wirtschaftsrecht, 11. Aufl. 2013; Hoffmann-Becking/Krieger, Leitfaden zur Anwendung des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, NZG 2009, Beil. zu Heft 26; Hohaus/Weber, Die Angemessenheit der Vorstandsvergütung gemäß § 87 AktG nach dem VorstAG, DB 2009, 1515; Hohenstatt/Kuhnke, Vergütungsstruktur und variable Vergütungsmodelle für Vorstandsmitglieder nach dem VorstAG, ZIP 2009, 1981; Hohenstatt/Naber, Die „Abfindung der Restlaufzeit“ bei der vorzeitigen Auflösung von Vorstandsverträgen, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 447; Ihrig/Wandt/Wittgens, Die angemessene Vorstandsvergütung drei Jahre nach Inkrafttreten des VorstAG, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40; Jaeger, Die Auswirkungen des VorstAG auf die Praxis von Aufhebungsvereinbarungen, NZA 2010, 128; Jaeger, Zur Problematik von Altersgrenzen für Vorstandsmitglieder im Hinblick auf das AGG, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 495; Jaspers, Mehr Demokratie wagen – Die Rolle der Hauptversammlung bei der Festsetzung der Vergütung des Vorstands, ZRP 2010, 8; Kirschbaum, Deutscher corporate governance-codex überarbeitet, DB 2005, 1473; Klein, Die Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodex 2012 aus Sicht der Unternehmenspraxis, AG 2012, 805; Koch, Die Herabsetzung der Vorstandsbezüge gemäß § 87 Abs. 2 AktG nach dem VorstAG, WM 2010, 49; Körner, Die Angemessenheit von Vorstandsbezügen in § 87 AktG, NJW 2004, 2697; Krienke/Schnell, VorstAG und weitere Neuregelungen als Reaktion auf die Finanzkrise, NZA 2010, 135; Kruse/Stenslik, Mutterschutz für Organe von Gesellschaften?, NZA 2013, 596; Kuthe/Geiser, Die neue Corporate Governance Erklärung, NZG 2008, 172; Küttner, Change of Control-Klauseln in Vorstandsverträgen, FS 25 Jahre Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2006, S. 493; Lange, Die Haftung des (versicherungsnehmenden) Unter-

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Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

nehmens an Stelle des D&O-Versicherers, VersR 2010, 162; Leuchten, Zur vorzeitigen Wiederbestellung von Vorständen, NZG 2005, 909; Lingemann, Angemessenheit der Vorstandsvergütung – Das VorstAG ist in Kraft, BB 2009, 1918; Lingemann/Wasmann, Mehr Kontrolle und Transparenz im Aktienrecht – Das KonTraG tritt in Kraft, BB 1998, 853; Lutter, Anwendbarkeit der Altersbestimmungen des AGG auf Organpersonen, BB 2007, 725; Meier, Der Vertrauensentzug nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG und die hierauf gestützte Beendigung des Vorstandsvertrages, FS 25 Jahre Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2006, S. 505; Meier, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, ZKF 2010, 7; Messmer, Quo Vadis VorstAG?, ZfV 2009, 737; Mock, Entsprechenserklärungen zum DCGK in Krise und Insolvenz, ZIP 2010, 15; Möllers/Christ, Selbstprüfungsverbot und die zweijährige Cooling-off-Periode beim Wechsel eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsrat nach dem VorstAG, ZIP 2009, 2278; Mutter, Zum notariellen Hauptverhandlungsprotokoll und zu den Folgen einer fehlerhaften Entsprechenserklärung, ZIP 2009, 470; Paschos, Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern, AG 2012, 736; Peltzer, Das Mannesmann-Revisionsurteil aus der Sicht des Aktien- und Allgemeinen Zivilrechts, ZIP 2006, 205; Quante, Angemessene Vorstandsvergütung?, AiB 2009, 547; Reuter, Die aktienrechtliche Zulässigkeit von Konzernanstellungsverträgen, AG 2011, 274; Röder/Lingemann, Schicksal von Vorstand und Geschäftsführer bei Unternehmensumwandlungen und Unternehmensveräußerungen, DB 1993, 1341; Röhrborn, Die örtliche Versetzung des GmbH-Geschäftsführers und AG-Vorstands, BB 2013, 394; Schlitt, Die strafrechtliche Relevanz des Corporate-Governance-Kodexes, DB 2007, 326; Schmitt-Rolfes, Anwendbarkeit von AGBRecht auf Verträge mit Organmitgliedern, FS Hromadka, 2008, S. 393; Schneider/Schneider, Vorstandshaftung im Konzern, AG 2005, 57; Schulz, Der zwingende D&O Selbstbehalt von Vorständen nach dem VorstAG, ZfV 2009, 558; Schubert, Der Diskriminierungsschutz der Organvertreter und die Kapitalverkehrsfreiheit der Investoren im Konflikt, ZIP 2013, 289; Schuster, Clawback-Klauseln – probates Mittel zukunftsgerichteter Gestaltung von Bonus-Vereinbarungen?, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 973; Steding, Corporate Governance aus rechtlicher Sicht, NJ 2007, 10; Suchan/Winter, Rechtliche und betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Festsetzung angemessener Vorstandsbezüge nach Inkraftreten des VorstAG, DB 2009, 2531; Teichmann, Pay without performance? Vorstandsvergütung in Deutschland und Europa, GPR 2009, 235; Thüsing, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, AG 2009, 517; Thüsing/Traut, Angemessenheit Selbstbehalt bei D&O Versicherungen, NZA 2010, 140; Tödtmann/Schauer, Der Corporate Governance Kodex zieht scharf, ZIP 2009, 995; Veil/Brinckmann, Corporate Governance im Europäischen Gesellschaftsrecht, JURA 2007, 366; Wagner/Wittgens, Corporate Governance als dauernde Reformanstrengung: Der Entwurf des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, BB 2009, 906; Wirth, Vorstands-Doppelmandate im faktischen Konzern, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 1147.

I. Einführung 1. Anforderungen an die Person des Vorstandes 1

Die Anforderungen an GmbH-Geschäftsführer (vgl. dazu Einf. Kap. 4 Rz. 1) gelten auch für Mitglieder der Vorstandes, vgl. im Einzelnen § 76 Abs. 3 AktG. Ein Mitglied des Aufsichtsrates der AG kann nicht deren Vorstandsmitglied sein, § 105 Abs. 1 AktG. Ein Vorstandsmitglied ist allerdings nicht dadurch gehindert, dass es gleichzeitig Vorstandsmitglied der Muttergesellschaft oder der Tochtergesellschaft ist (Vorstandsdoppelmandat). Es bedarf dazu jedoch der Zustimmung beider Aufsichtsräte gemäß § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG.1 Der Gefahr von Interessenkollisionen kann durch Stimmrechtsverzicht im konkreten Fall begegnet werden.2 Auch für ausländische 1 Vgl. BGH v. 9.3.2009, BGHZ 180, 105; zur Zulässigkeit von Konzernanstellungsverträgen und Doppelmandaten Reuter, AG 2011, 274. 2 Vgl. Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570 ff.; Wiedemann, ZIP 1997, 1565; vgl. auch Wirth, FS J.-H. Bauer, 2010, S. 1147.

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Kap. 5

Staatsangehörige als Vorstandsmitglieder gilt das zum Geschäftsführer Gesagte (vgl. oben Einf. Kap. 4 Rz. 2). Die Satzung der Gesellschaft kann engere persönliche und sachliche Eignungsvoraussetzungen für die Organmitglieder aufstellen. Allerdings darf dadurch die Bestellungskompetenz des Aufsichtsrates nicht unverhältnismäßig eingeengt werden. In der Regel handelt es sich um besondere Anforderungen an die Qualifikation und Erfahrung.

2

2. Organstellung und Dienstvertrag a) Organstellung3 Die Organstellung des Vorstandsmitglieds beginnt mit der Annahme der Bestellung durch den Aufsichtsrat, § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG. Anders als bei der GmbH kann die Satzung der AG die Bestellungskompetenz keinem anderen Organ zuweisen. Die Dauer der Bestellung ist kraft Gesetzes beschränkt auf maximal fünf Jahre, § 84 Abs. 1 Satz 2 AktG.

3

Anders als beim Geschäftsführer kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG nur widerrufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt4.

4

Die Vertretungsmacht des Vorstandes ist unbeschränkt und unbeschränkbar, §§ 78 Abs. 1, 82 Abs. 1 AktG. Im Gegensatz zum Geschäftsführer der GmbH ist der Vorstand jedoch auch im Innenverhältnis nicht Weisungen anderer Gesellschaftsorgane (Aufsichtsrat, Hauptversammlung) unterworfen, sondern unabhängig. Der (Gesamt-)Vorstand leitet die Gesellschaft – abgesehen von § 119 Abs. 2, § 308 und § 323 Abs. 1 AktG – „unter eigener Verantwortung“, § 76 Abs. 1 AktG. Unterschiede zwischen Geschäftsführungsbefugnis und Vertretung der Gesellschaft bestehen insbesondere nach Maßgabe eines Zustimmungskataloges gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG und im Rahmen der Geschäftsverteilung.

5

b) Dienstvertrag Hier gilt zunächst das zum Geschäftsführer (vgl. Einf. Kap. 4 Rz. 6) Gesagte. Da die Anforderungen an den wichtigen Grund für den Widerruf der Bestellung gemäß § 84 Abs. 3 AktG geringer sind als die Voraussetzungen für eine Kündigung des Dienstvertrages aus wichtigem Grund (§ 626 Abs. 1 BGB)5 – insbesondere der Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung rechtfertigt regelmäßig nicht auch eine fristlose Kündigung des Dienstvertrages –, kommt es hier gleichfalls in der Praxis zu der Situation, dass zwar die Organstellung beendet ist, der Dienstvertrag und damit der Anspruch auf Bezüge jedoch fortbesteht. Dies ist jedoch seltener der Fall als beim Geschäftsführer, dessen Bestellung jederzeit ohne Grund widerrufen werden kann. Durch eine Koppelungsklausel kann die Dauer des Dienstvertrages mit der Dauer der Organstellung verknüpft werden.6 3 Vgl. zunächst oben Einf. Kap. 4 Rz. 3 ff. 4 Ein Katalog wichtiger Gründe findet sich ua. bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil 13, Rz. 34 ff. 5 Eingehend zur Unterscheidung Lingemann, Kündigungsschutz, Teil 13 Rz. 54. 6 Dazu M 5.1 § 2 Abs. 2.

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6

Kap. 5 7

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Für den Vorstand gelten die arbeitsrechtlichen Schutzgesetze, insb. das KSchG nicht (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG), ebenso wenig wie das ArbNErfG, das BetrVG (§ 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG), das EFZG, das BEEG, das MuSchG, das PflegeZG, das BUrlG, das TzBfG oder § 613a BGB. Die Danosa-Entscheidung des EuGH7, die für die Anwendung zumindest des MuSchG auf Geschäftsführer spricht8, stellt ausdrücklich auf die Weisungsunterworfenheit des Geschäftsführers ab und ist daher auf Vorstandsmitglieder einer AG, die gemäß § 76 Abs. 1 AktG nicht weisungsunterworfen sind, nicht anwendbar. aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages

8

Für die Bestellung zum Vorstand und den Widerruf der Bestellung ist ausschließlich das Aufsichtsratsplenum zuständig. Unterfällt die AG dem MitbestG, ist § 31 MitbestG zu beachten.

9

Auch Abschluss, Änderung und Kündigung des Dienstvertrages des Vorstandsmitglieds obliegen zwingend dem Aufsichtsrat, § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG iVm. § 84 Abs. 1 Satz 1 bis 4 AktG. Allerdings muss hier nicht das Plenum entscheiden; die Entscheidung kann auch auf den Personalausschuss delegiert werden.9 Der Ausschuss muss, um entscheiden zu können, mit wenigstens drei Mitgliedern besetzt sein (vgl. § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG). Ein Beschluss nur durch den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter ist unwirksam.10 Da nach dem VorstAG (dazu sogleich Rz. 13) aber die Entscheidung über die Festsetzung der Gesamtbezüge und die Versorgungsbezüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 3 iVm. § 87 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsratsplenum vorbehalten ist, ist die Zuständigkeit des Personalausschusses erheblich eingeschränkt. Er kann die Entscheidung des Plenums über die Vergütung allerdings vorbereiten.11 Mit dem Abschluss des Vertrages (Unterzeichnung) wiederum kann auch ein Mitglied des Aufsichtsrates, insbesondere der Vorsitzende, beauftragt werden. Da der Dienstvertrag der Bestellung zum Organmitglied nicht vorgreifen darf, wird er, soweit nicht ohnehin das Aufsichtsratsplenum darüber entscheidet, häufig erst nach der Bestellungsentscheidung des Aufsichtsratsplenums geschlossen. Bei Abschluss des Dienstvertrages vor der Bestellung zum Vorstandsmitglied kann die aufschiebende Bedingung der nachfolgenden Bestellung vereinbart werden, damit der Vertragsschluss die Entscheidung des Aufsichtsratsplenums über die Bestellung nicht präjudiziert.

9a

Wird ein Vorstandsmitglied aufgrund eines Vertrages tätig, den der Aufsichtsrat nicht beschlossen hat, so handelt es sich um einen fehlerhaften Vertrag, der für die Vergangenheit wirksam ist, für die Zukunft aber jederzeit ohne Einhaltung von Fristen vom Aufsichtsrat beendet werden kann.12 7 EuGH v. 11.11.2010, NZA 2011, 143. 8 Bauer, GWR 2010, 586; Oberthür, NZA 2011, 253, 255 ff.; Fischer, NJW 2011, 2329, 2331 f. 9 BGH v. 6.4.1964, BGHZ 41, 282, 285; v. 23.10.1975, BGHZ 65, 190, 191; Hüffer, § 84 AktG Rz. 12; Grigoleit/Vedder, AktG, § 84 Rz. 19; Beck’sches Handbuch AG/Liebscher, § 81 Rz. 19. 10 BGH v. 23.10.1975, BGHZ 65, 190, 192 f.; Hüffer, § 84 AktG Rz. 13. 11 Lingemann, BB 2009, 1918, 1922; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40, 27; MAH Arbeitsrecht/Moll/Eckhoff, § 81 Rz. 19; Hölters/Weber, AktG, § 84 Rz. 38. 12 „Faktisches Dienstverhältnis“, Einzelheiten zu den Rechtsfolgen bei Henze/Rosch, ArbRAktuell 2010, 310.

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

bb) Form des Dienstvertrages Der Dienstvertrag des Vorstandes ist formfrei. Im Übrigen gilt das zum Geschäftsführerdienstvertrag Gesagte, oben Einf. Kap. 4 Rz. 11.

10

cc) Dauer des Dienstvertrages Um die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrates nach Ablauf der fünfjährigen Bestellungshöchstdauer (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG) nicht zu beschränken, darf auch der Dienstvertrag nur für maximal fünf Jahre geschlossen werden. Ein für einen längeren Zeitraum geschlossener Vertrag endet daher nach fünf Jahren.13

11

3. Pflichten und Verantwortlichkeit des Vorstandsmitglieds Die strengen Sorgfaltspflichten des Vorstandes ergeben sich aus dem Gesetz, der Sorgfaltsmaßstab insbesondere aus § 93 Abs. 1 AktG.14 Teil der Gesamtverantwortung ist insbesondere die Einrichtung des Überwachungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG.15 Hinweise auf den Sorgfaltsmaßstab finden sich in Vorstandsverträgen daher seltener. Haftungsbeschränkungen sind gemäß § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG im Vorhinein ohnehin unwirksam.16 Auch Weisungen des Aufsichtsrates befreien nicht von der Haftung, § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG, wohl aber ein gesetzmäßiger Beschluss der Hauptversammlung, § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG.

12

4. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) v. 31.7.200917 konkretisiert § 87 Abs. 1 AktG zur Vorstandsvergütung. Die Gesamtbezüge müssen insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen, wobei auch die Leistungen des Vorstands für die Angemessenheit von Bedeutung sind. Der Aufsichtsrat hat ferner dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen.

13

Bei börsennotierten Gesellschaften ist nach § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Variable Vergütungen sollen daher auf einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage erfolgen.18

14

13 14 15 16

Zu Einzelheiten s. M 5.1 § 2 Abs. 1 m. Anm. Vgl. BGH v. 21.4.1997, BB 1997, 1169 ff. „KonTraG“, dazu Lingemann/Wasmann, BB 1998, 853, 859. Zum Recht auf Einsichtnahme in Unterlagen der Gesellschaft im Haftungsfall Grooterhorst, AG 2011, 389. 17 BT-Drucks. 16/12278 v. 17.3.2009 iVm. BT-Drucks. 16/13433 v. 17.6.2009; BGBl. I, 2509 ff.; dazu Arnold/Schansker, KSzW 2012, 39; Baeck/Winzer, NZG 2009, 823; Bauer/Arnold, AG 2009, 717; Diller, NZG 2009, 1006; Fleischer, NZG 2009, 801; Fleischer, BB 2010, 67; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beil. zu Heft 26; Hohaus/Weber, DB 2009, 1515; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 ff.; Hohenstatt/Kuhnke, ZIP 2009, 1981; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40; Jaeger, NZA 2010, 128; Lingemann, BB 2009, 1918; Mertens, AG 2011, 57; Thüsing, AG 2009, 517; Wagner/Wittgens, BB 2009, 906. 18 BT-Drucks. 16/13433, S. 4 iVm. S. 10; Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 3 DCGK.

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Die mehrjährige Bemessungsgrundlage kann durch Bonus-Malus-Systeme19 und Performance-Betrachtungen über eine mehrjährige Laufzeit umgesetzt werden, Modelle können zB sein eine Bonusbank oder die Vereinbarung von Claw-BackClauses.20 Damit werden reine Fixvergütungen oder auch kurzfristige Verhaltensanreize nicht verboten, nur muss die Orientierung insgesamt langfristig sein.21 Dieser Nachhaltigkeitsgedanke ist zwar nur für börsennotierte AGs gesetzlich geregelt. Auch wenn dies – zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten bei der GmbH – nicht im Gesetz steht, „sollte“ er, so die Begründung des Rechtsausschusses, grundsätzlich auch von nicht börsennotierten Gesellschaften berücksichtigt werden.22 15

Auch soll bei börsennotierten AGs die variable Vergütung für außerordentliche Entwicklungen nach oben begrenzt werden, § 87 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 AktG.

15a

In börsennotierten Aktiengesellschaften kann gemäß § 120 Abs. 4 AktG die Hauptversammlung über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließen. Der Beschluss begründet allerdings weder Rechte noch Pflichten; insbesondere lässt er die Verpflichtungen des Aufsichtsrates nach § 87 AktG unberührt. Der Beschluss ist auch nicht nach § 243 AktG anfechtbar. Allerdings wollte man diesem „Say on Pay“ der Hauptversammlung per 1.1.2014 mehr Gewicht beimessen.23

16

Das VorstAG hat die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der laufenden Vergütung nach § 87 Abs. 2 AktG erleichtert, und auch nachlaufende Vorstandsvergütungen, namentlich Pensionen, können nunmehr herabgesetzt werden24 (dazu M 5.2 und M 5.3).

17

Schließlich verlangt § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG bei der D&O-Versicherung einen Selbstbehalt in Höhe von mindestens 10 % des Schadens bis zur absoluten Obergrenze von mindestens der 1,5-fachen jährlichen Festvergütung.25

5. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK)26 18

§ 161 AktG verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten AG, jährlich zu erklären, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des Bundes19 Zur Gestaltung mit dem Ziel einer Beteiligung am Verlust Tödtmann/Bönninghaus, NWB 2011, 1466. 20 Einzelheiten Schuster, FS J.-H. Bauer, 2010, S. 973; Lingemann, BB 2009, 1919. 21 BT-Drucks. 16/13433, S. 10; Ziff. 4.2.3 Abs. 2 DCGK. 22 BT-Drucks. 16/13433, S. 10; vgl. auch Ziff. 1 Abs. 13 DCGK. 23 Folgende Änderung des § 120 Abs. 4 AktG war mit dem „VorstKoG“ (BT-Drucks. 17/8989) beabsichtigt: „Die Hauptversammlung der börsennotierten Gesellschaft beschließt jährlich über die Billigung des vom Aufsichtsrat vorgelegten Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder. Die Darstellung des Systems hat auch Angaben zu den höchsten erreichbaren Gesamtbezügen, aufgeschlüsselt nach dem Vorsitzenden des Vorstands, dessen Stellvertreter und einem einfachen Mitglied des Vorstands, zu enthalten. Der Beschluss berührt nicht die Wirksamkeit der Vergütungsverträge mit dem Vorstand, er ist nicht nach § 243 AktG anfechtbar.“ Der Gesetzesentwurf ist jedoch im Bundesrat gescheitert. 24 BT-Drucks. 16/13433, S. 4 f. iVm. S. 10 f.; Lingemann, BB 2009, 1920 ff. 25 BT-Drucks. 16/13433, Art. 1 Ziff. 2, S. 5 iVm. S. 11; dazu Lange, VersR 2010, 162; Lingemann, BB 2009, 1922; Schulz, ZfV 2009, 558; Wendler, ZfV 2009, 593. 26 Veröffentlicht unter www.corporate-governance-code.de und im elektronischen Bundesanzeiger; dazu Bauer/Arnold, BB 2007, 1793; Bauer/Arnold, BB 2008, 1692; Bayer, NZG 2013, 1; Klein, AG 2012, 805; Krieger, ZGR 2012, 202; Kuthe/Geiser, NZG 2008, 172; Mutter,

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anzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommision Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht. Der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält neben einer Darstellung der wesentlichen Punkte der Rechtslage eine Reihe von Empfehlungen, die auch für die Organstellung und den Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds von Bedeutung sind. Die Empfehlungen sind durch das Wort „soll“ gekennzeichnet („Soll-Regelungen“). Daneben gibt es Anregungen, die nicht Gegenstand der Entsprechenserklärung sein müssen, sie sind durch die Worte „kann“ oder „sollte“ ausgewiesen. Zu den wichtigsten Regelungen im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung: Gemäß Ziff. 3.4 DCGK (Stand: 13. Mai 2013) soll der Aufsichtsrat die Informationsund Berichtspflichten des Vorstandes festlegen. Gemäß Ziff. 4.2.2 DCGK setzt das Aufsichtsratsplenum die jeweilige Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder fest. Besteht ein Ausschuss, der die Vorstandsverträge behandelt, unterbreitet er dem Aufsichtsratsplenum seine Vorschläge. Das Aufsichtsratsplenum beschließt das Vergütungssystem für den Vorstand und überprüft es regelmäßig.

19

Dabei wird die Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder gemäß Ziff. 4.2.2 Abs. 2 DCGK vom Aufsichtsratsplenum unter Einbeziehung von etwaigen Konzernbezügen auf der Grundlage einer Leistungsbeurteilung festgelegt. Kriterien für die Angemessenheit der Vergütung bilden sowohl die Aufgaben des einzelnen Vorstandsmitglieds, seine persönliche Leistung, die wirtschaftliche Lage, der Erfolg und die Zukunftsaussichten des Unternehmens als auch die Üblichkeit der Vergütung unter Berücksichtigung des Vergleichsumfelds und der Vergütungsstruktur, die ansonsten in der Gesellschaft gilt. Hierbei soll der Aufsichtsrat das Verhältnis der Vorstandsvergütung zur Vergütung des oberen Führungskreises und der Belegschaft insgesamt auch in der zeitlichen Entwicklung berücksichtigen, wobei der Aufsichtsrat für den Vergleich festlegt, wie der obere Führungskreis und die relevante Belegschaft abzugrenzen sind.

20

Soweit vom Aufsichtsrat zur Beurteilung der Angemessenheit der Vergütung ein externer Vergütungsexperte hinzugezogen wird, soll auf dessen Unabhängigkeit vom Vorstand bzw. vom Unternehmen geachtet werden.

21

Gemäß Ziff. 4.2.3 DCGK umfasst die Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder die monetären Vergütungsteile, die Versorgungszusagen, die sonstigen Zusagen, insbesondere für den Fall der Beendigung der Tätigkeit, Nebenleistungen jeder Art und Leistungen von Dritten, die im Hinblick auf die Vorstandstätigkeit zugesagt oder im Geschäftsjahr gewährt wurden.

22

Ziff. 4.2.3 Abs. 2 DCGK hält fest, dass die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist. Die monetären Vergütungsteile sollen fixe und variable Bestandteile umfassen. Der Aufsichtsrat hat dafür zu sorgen, dass variable Vergütungsteile grundsätzlich eine mehrjährige Bemessensgrundlage haben. Sowohl positiven als auch negativen Entwicklungen soll bei der Ausgestaltung der variablen Vergütungsteile Rechnung getragen werden. Sämtliche Vergütungsteile

23

ZIP 2009, 470; Mock, ZIP 2010, 15; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rz. 491 ff.; Roth, WM 2012, 1285; Schlitt, DB 2007, 326; Steding, NJ 2007, 10; Veil/Brinckmann, JURA 2007, 366; Weber-Rey, KSzW 2013, 77.

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Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

müssen für sich und insgesamt angemessen sein und dürfen insbesondere nicht zum Eingehen unangemessener Risiken verleiten. 24

Gemäß Ziff. 4.2.3 Abs. 2 DCGK soll die Vergütung insgesamt und hinsichtlich ihrer variablen Vergütungsteile betragsmäßige Höchstgrenzen aufweisen. Die variablen Vergütungsteile sollen auf anspruchsvolle, relevante Vergleichsparameter bezogen sein. Eine nachträgliche Änderung der Erfolgsziele oder der Vergleichsparameter soll ausgeschlossen sein. Bei Versorgungszusagen soll der Aufsichtsrat gemäß Ziff. 4.2.3 Abs. 3 DCGK das jeweils angestrebte Versorgungsniveau – auch nach der Dauer der Vorstandszugehörigkeit – festlegen und den daraus abgeleiteten jährlichen sowie den langfristigen Aufwand für das Unternehmen berücksichtigen.

25

Gemäß Ziff. 4.2.3 Abs. 4 DCGK soll bei Abschluss von Vorstandsverträgen darauf geachtet werden, dass Zahlungen an ein Vorstandsmitglied bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten (Abfindungs-Cap) und nicht mehr als die Restlaufzeit des Dienstvertrages vergüten. Wird der Anstellungsvertrag aus einem von dem Vorstandsmitglied zu vertretenden wichtigen Grund beendet, erfolgen keine Zahlungen an das Vorstandsmitglied. Für die Berechnung des Abfindungs-Caps soll auf die Gesamtvergütung des abgelaufenen Geschäftsjahres und ggf. auch auf die voraussichtliche Gesamtvergütung für das laufende Geschäftsjahr abgestellt werden.

26

Gemäß Ziff. 4.2.3 Abs. 5 DCGK soll eine Zusage für Leistungen aus Anlass der vorzeitigen Beendigung der Vorstandstätigkeit in Folge eines Kontrollwechsels (Change of Control) 150 % des Abfindungs-Caps nicht übersteigen.

27

Schließlich soll gemäß Ziff. 4.2.3 Abs. 6 DCGK der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Hauptversammlung einmalig über die Grundzüge des Vergütungssystems und sodann über deren Veränderung informieren.

28

Die Gesamtvergütung eines jeden Vorstandsmitglieds wird, aufgeteilt nach fixen und variablen Vergütungsteilen, unter Namensnennung offen gelegt. Gleiches gilt für Zusagen auf Leistungen, die einem Vorstandsmitglied für den Fall der vorzeitigen oder regulären Beendigung der Tätigkeit als Vorstandsmitglied gewährt oder die während des Geschäftsjahres geändert worden sind. Die Offenlegung unterbleibt, wenn die Hauptversammlung dies mit Dreiviertelmehrheit anderweitig beschlossen hat (Ziff. 4.2.4 DCGK).

29

Gemäß Ziff. 4.2.5 DCGK erfolgt die Offenlegung im Anhang oder im Lagebericht. In einem Vergütungsbericht als Teil des Lageberichts werden die Grundzüge des Vergütungssystems für die Vorstandsmitglieder dargestellt. Die Darstellung soll in allgemein verständlicher Form erfolgen. Der Vergütungsbericht soll auch Angaben zur Art der von der Gesellschaft erbrachten Nebenleistungen enthalten. Ferner sollen im Vergütungsbericht für die Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2013 beginnen, für jedes Vorstandsmitglied dargestellt werden: (1) die für das Berichtsjahr gewährten Zuwendungen einschließlich der Nebenleistungen, bei variablen Vergütungsteilen ergänzt um die erreichbare Maximal- und Minimalvergütung, (2) der Zufluss im bzw. für das Berichtsjahr aus Fixvergütung, kurzfristiger variabler Vergütung und langfristiger variabler Vergütung mit Differenzierung nach den jeweiligen Bezugsjahren, (3) bei der Altersversorgung und sonstigen Versorgungsleistungen der Versorgungsaufwand im 200 Lingemann

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Kap. 5

bzw. für das Berichtsjahr. Es sollen die dem DCGK als Anlage beigefügten Mustertabellen verwandt werden. Bei der D&O-Versicherung für den Vorstand ist schon gemäß § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG ein Selbstbehalt von mindestens 10 % des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds zu vereinbaren, bei einer D&O-Versicherung für den Aufsichtsrat empfiehlt der DCGK eine entsprechende Vereinbarung (Ziff. 3.8 DCGK).

30

Bei Erstbestellungen sollte die maximal mögliche Bestelldauer von fünf Jahren nicht die Regel sein (Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 1 DCGK). Eine Wiederbestellung vor Ablauf eines Jahres vor dem Ende der Bestelldauer bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung soll zwar gemäß Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 2 DCGK nur bei Vorliegen besonderer Umstände erfolgen. Die Regelung ist jedoch aufgrund der Entscheidung des BGH vom 16.7.201227 überholt, der eine solche Wiederbestellung nach Amtsniederlegung unabhängig vom Grund zulässt.

31

Ferner soll eine Altersgrenze für Vorstandsmitglieder festgelegt werden (Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 3 DCGK). Für die Vertragsgestaltung von Bedeutung sind auch das umfassende Wettbewerbsverbot (Ziff. 4.3.1 DCGK) und der Zustimmungsvorbehalt für Nebentätigkeiten (Ziff. 4.3.5 DCGK).

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6. Sozialversicherungsrechtliche Stellung des Vorstandsmitglieds28 Gemäß § 1 Satz 3 SGB VI sind Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung,29 im Rahmen ihrer Vorstandstätigkeit für die Aktiengesellschaft und verbundene Unternehmen iSd. § 18 AktG gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III auch nicht in der Arbeitslosenversicherung. In der Kranken- und Pflegeversicherung besteht idR schon deshalb keine Versicherungspflicht, weil das regelmäßige Jahresentgelt über der Jahresentgeltgrenze gemäß § 6 Abs. 6 und 7 SGB V30 liegen wird; bei niedrigerem Entgelt werden Vorstandsmitglieder jedoch nach umstrittener Auffassung gleichfalls nicht versicherungspflichtig, da sie mangels Weisungsunterworfenheit, § 76 AktG, nicht Beschäftigte iSv. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind.31 Dementsprechend besteht ohne gesonderte Vereinbarung auch kein Anspruch auf anteilige Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen insbesondere zur Krankenversicherung gegen die Gesellschaft. Vorstandsmitglieder sind auch nicht unfallversichert.32

27 AG 2012, 677; dazu Paschos/von der Linden, AG 2012, 736. 28 Dazu Grimm, DB 2012, 175, 177. Zu Leitungsorganen in der SE Hinrichs/Plitt, DB 2011, 1692. 29 Vorstände einer „Voraktiengesellschaft“, die noch nicht in das Handelsregister eingetragen ist, unterliegen jedoch der Rentenversicherungspflicht, BSG v. 9.8.2006, NZG 2007, 32; sehr umstritten ist, ob und gegebenenfalls inwieweit Vorstandsmitglieder ausländischer Aktiengesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland der Sozialversicherungspflicht unterliegen, dazu einerseits Thomas/Weidmann, BB 2005, 1162, andererseits Spohr, BB 2005, 2745. 30 Grimm, DB 2012, 175, 177; zu Einschränkungen s. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. 31 BSG v. 14.12.1999, DB 2000, 329 und hLit., vgl. ErfK/Rolfs, § 7 SGB IV Rz. 25; Sagan/Hübner, AG 2011, 852; KK/Seewald, § 7 SGB IV Rz. 99 f.; str., aA BSG v. 31.5.1989, NZA 1990, 668; v. 27.2.2008, GmbHR 2008, 1154. 32 BSG v. 14.12.1999, DB 2000, 329; Grimm, DB 2012, 175.

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7. AGB-Kontrolle des Vorstandsvertrages33 34

Vorstandsverträge unterliegen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, soweit sie nicht individuell ausgehandelt wurden, das Unternehmen als Verwender also nicht den gesetzesfremden Kerngehalt des Vertrages inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt hat.34 Häufig werden Vorstandsverträge in diesem Sinne individualvertraglich ausgehandelt, zunehmend finden sich jedoch auch konzernweit vereinheitlichte Bedingungen, für die die AGB-Kontrolle gilt. Vorformulierte Vorstandsverträge sind namentlich am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen. Eine Angemessenheitskontrolle kommt insbesondere in Betracht bei Regelungen über den Wegfall der variablen Vergütung bei Ende der Organstellung,35 Freistellungsklauseln,36 Koppelungsklauseln,37 Vertragsstrafen und Change-in-Control-Klauseln.38 Angesichts der Position des Vorstandsmitglieds als typischerweise versiertem Vertragspartner ist der Gestaltungsspielraum in der Sache jedoch groß, wenn nur formal das Transparenzgebot beachtet wird. 33 Dazu Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337; zur AGB-Kontrolle bei Arbeitsverträgen eingehend Kap. 2 unter Rz. 2 ff., 82 ff. 34 BAG v. 19.5.2010, NZA 2010, 939, 940; BGH v. 19.5.2005, NJW 2005, 2543, 2544. 35 M 5.1 Anm. zu § 3 Abs. 3 und 4. 36 M 5.1 Anm. zu § 2 Abs. 1. 37 M 5.1 Anm. zu § 2 Abs. 1. 38 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337; Bauer/Arnold, DB 2006, 260; vgl. auch Schmitt-Rolfes, FS Hromadka, 2008, S. 393.

II. Muster 5.1

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds1

Zwischen der . . . Aktiengesellschaft mit Sitz in . . ., vertreten durch den Aufsichtsrat, dieser vertreten durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats,2 Herrn . . . (im Folgenden: Gesellschaft) und Herrn/Frau . . . 1 Zur AGB-Kontrolle vgl. Einf. Rz. 34; häufig wird der Vorstandsvertrag im Einzelnen ausgehandelt sein, so dass eine AGB-Kontrolle gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausscheidet; allerdings finden sich in jüngster Zeit vermehrt auch Standardvorstandsverträge, die für alle Mitglieder des Vorstandes oder sogar der Vorstände im Konzern einheitliche Vertragsbedingungen enthalten. Insoweit würde die AGB-Kontrolle gelten (vgl. auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337). 2 Zum Abschluss des Vertrages bedarf der Aufsichtsratsvorsitzende der Einzelermächtigung durch den Aufsichtsrat oder der generellen Ermächtigung durch Satzung oder Geschäftsordnung (BGH v. 6.4.1964, BGHZ 41, 282, 285). Über den Inhalt des Vertrages muss stets der Gesamtaufsichtsrat oder der Aufsichtsratsausschuss entscheiden (BGH v. 6.4.1964, BGHZ 41, 282, 285), die Festsetzung der Gesamtbezüge, der Versorgungsbezüge und die Entscheidung über die Herabsetzung der Bezüge obliegt zwingend dem Aufsichtsratsplenum, § 107

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wird auf Grund des Beschlusses des Aufsichtsrates vom . . . folgender Dienst- und Pensionsvertrag geschlossen: Vorbemerkung3 Herr/Frau . . . wurde durch Beschluss des Aufsichtsrats der Gesellschaft vom . . . zum ordentlichen Mitglied des Vorstands der Gesellschaft für die Zeit vom . . . bis zum . . .4 bestellt. Dazu wird Folgendes vereinbart: § 1 Aufgaben und Pflichten (1) Herr/Frau . . . führt die Geschäfte nach Maßgabe der Gesetze, der Satzung der Gesellschaft und der Geschäftsordnung für den Vorstand.5 (2) Herr/Frau stellt seine/ihre gesamte Arbeitskraft, fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung. Eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit, ein Amt als Aufsichtsrat, Beirat oÄ bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Personalausschusses/des Aufsichtsrates, der diese jederzeit widerrufen kann.6 Die Niederlegung von Mandaten ist dem Aufsichtsratsvorsit-

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Abs. 3 Satz 3 iVm. § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG. Wird der Dienstvertrag vom unzuständigen Gremium geschlossen, ist er gemäß § 134 BGB unwirksam; dann gelten die Regeln über den fehlerhaften Dienstvertrag, dh. der Vertrag ist für die Zeit der Tätigkeit wirksam, kann aber jederzeit für die Zukunft gekündigt oder aufgehoben werden (vgl. Einf. Rz. 9a; vgl. BGH v. 3.7.2000, BB 2000, 1751; v. 23.10.1975, BGHZ 65, 190, 194 f.; v. 6.4.1964, BGHZ 41, 282, 285; LG Zweibrücken v. 18.5.2007, BB 2007, 2350; Einzelheiten zu den Rechtsfolgen bei Henze/ Rosch, ArbR Aktuell 2010, 310). Ansprüche auf bis dahin erdiente Versorgungsbezüge bleiben erhalten (Henze-Rosch, aaO; Hüffer, § 84 AktG Rz. 19 mwN). Vgl. M 4.1a Fn. 2. Die Dauer der Bestellung darf fünf Jahre nicht überschreiten; gemäß Ziff. 5.1.2 DCGK sollte sie bei Erstbestellungen dahinter zurückbleiben; eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig, § 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG. Der Beschluss des Aufsichtsrates über die Verlängerung darf jedoch frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden, § 84 Abs. 1 Satz 2 AktG. Entgegen Ziff. 5.1.2 Abs. 2 DCGK kann ein Vorstandsmitglied bereits früher als ein Jahr vor Ablauf der ursprünglichen Bestelldauer nach einverständlicher Amtsniederlegung wiederbestellt werden, ohne dass es hierfür eines besonderen Grundes bedarf (so jetzt BGH v. 17.7.2012, NZG 2012, 1027, 1029). Gegen eine vorzeitige Abberufung kann das Vorstandsmitglied klagen. Die AG wird in diesem Verfahren vertreten durch den Aufsichtsrat, § 112 AktG. Die Aufnahme in den Vertrag ist üblich, aber entbehrlich, da die Verpflichtung ab der Bestellung ohnehin kraft Gesetzes besteht. Bereits § 88 AktG enthält das Verbot, ohne Einwilligung des Aufsichtsrates ein Handelsgewerbe zu betreiben oder im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen (vgl. BGH v. 2.4.2001, ZIP 2001, 958). Dieses Verbot kann auch auf Nebentätigkeiten ausgedehnt werden, was Ziff. 4.3.5 DCGK auch empfiehlt. Angesichts dieser Wertung im Deutschen Corporate Governance Kodex halten wir die Regelung auch unter Berücksichtigung der AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB nicht für unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 BGB und die im Arbeitsverhältnis empfohlenen Einschränkungen nicht für erforderlich (zum Arbeitsverhältnis vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 115 ff.). Ziff. 4.3.5 DCGK enthält die Empfehlung, einen solchen Zustimmungsvorbehalt in den Vertrag aufzunehmen – „Vorstandsmitglieder sollen Nebentätigkeiten, insb. Aufsichtsratsmandate außerhalb des Unternehmens, nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates übernehmen.“ Eine abschließende Entscheidung über die Nebentätigkeit steht nur dem für den Vertragsschluss zuständigen Organ zu, also nicht dem Aufsichtsratsvorsitzenden allein, wohl aber dem Personalausschuss, wenn ihm diese Kompetenz vom Plenum zugewiesen wurde (vgl. KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rz. 16). Das gilt jedoch nur, soweit dadurch die Vergütung des

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zenden schriftlich mitzuteilen. Jede Gutachter- oder Schiedsrichtertätigkeit bedarf der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden. Über Veröffentlichungen und Vorträge mit Öffentlichkeitswirkung ist vorher im Vorstand zu berichten. (3) Herr/Frau . . . wird auf Wunsch des Vorstandes mit Zustimmung des Aufsichtsrates oder auf Wunsch des Aufsichtsrats7 ohne gesonderte Vergütung Aufsichtsratsmandate und ähnliche Ämter in Gesellschaften, an denen die Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, übernehmen. Dasselbe gilt für Tätigkeiten in Verbänden, denen die Gesellschaft angehört, oder Ehrenämter in Verwaltung und Rechtsprechung. Herr/Frau . . . wird diese Ämter niederlegen, wenn Vorstand oder Aufsichtsrat dies wünschen oder der Dienstvertrag endet.8 §2

Vertragsdauer

(1) Der Dienstvertrag wird für die Zeit vom . . . bis zum . . . geschlossen.9 Er verlängert sich jeweils für den Zeitraum, für den der Aufsichtsrat mit Zustimmung von Herrn/Frau . . . seine/ihre Wiederbestellung zum Vorstandsmitglied der Gesellschaft beschließt. (2) Wird die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen, so endet auch der Dienstvertrag.10 Beruht der Widerruf jedoch auf einem wichtigen Grund, der nicht zugleich ein wichtiger Grund gemäß § 626 BGB für die fristlose Kündigung des Dienstvertrages ist (im Folgenden: „Widerrufsfall“),11 so endet der Dienstvertrag erst mit Ablauf

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Vorstandsmitglieds nicht betroffen ist, da für die Festsetzung der Vergütung nunmehr ausschließlich das Aufsichtsratsplenum zuständig ist, § 107 Abs. 3 Satz 3 iVm. § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG. Die Entscheidung des Vorstandes bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrates (KölnerKommAktG/Mertens, § 88 Rz. 2); vgl. auch Ziff. 4.3.5 DCGK. Soweit öffentliche Ämter die Unabhängigkeit des Vorstandsmitglieds voraussetzen, ist diese vertragliche Regelung nicht wirksam. Die Höchstdauer von fünf Jahren gilt nicht nur für die Bestellung, sondern auch für den Dienstvertrag, vgl. § 84 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 AktG. Eine Verlängerungsklausel wie in Satz 2 des Musters wird dadurch nicht gehindert. Eine stillschweigende Verlängerung nach § 625 BGB über die Fünf-Jahres-Frist hinaus wird jedoch überwiegend abgelehnt (vgl. Geßler/Hefermehl/Hefermehl, § 84 AktG Rz. 43; Krieger, Personalentscheidungen, S. 123; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 84 Rz. 19, 53; Hüffer, § 84 AktG Rz. 15). Häufig wird auch vereinbart, dass der Dienstvertrag für die Dauer der Bestellung gilt; der Wortlaut erlaubt zum einen die Deutung, dass der Vertrag erst mit dem Ende der Bestellung gemäß der Vorbemerkung, Satz 1, endet, auch wenn das Vorstandsmitglied vorher bereits abberufen wurde, überwiegend wird die Klausel jedoch wie eine auflösende Bedingung des Dienstvertrages verstanden (vgl. BGH v. 29.5.1989, NJW 1989, 2683; zu Gestaltungsalternativen Bauer, DB 1992, 1413; zur Auslegung Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809). Zur Vermeidung von Unklarheiten, die gemäß § 305c Abs. 1 BGB zu Lasten der Gesellschaft gehen, ist von einer solchen einfachen Klausel abzuraten; vorliegend wird deshalb zusätzlich die Rechtsfolge in Satz 2 klargestellt (s. auch M 4.1a § 3 Abs. 4 m. Anm.). Die Kopplung des Dienstvertrages mit der Organstellung führt allerdings häufiger als früher dazu, dass (auch) die Beendigung der Organstellung gerichtlich angegriffen wird. Zu den unterschiedlichen Voraussetzungen des wichtigen Grundes bei Abberufung nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG und Kündigung des Dienstvertrages aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB vgl. BGH v. 2.10.1995, WM 1995, 2064, 2065; OLG Stuttgart v. 13.3.2002, AG 2003, 211; ferner oben Einf. Rz. 6 sowie bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil 13, Rz. 54. Über Bestellung und Widerruf der Bestellung muss das Plenum des Aufsichtsrates entscheiden, ebenso über die Festsetzung der Vergütung, § 107 Abs. 3 Satz 3 iVm. § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG; über Abschluss und Kündigung des Dienstvertrages kann dann auch der Personalausschuss befinden.

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der gesetzlichen Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 und 2 BGB ab Ende der Organstellung.12 Dasselbe gilt, wenn die Bestellung zum Vorstandsmitglied durch Niederlegung endet. Bei vorzeitiger Beendigung der Organstellung ohne wichtigen Grund gemäß § 626 BGB für eine fristlose Kündigung des Dienstvertrages dürfen Zahlungen an Herrn/ Frau . . . einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten (Abfindungs-Cap) und nicht mehr als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages vergüten. Für die Berechnung des Abfindungs-Caps ist auf die Gesamtvergütung des abgelaufenen Geschäftsjahres und auf die voraussichtliche Gesamtvergütung für das laufende Geschäftsjahr abzustellen.13 Nach Kündigung des Vertrages oder Beendigung der Organstellung ist die Gesellschaft berechtigt, Herrn/Frau . . . jederzeit unter Fortzahlung der Vergütung und Anrechnung von Urlaubsansprüchen von seiner Verpflichtung zur Dienstleistung für die Gesellschaft freizustellen.14 Für die Zeit der Freistellung bleibt Herr/Frau . . . an das in § 11 vereinbarte Wettbewerbsverbot gebunden. Es gilt § 615 Satz 2 BGB.15 (3) Endet die Vertrag nach mindestens 10-jähriger ununterbrochener Bestellung von Herrn/Frau . . . als Vorstandsmitglied der Gesellschaft und vor Vollendung des 60. Lebensjahres von Herrn/Frau . . ., ohne dass ein Pensionsfall vorliegt, so erhält Herr/ Frau . . . eine Abfindung in Höhe von einem Jahresfestgehalt gemäß § 3 Abs. 1 („Vertragsabfindung“).16 Der Anspruch auf Vertragsabfindung besteht nicht, wenn der Ver12 Satz 2 der Alternative stellt die Rechtsfolgen dieser Klausel klar und ist zur Vermeidung von Unklarheiten gemäß § 305c Abs. 1 BGB jedenfalls in Formularvorstandsverträgen ratsam (vgl. auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343; Fn. 10 sowie M 4.1a § 3 Abs. 4 m. Anm.). 13 Die Formulierung entspricht zur Vermeidung einer Einschränkung der Entsprechenserklärung iSd. § 161 AktG bei dieser in der Umsetzung höchst umstrittenen Regelung des DCGK (sehr kritisch Bauer/Arnold, BB 2007, 1793 und BB 2008, 1692; vgl. auch Hoffmann/Becking, NZG 2007, 2101) fast wörtlich Ziff. 4.2.3 Abs. 4 DCGK. Die Höhe einer etwaigen Abfindung muss dessen ungeachtet angemessen sein iSv. § 87 Abs. 1 AktG. ZT wird daher verlangt, dass auch eine Umwandlung der Vergütung für die Restlaufzeit in eine Abfindung einer gesonderten sachlichen Rechtfertigung bedarf, andere Einkunftsmöglichkeiten, Karenzentschädigungen und Ruhegehaltsansprüche sind in die Prüfung einzubeziehen (Hohenstatt/ Naber, FS J.-H. Bauer, 2010, S. 447 ff.). 14 Ob solche Freistellungsklauseln in formularmäßigen Arbeitsverträgen zulässig oder gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sind, ist in der Instanzgerichtsbarkeit hoch umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden (Einzelheiten bei Einf. Kap. 2 Rz. 103). In formularmäßigen Vorstandsverträgen dürften sie jedoch wirksam sein, schon weil mit der Abberufung der Vorstand ohnehin seiner Vorstandstätigkeit nicht mehr nachgehen kann, so dass von gesetzlichen Regelungen nicht abgewichen wird und die Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 BGB greift (vgl. auch BGH v. 11.10.2010, NJW 2011, 920; Bauer/ Arnold, ZIP 2006, 2337, 2342). 15 Bei einer einvernehmlichen Freistellung kommt es für die Frage der Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf die Auslegung des Vertrages an. Ist die Anrechnung nicht ausdrücklich geregelt, gilt § 615 Satz 2 BGB im Zweifel nicht, mit der Folge einer „doppelten Vergütung“ (BAG v. 17.10.2012, NZA 2013, 207). Wird die Anrechenbarkeit ausdrücklich geregelt, ist dies im Zweifel als Verzicht auf das vertragliche Wettbewerbsverbot zu verstehen; einen abweichenden Willen muss die AG klar zum Ausdruck bringen (BAG v. 6.9.2005, NZA 2007, 36, 38). In diesem Fall sollte allerdings der noch ausstehende Urlaub zeitlich genau bestimmt werden (LAG Baden-Württemberg v. 12.9.2011 – 9 Sa 45/11. 16 In früheren Vorstandsverträgen fand sich häufig ein Anspruch auf Übergangsgeld bis zum Beginn der Rentenbezugs (so auch M 5.1 der 3. Aufl.). Unter der Geltung des VorstAG ist die Zulässigkeit eines umfassenden Übergangsgeldes zunehmend in die Diskussion geraten,

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trag aus einem von Herrn/Frau . . . verschuldeten wichtigen Grund gemäß § 626 BGB beendet wird, oder Herr/Frau . . . eine Vertragsverlängerung zu für ihn/sie nicht ungünstigeren Vertragsbedingungen abgelehnt hat.17 (4) Über die Wiederbestellung soll spätestens sechs Monate vor Ablauf der Amtszeit entschieden werden. (5) Wird Herr/Frau . . . während der Laufzeit des Dienstvertrags dauernd arbeitsunfähig, endet der Dienstvertrag mit dem Ende des sechsten Monats nach Feststellung der dauernden Arbeitsunfähigkeit. Absatz 1 bleibt unberührt. Dauernde Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieses Dienstvertrags liegt vor, wenn Herr/Frau . . . voraussichtlich auf Dauer nicht in der Lage sein wird, die ihm/ihr übertragenen Aufgaben uneingeschränkt zu erfüllen.18 Sie gilt als festgestellt, wenn die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen länger als zwölf Monate dauerte, es sei denn, Herr/Frau . . . weist durch Gutachten eines einvernehmlich benannten Arztes nach, dass mit einer Wiederherstellung der uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen ist. Kommt eine Einigung auf einen Arzt nicht zustande, so ist die Ärztekammer am Sitz der Gesellschaft um die Benennung eines ärztlichen Gutachters zu bitten. (6) Der Vertrag endet spätestens am Ende des Monates, in dem Herr/Frau . . . die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (dh. zurzeit Vollendung des 67. Lebensjahres) erreicht.19 §3

Vergütung20

(1) Herr/Frau . . . erhält beginnend mit dem . . . als Festvergütung für seine/ihre Tätigkeit ein Jahresfestgehalt iHv. Euro . . . (in Worten: Euro . . .) brutto, das in zwölf glei-

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auch, weil es wegen der zT enormen wirtschaftlichen Belastung die Freiheit des Aufsichtsrates bei der Entscheidung über die Wiederbestellung entgegen § 84 Abs. 1 AktG einschränken könnte. Wir halten eine Abfindungszahlung in der im Muster vorgeschlagenen Höhe mit den dort genannten Einschränkungen für vertretbar (ähnlich Beck’sches Formularbuch/Hoffmann-Becking, X 13, Anm. 20). Letztlich handelt es sich hier um eine Art Bleibeprämie, so dass uE auch das Cap von Ziff. 4.2.3 Abs. 4 (oben Abs. 2 Unterabs. 2) für die Vertragsabfindung nicht gilt. Zur Frage, welche Konditionen günstiger/ungünstiger sind, Diller/Arnold, AG 2010, 721. Arbeitsunfähigkeit entspricht weder der teilweisen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI noch der vollen Erwerbsminderung iSv. § 43 Abs. 2 SGB VI, sondern ist hier gesondert definiert. Insbesondere die Frage zumutbarer Verweisungsberufe iSv. § 43 Abs. 3 SGB VI stellt sich bei der hier vorliegenden Definition daher nicht. Gemäß Ziff. 5.1.2 Abs. 3 Satz 3 des Deutschen Corporate Governance Kodex soll der Vorstandsvertrag eine Altersgrenze enthalten. Auch das AGG steht Altersgrenzen nicht entgegen, die auf das Renteneintrittsalter abstellen, § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG; BGK, § 10 AGG Rz. 39; Lutter, BB 2007, 725; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 15. Allerdings verstößt die Ablehnung einer Vertragsverlängerung aus Gründen des Alters gegen das AGG, BGH v. 23.4.2012, NZA 2012, 797, dazu Bauer/Arnold, NZG 2012, 921; Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325; Einzelheiten Kap. 4 Rz. 8. Zum Corporate Governance Kodex s. Einf. Rz. 18 ff.; zur Gestaltung der Vorstandsvergütung bei Banken sind die Anforderungen nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Kreditwesengesetz (KWG) sowie der Instituts-Vergütungsverordnung v. 13.10.2010 (BGBl. I 2010 S. 1374) zu beachten. Ab 1.1.2014 greift das CRD-IV-Umsetzungsgesetz (BGBl. I 2013, S. 3395), das weitere Beschränkungen der Vorstandsvergütung (ua. grundsätzliche Begrenzung der Boni auf 100 % der Fixvergütung) enthält.

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Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

chen monatlichen Raten jeweils zum Monatsende gezahlt wird.21 Die Angemessenheit der Festvergütung wird jeweils im Abstand von zwei Jahren geprüft.22 (2) Herr/Frau . . . erhält ferner eine variable Vergütung.23 Sie besteht aus einer Tantieme (Short Termin Incentive = STI), die sich orientiert an der Erreichung jährlicher Ziele (Abs. 3), einem Bonus (Long Termin Incentive = LTI), der sich orientiert an der Erreichung von Zielen über mehrere Jahre (Abs. 4), und aus Aktienoptionen (Abs. 5). (3) Herr/Frau . . . erhält eine Tantieme (STI) nach folgenden Regelungen:24 21 Die Vergütung muss angemessen sein, s. im Einzelnen § 87 Abs. 1 AktG, Lingemann, BB 2009, 1918; erweitert wurde durch das VorstAG insbesondere die Einbeziehung auch der Leistungen des Vorstandes in die Angemessenheitsprüfung, ferner bestehen weitergehende Kürzungsmöglichkeiten nach § 87 Abs. 2 AktG: Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung der Gesamtbezüge so, dass die Weitergewährung der Bezüge nach § 87 Abs. 1 AktG unbillig für die Gesellschaft wäre, so soll der Aufsichtsrat oder in Fällen des § 85 Abs. 3 AktG das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats die Bezüge auf die angemessene Höhe herabsetzen (M 5.2 und M 5.3). Dies gilt auch für Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art, wobei diese allerdings nur in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft herabgesetzt werden können. Der Anstellungsvertrag besteht auch bei der Herabsetzung fort, allerdings hat das Vorstandsmitglied im Gegenzug das Recht, einmalig mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartal zu kündigen, § 87 Abs. 2 Satz 4 AktG. 22 Anstatt einer bisher gebäuchlichen Erhöhungsklausel sollte nach Inkrafttreten des VorstAG eher eine solche allgemeine Überprüfungsklausel vereinbart werden, um die Angemessenheit der Vorstandsvergütung sicherzustellen. 23 Auch nach Inkrafttreten des VorstAG dürfen neben langfristigen Verhaltensanreizen weiterhin auch kurzfristige Verhaltensanreize gewährt werden, wie sich schon daran zeigt, dass nach wie vor ja auch zB „Provisionen“ in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG genannt sind. Die Orientierung der Vergütung insgesamt muss jedoch langfristig sein (BT-Drucks. 16/13433, S. 10). Ein Verhältnis von 40 % fix, 20 % Jahres-Boni, 20 % langfristig ausgerichtete Boni und 20 % aktienbasierte Vergütung ist mE nicht zu beanstanden (Lingemann, BB 2009, 1918, 1919). Rechtsprechung zu dieser Frage gibt es bisher nicht. In der neueren Lit. werden abstrakte prozentuale Vorgaben abgelehnt (vgl. etwa Arnold/Schansker, KSzW 2012, 39, 44; Ihrig/Wandt/Wittgens, Beilage zu ZIP 40/2012, 1, 12, da die Umstände des Einzelfalls entscheidend seien. Allerdings soll das Erfordernis der Mehrjährigkeit und Nachhaltigkeit jedenfalls dann erfüllt sein, wenn die langfristigen variablen Vergütungselemente deutlich mehr als 50 % aller variablen Vergütungsbestandteile ausmachen. Das vorliegende Muster geht davon aus, dass die aktienbasierte Vergütung (vgl. Abs. 5) in Form von Aktienoptionen bzw. Aktien mit mehrjähriger Veräußerungssperre erfolgt und ein Verhältnis von 1/ 3 zu 2/ 3 besteht, welches auch diesen Anforderungen genügen dürfte. Die Tantieme des Vorstandes einer Konzernobergesellschaft oder einer eingegliederten Gesellschaft (vgl. KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 87 Rz. 25) kann auch auf den Konzernjahresabschluss abstellen (Münchener Handbuch AG/Wiesner, § 21 Rz. 37). Das gilt jedoch nicht für den Vorstand der abhängigen Gesellschaft (KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 87 Rz. 25). 24 Alternativ kommen auch eine dividendenabhängige Tantieme (BGH v. 3.7.2000, BB 2000, 1748; Hüffer, § 86 AktG Rz. 2 in Betracht, zB „Die Tantieme beträgt Euro . . . (in Worten: Euro . . .) brutto für je 1 % der von der Gesellschaft im Verhältnis zum jeweiligen Grundkapital am Jahresende ausgeschütteten Dividende bis zu einer Dividende von 20 %. Boni, Sonderausschüttungen etc. an die Aktionäre gelten nicht als Dividende im Sinne dieser Regelung.“ Zulässig sind auch Ermessenstantiemen, zB „Der Aufsichtsrat setzt die Tantieme jeweils für das abgelaufene Geschäftsjahr fest. Bei der Festsetzung sind je hälftig zu berücksichtigen die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft und die Aufgaben und Leistungen von Herrn/Frau . . .“. Ermessenstantiemen können nach freiem Ermessen oder gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen vereinbart werden (vgl. BGH v. 21.4.1975, WM 1975, 761, 762 f.). Garantietantiemen werden zT für eine Übergangszeit in Sanierungsfällen vereinbart und dann durch eine variable Tantieme abgelöst. Soweit sie dauerhaft vereinbart sind, dient

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Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

M 5.1

a) Bezugsgröße für die jährliche Tantieme sind . . . % des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit nach IFRS gemäß testierter Gewinn- und Verlustrechnung zum Jahresabschluss der Gesellschaft zuzüglich Rückstellungen für Tantieme und Bonus des Vorstands, maximal jedoch Euro . . . Der Aufsichtsrat kann die Bezugsgröße angemessen kürzen, wenn sie auf Umständen beruht, die nicht in entsprechendem Umfang auf der Leistung des Vorstandsmitglieds beruhen.25 Bei unterjährigem Beginn, Ende oder Ruhen des Dienstvertrages/bei unterjährigem Beginn oder Ende der Organstellung26 wird die Bezugsgröße pro rata temporis gekürzt. b) Die Tantieme beträgt maximal 30 % der Bezugsgröße gemäß lit. a. Die Höhe bestimmt sich nach dem Grad der Erreichung der persönlichen Ziele, die in einer jährlichen, an einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft ausgerichteten Zielvereinbarung festgelegt werden. c) Die Tantieme für das abgelaufene Geschäftsjahr wird zwei Monate nach dem Ende der ordentlichen Hauptversammlung fällig. Bestand der Dienstvertrag/die Organstellung27 während eines Geschäftsjahres nur zeitanteilig, so wird auch die Tantieme nur zeitanteilig gezahlt.28 (4) Herr/Frau . . . erhält einen Bonus (LTI) nach folgenden Regelungen:29 a) Der Bonus beträgt max. 70 % der Bezugsgröße gemäß Abs. 3 lit. a. Er wird zwei Monate nach Feststellung des Jahresabschlusses für das dritte Geschäftsjahr nach dem Geschäftsjahr fällig, für das jeweils die Tantieme gemäß Abs. 3 zu zahlen ist. b) Für die Höhe des Bonus ist maßgeblich die Abweichung zwischen dem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gegenüber der vom Aufsichtsrat zuletzt genehmigten langfristigen Unternehmensplanung: – Liegt das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr vor Fälligkeit um nicht mehr als . . . % unter der vom Aufsichtsrat zuletzt genehmigten langfristigen Unternehmensplanung nach IFRS, so wird der Bonus in Höhe von 100 % ausgezahlt.

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dies häufig der klaren Abgrenzung des Fixgehaltes von der übersteigenden Tantieme für die betriebliche Altersversorgung, Entgeltfortzahlung, Sterbegeld und ggf. Karenzentschädigung beim Wettbewerbsverbot (s. M 4.1a § 4 Abs. 1 lit. b m. Anm.). Umsatztantiemen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, vgl. BFH v. 9.6.2004, GmbHR 2004, 1160; Handbuch des Vorstandsrechts/Thüsing, § 6 Rz. 51; Münchener Handbuch GesR/Kraft, § 49 Rz. 81. Auf diesem Wege kann der Aufsichtsrat die Höhe von Tantieme und Bonus bei außerordentlichen Entwicklungen begrenzen, vgl. Ziff. 4.2.3 Abs. 3 Satz 4 DCGK. Hier wäre jeweils auszuwählen, ob auf die Vertragslaufzeit oder die Organstellung abgestellt werden soll. Grundsätzlich besteht der Anspruch auf Tantieme für die Dauer des Dienstvertrages und nicht nur für die Dauer der Organstellung. Soll sie daher mit Ende der Organstellung entfallen, muss dies ausdrücklich geregelt werden, Abs. 4 des Musters enthält eine solche Einschränkung (Einzelheiten bei Bauer/Göpfert/Siegrist, DB 2006, 1774). Soll der Tantiemeanspruch nur für die Dauer der Organstellung gelten, so wäre die Option „die Organstellung“ zu wählen, andernfalls die Option „der Dienstvertrag“. Die Regelung hat in der Alternative „der Dienstvertrag“ nur klarstellende Bedeutung (vgl. zum GmbH-Geschäftsführer OLG Hamm v. 8.10.1984, WM 1984, 1642; KölnKommAktG/ Mertens, § 86 Rz. 12). Zum Spielraum des Aufsichtsrates Mertens, AG 2011, 56; zur Zulässigkeit prospektiver und retrospektiver Gestaltung Rieckhoff, AG 2010, 617; Wagner, AG 2010, 774.

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M 5.1

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Kap. 5

– Liegt das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr vor Fälligkeit um mehr als . . . %, aber weniger als . . . % unter der vom Aufsichtsrat zuletzt genehmigten langfristigen Unternehmensplanung nach IFRS, so wird der LTI für jeden Prozentpunkt der Abweichung über . . . % hinaus um . . . % gekürzt. – Liegt das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr vor Fälligkeit um . . . % oder mehr unter der vom Aufsichtsrat zuletzt genehmigten langfristigen Unternehmensplanung nach IFRS, so wird kein Bonus ausgezahlt. c) Der Bonus ist auch dann zu zahlen, wenn das Dienstverhältnis zum Fälligkeitszeitpunkt gemäß lit. a nicht mehr besteht.30 (5) Herr/Frau . . . erhält Aktienoptionen nach Maßgabe des Aktienoptionsprogramms für Vorstandsmitglieder der Gesellschaft vom . . .31 evtl.32 (6) Erbringt Herr/Frau . . . während der Organstellung besondere Leistungen, die sich für die Gesellschaft signifikant vorteilhaft auswirken und die bei Abschluss dieses Dienstvertrages nicht voraussehbar waren, hat er/sie Anspruch auf eine Sondervergütung. Die Höhe der Sondervergütung richtet sich nach dem für die Gesellschaft erzielten Vorteil und wird wie folgt berechnet: . . . Kann über die Höhe dieser Sondervergütung zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied keine Einigung erzielt werden, entscheidet darüber endgültig (§ 317 BGB) die WP-Gesellschaft . . .33 Obergrenze für eine solche Sondervergütung ist ein Betrag von Euro . . .34 30 Die Interessen des Vorstandsmitglieds sind idR darauf gerichtet, dass der Bonus bei Beendigung des Dienstvertrages vollständig ausgezahlt wird. Dies könnte aber mit dem Nachhaltigkeitsgebot unvereinbar sein, da bei einer solchen Gestaltung das Vorstandsmitglied an einem kurzfristigen Erfolg im Jahr des Ausscheidens interessiert sein müsste. Daher wird hier die Lösung gewählt, dass der Bonus auch nach dem Ausscheiden des Vorstandsmitglieds noch fällig werden kann. Dadurch kann er aber in der Sache vom Erfolg oder Misserfolg des Nachfolgers des Vorstandsmitgliedes abhängen. 31 Näher zu Aktienoptionsplänen mit Formulierungsvorschlägen unten Kap. 12 Rz. 64 ff. sowie Adams, ZIP 2002, 1325; Baeck/Diller, DB 1998, 1405; Lingemann/Diller/Mengel, NZA 2000, 1191. Zunehmend werden an Stelle echter Aktienoptionen auch phantom stocks oder stock appreciation rights vereinbart. 32 Gemäß BGH v. 21.12.2005, ZIP 2006, 72 (Mannesmann-Revisionsurteil) ist eine im Dienstvertrag nicht vereinbarte Sonderzahlung für eine geschuldete Leistung, die ausschließlich belohnenden Charakter hat und der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen kann (kompensationslose Anerkennungsprämie) „als treupflichtwidrige Verschwendung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens zu werten“ (BGH, aaO, 74 unter (3)). Da sie bereits dem Grunde nach unzulässig ist, kommt es – so der BGH – auf eine eventuelle Verletzung des Angemessenheitsgebots nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht mehr an. Im Umkehrschluss müsste es zulässig sein, eine Anerkennungsprämie zu vereinbaren, wenn sie der Höhe nach dem Angemessenheitsgebot des § 87 AktG entspricht (Peltzer, ZIP 2006, 205, 207; Poguntke, ZIP 2011, 893, 895 f.). Ausdrücklich entschieden ist dies jedoch nicht. Aus Sicht des Unternehmens ist eine solche Klausel allerdings nicht ratsam, da sie insbesondere bei Aufhebung des Vorstandsvertrages zu erheblichen Auseinandersetzungen über Grund und ggf. Höhe einer solchen Prämie führen kann (Bauer/Arnold, DB 2006, 546, 547). 33 Formulierung nach Peltzer, ZIP 2006, 205. 34 Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 AktG soll der Aufsichtsrat für außerordentliche Entwicklungen eine Begrenzungsmöglichkeit vereinbaren, sodass auch eine solche Prämie, wenn sie denn überhaupt zulässig ist, jedenfalls nicht mehr ohne Höchstgrenze gewährt werden darf.

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Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

M 5.1

oder (6) Der Aufsichtsrat kann nach freiem Ermessen bei außerordentlichen Leistungen oder Erfolgen von Herrn/Frau . . . über die Gewährung einer Sondervergütung bis zu einer Obergrenze von Euro . . . entscheiden.35 §4

Fortzahlung der Bezüge

(1) Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit von Herrn/Frau . . ., die durch Krankheit oder einen von ihm/ihr nicht zu vertretenden Grund eintritt, werden ihm/ihr die Bezüge nach § 3 Abs. 1–4 bis zu zwölf36 Monate, längstens aber bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses weitergezahlt. Herr/Frau . . . muss sich auf diese Zahlungen anrechnen lassen, was er/sie von Kassen oder Versicherungen an Krankengeld, Krankentagegeld oder Rente erhält, soweit die Leistungen nicht ausschließlich auf seinen/ihren Beiträgen beruhen. (2) Herr/Frau . . . tritt bereits jetzt etwaige Ansprüche an die Gesellschaft ab, die ihm/ ihr gegenüber Dritten wegen der Arbeitsunfähigkeit zustehen. Die Abtretung ist begrenzt auf die Höhe der nach Abs. 1 geleisteten oder zu leistenden Zahlungen.37 (3) Stirbt Herr/Frau . . . während der Dauer dieses Vertrages, so haben seine Witwe/ ihr Witwer, ersatzweise die nach § 7 Abs. 5–7 anspruchsberechtigten Kinder, Anspruch auf Fortzahlung des Gehaltes gemäß § 3 Abs. 1 für den Sterbemonat und die sechs folgenden Monate. Hinterlässt Herr/Frau . . . weder Witwe/Witwer noch anspruchsberechtigte Kinder, so besteht kein Anspruch gemäß Satz 1. (4) Herr/Frau . . . wird sich mindestens einmal jährlich bei den Vertragsärzten der Gesellschaft auf Kosten der Gesellschaft einer gründlichen ärztlichen Untersuchung unterziehen und den Aufsichtsratsvorsitzenden von dem Ergebnis unterrichten. §5

Versicherungen

(1) Die Gesellschaft schließt für die Dauer dieses Vertrages zu Gunsten von Herrn/Frau . . . eine Unfallversicherung für Berufsunfälle und Unfälle des täglichen Lebens mit Deckungssummen von Euro . . . für den Todesfall und Euro . . . für den Invaliditätsfall ab. (2) Die Gesellschaft schließt für Herrn/Frau . . . eine Rechtsschutzversicherung mit einer Deckungssumme von Euro . . . je Schadensfall ab, die folgende Risiken erfasst: – Inanspruchnahme auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für Vermögensschäden, – Verteidigung in Ermittlungs-, Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen fahrlässig begangener Delikte, – Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus diesem Dienstvertrag. (3) Die Gesellschaft schließt für Herrn/Frau . . . eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung („D&O“) mit einer Deckungssumme von Euro . . . und einem Selbst35 S. Fn. 32. 36 Das EFZG gilt für Vorstandsmitglieder nicht, ebenso wenig wie für Geschäftsführer, vgl. Anm. zu M 4.1a § 5. Die Regelung im Muster ist großzügig, häufig werden auch sechs Monate vereinbart. 37 Vgl. M 4.1a § 5 Abs. 2 m. Anm.

210 Lingemann

M 5.1

Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

behalt von 10 % des Schadens bis zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung38 zur Absicherung gegen Risiken aus der beruflichen Tätigkeit von Herrn/Frau . . . für die Gesellschaft ab.39 (4) Die Gesellschaft erstattet Herrn/Frau . . . im nachfolgenden Umfang die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Die Kostenerstattung beträgt grundsätzlich 50 % der von Herrn/Frau . . . nachzuweisenden Aufwendungen, höchstens aber die Summe des von der Gesellschaft zu tragenden Anteils der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Falle des Bestehens eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses. § 6 Ruhegeld40 (1) Herr/Frau . . . hat im Pensionsfall Anspruch auf ein lebenslanges Ruhegeld. (2) Der Pensionsfall liegt vor, wenn a) der Dienstvertrag mit oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 2 Abs. 6) endet41, b) der Dienstvertrag vor Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 2 Abs. 6) wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 5 endet. (3) Das Ruhegeld wird erstmals zum Monatsende für den Monat gezahlt, der auf den Eintritt des Pensionsfalls folgt. Versorgungsfähiges Einkommen ist das monatliche 38 Angesichts der zahlreichen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG vorgeschriebenen Selbstbehalt (vgl. nur Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40, 22 ff.; Lange, VersR 2010, 162; Lingemann, BB 2009, 1918; Schulz, ZfV 2009, 558; Thüsing/Traut, NZA 2010, 140) wurde die Formulierung möglichst nah am Gesetzestext gewählt, allerdings wurde die Höhe des Selbstbehaltes festgelegt, während das Gesetz hier nur eine Mindestgrenze nennt. Zu Modellen zur Versicherung des Selbstbehaltes Gädtke/ Wax, AG 2010, 851. 39 Die Formulierung zur Bezeichnung des D&O-Risikos wurde aus § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG übernommen. 40 Auch für Vorstandsmitglieder gelten die §§ 1–16 BetrAVG (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG). Dies gilt jedoch nicht, wenn das Vorstandsmitglied eine maßgebliche Beteiligung und Leitungsmacht in der Gesellschaft hat (BGH v. 2.6.1997, ZIP 1997, 1351, 1352). Bei einer Mehrheitsbeteiligung ist das BetrAVG daher nicht anwendbar (vgl. BGH v. 1.2.1999, NZA 1999, 380). Eine besondere unternehmerische Leitungsmacht kommt in Betracht, wenn die Kapitalbeteiligung nicht unerheblich ist, wovon man ab 10 % ausgeht (vgl. BGH v. 14.7.1980, WM 1980, 1114 einerseits BGH v. 9.6.1980, WM 1980, 822 andererseits). Auch soweit das BetrAVG anwendbar ist, kann von tarifdispositiven Regelungen des BetrAVG (§ 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG) auch zu Lasten des Organmitgliedes abgewichen werden (BAG v. 21.4.2009, ZTR 2009, 657; dazu Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281). In Betracht kommen insbesondere Abweichungen beim Anspruch auf Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG), der Ermittlung der Höhe der ratierlichen Anwartschaft (§ 2 BetrAVG), der Berechnung der vorzeitigen Altersrente (§ 2 iVm. § 6 BetrAVG), dem Abfindungsverbot (§ 3 BetrAVG), dem Übertragungsanspruch und der Übertragungsbeschränkung (§ 4 BetrAVG), dem Auskunftsanspruch (§ 4a BetrAVG), dem Auszehrungs- und Anrechnungsverbot (§ 5 BetrAVG), der Anpassungspflicht (§ 16 BetrAVG) und der Verjährung (§ 18a BetrAVG) (Einzelheiten bei Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281). Solche Abweichungen sind bisher allerdings nicht Praxis. Zu Kürzungsmöglichkeiten s. § 6 Abs. 9 des Musters m. Anm. 41 Bisher wurden Pensionszusagen für Organmitglieder steuerlich anerkannt bei einer Pensionsberechtigung ab dem 60. Lebensjahr. Gemäß Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums v. 31.3.2012 (BStBl. I 2010, 279, Rz. 249) gilt dies nunmehr nur noch ab dem 62. Lebensjahr.

Lingemann 211

Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

M 5.1

Fixgehalt gemäß § 3 Abs. 1. Das Ruhegeld beträgt 40 % dieses versorgungsfähigen Einkommens und erhöht sich pro Jahr (12 Monate) der Laufzeit der Vorstandsbestellung um 2 Prozentpunkte. Maximales Ruhegeld sind 60 % des versorgungsfähigen Einkommens. Endet das Dienstverhältnis gemäß Abs. 2 lit. b, so erhält Herr/Frau . . . Ruhegeld in der Höhe, wie es bei einer Dienstzeit bis Vollendung des 62. Lebensjahres entstanden wäre. (4) Das Ruhegeld wird gemäß § 16 BetrAVG jeweils angepasst.42 (5) Im Falle von Abs. 2 lit. b muss sich Herr/Frau . . . bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 2 Abs. 6)43 auf das Ruhegeld . . . % anderweitiger Einkünfte aus selbständiger und unselbständiger Arbeit anrechnen lassen, soweit sie den anrechnungsfreien Betrag von insgesamt Euro . . . im Kalenderjahr überschreiten. Anrechnungspflichtige Einkünfte sind der Gesellschaft am Ende eines jeden Kalenderjahres unaufgefordert mitzuteilen. Die Gesellschaft kann eine vorläufige Kürzung des Ruhegeldes vorsehen. (6) Der Anspruch auf Ruhegeld ruht, solange Herr/Frau . . . ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden Wettbewerb iSv. § 11 betreibt.44 (7) Eine Abtretung oder Verpfändung des Ruhegeldanspruchs durch Herrn/Frau . . . ist ausgeschlossen. (8) Endet der Dienstvertrag vor Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 2 Abs. 6), ohne dass der Pensionsfall nach Abs. 2 lit. b eintritt, so behält Herr/Frau . . . seine/ihre Anwartschaft auf Versorgungsleistungen in dem nach § 2 Abs. 1 BetrAVG vorgeschriebenen Umfang, falls die gesetzlichen Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit erfüllt sind.45 (9) Die Befugnis der Gesellschaft zur Kürzung oder Einstellung der Ruhegeldzahlungen bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften.46 42 Soweit das BetrAVG für Vorstandsmitglieder gilt, gilt auch § 16 BetrAVG, ist jedoch wohl abdingbar, Einzelheiten s. Fn. 40. 43 Sollen anderweitige Einkünfte auch nach Erreichen der Altersgrenze angerechnet werden, so muss dies ausdrücklich geregelt sein (OLG Hamburg v. 13.3.1992, WM 1992, 786, 788). Das Formular sieht eine Anrechnung nur bis zur Altersgrenze vor. 44 Die Wirksamkeit von Abs. 6 ist fraglich, da sie mittelbar ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot darstellt. Zu dessen Voraussetzungen im Einzelnen vgl. M 4.1a § 14 m. Anm. 45 Soweit das BetrAVG für Vorstandsmitglieder gilt (oben Fn. 40), greift auch die gesetzliche Unverfallbarkeit nach § 1b BetrAVG und damit der Insolvenzschutz über den Pensionssicherungsverein bei gesetzlicher Unverfallbarkeit. Damit greift grundsätzlich auch die ratierliche Kürzung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, die hier vorsorglich noch einmal geregelt ist; sie wäre wohl auch abdingbar, Einzelheiten s. Fn. 40. Soweit das BetrAVG nicht anwendbar ist, kann Insolvenzschutz nur in anderer Weise (zB Rückdeckungsversicherung) herbeigeführt werden (vgl. näher M 4.1a § 7 m. Anm.). 46 Bis zum Inkrafttreten des VorstAG am 5.8.2009 konnten Ruhegeldansprüche nur nach Maßgabe der vertraglich auch nicht erweiterbaren Widerrufsvoraussetzungen gekürzt oder eingestellt werden (vgl. BAG v. 8.5.1990, DB 1990, 2173; v. 8.2.1983, DB 1983, 1770). Eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens (vgl. BGH v. 14.5.1964, WM 1964, 675; v. 11.2.1985, ZIP 1985, 760, 761 f.; BAG v. 11.9.1980, ZIP 1981, 307, 308 f.) oder „schwerste Verfehlungen“ bzw. außerordentliche Pflichtverletzungen, nach denen ein Entgelt auch für langjährige Tätigkeit nicht mehr verdient ist (BGH v. 25.11.1996, AG 1997, 265, 266; v. 22.6.1981, WM 1981, 940: „wenn die Pflichtverletzungen einen auf andere Weise nicht wieder gutzumachenden Schaden angerichtet haben“), konnten einen Widerruf rechtfertigen, ein besonders strenger Maßstab galt für den Widerruf bei Pflichtverletzungen des Pensionärs (BGH v.

212 Lingemann

M 5.1

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Kap. 5

§ 7 Witwen- und Waisenversorgung47 (1) Stirbt Herr/Frau . . . während der Laufzeit des Dienstvertrages oder nach Eintritt des Pensionsfalls, so hat seine Witwe/ihr Witwer Anspruch auf ein lebenslanges Witwengeld/Witwergeld, sofern die Ehe im Zeitpunkt des Todes noch bestanden hat.48 (2) Das Witwengeld beträgt 60 % des Ruhegeldes. Stirbt Herr/Frau . . . nach Eintritt des Pensionsfalls, so ist Bezugsgröße das Ruhegeld, das er/sie am Todestag bezogen hat. Stirbt Herr/Frau . . . während der Laufzeit des Dienstvertrages, so ist Bezugsgröße das Ruhegeld, das er/sie bezogen hätte, wenn an diesem Tag der Pensionsfall gemäß Abs. 2 lit. b eingetreten wäre. (3) Das Witwengeld ermäßigt sich um . . . Prozentpunkte, falls Herr/Frau . . . mehr als 15 Jahre, und um . . . Prozentpunkte, falls Herr/Frau . . . mehr als 20 Jahre, und um . . . Prozentpunkte, falls Herr/Frau . . . mehr als 25 Jahre älter als seine Ehefrau/ihr Ehemann war. oder (3) Ist die Witwe/der Witwer 15 Jahre jünger als Herr/Frau . . ., so ruht der Anspruch auf Witwengeld für die Anzahl der Monate, die sich aus der Differenz des Altersunterschieds in Monaten abzüglich von 180 Monaten ergeben. Angebrochene Monate bleiben unberücksichtigt.49 (4) Ein Anspruch auf Witwengeld besteht nicht, wenn die Ehe erst nach der Pensionierung geschlossen wurde oder wenn die Ehe nur geschlossen wurde, um den Hinterbliebenen die Leistungen zuzuwenden. 7.1.1971, BGHZ 55, 274, 279; v. 19.12.1983, NJW 1984, 1529). Mit Einführung des VorstAG können nach § 87 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG auch Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezug und Leistungen verwandter Art bis zu drei Jahre nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch herabgesetzt werden, wobei die Frist wohl durch das Ende des Dienstvertrages ausgelöst wird (Lingemann, BB 2009, 1918, 1921). § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG ist sicherlich lex specialis gegenüber den restriktiven Widerrufsregelungen des BetrAVG, zu beachten ist zudem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wobei den Kriterien der Drei-Stufen-Theorie des BAG (BAG v. 28.6.2011, NZA 2012, 1229; v. 11.12.2001, NZA 2003, 1414; v. 9.12.2008, NZA 2009, 1341;) besondere Bedeutung zukommt. Auch gilt für die Entscheidung über Ob und Umfang der Herabsetzung die Business Judgement Rule, §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, so dass vom Aufsichtsrat eine Punktlandung nicht verlangt werden kann (Einzelheiten Lingemann, BB 2009, 1918, 1921 f.; Diller, NZG 2009, 1006). 47 Die Versorgungszusage ist insoweit ein Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall gemäß §§ 328, 331 BGB. § 518 Abs. 2 BGB ist auch noch bei Aufnahme der Versorgungszusage nach dem Tod des Vorstandsmitglieds gewahrt (BGH v. 26.11.1974, BGHZ 66, 8, 12 ff.; v. 30.11.1974, NJW 1975, 382). 48 Zur Geltung auch für eingetragene Lebenspartnerschaften vgl. M 4.1a § 7, 2. Alt., Abs. 3 m. Anm. 49 Nicht abschließend geklärt ist auch, ob zB Altersabstandsklauseln mit dem Verbot der Altersdiskriminierung und der Geschlechtsdiskriminierung vereinbar sind; das BAG hat dies bejaht, die Frage jedoch dem EuGH vorgelegt, BAG v. 28.7.2005, BB 2006, 2536; der EuGH hielt die Frage nicht für entscheidungserheblich, äußerte sich jedoch ebenso wie der Generalanwalt kritisch, EuGH v. 23.9.2008, NZA 2008, 1119; krit. insbesondere auch Preis/Temming, NZA 2008, 1209; der zweite Formulierungsvorschlag geht zurück auf Preis/Temming, NZA 2008, 1209, 1216, die dadurch den Altersunterschied nicht über die Höhe, sondern über einen Ruhenszeitraum europarechtskonform berücksichtigen wollen.

Lingemann 213

Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

M 5.1

Das Witwengeld entfällt, wenn die Witwe/der Witwer sich erneut verheiratet, mit Ablauf des Monats der Wiederverheiratung.50 Der Anspruch auf Witwengeld lebt wieder auf, wenn diese Ehe endet. Auf das Ruhegeld sind jedoch Versorgungsansprüche aus dieser Ehe in vollem Umfang anzurechnen. (5) Stirbt Herr/Frau . . . während der Laufzeit des Dienstvertrages oder nach Eintritt des Pensionsfalls, hat jedes seiner/ihrer unterhaltsberechtigten Kinder Anspruch auf ein Waisengeld in Höhe von jeweils 15 % der Bezugsgröße gemäß Abs. 2. Solange kein Anspruch auf Witwengeld besteht, beträgt das Waisengeld 25 % der Bezugsgröße gemäß Abs. 2. (6) Das Waisengeld wird bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gezahlt, darüber hinaus nur für Zeiten der Schul- oder Berufsausbildung einschließlich des Wehr- oder Zivildienstes, längstens bis zum vollendeten 25. Lebensjahr.51 (7) Kinder aus einer Ehe, die nach der Pensionierung geschlossen wurde, haben keinen Anspruch auf Waisengeld. (8) Witwen- und Waisengelder dürfen zusammen den Betrag des Ruhegeldes nicht übersteigen. Ein übersteigender Betrag wird an den Waisenrenten zu je gleichen Teilen gekürzt. (9) Witwen- und Waisengelder werden jeweils am Monatsende gezahlt, letztmalig für den Monat, in dem die Anspruchsvoraussetzungen entfallen. Ansprüche auf Witwenund Waisengelder bestehen solange nicht, wie die Bezüge nach § 4 Abs. 3 fortgezahlt werden. (10) Witwen- und Waisengelder kann die Gesellschaft mit befreiender Wirkung an die Witwe/den Witwer zahlen, Waisengelder an eine der Waisen. (11) § 6 Abs. 5, 6 und 7 gelten entsprechend für Witwen- und Waisengelder, Abs. 5 mit der Maßgabe, dass Euro . . . anrechnungsfrei sind. (12) Die Befugnis der Gesellschaft zur Kürzung oder Einstellung der Ruhegeldzahlungen bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften.52 §8

Dienstwagen53

(1) Die Gesellschaft stellt Herrn/Frau . . . bis zur Beendigung der Vorstandsbestellung einen Pkw, Typ . . . oder gleichwertig, mit Fahrer zur Verfügung. Herr/Frau . . . darf den Pkw ohne Fahrer auch privat nutzen. Die Einkommensteuer auf den Geldwertvorteil der Privatnutzung trägt Herr/Frau . . .

50 Zu den Gestaltungsalternativen, auch bei Späteheklauseln vgl. Reinecke, BB 2012, 1025, 1027 f.; Fonk, FS Semler, 1993, S. 139, 158 ff.; uE sind Späteheklauseln zur Vermeidung von Versorgungsehen sachlich gerechtfertigt und keine mittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG (so auch BAG v. 20.4.2010, NZA 2011, 1092; LAG BW v. 12.11.2009, NZA-RR 2010, 315; OVG Rheinland-Pfalz v. 26.5.2010, DStRE 2010, 1339; sehr str., vgl. Thum, BB 2008, 2295; Rolfs, NZA 2008, 557). 51 Pensionsrückstellungen sind nur für Versorgungen im Rahmen von § 32 Abs. 3 und 4 Satz 1–3 EStG zulässig, soweit die Versorgungszusage erstmals nach dem 31.12.2006 erteilt wurde. Höchstalter für Waisenversorgung ist damit das 25. Lebensjahr. Alternativ könnte man unmittelbar auf § 32 EStG in seiner jeweiligen Fassung Bezug nehmen. 52 Zu Einzelheiten der Kürzungsmöglichkeiten s. oben Anm. zu § 6 Abs. 9 des Musters. 53 Einzelheiten vgl. Einf. Kap. 12 Rz. 42 ff. und M 12.21.

214 Lingemann

M 5.1

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Kap. 5

(2) Das Fahrzeug ist beim Ausscheiden aus den Diensten der Gesellschaft oder nach einer Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unverzüglich an die Gesellschaft zu übergeben. Herr/Frau . . . hat kein Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrzeug und keinen Anspruch auf Abgeltung entgangener Gebrauchsvorteile.54 oder (2) Das Dienstfahrzeug steht Herrn/Frau . . . für die gesamte Dauer des Vertrages zu. §9

Spesen

(1) Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die Herrn/Frau . . . in der Ausübung seiner/ihrer Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages entstehen, werden ihm/ihr . . . im angemessenen Rahmen ersetzt. (2) Die Gesellschaft trägt bis zur Beendigung der Vorstandsbestellung die einmaligen und laufenden Kosten eines zusätzlichen Telefon- und Telefaxanschlusses in der Wohnung von Herrn/Frau . . . sowie die Kosten für ein dienstliches Mobiltelefon mit den dazugehörigen Vertrags-, Geräte- und Gesprächskosten; Herr/Frau . . . darf Telefon, Telefax und Mobiltelefon in angemessenem Umfang auch privat nutzen. Die Einkommensteuer auf den geldwerten Vorteil für die private Nutzung des Anschlusses trägt Herr/Frau . . . § 10

Urlaub

Herr/Frau . . . hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von sechs Wochen, der in Teilabschnitten genommen werden soll und dessen Lage mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats abzustimmen ist.55 § 11

Wettbewerbsverbot56

Herr/Frau . . . wird nicht ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Aufsichtsrates57 der Gesellschaft während der Dauer dieses Vertrages in selbständiger, unselbständi54 Bei vorzeitiger Rückforderung des Dienstfahrzeugs hätte das Vorstandsmitglied ohne diese Regelung einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Dies wäre zB bei Vereinbarung des Alternativvorschlages im Muster der Fall. Zur Höhe s. M 4.1a § 9 Abs. 2 m. Anm. 55 Das BUrlG und damit auch der Mindesturlaub von 24 Werktagen gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG gilt für Vorstandsmitglieder nicht, vgl. § 1 BUrlG. Wird der Urlaub nach Tagen berechnet, so ist zu beachten, dass Werktage auch den Samstag umfassen (vgl. § 3 Abs. 2 BUrlG), Arbeitstage dagegen nur Montag bis Freitag. Sechs Wochen sind also 36 Werktage oder 30 Arbeitstage. Die Vereinbarung von Werktagen ist zwar Terminologie des BUrlG, aber unüblich. 56 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 6. Aufl. 2012, S. 393. Für den Vorstand enthält schon § 88 AktG ein weit gehendes Wettbewerbs- und zT Nebentätigkeitsverbot für die Amtszeit. Tätigkeit im Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft oder Beteiligung ohne Mitwirkung an der Geschäftsführung erfasst § 88 Abs. 1 AktG jedoch nicht (Hüffer, § 88 AktG Rz. 4). Das Wettbewerbsverbot wird im Dienstvertrag meist ausgedehnt zumindest auf Beteiligungen an Konkurrenzunternehmen. Ausgenommen ist in der Regel Anteilsbesitz im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung, der keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens ermöglicht (vgl. § 11, letzter Satz des Musters; zu Aufklärungspflichten bei Aufsichtsratsmandaten in Kreditinstituten vgl. § 128 Abs. 3 AktG, dazu Lingemann/Wasmann, BB 1998, 853, 855). Nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG dürfen Vorstandsmitglieder auch nicht Mitglied des Vorstands, Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter einer anderen Gesellschaft sein. Vorstandsdoppelmandate sind mit Einwilligung des Aufsichtsrates beider Gesellschaften zulässig (vgl. BGH v. 9.3.2009, BGHZ 180, 105); die Einschränkung von Nebentätigkeiten ist bereits in § 1 Abs. 2 des Musters geregelt.

Lingemann 215

Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

M 5.1

ger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig werden, welches mit der Gesellschaft in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es ihm/ihr untersagt, während der Dauer dieses Vertrages ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen.58 Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten der mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmen. Herr/Frau . . . wird den Aufsichtsratsvorsitzenden unterrichten, falls ein Mitglied seiner/ihrer Familie (Angehörige iSv. § 15 AO) eine Beteiligung an einem solchen Unternehmen hält. Anteilsbesitz im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung, der keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens ermöglicht, gilt nicht als Beteiligung im Sinne dieser Bestimmung. § 12 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot S. M 4.1a § 14. § 13

Geheimhaltung59

Herr/Frau . . . verpflichtet sich, über alle vertraulichen Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft und der mit ihr verbundenen Unternehmen, insbesondere über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm/ihr durch seine/ihre Tätigkeit bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Diese Verpflichtung gilt auch für die Zeit nach Beendigung des Dienstvertrages. § 14

Rückgabe von Unterlagen60

Herr/Frau . . . verpflichtet sich, die in seinem/ihrem Besitz befindlichen geschäftlichen Unterlagen und Schriftstücke der Gesellschaft einschließlich Abschriften, Ablichtungen, Kopien, EDV-Dateien etc. – gleich auf welchem Datenträger – auf Aufforderung jederzeit, bei Beendigung der Organstellung auch ohne Aufforderung, dem Vorstand oder einem Beauftragten des Vorstands auszuhändigen. Ein Zurückbehaltungsrecht an solchen Unterlagen und Schriftstücken ist ausgeschlossen.

57 Einwilligung bedeutet bereits vorherige Zustimmung (§ 183 BGB). Fehlt diese, so hindert auch eine spätere Genehmigung Ersatzansprüche der AG für die Zwischenzeit nicht (vgl. § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG). Über die Einwilligung kann nur der Aufsichtsrat oder ein zuständiger Ausschuss (§ 107 Abs. 3 AktG) beschließen (§ 108 Abs. 1 AktG). Duldung ersetzt die ausdrückliche Einwilligung nicht (Hüffer, § 88 AktG Rz. 5 mwN). 58 Beteiligungen an anderen Gesellschaften werden von § 88 Abs. 1 AktG nicht erfasst, soweit sie nicht mit einer Geschäftsführung verbunden sind. Daher bedarf es gegebenenfalls gesonderter Regelung. 59 Die Regelung hat nur klarstellende Bedeutung. Eine Verschärfung der in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG geregelten Geheimhaltung in Vertrag, Satzung oder Geschäftsordnung wäre wohl nicht wirksam (so zum Aufsichtsratsmitglied, § 116 iVm. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, BGH v. 5.5.1975, BGHZ 64, 325; für das Vorstandsmitglied dürfte dies gleichermaßen gelten). 60 Auch ohne ausdrückliche Regelung im Vertrag besteht der Anspruch der Gesellschaft auf Herausgabe von Unterlagen analog § 667 BGB (zum GmbH-Geschäftsführer BGH v. 7.7.2008, NZG 2008, 834; v. 3.12.1962, WM 1963, 161, 162; Geßler/Hefermehl/Hefermehl, § 84 AktG Rz. 57; Münchener Handbuch AG/Wiesner, § 21 Rz. 72). Auch ein Zurückbehaltungsrecht scheidet wohl aus (zum GmbH-Geschäftsführer BGH v. 11.7.1968, WM 1968, 1325).

216 Lingemann

M 5.1

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

§ 15

Kap. 5

Erfindungen61

Erfindungen, die Herr/Frau . . . während der Dauer des Dienstvertrages macht, sowie die Verwertung von technischen oder organisatorischen Verbesserungsvorschlägen, die sich unmittelbar oder mittelbar aus den Aufgaben von Herrn/Frau . . . in der Gesellschaft ergeben oder die mit dieser Tätigkeit zusammenhängen, stehen ausschließlich der Gesellschaft zu. Sie sind gegenüber Herrn/Frau . . . mit den Bezügen abgegolten; eine gesonderte Erfindungsvergütung steht Herrn/Frau . . . nicht zu. § 16

Ausschluss des Urkundenprozesses

Keine Partei ist berechtigt, Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis im Wege des Urkundenprozesses gemäß §§ 592 ff. ZPO geltend zu machen.62 § 17 Salvatorische Klausel63 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden oder sollte sich in diesem Vertrag eine Lücke befinden, so soll hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt werden. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.64 Im Falle einer Lücke gilt diejenige Bestimmung als vereinbart, die dem entspricht, was nach Sinn und Zweck dieses Vertrages vereinbart worden wäre, hätte man die Angelegenheit von vornherein bedacht. Dies gilt auch dann, wenn die Unwirksamkeit einer Bestimmung auf einem in diesem Vertrag normierten Maß der Leistung oder Zeit beruht; in einem solchen Fall tritt ein dem Gewollten möglichst nahe kommendes rechtlich zulässiges Maß der Leistung oder Zeit an Stelle des Vereinbarten.

61 Vgl. M 4.1a § 16 m. Anm. Nach hM ist das Arbeitnehmererfindungsgesetz ohne gesonderte Regelung weder unmittelbar noch analog auf Vorstandsmitglieder anwendbar (Bartenbach/ Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 5. Aufl. 2012, § 1 Rz. 68 f.; zu einer Angebotspflicht auch des Vorstandes sowie zur Pflicht zur ggf. unentgeltlichen Übertragung vgl. Bauer, DB 1992, 1413, 1418 mwN). Die Vereinbarung der Anwendung des Gesetzes ist jedoch zulässig. Alternativ kommt in Betracht, auch die Rechte an Erfindungen ohne gesonderte Vergütung der Gesellschaft zu übertragen, wie im Muster vorgesehen; zu alternativen Formulierungen s. M 4.1a § 16. Enthält der Vertrag keine Regelung, so steht dem Vorstand die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zu (so zum Geschäftsführer BGH v. 20.10.1988, WM 1990, 350). 62 Der BGH hält den Ausschluss des Urkundenprozesses bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern für zulässig (BGH v. 12.7.2001, NJW 2001, 3549). Der Ausschluss des Urkundenprozesses kann daher zumindest individualvertraglich vereinbart werden (ohne Differenzierung nach AGB und Individualvertrag: Münch-KommZPO/Braun, 4. Aufl. 2012, § 592 Rz. 8; Musielak/Voit, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 592 ZPO Rz. 15; Zöller/Greger, Vorbem. § 592 ZPO Rz. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 592 ZPO Rz. 2). In Formulargeschäftsführerverträgen ist der Ausschluss dann zulässig, wenn er für beide Vertragsparteien gilt. Ein solcher Ausschluss ist bisher allerdings noch wenig verbreitet. 63 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 64 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

Lingemann 217

Kap. 5

M 5.2

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

§ 18

Schlussbestimmungen

(1) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.65 (2) Dieser Vertrag wird dreimal ausgefertigt, je eine Ausfertigung erhalten der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Herr/Frau . . . und die Gesellschaft. (3) Der Vertrag tritt an die Stelle des Vertrages vom . . . mit allen späteren Änderungen, der damit endet.66 ... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

Aktiengesellschaft Der Aufsichtsrat ... (Vorsitzender)

... (Herr/Frau . . .)

65 Zur Schriftformklausel im Einzelnen vgl. M 4.1a § 18 m. Anm. 66 Diese Regelung ist nur erforderlich, wenn das Vorstandsmitglied zuvor Angestellter der Gesellschaft war und dient dazu, ein ruhendes Arbeitsverhältnis zu beseitigen (dazu im Einzelnen M 4.1a § 3 Abs. 1 m. Anm.). Das Risiko ist allerdings beim Vorstandsmitglied gering.

5.2

u

Schreiben zur Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG

[Briefkopf des Aufsichtsratsvorsitzenden der X AG] Herrn Ort, Datum Sehr geehrter Herr . . ., wie ich Ihnen bereits mündlich erläutert habe,1 hat der Aufsichtsrat der X AG Ihre Vergütung2 und Ihr Ruhegehalt3 herabgesetzt. Anbei erhalten Sie die Niederschrift über die Beschlussfassung des Aufsichtsrats der X AG vom . . . im Original. Danach hat mich der Aufsichtsrat beauftragt und bevollmächtigt, Ihnen die Beschlüsse des Aufsichtsrats mitzuteilen und alle Maßnahmen zur 1 Natürlich ist eine solche Erläuterung rechtlich nicht zwingend, kann aber zur Akzeptanz der Entscheidung beitragen. 2 Nach § 87 Abs. 2 AktG soll der Aufsichtsrat die Bezüge auf eine angemessene Höhe herabsetzen, wenn sich die Lage der Gesellschaft so verschlechtert, dass die Weitergewährung der Bezüge nach § 87 Abs. 1 AktG unbillig für die Gesellschaft wäre. 3 Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 2 AktG können im Fall des § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art nur in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft nach Satz 1 herabgesetzt werden, aber natürlich auch, wie hier, noch während des Bestandes des Dienstvertrages.

218 Lingemann

M 5.3

Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Durchführung der Beschlüsse zu ergreifen. Namens und im Auftrag des Aufsichtsrats der X AG teile ich Ihnen daher hiermit folgende Beschlüsse gemäß § 87 Abs. 2 AktG mit: 1. Ihre Festbezüge werden in Abweichung von § 3 Ihres Dienstvertrags vom . . . samt Nachträgen von Euro . . . brutto p.a. auf Euro . . .4 brutto p.a. herabgesetzt; Tantieme und Bonus entfallen. Die Herabsetzung wirkt sofort und unbefristet.5 2. Ihr Ruhegehalt wird in Abweichung von § 7 Ihres Dienstvertrags vom . . . samt Nachträgen auf Euro . . . brutto p.a. herabgesetzt, damit reduziert sich auch die Hinterbliebenenversorgung entsprechend. Die Herabsetzung wirkt sofort und unbefristet. Mit freundlichen Grüßen ... (Aufsichtsratsvorsitzender der X AG) 4 Die neu festgesetzte Höhe muss angemessen sein, eine Punktlandung kann vom Aufsichtsrat aber nicht verlangt werden, vgl. Lingemann, BB 2009, 1819 ff. 5 Die Gesellschaft muss den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, das kann im Einzelfall bedeuten, dass die Herabsetzung nur befristet erfolgt, Lingemann, BB 2009, 1819 ff.

u

Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG Der Aufsichtsrat beschließt einstimmig gemäß § 87 Abs. 2 AktG:

1. In Abweichung von § 3 des Dienstvertrags vom . . . samt Nachträgen werden die Festbezüge von Herrn . . . von Euro . . . brutto p.a. auf Euro . . . brutto p.a. herabgesetzt; Tantieme und Bonus entfallen. Die Herabsetzung wirkt sofort und unbefristet. 2. In Abweichung von § 7 des Dienstvertrags vom . . . samt Nachträgen wird das Ruhegehalt von Herrn . . . auf Euro . . . brutto p.a. herabgesetzt. Die Herabsetzung wirkt sofort und unbefristet. 3. Der Aufsichtsratsvorsitzende wird beauftragt und bevollmächtigt, Herrn . . . diese Beschlüsse des Aufsichtsrats mitzuteilen und alle Maßnahmen zur Durchführung dieser Beschlüsse zu ergreifen. Dies schließt auch die Prozessführung und die Einlegung von Rechtsbehelfen aller Art ein. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist berechtigt, Untervollmacht zu erteilen.

Lingemann 219

5.3

Kap. 6

N N Q NNNN

Kapitel 6

Besondere Arbeitsverträge

Besondere Arbeitsverträge

Literaturübersicht:

Zur Befristung allgemein: Barkow von Creytz, Das Familienpflegezeitgesetz, DStR 2012, 191; Bauer, Tückisches Befristungsrecht, NZA 2011, 241; Braun, Anspruch auf Arbeitsvertrag nach wirksamer Befristung?, ZTR 2007, 78; Dörner, Neues aus dem Befristungsrecht, NZA 2007, 57; Glatzel, Das neue Familienpflegezeitgesetz, NJW 2012, 1175; Göttling/Neumann, Das neue Familienpflegezeitgesetz, NZA 2012, 119; Greiner, Methodenfragen des Befristungsrechts, NZABeilage 2011, 117; Haratsch/Holljesiefken, Studentische Hilfskraft auf Lebenszeit? – Die Befristung von Arbeitsverträgen mit studentischen Hilfskräften, NJW 2008, 207; Hirdina, Befristung wissenschaftlicher Mitarbeiter verfassungs- und europarechtwidrig!, NZA 2009, 712; Lingemann, Probleme der Schriftform bei Befristung, ArbR 2009, 79; Linsenmaier, Befristung und Bedingung – Ein Überblick über die aktuelle Rechtsprechung des Siebten Senats des BAG unter besonderer Berücksichtigung des Unionsrechts und des nationalen Verfassungsrechts, RdA 2012, 193; Lunk/Leder, Teilbefristungen – Neues Recht und alte Regeln?, NZA 2008, 504; Mosch, Aktuelle Entscheidungen zum Recht der befristeten Arbeitsverträge; NJW-Spezial 2012, 562; Müller, Die Drittmittelbefristung nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), öAT 2010, 224; Opolony, Die Nichtverlängerungsmitteilung bei befristeten Bühnenarbeitsverhältnissen, NZA 2001, 1351; Preis/Bender, Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen – Kontrolle durch Gesetz oder Richterrecht?, NZA-RR 2005, 337; Reinecke, Teilzeitarbeit während der Elternzeit, FA 2007, 98, Rudolf, Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen im Wandel der Zeit, BB 2011, 1808; Schaub/Schrader/Straube/Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 2. Teil, II. 4., 10. Aufl. 2013; Schiefer, Befristete Arbeitsverträge: Hindernisse und Fallstricke – Die aktuelle Rechtsprechung, DB 2011, 1164; von Steinau-Steinrück/Burkard-Pötter, Die Alten kommen – Rentnerbeschäftigung auf dem Vormarsch, NJW-Spezial 2012, 306.

Zur Befristung nach TzBfG: Bader, Sachgrundlose Befristungen mit älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern neu geregelt (§ 14 III TzBfG), NZA 2007, 713; Bauer, Befristete Verträge mit älteren Arbeitnehmern ab 1.5.2007 – oder der neue § 14 III TzBfG, NZA 2007, 544; Bauer, Neue Spielregeln für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge, NZA 2000, 1039; Bauer/Fischinger, Sachgrundlose Befristung und Verbot der Vorbeschäftigung bei „demselben Arbeitgeber“, DB 2007, 1410; Bauer/Gottschalk, Beschäftigung von Altersrentnern, BB 2013, 501; Bauschke, Neues zur zulässigen Vertretungs- und unzulässigen Kettenbefristung – Erste Erkenntnisse aus der „Kücük“ – Entscheidung des EuGH vom 26.1.2012, öAT 2012, 27; Bayreuther, Die Neufassung des § 14 Abs. 3 TzBfG – diesmal europarechtskonform?, BB 2007, 1113; Bitzer, Verlängerung der Probezeit – Was ist möglich?, AuA 2003, 16; Blang, Befristung von Arbeitsverträgen mit Lizenzspielern und Trainern, 2009; Bonanni/Schmidt, Kettenbefristung von Arbeitsverträgen und Missbrauchskontrolle, ArbRB 2013, 216; Braun/Kriesten, Praxistipps zum Abschluss befristeter Arbeitsverträge, RiA 2009, 1; Brose, Die BAG-Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG – ein Fall für den EuGH, NZA 2009, 706; Bruns, Befristung von Arbeitsverträgen mit Sporttrainern, NZA 2008, 1269; Bruns, BB-Rechtsprechungsreport zur Teilzeitarbeit, BB 2010, 956; Drosdeck/Bitsch, Zulässigkeit von Kettenbefristungen, NJW 2012, 977; Drosdeck/Bitsch, Die rechtsmissbräuchliche Vertretungsbefristung, NJW 2013, 1345; Grimm/Brock, Sachgrundlose Befristung der Arbeitsverhältnisse älterer Menschen in § 14 Abs. 3 TzBfG, ArbRB 2007, 154; Groeger, Haushaltsrecht und Befristung von Arbeitsverträgen, NJW 2008, 465; Helm/Hjort/ Hummel, Entfristungsanspruch für Betriebsratsmitglieder, ArbR Aktuell 2011, 397; Hoentzsch, Befristung eines Arbeitsvertrages: Schriftformerfordernis, RdA 2008, 170; Höpfner, Die Reform der sachgrundlosen Befristung durch das BAG – Arbeitsmarktpolitische Vernunft contra Gesetzestreue, NZA 2011, 893; Hold/Kleinsorge, Befristete Arbeitsverhältnisse im Licht der neuen Rechtsprechung, NWB 2012, 1840; Hunold, Neue Entwicklungen im Befristungsrecht, schnellbrief Arbeitsrecht 11/2012; Hunold, Befristung zur Vertretung nur zulässig bei Totalausfall eines Mitarbeiters?, DB 2012, 288; Hunold, Sachgrundlose Befristung nach Ende der Berufsausbildung, NZA 2012, 431; Jörchel, Befristungsrecht – Ein Zwischenstop, NZA 2012, 1065; Kast/ Herrmann, Altersdiskriminierung und erleichterte Befristung gem. § 14 Abs. 3 TzBfG: ein Praxistest, BB 2007, 1841; Kleinebrink, Vertragsgestaltung bei Befristung von Arbeitsverhältnissen mit älteren Menschen, MDR 2007, 762; Kossens, Aktuelle Rechtsprechung zum Befristungsrecht,

220 Lingemann

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

NZA-RR 2009, 233; Kuhnke, Sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bei „Zuvor-Beschäftigung“, NJW 2011, 3131; Lakies, EuGH zu Vertretungsbefristungen: Grundsätzlich zulässig, aber Einzelfallabwägung erforderlich, ArbR Aktuell 2012, 55; Lange, Die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle als Angemessenheitskontrolle, 2009; Löwisch, Vermeidung von Kündigungen durch befristete Weiterbeschäftigung, BB 2005, 1625; Lorenz, Die BAG-Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 TzBfG, FA 2007, 3; Maaß, Die Befristung des Arbeitsvertrages auf Grund „gedanklicher“ Vertretung, ArbR 2010, 187; Meinel/Heyn/Herms, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2012; Mennemeyer/Keysers, Befristungen im öffentlichen Dienst – Die Klassiker – Vertretungsbefristung und Befristung aus Haushaltsgründen, NZA 2008, 670; Richter/Wilke, Die Veränderung von Vertragsinhalten bei der Verlängerung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge, RdA 2011, 305; Ritter/Armin, Der befristete Arbeitsvertrag unter besonderer Berücksichtigung des Teilzeit- und Befristungsrechts, NZA 2007, 57; Rolfs, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2002; Schiefer/Köster/Korte, Befristung von Arbeitsverträgen – Die neue Altersbefristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG, DB 2007, 1081; Sittard/Ulbrich, Die Prozessbeschäftigung und das TzBfG, RdA 2006, 218; Sprenger, Die neue Altersbefristung – Ist § 14 Abs. 3 TzBfG jetzt sicher?, AuA 2007, 533; Städler, Die Verlängerungsmöglichkeit befristeter Arbeitsverträge nach § 14 II 1 Halbs. 2 TzBfG, NZA 2012, 1082; Steenfatt, Befristete Arbeitsverträge, AuA 2009, 154; Tilch/ Vennewald, Update: Sachgrundlose Befristung, NJW-Spezial 2011, 690; Werthebach, Die Befristung von Leiharbeitsverträgen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, NZA 2005, 1044; Weth/Breyer, „Minenfeld“ Befristungsrecht, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 1093. Zur Teilzeitarbeit: Barth, Ablehnung eines Antrags auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit – Präklusion im Hinblick auf nicht oder nicht ordnungsgemäß geltend gemachte Gründe?, BB 2007, 2567; Bruns, BB-Rechtsprechungsreport zur Teilzeitarbeit, BB 2010, 956; Diller, Das neue Gesetz zur Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen, NZA 1998, 792; Diller, Der Teilzeitwunsch im Prozess: Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt, insbesondere bei nachfolgenden Tarifverträgen nach § 8 IV 3 TzBfG, NZA 2001, 589; Fieberg, Urlaubsanspruch bei Übergang in Teilzeit – Neues Aus Luxemburg, NZA 2010, 925; Gruber, Gewährt § 8 TzBfG einen Anspruch auf eine zeitlich befristete Arbeitszeitverringerung?, DB 2007, 804; Hamann, Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG und Mitbestimmung des Betriebsrats, NZA 2010, 785; Kossens, Teilzeitarbeit, AiB 2006, 668; Lorenz, Fünf Jahre § 8 TzBfG – BAG-Rechtsprechung-Update, NZA-RR 2006, 281; Marschner, Teilzeitarbeit, AR-Blattei, SD 1560.1; Menke, Von nichts kommt nichts: Keine Präklusion der Ablehnungsgründe nach § 15 VII 4 BEEG, ArbR Aktuell 2011, 112; Mosler, Teilzeitarbeit, AR-Blattei, SD 1560; Mühlhausen, Ausweitung der Inhaltskontrolle von unternehmerischen Entscheidungen im Teilzeitrecht?, NZA 2007, 1264; Oelkers, Anspruch auf Teilzeitarbeit, NJW-Spezial 2010, 562; Pauly/Osnabrügge, Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung, 2. Aufl. 2007; Pietras, Der Teilzeitanspruch gem. § 8 TzBfG und das deutsche internationale Privatrecht, NZA 2008, 1051. Zur geringfügigen Beschäftigung/Minijobs: Bauer/Krets, Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, NJW 2003, 537; Bauer/Schuster, Kassenschlager „geringfügige Beschäftigung“?, DB 1999, 689; Bauschke, Geringfügige Beschäftigung, AR-Blattei SD 775; Beyer-Petz, Sozialversicherungsrechtliche Neuerungen zum Jahreswechsel 2012/13, DStR 2013, 47; Boemke, Sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Arbeitszeitkonten bei geringfügig Beschäftigten, BB 2008, 722; Christmann, 1. und 2. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz-Gesetz), DStR 2003, 119; Foerster, Geringfügige Beschäftigung, 2009; Hanau, Das Rätsel Minijob, NZA 2006, 809; Hümmerich/Holthausen/Welslau, Arbeitsrechtliches im 1. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, NZA 2003, 7; Kossens, Ich-AG, Mini-Jobs und Scheinselbständigkeit, AuA 2003, 21; Laber, Geringfügig Beschäftigte mit mehreren Arbeitsverhältnissen: Was müssen Arbeitgeber beachten?, ArbRB 2009, 205; Niermann/Plenker, Die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ab 1.4.2003, DB 2003, 304; Pauly/Osnabrügge, Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung, 2. Aufl. 2007; Rolfs, Scheinselbständigkeit, geringfügige Beschäftigung und „Gleitzone“ nach dem 2. Hartz-Gesetz, NZA 2003, 65; Rolfs, Die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung, ZIP 2003, 141; Schönfeld/Reimers/ Hofmann, Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse/Mini-Jobs/400-Euro-Jobs, 10. Aufl. 2008. Zum Job-Sharing: Löw, Flexibilisierungsmodell mit Zukunft?, AuA 2006, 592; Schönefeldt, Teilzeit und Jobsharing – (k)ein Thema für Führungskräfte, PersF 2006, Heft 12, 30. Zur Abrufarbeit: Bauer/Günther, Heute lang, morgen kurz – Arbeitszeit nach Maß!, DB 2006, 950; Feuerborn, Die Flexibilisierung der Arbeit auf Abruf – Zur Neuinterpretation des § 12 Abs. 1

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Kap. 6

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Satz 2 TzBfG durch das BAG, SAE 2007, 59; Gastell, Arbeit auf Abruf, AuA 2008, 200; Hunold, Bedarfsgerechter Personaleinsatz: Aktuelle Probleme bei sog. Pool-Lösungen und Arbeit auf Abruf, NZA 2003, 896; Kramer/Kiene, Arbeit auf Abruf – Spielräume bei der vertraglichen Gestaltung, ArbR 2010, 233; Mühlmann, Flexible Arbeitszeitvertragsgestaltung – Die Arbeit auf Abruf, RdA 2006, 356; Ostermeier, Die Lohnvereinbarung in Abrufarbeitsverhältnissen mit unterschiedlichen Stundenlöhnen, RdA 2008, 86. Zum Wiedereingliederungsvertrag: Gagel, Betriebliches Eingliederungsmanagement, NZA 2004, 1359; Gagel/Schian, Stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (§ 74 SGB V/ § 28 SGB IX), Behindertenrecht 2006, 53; Gawlick, Die stufenweise Wiedereingliederung arbeitsunfähiger Arbeitnehmer in das Erwerbsleben nach § 28 SGB IX/§ 74 SGB V, 2009; Nebe, (Re-)Integration von Arbeitnehmern: Stufenweise Wiedereingliederung und Betriebliches Eingliederungsmanagement – ein neues Kooperationsverhältnis, DB 2008, 1801; Rose/Gilberger, Wiedereingliederung: Schrankenloser Anspruch schwerbehinderter Menschen?, DB 2009, 1986; Schimanski, Die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben, Behindertenrecht 2006, 49; Schmidt, Kündigungen im Rahmen des § 74 SGB V – Beendigung des Wiedereingliederungsverhältnisses sowie des Arbeitsverhältnisses, NZA 2007, 893. Zur Telearbeit: Dietz, Steuerliche Fragen rund um Telearbeitsplätze, PersF 2010, Heft 2, 82; Hansen, Der sozialversicherungsrechtliche Status von Telearbeit, Die Beiträge 2009, 193, 257, 321, 385 und 449; Lammeyer, Telearbeit, 2007; Oberthür, Die Arbeitssicherheit im Mobile Office, NZA 2013, 246; Schmechel, Die Rolle des Betriebsrats bei der Einführung und Durchführung von Telearbeit, NZA 2004, 237; Wank, Telearbeit, AR-Blattei SD 1565; Wiese, Personale Aspekte und Überwachung der häuslichen Telearbeit, RdA 2009, 344. Zum Sabbatical: Hageböcker/Gellrich, Zeitwertkonten – ein Königsweg für die Altersversorgung?, DSWR 2004, 305; Peiter/Westphal, Zeitwertkonten – Wertguthabenvereinbarung und Freistellungsphase, BB 2011, 1781; Rolfs/Witschen, Neue Regeln für Wertguthaben, NZS 2009, 295; Seel, Auszeit auf Zeit als Personalinstrument in der Krise – Worauf ist bei „Sabbaticals“ zu achten?, DB 2009, 2210.

I. Einführung 1. Befristung 1

Gemäß § 15 Abs. 1 und 2 TzBfG endet das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen wird. Befristete Arbeitsverträge sind vor Ablauf der Frist nicht ordentlich kündbar, es sei denn, die Parteien haben dies ausdrücklich vereinbart, § 15 Abs. 3 TzBfG. Lediglich bei einer Befristung auf mehr als fünf Jahre besteht für den Arbeitnehmer ein Kündigungsrecht nach Ablauf von fünf Jahren, § 15 Abs. 4 TzBfG. Von dieser Regelung kann nach § 22 TzBfG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

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Praxistipp: Soll das Arbeitsverhältnis auch vor Ablauf der Befristung kündbar sein, muss dies ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen werden.

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Außerordentlich gemäß § 626 BGB kann auch das befristete Arbeitsverhältnis jederzeit gekündigt werden.

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Gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG1 bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BAG auch für 1 Zur Wahrung der hiernach erforderlichen Schriftform genügt es, wenn die eine Vertragspartei in einem von ihr unterzeichneten, an die andere Vertragspartei gerichteten Schreiben den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages anbietet und die andere Vertragspartei das Angebot annimmt, indem sie das Schriftstück ebenfalls unterzeichnet, vgl. BAG v. 26.7.2006, NZA 2006, 1402. Ebenfalls ausreichend ist ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO im schriftlichen

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die Vereinbarung über die befristete Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses,2 sowie für die Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG.3 Auf die Befristung einzelner Vertragsbedingungen im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist § 14 Abs. 4 TzBfG hingegen nicht anzuwenden.4 Inhaltlich verlangt die Vorschrift bei kalendermäßiger Befristung nur die Festschreibung der Dauer des Arbeitsverhältnisses, nicht aber des Befristungsgrundes.5 Bei der Zweckbefristung/auflösenden Bedingung dagegen bedarf auch die Angabe des Zweckes der Befristung bzw. des beendenden Ereignisses der Schriftform.6 Was den Zeitpunkt der schriftlichen Fixierung anbelangt, so muss das Schriftformerfordernis spätestens bei Abschluss des Arbeitsvertrages7 bzw. im Zeitpunkt der Befristungsverlängerung8 erfüllt sein, sofern die Parteien zuvor eine entsprechende mündliche Vereinbarung geschlossen haben.9 Wenn der Arbeitgeber den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages von der Einhaltung der Schriftform abhängig macht, kann die Annahme seines Vertragsangebots nur schriftlich erfolgen, nicht konkludent durch die Arbeitsaufnahme.10 Dies gilt zB, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ohne vorausgegangene Absprache ein von ihm bereits unterschriebenes Vertragsformular mit der Bitte um Unterzeichnung übersendet. Eine nachträgliche Unterzeichnung des Arbeitsvertrages/der Verlängerungsabrede heilt die unwirksame Befristungsabrede jedoch nicht, wenn es zuvor eine mündliche Vereinbarung gab. Haben die Parteien demgegenüber vor Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrages mündlich keine Befristung vereinbart oder haben sie eine Befristungsabrede getroffen, die inhaltlich mit der in dem schriftlichen Vertrag enthaltenen Befristung nicht übereinstimmt, so ist auch mit einer späteren Befristungsvereinbarung die gesetzliche Schriftform eingehalten.11 Die Befristungsabrede darf allerdings nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB sein. Überraschend ist sie, wenn in einem Formularvertrag neben einer fett gedruckten und durch die Schriftgröße optisch hervorgehobenen Befristung für die Dauer eines Jahres im folgenden Text ohne besondere Hervorhebung eine weitere Befristung zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit vorgesehen ist.12 Befristungen im Arbeitsverhältnis sind nur wirksam, wenn (a) ein sachlicher Grund vorliegt oder (b) gesetzliche Vorschriften die Befristung zulassen und einschlä-

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Verfahren abgeschlossener gerichtlicher Vergleich, dh. es ist ein entsprechender Vorschlag des Gerichts notwendig, BAG v. 15.2.2012, DB 2012 1573 mit Anm. Kern, FD-ArbR, 2012, 334950. Ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO reicht hingegen nicht aus, BAG v. 15.2.2012, aaO. BAG v. 22.10.2003, NZA 2004, 1275. BAG v. 16.3.2005, NZA 2005, 923. BAG v. 8.8.2007, NZA 2008, 229; v. 18.1.2006, NZA 2007, 351; v. 3.9.2003, NZA 2004, 255; Einzelheiten unten in Rz. 23. BAG v. 26.7.2006, DB 2007, 59; v. 23.6.2004, NZA 2004, 1333. BAG v. 21.12.2005, BB 2006, 894 zur Zweckbefristung. BAG v. 1.12.2004, BB 2005, 1116. BAG v. 16.3.2005, NZA 2005, 923. BAG v. 16.3.2005, NZA 2005, 923; Lingemann, ArbR 2009, 79. BAG v. 16.4.2008, NZA 2008, 1184; wobei dies aber evtl. nur bei Befristungen mit Sachgrund gilt, vgl. Bauer NZA 2011, 241, 247. BAG v. 13.6.2007, NZA 2008, 108; allerdings funktioniert dies möglicherweise nur bei Vorliegen eines Sachgrundes, vgl. Bauer NZA 2011, 241, 247. BAG v. 16.4.2008, NZA 2008, 876.

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gige Mitbestimmungsvorschriften13 eingehalten wurden. Mitbestimmungsrechte bestehen im Personalvertretungsrecht auch bei Vereinbarung der Befristung in einem gerichtlichen Vergleich.14 Der Arbeitgeber muss den Sachgrund für die Befristung der Personalvertretung mitteilen; er genügt seiner Darlegungspflicht jedoch, wenn der typisierte Sachgrund (zB Vertretung) ohne Einzelheiten mitgeteilt wird.15 Im Betriebsverfassungsrecht umfasst die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nicht die Gründe für den Abschluss des befristeten Vertrags.16 Ist die Befristung unwirksam, so besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das nach Maßgabe des § 16 TzBfG gekündigt werden kann. Der Arbeitnehmer kann Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung erheben („Entfristungsklage“), wobei die Frist des § 17 TzBfG gilt: Die Klage muss innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses bzw. der Erklärung des Arbeitgebers nach § 17 Satz 3 TzBfG eingereicht werden.17 Ein gleichzeitig mit der Befristungsabrede vereinbarter Verzicht auf die Erhebung der Befristungskontrollklage ist nach §§ 22 Abs. 1, 17 Satz 1 TzBfG unwirksam.18 Die Klagefrist gilt auch für Befristungen außerhalb des TzBfG,19 zB nach § 21 BEEG, und gemäß §§ 21 iVm. 17 TzBfG für auflösende Bedingungen. Sie gilt auch, soweit der Arbeitnehmer sich gegen Altersgrenzen richtet, da auch diese als Befristungen angesehen werden.20 Sie beginnt bei mehreren aufeinander folgenden Befristungen mit Ablauf jeder Befristungsabrede für diese zu laufen.21 Der Arbeitgeber muss darlegen und beweisen, dass die Befristung wirksam ist.22 6

§ 18 TzBfG verpflichtet den Arbeitgeber, befristet Beschäftigte über unbefristete Beschäftigungsmöglichkeiten zu informieren. Gemäß § 19 TzBfG hat er Möglichkeiten zur Teilnahme an angemessenen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen. § 20 TzBfG verpflichtet ihn zur Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung über Anzahl und Anteil der befristet Beschäftigten. Allein aus einem entsprechenden vertrauensbegründenden Verhalten des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Verlängerung seines wirksam befristeten Arbeitsvertrages herleiten.23 Allerdings 13 BAG v. 20.2.2002, BB 2002, 1594 zur Zustimmung nach § 72 Abs. 1 Nr. 1, § 66 Abs. 1 LPVGNW. 14 BAG v. 18.6.2008, NZA 2009, 35 zum Personalrat. 15 BAG v. 27.9.2000, NZA 2001, 339. 16 BAG v. 27.10.2010, NZA 2011, 418: Es besteht kein hinreichender Bezug zu einer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabe des Betriebsrats. 17 Vgl. BAG v. 15.8.2012, NZA 2012, 1116 sowie BAG v. 6.4.2011, NJW 2011, 2748. 18 BAG v. 18.6.2008, NZA 2009, 35. 19 BT-Drucks. 14/4374, S. 21. 20 BAG v. 14.8.2002, DB 2003, 394. 21 BAG v. 16.4.2003, NZA 2004, 283; v. 24.10.2001, DB 2002, 536. 22 BAG v. 12.10.1994, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 165. Hinsichtlich verspäteter Klagen und der verlängerten Anrufungsfrist gelten die §§ 5, 6 KSchG entsprechend, § 17 Satz 2 TzBfG, BAG v. 15.5.2012, NZA 2012, 1148. Dabei ist zu beachten, dass § 6 KSchG durch die neuere Rechtsprechung des BAG „entschärft“ wurde, BAG v. 23.4.2008, NZA-RR 2008, 466. Auch kann der Arbeitnehmer, wenn er die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt hat, nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Unwirksamkeit der Befristung aus anderen Gründen als denjenigen geltend machen, die er innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist benannt hat, BAG v. 4.5.2011, NZA 2011, 1178. 23 BAG v. 13.8.2008, NZA 2009, 27. Offen gelassen hat das BAG die Frage, ob sich ein Anspruch auf unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben kann.

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kann es eine nach § 612a BGB verbotene Maßregelung darstellen, wenn ein Arbeitgeber einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer keinen Folgevertrag anbietet, weil der Arbeitnehmer ihm zustehende Rechte ausgeübt hat.24 Dies kann den Arbeitnehmer zu Schadensersatz berechtigen, jedoch nicht zu einem Folgevertrag, da § 15 Abs. 6 AGG entsprechend anzuwenden ist.25 a) Befristung auf Grund eines sachlichen Grundes Soweit nicht gesetzliche Spezialvorschriften (dazu unten Rz. 24 ff.) eingreifen, ist eine Befristung nur wirksam, wenn ein sachlicher Grund besteht, § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG enthält nicht abschließend26 eine Vielzahl von Gründen, aus denen eine Befristung wirksam vereinbart werden kann. Auch eine nachträgliche Befristung muss sachlich begründet sein.27 Einseitig kann sie nur im Wege der Änderungskündigung durchgesetzt werden.28

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Ein Aufhebungsvertrag zu einem nahe liegenden Zeitpunkt ist jedoch auch ohne sachlichen Grund wirksam.29 Sofern ein Aufhebungsvertrag seinem Regelungsgehalt nach allerdings nicht auf die alsbaldige Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist und der gewählte Beendigungszeitpunkt die jeweilige Kündigungsfrist um ein Vielfaches überschreitet, bedarf er zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes iSd. Befristungskontrollrechts.30 Ein Aufhebungsvertrag, der lediglich eine nach § 1 KSchG nicht auf ihre Sozialwidrigkeit zu überprüfende Kündigung ersetzt, ist hingegen nicht wegen Umgehung zwingender Schutzvorschriften unwirksam. Sieht der Arbeitgeber daher die sechsmonatige Probezeit als nicht bestanden an, so kann er regelmäßig, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln, anstatt das Arbeitsverhältnis innerhalb der Frist des § 1 Abs. 1 KSchG mit der kurzen Probezeitkündigungsfrist zu beenden, dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance geben, indem er mit einer überschaubaren, längeren Kündigungsfrist kündigt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung zusagt (dazu unten M 6.1.8). Diese Grundsätze gelten auch für einen entsprechenden Aufhebungsvertrag.31 Auch wenn nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung eine Beendigung mit einer Verzögerung von zwölf Monaten vereinbart wird, nach der Vereinbarung aber keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung mehr bestehen soll („Kurz-

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24 BAG v. 21.9.2011, NZA 2012, 317. 25 BAG v. 21.9.2011, NZA 2012, 317. 26 Als sonstigen sachlichen Grund hat das BAG die Anhängigkeit einer Konkurrentenklage um eine zu besetzende Stelle anerkannt, BAG v. 16.3.2005, BB 2005, 1856. Andere Sachgründe, auch wenn sie tariflich geregelt sind, müssen jedoch den in § 14 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprechen, BAG v. 9.12.2009, NZA 2010, 495. 27 BAG v. 24.1.1996, DB 1996, 1779; aA LAG Berlin v. 12.5.1995, DB 1996, 231. 28 BAG v. 24.1.1996, DB 1996, 1779. 29 BAG v. 13.11.1996, DB 1997, 936. 30 BAG v. 28.11.2007, NZA 2008, 348; maßgeblich für das Vorliegen eines Aufhebungsvertrags in Abgrenzung zu einer unzulässigen nachträglichen Befristung ist die Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere, ob die Vereinbarung für einen Aufhebungsvertrag typische Regelungen wie Freistellungen, Abfindungen oder Urlaubsregelungen enthält, s. auch Einf. Kap. 23 Rz. 18. 31 BAG v. 7.3.2002, NZA 2002, 1000; näher Bitzer, AuA 2003, 16 vgl. auch BAG v. 2.6.2010, NZA 2010, 1293 zu Aufhebungsvertrag mit befristeter Einstellung am Folgetag zur weiteren Erprobung.

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arbeit 0“) und zugleich Abwicklungsmodalitäten wie Abfindung, Zeugniserteilung und Rückgabe von Firmeneigentum geregelt werden, handelt es sich nicht um einen befristeten Arbeits-, sondern um einen Aufhebungsvertrag.32 9

Bei mehreren Befristungen prüft das BAG den sachlichen Grund nur für die letzte Befristung.33 Kettenbefristungen sind dementsprechend im Grundsatz zwar zulässig, sie dürfen nach der Entscheidung des EuGH vom 26.1.2012 (Kücük) jedoch nicht rechtsmissbräuchlich sein, wobei alle Umstände des Einzelfalls einschließlich Zahl und Gesamtdauer der vorherigen Befristungen zu berücksichtigen sind.34 So kann eine besonders hohe Zahl von Befristungen und eine lange Gesamtdauer einen Rechtsmissbrauch indizieren, beispielsweise bei 13 Befristungen über elf Jahre,35 auch bereits über 61/ 2 Jahre,36 nicht dagegen bei vier Befristungen in sieben Jahren.37 Bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs spielt ua. eine Rolle die Dauer des Zeitraums, die Anzahl der befristeten Verträge, die Frage, ob der Arbeitnehmer immer am selben Arbeitsplatz eingesetzt wurde oder an wechselnden Arbeitsplätzen, ob die Dauer des befristeten Vertrages hinter dem Vertretungsbedarf zurückbleibt, dieser also durch eine Reihe kurzer Verträge gedeckt wird statt durch einen unbefristeten Vertrag, ferner sind zu beachten branchenspezifische Besonderheiten, bei denen Befristungen üblich sind, wie zB bei Saisonbetrieben oder bei Presse und Rundfunk.38 Ausnahmsweise unterliegt auch die Befristung eines früheren Vertrages der gerichtlichen Kontrolle, wenn ein weiterer befristeter Arbeitsvertrag unter dem Vorbehalt abgeschlossen wird, dass er das Arbeitsverhältnis nur regeln soll, wenn nicht bereits auf Grund des vorausgegangenen Vertrags ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.39 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zulässigkeit der Befristung ist der Abschluss des Arbeitsvertrages. Entsteht später ein sachlicher Grund für die Befristung, so wird sie dadurch nicht wirksam.40

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Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG liegt ein sachlicher Grund insbesondere vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Klassischer Fall ist ein projektbedingter personeller Mehrbedarf, zB in Folge von Eilaufträgen, Inventur, Schlussverkauf, Messe, etc. Keine Projektbefristung liegt vor bei Tätigkeiten, die der Arbeitgeber im Rahmen des von ihm verfolgten Betriebszweckes dauerhaft wahrnimmt oder zu deren Durchführung er verpflichtet ist.41 Voraussetzung 32 BAG v. 15.2.2007, NZA 2007, 614. 33 BAG v. 24.8.2011, NZA 2012, 385. Anders verhält es sich, wenn die Parteien in einem nachfolgenden befristeten Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer das Recht vorbehalten, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung prüfen zu lassen. Dieser Vorbehalt muss allerdings vertraglich vereinbart sein, ein vom Arbeitnehmer nur einseitig geäußerter Vorbehalt genügt nicht, BAG v. 24.8.2011, NZA 2012, 385. Haben die Arbeitsvertragsparteien allerdings nach Rechtshängigkeit einer Entfristungsklage gemäß § 17 TzBfG weitere befristete Verträge ohne ausdrücklichen Vorbehalt abgeschlossen, so ist regelmäßig anzunehmen, dass die Folgeverträge einen konkludenten Vorbehalt enthalten, BAG v. 24.8.2011, NZA 2012, 385. 34 EuGH v. 26.1.2012, NZA 2012, 135 – Kücük; BAG v. 18.7.2012, NZA 2012, 1351 und 1359; Drosdeck/Bitsch, NJW 2012, 977; Lakies, ArbR Aktuell 2012, 55. 35 BAG v. 18.7.2012, NZA 2012, 1351. 36 BAG v. 13.2.2013, NZA 2013, 777 m. Anm. Günther, ArbR Aktuell 2013, 296. 37 BAG v. 18.7.2012, NZA 2012, 1359. 38 BAG v. 18.7.2012, NZA 2012, 1359. 39 BAG v. 24.8.2011, NZA 2012, 385. 40 ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 16. 41 BAG v. 7.11.2007, NZA 2008, 467; vgl. auch BAG v. 17.3.2010, NZA 2010, 633.

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für die wirksame Befristung ist eine nachprüfbare Prognose, dass im Zeitpunkt der Befristung auf Grund greifbarer Tatsachen mit einiger Sicherheit der Wegfall des Mehrbedarfs mit dem Auslaufen des befristeten Arbeitsverhältnisses zu erwarten ist. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen zeitweilig erhöhtem Arbeitsanfall und der befristeten Einstellung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber gleichzeitig die anfallenden Arbeiten anders verteilt, indem er etwa Stammkräfte zur Erledigung bestimmter Projektarbeiten einteilt.42 Die bloße Unsicherheit des Arbeitgebers, ob der Mehrbedarf an Arbeitskräften von Dauer sein oder demnächst wegfallen wird, reicht demgegenüber nicht aus. Zumindest der Wegfall muss sich – wenn auch nicht unbedingt zeitlich zutreffend – prognostizieren lassen.43 Mängel der Prognose hinsichtlich der Befristungsdauer führen aber dann zur Unwirksamkeit der Befristung, wenn der Mehrbedarf an Arbeitskräften zeitlich nicht begrenzt ist und der Sachgrund des Mehrbedarfs an Arbeitskräften nur vorgeschoben wird.44 Die Prognose des Arbeitgebers ist aber nicht deshalb unzutreffend, weil der Arbeitnehmer nach Fristablauf auf Grund seiner Qualifikation auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Projekt oder unbefristet beschäftigt werden kann und der Arbeitgeber dies bei Vertragsschluss erkennen kann. Die Prognose des Arbeitgebers muss sich vielmehr nur auf das konkrete Projekt beziehen.45 Keine wirksame Befristung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer befristet projektbezogen eingestellt, aber überwiegend mit projektfremden Tätigkeiten betraut wird, es sei denn, die Änderung der für die Befristung ursächlichen Umstände war bei Vertragsbeginn nicht absehbar.46 Ein Betriebsteilübergang ist kein Sachgrund für eine Befristung, da dies zu einer Umgehung von § 613a BGB führen würde.47 Auch eine Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Die Reichweite dieser Regelung ist unklar. Ob „im Anschluss“ auch noch dann vorliegt, wenn zwischen dem Ende der Ausbildung und der befristeten Beschäftigung eine zeitliche Zäsur liegt, ist ebenso streitig wie die Frage, ob eine Anschlussbeschäftigung nur dann erleichtert wird, wenn eine konkrete Aussicht auf eine dauerhafte Übernahme besteht, oder ob es ausreicht, wenn der Bewerber allgemein seine Bewerbungschancen für andere Arbeitsverhältnisse dadurch verbessert, dass er sich aus einem laufenden Arbeitsverhältnis heraus bewirbt.48 In jedem Falle aber ermöglicht § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG nur den einmaligen Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages nach dem Ende der Ausbildung, weitere befristete Verträge können nur auf andere Sachgründe gestützt werden.49 Auch kann nur der erste Vertrag nach Ausbildung oder Studium auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG gestützt werden.50

42 43 44 45 46 47 48 49 50

BAG v. 20.2.2008, DB 2008, 2598. BAG v. 15.5.2012, NZA 2012, 1366. BAG v. 20.2.2008, DB 2008, 2598. BAG v. 25.8.2004, DB 2005, 502. BAG v. 7.5.2008, AP TzBfG § 14 Nr. 49. BAG v. 30.10.2008, DB 2009, 739. Einzelheiten bei Rolfs, § 14 TzBfG Rz. 26. Vgl. BAG v. 10.10.2007, NZA 2008, 295. BAG v. 24.8.2011, AP TzBfG § 14 Nr. 85, für den Fall, dass eine nur wenige Wochen dauernde Beschäftigung bei einem Dritten zwischen Studium und dem befristeten Vertrag lag.

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Auch ein vorübergehender Vertretungsbedarf51 rechtfertigt eine Befristung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG), sofern der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages den vorübergehenden Vertretungsbedarf belegbar prognostizieren kann.52 Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, kann der Arbeitgeber in Fällen von Krankheitsvertretung davon ausgehen, dass die zu vertretende Stammkraft zurückkehren wird.53 Unschädlich ist es, wenn die Befristungsdauer hinter der Dauer des Vertretungsbedarfs zurückbleibt.54 Stellt sich dann heraus, dass trotz Ablauf der Befristung weiterhin ein Vertretungsbedarf vorliegt, den der Arbeitgeber durch Einstellung decken will, so folgt daraus auch nicht ein Wiedereinstellungsanspruch des bisherigen Vertreters.55 Das BAG unterscheidet zwischen unmittelbarer und mittelbarer Vertretung. Zum Nachweis der unmittelbaren Vertretung muss der Arbeitgeber darlegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag mit Aufgaben betraut worden ist, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren.56 Der Vertretungsbedarf kann auch zwischen mehreren Arbeitsverhältnissen wechseln, wenn der Vertreter in allen eingesetzt werden kann.57 Ein Vertretungsfall iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liegt auch bei einer mittelbaren Vertretung vor, dh. wenn die Aufgaben des vorübergehend abwesenden Arbeitnehmers ganz oder teilweise anderen Arbeitnehmern übertragen werden, deren Aufgaben wiederum der Vertreter übernimmt. Der für den Sachgrund der Vertretung notwendige Kausalzusammenhang besteht in diesem Fall, wenn der Vertreter mit Aufgaben betraut wird, die dem Vertretenen nach dessen Rückkehr im Wege des Direktionsrechts zugewiesen werden könnten.58 Allerdings muss der Vertretene die dem Vertreter übertragenen Aufgaben auch tatsächlich erfüllen können.59 Der erforderliche Kausalzusammenhang liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten gedanklich zuordnet und diese gedankliche Zuordnung entweder durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag oder im Rahmen der Beteiligung der Arbeitnehmervertretung bei der Einstellung erkennbar ist.60 Damit stellt das BAG eher geringe Anforderungen an den Kausalzusammenhang, so dass dem Arbeitgeber umfangreiche Umorganisationen der Arbeit verbunden mit der Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes im Zuge 51 Die befristete Abordnung einer Stammkraft kann hierbei ausreichen, BAG v. 16.1.2013, NZA 2013, 611. 52 BAG v. 22.11.1995, NZA 1996, 878, 879; v. 17.3.2010, NZA 2010, 633, m. Anm. Winzer, FDArbR 2010, 303237. Das scheidet aus, wenn ein Betrieb unzureichend personell ausgestattet ist und einem zur Reduzierung von Bearbeitungsrückständen eingestellten Arbeitnehmer insoweit Daueraufgaben übertragen werden; ebenso bei bloßer befristeter Übertragung neuer Aufgaben auf eine Stammkraft nach LAG Köln v. 14.9.2011 – 3 Sa 69/11 (Rev. eingelegt unter 7 AZR 761/11); Anm. von Hunold, DB 2012, 288. 53 BAG v. 23.1.2002, NZA 2002, 665; v. 21.2.2001, DB 2001, 1509; bei Ungewissheit der Rückkehr ist eine auflösende Bedingung möglich nach BAG v. 29.6.2011, NZA 2011, 1346 mit Anm. Bauer, ArbR Aktuell, 2011, 614, auch wenn der Arbeitgeber hier weiterhin ebenfalls von einer Rückkehr ausgehen kann. 54 BAG v. 13.10.2004, DB 2005, 504. 55 BAG v. 20.2.2002, NZA 2002, 896. 56 BAG v. 15.2.2006, NZA 2006, 781. 57 BAG v. 20.1.1999, NZA 1999, 928. 58 BAG v. 15.2.2006, NZA 2006, 781. 59 BAG v. 14.4.2010, NZA 2010, 942. 60 BAG v. 20.1.2010, BB 2010, 2054; v. 15.2.2006, NZA 2006, 781.

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der Vertretung ermöglicht werden.61 Allerdings reicht eine bloße gedankliche Zuordnung, auch wenn sie nach außen erkennbar ist, nicht aus, wenn der Vertreter nur eine vorübergehend innerhalb des Unternehmens abgeordnete Stammkraft vertreten soll.62 Keine Vertretung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer als Ersatz für einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer eingestellt wird, auch wenn eine Wiedereinstellungszusage vorliegt. Jedoch kann dies ein sonstiger Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG sein, wenn eine Geltendmachung der Zusage ernsthaft zu erwarten ist und die befristete Einstellung geeignet ist, den Arbeitsplatz des Ausgeschiedenen freizuhalten.63 Auch die Vereinbarung von Altersgrenzen sieht die Rechtsprechung zwar als Befristung an, die Anforderungen an den sachlichen Grund sind allerdings auch unter Berücksichtigung des AGG weniger streng.64

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Sachlich begründet ist die Befristung auch, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung sie rechtfertigt, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG. Dies ist ein recht enger Tatbestand, der im Wesentlichen beschränkt ist auf Verträge im Bereich des Rundfunks,65 der Künstler66 und Nachwuchssportler.

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Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG ist auch die Befristung zur Erprobung sachlich gerechtfertigt. Sachlicher Grund für die Vereinbarung einer Probezeit von einem Jahr kann die Bewährung des Arbeitnehmers sein, sofern der Arbeitgeber sich bei Bewährung zur Übernahme verpflichtet.67 An dem sachlichen Grund der Erprobung fehlt es aber, wenn der Arbeitnehmer bereits ausreichende Zeit bei dem Arbeitgeber mit den nunmehr von ihm zu erfüllenden Aufgaben beschäftigt war und der Arbeitgeber deshalb die Fähigkeiten ausreichend beurteilen konnte.68 Im Übrigen geht das BAG davon aus, dass entsprechend § 622 Abs. 3 BGB und § 1 KSchG eine Probezeit von sechs Monaten im Allgemeinen ausreicht.69

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Praxistipp: Da eine anschließende Befristung ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ausgeschlossen ist, empfiehlt sich für die Erprobung eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG.

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Auch Gründe in der Person des Arbeitnehmers können die Befristung rechtfertigen, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG. Namentlich kann auch auf Wunsch des Arbeitnehmers wirksam befristet werden. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer das Angebot des Arbeitgebers, ihn unbefristet zu beschäftigen, abgelehnt und auf der Befristung bestanden hat.70 Soziale Erwägungen können einen Befris-

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61 BAG v. 18.4.2007, NZA-RR 2008, 219. 62 BAG v. 16.1.2013, NZA 2013, 611, wonach eine „gedankliche Zuordnung“ nur zulässig sein soll, wenn der Vertretene vollständig aus dem Unternehmen abwesend ist. 63 BAG v. 2.6.2010, NZA 2010, 1293. 64 Vgl. im Einzelnen oben Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Altersgrenze“, Rz. 86, M 3.1 § 16 Abs. 3 m. Anm. 65 BAG v. 26.7.2006, NZA 2007, 147. 66 Vgl. Opolony, NZA 2001, 1351. 67 BAG v. 31.8.1994, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 163. 68 Dies ist nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer im Probearbeitsverhältnis eine höherwertige Tätigkeit zugewiesen wird, BAG v. 23.6.2004, DB 2004, 2585, oder wenn die Probezeit wegen besonderer Umstände nicht ausreichte, BAG v. 2.6.2010, NZA 2010, 1293. 69 BAG v. 2.6.2010, NZA 2010, 1293, wobei aber auch einschlägige Tarifverträge Anhaltspunkte sein können, so dass im Einzelfall auch nur kürzere Probezeiten zulässig sein könnten. 70 Vgl. BAG v. 19.1.2005, NZA 2005, 896; v. 6.11.1996, EzA BGB § 620 Nr. 146.

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tungsgrund darstellen, wenn es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck nicht zum Abschluss eines unbefristeten oder befristeten Arbeitsvertrages gekommen wäre.71 18

Haushaltsrechtliche Gründe (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG)72 rechtfertigen die Befristung eines Arbeitsvertrages, wenn der öffentliche Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf Grund konkreter Tatsachen die Prognose erstellen kann, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur vorübergehend zur Verfügung stehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Einstellung nur mit Haushaltsmitteln möglich ist, die durch Beurlaubung der Stammkraft vorübergehend frei werden,73 oder der Haushaltsgesetzgeber eine für die Beschäftigung eines Beamten bestimmte Planstelle nur vorübergehend für die Besetzung mit einem Angestellten freigegeben hat,74 oder wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind und er entsprechend beschäftigt wird; die Haushaltsmittel müssen allerdings zweckgebunden für die Erledigung von zeitlich begrenzten Tätigkeiten und dürfen nicht nur allgemein für die befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern zugewiesen sein.75 Ein vorübergehender Mehrbedarf an Arbeitskräften ist wie bei § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ausreichend, wobei es anders als dort genügt, dass der Mehrbedarf während der Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses besteht, dh. die Prognose muss sich nicht darauf erstrecken, dass die Arbeit nach Befristungsende wieder mit dem Stammpersonal bewältigt werden kann.76

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Wird die Befristung in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG), so ist sie wirksam, wenn eine frühere Befristung oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses streitig war.77 Erforderlich ist stets ein offener Streit der Parteien über die Rechtslage hinsichtlich des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses und ein Vergleichsabschluss unter Mitwirkung des Gerichts.78 Der Vergleich darf also nicht nur „inszeniert“ werden, um die Voraussetzungen einer Befristung zu schaffen. Ein von den Parteien vorgeschlagener Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO reicht allerdings nicht aus,79 vielmehr ist ein entsprechender Vorschlag des Gerichts gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1

71 BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 727 zum Ruhen des Vollzeitarbeitsverhältnisses während der befristeten Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung für einen schwerbehinderten Arbeitnehmer. 72 Die Vereinbarkeit dieser Regelung mit Europarecht stellt das BAG selbst in Frage, da so für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Sektor ein zusätzlicher Befristungsgrund geschaffen wurde, der im privaten Bereich nicht zur Verfügung steht, was gleichheitswidrig bzw. von der entsprechenden Rahmenvereinbarung nicht gedeckt sein könnte, vgl. BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 674. Eine Entscheidung des EuGH bzw. ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen steht allerdings noch aus. 73 BAG v. 15.8.2001, DB 2002, 152. 74 BAG v. 7.7.1999, NZA 2000, 591. 75 BAG v. 18.10.2006, NZA 2007, 332; v. 17.3.2010, NZA 2010, 633; zudem muss der Haushaltsplangeber unmittelbar demokratisch legitimiert sein und darf nicht identisch mit dem Arbeitgeber sein, BAG v. 9.3.2011, NZA 2011, 911. 76 BAG v. 7.5.2008, NZA 2008, 880. 77 Vgl. BAG v. 4.12.1991, EzA BGB § 620 Nr. 113. Vgl. auch § 14 Abs. 1 TzBfG. 78 BAG v. 26.4.2006, DB 2006, 2070. 79 BAG v. 15.2.2012, DB 2012 1573 mit Anm. Kern, FD-ArbR, 2012, 334950.

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Alt. 2 ZPO notwendig.80 Der außergerichtliche Vergleich rechtfertigt nach der Neufassung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG keine Befristung.81 aa) Kalendermäßige Befristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 1 TzBfG (M 6.1.1) Dies ist der häufigste Fall des befristeten Arbeitsverhältnisses. Wichtig ist, dass der Endzeitpunkt eindeutig bestimmt, jedenfalls aber einfach zu errechnen ist. Die bloße Unsicherheit der künftigen Entwicklung des Arbeitsanfalls und des Arbeitskräftebedarfs gehört allerdings grundsätzlich zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers. Er kann sich bei nicht oder nur schwer vorhersehbarem quantitativem Bedarf nicht darauf berufen, mit befristeten Arbeitsverträgen könne er leichter und schneller auf Bedarfsschwankungen reagieren.82

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bb) Zweckbefristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 2 TzBfG (M 6.1.2; M 6.1.5) Neben kalendermäßigen Befristungen sind auch Zweckbefristungen zulässig, wenn die Beendigung von einem Ereignis abhängig gemacht wird, dessen Eintritt die Parteien als sicher, den Zeitpunkt jedoch als ungewiss ansehen.83 Dies gilt insbesondere bei der Vertretung eines erkrankten Arbeitnehmers, da der Zeitpunkt der Genesung nicht sicher ist. Das Arbeitsverhältnis endet dann jedoch nicht mit dem Tag, an dem der Befristungszweck endet (zB Genesung des vertretenen Arbeitnehmers), sondern nach § 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung84 durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung. Für die Unterrichtung trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. § 15 Abs. 5 TzBfG fingiert gesetzlich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, wenn der Arbeitgeber diese Mitteilung unterlässt oder verspätet, dh. nicht unverzüglich, abgibt. Der Arbeitgeber kann aber auch schon vor Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses widersprechen. Die Ablehnung des Wunsches des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich fortzusetzen, stellt regelmäßig einen Widerspruch iSd. § 15 Abs. 5 TzBfG dar.85 Eine besondere gesetzlich geregelte Zweckbestimmung enthält § 21 Abs. 3 BEEG zur Schwangerschaftsvertretung; dazu unten unter Rz. 30. In der schriftlichen Vereinbarung über die Zweckbefristung muss der Zweck, mit dessen Erreichung das Arbeitsverhältnis enden soll, so genau bezeichnet sein, dass hieraus der Eintritt dieses Ereignisses zweifelsfrei feststellbar ist. Erforderlich ist ferner die Prognose, dass der Zweck tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt erreicht werden wird, auch wenn noch nicht feststeht, wann dies sein wird.86

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cc) Auflösende Bedingung In der Praxis seltener ist die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung. Deren Eintritt führt – wiederum bei Vorliegen eines sachlichen Grundes – zur Beendigung des 80 81 82 83 84

Vgl. Kern, FD-ArbR, 2012, 334950. Offen gelassen in BAG v. 24.6.1996, EzA BGB § 620 Nr. 139. BAG v. 13.11.1991, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 60; v. 16.10.1987, BAGE 56, 241, 249. BAG v. 26.3.1986, BB 1987, 1257. Gemäß § 126 BGB ist ein Original erforderlich, bzw. nach § 126a BGB die qualifizierte elektronische Form. 85 BAG v. 11.7.2007, NZA 2008, 1207. 86 BAG v. 15.5.2012, NZA 2012, 1366.

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Arbeitsverhältnisses. Sie wird vereinbart, wenn nicht nur unsicher ist, wann, sondern auch ob das die Bedingung auslösende Ereignis überhaupt eintritt. So kommt insbesondere die Einstellung „vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebs- bzw. Personalrats nach § 99 BetrVG“ in Betracht.87 Dagegen ist in einem Vertrag mit einem ausländischen Arbeitnehmer nur unter sehr engen Voraussetzungen die auflösende Bedingung zulässig, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Arbeitserlaubnis endet.88 Für Fußballtrainer soll hingegen die Vereinbarung des Abstiegs in die Regionalliga als auflösende Bedingung zulässig sein.89 Auch der Entzug einer Einsatzgenehmigung durch die US-Streitkräfte kann als auflösende Bedingung vereinbart werden, sofern für die Arbeitnehmer danach keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht.90 Das gleiche gilt für Krankheitsvertretungen, wenn die Genesung ungewiss ist.91 Auch ist die tarifliche Anknüpfung an eine Betriebsrentenberechtigung als auflösende Bedingung grundsätzlich möglich, greift aber nur, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr auf einem anderen ihm zumutbaren, freien Arbeitsplatz beschäftigt werden kann.92 Schließlich ist auch die Kombination von auflösender Bedingung und Zeitbefristung möglich. Der Vorteil einer Kombination liegt in der Auffangwirkung der Zeitbefristung. Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit dem Ablauf der Zeitbefristung, auch wenn vorher bereits die auflösende Bedingung eingetreten ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer (versehentlich) widerspruchslos weiterbeschäftigt.93 dd) Befristung einzelner vertraglicher Bestimmungen 23

Die Vorschriften des TzBfG sind auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht anwendbar.94 Formularmäßige Befristungen einzelner Arbeitsbedingungen sind bei ansonsten unbefristetem Vertrag an den §§ 307 ff. BGB zu messen. Anders als früher bedarf es für eine solche Befristung keines sachlichen Grundes mehr. Bei der Angemessenheitskontrolle ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass der Arbeitnehmer ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der unbefristeten Vereinbarung der Arbeitsbedingungen hat. Die bloße Ungewissheit über einen künftigen Arbeitskräftebedarf reicht damit zB nicht aus, die Befristung von Arbeitszeiterhöhungen zu rechtfertigen.95 Je größer der Umfang einer vorübergehenden Arbeitszeiterhöhung ist, umso mehr Ähnlichkeit besteht zu einem zusätzlichen befristeten Arbeitsvertrag. Deshalb ist eine erhebliche befristete Aufstockung nur wirksam, wenn auch ein befristeter Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG wirksam gewesen wäre.96 b) Befristung auf Grund gesetzlicher Regelungen

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Auf Grund folgender gesetzlicher Sonderregelungen sind Befristungen auch ohne sachlichen Grund wirksam: 87 88 89 90 91 92 93 94 95

Vgl. LAG Niedersachsen v. 26.2.1980, DB 1980, 1799. LAG Köln v. 18.4.1997, NZA-RR 1997, 476, 477. BAG v. 4.12.2002, NZA 2003, 611. BAG v. 19.3.2008, DB 2008, 1976. BAG 29.6.2011, NZA 2011, 1346. Vgl. BAG v. 27.7.2011, EzA TzBfG § 17 Nr. 14 zur tariflichen „Postbeschäftigungsunfähigkeit“. Vgl. BAG v. 29.6.2011, NZA 2011, 1346; Linsenmaier, RdA 2012, 193. BAG v. 8.8.2007, NZA 2008, 229; v. 18.1.2006, NZA 2007, 351. Vgl. BAG v. 27.7.2005, NZA 2006, 40; vgl. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Befristung einzelner Vertragsteile“, Rz. 96. 96 Vgl. BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 674.

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aa) § 14 Abs. 2 (M 6.1.6), 2a, 3 TzBfG Gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG ist die Befristung eines neu abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses bis zur Dauer von zwei Jahren wirksam.97 Die Angabe des § 14 Abs. 2 TzBfG als Befristungsgrund im Arbeitsvertrag ist nicht erforderlich.98 Bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages zulässig.99 Eine Vertragsverlängerung setzt zwar nicht voraus, dass die Bedingungen des Ausgangsvertrages während der Gesamtdauer der Vertragslaufzeit unverändert beibehalten werden. Die Änderung der Arbeitsbedingungen darf aber nicht im Zusammenhang mit der Vertragsverlängerung erfolgen, anderenfalls entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.100 Das gilt auch bei Vereinbarung von für den Arbeitnehmer günstigeren Arbeitsbedingungen,101 zB dem Wegfall eines ordentlichen Kündigungsrechtes im Anschlussvertrag.102 Zulässig sind aber bloße Anpassungen des Vertragstextes an die geltende Rechtslage oder die Vereinbarung von Arbeitsbedingungen, auf die der befristet beschäftigte Arbeitnehmer einen Anspruch hat.103

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Bestand bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis104 mit demselben Arbeitgeber,105 so ist eine Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG unzulässig, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.106 Dabei sind nach neuerer Rechtsprechung des BAG

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97 Das gilt auch für Betriebsratsmitglieder, BAG v. 5.12.2012, NZA 2013, 515. 98 BAG v. 24.10.2001, DB 2002, 536, 537; auch die Angabe eines Sachgrundes für die Befristung verhindert in der Regel nicht, dass sich der Arbeitgeber zusätzlich auf § 14 Abs. 2 TzBfG berufen kann, BAG v. 29.6.2011, NZA 2011, 1151. 99 Dies gilt auch bei Verlängerung eines mit Sachgrund befristeten Vertrags, wenn die Verlängerung ohne Sachgrund erfolgen soll, ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 97 und Däubler/ Hjort/Schubert/Wolmerath/Tillmanns, § 14 TzBfG Rz. 82; aA Städler, NZA 2012, 1082, der eine vorherige Befristung mit Sachgrund nicht in den Zwei-Jahres-Zeitraum einrechnen will. 100 BAG v. 18.1.2006, NZA 2006, 605; kritisch Richter/Wilke, RdA 2011, 305. 101 BAG v. 23.8.2006, NZA 2007, 204 mit krit. Anm. Bauer, NZA 2007, 208. 102 BAG v. 20.2.2008, NZA 2008, 883. 103 BAG v. 16.1.2008, NZA 2008, 701 bzgl. des Anspruchs aus § 9 TzBfG nach entsprechendem Erhöhungsverlangen. 104 Ein Berausausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis in diesem Sinne, BAG v. 21.9.2011, NZA 2012, 255; vgl. auch Hunold, NZA 2012, 431 sowie kritisch Jörchel, NZA 2012, 1065. 105 BAG v.16.7.2008, NZA 2008, 1347; v. 25.4.2001, NZA 2001, 1384: Arbeitgeber ist die natürliche oder juristische Person, mit der der Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Bei einem Gemeinschaftsbetrieb kommen daher Befristungen mit beiden Betriebsinhabern in Betracht. Vgl. zur Arbeitgebereigenschaft auch BAG v. 10.11.2004, NZA 2005, 514: Wird ein Unternehmen nach § 2 Nr. 1 UmwG mit einem anderen Unternehmen durch Aufnahme verschmolzen, ist das übernehmende Unternehmen nicht derselbe Arbeitgeber wie das übertragende Unternehmen. Auch die Überlassung eines Arbeitnehmers an seinen vormaligen Vertragsarbeitgeber, bei dem er zuvor zwei Jahre sachgrundlos befristet beschäftigt war, führt nicht zur Unwirksamkeit einer anschließend mit dem Verleiher iSd. § 1 AÜG nach § 14 Abs. 2 TzBfG vereinbarten sachgrundlosen Befristung, BAG v. 18.10.2006, NZA 2007, 443; vgl. dazu Bauer/Fischinger, DB 2007, 1410; im Übrigen ist ein Rechtsmissbrauch nur bei besonderen Anzeichen anzunehmen, vgl. BAG v. 9.3.2011, NZA 2011, 1147 das mehrere mögliche Anzeichen aufzählt. Eine Beschäftigung im Rahmen einer unwirksamen Arbeitnehmerüberlassung gilt dagegen als Vorbeschäftigung, BAG v. 18.7.2012, NZA 2012, 1369. 106 § 14 Abs. 2 Satz 3 und 4 TzBfG enthalten aber eine weit reichende Öffnungsklausel für Tarifverträge, deren Anwendung auch nicht Tarifgebundene vereinbaren können. Dabei können Gesamtdauer und Anzahl möglicher Verlängerungen auch zuungunsten der Arbeitnehmer vereinbart werden, BAG v. 15.8.2012, DB 2012, 2697. Bislang nicht geklärt ist, wo mögliche Grenzen der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien liegen.

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Kap. 6

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parallel zur regelmäßigen Verjährungsfrist nur Beschäftigungen innerhalb der letzten drei Jahre zu berücksichtigen.107 Zur Klärung der Vorbeschäftigung steht dem Arbeitgeber ein Fragerecht zu, das bei unrichtiger Beantwortung zur Anfechtung nach § 123 BGB berechtigen kann.108 27

Praxistipp: Da den Arbeitgeber für den Anfechtungsgrund die Darlegungs- und Beweislast trifft, sollte eine entsprechende Erklärung vom Arbeitnehmer unterschrieben werden.

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In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist gemäß § 14 Abs. 2a TzBfG die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig;109 bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Für die Auslegung gelten die Grundsätze des § 112a Abs. 2 BetrVG, dem diese Vorschrift nachgestaltet ist; hier wie dort sind auch Neugründungen im Zusammenhang mit einer Konzernumstrukturierung ausgenommen, § 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG.110

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Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen v. 19.4.2007111 hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung des EuGH112 zum Verstoß von § 14 Abs. 3 TzBfG aF gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen Alters und dessen Unanwendbarkeitsausspruch reagiert.113 Trotz der auch hier bestehenden Zweifel dürfte die aktuelle Fassung des § 14 Abs. 3 TzBfG rechtswirksam sein.114 Danach ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos iSd. § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gewesen ist, Transferkurzarbeitgeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder III teilgenommen hat.115 Bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

107 BAG v. 6.4.2011, NZA 2011, 905 mit Anm. Tilch/Vennewald, NJW-Spezial 2011, 690; Kuhnke, NJW 2011, 3131 sowie BAG v. 21.9.2011, NZA 2012, 255; kritisch Höpfner, NZA 2011, 893. Da bislang unklar ist, ob § 199 Abs. 1 BGB anwendbar ist, sollte man ihn vorläufig beachten. 108 Bauer, BB 2001, 2473, 2476; NZA 2011, 241; Kliemt, NZA 2001, 296, 300; zur Anfechtung s. Kap. 21. 109 § 14 Abs. 2a TzBfG. 110 Meinel/Heyn/Herms, § 14 TzBfG Rz. 180 unter Hinweis auf den RegE BR-Drucks. 421/03 v. 19.6.2003, S. 22. 111 BGBl. I 2007, 538. 112 EuGH v. 22.11.2005, BB 2005, 2748. 113 Vgl. BAG v. 24.6.2006, DB 2006, 1734, wonach der EuGH hierbei nicht die ihm übertragenen Kompetenzen überschritten hat, sowie BAG v. 19.10.2011, BB 2011, 2739 zum „engen sachlichen Zusammenhang“ nach alter Rechtslage unter Bezug auf EuGH v. 10.3.2011, NZA 2011, 397. 114 Grimm/Brock, ArbRB 2007, 154, 155 f.; vgl. auch Kleinebrink, MDR 2007, 762. 115 Bisher nicht geklärt ist, ob § 14 Abs. 3 TzBfG auch den befristeten Abschluss von Arbeitsverhältnissen mit Rentnern erfasst, dafür Bauer/Gottschalk, BB 2013, 501; ablehnend von Steinau-Steinrück/Burkard-Pötter, NJW-Spezial 2012, 306.

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bb) § 21 BEEG, § 6 PflegeZG und § 9 FPfZG116 Die Vertretung einer Arbeitnehmerin für die Dauer der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz und für die Dauer der Elternzeit rechtfertigt gemäß § 21 BEEG die Befristung. Gemäß § 21 Abs. 3 BEEG muss der Fristablauf nicht einmal kalendermäßig bestimmt sein; eine Zweckbefristung reicht aus. Auch eine weiter gehende Befristung für notwendige Einarbeitungszeiten ist nach § 21 Abs. 2 BEEG zulässig; § 21 Abs. 4 BEEG enthält zudem ein Sonderkündigungsrecht des Arbeitgebers bei vorzeitiger Beendigung der Elternzeit. Entsprechende Regelungen treffen § 6 PflegeZG für die Dauer der Pflegezeit sowie § 9 Abs. 5 FPfZG für die Familienpflegezeit.117

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cc) Befristungen im Hochschulbereich Die zuvor im Hochschulrahmengesetz enthaltenen Vorschriften zur Befristung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals wurden durch das am 18.4.2007 in Kraft getretene Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) aufgehoben. Der Abschluss befristeter Arbeitsverhältnisse mit diesen Mitarbeitern an Hochschulen und Forschungseinrichtungen richtet sich nunmehr nach diesem Gesetz, wobei das Recht der Hochschulen, unbefristete oder nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes befristete Arbeitsverhältnisse abzuschließen, unberührt bleibt, § 1 Abs. 2 WissZeitVG.

31

Gemäß § 2 Abs. 1 WissZeitVG kann das wissenschaftliche und künstlerische Personal, das nicht promoviert ist, bis zu sechs Jahre befristet beschäftigt werden. Auch studentische Hilfskräfte sind nach zutreffender Ansicht vom Anwendungsbereich des WissZeitVG erfasst. Für sie gilt die Besonderheit, dass ihre Beschäftigungszeiten vor Abschluss des Studiums auf eine danach erfolgende Beschäftigung an der Hochschule gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG nicht angerechnet werden.118 Nach Abschluss der Promotion ist eine Befristung bis zur Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren zulässig. Daneben regelt § 2 Abs. 2 WissZeitVG die Befristung von Arbeitsverträgen auf Grund von Drittmittelfinanzierung, und zwar gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 WissZeitVG auch für nichtwissenschaftliches und nichtkünstlerisches Personal.119 Erforderlich ist, dass die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird,120 die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe oder Zeitdauer bewilligt ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung entsprechend beschäftigt wird.121 Außerdem ist das Zitiergebot des § 2 Abs. 4 WissZeitVG zu beachten.

32

116 Hierzu auch Einf. Kap. 17 Rz. 17 f. und Rz. 42. 117 Vgl. zu den Einzelheiten Göttling/Neumann, NZA 2012, 119; Barkow von Creytz, DStR 2012, 191; Glatzel, NJW 2012, 1175. 118 Zu Einzelheiten der Befristung von Arbeitsverhältnissen mit studentischen Hilfskräften Haratsch/Holljesiefken, NZA 2008, 207. 119 Vgl. umfassend Müller, öAT 2010, 224. 120 Dies ist der Fall, wenn ein Forschungsvorhaben nicht aus den der Hochschule zur Verfügung stehenden regulären Haushaltsmitteln, sondern anderweitig finanziert wird, BAG v. 22.11. 1995, BAGE 81, 300. Dabei ist eine konkrete aufgaben- und zeitbezogene Mittelzuweisung erforderlich. Die Drittmittel müssen hinreichend zweckgebunden und für eine von vornherein feststehende Zeitspanne zur Verfügung gestellt sein, BAG v. 13.2.2013, DB 2013, 1556. 121 Nicht jede projektfremde Tätigkeit steht der Wirksamkeit einer Befristung entgegen. Ist aber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses absehbar, dass der Arbeitnehmer überwiegend nicht projektbezogen eingesetzt, sondern mit Daueraufgaben des Arbeitgebers beschäftigt werden wird, so ist die Befristung unwirksam, BAG v. 15.2.2006, ZTR 2006, 509.

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Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

32a

Die alten Befristungsregeln der §§ 57b Abs. 1, 57d, 57f Abs. 2 Satz 1 HRG bewirken keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters iSd. Richtlinie 2000/78/EG.122 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt nach dem Wegfall der Rahmengesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen (Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG aF) nunmehr als konkurrierende Gesetzgebung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (Arbeitsrecht), so dass abweichende landesrechtliche Befristungsregeln im Hochschulbereich nicht mehr möglich sind.123

33

Praxistipp: Der Arbeitgeber sollte darauf achten, dass er nach Ablauf der Befristung keine Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers entgegennimmt. Andernfalls gilt gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG124 das Arbeitsverhältnis als unbefristet. Diese Regelung ist nach § 22 TzBfG zwingend. Die Verlängerung soll auch dann eintreten, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur deshalb fortsetzt, weil er sich über die rechtlichen Grundlagen irrt, namentlich der Vorgesetzte keine Kenntnis von dem Ablauf der Befristung hatte.125

2. Teilzeitarbeit (M 6.2.1) 34

Die Arbeitsvertragsparteien legen den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag frei fest. Teilzeitbeschäftigt sind Arbeitnehmer, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die regelmäßige Wochenarbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 1 TzBfG). Ist eine regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht vereinbart, so ist die regelmäßige Arbeitszeit maßgeblich, die im Jahresdurchschnitt unter der eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers liegt (§ 2 Abs. 1 TzBfG; etwas anders noch § 2 Abs. 2 BeschFG). Fehlt eine Teilzeitvereinbarung, liegt im Zweifel ein Vollzeitarbeitsverhältnis vor.126

35

Ohne ausdrückliche Vereinbarung ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers zur Lage und Dauer der Arbeitszeit im Teilzeitarbeitsverhältnis eingeschränkt, da der Teilzeitarbeitnehmer auch anderen Tätigkeiten nachgeht. Ein Genehmigungsvorbehalt im Arbeitsvertrag erstreckt sich allerdings auch auf Nebentätigkeiten.127 a) Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit

36

§ 8 Abs. 1 TzBfG gewährt dem Arbeitnehmer, auch wenn er bereits in Teilzeit arbeitet,128 nach Maßgabe von § 8 Abs. 2–7 TzBfG einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit.

37

Wichtig: Teilzeitarbeit liegt nicht nur bei Verkürzung der täglichen Arbeitszeit, sondern auch bei Verkürzung der Wochen-, Monats- oder Jahresarbeitszeit vor. Daher ist das Verlangen nach Langzeiturlaub (Sabbatical), Monatsstundenkontingenten oder bestimmten Monaten mit und ohne Arbeitsleistung129 ein Verlangen 122 123 124 125 126 127 128 129

BAG v. 19.3.2008, NZA 2009, 84. Haratsch/Holljesiefken, NZA 2008, 207, 211. Dies gilt auch für zweckbefristete Arbeitsverhältnisse. LAG Düsseldorf v. 26.9.2002, DB 2003, 668. BAG v. 21.6.2011, AP BGB § 307 Nr. 54. Vgl. BAG v. 30.5.1996, NZA 1997, 145. § 8 TzBfG gilt auch für Teilzeitbeschäftigte, BAG v. 13.11.2012, NJW 2013, 1835. LAG Düsseldorf v. 25.8.2011, LAGE § 8 TzBfG Nr. 20; v. 1.3.2002, NZA-RR 2002, 407; ablehnend dagegen LAG Düsseldorf v. 17.5.2006, DB 2006, 1682 mit der Begründung, § 8 TzBfG gewähre nur einen Anspruch auf verhältnismäßige Herabsetzung der vereinbarten

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Kap. 6

im Sinne von § 8 Abs. 1 TzBfG. Es sind praktisch alle denkbaren Arbeitszeitmodelle vom TzBfG erfasst.130 Der Anspruch auf Teilzeitarbeit besteht nach § 8 Abs. 1 TzBfG für alle Arbeitnehmer, also auch leitende Angestellte, Führungskräfte und befristet Beschäftigte. Bereits in Teilzeit Beschäftigte können eine weitere Verringerung ihrer Arbeitszeit verlangen.131 Der persönliche Anwendungsbereich ist allerdings auf Arbeitnehmer beschränkt, deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Antragstellung mehr als sechs Monate bestanden132 hat. Der sachliche Anwendungsbereich umfasst Arbeitgeber, die in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen (ohne Auszubildende).133

38

b) Geltendmachung des Teilzeitanspruchs (M 6.2.2; M 6.2.3) Der Arbeitnehmer muss seinen Anspruch spätestens drei Monate vor Beginn der gewünschten Teilzeitarbeit unter Angabe des Umfangs der Verringerung geltend machen.134 Die Einhaltung dieser Mindestfrist ist jedoch keine materiell-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung.135 Ein zu kurzfristig gestelltes Teilzeitverlangen richtet sich hilfsweise auf den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer die Verringerung frühestmöglich verlangen kann. Ein zu kurzfristig gestelltes Änderungsverlangen kann allerdings die in § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG geregelte Zustimmungsfiktion nicht auslösen, auch dann nicht, wenn sich der Arbeitgeber sachlich darauf einlässt.136 Im Übrigen wirkt ein Verzicht des Arbeitgebers auf die Einhaltung der Drei-Monats-Frist zu Gunsten des Arbeitnehmers und ist daher nach § 22 Abs. 1 TzBfG zulässig. Ein solcher Verzicht ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber trotz Fristversäumnis mit dem Arbeitnehmer ohne jeden (zeitlichen) Vorbehalt erörtert, ob dem Teilzeitverlangen betriebliche Gründe entgegenstehen.137

39

Die Geltendmachung unter Angabe der gewünschten Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit kann mündlich erfolgen.138 § 8 Abs. 1 und 2 TzBfG enthalten kein Formerfordernis und sind nach § 22 Abs. 1 TzBfG vertraglich nicht abdingbar. Da an die Geltendmachung des Anspruchs die Frist des § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG geknüpft ist und der Arbeitnehmer den Zugang zu beweisen hat, ist die Schriftform

40

130 131 132 133

134 135 136 137 138

Wochen- bzw. Monatsarbeitszeit, sei aber kein „Sabbatical-“ oder Sonderurlaubsgesetz, das den Arbeitnehmern größtmögliche Flexibilisierung der Arbeitszeiten, angepasst an ihre individuellen Bedürfnisse, ermöglichen wolle. Dies dürfte aber auch BAG v. 18.8.2009, NZA 2009, 1207 widersprechen. Meinel/Heyn/Herms, § 8 TzBfG Rz. 26. Vgl. § 8 Abs. 6 TzBfG. Elternzeiten werden mitgerechnet, da das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit fortbesteht. Insoweit sind alle Arbeitnehmer des Unternehmens zu zählen; Teilzeitbeschäftigte zählen als ein Arbeitnehmer, § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG ist nicht entsprechend anwendbar. Diese Kleinunternehmensklausel ist laut LAG Köln v. 18.1.2002, LAGReport 2002, 193, verfassungsgemäß. Die gewünschte Verteilung muss nicht, sollte aber angegeben werden, um eine Erörterung zu ermöglichen und ggf. die Fiktionswirkung auszulösen, vgl. Rz. 40 und Oelkers, NJWSpezial 2010, 562. BAG v. 20.7.2004, NZA 2004, 1090; aA Schulte, DB 2001, 2144; Preis/Gotthardt, DB 2001, 145. BAG v. 20.7.2004, NZA 2004, 1090. BAG v. 14.10.2003, DB 2004, 986. BAG v. 23.11.2004, NZA 2005, 769.

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Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

jedoch anzuraten. Der Arbeitnehmer ist an seinen Antrag bis zum Ablauf der dem Arbeitgeber nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG eingeräumten Überlegungsfrist gebunden und kann nach einer Ablehnung durch den Arbeitgeber einen erneuten Antrag nur nach § 8 Abs. 6 TzBfG stellen.139 Ein Verringerungsangebot, das den Umfang der zu reduzierenden Arbeitszeit offen lässt und dem Arbeitgeber auch kein entsprechendes Recht zur Bestimmung des zeitlichen Umfangs einräumt, ist nicht hinreichend bestimmt und löst weder die Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG noch die zweijährige Sperrfrist gemäß § 8 Abs. 6 TzBfG aus.140 Zu einer nur befristeten Verringerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer nicht nach § 8 Abs. 1, 2 TzBfG die Zustimmung des Arbeitgebers verlangen.141 41

Der Arbeitnehmer muss sich bei der Angabe der Arbeitszeitreduzierung nicht im Rahmen seines bisherigen Arbeitszeitmodells halten, dh. es ist keine Reduzierung bei Wochenarbeitszeit bezogen auf Wochen, bei anderen Arbeitszeitmodellen auf den entsprechenden Zeitraum nötig.142 c) Ablehnung des Teilzeitantrags (M 6.2.4)

42

Vor der Ablehnung eines Teilzeitantrags soll der Arbeitgeber zunächst eine Erörterung mit dem Ziel einer Vereinbarung gemäß § 8 Abs. 3 TzBfG mit dem Arbeitnehmer durchführen.143

43

Der Arbeitgeber hat bis einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung seine Entscheidung schriftlich mitzuteilen, § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG. Die Schriftform des § 126 BGB ist einzuhalten;144 E-Mail145 oder Fax146 genügen nicht. Die Angabe von konkreten Ablehnungsgründen verlangt das Gesetz nicht.147 Lehnt der Arbeitgeber nicht form- und fristgemäß ab, so tritt die Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG ein: Die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit und deren Verteilung sind entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festgelegt. Es handelt sich um gesetzliche Fiktionen arbeitsvertraglicher Vereinbarungen zur Dauer und Lage der Arbeitszeiten. Da die Verteilung der Arbeitszeit nur Annexfunktion zum gesetzlich nor139 BAG v. 24.6.2008, NZA 2008, 1289. 140 BAG v. 16.10.2007, NZA 2008, 289 sowie BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 729/07 mit Anm. Ahrendt in jurisPR-ArbR 13/2012, wonach das Angebot durch ein schlichtes „Ja“ annehmbar sein muss; evtl. ist hier jedoch problematisch, inwieweit alternative Angebote noch zulässig sind. Diese sind kaum durch ein schlichtes „Ja“ annehmbar. Jedoch dürften sie uE zulässig sein, da sie nur den Spielraum des Arbeitgebers erweitern, innerhalb dessen der Arbeitgeber im Rahmen des § 106 GewO frei entscheiden kann. Dies wiederum muss zulässig sein, da die Verteilung der Arbeitszeit auch vollkommen dem Arbeitgeber überlassen werden kann. 141 BAG v. 12.9.2006, NZA 2007, 253. 142 BAG v. 18.8.2009, NZA 2009, 1207, vgl. auch Rz. 37. 143 Entgegen LAG Düsseldorf v. 1.3.2002, NZA-RR 2002, 407 führt die fehlende Verhandlung jedoch nicht zur fingierten Vertragsänderung nach § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG; vielmehr kommt es auch bei fehlender Verhandlung lediglich darauf an, ob betriebliche Gründe dem Arbeitszeitwunsch entgegenstehen, BAG v. 18.2.2003, NZA 2003, 911. 144 AA Hanau, NZA 2001, 1168, 1171. 145 Gemäß §§ 126 Abs. 3, 126a BGB genügt eine E-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur nach dem Signaturgesetz der Schriftform. 146 Meinel/Heyn/Herms, § 8 TzBfG Rz. 88. 147 Straub, NZA 2001, 919, 924.

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mierten Anspruch auf Teilzeitarbeit hat, ist eine isolierte Fiktion der Arbeitszeitverteilung ohne Arbeitszeitverringerung nicht möglich.148 d) Klage auf Teilzeitarbeit aa) Klageart bei wirksamer Ablehnung des Arbeitgebers (M 6.2.5) Lehnt der Arbeitgeber den Antrag zur Arbeitszeitverringerung wirksam ab, so muss der Arbeitnehmer seinen Anspruch gerichtlich mit einer Leistungsklage durchsetzen. Der Klageantrag richtet sich auf Abgabe einer Willenserklärung des Arbeitgebers mit dem Inhalt der Zustimmung zur gewünschten Verringerung der Arbeitszeit.149 Verbindet der Arbeitnehmer hiermit die Neuverteilung der Arbeitszeit, liegt regelmäßig nur ein prozessualer Anspruch und damit ein einheitlicher Klageantrag vor. Das Arbeitsgericht hat über den Antrag im Ganzen zu entscheiden und darf ihn nicht in zwei prozessuale Ansprüche aufteilen.150 Die Klage auf Verringerung der Arbeitszeit ist unbegründet, wenn der Arbeitnehmer die Verringerung der Arbeitszeit in Gestalt eines einheitlichen Vertragsangebots an eine bestimmte Verteilung knüpft und schon auf diese Verteilung der Arbeitszeit kein Anspruch besteht.151 Eine isolierte Klage auf Neuverteilung der Arbeitszeit ist demgegenüber möglich, wenn der Arbeitgeber einem vorausgegangenen Verringerungswunsch zugestimmt, den Neuverteilungsantrag aber abgelehnt hat.152 Umstritten ist, ob es sich bei der Festlegung der Arbeitszeitverteilung um eine Vertragsabrede153 oder um eine Ausübung des Direktionsrecht154 handelt. Prozessual ist dies unerheblich, da die Ausübung des Direktionsrechts eine geschäftsähnliche Handlung ist. Als solche kann sie ebenso wie eine Willenserklärung mit der Leistungsklage verlangt und entsprechend § 894 ZPO vollstreckt werden.155

44

Einem isolierten Antrag auf Neuverteilung der Arbeitszeit fehlt die Anspruchsgrundlage, da die Neuverteilung nur Annex zum Verringerungsanspruch ist.156

45

bb) Entgegenstehende betriebliche Gründe Der Arbeitgeber kann gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegenstehende betriebliche Gründe einwenden, und zwar sowohl gegen das Verlangen auf Reduzierung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit als auch gegen deren Verteilung. Hierfür trägt er die Darlegungs- und Beweislast.157 148 Preis/Gotthardt, DB 2001, 145, 147; aA Straub, NZA 2001, 919 f. 149 BAG v. 24.6.2008, NZA 2008, 1289; Diller, NZA 2001, 589; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 51. 150 BAG v. 18.2.2003, NZA 2003, 1392; aA LAG Berlin v. 18.1.2002, ArbuR 2002, 190; Grobys/ Bram, NZA 2001, 1175, 1177. 151 BAG v. 24.6.2008, NZA 2008, 1289. 152 BAG v. 16.12.2008, NZA 2009, 565. 153 ArbG Bonn v. 20.6.2001, NZA 2001, 973. 154 ArbG Stuttgart v. 23.11.2001, NZA-RR 2002, 183, 184; Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1176 und 1178. 155 Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1178. 156 ArbG Stuttgart v. 23.11.2001, NZA-RR 2002, 183, 185; Preis/Gotthardt, DB 2001, 145, 147; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 6 mwN; aA Straub, NZA 2001, 919, 920. 157 ArbG Stuttgart v. 5.7.2001, NZA 2001, 968; ArbG Mönchengladbach v. 30.5.2001, NZA 2001, 970; jedenfalls für eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast ArbG Bonn v. 20.6.2001, NZA 2001, 973, 974. Siehe auch BAG v. 8.5.2007, NZA 2007, 1349 zum vergleichbaren § 9

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(1) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verringerung 47

§ 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG führt als Beispiel für betriebliche Gründe, die einer Arbeitszeitverringerung entgegenstehen können, wesentliche Beeinträchtigungen der Organisation, des Arbeitsablaufs oder der Sicherheit im Betrieb oder unverhältnismäßig hohe Kosten auf. Im Allgemeinen genügen rational nachvollziehbare Gründe des Arbeitgebers. Dringende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich, die Gründe müssen jedoch hinreichend gewichtig sein. Auch aus einer Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zur Lage der Arbeitszeit kann sich ein entgegenstehender betrieblicher Grund ergeben.158 Die Prüfung erfolgt dreistufig:159 In der ersten Stufe ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber für erforderlich gehaltenen Arbeitszeitregelung ein Organisationskonzept zugrunde liegt.160 Die organisatorische Entscheidung für ein solches Konzept haben die Gerichte hinzunehmen, soweit sie nicht willkürlich ist.161 In einer zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit diese Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist auch zu prüfen, ob der Wunsch mit dem Arbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzepts durch eine zumutbare Änderung betrieblicher Abläufe oder des Personaleinsatzes in Einklang gebracht werden kann. Ist dies nicht der Fall, ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Belange zu prüfen. Dabei ist zu fragen, ob die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG genannten besonderen betrieblichen Belange oder das betriebliche Organisationskonzept und die ihm zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung wesentlich beeinträchtigt.

48

Die Gerichte stellen eher hohe Anforderungen.162 Der allgemein höhere Verwaltungs- und Betreuungsaufwand für Teilzeittätigkeiten kann für sich allein die Ablehnung des Teilzeitbegehrens nach § 8 TzBfG nicht rechtfertigen.163 Umsetzungen und Versetzungen im Rahmen des Direktionsrechts sollen dem Arbeitgeber zumutbar sein.164 Ein bestimmtes pädagogisches Konzept ist nur ein betrieblicher Grund, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass er dieses auch tatsächlich durchführt.165 Fehlende Ersatzarbeitskräfte mit dem Berufsbild des Arbeitnehmers rechtfertigen die Ablehnung nur, wenn der Arbeitgeber konkrete Bemühungen auf dem Arbeitsmarkt darlegen kann; erforderlich ist regelmäßig eine Nachfrage bei der Agentur für Arbeit

158

159 160 161 162 163 164 165

TzBfG („negative Anspruchsvoraussetzung“) und BAG v. 21.2.2012, NZA-RR 2012, 444 zum ähnlich lautenden § 2 Abs. 3 TV ATZ. BAG v. 16.12.2008, NZA 2009, 565. Offen lässt das BAG bisher die Frage, ob auch eine freiwillige Betriebsvereinbarung einem Teilzeitwunsch des Arbeitgebers entgegenstehen kann, vgl. BAG v. 24.6.2008, NZA 2008, 1309; vgl. Hamann, NZA 2010, 785 zu Beteiligungsrechten des Betriebsrats bei Teilzeit im Allgemeinen. BAG v. 24.6.2008, NZA 2008, 1309. Das Organisationskonzept muss jedoch auch praktisch umgesetzt werden, BAG v. 13.11.2007, NZA 2008, 314. Die Darlegung des Arbeitgebers, seine Arbeitsabläufe „bestmöglich“ und „effektiv“ gestalten zu wollen, ist zu allgemein, um ein von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf Willkür überprüfbares Organisationskonzept darstellen zu können, BAG v. 18.5.2004, DB 2004, 2701. BAG v. 13.11.2007, NZA 2008, 314; v. 16.10.2007, NZA 2008, 289; v. 8.5.2007, NJW 2007, 3661; s. auch die Übersicht bei Lorenz, NZA-RR 2006, 281. LAG Köln v. 15.3.2006, NZA-RR 2006, 515. ArbG Stuttgart v. 23.11.2001, NZA-RR 2002, 183. BAG v. 18.3.2003, DB 2004, 319.

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Kap. 6

sowie das Schalten zumutbarer Stellenausschreibungen.166 Der Haushalts- bzw. Stellenplan eines öffentlichen Arbeitgebers allein genügt nicht als Ablehnungsgrund.167 Ein Organisationskonzept, das in einer Vertriebsabteilung wegen des Kundenkontakts und der hausinternen Abstimmung größtmögliche Präsenz durch Vollzeitarbeitskräfte vorsieht, wurde anerkannt.168 Gleiches kann für das Prinzip „one face to customer“ für Mitarbeiter im Kassenbereich gelten.169 Ein Schichtplan, der nur Vollzeitkräfte vorsieht, genügt nur dann, wenn im Übrigen keine Teilzeitkräfte mit vergleichbaren Aufgaben beschäftigt werden.170 Arbeitszeitvorgaben eines Entleihers an den Verleiher als Arbeitgeber können nur dann genügen, wenn es keine anderen Einsatzmöglichkeiten als bei dem Entleiher gibt.171

49

Die Umstellung des Organisationskonzepts von einer Vollzeitstelle auf zwei Teilzeitstellen kann vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, wenn betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige Belange die Beschäftigung einer Vollzeitkraft erfordern und die Aufteilung auf zwei Teilzeitkräfte betriebswirtschaftlich nicht vernünftig erscheint.172 Der Arbeitgeber kann dem Verlangen des Arbeitnehmers nach Verringerung auch entgegenhalten, bei Gewährung von Teilzeit sei der Einsatz einer Ersatzkraft für die verbleibende Zeit erforderlich, deren laufende Fortbildung unverhältnismäßige zusätzliche Kosten verursachen würde.173 Auch die eingeschränkte Einplanbarkeit einer Flugbegleiterin im Rahmen aller Flugzeugumläufe wurde als betrieblicher Grund anerkannt.174

50

Praxistipp: Entscheidend ist die konkrete, detaillierte Darlegung eines unternehmerischen Organisationskonzeptes, verbunden mit dem konkreten Nachweis der Unvereinbarkeit des Teilzeitwunsches mit diesem Konzept.

51

Ablehnungsgründe können tarifvertraglich geregelt werden, § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG, und bei Bestehen einer solchen Regelung durch individualvertragliche Bezugnahme vereinbart werden, § 8 Abs. 4 Satz 4 TzBfG. Eine erhebliche Störung vom Arbeitgeber durchzuführender tariflicher Arbeitszeitmodelle stellt einen entgegenstehenden betrieblichen Grund gemäß § 8 Abs. 4 TzBfG dar.175 Eine bestimmte Quote von Teilzeitarbeitsverhältnissen im Verhältnis zu Vollzeitbeschäftigten (sog. Überforderungsquote) kann nur durch die Tarifvertragsparteien festgelegt werden, nicht jedoch durch die Betriebspartner.176 Schöpft der Arbeitgeber aber eine tarifliche Härtefallquote für einen Teilzeitanspruch nicht vollständig aus, kann dies gegen eine wesentliche Beeinträchtigung betrieblicher Belange sprechen.177

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166 BAG v. 27.4.2004, NZA 2004, 1225. 167 BAG v. 21.2.2012, NZA-RR 2012, 444. 168 BAG v. 30.9.2003, NZA 2004, 382; ablehnend dagegen LAG Köln v. 3.2.2006, NZA-RR 2006, 343, wonach eine unternehmerische Entscheidung, in Zukunft auf allen Arbeitsplätzen mit Kundenkontakt nur noch Vollzeitkräfte zu beschäftigen, zur Darlegung eines Organisationskonzepts alleine nicht genügt. 169 BAG v. 16.10.2007, NZA 2008, 289. 170 ArbG Frankfurt/M v. 19.12.2001, NZA-RR 2002, 402. 171 BAG v. 13.11.2012, DB 2013, 760. 172 LAG Düsseldorf v. 3.3.2004, DB 2004, 1562. 173 BAG v. 21.6.2005, DB 2006, 105. 174 BAG v. 15.8.2006, NZA 2007, 259. 175 BAG v. 13.11.2007, NZA 2008, 314. 176 BAG v. 24.6.2008, NZA 2008, 1309. 177 BAG v. 13.11.2007, NZA 2008, 314.

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Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

(2) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verteilung 53

Stimmt der Arbeitgeber der Verkürzung der Arbeitszeit zu, lehnt er aber deren gewünschte Verteilung ab,178 so ist auch diese Ablehnung nur wirksam, wenn die gewünschte Verteilung den Betrieb wesentlich beeinträchtigen würde. Das ergibt sich aus den in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG genannten Beispielsfällen, die auch für die Neuverteilung der Arbeitszeit gelten.179 Erforderlich ist daher auch hier ein betriebliches Organisationskonzept. Die Abweichung von einer Betriebsvereinbarung mit einer Regelung zur Arbeitszeitverteilung kann dann ein entgegenstehender Grund sein, wenn der Verteilungswunsch des Arbeitnehmers einen kollektiven Bezug hat.180 Dies ist regelmäßig der Fall, wenn es wegen der abweichenden Arbeitszeit zu Arbeitsverdichtung und Mehrarbeit kommt.181 Auch andere betriebsverfassungsrechtliche oder tarifvertragliche Regelungen stehen entgegen, wenn sie durch die individuelle Regelung verletzt werden.182 Die Betriebspartner sind nicht stets verpflichtet, im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums bei Abwägung von Individual- und Kollektivinteressen dem Interesse des Arbeitnehmers mit Familienpflichten den Vorrang einzuräumen.183

54

Praxistipp: Der Arbeitgeber kann vor seiner Entscheidung über die individuelle Arbeitszeitverteilung prüfen, ob er eine Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG184 ggf. als entgegenstehenden betrieblichen Grund geltend machen kann. (3) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt

55

Umstritten ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen von entgegenstehenden betrieblichen Gründen. Maßgeblich ist wohl der Zeitpunkt der Ablehnung durch den Arbeitgeber.185 cc) Klageart bei Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2 und/oder 3 (M 6.2.6)

56

Bei einer unwirksamen oder fehlenden Ablehnung des Antrags auf Teilzeitarbeit ist eine Feststellungsklage zulässig.186 Streitiges Rechtsverhältnis ist der Umfang der Pflicht zur Arbeitsleistung, dh., ob der Arbeitsvertrag durch die gesetzliche Fiktionen des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG geändert wurde. Hiervon zu trennen ist der Antrag zur Arbeitszeitverteilung. Wegen der Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG ist auch hier die Feststellung der neuen Arbeitszeiten zu beantragen.

178 Vgl. oben Rz. 40 f. 179 BAG v. 18.2.2003, NZA 2003, 1392. 180 Vgl. Hamann, NZA 2010, 785 zur Beteiligung des Betriebsrats bei Teilzeitansprüchen im Allgemeinen sowie zum „kollektiven Bezug“. 181 BAG v. 16.3.2004, DB 2004, 2320. 182 Buschmann, ArbuR 2002, 191, 192. 183 BAG v. 16.12.2008, NZA 2009, 565. 184 Für den Einzelfall sieht § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG kein Mitbestimmungsrecht vor, erforderlich ist stets ein kollektiver Tatbestand mit Auswirkungen nicht nur auf einen Arbeitnehmer, BAG v. 16.12.2008, NZA 2009, 565. 185 BAG v. 18.2.2003, NZA 2003, 911; aA LAG Niedersachsen v. 18.11.2002, DB 2003, 1064; Diller, NZA 2001, 589. 186 LAG Düsseldorf, NZA-RR 2002, 407, 408; Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1176 mwN.

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Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

Zusätzlich ist ein Leistungsantrag auf Beschäftigung zulässig, wenn der Arbeitgeber eine Beschäftigung zu den nunmehr geltenden Beschäftigungszeiten verweigert.187

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dd) Einstweilige Verfügung (M 6.2.7) Eine einstweilige Verfügung auf Beschäftigung zu einer bestimmten Arbeitsmenge und zu bestimmten Arbeitszeiten bedarf nach §§ 935, 940 ZPO, § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG eines Verfügungsgrundes und -anspruchs. Der Arbeitnehmer muss darlegen und glaubhaft machen, dass die Beschäftigung in dem Umfang und zu diesen Zeiten vertraglich geschuldet ist und dass die sofortige Beschäftigung zu diesen Bedingungen zur Abwendung ihm sonst drohender Nachteile dringend geboten ist.188

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Eine einstweilige Verfügung über den Teilzeitanspruch selbst, dh. den Anspruch auf Reduzierung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, wird von den Gerichten als zulässig angesehen.189 Wegen der teilweisen Befriedigung des streitigen Anspruchs sind an die Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs und -grundes hohe Anforderungen zu stellen.190 Aufgrund der Vorläufigkeit des Verfahrens müssen die Eingriffe in die Vertragsstruktur auf das notwendige Minimum beschränkt werden.191 Sie müssen zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten sein. Uneinigkeit besteht darüber, ob der Antrag auf einstweilige Zustimmung zur Arbeitszeitverringerung und -verteilung192 oder auf tatsächliche Beschäftigung193 zu richten ist. Richtigerweise ist sowohl Zustimmung als auch Beschäftigung zu beantragen, denn die Zustimmung ist Grundlage für den Anspruch auf Beschäftigung zu geänderten Bedingungen.194

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Die dringend gebotene Betreuung von Kindern wird als Verfügungsgrund anerkannt, sofern alle Bemühungen, die Betreuung in zumutbarer Weise durch Dritte sicherzustellen, fehlgeschlagen sind.195

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e) Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 5–7 BEEG196 Einen besonderen Anspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit gibt § 15 Abs. 5–7 BEEG.

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Für die Durchsetzung des Anspruchs ist eine schriftliche Mitteilung an den Arbeitgeber erforderlich, § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG. Der Antrag auf Verringerung der

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187 Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1176. 188 Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1181. 189 LAG Hamburg v. 4.9.2006, NZA-RR 2007, 122; LAG Rh.-Pf. v. 12.4.2002, NZA 2002, 856; ArbG Bonn v. 10.4.2002, NZA-RR 2002, 416; ArbG Berlin v. 12.10.2001, DB 2001, 2727; im Einzelnen Gotthardt, NZA 2001, 1183, 1185. 190 LAG Hamburg v. 4.9.2006, NZA-RR 2007, 122; LAG Rh.-Pf. v. 12.4.2002, NZA 2002, 856. 191 ArbG Berlin v. 12.10.2001, DB 2001, 2727, 2728. 192 Gotthardt, NZA 2001, 1183, 1187. 193 LAG Rh.-Pf. v. 12.4.2002, NZA 2002, 856, 858; LAG Berlin v. 20.2.2002, NZA 2002, 858, 859. 194 ArbG Berlin v. 12.10.2001, DB 2727, 2728. 195 LAG Rh.-Pf. v. 12.4.2002, NZA 2002, 856; LAG Berlin v. 20.2.2002, NZA 2002, 858. Die Entscheidung, die Erziehung der Kinder für die Dauer einer wesentlichen Entwicklungsphase selbst zu übernehmen, ist aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu respektieren, LAG Hamburg v. 4.9.2006, NZA-RR 2007, 122. 196 Vgl. ausführlich: Reinecke, Teilzeitarbeit während der Elternzeit, FA 2007, 98. Dazu BAG v. 5.6.2007, NZA 2007, 1352 noch zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 15 BErzGG.

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Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Arbeitszeit kann nicht vor der Inanspruchnahme von Elternzeit nach § 16 BEEG, aber noch während des infolge der Elternzeit ruhenden Arbeitsverhältnisses gestellt werden. Der Arbeitnehmer kann die Inanspruchnahme von Elternzeit von der Zustimmung des Arbeitgebers zur Elternteilzeit abhängig machen.197 Im Gegensatz zum TzBfG muss der Arbeitnehmer bei Versäumung der siebenwöchigen Frist des § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG den Antrag wiederholen.198 § 15 Abs. 7 Satz 4 BEEG schreibt für die Ablehnung des Teilzeitantrags durch den Arbeitgeber eine schriftliche Begründung vor. Ob der Arbeitgeber im Prozess auf diese Gründe beschränkt ist, ist umstritten.199 Vorsichtshalber sollte er alle in Betracht kommenden Gründe anführen. Eine Fiktionswirkung entsprechend § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG kennt dieser Anspruch aber nicht. 63

Entgegenstehende betriebliche Gründe müssen gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG dringend sein. Da die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und korrespondierend hierzu die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers während der Elternzeit ruht, stehen dem Teilzeitanspruch dringende betriebliche Gründe entgegen, wenn für eine Beschäftigung des Arbeitnehmers während der Elternzeit kein Bedarf besteht. Zur Ermittlung der Beschäftigungsmöglichkeit sind nur freie Arbeitsplätze zu berücksichtigen und eine Sozialauswahl findet nicht statt.200 Die Verringerung ist gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG auf einen Umfang von 15 bis 30 Wochenstunden begrenzt, und es darf nicht bereits zweimal eine Verringerung während der Elternzeit vorgenommen worden sein, § 15 Abs. 6 BEEG.201

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Im Verhältnis zu dem allgemeinen Teilzeitanspruch aus § 8 TzBfG handelt es sich hier um einen speziellen Anspruch nur für die Dauer der Elternzeit. Dieser verdrängt jedoch nicht den allgemeinen Anspruch, denn die Rechtsfolgen der Normen schließen sich nicht aus.202 f) Teilzeitanspruch nach § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX

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Der Arbeitnehmer kann eine kürzere Arbeitszeit verlangen, wenn dies wegen der Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist. Einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf es hier nicht.203 Der Anspruch ist durch ein arbeitsmedizinisches oder amtsärztliches Attest zu belegen. Ablehnungsgründe sind gemäß § 81 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 2 iVm. Abs. 4 Satz 3 SGB IX: unzumutbare oder unverhältnismäßige Aufwendungen des Arbeitgebers oder entgegenstehende staatliche oder berufsgenossenschaftliche Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften. 197 BAG v. 5.6.2007, NZA 2007, 1352. 198 Preis/Gotthardt, DB 2001, 145, noch zur Vorgängervorschrift § 15 BErzGG. 199 Vgl. Menke, ArbR Aktuell 2011, 112; für eine Präklusion Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1178 mwN; gegen eine Präklusion im gerichtlichen Verfahren Barth, BB 2007, 2567. 200 BAG v. 15.4.2008, NZA 2008, 998. 201 Ein Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 Abs. 5–7 BEEG (Urteil ergangen zur im Wesentlichen gleich lautenden Vorgängervorschrift § 15 Abs. 5–7 BErzGG) im Laufe der Elternzeit ist auch dann zulässig, wenn zunächst nur die völlige Freistellung von der vertraglichen Arbeit (Elternzeit) in Anspruch genommen und keine Verringerung der Arbeitszeit (Elternteilzeit) beantragt worden war, BAG v. 19.4.2005, NZA 2005, 1354; bestätigt durch BAG v. 9.5.2006, NZA 2006, 1413. 202 Rudolf/Rudolf, NZA 2002, 602, 604 f.; Hanau, NZA 2001, 1168, 1172 f.; Reinecke, FA 2007, 98, 99. 203 BAG v. 14.10.2003, NZA 2004, 614.

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Kap. 6

g) Teilzeitanspruch nach § 3 PflegeZG204 Der Beschäftigte kann gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung zwecks Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung verlangen.205 Davon muss er den Arbeitgeber nach § 3 Abs. 3 PflegeZG spätestens zehn Tage vor Beginn der Pflegeteilzeit schriftlich in Kenntnis setzen und sich zugleich über Zeitraum und Umfang der Freistellung sowie die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit erklären. Seinen Wünschen hat der Arbeitgeber vorbehaltlich dringender betrieblicher Gründe, die § 15 Abs. 7 Nr. 4 BEEG nachgebildet sind, in einer schriftlichen Vereinbarung zu entsprechen, § 3 Abs. 4 PflegeZG206 (vgl. M 17.9, M 17.10 und M 17.12).

65a

h) Durchführung der Teilzeitarbeit (M 6.2.8) Bei Einigung über die Arbeitszeitverringerung ist ein schriftlicher Änderungsvertrag auszufertigen, § 3 Satz 1 NachwG. Die Vergütung ist entsprechend dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag herabzusetzen.207 Problematisch ist die Höhe der Vergütung, wenn einzelne Vergütungsbestandteile nicht teilbar sind, wie zB die Privatnutzung eines Dienstwagens, oder der Umfang der Leistung nicht bestimmt war.208 Aus § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG lässt sich jedenfalls schließen, dass eine Vereinbarung, die ggf. gegen eine Ausgleichszahlung eine unteilbare Leistung entfallen lässt, nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Zudem ist beim Urlaubsentgelt zu beachten, dass sich die Höhe des Urlaubsentgelts für in Vollzeit erworbenen Urlaub nach der Vollzeitvergütung bemisst, auch wenn dieser Urlaub erst in der Teilzeitphase genommen wird.209

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Überwiegen die betrieblichen Interessen an einer Neuverteilung der Arbeitszeit die Interessen des Arbeitnehmers an deren Beibehaltung, so darf der Arbeitgeber sein Direktionsrecht zur Festlegung der Arbeitszeiten neu ausüben, § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG. Dies hat er einen Monat vorher anzukündigen. Der Arbeitnehmer kann hiergegen auf Feststellung der Unwirksamkeit dieser Anordnung klagen.210 Auch eine einstweilige Verfügung kommt in Betracht.211

67

Der Arbeitgeber hat nach § 10 TzBfG dafür Sorge zu tragen, dass auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zur Förderung der beruflichen Entwicklung und Mobilität teilnehmen können. Da es bisher an einem

68

204 Vgl. ausführlich: Einf. Kap. 17 Rz. 28 ff.; ferner Preis/Nehring, NZA 2008, 729; Joussen, NZA 2009, 69; HWK/Lembke, § 3 PflegeZG Rz. 9 f., 20 ff., wonach der Anspruch auf Teilfreistellung zu Pflegezwecken lex specialis gegenüber § 8 TzBfG ist. 205 Die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen ist zu belegen, § 3 Abs. 2 PflegeZG. 206 Ein Verstoß gegen die Schriftform führt nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarung, Joussen, NZA 2009, 69, 73; Küttner/Reinecke, Nr. 341 Pflegezeit, Rz. 33; BT-Drucks. 16/7439, S. 92; offen gelassen von Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 735. 207 Kelber/Zeißig, NZA 2001, 577, 578. Eine spätere Anhebung der Stundenzahl von Vollzeitbeschäftigten kann zu einer Minderung der entsprechenden Vergütung eines Teilzeitbeschäftigten führen, BAG v. 14.12.2011, NZA 2012, 663. 208 S. im Einzelnen Kelber/Zeißig, NZA 2001, 577, 578. 209 Vgl. Fieberg, NZA 2010, 925. 210 BAG v. 23.6.1992, NZA 1993, 89, 90; aA Kliemt, NZA 2001, 63, 67. 211 Im Einzelnen Gotthardt, NZA 2001, 1183, 1188.

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Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

allgemeinen Aus- und Weiterbildungsanspruch fehlt,212 folgt hieraus ein konkreter Anspruch nur bei Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu s. Rz. 69).213 69

Bei Teilzeitbeschäftigten kommt dem Gleichbehandlungsgrundsatz besondere Bedeutung zu. Schon nach § 4 TzBfG darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Das Gebot der Gleichbehandlung gilt dabei sowohl für vertragliche Vereinbarungen als auch für einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers214 und verbietet auch, dass teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander unterschiedlich behandelt werden.215 Daneben greift in besonderem Maße das Verbot der mittelbaren Diskriminierung gemäß § 3 Abs. 2 AGG iVm. §§ 1, 7 AGG,216 da mehr als 90 % der Teilzeitarbeiter Frauen sind.217 Besondere Probleme bereitet die Pro-rata-Regel in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG bei der Ermittlung der Entgelthöhe; sie gilt auch für Zuschläge zB für die Anerkennung der Unternehmenszugehörigkeit.218 Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung hinsichtlich der Entgelthöhe liegt vor, wenn Voll- und Teilzeitkräften für die jeweils gleiche Stundenzahl nicht die gleiche Gesamtvergütung inklusive Urlaubsgeld, Zuwendungen und vermögenswirksamen Leistungen gezahlt wird.219 Fraglich ist, welcher Vollzeitarbeitnehmer bei unterschiedlicher Vergütung den Vergleichsmaßstab bildet, da es nach der Rechtsprechung220 keinen Grundsatz „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ gibt, sondern die Lohnhöhe individuell aushandelbar ist. Letztlich ist daher in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nur geregelt, dass die Teilzeitbeschäftigung als solche und kausal mit ihr zusammenhängende Umstände221 keinen sachlichen Grund für eine zeitanteilig geringere Entlohnung darstellt, Benachteiligungsverbote wie § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG und Vergütungssysteme einzuhalten sind.222 Durch Tarifvertrag darf vom Gleichheitsgrundsatz ebenfalls nicht abgewichen werden.223 Wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung ist der Gleichheitsgrundsatz insbesondere im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung.224

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§ 11 TzBfG enthält eine Regelung zum Verbot der Kündigung wegen der Weigerung des Arbeitnehmers zum Wechsel von Voll- in Teilzeit oder umgekehrt.

212 § 96 Abs. 2 BetrVG enthält lediglich eine allgemein gehaltene Verpflichtung zur Förderung der Berufsbildung. 213 Kliemt, NZA 2001, 63, 69. 214 BAG v. 3.12.2008, AP TzBfG § 4 Nr. 18. 215 BAG v. 25.4.2007, NZA 2007, 881 zur Ungleichbehandlung von geringfügig Beschäftigten. 216 BGK, § 3 AGG Rz. 20 ff.; PWW/Lingemann, § 3 AGG Rz. 11 ff. 217 Vgl. Art. 157 AEUV iVm. der Lohngleichheitsrichtlinie v. 10.2.1975, 75/117 und der Gleichbehandlungsrichtlinie v. 9.2.1976, 76/207; EuGH v. 2.10.1997, NZA 1997, 1277. 218 BAG v. 24.9.2008, NZA 2008, 1422 für Schichtzulagen; v. 16.4.2003, NZA 2004, 991. 219 BAG v. 24.9.2008, NZA-RR 2009, 221 zur Benachteiligung eines teilzeitbeschäftigten Lehrers nach Anordnung von Überstunden. 220 BAG v. 21.6.2000, NZA 2000, 1050. 221 ZB wäre hier an einen erhöhten Verwaltungsaufwand in der Lohnbuchhaltung im Verhältnis zu der zu leistenden Arbeitszeit zu denken. 222 Vgl. für Vollzeitbeschäftigung: BAG v. 21.6.2000, NZA 2000, 1050, 1051. 223 Vgl. BAG v. 16.11.2011, NZA-RR 2012, 308 zu einem evtl. gegen das Gleichbehandlungsverbot verstoßenden Tarifvertrag, der aber dennoch nicht insgesamt unwirksam ist. 224 BAG v. 27.1.1998 – 3 AZR 430/96; v. 25.10.1994, NZA 1995, 730; v. 28.7.1992, NZA 1993, 215.

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Kap. 6

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i) Rückkehr zur Vollzeitarbeit § 9 TzBfG sieht vor, dass der Arbeitgeber den Teilzeitbeschäftigten auf Wunsch bei der Besetzung entsprechender freier Stellen und gleicher Eignung225 der Bewerber in ein Arbeitsverhältnis mit längeren Arbeitszeiten bevorzugt übernehmen muss. Der Teilzeitarbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf Verlängerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Erforderlich ist aber, dass der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz mit der vom Arbeitnehmer gewünschten längeren Arbeitszeit zu besetzen hat.226 Ein vergleichbarer Arbeitsplatz iSd. § 9 TzBfG liegt ausnahmsweise auch dann vor, wenn die Verlängerung der Arbeitszeit mit einem Wechsel auf eine höherwertige Tätigkeit verbunden ist, dh. wenn der Arbeitgeber nur auf niedrigeren Hierarchiestufen Teilzeitarbeit anbietet und der Arbeitnehmer bereits früher Tätigkeiten mit dem Anforderungsprofil der höher qualifizierten Stelle wahrgenommen hat.227 Die Tatsache, dass der andere Arbeitsplatz lediglich anders vergütet wird, nimmt ihm nicht die Vergleichbarkeit.228 Der Arbeitnehmer hat allerdings keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber einzurichtende und zu besetzende Arbeitsplätze nach den Arbeitszeitwünschen des Arbeitnehmers zuschneidet oder die für einen anderen Arbeitsplatz vorgesehene Arbeitszeit ganz oder teilweise ihm zuteilt.229 Der Arbeitgeber muss ihn nur über den freien Arbeitsplatz informieren. Es ist dann der Entscheidung des Arbeitnehmers überlassen, ob er seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu dem vom Arbeitgeber vorgesehenen Termin und im entsprechenden Umfang erhöhen will. Ist das der Fall, so hat er ein hierauf bezogenes Vertragsangebot an den Arbeitgeber zu richten, der Arbeitgeber kann dessen Zugang abwarten.230 Bei schuldhafter Verletzung der Pflicht zur bevorzugten Berücksichtigung nach § 9 TzBfG durch den Arbeitgeber steht dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Arbeitgeber die Stelle anderweitig besetzt.231 Die unternehmerische Entscheidung, nur Teilzeitkräfte zu beschäftigen, kann einem Verlängerungswunsch nach § 9 TzBfG entgegen gehalten werden, wenn es hierfür arbeitsplatzbezogene Gründe gibt und die Teilzeitkräfte tatsächlich nur in dem vorgesehenen Umfang beschäftigt werden.232

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Die Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum stellt keine konkludente Annahme eines Vertragsangebots des Arbeitnehmers auf Verlängerung der Arbeitszeit dar, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich um Überstunden handelt.233 Eine einstweiligen Verfügung, mit der dem Arbeitgeber eine Stellenbesetzung mit einem gleich geeigneten Konkurrenten untersagt werden soll, ist zulässig. § 9 TzBfG erfordert einen freien Arbeitsplatz, so dass der Anspruch einstweilen nur durch das Verbot der Besetzung gesichert werden kann.234

225 226 227 228 229 230 231 232 233 234

Eine wesentlich gleiche Eignung reicht nicht aus, Hanau, NZA 2001, 1168, 1174. BAG v. 8.5.2007, ArbuR 2007, 210; v. 15.8.2006, NZA 2007, 255. BAG v. 16.9.2008, NZA 2008, 1285. BAG v. 8.5.2007, NZA 2007, 1349. BAG v. 15.8.2006, NZA 2007, 255. BAG v. 15.8.2006, NZA 2007, 255. BAG v. 16.9.2008, NZA 2008, 1285. LAG Köln v. 2.4.2008, NZA-RR 2009, 66. BAG v. 25.4.2007, NZA 2007, 801; v. 24.6.2010, ZTR 2010, 646. Gotthardt, NZA 2001, 1183, 1189.

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Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

3. Geringfügige Beschäftigung/Minijobs (M 6.3) 73

Ein Sonderfall der Teilzeitarbeit ist die geringfügige Beschäftigung. Arbeitsrechtlich gelten für geringfügig Beschäftigte keine Abweichungen gegenüber Teilzeitbeschäftigten. Sozialversicherungsrechtlich und steuerlich bestehen jedoch Besonderheiten. Eine geringfügige Beschäftigung liegt gemäß § 8 Abs. 1 SGB IV vor, wenn 1. das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat Euro 450,– nicht übersteigt (Entgeltgeringfügigkeit),235 2. die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt Euro 450,– im Monat übersteigt (Zeitgeringfügigkeit).

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Daneben gibt es haushaltsnahe Minijobs gemäß § 8a SGB IV. Eine geringfügige Beschäftigung im Privathaushalt liegt vor, wenn diese durch einen privaten Haushalt begründet ist und die Tätigkeit sonst gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt wird.

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Mehrere gleichartige (dh. entweder nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB IV) geringfügige Beschäftigungen werden zusammengerechnet. Seit dem 1.1.2013 sind geringfügig Beschäftigte prinzipiell rentenversicherungspflichtig; sie können sich auf Antrag gegenüber dem Arbeitgeber236 jedoch von dieser Pflicht befreien lassen (§ 6 Abs. 1b SGB VI; sog. „Opt-Out-Lösung“).237 Versicherungspflichtige Hauptbeschäftigungen werden mit geringfügigen Beschäftigungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV zusammengerechnet, wobei eine Nebenbeschäftigung bis zu Euro 450,– anrechnungsfrei bleibt.238 Werden mehrere Nebenjobs ausgeübt, bleibt die zeitlich zuerst aufgenommene Beschäftigung versicherungsfrei (vgl. § 8 Abs. 2 SGB IV).239 Nach § 8 Abs. 2 Satz 4 SGB IV tritt die evtl. Nachversicherungspflicht nicht erst mit dem Zeitpunkt des Satzes 3, sondern schon vorher ein, wenn der Arbeitgeber es vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hat, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung aufzuklären.

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Praxistipp: Ist die Vergütung für die zeitlich erste geringfügige Beschäftigung niedriger als das Entgelt für den zweiten Minijob, kann es sich empfehlen, den ersten Arbeitsvertrag einvernehmlich aufzuheben und neu abzuschließen. Dann ist die Nebentätigkeit mit der höheren Vergütung weiterhin versicherungsfrei möglich.240 235 Seit dem 1.1.2013 beträgt die Grenze Euro 450,– statt Euro 400,–. 236 Der schriftliche Antrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. Es entscheidet die Minijob-Zentrale. Ein Vordruck eines entsprechenden Antrags findet sich auf www.minijob-zentrale.de. 237 Bislang war das Gegenteil der Fall: Minijobs waren rentenversicherungsfrei; es bestand jedoch die Möglichkeit, zur Rentenversicherungspflicht zu optieren (Beyer-Petz, DStR 2013, 47). Die Befreiung von der Versicherungspflicht ist für die Dauer der Beschäftigung bindend; sie kann nicht widerrufen werden. Die Befreiung wirkt ab Beginn des Kalendermonats des Eingangs beim Arbeitgeber, frühestens ab Beschäftigungsbeginn. 238 Seit dem 1.1.2013 Euro 450,–. 239 Vgl. Minijobs – Informationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, S. 9, abzurufen unter www.minijob-zentrale.de. 240 Zur Frage, ob diese Vorgehensweise eine Umgehung darstellt, liegt allerdings noch keine Rechtsprechung vor.

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Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

Sozialversicherungsrechtlich sind geringfügige Beschäftigungen seit dem 1.1.2013 versicherungspflichtig,241 jedoch kann sich der Beschäftigte auf Antrag befreien lassen.242 Lässt sich der geringfügig Beschäftigte nicht befreien, hat er einen Aufstockungsbeitrag zu zahlen.243 Nach erfolgter Befreiung besteht dagegen in allen Zweigen der Sozialversicherung für den Arbeitnehmer Beitragsfreiheit (vgl. § 7 SGB V, § 5 Abs. 2 und § 6 SGB VI, § 27 Abs. 2 SGB III). Der Arbeitgeber zahlt jedoch in jedem Fall bei geringfügigen Beschäftigungen iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (Entgeltgeringfügigkeit) Pauschalabgaben iHv. 30 % des der Beschäftigung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts, nämlich 15 % Rentenversicherung (§ 172 Abs. 3 SGB VI), 13 % Krankenversicherung (§ 249b Satz 1 SGB V) und 2 % Pauschalsteuer mit Abgeltungswirkung für die Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer244 (§ 40a Abs. 2 EStG).245 Der Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung fällt nur an, wenn der Beschäftigte bereits aus anderen Gründen (zB versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung, Familienversicherung) gesetzlich krankenversichert ist. Anstatt der Pauschalsteuer kann der Arbeitgeber weiterhin Lohnsteuer nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen einbehalten und abführen.246

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Handelt es sich um eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV (Zeitgeringfügigkeit oder auch Kurzfristbeschäftigung), so sind weder Krankennoch Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten; der Pauschalsteuersatz beträgt jedoch 25 % (§ 40a Abs. 1 EStG).

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Arbeitszeitkonten sind nach der am 1.1.2009 in Kraft getretenen Neuregelung des Flexi-II-Gesetzes247 gemäß § 7b Nr. 5 SGB IV auch bei geringfügig Beschäftigten nicht nur arbeits-, sondern auch sozialversicherungsrechtlich zulässig.248 Voraussetzung ist jedoch, dass die geringfügige Beschäftigung schon vor der Freistellungsphase ausgeübt wurde. Die Beitragspflicht entsteht allerdings gemäß § 23b Abs. 1 SGB IV abweichend vom sozialversicherungsrechtlichen Entstehungsprinzip nicht schon während der Ansparphase, sondern erst bei Inanspruchnahme des Wertguthabens.249

78a

241 Geringfügig Beschäftigte, die vor dem 1.1.2013 rentenversicherungsfrei waren, bleiben dies, können aber jederzeit freiwillig aufstocken. Wer bereits aufgestockt hat, bleibt daran weiterhin gebunden. Wer vor dem 1.1.2013 zwischen Euro 400,01,– und Euro 450,– verdiente und dies weiterhin tut, gilt prinzipiell als geringfügig beschäftigt nach dem neuen Recht. Allerdings gibt es eine Reihe von teilweise komplizierten Übergangsregelungen bis zum 31.12.2014, über die bei Bedarf ein 21-seitiger Frage-Antwort-Katalog auf www.minijob-zentrale.de informiert. 242 Der schriftliche Antrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. Es entscheidet die Minijob-Zentrale. Ein Vordruck eines entsprechenden Antrags findet sich auf www.minijob-zentrale.de. 243 Nach der Senkung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung durch das Beitragssatzgesetz 2013 (BGBl. I 2012, 2446) beträgt dieser 3,9 % zur Rente bzw. bei geringfügig Beschäftigten in Privathaushalten 13,9 %. 244 Es bleibt auch dann bei 2 % Pauschalsteuer, wenn der Arbeitnehmer keiner Kirche angehört. 245 Die Abwälzung der pauschalen Lohnsteuer auf den Arbeitnehmer im Innenverhältnis ist arbeitsrechtlich zulässig. Es liegt kein Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten vor, BAG v. 1.2.2006, DB 2006, 1059. 246 In den Steuerklassen I-IV ist die Versteuerung nach den individuellen Lohnsteuermerkmalen günstiger. Es fällt keine Lohnsteuer an. 247 Dazu auch unten Rz. 92. 248 Zum früheren Streit hierüber Boemke, BB 2008, 722, 724. 249 Umfassend Rolfs/Witschen, NZS 2009, 295, 296.

Lingemann 249

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

79

Noch weiter gehend sind Minijobs in Privathaushalten begünstigt. Die Höhe der Pauschalabgaben beträgt bei haushaltsnahen Dienstleistungen nur 12 %, nämlich 5 % Rentenversicherung (§ 172 Abs. 3a SGB VI), 5 % Krankenversicherung (§ 249b Satz 2 SGB V) sowie 2 % Pauschalsteuer mit Abgeltungswirkung einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (§ 40a Abs. 2 EStG).250 Der Pauschalbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung ist hier unabhängig davon zu entrichten, ob der Arbeitnehmer gesetzlich krankenversichert ist.251 Zusätzlich werden Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich gefördert. Wer in seinem Privathaushalt eine haushaltsnahe Beschäftigung nach § 8a SGB IV anbietet, kann gemäß § 35a Abs. 1 EStG 20 % seiner Aufwendungen, maximal jedoch Euro 510,–, von seiner Steuerschuld abziehen. Bei sozialversicherungspflichtigen haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnissen, die keine geringfügige Beschäftigung iSd. § 8a SGB IV darstellen, können gemäß § 35a Abs. 2 EStG 20 %, höchstens jedoch Euro 4 000,– abgezogen werden. Dies gilt auch für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie Aufwendungen für die Unterbringung in einem Heim. Für die Inanspruchnahme von Handwerksleistungen ermäßigt sich die Einkommensteuer um 20 %, maximal Euro 1 200,–. Der Arbeitgeber erstattet der Einzugsstelle nach § 28a Abs. 7 SGB IV eine vereinfachte Meldung durch „Haushaltsscheck“.

79a

Zur Vermeidung eines abrupten Anstiegs der Sozialversicherungsbeiträge bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze wurde eine „Gleitzone“ eingeführt, § 20 Abs. 2 SGB IV. Der Arbeitnehmerbeitrag steigt zwischen Euro 450,01 und Euro 850,– nach § 226 Abs. 4 SGB V, § 163 Abs. 10 SGB VI, § 344 Abs. 4 SGB III stufenweise auf den vollen Arbeitnehmerbeitrag, wobei sich die Beitragsbemessung nach einem für das jeweilige Kalenderjahr vom BMAS festgelegten Faktor richtet. Der Arbeitgeberbeitrag bleibt allerdings unverändert.252 Detaillierte Angaben und ein Gleitzonenrechner finden sich unter www.minijob-zentrale.de.253

4. Job-Sharing (M 6.4) 80

Job-Sharing hat sich entgegen den Erwartungen des Gesetzgebers kaum durchgesetzt. Beim Job-Sharing (Arbeitsplatzteilung) vereinbart der Arbeitgeber mit zwei oder mehr Arbeitnehmern, dass diese sich die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen (§ 13 TzBfG).254 Dann bestimmt nicht der Arbeitgeber, sondern die Job-Sharer untereinander die Aufteilung der Arbeitszeit zwischen ihnen. Fällt allerdings einer der JobSharer aus, so sind die anderen zu seiner Vertretung nur verpflichtet, wenn dies im Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt ist, ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegt und ihnen dies zumutbar ist. Darüber hinaus kann dies nur für jeden Vertretungsfall gesondert geregelt werden.255 Nach dem gegenüber dem BeschFG neuen Recht

250 Der Aufstockungsbeitrag, wenn der geringfügig Beschäftigte sich nicht für die Versicherungsfreiheit entscheidet, beträgt derzeit 13,9 %. 251 Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 545; Rolfs, ZIP 2003, 141. 252 Übersicht bei Rolfs, NZA 2003, 65, 71. 253 Insbesondere auch zu den Übergangsvorschriften bis zum 31.12.2014 für Beschäftigte, die am 31.12.2012 entweder zwischen Euro 400,01,– und 450,– oder zwischen Euro 800,01,– und 850,– verdient haben. 254 Löw, AuA 2006, 592. 255 LAG München v. 15.9.1993, DB 1993, 2599.

250 Lingemann

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

des § 13 Abs. 4 TzBfG kann nunmehr durch Tarifvertrag auch zuungunsten des Arbeitnehmers vom Gesetz abgewichen werden.

5. Abrufarbeit (M 6.5) Bei der Abrufarbeit (auch Kapovaz256) vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien gemäß § 12 TzBfG, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Zugleich muss eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit (pro Woche, Monat oder Jahr) festgelegt werden. Ohne eine solche Festlegung gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart, die auch dann zu vergüten ist, wenn tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht wird (§ 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG).257 Nur durch Tarifvertrag kann Abrufarbeit auch ohne Mindestzeiten vereinbart werden mit der Folge, dass die Zehn-Stunden-Regelung nicht gilt (§ 12 Abs. 3 TzBfG).258 Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilen; andernfalls besteht keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung, wohl aber Anspruch auf die Vergütung (§ 615 BGB iVm. § 12 Abs. 2 TzBfG). Zum Schutz des Arbeitnehmers gegen vielfache kurzfristige Inanspruchnahme muss der Arbeitgeber ihn jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden zur Arbeitsleistung in Anspruch nehmen, es sei denn, der Arbeitsvertrag enthält eine abweichende Regelung (§ 12 Abs. 1 Satz 4 TzBfG). Entgeltfortzahlungsansprüche können entstehen, wenn Arbeitsleistung an einem Tag ausfällt, an dem mit hoher Wahrscheinlichkeit gearbeitet worden wäre.259 Mit der Vereinbarung von Arbeit auf Abruf, die über eine vertragliche Mindestarbeitszeit hinausgeht, verlagert der Arbeitgeber entgegen § 615 BGB das Wirtschaftsrisiko teilweise auf den Arbeitnehmer. Das ist in einem vorformulierten Arbeitsvertrag nur zulässig, soweit die abrufbare Arbeit nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit beträgt.260 Auch bei witterungsabhängigen Unternehmen trägt der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls und kann demzufolge Abrufarbeit nicht in einem größeren Umfang vereinbaren.261 Außerhalb der AGB-Kontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wären weiter gehende Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung in den Grenzen des § 138 BGB möglich.262

81

6. Wiedereingliederungsvertrag nach § 74 SGB V/§ 28 SGB IX (M 6.7.1) Arbeitsunfähige Arbeitnehmer können auch während der Arbeitsunfähigkeit bereits wieder in das Berufsleben eingegliedert werden, wenn sie gemäß § 74 SGB V/ § 28 SGB IX „nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser 256 Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit. 257 Zur Vereinbarkeit der Arbeit auf Abruf mit gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverboten vgl. Nicolai, DB 2004, 2812. 258 BAG v. 12.3.1992, DB 1992, 1785 mit Anm. Schüren. 259 BAG v. 24.10.2001, BB 2002, 1154 für Feiertage. 260 BAG v. 7.12.2005, DB 2006, 897; vgl. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89. 261 BAG v. 9.7.2008, DB 2008, 2599 zur Vereinbarung von Abrufarbeit für einen Zeitraum von drei Monaten ohne Festlegung einer Mindest- oder Höchstarbeitszeit und des Verhältnisses der festen zu den variablen Arbeitsbedingungen. 262 Bauer/Günther, DB 2006, 950.

Lingemann 251

82

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden können“. In diesem Fall soll der Arzt auf der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten angeben. In diesem Umfang kann der Arbeitnehmer seine Tätigkeit bei dem Arbeitgeber im Rahmen des Wiedereingliederungsvertrages wieder aufnehmen. Dieses Modell wird durch den § 28 SGB IX auf den gesamten Bereich der medizinischen Rehabilitation ausgedehnt. Eine Verpflichtung zum Abschluss eines solchen Vertrages gibt es jedoch nicht.263 Geschuldet ist bei diesem Vertrag nicht die Arbeitsleistung. Daher werden auch keine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung im üblichen Sinne begründet. Auch die unentgeltliche Tätigkeit für einen Arbeitgeber im Rahmen einer stufenweise Wiedereingliederung begründet kein die Arbeitslosigkeit ausschließendes leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis.264 Kern des Vertrages ist vielmehr die Rehabilitation des Arbeitnehmers. Ihm soll Gelegenheit gegeben werden zu erproben, ob er zunächst im Rahmen einer quantitativ und/oder qualitativ gegenüber seiner bisherigen Arbeitsleistung verringerten Tätigkeit seine Arbeitsfähigkeit wiederherstellen kann.265 83

Gleichwohl bestehen auch im Wiedereingliederungsvertrag Nebenpflichten, soweit sie mit dem Zweck der Wiedereingliederungsmaßnahme vereinbar sind. Namentlich zu nennen sind das Weisungsrecht des Arbeitgebers, seine Fürsorgepflicht und die Treuepflicht des Arbeitnehmers.

84

Während der Wiedereingliederungsmaßnahme wird keine Arbeitsvergütung gezahlt, soweit die Entgeltfortzahlungspflicht nach EFZG geendet hat. Der Arbeitnehmer hat dann vielmehr weiterhin Anspruch auf Krankengeld. Wird gleichwohl eine Vergütung vereinbart, so ruht in Höhe dieser Vergütung das vereinbarte Krankengeld.

85

Da der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt, hat er auch keinen Anspruch auf Urlaub. Auch ein neuer Entgeltfortzahlungszeitraum beginnt nicht.

86

Der Arbeitnehmer kann nach wohl überwiegender Auffassung seine Tätigkeit jederzeit abbrechen, wenn er sich der Belastung nicht gewachsen fühlt. Ob der Arbeitgeber jederzeit seine Zusage widerrufen kann, oder nur, wenn durch die nur teilweise Tätigkeit des Arbeitnehmers unerwartete Schwierigkeiten im betrieblichen Ablauf eintreten, ist umstritten.266

87

Da es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt, bestehen auch keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach §§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 99 BetrVG etc. 263 BAG v. 29.1.1992, DB 1992, 1478; hingegen hat das BAG einen Anspruch auf stufenweise Wiedereingliederung eines Schwerbehinderten, gestützt auf § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, bejaht. Erforderlich ist jedoch, dass der Arbeitnehmer spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, aus der sich Art und Weise der empfohlenen Beschäftigung, Beschäftigungsbeschränkungen, Umfang der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit sowie Dauer der Maßnahme ergeben; BAG v. 13.6.2006, NZA 2007, 91. 264 BSG v. 21.3.2007, NZS 2008, 160. 265 Vgl. Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung v. 3.9.1991, zuletzt geändert 19.9.2006, Bundesanzeiger 2006, Nr. 241 (S. 7356). 266 Vgl. von Hoyningen-Huene, NZA 1992, 49, 53; Küttner/Reinecke, Nr. 351 Rehabilitation Rz. 14; Einzelheiten bei Schmidt, NZA 2007, 893, die insbesondere die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Beendigung des Wiedereingliederungsverhältnisses einerseits und des daneben ruhenden Arbeitsverhältnisses andererseits im Einzelnen darstellt.

252 Lingemann

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

7. Telearbeit (M 6.6) Allgemein geht man davon aus, dass Telearbeit in erheblichem Maße die bisherigen Arbeitsverhältnisse ersetzen wird. Telearbeit wird an EDV-Anlagen verrichtet, die sich außerhalb des Betriebes des Arbeit-/Auftraggebers befinden und mit diesem durch elektronische Kommunikationsmittel verbunden sind. Rechtsgrundlage kann ein Arbeitsverhältnis sein, in Betracht kommen aber auch freie Dienst-, Werk- oder Werklieferungsverträge sowie Heimarbeit. Für die Abgrenzung zwischen freien Auftragsverhältnissen und einem Arbeitsverhältnis gelten die allgemeinen Grundsätze.267 Diese Darstellung beschränkt sich daher auf Telearbeit im Arbeitsverhältnis. Man spricht von ausschließlicher Telearbeit, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in vollem Umfang außerhalb des Betriebes – in der Regel an seinem häuslichen Arbeitsplatz268 – ausübt; ist er zeitweise auch im Betrieb, so handelt es sich demgegenüber um alternierende Telearbeit.

88

Unabhängig davon, ob von der EDV in der Wohnung des Telearbeitnehmers eine Online-Verbindung zum Arbeitgeberbetrieb besteht oder nicht, gilt dessen Arbeitsstätte als unselbständiger Betriebsteil, der also mit dem Hauptbetrieb, dem er zugeordnet wird, eine Betriebseinheit darstellt.269 Voraussetzung ist natürlich immer, dass der Telearbeiter Arbeitnehmer ist, also trotz seiner außerbetrieblichen Tätigkeit einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers insbesondere nach Ort und Zeit seiner Tätigkeit unterliegt.270

89

Zur Einführung von Telearbeit im bestehenden Arbeitsverhältnis bedarf es einer ergänzenden Vereinbarung für den Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder ggf. einer Änderungskündigung. Die Verlegung der Tätigkeit des Arbeitnehmers in dessen Wohnung ist von einer üblichen Versetzungsklausel, den Arbeitnehmer auch an einen anderen Arbeitsort oder auf einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, wegen des grundsätzlichen Schutzes der Wohnung des Arbeitnehmers nach Art. 13 GG nicht umfasst.271 Kommt eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, so kann der Arbeitgeber nur eine Änderungskündigung aussprechen, wenn deren allgemeine Voraussetzungen vorliegen (dazu im Einzelnen Kap. 20). Werden auf Grund unternehmerischer Entscheidung alle Arbeitsplätze in die Wohnung der Arbeitnehmer verlegt und lehnt ein Arbeitnehmer eine entsprechende zumutbare Änderungskündigung ab, so kann eine Beendigungskündigung sozial gerechtfertigt sein.

90

8. Sabbatical272 Das Sabbatical ist eine zeitlich festgelegte, idR bezahlte Freistellung von der Arbeit. Es kann auf einzel- oder kollektivvertraglicher Ebene vereinbart werden.273 Der Arbeit267 Vgl. dazu im Einzelnen Einf. Kap. 9 Rz. 2 ff.; zur Heimarbeit Einf. Kap. 9 Rz. 39 ff.; vgl. ferner Körner, NZA 1999, 1192 f.; Schaub, BB 1998, 2108 f. 268 Vgl. Oberthür, NZA 2013, 246 zum sog. Mobile Office, dh. wenn die Arbeitsleistung unabhängig von einem festen Arbeitsplatz erfolgen soll. 269 Fitting, § 5 BetrVG Rz. 193 ff.; ErfK/Eisemann, § 5 BetrVG Rz. 11. 270 Vgl. BAG v. 5.5.1992, DB 1992, 1936. 271 Kramer, DB 2000, 1329. 272 Darstellung und Muster orientieren sich mit freundlicher Genehmigung von Belling an Belling, Personalmanagement und Lebensgestaltung durch Sabbatical, AuA 5/2002, 1. 273 Vgl. zu einem möglichen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Arbeitszeitreduzierung in Gestalt eines Sabbaticals Rz. 37.

Lingemann 253

91

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

nehmer wird als Teilzeitbeschäftigter geführt, füllt aber vor oder nach seiner Freistellungsphase sein Arbeitszeitkonto auf (Ansparphase), indem er außer seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zusätzliche Arbeit leistet.274 Sie wird nicht gleich entlohnt, sondern für die Zeit der Freistellung gutgeschrieben. Die Parteien sollten dabei klarstellen, ob und wie etwaige (Tarif-) Lohnerhöhungen in der Freistellungsphase umgesetzt werden.275 Der Zeitraum der Freistellung liegt idR zwischen drei und zwölf Monaten. Für den Arbeitgeber besteht auch in der Freistellungsphase Sozialversicherungspflicht, da der Arbeitnehmer weiter gegen Arbeitsentgelt beschäftigt wird. Voraussetzung ist gemäß § 7 Abs. 1a SGB IV, dass während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b SGB IV fällig ist und das in der Freistellung gezahlte Arbeitsentgelt nicht unangemessen von dem in den letzten zwölf Monaten der Ansparphase gezahlten Arbeitsentgelt abweicht. Was genau darunter zu verstehen ist, wurde bislang nicht abschließend geklärt.276. 92

Durch das zum 1.1.2009 in Kraft getretene Flexi-Gesetz II hat die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Wertguthaben in den neu eingefügten §§ 7b–7f SBG IV eine umfassende Regelung erfahren.277 Insbesondere wurden die Insolvenzsicherung und die Übertragbarkeit von Wertguthaben bei Beendigung der Beschäftigung neu geregelt. Gemäß § 7e Abs. 1 SGB IV müssen die Vertragsparteien im Rahmen ihrer Wertguthabenvereinbarung durch den Arbeitgeber zu erfüllende Vorkehrungen treffen, um das Wertguthaben einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrages gegen das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers vollständig abzusichern, soweit ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht besteht und das Wertguthaben des Beschäftigten einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags einen Betrag in Höhe der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung kann ein davon abweichender Betrag vereinbart werden.

93

Zur Erfüllung der Verpflichtung sind die Wertguthaben gemäß § 7e Abs. 2 SGB IV unter Ausschluss der Rückführung durch einen Dritten zu führen, der im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers für die Erfüllung der Ansprüche aus dem Wertguthaben für den Arbeitgeber einsteht, insbesondere in einem Treuhandverhältnis, das die unmittelbare Übertragung des Wertguthabens in das Vermögen des Dritten und die Anlage des Wertguthabens auf einem offenen Treuhandkonto oder in anderer geeigneter Weise sicherstellt. Zulässig sind allerdings auch gleichwertige Sicherungsmittel, namentlich Versicherungsmodelle oder schuldrechtliche Verpfändungs- oder Bürgschaftsmodelle mit ausreichender Sicherung gegen Kündigung, § 7e Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Bilanzielle Rückstellungen sowie konzerninterne Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte reichen hingegen nicht aus, § 7e Abs. 3 SGB IV.

274 Vgl. zur rechtlichen Einordnung von Wertguthaben und Freistellungsphase Peiter/Westphal, BB 2011, 1781. 275 Siehe BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 423/10, zu der vergleichbaren Problematik bei Altersteilzeit. 276 Die Spitzenverbände der Sozialversicherung gehen von einer Angemessenheit aus, wenn das aus dem Wertguthaben fällige Arbeitsentgelt mindestens 70 % des durchschnittlichen Arbeitsentgelts der letzten zwölf Kalendermonate entspricht; vgl. das Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger v. 29.8.2003, S. 54. 277 Hierzu ausführlich Rolfs/Witschen, NZS 2009, 295.

254 Lingemann

M 6.1.1

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Der Arbeitgeber muss den Beschäftigten unverzüglich über seine Vorkehrungen zum Insolvenzschutz schriftlich unterrichten, § 7e Abs. 4 SGB IV, bei fehlender oder unzureichender Insolvenzsicherung haften sowohl der Arbeitgeber als auch seine organschaftlichen Vertreter gesamtschuldnerisch für den Schaden, § 7e Abs. 7 SGB IV.

94

Für die Anlage des Wertguthabens gelten die Einschränkungen des § 7d SGB IV, ua. ist eine Anlage in Aktien oder Aktienfonds nur bis zu einer Höhe von 20 % (zum Anlagezeitpunkt) zulässig.278 Da auch der Gesamtsozialversicherungsbeitrag gesichert werden muss, haben die Rentenversicherungsträger erweiterte Eingriffsmöglichkeiten bei Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV iVm. § 7e Abs. 6 SGB IV. Hinsichtlich der Beitragsfälligkeit bestimmt § 23b Abs. 1 SGB IV, dass die Beitragspflicht erst bei Inanspruchnahme des Wertguthabens entsteht. Die in Bezug genommenen Modelle umfassen sowohl das Sabbatical als auch andere längerfristig angelegte Freistellungsphasen wie Vorruhestand oder Zeiten für die Erziehung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen, nicht jedoch Gleitzeit- und Flexi-Konten.

95

Die Vertragsparteien können auch für einen bestimmten Zeitraum die arbeitsvertraglichen Pflichten vollständig ruhen lassen. Gleichzeitig räumen sie dem Arbeitgeber aber das Recht ein, im Bedarfsfall den Arbeitnehmer wieder zur Arbeitsleistung (gegen Entlohnung) zu verpflichten (sog. widerrufliches Sabbatical). Der Arbeitnehmer muss sich in diesem Fall während der vereinbarten Zeit stets bereithalten, wieder die Arbeit aufzunehmen. Dafür zahlt ihm der Arbeitgeber für die Dauer der Vereinbarung einen prozentualen Teil seiner monatlichen Bruttovergütung. Bei einer Unterbrechung kann die Vereinbarung nach der „Arbeitsphase“ für den Rest der vereinbarten Laufzeit fortgesetzt werden.

96

278 Vgl. Schlegel, juris PR-SozR 3/2009, Anm. 4.

II. Muster

u

Kalendarisch befristeter Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen1 §1

6.1.1

Befristung

Herr/Frau . . . wird von der Firma für die Zeit vom . . . bis2 . . . als . . . eingestellt. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die Befristung erfolgt, weil . . .3, 4 1 Soweit es sich nicht um einen befristeten Arbeitsvertrag nach § 3 Abs. 1 iVm. § 14 Abs. 2 und 3 TzBfG handelt, ist eine Befristung nur zulässig, wenn dafür ein sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegt, vgl. Einf. Rz. 7 ff. Die Befristung des Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG. Ist die Befristung nur mangels Schriftform unwirksam, so kann der Vertrag auch schon vor dem vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden, § 16 Satz 2 TzBfG, vgl. Einf. Rz. 4. 2 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NachwG. 3 Die Art der Befristung und ggf. der sachliche Grund müssen auch nach § 14 Abs. 4 TzBfG nicht im Vertrag schriftlich angegeben werden, vgl. BAG v. 26.7.2006, NZA 2007, 34. 4 Wichtig: Wegen § 15 Abs. 5 iVm. § 22 TzBfG sollte der Arbeitgeber nach Ablauf der Befristung oder Zweckerreichung keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers mehr entgegen-

Lingemann 255

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.1.2

§ 2 Kündigung Während der Laufzeit des Vertrages kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von . . . Wochen/Monaten zum . . . gekündigt werden.5 §§ 3 ff. (Zur Versetzungsklausel vgl. M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. vgl. M 3.1) §...

Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III

Herr/Frau . . . wird auf seine/ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hingewiesen. Er/Sie ist verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung seines/ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin ist er/sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.6 ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

nehmen, sondern widersprechen bzw. die Zweckerreichung unverzüglich mitteilen, § 15 Abs. 5 TzBfG. 5 Ohne diese Regelung wäre das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Befristung nur außerordentlich kündbar, § 15 Abs. 3 TzBfG. Die sog. Nichtverlängerungsanzeige ist grundsätzlich keine Kündigungserklärung (BAG v. 26.11.1979, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 47), es sei denn, die Parteien hätten zuvor schon über die Rechtswirksamkeit der Befristung gestritten (BAG v. 26.11.1979, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 47). Sofern bei der Wirksamkeit des Befristungsgrundes Zweifel bestehen, sollte vorsorglich auch ordentlich gekündigt werden, vgl. M 6.1.3.2. 6 Die Belehrung ist nicht zwingend, eine Unterlassung des Hinweises hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zur Folge, BAG v. 29.9.2005, BB 2006, 48; Einzelheiten bei Einf. Kap. 22 Rz. 129.

6.1.2

u

Zweckbefristeter Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen1 §1

Befristung

Herr/Frau . . . wird von der Firma für die Dauer der (zB Erkrankung des Mitarbeiters . . .)2 als . . . eingestellt.3 Das Arbeitsverhältnis endet mit Erreichen dieses Zwecks, 1 Vgl. iÜ M 6.1.1. 2 Der Grund für die Zweckbefristung muss im Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 4 TzBfG angegeben werden, BAG v. 21.12.2005, NZA 2006, 321. 3 In der schriftlichen Vereinbarung über die Zweckbefristung muss der Zweck, mit dessen Erreichung das Arbeitsverhältnis enden soll, so genau bezeichnet sein, dass hieraus der Ein-

256 Lingemann

M 6.1.3.1

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

ohne dass es einer Kündigung bedarf, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung von Herrn/Frau . . . durch die Firma über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.4 § 2 Kündigung Während der Laufzeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von . . . Wochen/Monaten zum . . . gekündigt werden. §§ 3 ff. (Zur Versetzungsklausel vgl. M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. M 3.1, zur Meldepflicht M 6.1.1) ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

tritt dieses Ereignisses zweifelsfrei feststellbar ist. Erforderlich ist ferner die Prognose, dass der Zweck tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt erreicht werden wird, auch wenn noch nicht feststeht, wann dies sein wird, BAG v. 15.5.2012, NZA 2012, 1366. 4 Gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG endet ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung; auch wenn der Zweck daher erreicht ist, endet das Arbeitsverhältnis frühestens mit Ablauf von zwei Wochen nach Zugang dieser Mitteilung, vgl. M 6.1.3.1.

u

Mitteilung der Zweckerreichung nach § 15 Abs. 2 TzBfG

6.1.3.1

Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., mit Vertrag vom . . . hatten wir Sie zweckbefristet für die Dauer der (zB Erkrankung des Mitarbeiters . . .) eingestellt. Der Zweck ist nunmehr erreicht, da (zB Herr/Frau . . . nach Ende der Erkrankung seine/ihre Tätigkeit wieder angetreten hat). Auf Grund der Zweckerreichung endet ihr Arbeitsverhältnis bei uns daher mit Ablauf des . . .1 Einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses widersprechen wir vorsorglich.2 Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen

1 Vgl. oben M 6.1.2. 2 Vgl. § 15 Abs. 5 TzBfG. Der Arbeitgeber kann auch schon vor Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses der Fortsetzung widersprechen, BAG v. 11.7.2007, NZA 2008, 1207; vgl. Einf. Rz. 21. Empfehlenswert ist insofern, dem Arbeitnehmer die Nichtverlängerungsanzeige bereits vor Ablauf des Befristungszeitraums zukommen zu lassen. Gleichwohl sollte der Arbeitgeber natürlich, auch wenn er wie im Muster schon in der Nichtverlängerungsanzeige der Weiterbeschäftigung widersprochen hat, den Widerspruch vorsorglich erneut erklären, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Befristung seine Arbeit aufnehmen möchte.

Lingemann 257

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.1.3.2

zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.3 Wir danken Ihnen für Ihren Einsatz und wünschen Ihnen für Ihren weiteren Lebensweg alles Gute. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) 3 Die Belehrung ist nicht zwingend, ein Unterlassen des Hinweises hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Einf. Kap. 22 Rz. 129).

u

6.1.3.2

Mitteilung des Ablaufs des vereinbarten Befristungszeitraums (vgl. § 15 Abs. 1 TzBfG) mit hilfsweise Kündigung

Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., mit Vertrag vom . . . hatten wir Sie befristet für die Dauer von . . . Wochen/Monaten/ Jahren eingestellt. Der vereinbarte Befristungszeitraum läuft am . . . ab, an diesem Tag endet daher auch ihr Arbeitsverhältnis bei uns.1 Einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über diesen Tag hinaus widersprechen wir vorsorglich.2 Hilfsweise kündigen wir ihr Arbeitsverhältnis auch fristgemäß zum . . .3 Hinweis nach § 38 Abs. 1 SGB III, s. M 6.1.3.1. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) 1 Gemäß § 15 Abs. 1 TzBfG endet ein kalendermäßig befristetes Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vereinbarten Zeit. Anders als bei der Zweckbefristung gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG ist eine Nichtverlängerungsanzeige nicht zwingend erforderlich, aber durchaus üblich. 2 Vgl. § 15 Abs. 5 TzBfG. Der Arbeitgeber kann auch schon vor Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses der Fortsetzung widersprechen, BAG v. 11.7.2007, NZA 2008, 1207; vgl. Einf. Rz. 21. Empfehlenswert ist insofern, dem Arbeitnehmer die Nichtverlängerungsanzeige mit dem Widerspruch bereits vor Ablauf des Befristungszeitraums zukommen zu lassen. Gleichwohl sollte der Arbeitgeber natürlich, auch wenn er wie im Muster schon in der Nichtverlängerungsanzeige der Weiterbeschäftigung widersprochen hat, den Widerspruch vorsorglich erneut erklären, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Befristung seine Arbeit aufnehmen möchte. 3 Die hilfsweise Kündigung wird ausgesprochen für den Fall, dass die Befristung nicht wirksam ist, s. Kap. 22 Rz. 6.

258 Lingemann

M 6.1.5

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

u

Traineevertrag §1

6.1.4

Befristung

Herr/Frau . . . wird von der Firma für die Zeit vom . . . bis1 . . . als Trainee eingestellt. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die Befristung erfolgt, weil die Firma Herrn/Frau . . . im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses für diesen Zeitraum zusätzlich zu seinem/ihrem volkswirtschaftlichen Studium Einblicke in die industrielle Praxis vermitteln möchte. Der Ausbildungsplan für Trainees ist Bestandteil dieses Vertrages. § 2 Kündigung Während der Laufzeit des Vertrages kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von . . . Wochen/Monaten zum . . . gekündigt werden. §§ 3 ff. (Zur Versetzungsklausel vgl. M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. M 3.1, zur Meldepflicht M 6.1.1) ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

1 Vgl. die Anm. zu M 6.1.1.

u

Doppelt befristeter Arbeitsvertrag1 §1

6.1.5

Befristung

Herr/Frau . . . wird mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von . . . Stunden befristet eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist befristet für die Dauer der Erkrankung von Herrn/Frau . . ., längstens bis zum . . . . Die Vergütung beträgt . . . monatlich.

1 Befristungsvereinbarungen können auch zeitlich gestaffelt hintereinander geschaltet werden. Wird der Arbeitnehmer über den ersten Befristungszeitraum hinaus weiter beschäftigt, so kommt es auf die Wirksamkeit der zweiten Befristung an. Dies wäre hier die kalendarische Befristung (vgl. BAG v. 29.6.2011, NZA 2011, 1346). Es wäre auch zulässig, die Befristung kalendarisch kürzer zu fassen als das mögliche Ende des Befristungszwecks (BAG v. 22.11.1995, BB 1996, 1615).

Lingemann 259

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.1.6

§§ 2 ff. (Zur Kündigung vgl. M 6.1.4,2 zur Versetzungsklausel M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. M 3.1, zur Meldepflicht M 6.1.1)3 ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

2 Es ist offen, ob bei einer solchen Kombination auch eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit zulässig ist, wie zB in M 6.1.4 § 2 vorgesehen. 3 Wichtig: Sollte die Zweckbefristung als erstes auslaufen und die Mitteilung nach § 15 Abs. 2 TzBfG vergessen werden, hat die Zeitbefristung eine Auffangwirkung (vgl. Einf. Rz. 22; BAG v. 29.6.2011, NZA 2011, 1346). Geht die Zweckbefristung jedoch über die kalendarische hinaus, darf die Mitteilung nach § 15 Abs. 2 TzBfG (vgl. M 6.1.3) nicht vergessen werden!

6.1.6

u

Befristeter Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 2 TzBfG1 §1

Befristung

Herr/Frau . . . wird von der Firma für die Zeit vom . . . bis . . . gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG als . . . eingestellt.2 Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf. § 2 Kündigung Während der Laufzeit des Vertrages kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von . . . Wochen/Monaten zum . . . gekündigt werden.3 §3

Neueinstellung

Die Firma weist Herrn/Frau . . . darauf hin, dass sie Herrn/Frau . . . nur auf Grund der Befristungsregelung des § 14 Abs. 2 TzBfG einstellt. Mit Rücksicht auf § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG versichert Herr/Frau . . . ausdrücklich, dass er/sie in den letzten drei Jahren in keinem Arbeitsverhältnis zur Firma gestanden hat. Herr/Frau . . . ist darüber

1 Die Befristung eines Arbeitsvertrages und deren dreimalige Verlängerung ist bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren zulässig, sofern nicht vorher mit demselben Arbeitgeber schon ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 14 Abs. 2 TzBfG, vgl. Einf. Rz. 25 ff.). 2 Auf die Norm muss nicht hingewiesen werden (BAG v. 8.12.1988, NZA 1989, 459; v. 24.10.2001, DB 2002, 536, 537). Für eine solche Befristung bedarf es keines sachlichen Grundes. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um eine neue Stelle handelt; es muss nur der Arbeitnehmer „neu eingestellt“ werden (BAG v. 10.6.1988, NZA 1989, 21). Eine Neueinstellung liegt nicht vor, wenn zwischen den Vertragsparteien in den letzten drei Jahren ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, BAG v. 6.4.2011, NZA 2011, 905 und BAG v. 21.9.2011, NZA 2012, 255). 3 Diese Regelung kann wegen § 15 Abs. 3 TzBfG sinnvoll sein.

260 Lingemann

M 6.1.7

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

informiert, dass eine unrichtige Angabe diesbezüglich den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages nach § 123 BGB berechtigen kann.4 §§ 4 ff. (Zur Versetzungsklausel vgl. M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. M 3.1, zur Meldepflicht M 6.1.1) ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

4 Eine solche Klausel sollte mit Rücksicht auf das Neueinstellungserfordernis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eingefügt werden.

u

Probearbeitsverhältnis mit Befristung

6.1.7

§ 1 Beginn und Art der Tätigkeit Herr/Frau . . . wird mit Wirkung ab dem . . . für die Tätigkeit als . . . angestellt. § 2 Probezeit Das Arbeitsverhältnis wird zunächst nur für die Probezeit vereinbart. Es endet daher nach sechs Monaten am . . ., ohne dass es einer Kündigung bedarf. Das Arbeitsverhältnis endet nicht, sofern die Vertragsparteien vorher die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren. §§ 3 ff. (Zur Versetzungsklausel vgl. M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. M 3.1, zur Meldepflicht M 6.1.1) ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

Lingemann 261

Kap. 6

6.1.8

Besondere Arbeitsverträge

u

M 6.1.8

Verlängerung des Probearbeitsverhältnisses mittels Aufhebungsvertrag1 Präambel

Der Arbeitgeber weist darauf hin, dass nach derzeitiger Einschätzung die Probezeit nicht bestanden ist und daher eine Probezeitkündigung ausgesprochen werden soll. Dem Arbeitnehmer sollen jedoch weitere vier Monate Einarbeitungszeit eingeräumt werden. Die Parteien schließen daher den folgenden Aufhebungsvertrag:2 §1 Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis auf Grundlage des Anstellungsvertrages vom . . . zum . . . enden wird. §2 Der Aufhebungsvertrag wird im beiderseitigen Einvernehmen aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer die weitere Einarbeitungszeit bis zum Beendigungszeitpunkt gemäß § 1 besteht. §3 Kommt die Aufhebung gemäß § 2 nicht zustande, endet das Arbeitsverhältnis zu dem in § 1 genannten Zeitpunkt. §4 Für die Zeit bis zum in § 1 genannten Beendigungszeitpunkt gelten im Übrigen die Regelungen gemäß dem Arbeitsvertrag vom . . . fort. §5

Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III

3

(vgl. M 6.1.1) ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

1 Ein Aufhebungsvertrag, der lediglich eine nach § 1 KSchG nicht auf ihre Sozialwidrigkeit zu überprüfende Kündigung ersetzt, ist nicht wegen Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften unwirksam. Sieht der Arbeitgeber die sechsmonatige Probezeit als nicht bestanden an, so kann er regelmäßig, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln, anstatt das Arbeitsverhältnis innerhalb der Frist des § 1 Abs. 1 KSchG mit der kurzen Kündigungsfrist zu beenden, dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance geben, indem er mit einer überschaubaren längeren Kündigungsfrist kündigt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung zusagen. Diese Grundsätze gelten auch für einen entsprechenden Aufhebungsvertrag. Ein unbedingter Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage ist nicht stets einem auflösend bedingten Aufhebungsvertrag gleichzustellen, BAG v. 7.3.2002, NZA 2002, 1000. Es empfiehlt sich, anlehnend an die vorgenannte Entscheidung, einen Zeitraum von vier Monaten für die zusätzliche Einarbeitung nicht zu überschreiten. Zur Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags ohne Sachgrund iSd. Befristungskontrollrechts s. auch Einf. Rz. 8 und Einf. Kap. 23 Rz. 18. 2 Der Aufhebungsvertrag bedarf gemäß § 623 BGB, die Befristungsabrede gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG der gesetzlichen Schriftform, zur Einhaltung der gesetzlichen Schriftform sind daher beide Vereinbarungen dauerhaft durch Heften miteinander zu verbinden, sofern sie nicht bereits in einer Urkunde enthalten sind (PWW/Ahrens, § 126 BGB Rz. 6); möglicherweise reicht auch eine beiderseitige eindeutige Bezugnahme aus (PWW/Ahrens, § 126 BGB Rz. 7 mwN). 3 Zu weiteren Regelungen in einem Aufhebungsvertrag vgl. M 23.1a.

262 Lingemann

M 6.1.9

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

u

Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Befristung1, 2 und Weiterbeschäftigung

6.1.9

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)3 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien keine Befristung vereinbart ist.4, 5 2. Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristungsvereinbarung vom 26.6.20126 am 30.6.2013 endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht. 3. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 25.5.2013 zum 30.6.2013 endet.

1 Zu beachten ist die Drei-Wochen-Frist des § 17 Satz 1 TzBfG, innerhalb derer die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht werden muss. Die Frist läuft allerdings erst ab dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses, also nicht schon ab dem Moment, in dem der Arbeitgeber sich auf die Befristung beruft. Wird die Frist unverschuldet versäumt, kann die Klage gemäß § 17 Satz 2 TzBfG in entsprechender Anwendung der §§ 5–7 KSchG nachträglich zugelassen werden. Die Drei-Wochen-Frist gilt allerdings nicht für die Klärung der Frage, ob eine Befristung überhaupt als vereinbart gilt, insbesondere wenn dies aus AGB-rechtlichen Gründen zweifelhaft ist (s. Fn. 5). 2 Die Klage auf Feststellung, dass eine Befristung unwirksam ist, setzt gem. § 256 ZPO ein Feststellungsinteresse voraus. Daran kann es fehlen, wenn der vereinbarte Befristungsablauf noch weit entfernt ist. Soll dagegen das Arbeitsverhältnis in absehbarer Zeit enden, ist die Feststellungsklage zulässig (BAG v. 12.10.1979, AP Nr. 48 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; v. 9.9.1981, v. 13.1.1983 und v. 13.1.1983, AP Nr. 38, 42, 43 zu § 611 BGB Abhängigkeit). 3 S. M 101.1 und 101.2. 4 Das Auseinanderziehen der Klaganträge 1 und 2 dient der Verdeutlichung. Die Fragen, ob eine Befristung überhaupt vereinbart ist (Klagantrag Ziff. 1) und ob eine vereinbarte Befristung wirksam ist (Klagantrag Ziff. 2), kann man auch gemeinsam in einem wie Klagantrag Ziff. 2 formulierten Antrag unterbringen und dann lediglich in der Klagebegründung differenzieren. 5 Praxistipp: Nach der Rechtsprechung des BAG (BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, AP Nr. 12 zu § 305c BGB) fällt die Klärung der Frage, ob eine Befristung überhaupt als vereinbart gilt, nicht unter die Drei-Wochen-Frist des § 17 Satz 1 TzBfG (s. Fn. 1). 6 Unklar ist, ob der Klageantrag sich darauf beschränken kann, die Unwirksamkeit der Befristung zu einem bestimmten Datum geltend zu machen, oder ob entsprechend der Rechtsprechung zu § 4 KSchG im Klageantrag angegeben werden muss, wann und wo die Befristungsabrede vereinbart wurde. Vorsorglich ist dringend Letzteres zu empfehlen.

Diller

263

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.1.9

4. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch sonstige Beendigungstatbestände endet, sondern über den 30.6.2013 hinaus weiterbesteht. 5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 30.6.2013 hinaus zu unveränderten Bedingungen im Werk . . . als . . . mit einem Bruttogehalt von Euro . . . weiterzubeschäftigen. Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. im Werk . . . seit dem 31.3.2011 als . . . mit einem Bruttomonatsverdienst von Euro . . . beschäftigt. Der Bekl. beschäftigt im Werk . . . regelmäßig . . . Arbeitnehmer. Grundlage der Beschäftigung war zunächst der Anstellungsvertrag vom 25.3.2011, der bis zum 30.6.2012 befristet war.7 Beweis: Anstellungsvertrag vom 25.3.2011, Anlage K 1 Mit Vertragsnachtrag vom 26.6.2012 vereinbarten die Parteien, den Anstellungsvertrag bis zum 30.6.2013 zu verlängern. Beweis: Verlängerungsvereinbarung vom 26.6.2012, Anlage K 2 Mit Schreiben vom 25.5.2013 teilte die Bekl. dem Kl. mit, sein Arbeitsverhältnis ende zum 30.6.2013. Beweis: Schreiben der Bekl. vom 25.5.2013, Anlage K 3 Der Kl. antwortete der Bekl. mit Einschreiben vom 28.5.2013 und teilte mit, er sei mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht einverstanden und verlange Weiterbeschäftigung über den 30.6.2013 hinaus. Beweis: Schreiben des Kl. vom 28.5.2013, Anlage K 4 Auf dieses Schreiben reagierte die Bekl. jedoch nicht. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 begehrt der Kl. die Feststellung, dass es schon an einer wirksamen Vereinbarung über die Befristung fehlt. Der Antrag ist begründet, da die Befristung gegen das Verbot überraschender Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) verstieß. Die Befristung war unter der irreführenden Überschrift „Schlussbestimmungen“ untergebracht und drucktechnisch in keiner Weise hervorgehoben. Unter der Rubrik „Schlussbestimmungen“ fanden sich vor und nach dem die Bedingung enthaltenden Satz noch vielfältige andere Bagatellregelungen, insbesondere zu Geheimhaltung, Vollständigkeit, Gerichtsstand etc. Das „Verstecken“ einer Befristung unter einer irreführenden Überschrift führt dazu, dass diese gemäß § 305c Abs. 1 BGB als nicht vereinbart gilt. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 wendet sich der Kl. hilfsweise gegen die Wirksamkeit der Befristung, wenn sie denn entgegen dem oben Ausgeführten vereinbart sein sollte. Ein sachlicher Grund für die Befristung bestand nicht. Die Befristung war auch nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zulässig. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG erlaubt zwar die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge, aber nicht über eine Gesamtdauer von zwei Jahren hinaus. Im vorliegenden Fall sollte die Befristung zusammen mit der Verlängerung jedoch zwei Jahre und drei Monate dauern. Die dreiwöchige Klagefrist nach § 17 Satz 1 TzBfG ist gewahrt. 7 Auf Grund des § 14 Abs. 4 TzBfG bedürfen Befristungen der gesetzlichen Schriftform des § 126 BGB bzw. § 126a BGB (dazu Einf. Rz. 4).

264 Diller

M 6.2.1

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Mit dem Klageantrag Ziff. 3 wendet sich der Kl. gegen das Schreiben der Bekl. vom 25.5.2013 für den Fall, dass dieses Schreiben als Kündigungserklärung aufgefasst werden könnte. Vorsorglich wird bestritten, dass Kündigungsgründe nach § 1 KSchG vorliegen und dass der im Betrieb bestehende Betriebsrat ordnungsgemäß gemäß § 102 BetrVG angehört wurde. Im Betrieb sind mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG ist gewahrt.8 Mit dem Klageantrag Ziff. 4 begehrt der Kl. die Feststellung, dass das Anstellungsverhältnis auch durch sonstige Beendigungstatbestände nicht endet. Dem Kl. sind zwar derzeit keine weiteren Beendigungstatbestände bekannt. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass die Bekl. unverzüglich eine Kündigung aussprechen wird, wenn sie feststellt, dass die Befristung wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 2 TzBfG unwirksam war. Dies hat der Personalleiter der Bekl. . . . gegenüber dem Kl. in einem Telefonat vom . . . bereits angekündigt.9 Mit dem Klageantrag Ziff. 5 macht der Kl. den nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend,10 der nicht nur in Kündigungsschutzverfahren gilt, sondern auch bei Streit um die Wirksamkeit einer Befristung. ... (Unterschrift)11 8 9 10 11

S. im Einzelnen die allgemeinen Muster zur Kündigungsschutzklage, M 22.17 ff. S. im Einzelnen die allgemeinen Muster zur Kündigungsschutzklage, M 22.17 ff. BAG GS v. 27.2.1985, NJW 1985, 298. Für die Bestimmung des Streitwerts bei einer Befristungsklage wird regelmäßig die für Kündigungen geltende Regelung des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG (Vierteljahresbezug) herangezogen (zB LAG Nürnberg v. 1.8.2003 – 6 Ta 98/03; LAG Hessen v. 15.7.2003 – 15 Ta 186/03), s. im Einzelnen M 22.17 Fn. 13.

u

Teilzeitarbeitsvertrag1

6.2.1

§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses (1) Herr/Frau . . . wird als Teilzeitarbeitnehmer/in die Tätigkeit eines . . . ausführen. Er/ Sie wird seine/ihre Tätigkeit am . . . beginnen.2 (2) Die Probezeit beträgt sechs Monate. Während dieser Zeit können die Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis mit einmonatiger Frist zum Monatsschluss kündigen.3 § 2 Arbeitszeit (1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 20 Stunden. 1 Vgl. Einf. Rz. 34 ff. Für ältere Arbeitnehmer ist noch das Altersteilzeitgesetz von Bedeutung. Zu Einzelheiten vgl. Kap. 7 sowie M 7.1, M 7.2. 2 Zu etwaigen Versetzungsklauseln vgl. oben M 2.1a bei Ziff. 1. 3 Gemäß § 622 Abs. 3 BGB wäre auch eine Kündigungsfrist von zwei Wochen zulässig.

Diller/Lingemann

265

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.2.1

oder (1) Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit beträgt vier Stunden. (2) Die tägliche Arbeitszeit beginnt um 16.00 und endet um 20.00 Uhr. oder (2) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richten sich nach der Betriebsvereinbarung für Teilzeitbeschäftigte vom . . . oder (2) Herr/Frau . . . wird jeweils von Montag bis Donnerstag fünf Stunden täglich arbeiten. oder (2) Herr/Frau . . . wird jede zweite Woche 40 Stunden arbeiten und in der dazwischenliegenden Woche jeweils aussetzen. (3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Lage der Arbeitszeit mit einer Ankündigungsfrist von . . . Tagen zu ändern.4 (4) Herr/Frau . . . ist verpflichtet, bis maximal . . . Überstunden/Woche zu leisten.5 Pro Überstunde werden 1/. . . der nach § 3 vereinbarten Monatsvergütung zzgl. einem Zuschlag von . . . % bezahlt. Die Überstunden werden . . . Tage vorher angekündigt. §3

Vergütung

Herr/Frau . . . erhält eine monatliche Bruttovergütung von Euro . . ., zahlbar jeweils am Monatsende. §4

Urlaub

Herr/Frau . . . erhält einen anteiligen Urlaub von 15 Arbeitstagen pro Jahr.6 oder Der Urlaub für Vollzeitarbeitnehmer beträgt . . . Arbeitstage; Herr/Frau . . . erhält dementsprechend für die Teilzeittätigkeit anteiligen Urlaub von . . . Tagen. oder 4 Ohne eine solche Klausel besteht beim Teilzeitarbeitsvertrag kein Recht der Arbeitgebers zur Bestimmung der Lage der Arbeitszeit im Rahmen seines Direktionsrechts, wenn diese vertraglich festgelegt ist (Küttner/Reinecke, Nr. 402 Teilzeitbeschäftigung, Rz. 6). Die Ankündigungsfrist sollte in Anlehnung an § 12 Abs. 2 TzBfG mindestens vier Tage betragen (vgl. auch Preis/Preis, II T 10, Rz. 8). Zu den – uE nicht begründeten – Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Klausel, die die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit dem Arbeitgeber überlässt, s. M 2.1a bei Ziff. 3 Abs. 1 Var. 1; BAG v. 17.7.2007, NZA 2008, 118. Besteht ein Betriebsrat, so hat er bei der Änderung ebenso wie bei der vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen. 5 Vgl. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89; M 2.1a Ziff. 4 m. Anm. Auch hier ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu beachten. 6 Der Urlaub von Teilzeitkräften berechnet sich nach folgender Formel: Gesamturlaubstage für Vollzeitkräfte geteilt durch Wochentage der Vollzeittätigkeit multipliziert mit Wochentagen der Teilzeittätigkeit ergibt Gesamturlaubstage der Teilzeittätigkeit (vgl. BAG v. 14.2.1991, DB 1991, 1789); zur Berechnung bei unregelmäßiger Verkürzung der Arbeitszeit BAG v. 5.9.2002, NZA 2003, 726.

266 Lingemann

M 6.2.2

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Herr/Frau . . . erhält Urlaub wie ein Vollzeitarbeitnehmer, wobei die freien Arbeitstage als unbezahlter Urlaub gelten. Urlaubsentgelt wird im Verhältnis der Teilzeit- zur Vollzeitarbeit gezahlt. oder Herr/Frau . . . erhält . . . Arbeitsstunden Erholungsurlaub. Für jeden gewährten Urlaubstag verringert sich der Urlaubsanspruch um die Anzahl der Stunden, die Herr/ Frau . . . ohne den Urlaub gearbeitet hätte.7 § 5 Nebentätigkeit Nebentätigkeiten, die die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen können, bedürfen seiner vorherigen schriftlichen Zustimmung. Die Aufnahme jeder Nebentätigkeit ist dem Arbeitgeber anzuzeigen. §§ 6 ff.

(Spesen, Erfindungen, Wettbewerbsverbot usw.)

... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

7 Diese komplizierte Regelung kann im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitarbeitskräften insbesondere dann notwendig werden, wenn die vereinbarte Arbeitszeit an verschiedenen Wochentagen unterschiedlich viele Stunden beträgt.

u

Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit1

6.2.2

Firma . . . z. Hd. der Personalleiterin (Ort, Datum) . . . Sehr geehrte Frau . . ., ich bin seit2 dem . . . bei Ihnen beschäftigt und beantrage, meine Arbeitszeit von bisher . . . h/Woche ab dem . . . um . . . h/Woche auf . . . h/Woche3 herabzusetzen. Als Verteilung der reduzierten Arbeitszeit bevorzuge ich montags von . . . bis . . ., dienstags von . . . bis . . ., mittwochs von . . . bis . . ., donnerstags von . . . bis . . . und freitags von . . . bis . . .

1 Vgl. Einf. Rz. 39 ff.; ist der Antrag nicht hinreichend bestimmt, zB weil er nicht den Umfang der zu reduzierenden Arbeitszeit angibt, löst er nicht die für den Arbeitnehmer günstigen Fiktionswirkungen gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG aus, BAG v. 16.10.2007, NZA 2008, 289. 2 Mindestens sechs Monate, § 8 Abs. 1 TzBfG. 3 § 8 Abs. 1 TzBfG bezieht sich auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Es werden auch flexible, auf längere Zeiträume angelegte Arbeitszeitregelungen erfasst.

Lingemann 267

Kap. 6

M 6.2.3

Besondere Arbeitsverträge

Alternativ schlage ich die Verteilung auf montags von . . . bis . . ., dienstags von . . . bis . . ., mittwochs von . . . bis . . ., donnerstags von . . . bis . . . und freitags von . . . bis . . . vor.4 Eine Verringerung meiner Arbeitszeit soll nur unter der Bedingung erfolgen, dass es zu einer der von mir gewünschten Arbeitszeitverteilungen kommt.5 Ich hoffe auf Ihre Zustimmung zu der verkürzten Arbeitszeit und ihrer Verteilung. Zu Gesprächen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung. ... (Unterschrift) 4 Diese Verteilungsalternativen sind uE trotz des Urteils des BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 729/07 mit Anm. Ahrendt in jurisPR-ArbR 13/2012 zulässig, wonach das Angebot durch ein schlichtes „Ja“ annehmbar sein muss. Zwar kann der Arbeitgeber diesen Antrag nicht annehmen, ohne deutlich zu machen, welche der beiden Alternativen er bevorzugt; ein schlichtes „Ja“ reicht also nicht aus. Jedoch erweitern die Alternativen nur den Spielraum des Arbeitgebers. Er hat die Möglichkeit entweder die erste Alternative als die bevorzugte Variante anzunehmen oder die zweite Alternative. Reagiert er auf ein solches Aufforderungsschreiben, dürfte angesichts dieser eindeutigen Rangfolge die Fiktionswirkung bzgl. der ersten Alternative greifen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass eine solche alternative Formulierung bislang nicht höchstrichterlich geprüft wurde; rechtssicherer ist eine Formulierung ohne Alternative. 5 Eine solche Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) dürfte zulässig sein.

6.2.3

u

Schreiben bei verspätetem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit

Betr.: Ihr Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit vom 26.8.2013 . . . (Ort, Datum) . . . Sehr geehrter Herr/Frau . . ., Sie wünschen eine Reduzierung Ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 20 Stunden ab dem 1.10.2013. Dies hätten Sie mit einer Frist von drei Monaten, also spätestens am 30.6.2013,1 beantragen müssen. Da Ihr Antrag erst am 26.8.2013 bei uns eingegangen ist, werden wir ihn als zum 27.11.20132 gestellt behandeln. Unsere Antwort erhalten Sie bis 30.9.2013.3 1 Bei § 8 Abs. 2 TzBfG handelt es sich um eine Vorschaltfrist, die vor dem Beginn der Verringerung abgelaufen sein muss, Hopfner, DB 2001, 2144, 2145; Straub, NZA 2001, 919, 921 f. 2 Der neue Beginn ist durch Auslegung des ursprünglichen Antrags zu ermitteln. Der Beginn verschiebt sich nach dem hypothetischen Willen des Antragstellers auf den nächstmöglichen fristgemäßen Zeitpunkt, BAG v. 20.7.2004, NZA 2004, 1090. 3 § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG verlangt die Entscheidung des Arbeitgebers bis spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung. Bei einer Verschiebung des vom Arbeitnehmer gewünschten Beginns mittels Auslegung des verspäteten Antrags (vgl. BAG v. 20.7.2004, NZA 2004, 1090) verschiebt sich auch die Vorfrist des Arbeitgebers. Zu beachten

268 Lingemann

M 6.2.4

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Mit freundlichem Gruß ... (Unterschrift) ist jedoch, dass ein zu kurzfristig gestelltes Änderungsverlangen die in § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG geregelte Zustimmungsfiktion nicht auslösen kann, s. oben Einf. Rz. 39.

u

Ablehnung des Antrags auf Reduzierung der Arbeitszeit1

6.2.4

(Ort, Datum) . . . Herr/Frau . . . Betr.: Ihr Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit vom 26.8.2013 Sehr geehrte/r Herr/Frau . . ., ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom 26.8.2013. Sie machen darin eine Verringerung und Neuverteilung Ihrer Arbeitszeit geltend. Wir haben zwischenzeitlich diesen Wunsch mit Ihnen mit dem Ziel erörtert, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Es konnte jedoch kein Einvernehmen erzielt werden.2 Wir können wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe der Verringerung und Neuverteilung3 der Arbeitszeit nicht zustimmen. Die betrieblichen Gründe liegen darin, dass . . . (zB: die ganztägige Erreichbarkeit in Ihrer Funktion für Kunden zwingend notwendig ist, und wir trotz entsprechender Stellenanzeigen und Anfragen bei der zuständigen Arbeitsagentur keinen Mitarbeiter finden konnten, der die verbleibende Arbeitszeit abdecken würde; oder: dass auf Grund der projektgebundenen Art der Tätigkeit die Übergabe an einen anderen Arbeitnehmer, der Ihre Funktion in der verbleibenden Zeit übernehmen könnte, mehr als 40 % der Gesamtarbeitszeit ausmachen würde).4 1 Vgl. Einf. Rz. 42 f. iVm. Rz. 36 ff.; gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG bedarf die Ablehnung der Schriftform. Auch muss sie spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Teilzeittätigkeit dem Arbeitnehmer zugehen, andernfalls verringert sich die Arbeitszeit in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang, dh. der Arbeitsvertrag gilt insoweit als geändert. Aus Arbeitgebersicht muss die Monatsfrist daher unter allen Umständen beachtet werden. 2 Vgl. § 8 Abs. 3 TzBfG; allerdings tritt auch ohne Verhandlung nicht die Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG ein, sondern die Wirksamkeit der Befristung hängt auch dann davon ab, ob betriebliche Gründe gemäß § 8 Abs. 4 TzBfG entgegenstehen, BAG v. 18.2.2003, NZA 2003, 911. Jedoch kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dann keine Einwendungen entgegenhalten, die im Rahmen einer Verhandlung hätten ausgeräumt werden können. 3 Um die Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG zu vermeiden, ist immer auch die Neuverteilung ausdrücklich abzulehnen. 4 Einzelheiten zu betrieblichen Gründen s. Einf. Rz. 46 ff. Eine nähere Begründung ist nach dem Gesetz in der Ablehnung zwar – anders als für den Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 7 BEEG – nicht erforderlich und der Arbeitgeber ist mit nicht in dem Ablehnungsschreiben vorgebrachten Gründen grds. im Prozess nicht präkludiert, BAG v. 18.2.2003, NZA 2003, 911; jedoch ist eine sorgfältige Begründung dringend anzuraten, da jedenfalls Instanzgerichte zum Teil eine solche Präklusion annehmen und auch das BAG aaO von einer Präklusion ausgeht, wenn der Arbeitgeber gleichzeitig seine Verhandlungsobliegenheit nach § 8 Abs. 3 TzBfG verletzt.

Lingemann 269

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.2.5

Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift)

6.2.5

u

Klage auf Zustimmung zur Reduzierung der Arbeitszeit

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag des Klägers vom . . . auf Reduzierung seiner vertraglichen Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden zuzustimmen.2 2. Die Beklagte wird (hilfsweise für den Fall des Obsiegens)3 verurteilt, die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend dem Antrag des Klägers vom . . . auf montags von . . . bis . . ., dienstags von . . . bis . . ., mittwochs von . . . bis . . ., donnerstags von . . . bis . . . und freitags von . . . bis . . . festzulegen. Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. seit dem . . . beschäftigt. Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom . . . Beweis: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage K 1 Am . . . beantragte der Kl. schriftlich bei der Bekl. die Reduzierung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden zum . . . Gleichzeitig bat er um die Festlegung seiner Arbeitszeit entsprechend dem Antrag Ziff. 2. Beweis: Schreiben des Klägers vom . . ., Anlage K 2 Mit Schreiben vom . . . lehnte die Bekl. dies aus betrieblichen Gründen ab, ohne diese näher zu bezeichnen.

1 S. M 101.1 und 101.2. 2 Der Antrag ist auch ohne Angabe eines Zeitpunkts, ab dem die Verringerung der Arbeitszeit greifen soll, bestimmt genug gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da gem. § 894 Abs. 1 ZPO die Abgabe der Willenserklärung erst mit Rechtskraft des Urteils als erfolgt gilt und ihre Wirkung erst dann eintreten kann (ArbG Essen v. 19.6.2001, NZA-RR 2001, 573, 574; Diller, NZA 2001, 589, 590 Fn. 10; Beckschulze, DB 2000, 2598, 2606). 3 Wird der Antrag wie hier als unechter Hilfsantrag gestellt, so bleibt er für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag Ziff. 1 im Streitwert unberücksichtigt (vgl. Grobys/Bram, NZA 2001, 1178).

270 Diller

M 6.2.6

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Beweis: Schreiben der Bekl. vom . . ., Anlage K 3 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 macht der Kl. seinen Anspruch auf Zustimmung zur Verringerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit aus § 8 Abs. 1 und 4 TzBfG geltend. Der Kl. ist seit mehr als sechs Monaten bei der Bekl. beschäftigt (§ 8 Abs. 1 TzBfG) und die Bekl. beschäftigt in ihrem Unternehmen regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer ohne Auszubildende (§ 8 Abs. 7 TzBfG). Der Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit wurde rechtzeitig gemäß § 8 Abs. 2 TzBfG gestellt. Die Verringerung der Arbeitszeit sollte zum . . . beginnen, so dass bei Antragstellung am . . . mehr als drei Monate Zeit verblieben. Vorsorglich wird das Vorliegen betrieblicher Gründe, die der Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen, bestritten.4 Mit dem Klageantrag Ziff. 2 begehrt der Kl. seinen Anspruch auf Festsetzung der Verteilung der verringerten Arbeitszeit aus § 8 Abs. 4 TzBfG. ... (Unterschrift)5 4 Bestreiten mit Nichtwissen kann ausreichen, wenn dem Kläger Einblicke in die Betriebsabläufe fehlen, Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1180. 5 Der Streitwert wird in der Gerichtspraxis höchst unterschiedlich festgesetzt. Nach herrschender Auffassung ist gemäß § 42 Abs. 2 GKG die 36-fache Vergütungsdifferenz anzusetzen, höchstens jedoch der Vierteljahresbezug nach § 42 Abs. 3 GKG (LAG Hamburg v. 8.11.2001, NZA-RR 2002, 551; LAG Sachsen v. 15.12.2003 – 4 Ta 277/03–5; LAG Nürnberg v. 12.9.2003 – 9 Ta 127/03; LAG Köln v. 25.3.2002, MDR 2002, 1257; LAG Nds. v. 14.12.2001, NZA 2002, 550; LAG Hessen v. 28.11.2001, NZA 2002, 404). Andere Gerichte setzen grundsätzlich zwei Bruttomonatsgehälter an (LAG Düsseldorf v. 12.11.2001, NZA-RR 2002, 103; LAG München v. 21.2.2003, NZA-RR 2003, 382) oder operieren mit dem Hilfswert von Euro 4 000 nach § 23 RVG (LAG Rh.-Pf. v. 30.5.2005, AE 2006, Nr. 244).

u

Klage auf Feststellung der reduzierten Arbeitszeit

6.2.6

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass seit dem . . .2 die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit des Klägers . . .3 beträgt. 1 S. M 101.1 und 101.2. 2 Datum des Eintritts der Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG. 3 Je nach gewünschtem Arbeitszeitmodell, zB Jahresarbeitszeit von 800 Stunden oder 40 Stunden wöchentlich in den Monaten Juni bis November etc.

Diller

271

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.2.6

2. Hilfsweise für den Fall des Obsiegens: a) Es wird festgestellt, dass die Arbeitszeit auf . . . festgelegt ist. b) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger vertragsgemäß . . .4 zu beschäftigen. Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. seit dem . . . beschäftigt. Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom . . . Beweis: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage K 1 Am . . . beantragte der Kl. schriftlich bei der Bekl. die Reduzierung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden zum . . . Gleichzeitig bat er um die Festlegung seiner Arbeitszeit entsprechend dem Antrag Ziff. 2. Beweis: Schreiben des Kl. vom . . ., Anlage K 2 Darauf reagierte die Bekl. nicht. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 macht der Kl. die Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG geltend. Der Kl. ist seit mehr als sechs Monaten bei der Beklagten beschäftigt (§ 8 Abs. 1 TzBfG), und die Bekl. hat in ihrem Unternehmen regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer ohne Auszubildende angestellt (§ 8 Abs. 7 TzBfG). Der Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit wurde rechtzeitig gemäß § 8 Abs. 2 TzBfG gestellt. Die Verringerung der Arbeitszeit sollte zum . . . beginnen, so dass bei Antragstellung am . . . mehr als drei Monate Zeit verblieben. Die fehlende Ablehnung löst die Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG aus. Mit dem Klageantrag Ziff. 2a) begehrt der Kl. die Feststellung der Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG hinsichtlich der Verteilung der verringerten Arbeitszeit. Auch hinsichtlich der Verteilung greift die Fiktionswirkung. Mit dem Klageantrag Ziff. 2b) begehrt der Kl. Beschäftigung entsprechend dem derzeitigen Vertragsinhalt. Die Kl. ist gemäß § 259 ZPO zulässig. Die Bekl. hat am . . . die Beschäftigung des Kl. zu den nunmehr geltenden Beschäftigungszeiten verweigert. Damit besteht die Besorgnis, dass die Beklagte den Kl. auch zukünftig nicht vertragsgemäß beschäftigen wird. Der Anspruch auf Beschäftigung folgt aus der Pflicht der Bekl., im bestehenden Arbeitsverhältnis das Persönlichkeitsrecht des Kl. zu achten.5 ... (Unterschrift)6 4 Hier sind die Beschäftigungszeiten entsprechend den Anträgen Ziff. 1 und 2a) einzufügen. Die übrigen Arbeitsbedingungen müssen nur dann gesondert aufgeführt werden, wenn sie im Streit sind, Erman/Edenfeld, § 611 BGB Rz. 357. 5 BAG v. 10.11.1955, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht. 6 Zum Streitwert s. M 6.2.5 Fn. 5.

272 Diller

M 6.2.7

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

u

Einstweilige Verfügung auf Reduzierung der Arbeitszeit

6.2.7

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen wir: Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung2 verpflichtet, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den Antragsteller mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf Montag bis Freitag, jeweils vier Stunden von 8.00 bis 12.00 Uhr, zu beschäftigen.3 Begründung: Der ASt. ist bei der AGg. seit dem . . . beschäftigt. Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom . . . Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage AS 1 Am . . . beantragte der ASt. schriftlich bei der AGg. die Reduzierung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden zum . . . Gleichzeitig bat er um die Festlegung seiner Arbeitszeit entsprechend dem Antrag. Glaubhaftmachung: Schreiben des ASt. vom . . ., Anlage AS 2; Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 3 Mit Schreiben vom . . . lehnte die AGg. dies aus betrieblichen Gründen ab, ohne diese näher zu bezeichnen. Glaubhaftmachung: Schreiben der AGg. vom . . ., Anlage AS 4 Die Frau des ASt. ist seit . . . ganztägig pflegebedürftig. Glaubhaftmachung: Ärztliches Gutachten vom . . ., Anlage AS 5 Der ASt. hat keine weiteren Familienangehörigen, und es ist ihm finanziell nicht möglich, Pflegepersonal über den Rahmen der Finanzierung durch die Pflegeversicherung hinaus zu beschäftigen. Derzeit wird die Ehefrau vom Pflegedienst . . . täglich in der Zeit von 8.00 bis 12.00 Uhr, also vier Stunden täglich betreut. Die übrige Pflege muss der ASt. übernehmen. Hierfür wendet er acht Stunden täglich auf. Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 3

1 Allgemein zur einstweiligen Verfügung s. Kap. 107, insbesondere M 107.1. 2 Der sonst bei Verfügungsanträgen übliche (s. M 107.1) Antrag auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist bei Anträgen auf Arbeitszeitreduzierung fehl am Platze und sollte gleich weggelassen werden; schon wegen § 616 BGB kann die Sache nie so eilbedürftig sein, dass keine Zeit für eine mündliche Verhandlung wäre. 3 Das Bedürfnis für eine einstweilige Regelung besteht auch über eine erstinstanzliche Entscheidung hinaus, da die in der Hauptsache begehrte Abgabe einer Willenserklärung erst mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt (§ 894 ZPO).

Diller

273

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.2.8

Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 und 4 TzBfG.4 Der ASt. ist seit mehr als sechs Monaten bei der AGg. beschäftigt (§ 8 Abs. 1 TzBfG) und die AGg. hat in ihrem Unternehmen regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer ohne Auszubildende angestellt (§ 8 Abs. 7 TzBfG). Der Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit wurde rechtzeitig gemäß § 8 Abs. 2 TzBfG gestellt. Die Verringerung der Arbeitszeit sollte zum . . . beginnen, so dass bei Antragstellung am . . . mehr als drei Monate Zeit verblieben, die jedoch inzwischen verstrichen sind. Betriebliche Gründe, die der Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen, liegen nicht vor. Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass die Pflegebedürftigkeit der Ehefrau des ASt. derzeit akut vorliegt und die Sicherung der erforderlichen Pflege nicht gewährleistet ist. Da die Pflege durch den ASt. während acht Stunden täglich erforderlich ist, muss er seine Arbeitszeit entsprechend dem Antrag reduzieren. Bezüglich der Verteilung der Arbeitszeit ergibt sich der Verfügungsgrund daraus, dass der ASt. auf Grund der Pflegezeiten des Pflegedienstes . . . darauf angewiesen ist, genau zu diesen Zeiten zu arbeiten. ... (Unterschrift)5 4 Das Pflegezeitgesetz (s. M 17.9 und 17.10) nützt dem Antragsteller hier nichts, weil er die Reduzierung der Arbeitszeit auf Dauer begehrt, während das PflegeZG nur für sechs Monate greift. Auf das seit 2012 geltende Familien-Pflegezeitgesetz (FPfZG), welches eine Pflegezeit von bis zu 24 Monaten vorsieht, kann sich der Antragsteller nicht berufen, da nach der Konzeption des FPfZG kein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Arbeitszeitreduzierung besteht, sondern die Reduzierung der Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. 5 Zum Streitwert auch M 6.2.5 Fn. 5. Ein Abschlag wegen des Eilverfahrens ist nicht angezeigt (LAG Nürnberg v. 12.9.2003 – 9 Ta 127/03).

6.2.8

u

Änderungsvertrag

Zwischen der X-AG (im Folgenden: Gesellschaft) und Herrn/Frau . . . wird Folgendes vereinbart: Vorbemerkung1 Herr/Frau hat bei der Gesellschaft am . . . um die Reduzierung seiner/ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und deren Neuverteilung gebeten. Nach Erörterung dieses Wunsches vereinbaren die Parteien die folgenden Änderungen zum Arbeitsvertrag vom . . .: 1 Die Vorbemerkung erfolgt im Hinblick auf § 8 Abs. 6 TzBfG.

274 Diller/Lingemann

M 6.3.1

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

§ 1 Arbeitszeit (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ab . . . Stunden wöchentlich. (2) Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit wird ab . . . folgendermaßen gestaltet: montags von . . . bis . . ., dienstags von . . . bis . . ., mittwochs von . . . bis . . ., donnerstags von . . . bis . . . und freitags von . . . bis . . . Die Gesellschaft behält sich eine spätere Änderung der Lage der Arbeitszeit vor, wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse von Herrn/Frau . . . erheblich überwiegt.2 Dies wird die Gesellschaft einen Monat vorher ankündigen. §2

Vergütung

(1) Herr/Frau . . . erhält ab . . . eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von Euro . . . (2) Herr/Frau . . . erhält ab . . . Urlaubs- und Weihnachtsgratifikation in Höhe von Euro . . . bzw. Euro . . . (3) Die betriebliche Altersversorgung wird beibehalten, wobei die Zuführungen pro rata gemäß dem Verhältnis der bisherigen zur neu vereinbarten Arbeitszeit gekürzt werden. (4) Die Regelungen über vermögenswirksame Leistungen bleiben unverändert bestehen. (5) Alle übrigen geldwerten Vorteile und Leistungen der Gesellschaft werden ab . . . pro rata gemäß dem Verhältnis der bisherigen zur neu vereinbarten Arbeitszeit gekürzt.3 §3

Fortgeltung Arbeitsvertrag

Im Übrigen gelten die Regelungen des Arbeitsvertrags vom . . . fort. ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

2 Diese Regelung gemäß § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG ist sinnvoll, damit das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit nicht durch die vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen wird. Die Ankündigungsfrist sollte in Anlehnung an § 12 Abs. 2 TzBfG dabei mindestens vier Tage betragen, so dass die Monatsfrist im Formular unproblematisch ist (vgl. auch Preis/Preis, II T 10, Rz. 8). 3 Mit dieser Generalklausel lassen sich evtl. leicht zu übersehende Ansprüche aus betrieblicher Übung uÄ erfassen.

u

Teilzeitvertrag mit geringfügiger Beschäftigung (Minijob)

6.3.1

§ 1 Beginn und Art der Tätigkeit Herr/Frau . . . wird mit Wirkung ab dem . . . als geringfügig Beschäftigte/r für die Tätigkeit als . . . angestellt. Der Arbeitgeber behält sich vor, ihm/ihr . . . unter Berücksichtigung seiner/ihrer Interessen auch eine andere angemessene und gleichwertige Tätigkeit zuzuweisen. Lingemann 275

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.3.1

§ 2 Arbeitszeit Die Arbeitszeit beträgt wöchentlich . . . Stunden.1 §3

Vergütung

(1) Herr/Frau . . . erhält monatlich eine Vergütung von Euro . . .2 (2) Die Vergütung ist jeweils am Monatsende fällig und wird auf das von dem Mitarbeiter noch anzugebende Konto überwiesen. § 4 Steuer und Sozialversicherung (1) Da es sich um eine Teilzeitbeschäftigung mit geringfügiger Vergütung handelt, wird die Lohnsteuer pauschaliert durch den Arbeitgeber übernommen.3 oder (1) Die Parteien sind sich darüber einig, dass die vom Arbeitgeber zu tragende Lohnsteuer im Innenverhältnis vom Arbeitnehmer zu tragen ist und sein Lohn um den entsprechenden Betrag gekürzt wird.4 (2) Herr/Frau . . . wird darauf hingewiesen, dass er/sie Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann, wenn er/sie nach § 6 Abs. 1b SGB VI die Befreiung durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber beantragt.5 Die Befreiung wirkt ab Beginn des Kalendermonats des Eingangs beim Arbeitgeber, frühestens ab Beschäftigungsbeginn. Beantragt Herr/Frau . . . die Befreiung nicht, so ist er/sie verpflichtet, den gesetzlichen Pauschalbeitrag zur Rentenversicherung von . . . % des Arbeitsentgelts6 auf den jeweils geltenden Rentenversicherungsbeitrag aufzustocken. Durch diese eigenen Zuzahlungen erwirbt Herr/Frau . . . volle Leistungsansprüche in der Rentenversicherung. Herr/Frau . . . wird darauf hingewiesen, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Dauer der Beschäftigung bindend ist und nicht widerrufen werden kann. (3) Herr/Frau . . . erklärt, dass er/sie keine weiteren Beschäftigungsverhältnisse hat. oder (3a) Herr/Frau . . . erklärt, dass er/sie folgende weitere nicht geringfügige Beschäftigungsverhältnisse hat:

1 Die frühere zeitliche Obergrenze von 15 Stunden pro Woche gilt seit dem 1.4.2003 nicht mehr. Für regelmäßig ausgeübte Beschäftigungen ist nur noch die Verdienstobergrenze von Euro 450,– im Monat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV maßgeblich. 2 Die Entgeltobergrenze beträgt gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV Euro 450,–. 3 Zu Einzelheiten der Lohnsteuerpauschalierung vgl. Einf. Rz. 77 ff. 4 Die Abwälzung der pauschalen Lohnsteuer auf den Arbeitnehmer im Innenverhältnis ist arbeitsrechtlich zulässig. Es liegt kein Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten vor, BAG v. 1.2.2006, DB 2006, 1059. 5 Der Arbeitgeber ist zu diesem Hinweis nicht verpflichtet. Zu Einzelheiten s. oben die Einf. Rz. 73 ff. 6 S. dazu Einf. Rz. 77.

276 Lingemann

M 6.3.1

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Firma

Entgelt

Wöchent- versicherungspflichtig? liche Arbeitszeit KV/PV

RV

ALV

a)

l

l

l

b)

l

l

l

(3b) Herr/Frau . . . erklärt, dass er/sie folgende weitere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse hat: Firma

Entgelt

Wöchent- Rentenversicherung? liche Arbeitszeit RV mit Eigenanteil

RV ohne Eigenanteil

a)

l

l

b)

l

l

Bei Zusammenrechnung aller geringfügigen Beschäftigungen einschließlich der geringfügigen Beschäftigung gemäß diesem Vertrag beträgt das Arbeitsentgelt nicht mehr als Euro 450,– monatlich. (4) Herr/Frau . . . verpflichtet sich, jede Änderung der steuerlichen bzw. versicherungsrechtlichen Verhältnisse, insbesondere die Aufnahme weiterer Beschäftigungen, der Firma unverzüglich [ggf.: mit den Angaben nach Abs. 3] mitzuteilen.7 Herr/Frau . . . wird darauf hingewiesen, dass die Aufnahme weiterer Beschäftigungen oder deren Änderung zu einer umfassenden Sozialversicherungspflicht auch dieses Beschäftigungsverhältnisses führen kann. Verstößt Herr/Frau . . . daher gegen diese Mitteilungspflicht, so ist er/sie verpflichtet, der Firma eventuelle Ansprüche der Sozialversicherungsträger und der Finanzverwaltung zu erstatten. §5

Urlaub

Der Urlaubsanspruch für Vollzeitbeschäftigte beträgt . . . Arbeitstage, der Urlaubsanspruch für Herrn/Frau . . . somit anteilig für den vertraglich vereinbarten Arbeitszeitanteil . . . Arbeitstage.8

7 Zur Zusammenrechnung von mehreren geringfügigen Beschäftigungen und geringfügigen Beschäftigungen mit dem Hauptberuf s. Einf. Rz. 75. Im Hinblick auf § 8 Abs. 2 Satz 4 SGB IV ist eine solche Anzeigepflicht dringend anzuraten. 8 Zur Urlaubsberechnung vgl. M 6.2.1 Fn. 6. Bei § 5 des vorliegenden Musters gilt der gesetzliche Mindesturlaub gemäß § 3 BUrlG von 24 Werktagen (bzw. 20 Arbeitstage bei einer FünfTage-Woche für Vollzeitkräfte), geteilt durch die Wochentage der Vollzeittätigkeit multipliziert mit den Wochentagen der Teilzeittätigkeit.

Lingemann 277

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.3.2

§ 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses Das Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende schriftlich gekündigt werden.9 ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

9 Gemäß § 622 Abs. 1 BGB wäre für die ersten zwei Jahre des Arbeitsverhältnisses auch eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats zulässig. Greift ein Tarifvertrag ein, sind dessen Regelungen zu beachten.

6.3.2

u

Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nach § 6 Abs. 1b SGB VI1

Arbeitnehmer: Name: . . . Vorname: . . . Rentenversicherungsnummer: . . . Hiermit beantrage ich die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung im Rahmen meiner geringfügig entlohnten Beschäftigung und verzichte damit auf den Erwerb von Pflichtbeitragszeiten. Ich habe die Hinweise auf dem „Merkblatt über die möglichen Folgen einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht“ zur Kenntnis genommen.2 Mir ist bekannt, dass der Befreiungsantrag für alle von mir zeitgleich ausgeübten geringfügig entlohnten Beschäftigungen gilt und für die Dauer der Beschäftigungen bindend ist; eine Rücknahme ist nicht möglich. Ich verpflichte mich, alle weiteren Arbeitgeber, bei denen ich eine geringfügig entlohnte Beschäftigung ausübe, über diesen Befreiungsantrag zu informieren. ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift des Arbeitnehmers)

Arbeitgeber: Name: . . . Betriebsnummer: . . . Der Befreiungsantrag ist am . . . bei mir eingegangen. 1 Das Muster entspricht dem von der Minijob-Zentrale unter www.minijob-zentrale.de bereitgestellten Antragsmuster. Dort finden sich auch jeweils das Muster in der aktuellsten Version sowie etwaige Merkblätter. 2 Die aktuelle Version dieses Merkblatts findet sich ebenfalls unter www.minijob-zentrale.de.

278 Lingemann

M 6.4.1

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Die Befreiung wirkt ab dem . . .. ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift des Arbeitgebers)3

3 Der Befreiungsantrag ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 4a BVV zu den Entgeltunterlagen zu nehmen und nicht an die Minijob-Zentrale zu senden. Das Vorliegen des Antrags wird über die Meldung zur Sozialversicherung an die Minijob-Zentrale mitgeteilt.

u

Job-Sharing-Arbeitsvertrag mit einem Job-Partner1 §1

6.4.1

Tätigkeit

(1) Herr/Frau . . . wird ab dem . . . im Job-Sharing tätig sein. (2) Herr/Frau . . . übernimmt folgende Aufgabe: . . . Der Arbeitgeber behält sich vor,2 unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers dem Arbeitnehmer auch eine andere gleichwertige und zumutbare, der Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende Aufgabe zu übertragen. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgaben. §2

Beratung und Vertretung

(1) Herr/Frau . . . wird in Abstimmung mit dem/den anderen am gleichen Arbeitsplatz Beschäftigten (Job-Partner) den zugewiesenen Arbeitsplatz während der betriebsüblichen Arbeitszeit ständig besetzen. Die Job-Partner können nicht gleichzeitig tätig sein. (2) Ist ein Job-Partner an der Arbeitsleistung verhindert, zB infolge Urlaub, Krankheit usw., so stellt der Arbeitgeber eine Vertretung. Die Job-Partner können die Vertretung im Einzelfall regeln. Bei dringenden betrieblichen Bedürfnissen verpflichtet sich Herr/ Frau . . . zur Vertretung des ausgefallenen Job-Partners ganztägig oder zu den vom Arbeitgeber bestimmten Zeiten, sofern ihm/ihr dies zumutbar ist.3 §3

Aufteilung der Arbeitszeit

(1) Die Job-Partner stimmen die Aufteilung der Arbeitszeit im Rahmen der betriebsüblichen Arbeitszeit untereinander ab. Sie legen jeweils für einen Zeitraum von . . . dem Arbeitgeber einen Arbeitsplan nach Maßgabe des § 2 vor; der Arbeitgeber kann in begründeten Fällen seine Zustimmung zu dem Plan ganz oder teilweise verweigern. Auch die Urlaubsplanung ist in den Plan einzubeziehen. 1 Vgl. Einf. Rz. 80. 2 Zur Versetzungs- und Änderungsklausel vgl. M 2.1a Ziff. 1 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129. 3 Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 TzBfG können die Job-Partner zwar nicht von vornherein zur wechselseitigen Vertretung verpflichtet werden. Jede Vertretung bedarf der Vereinbarung für den Einzelfall (LAG München v. 15.9.1993, DB 1993, 2599). Jedoch kann die Verpflichtung zur Vertretung vorab für den Fall eines dringenden betrieblichen Erfordernisses vereinbart werden. Zur Vertretung ist der Job-Partner allerdings auch dann nur verpflichtet, wenn sie ihm zumutbar ist (§ 13 Abs. 1 Satz 3 TzBfG).

Lingemann 279

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.4.1

(2) Die Arbeitszeit wird so aufgeteilt, dass jeder Job-Partner im Laufe eines Zeitraumes von . . . Monat(en) seinen Zeitanteil gemäß § 4 erreicht. Arbeitszeitguthaben oder Arbeitszeitschulden können nur bis zu 15 Stunden in den nächsten Abrechnungszeitraum übertragen werden. Herr/Frau . . . stimmt seine/ihre Urlaubsplanung mit den betrieblichen Belangen und den Wünschen des anderen Job-Partners ab. (3) Einigen die Job-Partner sich über die Aufteilung der Arbeitszeit oder die Urlaubsplanung nicht, so entscheidet der Arbeitgeber verbindlich.4 (4) Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer einen oder mehrere andere Job-Partner gemäß § 2 Abs. 2 vertritt, werden auf die Arbeitszeit gemäß § 4 nicht angerechnet, sondern mit Euro . . . je geleistete Stunde gesondert vergütet. § 4 Arbeitszeit/Urlaub5 (1) Die Arbeitszeit beträgt . . . Stunden je Woche. (2) Der Urlaubsanspruch für Vollzeitbeschäftigte beträgt . . . Arbeitstage/Jahr, der Urlaubsanspruch für den Arbeitnehmer somit anteilig . . . Arbeitstage. §5

Vergütung

(1) Herr/Frau . . . erhält eine Vergütung in Höhe von Euro . . . monatlich. § 3 Abs. 4 bleibt unberührt. (2) Herr/Frau . . . erhält Weihnachts- und Urlaubsgeld anteilig entsprechend dem Anteil der Arbeitszeit gemäß § 4 an der Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte. (3) Die Vergütung wird am Schluss eines jeden Kalendermonats fällig. Sind Vertretungszeiten abzurechnen, wird am Schluss des Kalendermonats ein angemessener Vorschuss gezahlt. Die Abrechnung und Auszahlung erfolgt bis zum 10. des Folgemonats. §6

Arbeitsverhinderung

Eine Arbeitsverhinderung zeigt Herr/Frau . . . dem Arbeitgeber und den übrigen JobPartnern unverzüglich an. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen legt er/sie spätestens am zweiten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit vor.6 Dies gilt auch für Folgebescheinigungen. § 7 Beendigung (1) Das Job-Sharing-Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von . . . zum . . . gekündigt werden.7 4 Das Direktionsrecht des Arbeitgebers zur Lage der Arbeitszeit ist beim Job-Sharing auch ohne dahin gehende Vereinbarung eingeschränkt: Die Job-Sharer bestimmen die Arbeitszeit untereinander selbst; nur wenn sie sich nicht einigen, fällt das Direktionsrecht an den Arbeitgeber zurück (Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 43 Rz. 22). 5 Sofern Regelungen zu Überstunden und deren Vergütung gewollt sind, könnte man sich an Ziff. 4 in M 2.1a orientieren. 6 Die Frist des § 5 Abs. 1 EFZG (drei Kalendertage) wird dadurch verkürzt; Einzelheiten bei Bauer/Röder/Lingemann, S. 64 ff. 7 Die Kündigungsfrist darf die Kündigungsfrist eines Vollzeitarbeitsverhältnisses nicht unterschreiten.

280 Lingemann

M 6.4.2

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

(2) Scheidet ein Job-Partner aus dem Job-Sharing-System aus, so darf den übrigen Job-Partnern aus diesem Grunde allein nicht gekündigt werden. Unberührt bleibt das Recht des Arbeitgebers zur Änderungskündigung.8 Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden sich um eine Ersatzkraft bemühen. (3) Die verbleibenden Job-Partner haben ein Vorschlagsrecht für eine Ersatzkraft. Der Arbeitgeber darf diesen Vorschlag nur aus wichtigem Grund ablehnen. § 8 Geltung von kollektiven und betrieblichen Regelungen9 Für das Arbeitsverhältnis gelten im Übrigen die für den Betrieb geltenden tariflichen und betrieblichen Regelungen in ihrer jeweiligen Fassung, soweit sich aus der Eigenart des Job-Sharing-Arbeitsvertrages nichts anderes ergibt. §§ 9 ff. (ggf. ergänzen: Regelungen zur Geheimhaltung, Nebentätigkeit, Ausschlussfristen, Datenschutz, Vollständigkeit, Schriftform, vgl. M 2.1a Ziff. 8 ff.) ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

8 Vgl. § 13 Abs. 2 TzBfG. 9 Vgl. M 2.1a Ziff. 11.

u

Job-Sharing-Arbeitsvertrag mit allen Job-Partnern1 §1

6.4.2

Tätigkeit

(1) Die Arbeitnehmer* . . . werden ab dem . . . im Job-Sharing auf dem Arbeitsplatz . . . tätig sein. Sie werden sich diesen Arbeitsplatz teilen. (2) Der Arbeitgeber behält sich vor,2 unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers dem Arbeitnehmer auch eine andere gleichwertige und zumutbare, der Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende Aufgabe zu übertragen. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgaben. §2

Besetzung und Vertretung

(1) Die Arbeitnehmer werden in Abstimmung untereinander den zugewiesenen Arbeitsplatz während der betriebsüblichen Arbeitszeit ständig besetzen. Sie können nicht gleichzeitig tätig sein. * Der Begriff umfasst sowohl die weibliche als auch die männliche Form. 1 Der Vorteil dieses Vertrages liegt darin, dass auch die Handhabung des Systems im Verhältnis der Mitarbeiter zueinander festgelegt werden kann. 2 Zur Versetzungs- und Änderungsklausel vgl. M 2.1a Ziff. 1 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129.

Lingemann 281

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.4.2

(2) Ist ein Job-Partner an der Arbeitsleistung verhindert, zB infolge Urlaub, Krankheit usw., so wird eine Vertretung durch den Arbeitgeber gestellt. Die Job-Partner können die Vertretung im Einzelfall regeln. Bei dringenden betrieblichen Bedürfnissen verpflichtet sich Herr/Frau . . . jedoch zur Vertretung des ausgefallenen Job-Partners ganztägig oder zu den vom Arbeitgeber bestimmten Zeiten, sofern ihm dies zumutbar ist.3 §3

Aufteilung der Arbeitszeit

(1) Die Job-Partner stimmen die Aufteilung der Arbeitszeit im Rahmen der betriebsüblichen Arbeitszeit untereinander ab. Sie vereinbaren zunächst folgende Aufteilung:4 Job-Partner 1: montags bis mittwochs vormittags von . . . bis . . . Uhr, donnerstags nachmittags von . . . bis . . . Uhr, freitags nachmittags von . . . bis . . . Uhr. Job-Partner 2: montags bis mittwochs nachmittags von . . . bis . . . Uhr, donnerstags vormittags von . . . bis . . . Uhr, freitags vormittags von . . . bis . . . Uhr. Damit beträgt derzeit der Arbeitszeitanteil von Job-Partner 1 . . . h/Woche, von JobPartner 2 . . . h/Woche. Ändert sich die Aufteilung, so legen die Job-Partner zwei Wochen vorher jeweils für einen Zeitraum von . . . dem Arbeitgeber einen Arbeitsplan nach Maßgabe des § 2 vor. Der Arbeitgeber kann in begründeten Fällen seine Zustimmung zu dem Plan ganz oder teilweise verweigern. (2) Die Job-Partner legen zu Beginn des Jahres ihre Urlaubsplanung vor. Abs. 1 letzter Satz gilt entsprechend. (3) Auch bei abweichender Abstimmung beträgt der Arbeitszeitanteil jedes Job-Partners mindestens . . . Stunden pro Tag zusammenhängend am Vormittag oder Nachmittag. Die Abstimmung hat darüber hinaus so zu erfolgen, dass jeder Beteiligte im Laufe eines Zeitraumes von . . . Monat(en) seinen vertraglich vereinbarten Zeitanteil erreicht. Die Übertragung von Arbeitszeitguthaben oder von Arbeitszeitschulden ist bis zu 15 Stunden in den nächsten Abrechnungszeitraum zulässig. Die Übertragung größerer Arbeitszeitüberhänge bedarf der vorherigen Zustimmung des Arbeitgebers. Die Job-Partner stimmen ihre Urlaubsplanung mit den betrieblichen Belangen und den Wünschen der anderen Job-Partner ab. (4) Können sich die Job-Partner über die Aufteilung der Arbeitszeit oder die Urlaubsplanung nicht einigen, so entscheidet der Arbeitgeber verbindlich. (5) Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer einen oder mehrere andere Job-Partner gemäß § 2 Abs. 2 vertritt, werden auf die vereinbarte Arbeitszeit nicht angerechnet, sondern mit Euro . . . je geleistete Stunde gesondert vergütet.

3 Zur wechselseitigen Vertretung vgl. bereits M 6.4.1 § 2 Abs. 2 m. Anm. 4 Diese Vereinbarung bindet nur die Job-Partner untereinander. Eine Bindung gegenüber dem Arbeitgeber entsteht nur insoweit, als mit der ersten Änderung der Plan nach Abs. 1 letzter Absatz vorzulegen ist.

282 Lingemann

M 6.4.2

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

§ 4 Gesamtarbeitszeit/Urlaub5 (1) Die Gesamtarbeitszeit für alle Job-Partner zusammen beträgt . . . Stunden je Woche. (2) Der Urlaubsanspruch für Vollzeitbeschäftigte beträgt . . . Arbeitstage, der Urlaubsanspruch für die Job-Partner somit anteilig für den vertraglich vereinbarten Arbeitszeitanteil nach der derzeitigen Aufteilung gemäß § 3 für Job-Partner 1 . . . Arbeitstage und für Job-Partner 2 . . . Arbeitstage. §5

Vergütung

(1) Für den vertraglich vereinbarten Arbeitszeitanteil nach der derzeitigen Aufteilung gemäß § 3 erhält der Job-Partner 1 Euro . . . monatlich und der Job-Partner 2 Euro . . . monatlich. § 3 Abs. 5 bleibt unberührt. (2) Weihnachts- und Urlaubsgeld wird anteilig entsprechend dem prozentualen Anteil der vereinbarten vertraglichen Arbeitszeit gezahlt. (3) Die Vergütung wird am Schluss eines jeden Kalendermonats fällig. Sind Vertretungszeiten abzurechnen, wird am Schluss des Kalendermonats ein angemessener Vorschuss gezahlt. Die Abrechnung und Auszahlung erfolgt bis zum 10. des Folgemonats. §6

Arbeitsverhinderung

(1) Eine Arbeitsverhinderung zeigt jeder Job-Partner dem Arbeitgeber und den übrigen Job-Partnern unverzüglich an. (2) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen legt er spätestens am zweiten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit vor. Dies gilt auch für Folgebescheinigungen. § 7 Beendigung (1) Das Job-Sharing-Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von . . . zum . . . gekündigt werden.6 (2) Die Kündigung muss gegenüber dem jeweiligen Job-Partner jeweils gesondert erklärt werden. (3) Scheidet ein Job-Partner aus dem Job-Sharing-System aus, so darf den übrigen Job-Partnern aus diesem Grunde allein nicht gekündigt werden. Unberührt bleibt das Recht des Arbeitgebers zur Änderungskündigung. Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden sich um eine Ersatzkraft bemühen. (4) Die verbleibenden Job-Partner haben ein Vorschlagsrecht für eine Ersatzkraft. Der Arbeitgeber darf diesen Vorschlag nur aus wichtigem Grund ablehnen.

5 Sofern Regelungen zu Überstunden und deren Vergütung gewollt sind, könnte man sich an Ziff. 4 in M 2.1a orientieren. 6 Die Kündigungsfrist darf die Kündigungsfrist eines Vollzeitarbeitsverhältnisses nicht unterschreiten.

Lingemann 283

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.5

§ 8 Geltung von kollektiven und betrieblichen Regelungen7 Für das Arbeitsverhältnis gelten im Übrigen die für den Betrieb geltenden tariflichen und betrieblichen Regelungen in ihrer jeweiligen Fassung, soweit sich aus der Eigenart des Job-Sharing-Arbeitsvertrages nichts anderes ergibt. §§ 9 ff. (ggf. ergänzen: Regelungen zur Geheimhaltung, Nebentätigkeit, Ausschlussfristen, Datenschutz, Vollständigkeit, Schriftform, vgl. M 2.1a Ziff. 8 ff.) ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

7 Vgl. M 2.1a Ziff. 11 m. Anm.

6.5

u

Abrufarbeit1 §§ 1 ff. (Beginn, Art der Tätigkeit usw.) § 6 Arbeitszeit

(1) Der Arbeitnehmer/Die Arbeitnehmerin erbringt die Arbeit nach dem betrieblichen Bedarf. (2) Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 12 Stunden,2 wobei jeweils mindestens drei Stunden zusammenhängend zu arbeiten sind.3 Der Arbeitnehmer/Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, je nach Arbeitsanfall auf Aufforderung des Arbeitgebers bis zu 15 Stunden pro Woche zu arbeiten.4

1 Vgl. Einf. Rz. 81 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89; in der Praxis wird häufig von „Kapovaz“ = kapazitätsorientierter variabler Arbeitszeit gesprochen. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG über die Frage mitzubestimmen, ob Teilzeitkräfte zu festen Zeiten oder nach Bedarf beschäftigt werden sollen (BAG v. 28.9.1988, DB 1989, 385). 2 Nach § 12 Abs. 1 Satz 2, 3 TzBfG muss eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit festgelegt werden, andernfalls gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. 3 Sinn eines „Kapovaz“-Vertrages ist es, von vornherein eben nicht die tägliche Arbeitsdauer und Arbeitszeit festzulegen. Andererseits ist § 12 Abs. 1 Satz 4 TzBfG zu berücksichtigen, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen, wenn in der Vereinbarung die tägliche Dauer der Arbeitszeit nicht festgelegt ist. 4 Zur Vermeidung einer unangemessenen Verlagerung des Wirtschaftsrisikos entgegen § 615 BGB auf den Arbeitnehmer darf der Anteil abrufbarer Arbeitsleistung nicht über 25 % der vereinbarten Mindestarbeitszeit hinausgehen (BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423, 428; s. auch Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89), bei 30 Stunden Mindestarbeitszeit wären also maximal 37,5 Stunden abrufbar (dazu Bauer/Günther, DB 2006, 950).

284 Lingemann

M 6.6

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

(3) Die Firma teilt dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin spätestens bis Mittwoch jeder Woche die Arbeitszeitdauer für die Folgewoche und die Zeiteinteilung mit.5 §7

Vergütung

Die Vergütung beträgt . . . Euro/Stunde. Sie erfolgt nach den angeordneten Stunden. ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

5 Der „Abruf“ muss mindestens vier Tage vor Arbeitsantritt erfolgen, andernfalls ist der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, § 12 Abs. 2 TzBfG.

u

Arbeitsvertrag über alternierende Telearbeit1 Zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Arbeitnehmer) wird Folgendes vereinbart: §1

Art und Dauer der Tätigkeit

(1) Der Arbeitnehmer wird ab dem . . . in alternierender Telearbeit tätig. (2) Die Tätigkeit ist unbefristet. oder (2) Die Tätigkeit ist befristet bis zum . . . (3) Sein Aufgabenbereich umfasst . . . Der Arbeitgeber behält sich vor,2 unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers dem Arbeitnehmer auch eine andere oder zusätzliche gleichwertige und zumutbare, der Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende Aufgabe zuzuweisen. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgaben. § 2 Alternierende Telearbeit (1) Der Arbeitnehmer wird die Arbeitsleistung teilweise an dem nachbenannten Telearbeitsplatz in seiner Wohnung erbringen (außerbetriebliche Arbeitsstätte) und teil1 Vgl. Einf. Rz. 88 ff. Der Vertrag geht davon aus, dass bereits ein Arbeitsverhältnis besteht und dieses nun in Form alternierender Telearbeit fortgeführt werden soll. Das Muster enthält weit gehende Direktionsrechte des Arbeitgebers. Ob diese nach Geltung der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge unverändert wirksam sind, ist offen. Wir sind jedoch der Auffassung, dass diese weit reichenden Direktionsrechte auf Grund der Besonderheiten des Telearbeitsverhältnisses angemessen gemäß § 307 Abs. 1 BGB, jedenfalls aber als arbeitsrechtliche Besonderheiten iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB erforderlich sind. 2 Zur Versetzungs- und Änderungsklausel vgl. M 2.1a Ziff. 1 mit Erl. und Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129.

Lingemann 285

6.6

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.6

weise in der Betriebsstätte des Arbeitgebers (betriebliche Arbeitsstätte). Die außerbetriebliche Arbeitsstätte ist mittels Kommunikations- und Informationsmitteln mit der Betriebsstätte des Arbeitgebers verbunden. (2) Die Arbeitsstätten befinden sich vorbehaltlich Änderungen nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 an folgenden Adressen: Außerbetriebliche Arbeitsstätte:

. . . (Adresse)

Betriebliche Arbeitsstätte:

. . . (Adresse)

(3) Für die Tätigkeit an der betrieblichen Arbeitsstätte stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen für die Aufgabenerledigung geeigneten Arbeitsplatz zur Verfügung. Ein Anspruch auf einen ausschließlich für ihn persönlich bestimmten Arbeitsplatz besteht nicht.3 (4) Erfüllungsort für sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ist die Betriebsstätte des Arbeitgebers in . . . §3

Arbeitszeit4

(1) Die wöchentliche/monatliche/jährliche Arbeitszeit beträgt unverändert . . . Stunden. Arbeitstage sind 5 Tage/Woche. Herr/Frau . . . wird erforderliche Mehr- und Überstunden, Nacht-/Schicht-/Samstags- und Feiertagsarbeit in gesetzlich zulässigem Umfang bis zu . . . Stunden/Woche leisten. Diese sind nur zu vergüten, wenn der Arbeitgeber sie im Voraus angeordnet hat. (2) Die Arbeitszeit in der Betriebsstätte beträgt einen Tag/8 Stunden pro Woche, und zwar montags von 8.00 bis 17.00 Uhr. Der Arbeitgeber ist nach billigem Ermessen berechtigt, sowohl die Dauer und Lage als auch das Verhältnis der Arbeit in der betrieblichen zu der Arbeit in der außerbetrieblichen Arbeitsstätte zu ändern. Dabei wird er die Wünsche des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen, sofern dem nicht betriebliche Belange entgegenstehen. oder (2) Der Arbeitgeber legt fest, zu welchen Zeiten der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in der Betriebsstätte erbringt. Dabei wird er die Wünsche des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen, sofern dem nicht betriebliche Belange entgegenstehen. (3) Die verbleibende Arbeitszeit wird an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte erbracht. Die Lage der Arbeitszeit bestimmt der Arbeitnehmer selbst. Entscheidet er sich insoweit für Überarbeit, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, entstehen für diese Zeiten keine Ansprüche auf Zuschlagszahlungen. Soweit nach Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung für Arbeitsleistungen zu bestimmten Zeiten unabdingbare Ansprüche auf Zuschlagszahlungen bestehen, darf im Rahmen der selbstbestimmten Arbeits-

3 Diese Regelung ist bei ausschließlicher Telearbeit natürlich entbehrlich. 4 Der Arbeitgeber kann die Pflicht zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes auf den Arbeitnehmer delegieren, wenn er in anderer Weise deren Einhaltung nicht sicherstellen kann (vgl. Kramer, DB 2000, 1329, 1331 mwN). Die Befugnis des Arbeitgebers in Abs. 2, die Verteilung der betrieblichen zur außerbetrieblichen Tätigkeit zu bestimmen, ist an § 307 BGB zu messen. UE ist sie auf Grund der Eigenart des Telearbeitsverhältnisses wirksam, zumal der letzte Satz auch eine Einschränkung des Rechtes des Arbeitgebers enthält. Rechtsprechung dazu liegt aber noch nicht vor.

286 Lingemann

M 6.6

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

zeit ohne ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers die Arbeitsleistung nur zu den Zeiten erbracht werden, zu denen kein Anspruch auf Zuschlagszahlungen entsteht.5 (4) Der Arbeitnehmer wird an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte von Dienstag bis Freitag zwischen 9.00 und 10.30 Uhr erreichbar sein. (5) Der Arbeitnehmer wird während der Tätigkeit an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes beachten. Er wird insbesondere die tägliche Höchstarbeitszeit nicht überschreiten und die zwischen zwei Arbeitstagen liegende elfstündige Ruhepause (§ 5 Abs. 1 ArbZG) einhalten. Er wird ferner sämtliche geleisteten Arbeitszeiten sowie Urlaubs-, Krankheits- und sonstige Arbeitsfreistellungszeiten in dem Telearbeitsbuch festhalten. Das Telearbeitsbuch stellt der Arbeitgeber zur Verfügung. Der Arbeitnehmer wird die Aufzeichnung jeweils am nächsten auf das Monatsende folgenden betrieblichen Arbeitstag dem Arbeitgeber vorlegen. Die Zeiterfassung kann auf Grundlage einer entsprechenden Betriebsvereinbarung auch durch ein elektronisches Zeiterfassungssystem erfolgen. (6) Fahrten zwischen betrieblicher und außerbetrieblicher Arbeitsstätte gelten als nicht betriebsbedingt und sind daher keine Arbeitszeit.6 § 4 Außerbetriebliche Arbeitsstätte (1) Der Arbeitnehmer bestätigt, dass die außerbetriebliche Arbeitsstätte für den dauernden Aufenthalt und für die Erbringung der Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der allgemeinen Arbeitsplatzanforderungen (Unfallverhütung, Arbeitssicherheit, Arbeitsstättenverordnung, Bildschirmarbeitsplatzverordnung etc.) geeignet ist. Sie ist abschließbar. (2) Soweit die Wohnung des Arbeitnehmers gemietet ist, liegt das Einverständnis des Vermieters zu der Nutzung als außerbetriebliche Arbeitsstätte dem Arbeitgeber bereits schriftlich vor. (3) Der Arbeitgeber informiert den Arbeitnehmer in geeigneter Weise (Merkblätter, Informationsveranstaltungen etc.) über die Anforderungen des Arbeitsschutzes. Der Arbeitnehmer wird die vom Arbeitgeber erteilten Arbeitsschutzanweisungen einhalten. §5

Außerbetriebliche Zugangsrechte7

(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber bzw. von diesem Beauftragten Zugang zur häuslichen Arbeitsstätte zu gewähren. Gleiches gilt für den Vorsitzen-

5 Da der Arbeitnehmer an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte seine Arbeitszeit selbst bestimmt, muss im Arbeitsvertrag klargestellt werden, dass die genannten besonderen Arbeitszeiten nicht durch Zuschläge honoriert werden. 6 Da der häusliche und der betriebliche Arbeitsplatz im Voraus vereinbarte Arbeitsorte sind, muss der Arbeitnehmer sich auf eigene Kosten und auf eigenes zeitliches Risiko dorthin begeben, so dass die Fahrzeit keine Arbeitszeit ist (Hohmeister/Küper, NZA 1998, 208; Kramer, DB 2000, 1329, 1331). 7 Der außerbetriebliche Arbeitsplatz ist als Wohnung des Arbeitnehmers durch Art. 13 GG in besonderer Weise geschützt. Nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers haben Dritte daher Zugang. Diese Zustimmung muss im Arbeitsvertrag festgelegt sein, um eine ausreichende Kontrolle insbesondere auch der gesetzlichen Arbeitsschutzvorschriften zu sichern; gleichzeitig müssen auch dritte berechtigte Personen (Betriebsratsvorsitzender, Datenschutzbeauftragter, Mitarbeiter von Überwachungsbehörden) einbezogen werden.

Lingemann 287

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.6

den des Betriebsrates, den betrieblichen Datenschutzbeauftragten und einen Mitarbeiter der Arbeitsschutzbehörde. Der Zugang ist insbesondere zu gewähren, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hieran hat. Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor, wenn die Einhaltung von § 4 geprüft werden soll. Unabhängig hiervon kann der Arbeitgeber mindestens einmal im Kalendervierteljahr auch ohne berechtigtes Interesse Zugang verlangen. (2) Außer in dringenden Fällen ist der Zugang mit dem Arbeitnehmer vorher abzustimmen. (3) Der Arbeitnehmer sichert zu, dass auch die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen mit dieser Regelung einverstanden sind. § 6 Arbeitsmittel8 (1) Der Arbeitgeber stellt die erforderlichen Arbeitsmittel für die außerbetriebliche Arbeitsstätte für die Dauer des Bestehens dieser Arbeitsstätte kostenlos zur Verfügung. Eine Inventarliste ist als Anlage diesem Vertrag beigefügt und wird im laufenden Vertragsverhältnis ggf. erweitert. Der Arbeitgeber trägt die Kosten für den Auf- und Abbau und die Wartung der Arbeitsmittel sowie die erforderlichen Leitungskosten für die technische Ausstattung. (2) Die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel verbleiben in dessen Eigentum. Sie dürfen nicht für private Zwecke genutzt werden und auch nicht Dritten überlassen werden. Der Arbeitnehmer wird sie vor dem Zugriff Dritter schützen. (3) Auf Wunsch des Arbeitnehmers können eigene Arbeitsmittel in der außerbetrieblichen Arbeitsstätte genutzt werden, sofern diese den Arbeitsschutzbestimmungen genügen. Der Einsatz dieser Arbeitsmittel erfolgt auf Kosten und Risiko des Arbeitnehmers. (4) Der Arbeitgeber ist berechtigt, am außerbetrieblichen Arbeitsplatz einen Telefonund/oder Telefaxanschluss einzurichten. Dieser darf ausschließlich für dienstliche Zwecke genutzt werden. § 7 Aufwendungen (1) Der Arbeitgeber beteiligt sich mit pauschal monatlich Euro . . . an den Miet-, Betriebs-, Heiz- und Reinigungskosten der außerbetrieblichen Arbeitsstätte, beginnend mit dem ersten und endend mit dem letzten Monat der Nutzung dieser Arbeitsstätte. Damit sind sämtliche beim Arbeitnehmer durch den außerbetrieblichen Arbeitsplatz anfallenden Kosten abgegolten. (2) Fahrtkosten zwischen betrieblicher und außerbetrieblicher Arbeitsstätte trägt der Arbeitnehmer.9

8 Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Arbeitgeber die Kosten für die Arbeitsmittel. Die Nutzung für private Zwecke muss im Vertrag ausgeschlossen werden, nicht zuletzt um steuerliche Probleme infolge geldwerten Vorteils zu vermeiden. 9 Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Arbeitszeit, vgl. oben Fn. 6.

288 Lingemann

M 6.6

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

§ 8 Haftung10 (1) Für Schäden, die der Arbeitnehmer, in seinem Haushalt lebende Personen oder sich dort berechtigt aufhaltende Dritte an den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln und Installationen verursachen, haftet der Arbeitnehmer nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. oder (1) Der Arbeitgeber wird die zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel und Installationen angemessen gegen Schäden versichern, die der Arbeitnehmer, in seinem Haushalt lebende Personen oder sich dort berechtigt aufhaltende Dritte verursachen. (2) Der Arbeitnehmer wird Beschädigungen, Verlust oder sonstige Funktionsbeeinträchtigungen der Arbeitsmittel unverzüglich dem Arbeitgeber oder einer von diesem beauftragten Person schriftlich anzeigen und das weitere Vorgehen mit diesem abstimmen. Steht der Schaden im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung, wird der Arbeitnehmer den Sachverhalt unverzüglich auch der Polizei mitteilen und dem Arbeitgeber eine Durchschrift dieser Mitteilung überlassen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, selbst oder durch von ihm beauftragte Dritte den Schaden zu besichtigen und ggf. zu beseitigen. (3) Soweit die Arbeitsleistung auf Grund einer technischen Störung oder aus sonstigen Gründen nicht in der außerbetrieblichen Arbeitsstätte erbracht werden kann, wird der Arbeitnehmer auf Verlangen des Arbeitgebers in der betrieblichen Arbeitsstätte tätig. § 9 Datenschutz (1) Datenschutz und Datensicherheit richten sich nach den gesetzlichen und unternehmensinternen Datenschutzbestimmungen. Der Arbeitgeber wird den Arbeitnehmer dazu in geeigneter Weise unterrichten. (2) Der Arbeitnehmer wird diese Regelungen beachten und anwenden. Jegliche Daten, Informationen, Passwörter etc. sind vom Arbeitnehmer gegen Einsicht oder Zugriff Dritter zu schützen. Dritte sind auch Personen, die zum Haushalt des Arbeitnehmers gehören. (3) Der Arbeitnehmer wird den Raum mit der außerbetrieblichen Arbeitsstätte abschließen, soweit er sich nicht darin aufhält. (4) Der jeweilige betriebliche Datenschutzbeauftragte ist berechtigt, nach Absprache mit dem Arbeitnehmer die außerbetriebliche Arbeitsstätte zu besichtigen und die Beachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften zu prüfen.

10 Auch am Telearbeitsplatz gelten für den Arbeitnehmer die Haftungsprivilegien der betrieblich veranlassten Tätigkeit (BAG GS v. 27.9.1994, DB 1994, 2237, Kap. 12 Rz. 40, vgl. beispielhaft zum Dienstwagen M 12.21). Allerdings sind Dritte, auch die Familienmitglieder des Arbeitnehmers, insoweit nicht einbezogen. Das Vertragsmuster erstreckt die Haftungsprivilegierung auch auf sie.

Lingemann 289

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.6

§ 10 Aufgabe des alternierenden Telearbeitsplatzes11 (1) Der Arbeitnehmer kann jederzeit mit einer Ankündigungsfrist von einem Monat schriftlich die Aufhebung der außerbetrieblichen Arbeitsstätte verlangen. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis über die Räumlichkeiten, in denen sich die außerbetriebliche Arbeitsstätte befindet, verkürzt sich die Ankündigungsfrist auf die Kündigungsfrist des Mietvertrages. (2) Der Arbeitgeber kann jederzeit nach billigem Ermessen mit einer Ankündigungsfrist von einem Monat schriftlich festlegen, dass der Arbeitnehmer künftig seine Arbeitsleistung nur noch an dem betrieblichen Arbeitsplatz erbringt und der außerbetriebliche Arbeitsplatz daher aufgehoben wird.12 (3) Die alternierende Telearbeit endet automatisch – mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, – bei einer Versetzung des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz ohne alternierende Telearbeit oder – bei Aufgabe/Kündigung der Wohnung, in der die außerbetriebliche Arbeitsstätte eingerichtet ist. Diese sowie die Kündigungsfrist wird der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich anzeigen. Die Errichtung eines alternierenden Telearbeitsplatzes nach einem Wohnungswechsel bedarf einer erneuten Vereinbarung. (4) Die überlassenen Arbeitsmittel wird der Arbeitnehmer nach Ende der alternierenden Telearbeit unverzüglich herausgeben. (5) Der Arbeitnehmer wird, sofern das Arbeitsverhältnis fortbesteht, nach Aufgabe der alternierenden Telearbeit seine gesamte Arbeitsleistung an der betrieblichen Arbeitsstätte erbringen. § 11

Anwendbare Normen13

Ergänzend findet der zwischen den Parteien bestehende Arbeitsvertrag Anwendung, soweit vorstehend nichts Abweichendes geregelt ist. Anzuwenden sind ferner die Tarifverträge . . . und die Betriebsvereinbarung(en) des Betriebes des Arbeitgebers. § 12 Ausschluss von Nebenabreden, Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Nebenabreden bestehen nicht. 11 Mit der Aufhebung der außerbetrieblichen Arbeitsstätte endet auch die (alternierende) Telearbeit. Das Arbeitsverhältnis fällt in seinen ursprünglichen Status zurück. Insbesondere der Arbeitnehmer muss die Befugnis haben, einseitig mit einer angemessenen Ankündigungsfrist die außerbetriebliche Arbeitsstätte aufzuheben, da es sich um seine nach Art. 13 GG besonders geschützte Wohnung handelt. 12 Ob diese Regelung mit § 308 Nr. 4 BGB vereinbar ist, ist offen; sofern allerdings eine Tätigkeit am Telearbeitsplatz aus dringenden betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist und ein „Rückruf“ an den betrieblichen Arbeitsplatz gleichfalls unzulässig wäre, könnte der Arbeitgeber im Wege der Änderungskündigung vorgehen, die auch hilfsweise zur Ausübung des Direktionsrechts ausgesprochen werden kann, vgl. M 19.1. 13 Wie eingangs dargelegt, soll das Arbeitsverhältnis fortgelten; es wird durch die alternierende Telearbeit nur überlagert. Soweit keine spezifisch die Telearbeit betreffenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen bestehen, kann Satz 2 der Vorschrift gestrichen werden, wenn der entsprechende Bezug schon im Arbeitsvertrag hergestellt ist.

290 Lingemann

M 6.7.1

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

(2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.14 § 13

Teilnichtigkeit

Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.15 ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

14 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 15 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

u

Wiedereingliederungsvertrag nach § 74 SGB V

6.7.1

Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom . . . Herr/Frau . . . ist infolge Arbeitsunfähigkeit an der Erfüllung seiner/ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten verhindert und arbeitsunfähig. Herr/Frau . . . wird im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung nach § 74 SGB V vom . . . bis . . . mit einer Arbeitszeit von . . . Stunden1 wöchentlich/täglich am bisherigen Arbeitsplatz (oder . . .) beschäftigt. Ein Anspruch auf Vergütung besteht nicht.2 oder Für die Dauer der Wiedereingliederungsmaßnahme wird eine Vergütung in Höhe von Euro . . . pro Stunde/Woche/Monat gezahlt.3 Im Übrigen wird der Arbeitsvertrag vom . . . durch diese Nebenabrede nicht berührt. ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

1 Der maximale Umfang der Tätigkeit ergibt sich aus der Bescheinigung des Arztes nach § 74 SGB V (s. M 6.7.2). Soweit die ärztliche Bescheinigung einen Stufenplan der Wiedereingliederung vorsieht, wäre dieser zu übernehmen. Alternativ könnte auch geregelt werden „Art und Umfang der Tätigkeiten im Rahmen der Wiedereingliederung ergeben sich aus der ärztlichen Bescheinigung nach § 74 SGB V, die diesem Vertrag angeheftet ist.“ 2 Ein Anspruch auf Vergütung besteht nicht, soweit – wie meist – der Entgeltfortzahlungszeitraum abgelaufen ist, da es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt (vgl. Einf. Rz. 84). 3 Dieses Arbeitsentgelt wird auf das Krankengeld angerechnet (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V).

Lingemann 291

Kap. 6

6.7.2

M 6.7.2

Besondere Arbeitsverträge

u

Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (Wiedereingliederungsplan)1 Zuletzt ausgeübte Tätigkeit: _____________________________________________ _____________________________________________ Wie viele Std. tgl.: ____________________________

Durch eine stufenweise Wiederaufnahme seiner Tätigkeit kann der og. Versicherte schonend wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden. Nach meiner ärztlichen Beurteilung empfehle ich mit Einverständnis des Versicherten und nach dessen Rücksprache mit dem Arbeitgeber folgenden Ablauf für die stufenweise Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit: von

bis

Stunden täglich

Art der Tätigkeit (ggf. Einschränkungen)

Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit absehbar? l ja, ggf. wann _____________________________________ l zzt. nicht absehbar

Vertragsarztstempel Unterschrift des Arztes

Erklärung des Versicherten Mit dem vorgeschlagenen Wiedereingliederungsplan bin ich einverstanden. Falls nachteilige gesundheitliche Folgen erwachsen, kann nach Absprache mit dem behandelnden Arzt eine Anpassung der Belastungseinschränkungen vorgenommen oder die Wiedereingliederung abgebrochen werden.

Datum

Unterschrift des Versicherten

1 Der Wiedereingliederungsplan enthält den ärztlich bescheinigten Ablauf der Wiedereingliederung; zu Einzelheiten vgl. Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V, die neueste Version ist jeweils abrufbar unter http://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/.

292 Lingemann

M 6.8

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Erklärung des Arbeitgebers Mit dem vorgesehenen Wiedereingliederungsplan bin ich einverstanden. l ja l nein l nur unter folgenden Voraussetzungen: ______________________________________ ______________________________________ ______________________________________ ______________________________________

Datum

(Unterschrift des Arbeitgebers)

u

Sabbatical-Vereinbarung1 zwischen Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Arbeitnehmer) und der Firma . . . (im Folgenden: Arbeitgeber)

wird zur Durchführung eines Sabbaticals folgende Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom . . . geschlossen:2 § 1 Laufzeit (1) Für die Zeit vom . . . bis . . . wird der oben genannte Arbeitsvertrag in einen Sabbatical-Vertrag umgewandelt. Das Sabbatical besteht aus einer Ansparphase vom . . . bis . . . und einer Freistellungsphase vom . . . bis . . .3 (2) Die Freistellungsphase soll sich an die Ansparphase anschließen. Die Parteien können sie aber einvernehmlich verlegen. (3) Nach Beendigung der Freistellungsphase wird der Arbeitnehmer wieder in seinem bisherigen Arbeitsbereich eingesetzt. Einen Anspruch auf den konkreten Arbeitsplatz, den er in seiner Ansparphase innehatte, hat der Arbeitnehmer nicht.4 § 2 Arbeitszeit und Vergütung (1) Die tatsächliche Wochenarbeitszeit/Monatsarbeitszeit beträgt während der Ansparphase . . . Stunden. Während der Freistellungsphase ist der Arbeitnehmer von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit. Die Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis bleiben unberührt.5 1 Zum Erhalt des Sozialversicherungsschutzes nach § 7 Abs. 1a SGB IV bedarf es einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Freistellung, Seel, DB 2009, 2210, 2211. 2 Zur Frage eines Anspruchs des Arbeitnehmers auf ein Sabbatical vgl. Einf. Rz. 36. 3 Es sind auch mehrjährige Zeiträume zulässig. Dann ist aber eine Entfremdung des Arbeitnehmers von seinem Arbeitsverhältnis zu befürchten. 4 Die Parteien können auch vereinbaren, eine während der Freistellungsphase erworbene, zusätzliche Qualifikation bei der Arbeitsplatzvergabe zu berücksichtigen. 5 Damit sollen Wettbewerbsklauseln, Geheimhaltungspflichten, Regelungen zu Nebentätigkeiten etc. fortgelten.

Lingemann 293

6.8

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.8

(2) Während der Gesamtdauer des Sabbaticals gilt der Arbeitnehmer als Teilzeitbeschäftigter mit einer Arbeitszeit von wöchentlich/monatlich . . . Stunden. (3) Der Arbeitnehmer erhält während der gesamten Laufzeit des Sabbaticals entsprechend dem vereinbarten Umfang der Teilzeitbeschäftigung eine anteilige Vergütung. Sie berechnet sich wie folgt: Sabbaticalbruttomonatsgehalt = Vollzeitbruttomonatsgehalt × (1 minus Laufzeit der Freistellungsphase in Monaten/Laufzeit der Sabbaticalvereinbarung insgesamt in Monaten).6 Damit verzichtet der Arbeitnehmer in der Ansparphase auf die Auszahlung von . . . % seines monatlichen Gehalts. Für diese einbehaltenen Gehaltsansprüche werden seinem Arbeitszeitkonto monatlich . . . Stunden gutgeschrieben.7 Während der Freistellungsphase wird das Stundenguthaben auf dem Arbeitszeitkonto entsprechend monatlich reduziert. § 3 Arbeitsunfähigkeit (1) Wird der Arbeitnehmer während der Ansparphase über den Zeitraum hinaus arbeitsunfähig, für den vom Arbeitgeber Entgeltfortzahlung zu leisten ist,8 verlängert sich die Ansparphase um den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit, für den kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.9 Mit Einwilligung des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer diese Zeit auch im Anschluss an die Freistellungsphase nacharbeiten. (2) Eine Arbeitsunfähigkeit während der Freistellungsphase verlängert diese nicht.10 oder (2) Bei Arbeitsunfähigkeit während der Freistellungsphase gilt § 9 BUrlG entsprechend.11 §4

Urlaub

(1) Vor und während der Ansparphase erworbene Urlaubsansprüche bleiben im Laufe der Freistellungsphase unberührt.12 Sie können im Einverständnis mit dem Arbeitgeber zu deren Verlängerung genutzt werden. 6 Läuft die Sabbaticalvereinbarung (Ansparphase + Freistellungsphase) insgesamt über 84 Monate und ist dabei eine Freistellung von zwölf Monaten vereinbart, ergibt sich bei einem Vollzeitbruttomonatsgehalt von Euro 3 500,– folgende Rechnung: Euro 3 500,– × (1 – 12 Monate/84 Monate) = Euro 3 500,– × (84/84 – 12/84) = Euro 3 500,– × 72/84 = Euro 3 000,–. 7 Vgl. Seel, DB 2009, 2010, 2012. 8 § 3 Abs. 1 EFZG; vgl. Kap. 15 Rz. 2. 9 Das Krankengeld wird wegen § 47 Abs. 2 Satz 4 SGB V nach dem ausgezahlten Arbeitsentgelt bemessen. Maßgebend ist der Betrag, der die Beiträge zur Krankenversicherung bestimmt. Auf die höhere tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung kommt es nicht an. 10 § 9 BUrlG findet keine entsprechende Anwendung, die Freistellung wird nicht wie der Erholungsurlaub vom Arbeitgeber geschuldet. In der Freistellungsphase ruht der Anspruch auf Krankengeld, § 49 Abs. 1 Nr. 6 SGB V. Da der Arbeitnehmer währenddessen ohnehin nicht gearbeitet hätte, ist er auch nicht infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert; § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG findet folglich keine Anwendung. Soll sich die Freistellungsphase um die krankheitsbedingten Fehlzeiten verlängern, muss nach vorheriger Vereinbarung der Arbeitnehmer entsprechend nacharbeiten. 11 So der Vorschlag von Seel, DB 2009, 1010, 1012. 12 Während der Ansparphase behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Erholungsurlaub, und zwar entsprechend dem Umfang seiner tatsächlich geleisteten Arbeit. Ihm wird also mehr Urlaub gewährt, als ihm nach dem Umfang seiner Teilzeitbeschäftigung zusteht. Wird diese urlaubsbedingt tatsächlich nicht erbrachte Arbeitsleistung dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben, ist der spätere Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers bereits erfüllt. Daraus

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M 6.8

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

(2) Während der Freistellungsphase erworbene Urlaubsansprüche gelten im Verhältnis von 1/ 12 pro Freistellungsmonat als genommen. (3) Urlaubsansprüche, die bis zum Beginn der Freistellungsphase nicht mehr genommen werden können, kann der Arbeitnehmer noch innerhalb von drei Monaten nach Ende des Sabbaticals nehmen.13 §5

Änderungen der Vertragsgrundlage

(1) Die vorzeitige Beendigung oder eine Änderung dieser Vereinbarung ist nur einvernehmlich und schriftlich möglich.14 Diese Vorschrift kann nur schriftlich aufgehoben werden. (2) Bei einer vorzeitigen Beendigung dieser Vereinbarung gilt § 6 Abs. 2 entsprechend. § 6 Kündigung des Arbeitsverhältnisses15 (1) Die Vertragsparteien können während des Sabbaticals das Arbeitsverhältnis entsprechend den vertraglichen und gesetzlichen Regelungen kündigen.16 oder (1) Während der Freistellungsphase kann das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.17 (2) Ist bei einer Kündigung das eingebrachte Arbeitszeitguthaben noch nicht vollständig verbraucht, steht dem Arbeitnehmer die Auszahlung des verbleibenden Guthabens in einer Summe zu.18 Erfolgten Überzahlungen zu Gunsten des Arbeitnehmers, hat er die zu viel gezahlten Beträge dem Arbeitgeber zu erstatten. Gleiches gilt für die

13 14

15

16

17 18

erklärt sich die Klausel des § 4 Abs. 2 des Vertrages. Sie verstößt daher auch nicht gegen § 13 Abs. 1 BUrlG und § 4 Abs. 3 TVG. Der Arbeitnehmer hat keinen Urlaubsanspruch während der Freistellungsphase. Damit wird im Interesse des Arbeitnehmers vermieden, dass gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG sein Urlaubsanspruch verfällt. Zulässig ist es auch, dem Arbeitnehmer ein einseitiges Kündigungsrecht für besondere, unvorhersehbare Fälle zuzugestehen. Gleiches gilt dann auch für den Arbeitgeber, wenn dringende betriebliche Belange den Einsatz des Arbeitnehmers erfordern, und so die Freistellungsphase verschoben oder unterbrochen wird. Die Bemessung des Arbeitslosengeldes richtet sich grds. nach der im Bemessungszeitraum tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung, § 151 Abs. 3 Nr. 2 SGB III. Maßgeblich ist das Entgelt, welches ohne die Vereinbarung für die Arbeitsleistung erzielt worden wäre. An den Arbeitnehmer auszuzahlende Guthaben erhöhen das Arbeitslosengeld nicht, § 151 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Bei einer Beendigung während der Freistellungsphase kommt es auf das ausgezahlte Arbeitsentgelt an, die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung ist nicht maßgeblich. Fallen in den Bemessungszeitraum Anspar- und Freistellungsphasen, muss das Bemessungsentgelt zeitanteilig ermittelt werden. Der Kündigungsschutz des Arbeitnehmers bleibt unberührt. Soweit das KSchG anwendbar ist, muss die arbeitgeberseitige Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Kein Kündigungsgrund ist für den Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer eine ihm angebotene Sabbatical-Vereinbarung ablehnt, § 7 Abs. 1b SGB IV. Vorschlag von Seel, DB 2009, 2210, 2212. Eine solche Gestaltung hätte für den Arbeitnehmer den Vorteil, dass er jedenfalls sicher sein kann, während des Sabbaticals im Arbeitsverhältnis und damit auch sozialversicherungsrechtlich abgesichert zu bleiben. Der Auszahlungsbetrag des Guthabens ist als Arbeitsentgelt lohnsteuerpflichtig.

Lingemann 295

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.8

gezahlten Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung.19 § 818 Abs. 3 BGB findet keine Anwendung. §7

Arbeitszeitkonto

(1) Der Arbeitgeber führt für den Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto als Wertguthabenkonto gemäß § 7d SGB IV. Das Arbeitszeitguthaben wird in Arbeitsentgelt umgerechnet. Das Konto umfasst das Arbeitsentgeltguthaben einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Die Kosten trägt der Arbeitgeber. (2) Ein nach Ende des Sabbaticals etwa verbleibendes Arbeitszeitguthaben kann der Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitnehmer, nicht jedoch auf Dritte übertragen. (3) Das Wertguthaben auf dem Arbeitszeitkonto ist vererblich und wird mit . . . % verzinst. Es kommt nach Ende des Sabbaticals an den Arbeitnehmer oder einen von ihm bis dahin gemäß Abs. 2 bestimmten anderen Arbeitnehmer zur Auszahlung. (4) Der Arbeitgeber unterrichtet den Arbeitnehmer mindestens einmal jährlich in Textform über die Höhe seines im Wertguthaben enthaltenen Arbeitsentgeltguthabens.20 § 8 Insolvenzsicherung21 (1) Der Arbeitgeber wird spätestens zum . . . eine sowohl für den Bürgen als auch für den Arbeitgeber bis zum vollständigen Verbrauch des Wertguthabens nicht kündbare Bankbürgschaft zu Gunsten des Arbeitnehmers über die Höhe des während der Arbeitsphase aufzubauenden Wertguthabens bei der . . . Bank abschließen.22 (2) Die Bürgschaftsurkunde wird bis zum . . . dem Mitarbeiter ausgehändigt. (3) Die Kosten der Bürgschaft trägt die Gesellschaft. oder23 (1) Das Guthaben des Arbeitnehmers gemäß § 7 legt der Arbeitgeber bei einer inländischen Bank an in Form eines Fonds, der zum Zeitpunkt der Anlage gemäß § 7d 19 Die auf den Auszahlungsbetrag entfallenden Sozialversicherungsbeiträge werden gleichmäßig auf die in der Vergangenheit liegenden Kalendermonate verteilt. Unerheblich ist, in welchem Monat die Guthaben tatsächlich angespart wurden, § 23b Abs. 2 SGB IV. Deshalb rückwirkend entrichtete Beiträge zur Rentenversicherung werden gemäß § 70 Abs. 3 SGB VI als rechtzeitig gezahlte Pflichtbeiträge behandelt, so dass zusätzliche Entgeltpunkte daraus ermittelt werden. Dazu wird das Guthaben durch das vorläufige Durchschnittsentgelt für das Kalenderjahr geteilt, dem das Arbeitsentgelt zuzuordnen ist. Hat der Arbeitnehmer dagegen mehr Geld erhalten, als seiner tatsächlichen Arbeitsleistung entsprach, wird nicht rückwirkend in den Sozialversicherungsschutz eingegriffen. 20 § 7d Abs. 2 SGB IV. 21 Formulierungsvorschlag nach Hoß, ArbRB 2002, 28, 30; vgl. zur Insolvenzsicherung und Lohnbesteuerung von Arbeitszeitkonten auch Hanau/Arteaga, BB 1998, 2954. Gemäß § 7e Abs. 1 SGB IV ist die Insolvenzsicherung erforderlich, soweit ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht besteht und das Wertguthaben des Beschäftigten einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrages einen Betrag in Höhe der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. 22 Gemäß § 7e Abs. 2 Satz 2 SGB IV sind neben Treuhandverhältnissen weiter auch Bürgschaftsmodelle mit ausreichender Sicherung gegen Kündigung zulässig. 23 Gemäß § 7e Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist auch ein schuldrechtliches Verpfändungsmodell mit ausreichender Sicherung gegen Kündigung als Insolvenzschutz ausreichend. Die Alternative enthält einen Formulierungsvorschlag.

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Altersteilzeit

Kap. 7

SGB IV nicht mehr als 20 % Aktien oder Aktienfonds hält.24 Der Fonds stellt sicher, dass zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Wertguthabens ein Rückfluss mindestens in der Höhe des angelegten Betrages gewährleistet ist. Etwaige die Verzinsung gemäß § 7 Abs. 3 übersteigende Erträge stehen dem Arbeitgeber zu/dem Arbeitnehmer zu/dem Arbeitgeber zu . . . % und dem Arbeitnehmer zu . . . % zu. (2) Die Anteile an dem Fonds verpfändet der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer. Die Verpfändung ist unwiderruflich. Der Arbeitnehmer nimmt das Pfandrecht mit Unterzeichnung dieses Vertrages an. Unverzüglich nach Unterzeichnung des Vertrages zeigt der Arbeitgeber dem Fonds die Verpfändung an und weist dem Arbeitnehmer diese Anzeige nach. (3) Der Arbeitgeber übermittelt dem Arbeitnehmer auf Kosten des Arbeitgebers einmal monatlich Abschriften der Auszüge des Fonds. § 9 Schriftform Mündliche Nebenabreden zu dieser Sabbatical-Vereinbarung bestehen nicht. Änderungen oder Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, sofern nicht gemäß § 305b BGB eine individuelle Vertragsabrede zwischen den Parteien getroffen wurde. Dies gilt auch für die Aufhebung dieses Schriftformerfordernisses.25 § 10 Salvatorische Klausel26 Sollte eine der vorstehenden Regelungen unwirksam sein, so bleibt die Wirksamkeit der übrigen Vereinbarungen davon unberührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.27 ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

24 Vgl. § 7d Abs. 3 SGB IV. Ein höherer Anlageanteil in Aktien oder Aktienfonds ist insbesondere zulässig, wenn dies in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung vereinbart ist, § 7d Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB IV. 25 Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14; Formulierungsvorschlag zur Schriftformklausel hier von Seel, DB 2009, 2210, 2212. 26 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 27 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

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Kapitel 7

Altersteilzeit

Literaturübersicht: Abeln/Gaudernack, Keine Altersrente nach Altersteilzeit bei völliger Freistellung schon während der Arbeitsphase im so genannten Blockmodell, BB 2005, 43; Ahlbrecht, Altersteilzeit im Blockmodell – Rechtlicher Rahmen und Sonderprobleme, BB 2002, 2440; Ahsen/Nölle, Risiko Altersteilzeit?, DB 2003, 1384; Andresen, Frühpensionierung und Altersteil-

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Altersteilzeit

Kap. 7

SGB IV nicht mehr als 20 % Aktien oder Aktienfonds hält.24 Der Fonds stellt sicher, dass zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Wertguthabens ein Rückfluss mindestens in der Höhe des angelegten Betrages gewährleistet ist. Etwaige die Verzinsung gemäß § 7 Abs. 3 übersteigende Erträge stehen dem Arbeitgeber zu/dem Arbeitnehmer zu/dem Arbeitgeber zu . . . % und dem Arbeitnehmer zu . . . % zu. (2) Die Anteile an dem Fonds verpfändet der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer. Die Verpfändung ist unwiderruflich. Der Arbeitnehmer nimmt das Pfandrecht mit Unterzeichnung dieses Vertrages an. Unverzüglich nach Unterzeichnung des Vertrages zeigt der Arbeitgeber dem Fonds die Verpfändung an und weist dem Arbeitnehmer diese Anzeige nach. (3) Der Arbeitgeber übermittelt dem Arbeitnehmer auf Kosten des Arbeitgebers einmal monatlich Abschriften der Auszüge des Fonds. § 9 Schriftform Mündliche Nebenabreden zu dieser Sabbatical-Vereinbarung bestehen nicht. Änderungen oder Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, sofern nicht gemäß § 305b BGB eine individuelle Vertragsabrede zwischen den Parteien getroffen wurde. Dies gilt auch für die Aufhebung dieses Schriftformerfordernisses.25 § 10 Salvatorische Klausel26 Sollte eine der vorstehenden Regelungen unwirksam sein, so bleibt die Wirksamkeit der übrigen Vereinbarungen davon unberührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.27 ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

24 Vgl. § 7d Abs. 3 SGB IV. Ein höherer Anlageanteil in Aktien oder Aktienfonds ist insbesondere zulässig, wenn dies in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung vereinbart ist, § 7d Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB IV. 25 Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14; Formulierungsvorschlag zur Schriftformklausel hier von Seel, DB 2009, 2210, 2212. 26 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 27 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

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Kapitel 7

Altersteilzeit

Literaturübersicht: Abeln/Gaudernack, Keine Altersrente nach Altersteilzeit bei völliger Freistellung schon während der Arbeitsphase im so genannten Blockmodell, BB 2005, 43; Ahlbrecht, Altersteilzeit im Blockmodell – Rechtlicher Rahmen und Sonderprobleme, BB 2002, 2440; Ahsen/Nölle, Risiko Altersteilzeit?, DB 2003, 1384; Andresen, Frühpensionierung und Altersteil-

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Kap. 7

Altersteilzeit

zeit, 3. Aufl. 2003; Berkowsky, Aktuelle arbeitsrechtliche Fragen in Krise und Insolvenz – Oktober/November 2008, NZI 2009, 33; Berkowsky, Aktuelle arbeitsrechtliche Fragen in Krise und Insolvenz – Februar/März 2008, NZI 2008, 288; Birk, Die Befristung von Altersteilzeitverträgen auf einen vorgezogenen Renteneintritt, NZA 2007, 244; Cirsovius, Alternativen der Frühverrentung, NZS 2008, 78; Engesser Means/Clauss, Eintritt in Altersteilzeitvertrag bei Arbeitgeberwechsel, NZA 2006, 293; Frank, Regelungsbedarf und Haftungsfallen in Wertkontenmodellen, NZA 2008, 152; Froehner, Das Altersteilzeitverhälntis in der Insolvenz des Arbeitgebers, NZA 2012, 1405; Gaul/Cepl, Wichtige Änderungen im Altersteilzeitgesetz, BB 2000, 1727; Hamm, Insolvenzschutz von Arbeitszeitkonten, AiB 2005, 92; Hanau, Neue Altersteilzeit, NZA 2009, 225; Hanau, Noch einmal: Die Befristung von Altersteilzeitverträgen auf einen vorgezogenen Renteneintritt, NZA 2007, 848; Hanau/Veit, Neues Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze, NJW 2009, 182; Höfer/Meißner, Altersteilzeitguthaben – Insolvenzsicherungsvarianten und deren Auswirkungen auf die Bilanzstruktur nach HGB, IFRS und US-GAAP, DB 2004, 2057; Kerschbaumer, Altersteilzeit, AiB 2006, 682; Kock, Risiken bei endgültiger Freistellung des Arbeitnehmers während der Altersteilzeit, ArbRB 2005, 275; Koller-van Delden, Insolvenzsicherung von Altersteilzeitguthaben und Haftungsrisiken der Geschäftsführung am Beispiel des Bürgschaftsmodells, DStR 2008, 1835; Langohr-Plato/Morisse, Insolvenzschutz von Wertguthaben aus Altersteilzeit, BB 2002, 2330; Lingemann, Altersteilzeitverträge – Vertragsmuster mit Erläuterungen, MDR 2002, 382; Link, Insolvenzsicherung – Aber wie?, AuA 9/2004, 22; Melms/Schwarz, Die verpasste Rente nach Altersteilzeit, DB 2006, 2010; Oberthür, Die vollständige Freistellung in der Altersteilzeit – Ein riskantes Trennungsmodell, NZA 2005, 377; Perreng, Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten, FA 2005, 333; Preis, Der Arbeitsvertrag – Handbuch der Vertragsgestaltung, 4. Aufl. 2011, Teil II A 30; Raffler, Einführung und Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten, FA 2011, 360; Rehwald, Auswirkungen der Insolvenz auf die Altersteilzeit-BlockmodellArbeitsphase, AiB 2006, 127; Rolfs/Witschen, Neue Regeln für Wertguthaben, NZS 2009, 295; Rothländer, Rechtsprechungsübersicht zu Fragen der Altersteilzeit, PersR 2007, 185; Schaub/ Schrader/Straube/Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 10. Aufl. 2013 Rz. A 323 ff.; Schmidbauer/Schmidbauer, Die neu geregelte Altersteilzeit – ABC der Altersteilzeitarbeit, 6. Aufl. 2009; Schreiner, Die Befristung von Altersteilzeitverträgen auf einen vorgezogenen Renteneintritt, NZA 2007, 846.

I. Einführung 1. Allgemeine Voraussetzungen 1

Altersteilzeitarbeit soll älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglichen, § 1 Abs. 1 Altersteilzeitgesetz.1 Hat der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet, so können nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 AltTZG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG Arbeitgeber und Arbeitnehmer Altersteilzeit vereinbaren. Die – für Verträge ab dem 1.1.2010 ausgelaufene (Rz. 3) – Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit hing ferner davon ab, dass bestimmte Vorversicherungszeiten erbracht waren (1080 Kalendertage innerhalb von fünf Jahren, Einzelheiten in § 2 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG).2 UE entfällt diese Voraussetzung nach Wegfall der Förderung, die Frage ist jedoch streitig.3 Natürlich kann Altersteilzeit auch erst 1 AltTZG; Art. 1 des Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand v. 23.7.1996 (BGBl. I 1996, 1078 ff.), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung v. 12.4.2012 (BGBl. I, 2012, 579). 2 Zeiten mit Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe, Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld II sowie Zeiten, in denen Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 SGB III bestand, stehen der versicherungspflichtigen Beschäftigung gleich. 3 Nach HWK/Stindt/Nimscholz, § 1 ATZG Rz. 2 ist die Erfüllung der Vorversicherungszeiten unverändert Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Altersteilzeit.

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Altersteilzeit

Kap. 7

beginnend mit einem höheren Alter vereinbart werden. Insbesondere auf Grund der Änderung des Renteneintrittsalters durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz v. 20.4.20074 muss im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der zulässigen Dauer der Altersteilzeit genau gerechnet werden, zu welchem Zeitpunkt der Beginn der Altersteilzeit vereinbart wird, damit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG der nahtlose Übergang von Altersteilzeit in Rente gewährleistet ist. Dieser beschränkt sich nicht auf den Übergang in Rente nach Altersteilzeit, in Betracht kommen vielmehr alle Rentenarten. Das AltTZG gewährt dem Arbeitnehmer jedoch keinen Anspruch auf den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages,5 sondern regelt nur die Mindestbedingungen, die ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis erfüllen muss, damit die staatlichen Förderleistungen der Bundesagentur für Arbeit (zum Auslaufen der Förderung sogleich Rz. 3) und die sozialversicherungsrechtlichen Vergünstigungen (zB vorzeitige Rente nach Altersteilzeit) in Anspruch genommen werden können.6 Ein Anspruch auf Altersteilzeit kann sich jedoch aus einzelvertraglichen oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben.7 Nach der Überforderungsquote des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG muss jedoch 4 BGBl. I, S. 554. Gemäß § 235 Abs. 2 SGB VI wird für Versicherte, die nach dem 31.12.1946 geboren sind, die Regelaltersgrenze je Monat der späteren Geburt um einen Monat hinaufgesetzt. Dies gilt nicht für Versicherte, die vor dem 1.1.1955 geboren und vor dem 1.1.2007 Altersteilzeitarbeit vereinbart haben, § 235 Abs. 2 SGB VI. Die Altersrente für langjährig Versicherte, die nach dem 31.12.1948 geboren sind, wird im gleichen Modus heraufgesetzt, auch hier gilt dieselbe Vertrauensschutzregelung, § 236 Abs. 2 SGB VI, wobei weiter gehender Vertrauensschutz für Versicherte besteht, die nach dem 31.12.1947 geboren sind und vor dem 1.1.2007 Altersteilzeitvereinbarungen geschlossen haben, § 236 Abs. 3 SGB VI. Die Altersrente für schwerbehinderte Menschen wird für Versicherte, die nach dem 31.12.1951 geboren sind, im selben Modus von bisher 63 Jahren für die vorzeitige Inanspruchnahme angehoben, § 236a Abs. 2 SGB VI mit entsprechenden Vertrauensschutzregelungen, § 236a Abs. 2 und 3 SGB VI. Die Altersrente nach Altersteilzeitarbeit gilt nur noch für Versicherte, die vor dem 1.1.1952 geboren sind, § 237 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Auch steigt die Mindestaltersgrenze für diese Altersrente ab 2006 für Versicherte, die zwischen 1946 und 1948 geboren sind, in Monatsschritten von 60 auf 63 Jahre, § 237 Abs. 3 SGB VI iVm. Anlage 19. Wurde der Altersteilzeitvertrag nach dem 31.12.2006 geschlossen, so ändert sich für vor dem 1.1.1952 geborene Arbeitnehmer gemäß § 77 SGB VI auf Grund des Rentenabschlags von 0,003 beim Rentenzugangsfaktor für jedes Jahr der vorzeitigen Inanspruchnahme die Rentenhöhe, für Arbeitnehmer, die nach dem 31.12.1951 geboren sind, bestimmt sich hingegen sowohl die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Altersteilzeit als auch die Befristungsmöglichkeit des Altersteilzeitvertrages nach der konkret für den jeweiligen Arbeitnehmer in Betracht kommenden Rentenart (s.o.), vgl. insb. Schreiner, NZA 2007, 846, 847. Eine Anhebung der Altersgrenze von 60 Jahren für den vorzeitigen Bezug einer Altersrente erfolgt allerdings nicht, wenn der/die Versicherte vor dem 1.1.2004 Altersteilzeitarbeit vereinbart hatte, § 237 Abs. 5 SGB VI. 5 Auch vor dem 1.1.2010 bestand angesichts des baldigen Auslaufens der Fördermöglichkeit durch die Bundesagentur kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss eines vorgezogenen Altersteilzeitvertrages, um zukünftige Verschlechterungen beim Rentenbezug zu vermeiden, ArbG Marburg v. 11.5.2007, NZA-RR 2007, 459. 6 BAG v. 23.1.2007, AP AltTZG § 2 Nr. 8. 7 BAG v. 12.8.2008, DB 2008, 2839; v. 23.1.2007, AP AltTZG § 2 Nr. 8. Hat der Arbeitnehmer seinen Anspruch rechtzeitig vor dem gewünschten Beginn der Altersteilzeit in einem solchen Falle geltend gemacht, so kann der Arbeitgeber verurteilt werden, dem Antrag auf Vertragsabschluss auch rückwirkend zuzustimmen. Dem steht nicht entgegen, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis aus sozialrechtlichen Gründen vor seinem Beginn vereinbart worden sein muss. Eine Besserstellung älterer Arbeitnehmer in einem Tarifvertrag, der für Arbeitnehmer, die noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Gewährung von Altersteilzeit nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung vorsieht, bei Arbeitnehmern

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Kap. 7

Altersteilzeit

sichergestellt sein, dass der Arbeitgeber frei in seiner Entscheidung über den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages ist, wenn bereits 5 % der Mitarbeiter des Betriebs Altersteilzeit in Anspruch nehmen bzw. durch den antragstellenden Arbeitnehmer diese Quote erstmals erreicht wird.8 3

Die Bundesagentur für Arbeit erbringt Förderleistungen im Rahmen von Altersteilzeitbeschäftigungen nur noch, wenn die Altersteilzeitbeschäftigung bis spätestens 31.12.2009 angetreten wurde. Dies ergibt bei der maximalen Förderdauer von sechs Jahren eine noch andauernde Förderung von Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit bis zum 31.12.2015. Davon unabhängig können auch ab dem 1.1.2010 Altersteilzeitbeschäftigungen vereinbart und angetreten werden, denn die besonderen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen werden durch den Wegfall der Förderungsmöglichkeit nicht berührt.9 Dies gilt insbesondere für die Steuer- und Beitragsfreiheit der Aufstockungsbeiträge (§ 3 Nr. 28 EStG). Das AltTZG regelt auch weiterhin die Voraussetzungen, unter denen eine Altersteilzeitbeschäftigung vereinbart werden kann. Auch Tarifverträge über Altersteilzeit können fortgelten, sofern sie die Förderungsmöglichkeit durch die Bundesagentur nicht voraussetzen.10

2. Reduzierung der Arbeitszeit 4

Die Arbeitszeit muss gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG auf mindestens die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit11 (vgl. § 6 Abs. 2 AltTZG) reduziert werden

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ab Vollendung des 60. Lebensjahres dagegen einen Anspruch lediglich unter den Vorbehalt entgegenstehender dienstlicher oder betrieblicher Gründe stellt, ist zulässig und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, BAG v. 14.10.2008, NZA 2009, 456. Dringende betriebliche oder dienstliche Gründe liegen erst vor, wenn gewichtige Belange des Arbeitgebers in erheblichem Maße beeinträchtigt sind, wobei die Aufwendungen, die typischerweise mit jedem Altersteilzeitverhältnis anfallen, nicht ausreichen, BAG v. 21.2.2012, NZA-RR 2012, 444. Nicht möglich ist jedoch eine rückwirkende Umwidmung eines Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis, BAG v. 4.5.2010, NZA 2010, 1063. Hierdurch soll insbesondere eine wirtschaftliche Belastung von Kleinunternehmen vermieden werden (sog. Überlastungsschutz). Praktisch ist der Arbeitgeber daher in Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern stets in seiner Entscheidung über den Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen frei. Maßgeblich ist die Größe des Hauptbetriebs, der Betriebsbegriff des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG ist nicht anzuwenden, BAG v. 12.8.2008, DB 2008, 2839. Trifft der Arbeitgeber allerdings mit mehr als 5 % seiner Mitarbeiter entsprechende Vereinbarungen, ist er im Folgenden durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, BAG v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 547. Hierzu ausführlich Hanau, NZA 2009, 225, 226. Hanau, NZA 2009, 225, 227. Ergibt eine Auslegung des Tarifvertrags, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages verbunden mit einer häufig über die Mindestsumme nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a AltTZG hinausgehenden Aufstockungsleistung des Arbeitgebers bedingt ist durch die fortbestehende Förderung der Bundesagentur, so kann zukünftig auf diese tarifliche Bestimmung kein Anspruch auf Altersteilzeitbeschäftigung mehr gestützt werden. Maßgeblich ist für die gesamte Dauer der Altersteilzeit die bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags geltende Stundenzahl. Die Vereinbarung einer variablen, vom jeweiligen Verhältnis zur Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten abhängigen Arbeitszeit ist ausgeschlossen. Wird die Arbeitszeit der Vollbeschäftigten daher während der Laufzeit des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhöht, so erhöht sich nicht die mit den Arbeitnehmern in Altersteilzeit vereinbarte Wochenstundenzahl, BAG v. 11.4.2006, DB 2006, 1684. Ist jedoch im Arbeits-

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Kap. 7

und darf, soweit Förderung in Anspruch genommen werden soll, jedoch noch nicht geringfügig iSv. § 8 SGB IV sein (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG).12 Der Arbeitnehmer arbeitet danach bis zum Rentenbezug Teilzeit. Der nahtlose Übergang von Altersteilzeit in Rente muss gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG gewährleistet sein.13 Das notwendige Mindestalter für den Bezug einer nicht durch Rentenabschläge gekürzten Altersrente ergibt sich insoweit derzeit14 aus §§ 35, 235 SGB VI für die Regelaltersgrenze,15 §§ 36, 236 SGB VI für die Altersrente für längjährige Versicherte, aus §§ 37, 236a SGB VI für die Altersrente für Schwerbehinderte, aus § 237 SGB VI mit Anlage 19 für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit und aus §§ 39, 237a SGB VI mit Anlage 20 für die Altersrente für Frauen.16 Im Zweifelsfall sollte der Arbeitnehmer beim Rentenversicherungsträger rechtzeitig eine Auskunft über den frühestmöglichen Rentenbeginn nach § 109 SGB VI bzw. nach §§ 14, 15 SGB I einholen.17

3. Finanzielle Leistungen des Arbeitgebers Der Arbeitgeber leistet eine Zuzahlung zum reduzierten Arbeitsentgelt („Aufstockungsbetrag“) iHv. mindestens 20 % des Regelarbeitsentgelts gemäß § 6 Abs. 1 AltTZG (§ 3 Abs. 1 Nr. 1a AltTZG)18 und einen Zuschuss zu den Beiträgen zur Rentenversicherung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG). Der Aufstockungsbetrag ist steuer- und beitragsfrei (vgl. § 3 Nr. 28 EStG), das gilt auch, soweit er den im Gesetz genannten Min-

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vertrag oder Tarifvertrag eine Aufstockungsmöglichkeit zulässigerweise in bestimmtem Umfang vorbehalten, so gilt die in Ausübung dieses einseitigen Gestaltungsrechts unmittelbar vor Beginn der Altersteilzeit erhöhte Arbeitszeit nicht als vorübergehende Mehrarbeit, sondern als vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit, BAG v. 14.8.2007, NZA 2008, 1194 u. Parallelverfahren NZA-RR 2008, 129 sowie v. 19.5.2009, NZA 2010, 176 und v. 17.7.2007, NZA-RR 2008, 162. Es ist zur Bestimmung der nach § 6 Abs. 2 AltTZG maßgeblichen Arbeitszeit keine Durchschnittsberechnung der schwankenden regelmäßigen Arbeitszeit durchzuführen, sondern ausschließlich auf die vereinbarte Arbeitszeit abzustellen. Vgl. § 27 Abs. 2 SGB III iVm. § 8 SGB IV; BAG v. 26.6.2001, NZA 2002, 4; zu Einzelheiten geringfügiger Beschäftigung vgl. Einf. Kap. 6 Rz. 73 ff. iVm. M 6.3.1. Hier kommen alle Rentenarten in Betracht, Einzelheiten oben Fn. 4. Bereits das RV-Nachhaltigkeitsgesetz hat die Altersgrenzen für den Bezug der Altersrenten heraufgesetzt, zur derzeit letzten Heraufsetzung der Altersgrenzen durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vgl. oben Fn. 4. Der Vertrauensschutz gegenüber der Heraufsetzung nach dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz galt für Versicherte, die vor dem 1.1.2004 einen Altersteilzeit-Vertrag geschlossen haben, für den Vertrauensschutz nach dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz kommt es auf den Vertragsschluss vor dem 1.1.2007 an. Die Regelaltersgrenze liegt nunmehr bei 67 Jahren; sie wird je nach Geburtsjahrgang frühestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Zur Anhebung vgl. oben Fn. 4. Die besondere Altersrente für Frauen gilt nur noch für Versicherte, die vor dem 1.1.1952 geboren sind, § 237a Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Zu Einzelheiten vgl. Schlegel, FA 2000, 239 mwN. Also des regelmäßig innerhalb eines Monats vom Arbeitgeber zu zahlenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgeltes, § 6 Abs. 1 AltTZG; einmalige oder nicht laufend geleistete Entgeltkomponenten bleiben außen vor und werden nicht aufgestockt; nach der Neufassung müssen auch nicht mehr 70 % des ursprünglichen Nettoentgelts als Mindestnettobetrag erreicht werden. Sieht ein Tarifvertrag höhere Aufstockungsleistungen vor, so kann der Arbeitgeber ohne tarifliche Öffnungsklausel hiervon nicht individualvertraglich zu Ungunsten der Arbeitnehmer abweichen, BAG v. 20.1.2009, DB 2009, 1474. Verweist ein Tarifvertrag, wie namentlich der TV ATZ, jedoch auf die Mindestnettobetragstabelle, so bleibt diese auch verbindlich, wenn sie über Jahre nicht angepasst wurde, BAG v. 19.2.2013, ZTR 2013, 388 = DB 2013, 1367.

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destbetrag von 20 % des Regelarbeitsentgelts übersteigt; jedoch besteht ein Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 1g EStG). Da dieser nicht bei der Abführung der Lohnsteuer berücksichtigt wird, entstehen für den Arbeitnehmer Steuernachzahlungen; einen Erstattungsanspruch hat er insoweit gegen den Arbeitgeber nicht.19 Soweit der Aufstockungsbetrag aus der Nettovergütung berechnet wird, kann ein Wechsel der Steuerklasse des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber rechtsmissbräuchlich sein, wenn er steuerrechtlich nachteilig ist und nur zu höheren Aufstockungsbeträgen führt.20 Soweit die Rentenbeiträge aus dem Entgelt der Altersteilzeitarbeit zu zahlen sind, werden sie vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte getragen. Der Arbeitgeber allein leistet jedoch zusätzlich Rentenversicherungsbeiträge mindestens in Höhe des Beitrags, der auf 80 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit, allerdings begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Regelarbeitsentgelt, entfällt, höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze, § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG.21 Auch diese zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträge sind gemäß § 3 Nr. 28 EStG steuerfrei, auch soweit sie über die Mindestbeträge hinausgehen oder der frei gewordene Teilzeitarbeitsplatz nicht wieder besetzt wird.22 Die Beiträge unterliegen im Gegensatz zum Aufstockungsbetrag wohl auch nicht dem Progressionsvorbehalt, denn sie sind in § 32b Abs. 1 EStG nicht erwähnt.23 Werden in einem Interessenausgleich mit dem Ziel des Personalabbaus Altersteilzeitarbeitsverträge angeboten, so kann dieser finanzielle Anreize für die Arbeitnehmer vorsehen, die davon Gebrauch machen und Arbeitnehmer, die sich bereits in Teilzeit befinden, hiervon ausschließen.24 Nicht steuerfrei sind tarifvertraglich vorgesehene Abfindungen zur Minderung des Rentenverlustes; diese unterliegen jedoch der Fünftel-Regelung des § 34 EStG.25

4. Wiederbesetzung 6

Will der Arbeitgeber die staatlichen Förderungen der BA für vor dem 1.1.2010 angetretene Altersteilzeitbeschäftigung unter Ausschöpfung der maximalen sechsjährigen Förderdauer längstens bis zum 31.12.2015 erhalten, so muss der durch die Inanspruchnahme von Altersteilzeit frei gewordene Arbeitsplatz wieder besetzt werden.26

19 BAG v. 25.6.2002, NZA 2003, 859; LAG Bremen v. 22.3.2001, DB 2001, 1785. 20 BAG v. 9.9.2003, AP APG § 4 Nr. 2. 21 Wodurch das frühere Aufstockungsniveau von mindestens 90 % im Ergebnis bestehen bleibt, BT-Drucks. 15/1515, S. 133. 22 R 3.28 Leistungen nach dem AltTZG § 3 Nr. 28 EStG (Lohnsteuerrichtlinien 2011 mit Hinweisen 2013). 23 Küttner/Seidel, Altersteilzeit, Rz. 28 mwN. 24 BAG v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 580. Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liegt allerdings vor, wenn für einen ein Jahr älteren Arbeitnehmer allein auf Grund der eingetretenen Verkürzung der Dauer der Altersteilzeit eine verdoppelte Abfindungssumme gewährt wird, BAG v. 18.9.2007, NZA 2008, 1264. Auch zwischen einem Altersteilzeiter in der Freistellungsphase und einem Mitarbeiter im Vorruhestand kann differenziert werden, da letzterer in keinem Arbeitsverhältnis mehr steht, BAG v. 20.5.2008, NZA-RR 2009, 18. 25 Daher ist es wohl aus steuerlichen Aspekten günstiger, diese Beträge für eine Erhöhung der Aufstockungen zu verwenden, vgl. Hanau, NZA 2009, 225, 226. 26 Bei fehlender Arbeitgeberidentität infolge eines Widerspruchs gegen einen Betriebsübergang des Altersteilzeitberechtigten erfolgen keine Leistungen nach dem AltTZG, BSG v. 23.2.2011, NZA-RR 2011, 492.

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Dabei bestehen besondere Anforderungen an den Wiederbesetzer und an den Nachweis der Wiederbesetzung: a) Wiederbesetzer Besetzt der Arbeitgeber das frei gewordene Arbeitsvolumen durch Einstellung Arbeitsloser oder Übernahme von Ausbildungsabsolventen, so erstattet ihm die Bundesagentur gemäß § 4 AltTZG den Aufstockungsbetrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a AltTZG iHv. 20 % des Regelarbeitsentgelts, § 4 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG. Sie ersetzt ferner den Zuschuss zur Rentenversicherung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG. Bei Unternehmen mit nicht mehr als 50 Beschäftigten reicht es aus, wenn aus Anlass des Übergangs des Arbeitnehmers in die Altersteilzeitarbeit ein Auszubildender beschäftigt wird, § 3 Abs. 1 Nr. 2b AltTZG.

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b) Wiederbesetzungsnachweis Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten müssen nachweisen, dass sie auf dem durch Altersteilzeit frei gewordenen Arbeitsplatz die Ersatzeinstellungen vorgenommen haben. Allerdings gelten für den Wiederbesetzungsnachweis verschiedene Erleichterungen: Auch die Wiederbesetzung eines „in diesem Zusammenhang durch Umsetzung frei gewordenen Arbeitsplatzes“ reicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2a AltTZG aus. Der Arbeitgeber kann dazu eine Umsetzungskette nachweisen; selbst dies ist aber entbehrlich, wenn der Wiederbesetzer in dem selben Funktionsbereich nachrückt, aus dem der Altersteilzeiter ausgeschieden ist, und dort funktionsadäquat eingesetzt wird.27 Bei Arbeitgebern, die idR nicht mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigen, wird die Wiederbesetzung vermutet, soweit der neu eingestellte Arbeitnehmer entsprechend der frei gewordenen Arbeitszeit beschäftigt wird.28 Dies gilt auch für eigenständige Organisationseinheiten in größeren Unternehmen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie bestimmte Funktionen mit einem hinreichenden Grad der Verselbständigung innerhalb des Unternehmens wahrnehmen (zB Lackiererei, Schreibkanzlei, Rechtsabteilung, Fahrdienst).29

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Auch wenn der neu eingestellte Arbeitnehmer wieder ausscheidet, behält der Arbeitnehmer den Erstattungsanspruch gegen die Agentur für Arbeit, sofern er gemäß § 5 Abs. 2 AltTZG den frei gewordenen Arbeitsplatz mindestens vier Jahre wieder besetzt hatte und für mindestens vier Jahre auch Erstattungsleistungen erhalten hat.

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5. Kontinuitäts- und Blockmodell Die Altersteilzeit kann als laufende Verkürzung der Arbeitszeit (Kontinuitätsmodell) oder als Blockmodell30 gestaltet werden dergestalt, dass der Altersteilzeiter zunächst voll weiterarbeitet, entsprechend dem Teilzeitanteil aber früher von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Ein Anspruch auf ein bestimmtes Modell bzw. ein entsprechendes 27 Vgl. AltTZG-DA, S. 14–16 zu § 3 und Küttner/Schlegel, Altersteilzeit, Rz. 65. 28 Vgl. BT-Drucks. 14/1831, S. 8; Gussone/Voelzke, Altersteilzeitrecht, 2000, § 3 Rz. 48 mwN, Küttner/Schlegel, Altersteilzeit, Rz. 64. 29 Vgl. AltTZG-DA, Ziff. 3.1.3 Abs. 10 zu § 3; Gussone/Voelzke, Altersteilzeitrecht, 2000, Rz. 51; Gaul/Cepl, BB 2000, 1727, 1731. 30 Beschränkt ein Tarifvertrag zur Altersteilzeit den Anspruch des Arbeitnehmers nicht auf ein bestimmtes Modell, so besteht ein Wahlrecht, BAG v. 12.8.2008, DB 2008, 2839.

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Wahlrecht kann sich aus einzelvertraglichen oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben.31 Beschränkt der Arbeitnehmer sein Angebot auf Altersteilzeit auf ein bestimmtes Modell, kann der Arbeitgeber es nur in dieser Form annehmen.32 In beiden Modellen erhält der Arbeitnehmer über die gesamte Laufzeit der Altersteilzeit die Leistungen des Arbeitgebers gemäß der reduzierten Arbeitszeit nach Rz. 4. Bislang war im Blockmodell während der Freistellungsphase spiegelbildlich dieselbe tarifliche Vergütungsgruppe zugrunde zu legen, nach der während der Arbeitsphase die Vergütung bemessen worden war.33 Inwieweit dies nach neuerer Rechtsprechung noch gilt, ist fraglich.34 Prinzipiell kommt es wohl auf die Vereinbarungen der Parteien an; fehlen besondere Regelungen, deutet diese Rechtsprechung darauf hin, dass Altersteilzeitbeschäftigte ebenso an Gehaltserhöhungen teilnehmen wie normale Teilzeitbeschäftigte.35 Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis wird regelmäßig auf bestimmte Zeit abgeschlossen; gemäß § 8 Abs. 3 AltTZG besteht eine besondere Befristungsmöglichkeit für den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Altersrente hat.36 31 Nach dem TV ATZ besteht jedoch kein entsprechendes Wahlrecht, sondern nur die Verpflichtung des Arbeitgebers, nach billigem Ermessen zu entscheiden, vgl. BAG v. 12.4.2011, NZA 2011, 1044. 32 Vgl. BAG v. 17.8.2010, ZTR 2010, 637 zum TV ATZ. 33 Eine Sonderzuwendung war auch in der Freistellungsphase unabhängig von dem mit ihr verfolgten Zweck spiegelbildlich in der gleichen Höhe zu zahlen wie während der Arbeitsphase, vgl. BAG v. 4.10.2005, DB 2006, 1167. Jedoch nahmen Arbeitnehmer in der Freistellungsphase nicht am Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT teil, da die notwendige Bewährungszeit nicht in der Arbeitsphase vorgeleistet werden kann, vgl. BAG v. 4.5.2010, NZA 2011, 644. Auch entsprachen Erfolgsanteile in der Freistellungsphase in der Regel den Erfolgsanteilen in der Ansparphase, BAG v. 21.9.2010, NZA-RR 2011, 448. Gleiches galt für tarifvertraglich in der Arbeitsphase nur hälftig auszuzahlendes Urlaubsgeld, BAG v. 16.11.2010, ZTR 2011, 218, sowie nur hälftig ausgezahlte Ortszuschläge, BAG v. 20.3.2012, NZA 2012, 1169. 34 Vgl. BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 423/10, wonach aus der Spiegelbildtheorie nicht folge, dass erst in der Freistellungsphase erfolgende Erhöhungen der regelmäßigen Vergütung nicht zu zahlen sind. Hinsichtlich der Höhe der Teilzeitvergütung soll es vielmehr auf die jeweilige (tarif-)vertragliche Regelung ankommen. 35 Im Fall des BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 423/10 differenzierte der Tarifvertrag nicht zwischen Arbeits- und Freistellungsphase bzw. zwischen Teilzeit- und Altersteilzeitbeschäftigten, so dass die Regelungen für Teilzeitbeschäftigte auch für Altersteilzeitbeschäftigte galten; ähnlich auch LAG Berlin-Brandenburg – 4 Sa 1380/12 (Revision eingelegt unter Az. 9 AZR 946/12), das explizit darauf abstellt, dass in der Arbeitsphase ein Zeit- und kein Geldguthaben erarbeitet werde, welches anschließend in der Freistellungsphase bei fortlaufender Bezahlung inklusive etwaiger Erhöhungen durch Freistellung ausgeglichen werde. 36 Grundsätzlich handelt es sich beim Abstellen auf das Erreichen einer Altersgrenze um eine Zeit- oder Zweckbefristung, da der Eintritt zu einem bestimmten Zeitpunkt sicher ist. Jedoch ist der praktische Unterschied gering, da nach § 21 TzBfG auch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung eines Sachgrundes bedarf. § 8 Abs. 3 AltTZG geht als speziellere Vorschrift der Bestimmung des § 41 Satz 2 SGB VI vor und erfasst nicht nur die Altersrente wegen Altersteilzeit, vgl. ErfK/Rolfs, § 8 AltTZG Rz. 15 f. Wird in einem Formularvertrag der Beendigungszeitpunkt nicht deutlich herausgestellt, so kann eine überraschende oder intransparente Klausel vorliegen. Hierfür ist nicht nur auf die äußere Gestaltung der Klausel abzustellen, sondern auch auf den Verlauf der vorausgegangenen Verhandlungen über die Eingehung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und einen etwaig erteilten Hinweis an den Arbeitnehmer. Im Vertragstext muss eine solche Klausel deutlich hervorgehoben werden, vgl. BAG v. 8.8.2007, NJOZ 2008, 4217 (zum Ausnahmefall einer auflösenden Bedingung bei ungewissem Eintritt der Anspruchsberechtigung auf eine gesetzliche Altersrente wegen Schwerbehinderung, wenn eine Entscheidung über die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft noch aussteht). Vgl. im Übrigen auch M 7.1.

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Der Ausgleichszeitraum beträgt im Blocksystem drei Jahre, § 2 Abs. 2 AltTZG. Ein längerer Ausgleichszeitraum bis zu sechs Jahren ist nur dort möglich, wo ein (Haus-) Tarifvertrag dies zulässt, indem er entweder selbst eine Regelung oder eine Öffnungsklausel enthält. Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber kann auch durch Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag tarifliche Regelungen mit einem längeren Ausgleichszeitraum übernehmen. Bei einer tariflichen Öffnungsklausel kann der längere Ausgleichszeitraum auch durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Dies gilt entsprechend, wenn der Arbeitnehmer nicht tarifgebunden ist. Besteht kein Betriebsrat, so kann der längere Ausgleichszeitraum im Geltungsbereich eines Tarifvertrages auch durch Individualvereinbarung übernommen werden (zu Einzelheiten vgl. § 2 Abs. 2 AltTZG).

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Existiert keine tarifvertragliche Regelung über die Verteilung der Arbeitszeit und ist eine solche auch nicht tarifüblich gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG, so kann ein bis zu sechsjähriger Ausgleichszeitraum durch Betriebsvereinbarung oder, wenn ein Betriebsrat nicht besteht, einzelvertraglich vereinbart werden, § 2 Abs. 2 Satz 5 AltTZG. Grund für diese formalen Anforderungen sind die erhöhten Risiken des Arbeitnehmers bei längeren Ausgleichszeiträumen. § 8a AltTZG verlangt von den Vertragsparteien daher auch geeignete Sicherungen der Wertguthaben (vgl. unten Rz. 17). Hat der Arbeitnehmer bei Beginn der Freistellungsphase im Blockmodell noch nicht erfüllte Urlaubsansprüche, so sind diese nicht abzugelten, weil der Wechsel in die Freistellungsphase keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist. Der Arbeitnehmer kann lediglich zum Zweck der Urlaubsgewährung von seiner Arbeitspflicht freigestellt werden.37

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Wichtig: Dringend abzuraten ist von einer Freistellung des Arbeitnehmers im Blockmodell schon für die Arbeitsphase. Sie führt zur Beendigung des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses mit der Folge, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Rente nach Altersteilzeit hat, möglicherweise ist auch die Befristung des Vertrages nicht mehr von § 8 Abs. 3 AltTZG gedeckt. Der Arbeitnehmer kann eine solche Vereinbarung sogar anfechten, wenn der Arbeitgeber ihn nicht auf die entsprechenden Risiken hingewiesen hat.38

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6. Status Nach Maßgabe von § 7 Abs. 1a SGB IV besteht auch während der Freistellungsphase (zweiter Block) ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, auch wenn der Arbeitnehmer sich in der Freistellungsphase faktisch im Ruhestand befindet. Nach Ende der Altersteilzeit wird idR keine dreimonatige Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III verhängt, denn ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages und damit für eine Lösung des Arbeitsverhältnisses nach Ende der Freistellungsphase besteht bereits, wenn der Arbeitnehmer beabsichtigt hatte, nahtlos nach Ende der Altersteilzeit eine Altersrente zu beziehen oder er mit der Vereinbarung einer ansonsten drohenden betriebsbedingten Kündigung zuvorkommen wollte.39 Beschäfti37 BAG v. 15.3.2005, EzA BurlG § 7 Abgeltung Nr. 13. 38 BAG v. 10.2.2004, BB 2004, 2696; dazu Kock, ArbRB 2005, 275; Oberthür, NZA 2005, 377; Abeln/Gaudernack, BB 2005, 43. 39 BSG v. 21.7.2009, BB 2009, 1693.

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gungslosigkeit iSd. SGB III tritt jedenfalls erst nach Ende der Freistellungsphase ein, da das Arbeitsverhältnis auch in der Freistellungsphase fortbesteht. Arbeitsrechtlich ist der Altersteilzeiter in der Freistellungsphase des Blockmodells wohl nicht mehr Arbeitnehmer des Betriebes und daher auch nicht mehr wählbar zum Betriebsrat40 oder als Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat.41 Mangels Bindung an den Betrieb dürfte damit auch die aktive Wahlberechtigung entfallen.42 Sowohl die Arbeitsphase als auch die Freistellungsphase steigert die Rentenansprüche fast in gleicher Höhe wie bei einer aktiven Arbeitstätigkeit während der gesamten Zeit. Ansonsten ist das Altersteilzeitverhältnis ein Arbeitsverhältnis. Es kann nur freiwillig vereinbart werden; eine Änderungskündigung in die Altersteilzeit ist unwirksam, § 8 Abs. 1 AltTZG. Es kann ausgestaltet sein als Teilzeitarbeitsverhältnis, Abrufarbeitsverhältnis oder auch als Job-Sharing (siehe Einf. Kap. 6 Rz. 34 ff., 80, 81 ff. sowie M 6.2.1, M 6.4, M 6.5).

7. Dauer 15

Die maximale Förderungsdauer bei laufender Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit beträgt sechs Jahre, § 4 Abs. 1 AltTZG. Wird Altersteilzeit für mehr als sechs Jahre vereinbart, so können die Arbeitsvertragsparteien die Lage des Förderungszeitraumes innerhalb des Gesamtzeitraumes bestimmen. Die gesetzliche Förderungsregelung lief zum 31.12.2009 aus (§ 1 Abs. 2 AltTZG; oben Rz. 3).

8. Störfälle43 16

Störfälle sind insbesondere im Blockmodell von Bedeutung. Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit erhält der Arbeitnehmer das Altersteilzeitarbeitsentgelt sowie die Aufstockungsleistungen.44 Ist der Arbeitnehmer allerdings über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus arbeitsunfähig erkrankt, so besteht kein Anspruch auf weitere Aufstockungsleistungen.45 Dann besteht auch kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iSv. § 7 Abs. 1a SGB IV mehr. Hier könnte durch anteilige Verlängerung der Arbeitsphase die notwendige neue Vorarbeit für die Freistellungsphase iSv. § 7 Abs. 1a SGB IV geleistet werden.46 Während des Bezuges von Krankengeld entfällt auch die Pflicht zur Zahlung der Aufstockungsbeträge gemäß § 3 Abs. 1 AltTZG. Die Agentur für Arbeit übernimmt Aufstockungsbeträge nur, sofern das Unternehmen Zuschüsse zur Altersteilzeit nach § 4 AltTZG erhält. Solange der Arbeitgeber den Arbeitsplatz nicht neu besetzt, entfällt diese Zahlungspflicht. Auch dies könnte im Vertrag abgesichert werden (s. M 7.2 § 1 Abs. 5). Zum Teil wird auch vorgeschlagen, Altersteilzeiter von Kurzarbeit auszunehmen.47 Eine vorzeitige Beendigung der Altersteilzeit, die auch in der Freistellungsphase nicht ausgeschlossen ist,48 40 41 42 43 44 45 46 47 48

Vgl. Däubler, AiB 2001, 685, 688. BAG v. 25.10.2000, DB 2001, 832 (zu § 76 BetrVG 1952). AA Däubler, AiB 2001, 685, 689. Dazu Rittweger, DStR 2001, 1394; Hoß, ArbRB 2002, 28. BAG v. 15.8.2006, EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 22. BAG v. 15.8.2006, EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 22. Hoß, ArbRB 2002, 28. Hoß, ArbRB 2002, 28, 29. BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 789.

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könnte dadurch abgesichert werden, dass der Mitarbeiter bzw. seine Erben bei der vorzeitigen Beendigung der Altersteilzeit einen Anspruch auf Auszahlung der Differenz zwischen dem bereits gezahlten Altersteilzeitentgelt und der Vergütung für die Zeit der tatsächlichen Beschäftigung haben, die ohne Eintritt in die Altersteilzeit angefallen wäre. Dieses Wertguthaben ist vollständig in allen Sozialversicherungszweigen zu verbeitragen, § 23b Abs. 2 SGB IV. Dies kann bei mehrjährigen Laufzeiten zu erheblichen Belastungen führen, weil Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Anteil fällig wird, und zwar in der Altersteilzeit regelmäßig aus dem hälftigen Entgelt.49 Die genaue Berechnung ergibt sich aus § 23b Abs. 2 SGB IV. Nach § 23b Abs. 3a SGB IV gilt das Wertguthaben jedoch nicht als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, wenn die Altersteilzeitvereinbarung bestimmt, dass Wertguthaben, die wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, für Zwecke der betrieblichen Altersversorgung verwendet werden sollen. Das gilt nur dann nicht, wenn die Vereinbarung über die betriebliche Altersversorgung eine Abfindung vorsieht oder zulässt oder Leistungen im Falle des Todes, der Invalidität und des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, nicht gewährleistet sind, oder soweit bereits im Zeitpunkt der Ansammlung des Wertguthabens vorhersehbar ist, dass es nicht für Zwecke der Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden kann, § 23b Abs. 3a Nr. 1 und 2 SGB IV. Hier kann es sich also anbieten, für den Störfall die Übertragung der Wertguthaben in die betriebliche Altersversorgung vorzusehen.50

9. Insolvenzsicherung51 Gemäß § 8a Abs. 1 AltTZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Wertguthaben aus der Altersteilzeitvereinbarung einschließlich des auf sie entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag gegen das Risiko seiner eigenen Insolvenz abzusichern, soweit das Wertguthaben des Beschäftigten den Betrag des Dreifachen des Regelarbeitsentgelts einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag übersteigt.52 Diese Verpflichtung besteht gemäß § 8a Abs. 3 AltTZG bereits mit der ersten Gutschrift, dh. ab dem Zeitpunkt, in dem der zu sichernde Anspruch auf das in der Entsparphase (beim Blockmodell also der Freistellungsphase) auszuzahlende Arbeitsentgelt entsteht.53 Das Wertguthaben ist einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß § 7d Abs. 1 SGB IV als Entgeltguthaben zu führen. Gemäß § 8a Abs. 2 AltTZG ist bei der Bemessung des Wertguthabens eine Gegenrechnung bereits gezahlter Aufstockungsbeträge ausgeschlossen.54

49 Rittweger, DStR 2001, 1394. 50 Rittweger, DStR 2001, 1394. 51 Raffler, FA 2011, 360; Wiezer, AuA 2005, 105 mit zahlreichen instruktiven Beispielen; Perreng, FA 2005, 333; Höfer, DB 2004, 2057. 52 BT-Drucks. 15/1515, S. 64, 134. 53 BT-Drucks. 15/1515, S. 64, 134. 54 Eine vertragliche Vereinbarung, die eine Gegenrechnung bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Störfall) vorsieht, ist allerdings zulässig, LAG Hamm v. 12.12.2007, NZA-RR 2008, 462.

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Das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze v. 29.12.2008 (sog. FlexiII-Gesetz) erfasst auch Wertguthaben, die ein Altersteilzeiter im Blockmodell während der Arbeitsphase für Zeiten der Freistellung anspart, vgl. § 7c Abs. 1 Nr. 2a SGB IV.55 Damit finden insbesondere die Bestimmungen zur Führung und Anlage der Wertguthaben einschließlich der Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers gemäß § 7d SGB IV und der Möglichkeit zur Übertragung des Wertguthabens auf einen neuen Arbeitgeber oder die Deutsche Rentenversicherung Bund gemäß § 7f SGB IV Anwendung.56 Für die Anlage von Wertguthaben aus Altersteilzeit gelten zudem Beschränkungen bei der Anlage in Aktien gemäß § 7d Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB IV.

17b

Zu den Sicherungsinstrumenten57 bei Altersteilzeit enthält § 8a Abs. 1 Satz 2 AltTZG einen Negativkatalog, der bilanzielle Rückstellungen sowie zwischen Konzernunternehmen begründete Einstandspflichten (Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte) als Sicherungsinstrumente ausschließt. Als Sicherungsmodelle in Betracht kommen hingegen Bankbürgschaften, Absicherungen im Wege dinglicher Sicherheiten (zB Verpfändungen von Wertpapieren, insbesondere Fondsanteilen oder auch Ansprüchen aus Rückdeckungsversicherungen58) zu Gunsten der Arbeitnehmer, zunehmend genutzt wird auch die Auslagerung auf Contractual Trust Arrangements (CTAs) im Wege ein- bzw. mehrstufiger Treuhandkonstruktionen oder dem Modell der doppelseitigen Treuhand, bei der Wertguthaben auf einem gemeinsamen Konto des Treuhänders angelegt und verwaltet werden.59 Da Wertguthaben nicht in den Bereich der betrieblichen Altersversorgung fallen, scheidet eine Insolvenzsicherung durch den Pensionssicherungsverein (PSVaG) aus. Ausdrücklich keine Anwendung finden gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AltTZG die Bestimmungen des § 7e SGB IV über die Insolvenzsicherung von Wertguthaben. Dies schließt die dort vorgesehene Überprüfung des obligatorischen Insolvenzschutzes durch den Träger der Rentenversicherung, die Haftung organschaftlicher Vertreter für einen nicht geeigneten oder ausreichenden Insolvenzschutz und die Verpflichtung zur Insolvenzsicherung bereits ab Erreichen der monatlichen Bezugsgröße ein. Dennoch kann der Aufzählung in § 7e Abs. 2 SGB IV Hinweiswirkung für geeignete Sicherungsmittel beigemessen werden.60

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Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf eine geeignete Insolvenzsicherung, § 8a Abs. 4 AltTZG. Über die zur Sicherung ergriffenen Maßnahmen ist der Arbeitnehmer mit der ersten Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform gemäß § 126b BGB zu unterrichten, wenn nicht eine andere gleichwertige Mitteilungsart zwischen den Betriebsparteien vereinbart wurde, § 8a Abs. 3 AltTZG. Weist der Arbeitgeber auf schriftliche Aufforderung des Arbeitnehmers nicht innerhalb eines Monats die Insolvenzsicherung in Textform nach, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass Sicherheit in Höhe des bestehenden Wertguthabens geleistet wird, § 8a Abs. 4 Satz 1 AltTZG. Für diese Sicherheit bestehen dann nicht die zahlreichen Möglichkeiten wie 55 Dies ergibt der Umkehrschluss aus § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AltTZG, der den Insolvenzschutz nach § 7e SGB IV für unanwendbar erklärt, vgl. Hanau/Veit, NJW 2009, 182, 184 sowie die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/10289, S. 15. 56 Hierzu Rolfs/Witschen, NZS 2009, 295, 299 ff. und 302 f. 57 Vgl. auch Koller-van Delden, DStR 2008, 1835. 58 Wiezer, AuA 2005, 105. 59 BT-Drucks. 15/1515, S. 134; Langohr-Plato/Morisse, BB 2002, 2330, 2332; Ahsen/Nölle, DB 2003, 1385; Wiezer, AuA 2005, 106 ff. 60 Hanau, NZA 2009, 225, 226.

308 Lingemann

Altersteilzeit

Kap. 7

bei der Insolvenzsicherung (oben Rz. 17), sondern hier kommt nur die Bürgschaft oder Hinterlegung in Betracht, § 8a Abs. 4 Satz 2 und 3 AltTZG. Von den Regelungen zum Insolvenzschutz kann nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden, § 8a Abs. 5 AltTZG. Zum Teil wurde die Auffassung vertreten, dass Organen von Unternehmen persönliche Schadensersatzforderungen über § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 8a AltTZG drohen, wenn die gesetzlich geforderte Insolvenzsicherung nicht durchgeführt wird.61 Das BAG hat dies jedoch verneint.62 Spiegelt der Geschäftsführer einer Arbeitnehmerin allerdings wahrheitswidrig vor, die Insolvenzsicherung sei erfolgt, so haftet er im Insolvenzfall schon nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 Abs. 1 StGB.63 Auch eine Haftung des Geschäftsführers nach § 311 Abs. 3 BGB kommt in Betracht, wenn er bei Begründung des Altersteilzeitvertrages persönliches Vertrauen für die störungsfreie Durchführung des Vertrages in Anspruch genommen hat.64 Gegen eine grundsätzliche Haftung der Organvertreter bei unzureichender Insolvenzsicherung spricht jedoch, dass der Gesetzgeber § 7e SGB IV mit der dort in Abs. 7 vorgesehenen Haftung für die Insolvenzsicherung bei der Altersteilzeit nicht für anwendbar erklärt hat (vgl. oben Rz. 17).

19

In der Insolvenz gilt: Wird Altersteilzeit im Blockmodell geleistet, so sind die Ansprüche, die der Arbeitnehmer in der Arbeitsphase für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung erarbeitet hat, Insolvenzforderungen. Nur die für die Zeit danach erarbeiteten Ansprüche sind Masseforderungen. Auch Zahlungen, die der Arbeitgeber während der Freistellungsphase zusätzlich zu demjenigen Teil der Arbeitsphase zu leisten hat, für den Masseforderungen entstanden sind, sind Masseforderungen.65 Die Masseforderungen umfassen sowohl das fortzuzahlende hälftige Arbeitsentgelt als auch den Aufstockungsbetrag.66 Eine monatliche Abfindungszahlung in der Altersteilzeit, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährt wird, ist wie sonstige Abfindungszahlungen nicht als Entgelt zu werten und daher Insolvenzforderung, auch wenn der Anspruch erst nach Insolvenzeröffnung entsteht.67 Auch Altersteilzeit-Verhältnisse, die sich nach dem Blockmodell zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits in der Freistellungsphase befinden, gehen grundsätzlich nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Betriebserwerber über;68 dieser haftet jedoch nicht für das während der Freistellungsphase anfallende Entgelt, wenn die Arbeitsphase vor Betriebsübergang vollständig abgeschlossen ist und der Betriebserwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, da die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens insofern Vorrang beanspruchen.69

20

Der Verzugszinssatz für Ansprüche aus einem Altersteilzeitverhältnis beträgt fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.70

21

61 62 63 64 65 66 67 68 69 70

LAG Düsseldorf v. 10.12.2004, DB 2005, 838; Langohr-Plato/Morisse, BB 2002, 2330, 2332. BAG v. 23.2.2010, NZA 2010, 1418. BAG v. 13.2.2007, NJW 2007, 2573. Im konkreten Fall allerdings abgelehnt von BAG v. 13.2.2007, NZA 2008, 121. BAG v. 30.10.2008, NZA 2009, 432; v. 23.2.2005, DB 2005, 1339; v. 19.10.2004, DB 2005, 779. BAG v. 19.10.2004, DB 2005, 779. BAG v. 27.9.2007, NZA 2009, 89. BAG v. 31.1.2008, NZA 2008, 705. Diese Haftungsbeschränkung für den Betriebserwerber ist mit der Richtlinie 2001/23/EG vereinbar, vgl. BAG v. 30.10.2008, NZA 2009, 432. BAG v. 23.2.2005, DB 2005, 1339.

Lingemann 309

Kap. 7

Altersteilzeit

M 7.1

II. Muster 7.1

u

Altersteilzeit-Vertrag1, 2 Kontinuitätsmodell3 – laufende Arbeitszeitverkürzung §1

Beginn und Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses4

(1) Die Parteien führen ihr Arbeitsverhältnis vom . . . nach Maßgabe dieser Vereinbarung ab dem . . .5 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fort. (2) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet ohne Kündigung am . . .6 Es endet ferner vorzeitig, [– mit Ablauf der Kalendermonats, in dem der Arbeitnehmer die Altersteilzeitarbeit beendet],7 – mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat, für den der Arbeitnehmer eine Rente wegen Alters (Regelaltersrente, Altersrente für langjährig Versicherte, für schwerbehinderte Menschen, für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute, 1 Das Muster kann auch nach Auslaufen der Förderungsmöglichkeit durch die BA verwendet werden; die Vertragsbestimmungen, die auf §§ 4 und 5 AltTZG Bezug nehmen, haben für Verträge, bei denen die Altersteilzeit erst ab dem 1.1.2010 angetreten wurde, jedoch keine Relevanz mehr. Da eine Weiterverwendung gleichwohl im Einzelfall gewünscht sein kann, haben wir sie nicht gestrichen, sondern nur in eckige Klammern [ ] gesetzt. Vgl. dazu die Hinweise bei den einzelnen Bestimmungen. 2 Zur Umsetzung vgl. auch AltTZG-DA, Stand 1.12.2006. 3 Vgl. Reichling/Wolf, NZS 1997, 164 ff.; Schaub/Schrader/Straube, Arbeitsrechtliches Formular und Verfahrenshandbuch, A. Rz. 326 ff. 4 In einem Formularvertrag muss eine Klausel, die eine vorzeitige Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bei frühestmöglicher Inanspruchnahme einer gesetzlichen Altersrente vorsieht, nicht nur den Beendigungstatbestand hinreichend konkretisieren, sondern auch im Vertragstext deutlich hervorgehoben sein, um nicht als intransparent oder überraschend qualifiziert zu werden. Letzterem wird Genüge getan, wenn die Klausel unter die Überschrift „Beginn und Ende der Arbeitszeit“ gefasst ist, vgl. BAG v. 8.8.2007, NJOZ 2008, 4217, 4222. Vorsorglich sollten die Fälle, in denen eine Altersrente bezogen werden kann, im Einzelnen aufgezählt werden bzw. zumindest ein Verweis auf den insofern maßgeblichen § 37 SGB VI erfolgen. S. auch Einf. Rz. 10 Fn. 34. 5 Datum nach Vollendung des 55. Lebensjahres, § 2 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG. Soweit die Voraussetzungen der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG nicht gemäß § 16 AltTZG vor dem 1.1.2010 vorlagen, besteht nach der Befristung des subventionsrechtlichen Teils des Gesetzes kein Anspruch des Arbeitgebers mehr auf die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach §§ 4 ff. AltTZG, vgl. Einf. Rz. 3. Je nach Dauer der Altersteilzeit und individuellem Rentenbezugsalter – zur Erhöhung des Rentenbezugsalters durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz Einf. Rz. 1 Fn. 4 – kann zur Gewährleistung eines nahtlosen Übergangs in eine Altersrente Altersteilzeit im konkreten Fall auch erst für einen späteren Zeitraum vereinbart werden. 6 Gemäß § 8 Abs. 3 AltTZG können Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirksam vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung endet, sobald der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Rente wegen Alters hat. Für Versicherte, die ab dem 1.1.1952 geboren sind, gibt es keine Rente nach Altersteilzeitarbeit mehr, § 237 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Zu diesem Befristungsgrund s. auch Einf. Rz. 10 Fn. 34. 7 Vgl. für Verträge, bei denen die Altersteilzeit bis zum 31.12.2009 angetreten wurde, § 5 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG. Nachdem wegen des Auslaufens der Fördermöglichkeit durch die BA eine Bezugnahme auf § 5 AltTZG ausscheidet, kann zukünftig auf eine entsprechende Bestimmung verzichtet werden.

310 Lingemann

M 7.1

Kap. 7

Altersteilzeit

Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, nach Altersteilzeitarbeit oder für Frauen),8 eine Knappschaftsausgleichsleistung, eine ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art oder, wenn er von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist, eine vergleichbare Leistung einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens beanspruchen kann,9 [– wenn der Anspruch auf die Altersteilzeitleistungen gemäß § 9 erlischt.]10 – mit dem Tod des Arbeitnehmers. (3) Der Arbeitnehmer übergibt dem Arbeitgeber bei Abschluss dieses Vertrages eine Rentenauskunft des zuständigen Rentenversicherungsträgers, aus der sich der Zeitpunkt ergibt, zu dem der Arbeitnehmer erstmals eine Rente beanspruchen kann. (4) Das Recht zur Kündigung nach Maßgabe des Arbeitsvertrages und der Gesetze bleibt unberührt.11 § 2 Arbeitsgebiet12 (1) Mit Beginn der Altersteilzeit übt der Arbeitnehmer die Tätigkeit als . . . aus. oder (1) Die Tätigkeit des Arbeitnehmers bleibt unverändert, soweit nicht Besonderheiten der Altersteilzeit Änderungen erfordern. (2) Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Arbeitnehmer nach Maßgabe von § . . . des bestehenden Arbeitsvertrages auch andere zumutbare gleichwertige Arbeiten zu übertragen. § 3 Arbeitszeit (1) Die Arbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt im Wochendurchschnitt13 jeweils die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von . . . Stunden. Bei künftigen Ver8 Vgl. die Definition gemäß § 33 Abs. 2 SGB VI; hierzu auch Schreiner, NZA 2007, 846, 847 mwN; s. auch Einf. Rz. 1 Fn. 4. 9 Für Altersteilzeit, die bis zum 31.12.2009 angetreten wurde, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG. Eine tarifliche Regelung, die die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Altersteilzeit iSv. § 1 Abs. 2, 2. Spiegelstrich des Musters beschränkt, soll nach EuGH v. 20.3.2003, NZA 2003, 506, wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 und 5 Abs. 1 Richtlinie 76/207/EWG europarechtswidrig sein, soweit sie, wie im Fall des EuGH, dazu führt, dass Frauen Altersteilzeit gar nicht in Anspruch nehmen können. Darin könnte auch eine Benachteiligung entgegen §§ 1, 7 AGG liegen. Das Problem verliert jedoch mit der Beschränkung der Altersrente für Frauen auf Jahrgänge bis 1951 an Bedeutung. Ein etwaiger tariflicher Anspruch auf Gewährung von Altersteilzeit selbst ist nach Maßgabe von § 315 BGB gerichtlich voll auf seine Billigkeit überprüfbar, BAG v. 3.12.2002, DB 2003, 1851. 10 Auch diese Bestimmung, die an § 5 Abs. 3 Satz 2 AltTZG anknüpft und die Altersteilzeitbeschäftigung von einer Erstattung der Aufstockungsleistungen durch die BA abhängig macht, verliert seit Wegfall der Förderungsmöglichkeit vom 1.1.2010 an Bedeutung. 11 Zur Kündigung im Blockmodell s. unten Anm. zu § 11. 12 Soweit der Arbeitgeber für eine vor dem 1.1.2010 angetretene Altersteilzeitbeschäftigung Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach §§ 4 ff. AltTZG in Anspruch nehmen möchte, sind die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Wiederbesetzung, zu beachten, insbesondere soweit sie die erforderliche Identität des durch den Altersteilzeitbeschäftigten frei gemachten Arbeitsplatzes mit dem Arbeitsplatz des Wiederbesetzers betreffen, vgl. im Einzelnen Einf. Rz. 6 ff. 13 Die Verteilung kann wöchentlich, monatlich oder jährlich erfolgen.

Lingemann 311

Kap. 7

Altersteilzeit

M 7.1

änderungen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit wird die Arbeitszeit angepasst, soweit sie damit versicherungspflichtig bleibt.14 (2) Für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wird der Arbeitnehmer montags bis donnerstags jeweils . . . Stunden arbeiten.15 (3) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, über die in Abs. 1 und 2 festgelegte Arbeitszeit hinaus notwendige zusätzliche Arbeit zu leisten, soweit sie angeordnet ist. Diese notwendige zusätzliche Arbeit ist innerhalb einer Frist von drei Monaten durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Kann der Freizeitausgleich wegen Krankheit, Urlaub oder aus ähnlichen Gründen nicht erfolgen, ist er in den darauf folgenden drei Monaten vorzunehmen. [Die Mehrarbeit darf den Umfang der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV nicht überschreiten.]16 §4

Vergütung

(1) Der Arbeitnehmer erhält für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Entgelt nach Maßgabe der gemäß § 3 reduzierten Arbeitszeit. Das Arbeitsentgelt wird unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit fortlaufend gezahlt. (2) Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld wird gleichfalls anteilig nach Maßgabe von Abs. 1 gezahlt. §5

Aufstockungszahlungen17

(1) Der Arbeitnehmer erhält zusätzlich eine Aufstockungszahlung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1a AltTZG iHv. 20 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit. (2) Der Arbeitgeber entrichtet für den Arbeitnehmer zusätzlich Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG in Höhe des Beitrags, der auf 80 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeit, begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Regelarbeitsentgelt, entfällt, höchstens jedoch bis zur Beitragsbemessungsgrenze.18 (3) Der Aufstockungsbetrag unterliegt derzeit nach § 3 Nr. 28 EStG nicht der Steuerpflicht. Der steuerfreie Aufstockungsbetrag unterliegt jedoch nach § 32b Abs. 1 Nr. 1g EStG dem Progressionsvorbehalt. Ein Ausgleich der Progressionsdifferenz durch den Arbeitgeber findet nicht statt.19 (4) Ein Ausgleich von gegebenenfalls anfallenden Rentenabschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Rente erfolgt nicht.

14 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG. 15 Zu möglichen Teilzeitgestaltungen vgl. M 6.2, zum Blockmodell vgl. sogleich M 7.2; zu den formalen Voraussetzungen für eine unterschiedliche Verteilung der Arbeitszeit über drei Jahre hinaus (zB: drei Jahre Vollarbeit, drei Jahre Freistellung – Blockmodell) s. Einf. Rz. 11. 16 Sonst ruht der Anspruch auf Leistungen der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 5 Abs. 4 AltTZG. Für Verträge, die sich auf eine nach dem 1.1.2010 angetretene Altersteilzeittätigkeit beziehen, kommt es darauf mangels Leistungen der BA nicht mehr an. 17 Die Aufstockungszahlungen (Altersteilzeitleistungen) sind steuer- und sozialabgabenfrei, auch soweit sie über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgehen, vgl. Einf. Rz. 5. 18 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG Einf. Rz. 5. 19 S. Einf. Rz. 5.

312 Lingemann

M 7.1

Altersteilzeit

Kap. 7

§ 6 Nebentätigkeitsverbot [(1) Der Arbeitnehmer darf neben seiner Altersteilzeitarbeit keine Beschäftigungen oder selbständigen Tätigkeiten ausüben, die die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV überschreiten. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund einer solchen Beschäftigung eine Lohnersatzleistung erhält. Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten bleiben unberücksichtigt, soweit sie der Arbeitnehmer bereits innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit ständig ausgeübt hat. Andernfalls ruht der Anspruch auf die Aufstockungszahlungen nach § 5.20 Für die Mitteilungs- und Erstattungspflichten gilt § 10.] (2) Vor Übernahme einer Nebentätigkeit hat der Arbeitnehmer die schriftliche Zustimmung der Geschäftsleitung der Firma einzuholen. Vorträge oder Veröffentlichungen bedürfen ebenfalls der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Geschäftsleitung, soweit ihr Inhalt die Interessen der Firma berühren könnte.21 [(3) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber jeden Schaden aus einer Zuwiderhandlung gegen Abs. 1 und 2 zu ersetzen.] § 7 Urlaub22 (1) Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen anteiligen Jahresurlaub von . . . Arbeitstagen.23 (2) Die Urlaubsplanung ist im Einvernehmen mit dem Vorgesetzten festzulegen. Werden einheitliche Betriebsferien durchgeführt, so fällt der Urlaub gemäß Abs. 1 in die Betriebsferien. Der Mitarbeiter nimmt auf die betrieblichen Erfordernisse Rücksicht. Der Urlaub muss im Kalenderjahr genommen werden. Übertragungen bis zum 31.3. des Folgejahres müssen von der Geschäftsleitung genehmigt sein. §8

Krankheit

(1) Ist der Mitarbeiter durch Krankheit an der Ausübung seiner Tätigkeit verhindert, so hat er den Grund und die voraussichtliche Dauer dem Vorgesetzten bis 9.00 Uhr desselben Arbeitstages mitzuteilen. (2) Spätestens am dritten Tag der Erkrankung hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest über seine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorzulegen.

20 Vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 3 und Abs. 4 AltTZG. Geringfügig ist die Beschäftigung gemäß § 8 Abs. 1 SGB IV, wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig weniger als Euro 450,– beträgt, vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 6 Rz. 73 ff. iVm. M 6.3.1. Auch diese Bestimmung hat für einen Altersteilzeitvertrag ohne Förderungsmöglichkeit durch die BA keine Relevanz mehr. Es gelten daher allein die allgemeinen Nebentätigkeitsverbote. 21 Zur Zulässigkeit von Nebentätigkeitsbeschränkungen und ausführlicheren Formulierungsvorschlägen s. Einf. Kap. 2 Rz. 115, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“ sowie M 2.1a Ziff. 9 mwN. 22 Zu Einzelheiten und alternativen Formulierungen s. M 2.1a Ziff. 7 mwN. 23 Zu Varianten der Urlaubsvereinbarung bei Teilzeitarbeit vgl. M 6.2.1 § 4.

Lingemann 313

Kap. 7

Altersteilzeit

M 7.1

[§ 9 Erlöschen des Anspruchs auf Aufstockungszahlungen24 Der Anspruch auf die Altersteilzeitleistungen erlischt, wenn er mindestens 150 Tage geruht hat.25 Mehrere Ruhenszeiten werden zusammengezählt.] § 10 Mitteilungs-, Rentenantrags- und Erstattungspflichten (1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber alle Umstände und deren Änderungen, die seinen Vergütungsanspruch oder den Anspruch auf Aufstockungszahlungen berühren können, unverzüglich mitzuteilen. Er hat insbesondere den Arbeitgeber über Nebentätigkeiten zu unterrichten. (2) Der Arbeitnehmer wird frühestmöglich den Antrag auf eine Rente wegen Alters oder vergleichbarer Leistungen gemäß § 1 Abs. 2 [die zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses entsprechend § 5 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG führen,]26 stellen und den Arbeitgeber hierüber unverzüglich unterrichten. Er wird auf Verlangen des Arbeitgebers den frühestmöglichen Zeitpunkt mitteilen, ab dem er eine solche Altersrente oder eine vergleichbare Leistung beanspruchen kann. (3) Der Arbeitgeber hat ein Zurückbehaltungsrecht an Vergütung und Aufstockungsbeträgen, wenn der Arbeitnehmer seine Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten nicht erfüllt oder die Richtigkeit oder Vollständigkeit von Angaben oder Auskünften zweifelhaft ist, die seinen Vergütungsanspruch, seinen Anspruch auf Aufstockungszahlung oder Beiträge zur Rentenversicherung berühren können. (4) Zu Unrecht empfangene Leistungen hat der Arbeitnehmer zu erstatten. § 11

Kündigung

Die Kündigung richtet sich nach den Regelungen des Arbeitsvertrages. § 12 Ausschluss von Nebenabreden, Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung27 (1) Nebenabreden bestehen nicht.28 (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.29 24 Diese Regelung, die eine Aufstockungsleistung des Arbeitgebers an die Gewährung von Erstattungsleistungen durch die BA knüpft, hat nach Wegfall der Erstattungsmöglichkeit keine Bedeutung mehr. 25 Vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 AltTZG, der nur noch für Altersteilzeitverhältnisse gilt, die vor dem 1.1.2010 angetreten wurden. 26 Nach Wegfall der Fördermöglichkeit durch die BA ist § 5 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG nicht mehr anwendbar, jedoch soll das Altersteilzeitarbeitsverhältnis auch nach § 1 Abs. 2 des Mustervertrags zu dem Zeitpunkt enden, zu dem frühestmöglich eine Altersrente oder vergleichbare Leistung beansprucht werden kann, so dass der in [ ] gesetzte Verweis auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG entfallen sollte. 27 Zur Schriftformklausel s. Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff.; AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 28 Zur Wirksamkeit sog. Vollständigkeitsklauseln vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 18. 29 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14.

314 Lingemann

M 7.2

Kap. 7

Altersteilzeit

§ 13 Geltung von Arbeitsordnung und Betriebsvereinbarungen Die bestehende Arbeitsordnung30 und sämtliche Betriebsvereinbarungen sind Bestandteil des Vertrages. § 14

Schlussbestimmungen31

(1) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ungültig sein oder werden, so hat dies auf die Gültigkeit des sonstigen Vertrages keinen Einfluss. [Erbringt die Bundesagentur für Arbeit keine oder geringere Leistungen, so werden die Vertragsparteien diesen Vertrag so anpassen, dass sein Ziel erreicht werden kann.]32 (2) Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom . . . weiter. 30 Dies ist eine statische Inbezugnahme, zu den Grenzen einer dynamischen Inbezugnahme s. Einf. Kap. 2 Rz. 99c AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“. 31 Zur AGB-Kontrolle der Schlussbestimmungen und alternativen Formulierungen s. Anm. zu M 2.1a Ziff. 13 und 14. 32 Gemäß § 8 Abs. 2 AltTZG muss der Arbeitgeber die vertraglich vereinbarten Leistungen auch dann erbringen, wenn die Bundesagentur nicht leistet. ZT wird eine auflösende Bedingung des Altersteilzeitvertrages vorgeschlagen (Diller, NZA 1996, 847). Die Wirksamkeit einer solchen Regelung ist jedoch umstritten. Der Vertrag geht mit der Anpassungsverpflichtung einen Mittelweg. Diese Anpassungsmöglichkeit ist für ab dem 1.1.2010 angetretene Altersteilzeitbeschäftigungen nicht mehr relevant.

u

Altersteilzeit-Vertrag1, 2 – Blockmodell3 § 1 Beginn und Ende der Altersteilzeit

(1) Die Parteien führen ihr Arbeitsverhältnis nach Maßgabe dieser Vereinbarung ab dem . . .4 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fort. (2) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet ohne Kündigung am . . .5 Es endet ferner, [– mit Ablauf der Kalendermonats, in dem der Arbeitnehmer die Altersteilzeitarbeit beendet],6

1 Das Muster kann auch nach Auslaufen der Förderungsmöglichkeit durch die BA verwendet werden; die Vertragsbestimmungen, die auf §§ 4 und 5 AltTZG Bezug nehmen, haben für Verträge, bei denen die Altersteilzeit erst ab dem 1.1.2010 angetreten wurde, jedoch keine Relevanz mehr. Da eine Weiterverwendung gleichwohl im Einzelfall gewünscht sein kann, haben wir sie nicht gestrichen, sondern nur in eckige Klammern [ ] gesetzt. Vgl. dazu die Hinweise bei den einzelnen Bestimmungen. 2 Zur Umsetzung vgl. auch AltTZG-DA, Stand 1.12.2006. 3 Vgl. Reichling/Wolf, NZS 1997, 164 ff.; Schaub/Schrader/Straube/Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, Rz. 326 ff. 4 S. M 7.1 Fn. 5. 5 S. M 7.1 Fn. 6. 6 S. M 7.1 Fn. 7.

Lingemann 315

7.2

Kap. 7

Altersteilzeit

M 7.2

– mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat, für den der Arbeitnehmer eine Rente wegen Alters (Regelaltersrente, Altersrente für langjährig Versicherte, für schwerbehinderte Menschen, für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute, Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, nach Altersteilzeitarbeit oder für Frauen),7 eine Knappschaftsausgleichsleistung, eine ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art oder, wenn er von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist, eine vergleichbare Leistung einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens beanspruchen kann,8 [– wenn der Anspruch auf die Altersteilzeitleistungen gemäß § 9 erlischt.]9 – mit dem Tod des Arbeitnehmers. (3) Der Arbeitnehmer übergibt dem Arbeitgeber bei Abschluss dieses Vertrages eine Rentenauskunft des zuständigen Rentenversicherungsträgers, aus der sich der Zeitpunkt ergibt, zu dem der Arbeitnehmer erstmals eine Rente beanspruchen kann. (4) Das Recht zur Kündigung nach Maßgabe des Arbeitsvertrages und der Gesetze bleibt unberührt.10 evtl. (5) Endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine etwaige Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung und dem Entgelt für den Zeitraum seiner tatsächlichen Beschäftigung, das er ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte. Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge bleiben außer Betracht. Bei Tod des Arbeitnehmers steht dieser Anspruch seinen Erben zu. evtl. Endet das Arbeitsverhältnis vorzeitig wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, vorzeitigem Anspruch auf eine Altersrente oder Tod des Arbeitnehmers, so wird das Wertguthaben in die bestehende betriebliche Altersversorgung einbezahlt.11 § 2 Arbeitsgebiet12 (1) Mit Beginn der Altersteilzeit übt der Arbeitnehmer die Tätigkeit als . . . aus. oder (1) Die Tätigkeit des Arbeitnehmers bleibt unverändert, soweit nicht Besonderheiten der Altersteilzeit Änderungen erfordern.

7 Vgl. die Definition gemäß § 33 Abs. 2 SGB VI, hierzu auch Schreiner, NZA 2007, 846, 847 mwN; s. auch Einf. Rz. 1. 8 S. M 7.1 Fn. 9. 9 S. M 7.1 Fn. 10. 10 Zur Kündigung im Blockmodell s. unten Anm. zu § 11. 11 Vgl. Einf. Rz. 16; Abs. 5 ist eine Besonderheit des Blockmodells. Auch ohne diese Regelung dürfte die bereits erdiente, aber noch nicht ausgezahlte Entgelthälfte bei vorzeitiger Beendigung zu erstatten sein, ErfK/Rolfs, § 8 AltTZG Rz. 8; Schafft, FA 2000, 370, 375. Bei Nachzahlung des Wertguthabens entstehen rückwirkend erhebliche Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 23b Abs. 2 SGB IV. Gemäß § 23b Abs. 3a SGB IV entstehen diese Sozialversicherungsbeiträge jedoch nicht, wenn die Einzahlung in eine betriebliche Altersversorgung, die den Kriterien des § 23b Abs. 3a SGB IV entspricht, vereinbart und durchgeführt wird, näher Rittweger, DStR 2001, 1394. 12 Vgl. im Einzelnen Einf. Rz. 6 ff. und M 7.1 Fn. 12.

316 Lingemann

M 7.2

Altersteilzeit

Kap. 7

(2) Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Arbeitnehmer nach Maßgabe von § . . . des bestehenden Arbeitsvertrages auch andere zumutbare gleichwertige Arbeiten zu übertragen. § 3 Arbeitszeit (1) Die Arbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt im Wochendurchschnitt13 jeweils die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.14 Bei künftigen Veränderungen der bisherigen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit wird die Arbeitszeit angepasst, soweit sie damit versicherungspflichtig bleibt. (2) Die Arbeitszeit ist so zu verteilen, dass sie in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses geleistet wird und der Arbeitnehmer anschließend entsprechend der von ihm erworbenen Zeitguthaben von der Arbeit ohne Arbeitsverpflichtung freigestellt wird.15 (3) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, über die in Abs. 1 und 2 festgelegte Arbeitszeit hinaus notwendige zusätzliche Arbeit zu leisten, soweit sie angeordnet ist. Diese notwendige zusätzliche Arbeit ist innerhalb einer Frist von drei Monaten durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Kann der Freizeitausgleich wegen Krankheit, Urlaub oder aus ähnlichen Gründen nicht erfolgen, ist er in den darauf folgenden drei Monaten vorzunehmen. [Die Mehrarbeit darf den Umfang der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV nicht überschreiten.]16 §4

Vergütung

(1) Der Arbeitnehmer erhält für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Entgelt nach Maßgabe der gemäß § 3 reduzierten Arbeitszeit.17 Das Arbeitsentgelt wird unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit fortlaufend gezahlt.18 evtl. (1) Das Altersteilzeitentgelt nimmt während der Arbeits- und der Freistellungsphase voll an der allgemeinen tariflichen Entwicklung teil.19 (2) Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld wird gleichfalls anteilig nach Maßgabe von Abs. 1 gezahlt. 13 14 15 16 17

Die Verteilung kann wöchentlich, monatlich oder jährlich erfolgen. Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG iVm. § 6 Abs. 2 AltTZG. Regelung des „Blockmodells“. S. M 7.1 Fn. 16. Im Blockmodell ist während der Freistellungsphase spiegelbildlich dieselbe tarifliche Vergütungsgruppe zugrunde zu legen, nach der während der Arbeitsphase die Vergütung gemessen worden war (BAG v. 4.10.2005, DB 2006, 1167). Will man eine Schlechterstellung gegenüber dem Kontinuitätsmodell vermeiden, so müssen auch Gehaltserhöhungen in der Freistellungsphase weitergegeben werden. Zum Teil wird unter Bezugnahme auf tarifliche Regelungen aber auch ausdrücklich geregelt, dass Tariferhöhungen in der Freistellungsphase nicht weitergegeben werden. Von einer jährlichen Leistungsprämie auf Grund einer Gesamtzusage kann der Arbeitgeber die Altersteilzeitarbeitnehmer aber nicht ohne billigenswerte Gründe ausschließen, BAG v. 24.10.2006, DB 2007, 695. 18 Diese Klarstellung ist auf Grund des Blockmodells erforderlich. 19 Ob eine solche Regelung aufgenommen wird, sollte der Arbeitgeber gut prüfen. Sie kann auch dahingehend ausgelegt werden, dass sowohl lineare als auch tarifliche Einmalzahlungen weiterzugeben sind, BAG v. 15.3.2005, NZA 2005, 896.

Lingemann 317

Kap. 7

Altersteilzeit

§5

M 7.2

Aufstockungszahlungen20

(1) Der Arbeitnehmer erhält zusätzlich eine Aufstockungszahlung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1a AltTZG iHv. 20 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit. (2) Der Arbeitgeber entrichtet für den Arbeitnehmer zusätzlich Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG in Höhe des Beitrags, der auf 80 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeit, begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Regelarbeitsentgelt, entfällt, höchstens jedoch bis zur Beitragsbemessungsgrenze.21 (3) Der Aufstockungsbetrag unterliegt derzeit nach § 3 Nr. 28 EStG nicht der Steuerpflicht. Der steuerfreie Aufstockungsbetrag unterliegt jedoch nach § 32b Abs. 1 Nr. 1g EStG dem Progressionsvorbehalt. Ein Ausgleich der Progressionsdifferenz durch den Arbeitgeber findet nicht statt.22 (4) Ein Ausgleich von gegebenenfalls anfallenden Rentenabschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Rente erfolgt nicht. § 6 Nebentätigkeitsverbot [(1) Der Arbeitnehmer darf neben seiner Altersteilzeitarbeit keine Beschäftigungen oder selbständigen Tätigkeiten ausüben, die die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV überschreiten. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund einer solchen Beschäftigung eine Lohnersatzleistung erhält. Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten bleiben unberücksichtigt, soweit sie der Arbeitnehmer bereits innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit ständig ausgeübt hat. Andernfalls ruht der Anspruch auf die Aufstockungszahlungen nach § 5.23 Für die Mitteilungs- und Erstattungspflicht gilt § 10.] (2) Vor Übernahme einer Nebentätigkeit hat der Arbeitnehmer die schriftliche Zustimmung der Geschäftsleitung der Firma einzuholen. Vorträge oder Veröffentlichungen bedürfen ebenfalls der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Geschäftsleitung, soweit ihr Inhalt die Interessen der Firma berühren könnte.24 [(3) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber jeden Schaden aus einer Zuwiderhandlung gegen Abs. 1 und 2 zu ersetzen.] § 7 Urlaub25 (1) Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von . . . Arbeitstagen. Der Urlaub wird nur für jeden vollen Beschäftigungsmonat gewährt.26 20 Die Aufstockungszahlungen (Altersteilzeitleistungen) sind steuer- und sozialabgabenfrei, auch soweit sie über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgehen, Einzelheiten s. Einf. Rz. 5. 21 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG, Einzelheiten s. Einf. Rz. 5. 22 S. Einf. Rz. 5. 23 S. M 7.1 Fn. 20. 24 S. M 7.1 Fn. 21. 25 S. M 7.1 Fn. 22. 26 Aufgrund des Blockmodells ist diese Regelung abgewandelt gegenüber § 7 Abs. 1 des M 7.1. Gemäß BAG v. 16.10.2012, NZA 2013, 575 m. Anm. Kern, FD-ArbR 2013, 342770, begründet der Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsabgeltung; in diesem Fall besteht daher nur in den tarifvertraglich ausdrücklich geregelten Fällen ein Abgeltungsanspruch.

318 Lingemann

M 7.2

Kap. 7

Altersteilzeit

(2) Die Urlaubsplanung ist im Einvernehmen mit dem Vorgesetzten festzulegen. Werden einheitliche Betriebsferien durchgeführt, so fällt der entsprechende Teil des Urlaubs in die Betriebsferien. Der Mitarbeiter nimmt auf die betrieblichen Erfordernisse Rücksicht. Der Urlaub muss im Kalenderjahr genommen werden. Übertragungen bis zum 31.3. des Folgejahres müssen von der Geschäftsleitung genehmigt sein. (3) Urlaubsansprüche gelten mit der Freistellung als erfüllt. Für das Kalenderjahr des Wechsels in die Freistellungsphase wird der Anspruch auf Urlaub anteilig für die Arbeitsphase berechnet.27 §8

Krankheit

(1) Ist der Mitarbeiter durch Krankheit an der Ausübung seiner Tätigkeit verhindert, so hat er den Grund und die voraussichtliche Dauer dem Vorgesetzten bis 9.00 Uhr desselben Arbeitstages mitzuteilen. (2) Spätestens am dritten Tag der Erkrankung hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest über seine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorzulegen. (3) Soweit eine Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters während der Arbeitsphase den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum überschreitet, verschiebt sich der Beginn der Freistellungsphase um die Hälfte des über den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgehenden Zeitraums. Das festgelegte Ende der Altersteilzeit bleibt von der Verkürzung der Freistellungsphase unberührt.28 Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer während der gesamten aktiven Phase arbeitsunfähig war.29 [§ 9 Erlöschen des Anspruchs auf Aufstockungszahlungen Der Anspruch auf die Altersteilzeitleistungen erlischt, wenn er mindestens 150 Tage geruht hat.30 Mehrere Ruhenszeiten werden zusammengezählt.] § 10 Mitteilungs-, Rentenantrags- und Erstattungspflichten (1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber alle Umstände und deren Änderungen, die seinen Vergütungsanspruch oder den Anspruch auf Aufstockungszahlungen berühren können, unverzüglich mitzuteilen. Er hat insbesondere den Arbeitgeber über Nebentätigkeiten zu unterrichten. (2) Der Arbeitnehmer wird frühestmöglich den Antrag auf eine Rente wegen Alters oder vergleichbarer Leistungen gemäß § 1 Abs. 2 [‚die zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses entsprechend § 5 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG führen‘]31 stellen und den 27 Klarstellung auf Grund der Besonderheiten des Blockmodells. Bei dem Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase entsteht kein Urlaubsabgeltungsanspruch, weil das Arbeitsverhältnis nicht beendet wird; der Arbeitnehmer kann lediglich zum Zwecke der Urlaubsgewährung von seiner Arbeitspflicht freigestellt werden, BAG v. 15.3.2005, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 13. Nach aA sind etwaige Urlaubsansprüche jedenfalls durch die Freistellungsphase abgegolten, LAG BW v. 11.12.2000, AiB 2000, 382; LAG Hamburg v. 26.6.2002, DB 2002, 2442. 28 Vgl. Einf. Rz. 16; Hoß, ArbRB 2002, 28. 29 Für die Zulässigkeit einer solchen Einschränkung spricht LAG Köln v. 11.5.2001, NZA-RR 2002, 580. 30 Vgl. M 7.1 Fn. 25. 31 Vgl. M 7.1 Fn. 26.

Lingemann 319

Kap. 7

Altersteilzeit

M 7.2

Arbeitgeber hierüber unverzüglich unterrichten. Er wird auf Verlangen des Arbeitgebers den frühestmöglichen Zeitpunkt mitteilen, ab dem er eine solche Altersrente oder eine vergleichbare Leistung beanspruchen kann. (3) Der Arbeitgeber hat ein Zurückbehaltungsrecht, wenn der Arbeitnehmer seine Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten nicht erfüllt oder die Richtigkeit oder Vollständigkeit von Angaben oder Auskünften zweifelhaft ist, die seinen Vergütungsanspruch, seinen Anspruch auf Aufstockungszahlung oder Beiträge zur Rentenversicherung berühren können. (4) Zu Unrecht empfangene Leistungen hat der Arbeitnehmer zu erstatten. § 11

Kündigung

(1) Die Kündigung richtet sich nach den Regelungen des Arbeitsvertrages. evtl. (2) Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, ab dem der Arbeitnehmer von der Arbeit freigestellt ist, nicht betriebsbedingt kündigen.32 § 12

Arbeitszeitkonto33

(1) Der Arbeitgeber führt für den Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto als Wertguthabenkonto gemäß § 7d SGB IV. Die Arbeitszeitguthaben werden in Arbeitsentgelt umgerechnet. Die Wertguthaben werden als Arbeitsentgeltguthaben einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag geführt. (2) Der Arbeitgeber unterrichtet den Arbeitnehmer mindestens einmal jährlich in Textform über die Höhe seines im Wertguthaben enthaltenen Arbeitsentgeltguthabens.34 § 13

Insolvenzsicherung35

(1) Der Arbeitgeber wird spätestens zum . . . eine Bankbürgschaft zu Gunsten des Arbeitnehmers über die Höhe des während der Arbeitsphase aufzubauenden Wertguthabens bei der . . . Bank abschließen. (2) Die Bürgschaftsurkunde wird bis zum . . . dem Mitarbeiter ausgehändigt. (3) Die Kosten der Bürgschaft trägt die Gesellschaft.

32 Gemäß BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 789 (aA noch LAG Schl.-Holst. v. 29.10.2002, LAG Report 2003, 120) ist eine ordentliche Kündigung auch in der Freistellungsphase nicht ausgeschlossen. Eine betriebsbedingte Kündigung scheidet allerdings aus, da mangels Beschäftigung des Arbeitnehmers ein dringendes betriebliches Erfordernis, das der Weiterbeschäftigung entgegensteht, nicht bestehen kann. Eine betriebsbedingte Kündigung während der Arbeitsphase ist im Blockmodell jedoch zulässig, sofern nicht ausnahmsweise die Kündigung zu unverhältnismäßigen Nachteilen für den Arbeitnehmer führt, während der Vorteil für den kündigenden Arbeitgeber gering ist, BAG v. 16.6.2005, NZA 2006, 270. Insoweit ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Regelung tatsächlich aufgenommen werden soll, da sie das Kündigungsrecht des Arbeitgebers beschränkt. 33 Die Regelungen des § 7d SGB IV gelten auch für die Altersteilzeit, so dass Wertguthaben als Arbeitsentgeltguthaben zu führen sind; zu weiteren Varianten s. M 6.8 § 7. 34 § 7d Abs. 2 SGB IV. 35 Vgl. Einf. Rz. 17; § 7e SGB IV gilt gemäß § 8a Abs. 1 AltTZG nicht, kann aber zur Orientierung dienen; zu Alternativen unter Berücksichtigung von § 7e SGB IV s. M 6.8 §§ 7 ff.

320 Lingemann

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

(4) Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer die zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnahmen mit der ersten Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform nach.36 § 14 Ausschluss von Nebenabreden, Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung37 (1) Nebenabreden bestehen nicht.38 (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.39 § 15 Geltung von Arbeitsordnung und Betriebsvereinbarungen Die bestehende Arbeitsordnung40 und sämtliche Betriebsvereinbarungen sind Bestandteil des Vertrages. § 16

Schlussbestimmungen41

(1) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ungültig sein oder werden, so hat dies auf die Gültigkeit des sonstigen Vertrages keinen Einfluss. [Erbringt die Bundesagentur für Arbeit keine oder geringere Leistungen, so werden die Vertragsparteien diesen Vertrag so anpassen, dass sein Ziel erreicht werden kann.]42 (2) Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom . . . weiter. 36 § 8a Abs. 3 Satz 1 AltTZG, Abweichungen durch Betriebsvereinbarung sind möglich, § 8a Abs. 3 Satz 2 AltTZG. 37 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 38 Zur Wirksamkeit sog. Vollständigkeitsklauseln vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 18. 39 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 40 Dies ist eine statische Inbezugnahme, zu den Grenzen einer dynamischen Inbezugnahme s. Einf. Kap. 2 Rz. 99c AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“. 41 Zur AGB-Kontrolle der Schlussbestimmungen und alternativen Formulierungen s. Anm. zu M 2.1a Ziff. 11 und 13. 42 Vgl. M 7.1 Fn. 32.

N N Q NNNN

Kapitel 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Literaturübersicht: Benecke, Maßnahmen zur Feststellung und Förderung der Berufsausbildungsfähigkeit versus Verbot des „Anlernvertrags“, NZA 2012, 646; Berlinger/Schuster, Förderung der beruflichen Bildung, Loseblatt; Düwell/Ebeling, Rückzahlung verauslagter Bildungsinvestitionen, DB 2008, 406; Ferme, Praktikantenverträge, AuA 2007, 456; Foerster, Beschäftigung von Schülern und Studenten, AuA 2007, 460; Fuhlrott/Gömöry, Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen, FA 2012, 133; Gehlhaar, Gesetzliche Wartezeitregelungen bei der Übernahme von Auszubildenden, DB 2011, 5901; Haratsch/Holljesiefken, Studentische Hilfskraft auf Lebenszeit? – Die Befristung von Arbeitsverträgen mit studentischen Hilfskräften,

Lingemann 321

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

(4) Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer die zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnahmen mit der ersten Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform nach.36 § 14 Ausschluss von Nebenabreden, Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung37 (1) Nebenabreden bestehen nicht.38 (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.39 § 15 Geltung von Arbeitsordnung und Betriebsvereinbarungen Die bestehende Arbeitsordnung40 und sämtliche Betriebsvereinbarungen sind Bestandteil des Vertrages. § 16

Schlussbestimmungen41

(1) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ungültig sein oder werden, so hat dies auf die Gültigkeit des sonstigen Vertrages keinen Einfluss. [Erbringt die Bundesagentur für Arbeit keine oder geringere Leistungen, so werden die Vertragsparteien diesen Vertrag so anpassen, dass sein Ziel erreicht werden kann.]42 (2) Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom . . . weiter. 36 § 8a Abs. 3 Satz 1 AltTZG, Abweichungen durch Betriebsvereinbarung sind möglich, § 8a Abs. 3 Satz 2 AltTZG. 37 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 38 Zur Wirksamkeit sog. Vollständigkeitsklauseln vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 18. 39 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 40 Dies ist eine statische Inbezugnahme, zu den Grenzen einer dynamischen Inbezugnahme s. Einf. Kap. 2 Rz. 99c AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“. 41 Zur AGB-Kontrolle der Schlussbestimmungen und alternativen Formulierungen s. Anm. zu M 2.1a Ziff. 11 und 13. 42 Vgl. M 7.1 Fn. 32.

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Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Literaturübersicht: Benecke, Maßnahmen zur Feststellung und Förderung der Berufsausbildungsfähigkeit versus Verbot des „Anlernvertrags“, NZA 2012, 646; Berlinger/Schuster, Förderung der beruflichen Bildung, Loseblatt; Düwell/Ebeling, Rückzahlung verauslagter Bildungsinvestitionen, DB 2008, 406; Ferme, Praktikantenverträge, AuA 2007, 456; Foerster, Beschäftigung von Schülern und Studenten, AuA 2007, 460; Fuhlrott/Gömöry, Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen, FA 2012, 133; Gehlhaar, Gesetzliche Wartezeitregelungen bei der Übernahme von Auszubildenden, DB 2011, 5901; Haratsch/Holljesiefken, Studentische Hilfskraft auf Lebenszeit? – Die Befristung von Arbeitsverträgen mit studentischen Hilfskräften,

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Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

NZA 2008, 207; Hennige, Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten, NZA-RR 2000, 617; Herkert, Berufsbildungsgesetz: Kommentar, Loseblatt; Hirdina, Rechtsfragen zur Kündigung eines Praktikumsvertrages, NZA 2008, 916; Hirdina, Arbeitgeberkündigung während der Probezeit eines Ausbildungsverhältnisses, NZA-RR 2010, 65; Houben, Tarifvertragliche Ansprüche auf Übernahme in eine Arbeitsverhältnis – Chance oder risiko für Auszubildende?, NZA 2011, 182; Houben, § 78a BetrVG – Schutz vor einer Schutznorm?, NZA 2006, 769; Hunold, Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Studenten, NZA 2009, 476; Hunold, Sachgrundlage Befristung nach Ende der Berufsausbildung, NZA 2012, 431; Hurlebaus, Neue Rechtsprechung zum Berufsbildungsgesetz, GewArch. 1999, 143; 2001, 456; 2002, 14; Jesgarzewski, Rückzahlungsvereinbarungen für Fortbildungskosten, BB 2011, 1594; Kleinebrink, Problembereiche bei der Gestaltung von Fortbildungsvereinbarungen durch AGB, ArbRB 2006, 345; Knigge, Übersicht über das Recht der Berufsbildung, AR-Blattei, SD 400.1 und 400.2; Knopp/Kraegeloh, Berufsbildungsgesetz, 5. Aufl. 2005; Krause, Schriftform für den Ausbildungsvertrag, AR-Blattei, ES 220.2 Nr. 16; Lakies, Betriebliche Weiterbildung und Rückzahlungskosten, ArbR Aktuell 2012, 216; Lakies, AGB-Kontrolle von Rückzahlungsvereinbarungen über Weiterbildungskosten, BB 2004, 1903; Leinemann/Taubert, Berufsbildungsgesetz, 2. Aufl. 2008; Lingemann/Kiecza, Rückzahlungsvereinbarungen bei Fortbildungskosten, ArbR 2009, 156; Maier/Mosig, Unwirksame Rückzahlungsklauseln bei arbeitgeberseitiger Übernahme von Ausbildungskosten, NZA 2008, 1168; Maties, Generation Praktikum – Praktika, Einfühlungsverhältnisse und ähnliche als umgangene Arbeitsverhältnisse, RdA 2007, 135; Natzel, Qualifizierung im tripolaren Rechtsverhältnis, NZA 2012, 650; Natzel, Duale Studiengänge – arbeitsrechtliches Neuland, NZA 2008, 567; Nehls, Fortbildungsvereinbarungen – insbesondere zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung und die Prüfung zum Fachberater, Stbg 2010, 263; Opolony, Die Weiterbeschäftigung von Auszubildenden nach § 78a BetrVG, BB 2003, 1329; Orlowski, Praktikantenverträge – transparente Regelung notwendig!, RdA 2009, 35; Schade, Praktikum: Aktuelle Rechtslage 2012, NZA 2012, 654; Schade, Der Student im Pflichtpraktikum – ein rechtloses Wesen? NJW 2013, 1059; Schmidt, Die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Kosten der beruflichen Bildung, NZA 2004, 1002; Schmidt, Volontär und Praktikant, AR-Blattei D; Schönhöft, Rückzahlungsverpflichtungen in Fortbildungsvereinbarungen, NZA-RR 2009, 625; Straube, Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln für Ausbildungskosten, NZA-RR 2012, 505; Stück, Rückzahlungsvereinbarungen für Fortbildungskosten – Was ist noch zulässig?, DStR 2009, 2020; Taubert, Neuregelungen im Berufsbildungsrecht, NZA 2005, 503; Voelzke, Das Eingliederungschancengesetz – neue Regeln für das Arbeitsförderungsrecht, NZA 2012, 177; von Vogel, Die Kündigung des Ausbildungsverhältnisses, NJW-Special 2007, 33; Wohlfarth, Übernahme von Fortbildungskosten durch den Arbeitgeber – Folgerungen für Lohnsteuer, Umsatzsteuer und Sozialversicherung, BBK 2011, 629; Wohlgemuth, Berufsbildungsgesetz, 4. Aufl. 2011.

I. Einführung 1

Zur Ausbildung dienen Berufsbildungsverträge und Verträge mit Praktikanten, zur Fortbildung eher Verträge mit Studenten und Referendaren. Hinzu kommen Fortbildungsverträge innerhalb des bestehenden Arbeitsverhältnisses, die regelmäßig mit einer Rückzahlungsklausel für die Fortbildungskosten verbunden sind.

1. Auszubildende 2

Wer einen anderen zur Berufsbildung einstellt (Ausbildender), hat mit dem Auszubildenden einen Berufsbildungsvertrag1 zu schließen, § 10 Abs. 1 Berufsbildungs1 Für die Ausbildung zu einem staatlich anerkannten Beruf ist der Abschluss eines solchen Vertrages zwingend, er kann nicht in einem anderen Vertragsverhältnis nach § 26 BBiG, etwa in Form eines „Anlernvertrages“ umgangen werden. Dieser ist nach § 134 BGB nichtig, die Vergütung richtet sich dann nach § 612 Abs. 2 BGB, ob der Arbeitgeber sich daraus lösen kann, ist zweifelhaft, BAG v. 27.7.2010, AP Nr. 3 zu § 4 BBiG; kritisch Benecke, NZA 2012, 646. S. auch Rz. 8b.

322 Lingemann

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

gesetz (BBiG). Unverzüglich nach Abschluss des Berufsbildungsvertrages ist der wesentliche Inhalt des Vertrages schriftlich niederzulegen, die elektronische Form ist ausgeschlossen, § 11 Abs. 1 Satz 1 BBiG. Die Mindestanforderungen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 BBiG sind in M 8.1.1 noch einmal deutlich hervorgehoben. Der Ausbildende hat gemäß § 14 Abs. 1 BBiG selbst oder durch einen ausdrücklich damit beauftragten Ausbilder dafür zu sorgen, dass dem Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich ist, und die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann. Er muss ferner kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge und Werkstoffe zur Verfügung stellen, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen erforderlich sind. Dem stehen gegenüber die Pflichten des Auszubildenden gemäß § 13 BBiG. Er hat sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Er muss seine Aufgaben sorgfältig ausführen, den Weisungen des Ausbildenden folgen, hat an Ausbildungsmaßnahmen teilzunehmen, die Einrichtungen pfleglich zu behandeln, die Betriebsordnung zu beachten und über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu wahren. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann der Ausbilder das Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit2 nur aus wichtigem Grund kündigen.

3

Praxistipp: Die Kündigung gegenüber dem Auszubildenden muss nicht nur schriftlich erfolgen, sondern auch die Kündigungsgründe schriftlich mitteilen, § 22 Abs. 3 BBiG.3 Dies wird in der Praxis häufig übersehen mit der Folge, dass die Kündigung unwirksam ist. Fällt der Fehler später auf, so kann wegen Ablaufs der Zwei-Wochen-Frist eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 2 BGB nicht mehr nachgeholt werden.

4

Die Kündigungsschutzklage auch gegen eine außerordentliche Kündigung im Berufsausbildungsverhältnis muss innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 iVm. § 13 Abs. 1 KSchG erhoben werden, sofern nicht gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Ausschuss stattfinden muss.4

5

Der Auszubildende selbst kann mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will, § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG.

6

Nach § 23 BBiG kann der Gekündigte den Kündigenden auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn dieser den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Ein er-

7

2 Die maximale Probezeit wurde verlängert von drei auf vier Monate, § 20 Satz 2 BBiG. Ein vorausgegangenes Arbeitsverhältnis ist nicht auf die Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis anzurechnen, BAG v. 16.12.2004, NZA 2005, 578. 3 Zu Einzelheiten s. Erläuterung zu M 8.1.1, § 10 sowie Fuhlrott/Gömöry, FA 2012, 133; von Vogel, NJW Spezial 1/2007, 33; anders als die Kündigung des Ausbildungsverhältnisses bedarf die Kündigung oder Aufhebung eines Umschulungsvertrages iSv. §§ 1 Abs. 5, 58 ff. BBiG weder der Schriftform nach § 623 BGB noch der schriftlichen Begründung, es sei denn die Umschulung findet im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses statt, BAG v. 19.1.2006, NZA 2007, 97. 4 BAG v. 26.1.1999, NZA 1999, 934; Einzelheiten zur Fristwahrung bei den Erläuterungen zu M 8.1.1, § 12.

Lingemann 323

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

satzfähiger Schaden ist für den Auszubildenden denkbar in Gestalt von Aufwendungen zur Begründung eines neuen Ausbildungsverhältnisses, des Verdienstausfalles durch Verschiebung des Termins der Abschlussprüfung sowie der geschuldeten Ausbildungsvergütung bis zum vereinbarten Ende des Berufsausbildungsverhältnisses, wobei sich der Auszubildende dasjenige anrechnen lassen muss, was er während der Zeit durch eine anderweitige Tätigkeit verdient hat, die er bei Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht hätte ausüben können.5 Für den Ausbilder ergibt sich regelmäßig kein ersatzfähiger Schaden.6 Maßgeblich für den Beginn der dreimonatigen Ausschlussfrist des § 23 Abs. 2 BBiG ist das vertragsgemäße rechtliche Ende des Berufsausbildungsverhältnisses, nicht die tatsächliche Beendigung der Ausbildung.7 8

§ 78a BetrVG8 gibt Auszubildenden,9 die gleichzeitig Mitglied von Betriebsverfassungsorganen sind, das Recht, innerhalb von drei Monaten – ein früheres Verlangen ist unwirksam10 – vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich11 vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zu verlangen.12 Damit wird ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet. Soweit nicht ein nach § 15 KSchG, § 22 BBiG tragfähiger Kündigungsgrund vorliegt, kann der Arbeitgeber die Begründung dieses Arbeitsverhältnisses nur gemäß § 78a Abs. 4 BetrVG vermeiden, wenn er bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses die dort genannten Anträge beim Arbeitsgericht stellt, weil die Weiterbeschäftigung unzumutbar sei. Die Weiterbeschäftigung ist dem Arbeitgeber insbesondere dann unzumutbar, wenn im Ausbildungsbetrieb kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit seiner erworbenen Qualifikation ausbildungsadäquat dauerhaft beschäftigt werden kann. Das gilt nicht, wenn der Auszubildende sich zumindest hilfsweise mit einer Beschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen einverstanden erklärt, wobei eine solche Bereitschaftserklärung unverzüglich abzugeben ist und nicht erst im gerichtlichen Verfahren nach § 78a Abs. 4 BetrVG.13 Ein zum Ausbildungsende fehlender Beschäftigungsbedarf führt jedoch nicht zu einer Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, wenn der Arbeitgeber einen innerhalb von drei Monaten vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses frei gewordenen Arbeitsplatz neu besetzt hat, da er in diesem Zeitraum mit einem Übernahmeverlangen rechnen muss.14 5 6 7 8 9 10 11 12 13

14

BAG v. 8.5.2007, NJW 2007, 3594. Hierzu ErfK/Schlachter, § 23 BBiG Rz. 2. BAG v. 17.7.2007, DB 2008, 709 zur inhaltsgleichen Regelung des § 16 Abs. 2 BBiG aF. Einzelheiten bei Oppolony, BB 2003, 1329. Keine Anwendung findet § 78a BetrVG auf Vertragsverhältnisse, bei denen die Arbeitsleistung und nicht die Ausbildung im Vordergrund steht, BAG v. 1.12.2004, NZA 2005, 779. BAG v. 15.12.2011, NZA-RR 2012, 413. Zum Weiterbeschäftigungsverlangen per E-Mail siehe BAG v. 15.12.2011, NZA-RR 2012, 413. Voraussetzung ist bei überbetrieblicher Ausbildung jedoch eine vertragliche Beziehung zwischen Auszubildendem und konkretem Arbeitgeber, vgl. BAG v. 17.8.2005, NZA 2006, 624. Zum Verhältnis zu tariflichen Übernahmeregelungen Houben, NZA 2011, 182 BAG v. 8.9.2010, NZA 2011, 221; v. 15.11.2006, NZA 2007, 1381: Der Auszubildende darf sich nicht darauf beschränken, sein Einverständnis mit allen in Betracht kommenden Beschäftigungen zu erklären, sondern muss eine angedachte Beschäftigungsmöglichkeit möglichst konkret bezeichnen. BAG v. 25.2.2009, DB 2009, 1473 für den Einsatz von Leiharbeitnehmern.

324 Lingemann

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

Gemäß § 24 BBiG gilt ein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit begründet, wenn der Auszubildende im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis weiterbeschäftigt wird, ohne dass hierüber eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wird. Eine solche Anschlussbeschäftigung liegt allerdings nicht vor, wenn das Ausbildungsverhältnis verlängert wird.15 Schließt sich an das Ausbildungsverhältnis ohne zeitliche Unterbrechung ein Arbeitsverhältnis an, so gelten Normen eines (nachwirkenden) Tarifvertrages, der auf das Ausbildungsverhältnis Anwendung gefunden hat, auch für das neu begründete Arbeitsverhältnis, da insofern lediglich ein Statuswechsel und kein Wechsel der Vertragsparteien stattgefunden hat.16 Befristungen kommen im Anschlussarbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 und nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG in Betracht, ferner eine sachgrundlose Befristung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 TzBfG, denn das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Nr. 2 TzBfG greift nicht.17

8a

Liegt weder ein Berufsausbildungsverhältnis gemäß § 1 Abs. 2 BBiG zur Erlernung eines staatlich anerkannten Ausbildungsberufes noch ein Arbeitsverhältnis vor, so finden die Bestimmungen des BBiG teilweise sowie modifiziert Anwendung, wenn eine Einstellung iSd. § 26 BBiG zum Erwerb beruflicher Fähigkeiten bzw. Erfahrungen erfolgt ist.18 Insbesondere ist dann die gesetzliche Probezeit verkürzt, eine Vertragsniederschrift nicht erforderlich und es besteht kein Schadensersatzanspruch bei vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BBiG setzt jedoch nach ihrem Schutzzweck voraus, dass gemäß der vertraglichen Vereinbarung den Ausbildungspflichten des anderen Vertragsteils auch Anwesenheitsund Arbeitspflichten der eingestellten Person gegenüberstehen.19 Bei den sog. dualen Studiengängen, etwa an einer Berufsakademie, bei denen feste Praxisphasen in das Studium integriert sind, handelt es sich jedoch nicht um ein von § 26 BBiG erfasstes Vertragsverhältnis, da solche Studiengänge abschließend von den entsprechenden Hochschulgesetzen der Länder geregelt werden, vgl. auch § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG.20

8b

2. Praktikanten Praktikanten durchlaufen eine – regelmäßig eng befristete – Ausbildung, die sie im Rahmen ihrer Hauptausbildung (zB Studium) absolvieren müssen.21 Oft wird über15 BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 738. 16 BAG v. 7.5.2008, NZA 2008, 886. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Vertragsparteien die Nachwirkung im Arbeitsvertrag ausdrücklich abbedingen. 17 BAG v. 21.9.2011, NZA 2011, 255; dazu Hunold, NZA 2012, 431. Allerdings soll das Berufsausbildungsverhält umfassend bei gesetzlichen Wartezeitregelungen (zB § 1 Abs. 1 KSchG, § 90 SGB IX, § 8 Abs. 1 TzBfG, § 4 BUrlG, § 3 Abs. 3 EFZG, § 8 Abs. 1 BetrVG, § 15 Abs. 7 Nr. 2 BEEG und § 1b BetrAVG) einbezogen werden, Gehlhaar, DB 2011, 590. Zur Befristung allgemein Einf. Kap. 6 Rz. 1 ff. 18 Unzulässig ist es jedoch, die Ausbildung in einem anderen Vertragsverhältnis iSv. § 26 BBiG durchzuführen, wie etwa im Rahmen eines „Anlernvertrags“, BAG v. 27.7.2010, AP Nr. 3 zu § 4 BBiG; vgl. dazu Benecke, NZA 2012, 646; s. auch Rz. 2. 19 BAG v. 17.7.2007, NZA 2008, 416 zu einem „Lehrlingsvertrag“, der die Erlernung eines staatlich nicht anerkannten Ausbildungsberufes (Tätowierung und Piercing) beinhaltete. 20 BAG v. 18.11.2008, NZA 2009, 435; v. 16.10.2002, BB 2003, 906; dazu auch Natzel, NZA 2008, 567, 569. 21 BAG v. 5.8.1965, ArbuR 1965, 312. Bei einem Praktikum steht in Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis die Aneignung der zur Vorbereitung auf einen Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen im Vordergrund, LAG Köln v. 31.5.2006, NZA-RR 2006, 525; vgl. auch Schade, NZA 2012, 654 und NJW 2013, 1039.

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9

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

sehen, dass auch Praktika gemäß § 26 BBiG den besonderen Vorschriften der §§ 10–23 und 25 BBiG unterliegen, soweit das Praktikum nicht voll in ein Studium integriert ist, vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG. Dient das Praktikum dagegen nicht dazu, praktische Kenntnisse zur Vorbereitung auf den Beruf zu erwerben, sondern steht der Leistungsaustausch im Vordergrund, liegt unter der Bezeichnung eines Praktikums häufig ein gewöhnliches Arbeitsverhältnis vor.22 9a

Sozialversicherungsrechtlich besteht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 10 SGB XI Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, soweit das Praktikum durch Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschrieben ist und kein Entgelt gezahlt wird. Erhält der Praktikant ein Entgelt oder handelt es sich um ein nicht vorgeschriebenes Praktikum, so folgt die Versicherungspflicht für die Krankenund Pflegeversicherung aus den allgemeinen Vorgaben des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Auch wenn die berufspraktische Tätigkeit geringfügig ist, führt dies nicht zu einer Versicherungsfreiheit, da gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V eine Sonderregelung für die betriebliche Berufsbildung gilt. § 7 Abs. 2 SGB IV bestimmt, dass auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen als Beschäftigung iSd. § 7 SGB IV gilt, wozu nicht nur klassische Berufsausbildungsverhältnisse iSd. BBiG zählen, sondern auch andere Vertragsverhältnisse, die auf eine Vermittlung berufspraktischer Kenntnisse abzielen23 In der Rentenversicherung sind Praktika versicherungsfrei, soweit sie durch Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschrieben sind, § 5 Abs. 3 SGB VI. Hierdurch soll eine Kontinuität hinsichtlich des versicherungsrechtlichen Status von Studenten, die auch während ihres Studiums nicht versicherungspflichtig sind, hergestellt werden. Für Praktika, die, ohne nach Schulrecht obligatorisch zu sein, während einer Fachoder Hochschulausbildung absolviert werden, gelten die allgemeinen Regelungen für die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Personen. In der Arbeitslosenversicherung besteht nach § 27 Abs. 4 SGB III Versicherungsfreiheit für eine während des Studiums ausgeübte Tätigkeit, sofern das studentische Erscheinungsbild nicht verloren geht, unabhängig davon, ob eine praktische Tätigkeit nach der Studienordnung vorgeschrieben ist. Auch die Höhe eines etwaigen Entgelts spielt keine Rolle. Im Übrigen besteht für den Personenkreis der zur Berufsausbildung Beschäftigten gemäß §§ 25 Abs. 1, 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III grundsätzlich Versicherungspflicht unabhängig von der Entgelthöhe und einer eventuellen Geringfügigkeit. Auch in der Unfallversicherung gelten die allgemeinen Grundsätze (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

3. Studenten 10

Die Tätigkeit von Studenten neben dem Studium dient weniger der Fortbildung; meist geht es darum, das Studium zu finanzieren. Soweit Studenten nicht als freie Mitarbei22 Maties, RdA 2007, 135, 138. 23 Vgl. Küttner/Schlegel, Nr. 342 Praktikant Rz. 20.

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Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

ter tätig sind, sind sie Arbeitnehmer.24 Über die Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG hinaus kann das Ende des Studiums auch einen sachlichen Grund für eine einmalige Befristung nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG darstellen.25 Sozialversicherungsrechtlich26 sind Studenten auf Grund ihres Status als Studenten kranken- und pflegeversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 SGB XI), wobei der Vorrang der beitragsfreien Familienversicherung gilt (§ 10 SGB V). Rentenversicherungspflicht besteht nicht; Studienzeiten werden gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI jedoch bis zu acht Jahren als Anrechnungszeiten berücksichtigt. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind Studenten kraft Gesetzes bei Unfällen versichert, die mit ihrem Studium zusammenhängen (§ 2 Abs. 1 Nr. 8c SGB VII). Für entgeltliche Beschäftigungen von Studenten neben dem Studium („Studentenjobs“) gelten in der Sozialversicherung im Grundsatz die allgemeinen Regeln. Privilegierungen bestehen daher zunächst bei geringfügiger Beschäftigung/Minijobs (vgl. oben Einf. Kap. 6 Rz. 73 ff., M 6.3) iSv. § 8 SGB IV. Darüber hinaus besteht Versicherungsfreiheit für Werkstudenten in der Krankenund Pflegeversicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V und in der Arbeitslosenversicherung nach § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III (sog. Werkstudentenprivileg, s. Rz. 9a). Sie wird in der Praxis bei unbefristeten Tätigkeiten anerkannt, soweit Zeit und Arbeitskraft der Studenten überwiegend durch das Studium beansprucht wird und die Wochenarbeitszeit während des Semesters 20 Stunden nicht überschreitet.27 In den Semesterferien gilt diese zeitliche Grenze nicht.28 In der Rentenversicherung gelten die allgemeinen Regeln. Lohnsteuerrechtlich bestehen – soweit es sich nicht um Minijobs handelt (s.o.) – keine Besonderheiten.

4. Fortbildungsverträge Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten, zu erweitern, der technischen Entwicklung anzupassen oder beruflich aufzusteigen (§ 1 Abs. 4 BBiG). Die für das Berufsausbildungsverhältnis geltenden §§ 10 ff. BBiG sind auf den Fortbildungsvertrag nicht anwendbar. Meist übernimmt der Arbeitgeber die gesamten Fortbildungskosten, dh. die Kosten der Schulung einschließlich der materiellen Ausbildungsmittel sowie damit zusammenhängende Reisekosten einschließlich Übernachtung und Verpflegung29. Während der Ausbildungszeit wird die Arbeitsvergütung weiter gezahlt, sofern nicht unbezahlter Urlaub vereinbart wurde. Ob die ordentliche Kündigung für die Dauer der Fortbildung ausgeschlossen ist,30 hängt von dem Zweck der jeweiligen Fortbildungsmaßnahme ab.

24 BAG v. 11.11.2008, NZA 2009, 450 bzgl. der Pflicht zur Eingruppierung von Werkstudenten in tarifliche Vergütungssysteme; zur Abgrenzung vgl. Einf. Kap. 9 Rz. 2 ff.; zur umfangreich tätigen Tankwartaushilfe als Arbeitnehmer vgl. BAG v. 12.6.1996, NZA 1997, 191. 25 BAG v. 10.10.2007, DB 2008, 131. 26 Guter Überblick bei Küttner/Schlegel, Nr. 393 Studentenbeschäftigung. 27 BSG v. 22.2.1980, DB 1981, 1420 mwN. 28 Vgl. BSG v. 23.2.1988, SozR 2200, § 172 Nr. 20 S. 45; v. 22.2.1980, SozR 2200, § 172 Nr. 14. 29 Zur steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung Wohlfarth, BBK 2011, 629. 30 Vgl. zur Umschulung BAG v. 15.3.1991, DB 1992, 896.

Lingemann 327

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Kap. 8 12

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Mit dem Fortbildungsvertrag regelmäßig verbunden ist eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung der gesamten oder eines Teils der Fortbildungskosten, wenn er aus Gründen in seiner Person vorzeitig das Arbeitsverhältnis beendet. Anders als im Berufsausbildungsverhältnis (vgl. §§ 12 Abs. 231, 26 BBiG) sind solche Rückzahlungsklauseln nicht von vornherein unwirksam. Welche Maßstäbe an die Wirksamkeit zu stellen sind, hängt ab von der Rechtsnatur der Rückzahlungsklausel.32 a) Rückzahlungsklauseln im Rahmen von Individualabreden

13

Die Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln in Individualabreden wird nur nach § 242 BGB auf Grund des Rechts des Arbeitnehmers zur freien Wahl des Arbeitsplatzes aus Art. 12 Abs. 2 GG eingeschränkt. Rückzahlungsklauseln sind demnach von vornherein nur bei solchen Fortbildungsmaßnahmen zulässig, die dem Arbeitnehmer neue berufliche Chancen eröffnen. Die bloße Anpassung an neue betriebliche Anforderungen reicht also nicht aus.33 Eröffnet die Fortbildungsmaßnahme hingegen dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zum weiteren beruflichen Aufstieg34 oder verbessert sie insbesondere seine Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt,35 so kann eine Rückzahlung grundsätzlich wirksam vereinbart werden. Allerdings muss die Vereinbarung vor Beginn der Fortbildungsmaßnahme getroffen werden.36 Auch dann unterliegt die Rückzahlungsklausel jedoch noch einer Güter- und Interessenabwägung im Hinblick auf die zumutbare Bindungsdauer.37

14

Im Einzelnen gilt: Lehrgangsdauer

Bindungsdauer

bis zu 1 Monat

bis zu 6 Monaten38

bis zu 2 Monaten

bis zu 12 Monaten39

bis zu 4 Monaten

bis zu 24 Monaten40

6 bis 12 Monate

bis zu 36 Monaten41

mehr als 24 Monate

bis zu 60 Monaten42

31 Vgl. zur Rechtmäßigkeit einer Rückzahlungsklausel unter Berücksichtigung von § 12 BBiG LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 14.12.2011 – 3 Sa 263/11. 32 Ausführlich Schmidt, NZA 2004, 1002. 33 Vgl. BAG v. 16.1.2003, NZA 2004, 456. 34 BAG v. 21.7.2005, NZA 2006, 542. Eine Möglichkeit der Nutzung des Fortbildungseffekts im Rahmen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Bindungsfrist muss aber angelegt sein, LAG Hamm v. 7.3.2006, EzB-VjA BGB 2002 § 307 Nr. 5. 35 Vgl. BAG v. 21.7.2005, NZA 2006, 542; v. 11.4.1990, DB 1990, 2222. 36 BAG v. 11.8.1996, AP Nr. 5 zu § 611 BGB – Ausbildungsbeihilfe; Stück, DStR 2008, 2020, 2021; vgl. ferner BAG v. 15.9.2009, NZA 2010, 342. 37 Zusammenfassung bei BAG v. 6.9.1995, NZA 1996, 314; vgl. auch Düwell/Ebeling, DB 2008, 406, 409. 38 BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 559. 39 BAG v. 15.12.1993, NZA 1994, 835. 40 BAG v. 21.7.2005, NZA 2006, 542; v. 6.9.1995, NZA 1996, 321. 41 BAG v. 5.6.2007, NZA-RR 2008, 107; v. 15.12.1993, NZA 1994, 835. 42 BAG v. 12.12.1979, DB 1980, 1704.

328 Lingemann

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

Abweichungen nach oben oder unten sind im Einzelfall möglich, wenn etwa der Arbeitgeber eine besonders teure Ausbildung finanziert hat43 und/oder die Maßnahme dem Arbeitnehmer außerordentliche Vorteile verschafft. Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalls, so wurde etwa eine zulässige Bindungsdauer von zwei Jahren bei einem Umfang der Qualifizierungsmaßnahme von 24 % der Arbeitszeit in drei Jahren anerkannt.44 Bei der Vereinbarung unangemessener Bindungsfristen nimmt das BAG außerhalb der AGB-Kontrolle eine Korrektur auf das zumutbare Maß vor.45

15

Die Rückzahlungsfrist wird meist durch Kündigung des Arbeitnehmers ausgelöst, soweit diese nicht durch den Arbeitgeber veranlasst ist. Auch eine Kündigung des Arbeitgebers aus verhaltensbedingten Gründen löst die Rückzahlungspflicht aus. Betriebsbedingte46 und wohl auch personenbedingte47 Gründe scheiden als Rückzahlungstatbestand aus. Werden sie in vorformulierten Vertragsbedingungen als Rückzahlungstatbestand nicht ausgenommen, so scheitert damit die gesamte Rückzahlungsverpflichtung,48 bei Individualvereinbarungen dürfte hingegen eine geltungserhaltende Reduktion möglich sein; auch hier ist es jedoch ratsam, zur Vermeidung dieser Unsicherheit unzulässige Rückzahlungstatbestände in der Regelung auszunehmen. In Formularverträgen muss eine Rückzahlungsklausel klar erkennen lassen, für welche Fälle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rückzahlungsverpflichtung besteht.49

16

Die Rückzahlungsverpflichtung entfällt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Arbeitsaufgaben zuweist, die nicht seiner Ausbildung entsprechen, er einem berechtigten Verlangen auf Zuweisung einer qualifikationsgerechten Beschäftigung nicht entspricht und der Arbeitnehmer daraufhin das Arbeitsverhältnis von sich aus beendet.50

17

Bei Abbruch der Bildungsmaßnahme, ohne dass die Gründe dafür aus der Sphäre des Arbeitgebers stammen, hat das BAG eine volle Rückzahlungspflicht akzeptiert.51 Eine Überlegungsfrist ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer sich im Rahmen eines Vorbereitungslehrgangs darüber klar werden kann, ob der Lehrgang insgesamt für ihn geeignet ist.52

18

43 BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 559. 44 Vgl. BAG v. 21.7.2005, NZA 2005, 542; s. auch BAG v. 5.6.2007, NZA-RR 2008, 107: zulässige Bindungsdauer von drei Jahren bei sechsmonatiger Ausbildungsdauer, kompletter Freistellung und Erwerb einer Qualifikation für die Eingruppierung in den höheren Sparkassendienst. 45 Vgl. BAG v. 6.9.1995, NZA 1996, 314 zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. 46 Vgl. BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042. 47 Vgl. Düwell/Ebeling, DB 2008, 406, 408 und auch LAG Düsseldorf v. 8.5.2003, LAG Report 2003, 350. 48 BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042. 49 BAG v. 23.1.2007, NZA 2007, 748. 50 BAG v. 5.12.2002, AuA 2003, 54. 51 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85. 52 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85. Vgl. aber BAG v. 12.12.1979, DB 1980, 1704: Im Falle einer einjährigen Tätigkeit als Aushilfslehrer hätte sich der Fortzubildende, so das BAG, ohne finanzielle Folgen aus dem Ausbildungsverhältnis zum Lehrer lösen können, wenn ihm in dieser Zeit eine Tätigkeit im Schuldienst nicht vorstellbar erschienen wäre, kritisch Hennige, NZA-RR 2000, 617, 621, die zu Recht darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer, der die Maßnahme bereits begonnen und damit ggf. erhebliche Kosten für den Arbeitgeber verursacht hat, nicht besser stehen darf als derjenige, der die Maßnahme von vornherein nicht antritt.

Lingemann 329

Kap. 8 19

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Gegenstand der Rückzahlungsverpflichtung sind nicht nur die unmittelbaren Fortbildungskosten (Dozent, Reisekosten, etc.), sondern auch das während der Freistellung fortgezahlte Arbeitsentgelt einschließlich des Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung.53 Der Rückzahlungsbetrag darf die tatsächlichen Kosten der Maßnahme nicht übersteigen.54 Wegen § 32 SGB I dürfen auch die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung nicht Gegenstand der Rückzahlungsverpflichtung sein.55 b) Rückzahlungsklauseln in AGB56

20

In Formularverträgen muss eine Rückzahlungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhalten.57 Entscheidend ist, ob auf Grund einer Güterund Interessenabwägung die Rückzahlung von Ausbildungskosten bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der vereinbarten Bindungsfrist angemessen ist. Dies ist auch nach der Schuldrechtsreform nach den vom BAG entwickelten und unter Rz. 13 ff. dargestellten Kriterien zu bestimmen.58 Eine Rückzahlungsverpflichtung kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer mit der Bildungsmaßnahme einen geldwerten Vorteil erlangt, dadurch also der Marktwert seiner Arbeitskraft erhöht wird.59 Das ist der Fall, wenn er durch die Maßnahme eine Qualifikation erhält, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder beim jetzigen Arbeitgeber berufliche Möglichkeiten eröffnet, die ihm zuvor verschlossen waren.60 Ist die Fortbildung daher vorrangig im Interesse des Arbeitgebers, sind Rückzahlungsklauseln nicht zulässig.61 Die Benachteiligung besteht darin, dass der Arbeitnehmer in seinem Recht auf Arbeitsplatzwechsel beschränkt wird, indem er bei einem Wechsel ggf. erheblichen Rückzahlungsforderungen ausgesetzt wird. Zur Orientierung kann (auch hier) folgende Tabelle dienen, den Entscheidungen lag jeweils eine Lehrgangsdauer ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung und unter Fortzahlung der Bezüge zugrunde:

53 54 55 56 57

58 59 60 61

Vgl. BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85; v. 11.4.1984, DB 1984, 2411. BAG v. 21.7.2005, NZA 2006, 542; v. 19.2.2004, BAGE 109, 345. BAG v. 11.4.1984, NZA 1984, 288. Dazu Lingemann/Kiecza, ArbR Aktuell 2009, 156. Vgl. zur Inhaltskontrolle einer Rückzahlungsklausel BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85; v. 14.1.2009, NZA 2009, 666; v. 23.1.2007, NZA 2007, 748; v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042; s. auch Einf. Kap. 2 AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rückzahlungsklausel“, Rz. 122; Überblick bei Stück, DStR 2008, 2020 und Düwell/Ebeling, DB 2008, 406. BAG v.14.1.2009, NZA 2009, 666; s. auch Düwell/Ebeling, DB 2008, 406, 409; kritisch Jesgarzewski, BB 2011, 1594, 1597 f. BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, 89 mwN; Lakies, ArbR Aktuell 2012, 216. Lakies, ArbR Aktuell 2012, 216. BAG v.18.11.2008, NZA 2009, 435, 438; v. 5.12.2002, NZA 2003, 559.

330 Lingemann

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge Lehrgangsdauer

Bindungsdauer

bis zu 1 Monat

bis zu 6 Monaten62

bis zu 2 Monate

bis zu 12 Monaten63

3 bis 4 Monate

bis zu 24 Monaten64

6 bis 12 Monate

bis zu 36 Monaten65

mehr als 24 Monate

bis zu 60 Monaten66

Kap. 8

Dabei geht es allerdings nicht um rechnerische Gesetzmäßigkeiten, sondern um richterrechtlich entwickelte Regelwerte, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind.67 Hat der Arbeitgeber erhebliche Mittel für die Fortbildung aufgewendet oder bringt die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile,68 so kann auch bei kürzeren Fortbildungsmaßnahmen eine längere Bindung zulässig sein. Das Prognoserisiko trägt grundsätzlich der Arbeitgeber. Eine Rückzahlungsklausel kann auch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Lehrgangs oder Abbruchs des Lehrgangs vereinbart werden. Eine solche Rückzahlungsklausel ist auch dann angemessen, wenn die Aus- oder Weiterbildung in mehreren, zeitlich voneinander getrennten Abschnitten erfolgt. Voraussetzung ist jedoch, dass nach der Vereinbarung die zeitliche Lage der einzelnen Aus- oder Fortbildungsabschnitte den Vorgaben der Aus- oder Fortbildungseinrichtung entspricht und die vertragliche Vereinbarung dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit einräumt, allein nach seinen Interessen die Teilnahme an den jeweiligen Ausoder Fortbildungsabschnitten oder deren zeitliche Lage festzulegen. Der Arbeitnehmer muss zudem mit der Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Bindung an das Arbeitsverhältnis erhalten, dh. sie stellt für ihn einen geldwerten Vorteil dar und er braucht nur die bis zum Ausscheiden tatsächlich entstandenen Kosten zurückzuzahlen.69 Eine unangemessene Benachteiligung durch die Rückzahlungsklausel liegt jedoch auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer nach Erteilung des Abschlusszeugnisses aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden könnte, ohne mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet zu sein.

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Anders als in Individualverträgen wird bei vorformulierten Vertragsbedingungen wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion, § 306 Abs. 2 BGB, eine zu weit gehende Rückzahlungsklausel auch nicht auf das zumutbare Maß herabgesetzt; vielmehr entfällt bei einer zu weit gehenden Rückzahlungsklausel die Rückzahlungs-

22

62 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, 89; v. 15.9.2009, NZA 2010, 34; v. 14.1.2009, NZA 2009, 666, 668; v. 25.12.2002, NZA 2003, 559. 63 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, 89; v. 14.1.2009, NZA 2009, 666, 668; v. 15.12.1993, NZA 1994, 835. 64 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, 89; v. 14.1.2009, NZA 2009, 666, 668; v. 15.12.1993, NZA 1994, 835; v. 6.9.1995, NZA 1996, 314. 65 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, 89; v. 14.1.2009, NZA 2009, 666, 668; v. 5.6.2007, NZA-RR 2008, 107. 66 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, 89; 14.1.2009, NZA 2009, 666, 668; v. 12.12.1979, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 4. 67 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, 89; v. 14.1.2009, NZA 2009, 666, 668. 68 BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 666, 668. 69 BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85.

Lingemann 331

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

pflicht vollständig. Dies gilt bei einer zu langen Bindungsfrist70 ebenso wie bei zu weit gehenden Rückzahlungstatbeständen71 oder einem zu hohen Rückzahlungsbetrag.72 Allerdings will das BAG auf Grund der Besonderheiten des Arbeitsrechts eine ergänzende Vertragsauslegung im Einzelfall zulassen, wenn die Fallgestaltung eine Bestimmung der zulässigen Bindungsdauer für den Arbeitgeber erschwert und es unangemessen erscheint, ihm das Prognoserisiko aufzubürden.73 Eine unangemessene Benachteiligung wegen unzulässiger Rückzahlungstatbestände liegt insbesondere vor bei Klauseln, die unabhängig von der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rückzahlungspflicht entstehen lassen. Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen.74 Steht der Rückzahlungsverpflichtung des Auszubildenden allerdings keine Beschäftigungsgarantie nach Abschluss der Ausbildung gegenüber, so schränkt dies wesentliche Rechte des Auszubildenden gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein und ist daher unwirksam.75 Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt außerdem vor bei einer Klausel, die eine Gewährung der Ausbildungskosten als zinsloses Darlehen verbunden mit der Möglichkeit einer Abzahlung durch spätere Berufstätigkeit beim Ausbilder vorsieht, ohne jedoch die Arbeitsbedingungen im Zeitpunkt des Abschlusses der Ausbildungsvereinbarung näher zu konkretisieren, insbesondere hinsichtlich Beginn sowie Art und Umfang dieser Tätigkeit.76 Dem Transparenzegbot ist ferner nur dann genügt, wenn die gegebenenfalls zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen angegeben sind.77 Es sind zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der gegebenenfalls zu erstatteten Kosten anzugeben.78 Werden in einer Rückzahlungsklausel die Kosten auf einen bestimmten Betrag pauschaliert, muss die Zusammensetzung des Betrags transparent gemacht und darüber hinaus dem Vertragspartner die Möglichkeit eingeräumt werden, den Nachweis zu führen, dass tatsächlich nur Kosten in niedrigerer Höhe entstanden sind.79 23

Eine Rückzahlungsklausel für den Fall, dass der Arbeitnehmer vor Abschluss der Ausbildung auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, scheitert regelmäßig nicht an § 307 Abs. 1 BGB.80 Dies gilt auch dann, wenn die Aus- oder Weiterbildung nicht in einem „Block“ erfolgt, sondern in 70 71 72 73 74 75

76 77 78 79 80

BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 666. BAG v. 23.1.2007, NZA-2007, 748; v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042. BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042. BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 666; v. 23.1.2007, NZA 2007, 748; v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042; in den vorbezeichneten Entscheidungen wurde das Vorliegen einer unzumutbaren Härte für den Arbeitgeber jedoch verneint. BAG v. 13.12.2011, NZA 2012, 738; v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042. BAG v. 18.11.2008, NZA 2009, 435; v. 18.3.2008, NZA 2008, 1004 zu Ausbildungskosten im Rahmen eines Volontariatsvertrages; LAG Schl.-Holst. v. 23.5.2007, NZA-RR 2007, 514 zur Unterbrechung einer Berufsausbildung zur Aufnahme eines dualen Studiums; LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 14.12.2011 – 3 Sa 263/11 zu Ausbildungskosten im Rahmen eines Fernstudiums; dazu auch Maier/Mosig, NZA 2008, 1168. BAG v. 18.3.2008, NZA 2008, 1004. BAG v. 21.8.2012, NZA 2012, 1428. BAG v. 21.8.2012, NZA 2012, 1428, 1430. LAG Köln v. 27.5.2010, NZA-RR 2011, 11. BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85.

332 Lingemann

M 8.1.1

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

mehreren, zeitlich getrennten Ausbildungsabschnitten, sofern die zeitliche Lage der einzelnen Abschnitte den Vorgaben der Ausbildungseinrichtung entspricht und dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eingräumt wird, allein nach seinen Interessen die Teilnahme an den Ausbildungsabschnitten oder deren zeitliche Lage festzulegen.81 c) Tarifvertragliche Rückzahlungsklauseln Tarifvertragliche Rückzahlungsklauseln unterliegen nicht der AGB-Kontrolle, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Sie haben auf Grund der Beteiligung der Tarifvertragsparteien als gleichberechtigte Partner eine Vermutung für sich, dass sie den Interessen beider Seiten gerecht werden und somit einen angemessenen Ausgleich darstellen.82 Allerdings kommt auch bei kollektiven Regelungen eine Ausübungskontrolle nach § 315 BGB in Betracht.83 Eine Inhaltskontrolle findet jedoch statt bei Teilverweisungen einer Rückzahlungsklausel auf einen Tarifvertrag.84 81 82 83 84

24

BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85. Vgl. BAG v. 24.9.2008, NZA 2009, 154. Vgl. zu Widerrufsvorbehalten BAG v. 1.2.2006, BB 2006, 1057. BAG v. 25.4.2007, NZA 2007, 875; vgl. auch Einf. Kap. 2 Rz. 98.

II. Muster

u

Berufsausbildungsvertrag (ausführliche Form)1, 2

8.1.1

Der Ausbildende (Unternehmen)3 und der Auszubildende* schließen folgenden Ausbildungsvertrag: § 1 Ziel der Ausbildung4 Der Auszubildende wird nach Maßgabe der Ausbildungsordnung5 zum Beruf des . . . ausgebildet. * Der Begriff umfasst sowohl die weibliche als auch die männliche Form. 1 Vgl. auch Vogel in Wurm/Wagner/Zartmann, M 98.16. M 8.1.1 umfasst zur Information der Vertragsbeteiligten zahlreiche Regelungen, die auch im BBiG enthalten sind und auf die in den Fußnoten verwiesen wird. Das M 8.1.2 (kurze Form) enthält demgegenüber nur die die Gesetzeslage ergänzenden Vertragsbestimmungen. 2 Zu den Mindestanforderungen des Berufsausbildungsvertrages vgl. § 11 BBiG. Weder die Schriftform noch diese Angaben sind jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vertrag. Er ist vielmehr auch formlos wirksam. Das hat sich auch durch die EG-Nachweisrichtlinie – 91/533/EWG, umgesetzt durch das NachwG – nicht geändert (BAG v. 21.8.1997, DB 1997, 2619). 3 Zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Ausbildenden können mehrere natürliche oder juristische Personen in einem Ausbildungsverbund zusammenwirken, soweit die Verantwortlichkeit für die einzelnen Ausbildungsabschnitte sowie für die Ausbildungszeit insgesamt sichergestellt ist (Verbundausbildung), § 10 Abs. 5 BBiG. 4 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBiG. 5 Für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe sind Ausbildungsordnungen zu erlassen, die für die Ausbildung zwingend sind (§ 4 Abs. 1, 2 BBiG).

Lingemann 333

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

§2

M 8.1.1

Beginn und Dauer der Ausbildung6, 7

(1) Die Ausbildung beginnt am . . . (2) Die Ausbildungszeit beträgt nach der Ausbildungsordnung . . . Jahre. Hierauf wird die Berufsbildung zum . . . (genaue Bezeichnung des Ausbildungsberufs) und/oder eine Vorbildung/Ausbildung in . . . (Schulart oder sonstige Ausbildungsstätte) mit . . . Monaten angerechnet. Die Ausbildung endet daher am . . .8 (3) Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit gemäß Abs. 2 die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlussprüfung.9 (4) Besteht der Auszubildende die Abschlussprüfung nicht, so verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf sein Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens jedoch um ein Jahr.10 § 3 Probezeit11 (1) Die Probezeit beträgt . . . Monate.12 (2) Wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung. § 4 Ausbildungsort (1) Die Ausbildung findet in . . . und den mit dem Betriebssitz für die Ausbildung üblicherweise zusammenhängenden Bau-, Montage- und sonstigen Arbeitsstellen statt. 6 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBiG. 7 Wenn die Ausbildungsordnung vorsieht, dass die Berufsausbildung in sachlich und zeitlich besonders gegliederten, aufeinander abgestimmten Stufen erfolgt, soll zwar nach den einzelnen Stufen ein Ausbildungsabschluss vorgesehen sein, der zu einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt (sog. echte Stufenausbildung, § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Auch in diesem Fall muss aber der Vertrag über die gesamte Ausbildungszeit abgeschlossen werden (§ 21 Abs. 1 BBiG). 8 Die Ausbildungsdauer soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BBiG); Der Betriebsrat hat nach § 98 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber generell eine nach § 8 Abs. 1 BBiG verkürzte Ausbildung vorsehen will, vgl. BAG v. 24.8.2004, NZA 2005, 371. 9 Findet die Abschlussprüfung erst einige Zeit nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses statt, verlängert sich das Ausbildungsverhältnis nicht kraft Gesetzes nach § 21 Abs. 3 BBiG über die vereinbarte Zeit hinaus, wobei das BAG jedoch eine analoge Anwendung für möglich hält, vgl. BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 738; v. 13.3.2007, NZA 2007, 1391. 10 Besteht der Auszubildende die erste Wiederholungsprüfung nicht und stellt er ein Verlängerungsverlangen, verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis bis zur zweiten Wiederholungsprüfung, wenn diese noch innerhalb der Höchstfrist von einem Jahr (§ 21 Abs. 3 BBiG) abgelegt wird. Die Beendigungswirkung tritt unabhängig davon ein, ob die zweite Wiederholungsprüfung bestanden oder nicht bestanden wird, BAG v. 15.3.2000, BB 2000, 1623. Vor Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag vereinbarten Ausbildungszeit ist die Geltendmachung des Verlängerungsanspruchs nicht fristgebunden. Macht der Auszubildende den Anspruch erst nach Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit geltend, verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis nur dann, wenn das Verlangen unverzüglich erklärt wird (BAG v. 23.9.2004, DB 2005, 1007). Eine automatische Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses findet aber nur statt, wenn die erste Prüfung nicht bestanden worden ist. 11 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 BBiG. 12 Die Probezeit muss mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen (§ 20 BBiG).

334 Lingemann

M 8.1.1

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

(2) Außerhalb der Ausbildungsstätte finden folgende Ausbildungsmaßnahmen statt: . . .13 §5

Vergütung14

(1) Der Auszubildende erhält eine Vergütung von z. Zt. monatlich brutto – im ersten Ausbildungsjahr Euro . . . – im zweiten Ausbildungsjahr Euro . . . – im dritten Ausbildungsjahr Euro . . .15 (2) Die Vergütung ist zahlbar zum Ende des jeweiligen Kalendermonats. (3) Mehrarbeit über die vereinbarte regelmäßige Ausbildungszeit hinaus wird durch Freizeit abgegolten16/wird gesondert vergütet/wird mit einem Zuschlag von . . . % vergütet. (4) Der Ausbilder trägt ferner die Kosten für – Kost und/oder Wohnung des Auszubildenden gemäß Anlage 1 zu diesem Vertrag;17 – Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind. Abzusetzen sind jedoch ersparte Verpflegungskosten des Auszubildenden. Die Anrechnung von anteiligen Kosten und Sachbezugswerten nach § 17 Abs. 2 BBiG darf 75 % der vereinbarten Bruttovergütung nicht übersteigen; – besondere Berufskleidung. (5) Der Auszubildende erhält Vergütung auch18 – für die Zeit der Freistellung am Berufsschulunterricht und an Prüfungen19 sowie für Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte und nach § 43 JArbSchG20 13 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BBiG. 14 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BBiG. 15 Der Ausbilder hat dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen (vgl. §§ 17 Abs. 1, 18 BBiG), wobei wichtigster Anhaltspunkt die einschlägigen Tarifverträge sind. Ob die Vergütung nach § 850a Nr. 6 ZPO unpfändbar und damit gemäß § 400 BGB auch nicht abtretbar ist, ist streitig (für Pfändbarkeit MünchArbR/Natzel, 3. Aufl. 2009, § 322 Rz. 84; Thomas/Putzo/Seiler, § 850a ZPO Rz. 7; Zöller/Stöber, § 850a ZPO Rz. 13 aA ErfK/Schlachter, § 17 BBiG Rz. 2 mwN.). Werden die tariflichen Sätze um mehr als 20 % unterschritten, so ist die Vergütung im Regelfall nicht mehr angemessen (BAG v. 26.3.2013, BB 2013, 1523; zu Ausnahmen vgl. BAG v. 11.10.1995, DB 1996, 1086). Die von den zuständigen Ausbildungsstellen festgelegten Tarife sind demgegenüber nur Empfehlungen und nicht verbindlich; vgl. auch BAG v. 15.12.2005, NZA 2007, 1392 für die allein maßgebliche Bezugnahme auf den betreffenden Industrie- bzw. Gewerbezweig unabhängig vom jeweiligen Ausbildungsabschluss. Eine geringere Höhe der Ausbildungsvergütung ist gerechtfertigt, wenn durch begrenzt zur Verfügung stehende öffentliche Gelder zusätzliche Ausbildungsplätze für sozial benachteiligte Personengruppen geschaffen werden, die eine Ausbildung ohne die Förderung nicht durchführen könnten, BAG v. 19.2.2008, NZA 2008, 828; v. 22.1.2008, NZA-RR 2008, 565. 16 Vgl. § 17 Abs. 3 BBiG. 17 Da es sich um einen in der Praxis seltenen Fall handelt, wurde davon abgesehen, die Anlage 1 anzufügen. 18 Vgl. § 19 BBiG. 19 Vgl. § 15 BBiG. 20 Dh. Freistellung zu ärztlichen Untersuchungen nach §§ 32 ff. JArbSchG.

Lingemann 335

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.1.1

– bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er – sich für die Berufsausbildung bereithält, diese aber ausfällt, oder – aus einem sonstigen, in seiner Person liegenden Grund unverschuldet verhindert ist, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. Wenn der Auszubildende infolge einer unverschuldeten Krankheit, einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation, einer Sterilisation oder eines Abbruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt an der Berufsausbildung nicht teilnehmen kann, findet das Entgeltfortzahlungsgesetz Anwendung. § 6 Dauer der regelmäßigen täglichen Ausbildungszeit21 Die regelmäßige tägliche Ausbildungszeit beträgt . . . Stunden.22 § 7 Urlaub23 (1) Der Auszubildende erhält Urlaub von . . . Arbeitstagen/Jahr. Er erhöht sich im Jahr . . . auf . . . und im Jahr . . . auf . . . Arbeitstage. (2) Der Urlaub soll zusammenhängend und in der Zeit der Berufsschulferien erteilt und genommen werden. Während des Urlaubs darf der Auszubildende keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. § 8 Pflichten des Ausbildenden24 Der Ausbildende verpflichtet sich, – dafür zu sorgen, dass dem Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungszieles nach der Ausbildungsordnung erforderlich ist, und die Berufsausbildung nach den beigefügten Angaben zur sachlichen und zeitlichen Gliederung des Ausbildungsablaufs so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann; – selbst auszubilden oder einen persönlich und fachlich geeigneten Ausbilder ausdrücklich damit zu beauftragen; – dem Auszubildenden vor Beginn der Ausbildung die Ausbildungsordnung kostenlos auszuhändigen; – dem Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge, Werkstoffe und Fachliteratur zur Verfügung zu stellen, die für die Ausbildung in den betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildungsstätten und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen, auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses und in zeitlichem Zusammenhang damit stattfinden, erforderlich sind;25

21 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BBiG. 22 Nach § 8 JArbSchG beträgt die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit (Ausbildungszeit) bei noch nicht 18 Jahre alten Personen (Jugendlichen) acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich. Zu Ausnahmen vgl. § 8 Abs. 2–3 JArbSchG. 23 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 BBiG. 24 Vgl. § 14 BBiG. 25 Der Auszubildende kann das Prüfungsstück gegen Erstattung der Materialkosten erwerben.

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M 8.1.1

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

– den Auszubildenden zum Besuch der Berufsschule anzuhalten und freizustellen. Das Gleiche gilt, wenn Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte vorgeschrieben sind; – dem Auszubildenden vor Ausbildungsbeginn und später die Berichtshefte für die Berufsausbildung kostenfrei auszuhändigen und ihm Gelegenheit zu geben, das Berichtsheft in Form eines Ausbildungsnachweises während der Ausbildungszeit zu führen, sowie die ordnungsgemäße Führung durch regelmäßige Abzeichnung zu überwachen, soweit Berichtshefte im Rahmen der Berufsausbildung verlangt werden; – dem Auszubildenden nur Verrichtungen zu übertragen, die dem Ausbildungszweck dienen und seinen körperlichen Kräften angemessen sind; – dafür zu sorgen, dass der Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet wird; – von dem jugendlichen Auszubildenden Bescheinigungen gemäß §§ 32, 33 JArbSchG darüber vorlegen zu lassen, dass dieser – vor der Aufnahme der Ausbildung untersucht und – vor Ablauf des ersten Ausbildungsjahres nachuntersucht worden ist; – unverzüglich nach Abschluss des Berufsausbildungsvertrages die Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bei der zuständigen Stelle unter Beifügung der Vertragsniederschriften und – bei Auszubildenden unter 18 Jahren – einer Kopie der ärztlichen Bescheinigung über die Erstuntersuchung gemäß § 32 JArbSchG zu beantragen; Entsprechendes gilt bei späteren Änderungen des wesentlichen Vertragsinhaltes; – den Auszubildenden rechtzeitig zu den angesetzten Zwischen- und Abschlussprüfungen anzumelden und für die Teilnahme freizustellen. § 9 Pflichten des Auszubildenden26 Der Auszubildende hat sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Er verpflichtet sich insbesondere, – die ihm im Rahmen seiner Berufsausbildung übertragenen Verrichtungen und Aufgaben sorgfältig auszuführen; – am Berufsschulunterricht und an Prüfungen sowie an Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte teilzunehmen, für die er freigestellt wird; – den Weisungen zu folgen, die ihm im Rahmen der Berufsausbildung vom Ausbildenden, vom Ausbilder oder von anderen weisungsberechtigten Personen, soweit sie als weisungsberechtigt bekannt gemacht worden sind, erteilt werden; – die für die Ausbildungsstätte geltende Ordnung zu beachten; – Werkzeug, Maschinen und sonstige Einrichtungen pfleglich zu behandeln und sie nur zu den ihm übertragenen Arbeiten zu verwenden; – über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu wahren; 26 Vgl. § 13 BBiG; auch ein Auszubildender unterliegt während des Bestandes des Ausbildungsverhältnisses einem vertragsimmanenten Wettbewerbsverbot, BAG v. 20.9.2006, DB 2007, 346.

Lingemann 337

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.1.1

– ein vorgeschriebenes Berichtsheft ordnungsgemäß zu führen und regelmäßig vorzulegen; – bei Fernbleiben von der betrieblichen Ausbildung, vom Berufsschulunterricht oder von sonstigen Ausbildungsveranstaltungen dem Ausbildenden unter Angabe von Gründen unverzüglich Nachricht zu geben und ihm bei Krankheit oder Unfall spätestens am dritten Tag eine ärztliche Bescheinigung zuzuleiten; – soweit auf ihn die Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes Anwendung finden, sich gemäß §§ 32 und 33 dieses Gesetzes ärztlich – vor Beginn der Ausbildung untersuchen, – vor Ablauf des ersten Ausbildungsjahres nachuntersuchen zu lassen – und die Bescheinigungen hierüber dem Ausbildenden vorzulegen. § 10

Kündigung27

(1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.28 (2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden – von beiden Parteien aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,29 – vom Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. (3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Abs. 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. (4) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten bei Ausspruch der Kündigung länger als zwei Wochen bekannt sind.30 Ist ein Schlichtungsverfahren gemäß § 12 eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt. (5) Bei vorzeitiger Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit kann der Ausbildende oder der Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn der andere den Grund für die Auflösung zu vertreten hat.31 Das gilt nicht 27 Vgl. § 22 BBiG. 28 Das Berufsbildungsrecht verlangt auch bei minderjährigen Auszubildenden kein klärendes Gespräch mit den erziehungsberechtigten Eltern vor einer Kündigung gemäß § 22 Abs. 1 BBiG in der Probezeit, BAG v. 8.12.2011, NZA 2012, 495; vgl. zur Arbeitgeberkündigung während der Probezeit Hirdina, NZA-RR 2010, 65. 29 Schlechtleistungen bei der Zwischenprüfung stellen nur in seltenen Ausnahmefällen einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar, vgl. ArbG Essen v. 27.9.2005, NZA-RR 2006, 246; beleidigende Äußerungen des Auszubildenden über seinen Ausbilder auf der Internetplattform „Facebook“ können jedoch eine fristlose Kündigung begründen, vgl. LAG Hamm v. 10.10.2012 – 3 Sa 644/12. 30 Vgl. § 22 Abs. 4 BBiG. 31 Vgl. § 23 Abs. 1 BBiG. Kündigt etwa der Auszubildende aus Gründen, die der Ausbildende zu vertreten hat, besteht der Schaden in der Differenz zwischen der Vermögenslage, die eingetreten wäre, wenn das Berufsausbildungsverhältnis ordnungsgemäß beendet worden wäre, und der durch die vorzeitige Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses tatsächlich entstandenen Vermögenslage; der Auszubildende muss sich jedoch anderweitigen Verdienst anrechnen lassen, BAG v. 8.5.2007, NJW 2007, 3594.

338 Lingemann

M 8.1.1

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

bei Kündigung wegen Aufgabe oder Wechsels der Berufsausbildung nach Abs. 2 2. Spiegelstrich. Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird. (6) Bei Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses wegen Betriebsaufgabe oder wegen Wegfalls der Ausbildungseignung verpflichtet sich der Ausbildende, sich mit Hilfe der Berufsberatung der zuständigen Arbeitsagentur rechtzeitig um eine weitere Ausbildung im bisherigen Ausbildungsberuf in einer anderen geeigneten Ausbildungsstätte zu bemühen. § 11 Zeugnis32 Der Ausbildende stellt dem Auszubildenden bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein Zeugnis aus. Hat der Ausbildende die Berufsausbildung nicht selbst durchgeführt, so soll auch der Ausbilder das Zeugnis unterschreiben. Das Zeugnis muss Angaben enthalten über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung sowie über die erworbenen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten des Auszubildenden. Auf Verlangen des Auszubildenden sind auch Angaben über Verhalten und Leistung aufzunehmen. § 12

Beilegung von Streitigkeiten

Bei Streitigkeiten aus dem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis ist vor Inanspruchnahme des Arbeitsgerichts der nach § 111 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes errichtete Ausschuss anzurufen.33 § 13

Erfüllungsort

Erfüllungsort für alle Ansprüche aus diesem Vertrag ist der Ort der Ausbildungsstätte. § 14

Nebenabreden, Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung34

(1) Ergänzend vereinbaren die Parteien Folgendes:. . . oder (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht.

32 Vgl. § 16 BBiG; die elektronische Form ist ausgeschlossen, vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 BBiG. 33 Die Anrufung des Ausschusses – soweit ein solcher bei der zuständigen Kammer oder Innung gebildet ist – ist unverzichtbare Prozessvoraussetzung auch für das Kündigungsschutzverfahren (BAG v. 13.4.1989, DB 1990, 586). Die Entscheidung des Ausschusses ist verbindlich, wenn nicht binnen zwei Wochen dagegen Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben wird, § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG. Streitig ist, ob für das Kündigungsschutzverfahren die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG gilt (dafür Kreutzfeld/Kramer, DB 1995, 975, 976; vgl. auch BAG v. 26.1.1999, NZA 1999, 934) oder die Zwei-Wochen-Frist des § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG (LAG Düsseldorf v. 3.5.1988, LAGE Nr. 1 zu § 111 ArbGG 1979); die Einhaltung letzterer Frist ist daher anzuraten. Nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses entfällt die Zuständigkeit des Ausschusses und damit die Prozessvoraussetzung gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG (BAG v. 19.2.2008, NZA 2008, 828). 34 Ggf. Hinweis auf anzuwendende Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 BBiG.

Lingemann 339

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.1.2

(2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.35 Dieser Vertrag ist in zwei gleich lautenden Ausfertigungen (bei Mündeln dreifach) ausgestellt und von den Vertragschließenden eigenhändig unterschrieben worden. ... (Ort/Datum) Der Ausbildende: . . .

Der Auszubildende: . . .

(Stempel und Unterschrift)

(voller Vor- und Zuname)

Die gesetzlichen Vertreter des Auszubildenden: (Falls ein Elternteil verstorben, bitte vermerken) Vater: . . . und/oder Mutter: . . . Vormund: . . . (voller Vor- und Zuname) 35 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14.

8.1.2

u

Berufsausbildungsvertrag (kurze Form)1, 2

Der Ausbildende (Unternehmen) und der Auszubildende* schließen folgenden Ausbildungsvertrag: § 1 Ziel der Ausbildung3 Der Auszubildende wird nach Maßgabe der Ausbildungsordnung4 zum Beruf des . . . ausgebildet. * Der Begriff umfasst sowohl die weibliche als auch die männliche Form. 1 Das M 8.1.1 enthält zur Information der Vertragsbeteiligten zahlreiche Regelungen, die auch im BBiG enthalten sind und auf die in den Fußnoten verwiesen wird. Das vorliegende M 8.1.2 (kurze Form) enthält demgegenüber nur die die Gesetzeslage ergänzenden Vertragsbestimmungen. 2 Zu den Mindestanforderungen des Berufsausbildungsvertrages vgl. § 11 BBiG. Weder die Schriftform noch diese Angaben sind jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vertrag. Er ist vielmehr auch formlos wirksam. Das hat sich auch durch die EG-Nachweisrichtlinie – 91/533/ EWG, umgesetzt durch das NachwG – nicht geändert (BAG v. 21.8.1997, DB 1997, 2619). 3 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBiG. 4 Für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe sind Ausbildungsordnungen zu erlassen, die für die Ausbildung zwingend sind (§ 4 Abs. 1, 2 BBiG).

340 Lingemann

M 8.1.2

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

§ 2 Beginn und Dauer der Ausbildung5 (1) Die Ausbildung beginnt am . . . (2) Die Ausbildungszeit beträgt nach der Ausbildungsordnung . . . Jahre. Hierauf wird die Berufsbildung zum . . . (genaue Bezeichnung des Ausbildungsberufs) und/oder eine Vorbildung/Ausbildung in . . . (Schulart oder sonstige Ausbildungsstätte) mit . . . Monaten angerechnet. Die Ausbildung endet daher am . . .6 (3) Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit gemäß Abs. 2 die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlussprüfung. (4) Besteht der Auszubildende die Abschlussprüfung nicht, so verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf sein Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens jedoch um ein Jahr.7 § 3 Probezeit8 (1) Die Probezeit beträgt . . . Monate.9 (2) Wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung. § 4 Ausbildungsort (1) Die Ausbildung findet in . . . und den mit dem Betriebssitz für die Ausbildung üblicherweise zusammenhängenden Bau-, Montage- und sonstigen Arbeitsstellen statt. (2) Außerhalb der Ausbildungsstätte finden folgende Ausbildungsmaßnahmen statt: . . .10 §5

Vergütung11

(1) Der Auszubildende erhält eine Vergütung von z. Zt. monatlich brutto – im ersten Ausbildungsjahr Euro . . . – im zweiten Ausbildungsjahr Euro . . . – im dritten Ausbildungsjahr Euro . . .12 (2) Die Vergütung ist zahlbar zum Ende des jeweiligen Kalendermonats.

5 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBiG. 6 Die Ausbildungsdauer soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BBiG). 7 BAG v. 15.3.2000, BB 2000, 1623, sowie v. 23.9.2004, DB 2005, 1007; vgl. auch Anm. zu M 8.1.1 § 2 Abs. 4. 8 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 BBiG. 9 Die Probezeit muss mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen (§ 20 BBiG). 10 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BBiG. 11 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BBiG. 12 Der Ausbilder hat dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen (vgl. §§ 17 Abs. 1, 18 BBiG). Vgl. auch Anm. zu M 8.1.1 § 5 Abs. 1.

Lingemann 341

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.1.2

(3) Mehrarbeit über die vereinbarte regelmäßige Ausbildungszeit hinaus wird durch Freizeit abgegolten13/wird gesondert vergütet/wird mit einem Zuschlag von . . . % vergütet. (4) Der Ausbilder trägt ferner die Kosten für – Kost und/oder Wohnung des Auszubildenden gemäß Anlage 1 zu diesem Vertrag.14 – Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind. Abzusetzen sind jedoch ersparte Verpflegungskosten des Auszubildenden. Die Anrechnung von anteiligen Kosten und Sachbezugswerten nach § 17 Abs. 2 BBiG darf 75 % der vereinbarten Bruttovergütung nicht übersteigen. – besondere Berufskleidung. § 6 Dauer der regelmäßigen täglichen Ausbildungszeit15 Die regelmäßige tägliche Ausbildungszeit beträgt . . . Stunden.16 § 7 Urlaub17 (1) Der Auszubildende erhält Urlaub von . . . Arbeitstagen/Jahr. Er erhöht sich im Jahr . . . auf . . . und im Jahr . . . auf . . . Arbeitstage. (2) Der Urlaub soll zusammenhängend und in der Zeit der Berufsschulferien erteilt und genommen werden. Während des Urlaubs darf der Auszubildende keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. § 8 Pflichten der Parteien18 Die Ausbildungspflichten der Parteien richten sich nach den gesetzlichen Regelungen, insbesondere §§ 13 und 14 BBiG. § 9 Kündigung19 (1) Kündigungen richten sich nach § 22 BBiG. (2) Bei Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses wegen Betriebsaufgabe oder wegen Wegfalls der Ausbildungseignung verpflichtet sich der Ausbildende, sich mit Hilfe der Berufsberatung der zuständigen Arbeitsagentur rechtzeitig um eine weitere Ausbildung im bisherigen Ausbildungsberuf in einer anderen geeigneten Ausbildungsstätte zu bemühen.

13 Vgl. § 17 Abs. 3 BBiG. 14 Da es sich um einen in der Praxis seltenen Fall handelt, wurde davon abgesehen, die Anlage 1 anzufügen. 15 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BBiG. 16 Nach § 8 JArbSchG beträgt die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit (Ausbildungszeit) bei noch nicht 18 Jahre alten Personen (Jugendlichen) acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich. Zu Ausnahmen vgl. § 8 Abs. 2–3 JArbSchG. 17 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 BBiG. 18 Vgl. §§ 13, 14 BBiG. 19 Vgl. § 22 BBiG.

342 Lingemann

M 8.1.2

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

§ 10 Zeugnis20 Der Ausbildende stellt dem Auszubildenden bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein Zeugnis nach Maßgabe von § 16 BBiG aus. § 11

Beilegung von Streitigkeiten

Bei Streitigkeiten aus dem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis ist vor Inanspruchnahme des Arbeitsgerichts der nach § 111 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes errichtete Ausschuss anzurufen.21 § 12

Erfüllungsort

Erfüllungsort für alle Ansprüche aus diesem Vertrag ist der Ort der Ausbildungsstätte. § 13

Nebenabreden, Schriftform, Ausschluss betrieblicher Übung

(1) Ergänzend vereinbaren die Parteien Folgendes: . . . oder (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.22 Dieser Vertrag ist in zwei gleich lautenden Ausfertigungen (bei Mündeln dreifach) ausgestellt und von den Vertragschließenden eigenhändig unterschrieben worden. ... (Ort/Datum) Der Ausbildende: . . .

Der Auszubildende: . . .

(Stempel und Unterschrift)

(voller Vor- und Zuname)

Die gesetzlichen Vertreter des Auszubildenden: (Falls ein Elternteil verstorben, bitte vermerken) Vater: . . . und/oder Mutter: . . . Vormund: . . . (voller Vor- und Zuname) 20 Vgl. § 16 BBiG; die elektronische Form ist ausgeschlossen, § 16 Abs. 1 BBiG. 21 Die Anrufung des Ausschusses – soweit ein solcher bei der zuständigen Kammer oder Innung gebildet ist – ist unverzichtbare Prozessvoraussetzung (BAG v. 13.4.1989, DB 1990, 586). Vgl. auch Anm. zu M 8.1.1 § 12. 22 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14.

Lingemann 343

Kap. 8

8.2

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

u

M 8.2

Allgemeiner Praktikantenvertrag1, 2

Zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Praktikant*) wird Folgendes vereinbart: § 1 Praktikumsgegenstand Der Arbeitgeber setzt den Praktikanten in der Zeit vom . . . bis . . . gemäß dem Ausbildungsplan zur Vermittlung von Erfahrungen und Kenntnissen aus der betrieblichen Praxis . . . im Betrieb ein. Nach Ende der Praktikantenzeit endet das Praktikantenverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf. §2

Dauer und Kündigung des Praktikums

Der erste Monat, dh. die Zeit bis zum . . ., gilt als Probezeit. Innerhalb dieser Zeit können beide Seiten den Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Tag kündigen. Nach Ablauf der Probezeit ist der Vertrag ordentlich kündbar nur durch den Praktikanten mit einer Frist von vier Wochen, wenn er die Praktikantentätigkeit aufgeben will. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt für beide Seiten unberührt. Jede Kündigung hat schriftlich unter Angabe der Kündigungsgründe zu erfolgen. §3

Vergütung

Der Praktikant erhält eine monatlich nachträglich fällig werdende Unterhaltsbeihilfe in Höhe von Euro . . . brutto. §4

Urlaub

Der Urlaub des Praktikanten beträgt pro Kalenderjahr 18 Werktage, dh. . . . (Anzahl) Werktage für die gesamte Praktikantenzeit. Die Unterhaltsbeihilfe gemäß § 3 wird während des Urlaubs weiter gewährt. §5

Einsatzzeit

Die Dauer der täglichen Einsatzzeit beträgt . . . Stunden, beginnend um . . . Uhr.

* Der Begriff umfasst sowohl die weibliche als auch die männliche Form. 1 Vgl. auch Vogel in Wurm/Wagner/Zartmann„ M 98.17; Scherer, NZA 1986, 280. Für Praktikanten gelten die §§ 10–23 und 25 BBiG (§ 26 BBiG). Gemäß § 10 Abs. 2 BBiG gelten damit – zu Gunsten des Praktikanten zwingend, § 25 BBiG – grundsätzlich auch die für den Arbeitsvertrag geltenden Vorschriften. Zu Einzelheiten vgl. Einf. Rz. 9 sowie Schade, NZA 20012, 654. 2 Soll das Praktikum als geringfügiges Beschäftigungsverhältnis ausgestaltet sein, sind die entsprechenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen zu beachten, s. Einf Rz. 9 ff. und M 6.3.1. und M 6.3.2.

344 Lingemann

M 8.2

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

§6

Pflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber verpflichtet sich, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten – dem Praktikanten die sein Fachgebiet betreffenden und nach dem Ausbildungsplan erforderlichen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen zu vermitteln; – auf seine Teilnahme an einem theoretischen Unterricht hinzuwirken und die dafür erforderliche Freizeit zu gewähren; – ihm kostenlos erforderliche betriebliche Ausbildungsmittel zur Verfügung zu stellen; – nach Beendigung des Praktikums einen schriftlichen Tätigkeitsnachweis zu erstellen. §7

Pflichten des Praktikanten

Der Praktikant verpflichtet sich, – den Ausbildungsplan einzuhalten und die ihm gebotenen Ausbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen; – die ihm übertragenen Arbeiten gewissenhaft auszuführen; – die Betriebsordnung, die Werkstattordnung und die Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten sowie die Gegenstände des Betriebes sorgsam zu behandeln; – die Interessen des Arbeitgebers zu wahren und über Betriebsvorgänge – auch nach Beendigung des Praktikums – gegenüber Dritten Stillschweigen zu bewahren; – Verhinderungen unter Angabe des Grundes unverzüglich mitzuteilen und im Falle einer Erkrankung bis zum dritten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen; – die vorgesehenen Tätigkeitsberichte zu fertigen und die tägliche Einsatzzeit gemäß § 5 einzuhalten. § 8 Nebenabreden, Schriftform, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Ergänzend vereinbaren die Parteien Folgendes: . . . oder (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.3 3 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14.

Lingemann 345

Kap. 8

8.3

u

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.3

Praktikantenvertrag für Schüler und Studenten (kurze Form)1

Zwischen der Firma . . . und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Student/Studentin) wird Folgendes vereinbart: § 1 Praktikumsgegenstand Der Betrieb verpflichtet sich, dem Studenten/der Studentin während seines/ihres praktischen Studienhalbjahres in der Zeit vom . . . bis . . . entsprechend beiliegendem Ausbildungsplan der Fachhochschule . . . Erfahrungen und Kenntnisse des jeweiligen Fachbereiches zu vermitteln. § 2 Dauer und Kündigung des Praktikums2 Die ersten zwei Wochen, dh. die Zeit bis zum . . ., gelten als Probezeit. Innerhalb dieser Zeit können beide Seiten den Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Tag kündigen. Nach Ablauf der Probezeit ist der Vertrag ordentlich kündbar nur durch den Studenten/die Studentin mit einer Frist von zwei Wochen, wenn er/sie die Praktikantentätigkeit aufgeben will. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt für beide Seiten unberührt. Die Kündigung muss schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. oder Der Praktikumsvertrag kann von beiden Seiten nach Anhörung der Fachhochschule aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Student/die Studentin das Ausbildungsziel aufgibt oder ändert. § 3 Freistellung Der Arbeitgeber wird die zur Verbindung des Studenten/der Studentin mit der Fachhochschule während der Vertragsdauer notwendige Freizeit gewähren und nach Beendigung der praktischen Tätigkeit des Studenten/der Studentin einen schriftlichen Tätigkeitsnachweis ausstellen. 1 Vgl. auch Vogel in Wurm/Wagner/Zartmann, M 98.17; Scherer, NZA 1986, 280; Schade, NJW 2013, 1039. Zu lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten bei Studenten vgl. Einf. Rz. 10. 2 Hirdina, NZA 2008, 916, 917 ff., hält eine Probezeit von vier Wochen bei einer durchschnittlichen Praktikumsdauer von lediglich 18 Wochen für unangemessen lang, auch bewirke eine Frist für die ordentliche Kündigung von vier Wochen durch den Praktikanten eine unangemessen lange Bindung, wenn dieser das Praktikumsziel als nicht mehr erreichbar ansieht. Daher solle je nach angestrebter Dauer des Praktikums ganz auf eine Probezeit bzw. ordentliche Kündigungsmöglichkeit verzichtet werden. Ein ordentliches Kündigungsrecht sollte, wenn überhaupt, nur dem Praktikanten eingeräumt werden. Jedenfalls könne aber auch bei Verzicht auf eine solche ordentliche Kündigungsmöglichkeit die Aufgabe oder Änderung des Ausbildungszieles durch den Praktikanten ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung sein.

346 Lingemann

M 8.4

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

§ 4 Verschwiegenheit Der Student/die Studentin verpflichtet sich, über vertrauliche Betriebsvorgänge und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren, auch nach Beendigung des Praktikums. Bei Fernbleiben wird er/sie den Arbeitgeber unverzüglich benachrichtigen und bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit spätestens am dritten Tage eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. § 5 Vergütung und Urlaub (1) Der Student/die Studentin erhält eine monatlich nachträglich fällig werdende Unterhaltsbeihilfe in Höhe von Euro . . . brutto. (2) Der Urlaub des Studenten/der Studentin beträgt pro Kalenderjahr 18 Werktage, dh. . . . Werktage für die gesamte Praktikumszeit. Die Unterhaltsbeihilfe gemäß Abs. 1 wird während des Urlaubs weiter gewährt. oder Eine Vergütung wird nicht gezahlt. Ein Anspruch auf Urlaub besteht nicht.3 3 Eine Vergütung nach § 26 iVm. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG oder ein Anspruch auf anteiligen Urlaub kann allenfalls ausscheiden, wenn der Praktikant zB bei einem sehr kurzen Aufenthalt im Betrieb (weniger als einen Monat) oder bei passiven Betriebsbesuchen ohne Einbindung in den Arbeitsprozess keinen wirtschaftlich verwertbaren Beitrag zum Betriebsergebnis leistet.

u

Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel1

Zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Arbeitgeber) und dem Arbeitnehmer* wird folgender Fortbildungsvertrag abgeschlossen: §1

Fortbildungsmaßnahme

(1) Der Arbeitnehmer nimmt vom . . . für die Dauer von . . . (zB acht) Monaten an einem Fortbildungskurs für . . . teil. Der Fortbildungskurs besteht aus . . ./(zB acht) Lehreinheiten.2

* Der Begriff umfasst sowohl die weibliche als auch die männliche Form. 1 Vgl. Stück, DStR 2008, 2020, 2024. 2 Die zeitliche Lage der einzelnen Lehreinheiten soll den Vorgaben der Aus- oder Weiterbildungseinrichtung entsprechen, und die vertragliche Vereinbarung darf dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eröffnen, allein nach seinen Interessen die Teilnahme an den jeweiligen Ausoder Weiterbildungsabschnitten oder deren zeitliche Lage festzulegen. Anderenfalls hätte er es in der Hand, den Arbeitnehmer länger als zur ordnungsgemäßen Absolvierung der Ausbildung nötig an sich zu binden und ihn dadurch in seinem beruflichen Fortkommen zu behindern, BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, Rz. 45.

Lingemann 347

8.4

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.4

(2) Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Teilnahme auf eigenen Wunsch des Arbeitnehmers im Interesse seiner beruflichen Fort- und Weiterbildung erfolgt. §2

Fortbildungskosten

(1) Der Arbeitgeber wird den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freistellen. Die Vergütung wird entsprechend dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate berechnet. (2) Die Lehrgangskosten, bestehend aus3 – Unterrichtsgebühr (Höhe pro Lehreinheit Euro . . .), – Unterbringungskosten (Höhe pro Übernachtung Euro . . .), – Verpflegungskosten (Höhe pro Tag Euro . . .), sowie – An- und Abreisekosten (Höhe pauschal Euro 0,30 je gefahrenem Kilometer)4 übernimmt der Arbeitgeber. §3

Rückzahlungspflicht5

(1) Hat der Arbeitgeber unter Fortzahlung der Bezüge die in § 2 genannten Lehrgangskosten übernommen, so ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Bezüge – mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung6 – und der Lehrgangskosten verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von . . . (zB zwei)7 Jahren nach dem Ende des Lehrgangs, dh. dem Ende der letzten Lehreinheit/nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird,8 auf eigenen Wunsch oder aus seinemVerschulden aus dem Dienstverhältnis zum Arbeitgeber ausscheidet.9, 10 3 Anzugeben ist zumindest die ungefähre Höhe der voraussichtlich anfallenden Kosten, vgl. BAG v. 21.8.2012, NZA 2012, 1428, 1430. Eine pauschale Angabe wäre unzulässig, sofern nicht die Zusammensetzung des Betrags transparent gemacht und darüber hinaus dem Vertragspartner die Möglichkeit eingeräumt wird, den Nachweis zu führen, dass tatsächlich nur Kosten in niedrigerer Höhe entstanden sind, LAG Köln v. 27.5.2010, NZA-RR 2011, 11. Ist die Höhe in der Vereinbarung nicht hinreichend bestimmt, bleibt die Fortbildungsvereinbarung im Übrigen wirksam, es besteht jedoch kein Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers als Klauselverwender, auch nicht aus Bereicherungsrecht, BAG v. 21.8.2012, NZA 2012, 1428. 4 Vgl. BAG v. 21.8.2012, NZA 2012, 1428, 1430. 5 Zur Umgehung durch Darlehenskonstruktion vgl. LAG Schl.-Holst. v. 25.5.2005, BB 2006, 560; ferner BGH v. 17.9.2009, NZA 2010, 37; zur Frage der Rückzahlungsverpflichtung im Fall des Nichterreichens des Aus- und Fortbildungsziels s. Straube, NZA-RR 2012, 505, 507. 6 Vgl. Lakies, ArbR Aktuell 2012, 216 unter III. 4. 7 Zur zulässigen Bindungsdauer in AGB v. Einf. Rz. 20. 8 Letztere Voraussetzung hat das BAG im Urteil v. 19.1.2011, NZA 2012, 85 jedenfalls für eine Rückzahlungsklausel bei einer Sparkassenfachprüfung akzeptiert. 9 Diese Formulierung im letzten Halbsatz hat das BAG im Urteil v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, Rz. 25 gebilligt und ausgeführt: „§ . . . der Lehrgangsvereinbarung knüpft die Verpflichtung zur Rückzahlung an das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis „auf eigenen Wunsch“ oder „aus seinem Verschulden“. Beide Voraussetzungen betreffen ausschließlich die Sphäre des Beklagten. Damit war für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar, dass er dann nicht mit Ausbildungskosten belastet werden sollte, wenn er sich wegen eines Fehlverhaltens des Klägers als zur Eigenkündigung berechtigt ansehen durfte oder wenn der Kläger aus betriebsdingen Gründen das Arbeitsverhältnis beendete“. Vgl. auch BAG v. 5.6.2007, NZA-RR 2008, 107.

348 Lingemann

M 8.4

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

oder (1) Hat der Arbeitgeber unter Fortzahlung der Bezüge die in § 2 genannten Lehrgangskosten übernommen, so ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Bezüge – mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung11 – und der Lehrgangskosten verpflichtet, wenn innerhalb von . . . (zB zwei)12 Jahren nach dem Ende des Lehrgangs, dh. dem Ende der letzten Lehreinheit/nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird13 – dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird, – der Arbeitnehmer selbst kündigt, ohne dass ihn Gründe aus der Sphäre des Arbeitgebers (zB ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers) dazu veranlasst haben, oder – ein Aufhebungsvertrag14 infolge von verhaltensbedingten Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers geschlossen wird.15 (2) Der zurückzuzahlende Betrag vermindert sich innerhalb eines Zeitraumes von (zB zwei)16 Jahren für jeden vollen Monat, den der Arbeitnehmer nach dem Ende des Lehrgangs/nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird17, im Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber verbracht hat,18 um . . . (zB 1/ 24 ).19 Der hiernach verbleibende Restbetrag ist zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur sofortigen Rückzahlung fällig.20 (3)21 Hat der Arbeitgeber unter Fortzahlung der Bezüge die in § 2 genannten Lehrgangskosten übernommen, so ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Bezüge – mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung22 – und der Lehrgangskosten auch dann verpflichtet, wenn er auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden 10 Eine Rückzahlungsverpflichtung, die auch bei Beendigungsgründen greift, die in die Sphäre des Arbeitgebers fallen, ist unwirksam, denn sie benachteiligt den Arbeitnehmer gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen. Auf Grund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion wäre die Klausel dann insgesamt unwirksam und würde nicht auf den wirksamen Kern zurückgeführt, BAG v. 13.12.2011, NZA 2012, 738; v. 19.1.2011, NZA 2012, 85; v. 11.4.2006, NZA 2006, 1043. Vgl. auch Einf. Rz. 12 ff. sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rückzahlungsklausel“, Rz. 121 ff. 11 Vgl. Lakies, ArbR Aktuell 2012, 216 unter III. 4. 12 Zur zulässigen Bindungsdauer in AGB s. Einf. Rz. 20. 13 Letztere Voraussetzungen hat das BAG im Urteil v. 19.1.2011, NZA 2012, 85 jedenfalls für eine Rückzahlungsklausel bei einer Sparkassenfachprüfung akzeptiert. 14 Zur Rückzahlungsverpflichtung bei Beendigung durch Aufhebungsvertrag Düwell/Ebeling, DB 2008, 406, 409. 15 Der Formulierungsvorschlag orientiert sich an Düwell/Ebeling, DB 2008, 406, 410. Rechtsprechung des BAG zu speziell dieser Formulierung gibt es bisher nicht. 16 Zur zulässigen Bindungsdauer in AGB s. Einf. Rz. 20. 17 Letztere Voraussetzung hat das BAG im Urteil v. 19.1.2011, NZA 2012, 85 jedenfalls für eine Rückzahlungsklausel bei einer Sparkassenfachprüfung akzeptiert. 18 Zu einer Kürzung des Rückzahlungsbetrages in Raten Düwell/Ebeling, DB 2008 406, 410; LAG Hamm v. 9.3.2012, BeckRS 2012, 69038. 19 Zur zulässigen Bindungsdauer und damit auch der zulässigen zeitanteiligen Rückzahlungspflicht in AGB – hier 1/24 pro Monat bei zweijähriger Bindungsdauer – s. Einf. Rz. 20. 20 Vgl. BAG v. 5.6.2007, NZA-RR 2008, 107. 21 Zur Rückzahlungsverpflichtung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Abschluss der Aus- oder Weiterbildung s. BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85. 22 Vgl. Lakies, ArbR Aktuell 2012, 216 unter III. 4.

Lingemann 349

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

a) die Anmeldung zum Lehrgang zurückzieht, aus dem Lehrgang ausscheidet oder ausgeschlossen wird, b) die Abschlussprüfung zu dem Lehrgang nicht ablegt oder c) aus dem Arbeitsverhältnis vor Abschluss des Lehrganges/vor Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird23, ausscheidet. (4) Der nach Abs. 3 zurückzuzahlende Betrag ist beschränkt auf die Bezüge und Lehrgangskosten gemäß Abs. 3, die dem Arbeitgeber bis zu dem in Abs. 3 lit a) bis c) genannten Ereignis entstanden sind.24 23 Letztere Voraussetzung hat das BAG im Urteil v. 19.1.2011, NZA 2012, 85 jedenfalls für die Rückzahlungsklausel bei einer Sparkassenfachprüfung akzeptiert. 24 Eine solche Einschränkung enthielt die Regelung im Fall des BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, nicht. Gleichwohl hielt das BAG die dortige Regelung für wirksam. Wir halten eine solchen Einschränkung jedoch für ratsam (vgl. auch den Jahresbericht des BAG für 2011, S. 25).

N N Q NNNN

Kapitel 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Literaturübersicht: Zur Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer: Bartsch, Softwarerechte bei Projekt- und Pflegeverträgen, CR 2012, 141; Bauer/Baeck/Schuster, Scheinselbständigkeit – Kriterien und Auswege, 2000; Bauer/Diller/Lorenzen, Das neue Gesetz zur „Scheinselbständigkeit“, NZA 1999, 169; Bauer/Diller/Schuster, Das Korrekturgesetz zur „Scheinselbständigkeit“, NZA 1999, 1297; Bauschke, Freie Mitarbeit, AR-Blattei, SD 720; Bisson/Schwab, Beschäftigung Scheinselbständiger, AuA 2005, Nr. 5, 276; Bodem, Abwicklung gescheiterter freier Mitarbeiterverhältnisse aus arbeits-, sozial-, steuer- und strafrechtlicher Sicht, ArbR Aktuell 2012, 213; Bodem, Ernsthafte Konsequenzen bei falschen „Freien“, AuA 2009, 538; Bruns, Der Einfluss der Rundfunkfreiheit auf das Arbeitsrecht, RdA 2008, 135; Buschbaum/Klösel, Interim Management aus Sicht der arbeitsrechtlichen Vertragspraxis, NJW 2012, 1482; Dißars, Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Person/Selbständiger: Abgrenzung, StWK Gruppe 19, 607; Eggert, Die Berufssituation von angestellten und frei mitarbeitenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich, BRAK-Mitt. 2010, 2; Erichsen, Vermeidung von Scheinselbständigkeit, sj 2009, Nr. 21, 34; Freckmann, Freie Mitarbeiter wieder im Trend – Flucht aus der Leiharbeit, DB 2013, 459; Greiner, Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung – Abgrenzungsfragen und aktuelle Rechtspolitik, NZA 2013, 697; Greiner, Die Ich-AG als Arbeitnehmer, BB 2003, 1058; Grobys, Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen, NJW-Spezial 2005, 81; Hochrathner, Die Statusrechtsprechung des 5. Senats des BAG seit 1994, NZA-RR 2001, 561; Hohmeister/ Goretzki, Verträge über freie Mitarbeit, 2. Aufl. 2000; Karthaus/Klebe, Betriebsratsrechte bei Werkverträgen, NZA 2012, 417; Lingemann/Winkel, Der Rechtsanwalt als freier Mitarbeiter, NJW 2010, 38 (Teil 1) und NJW 2010, 208 (Teil 2); Maiß, Das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV, ArbR Aktuell 2011, 9; Marburger, Neue Rechtsentwicklung in Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren, WzS 2012, 9; Marburger, Das Anfrageverfahren, Die Beiträge 2008, 129; Moll, Scheinselbständigkeit und geringfügige Beschäftigung, DStR 2003, Heft 34, XVII; Niebler/ Meier/Dubber, Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter?, 2. Aufl. 1995; Niepalla/Dütemeyer, Die vergangenheitsbezogene Geltendmachung des Arbeitnehmerstatus und Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers, NZA 2002, 712; Obenhaus, Umsatzsteuerliche Konsequenzen verdeckter Arbeitsverhältnisse, BB 2012, 1130; Ohle, Die Haushaltshilfe, ArbRB 2006, 309; Ohle, Statusver-

350 Lingemann

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

a) die Anmeldung zum Lehrgang zurückzieht, aus dem Lehrgang ausscheidet oder ausgeschlossen wird, b) die Abschlussprüfung zu dem Lehrgang nicht ablegt oder c) aus dem Arbeitsverhältnis vor Abschluss des Lehrganges/vor Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird23, ausscheidet. (4) Der nach Abs. 3 zurückzuzahlende Betrag ist beschränkt auf die Bezüge und Lehrgangskosten gemäß Abs. 3, die dem Arbeitgeber bis zu dem in Abs. 3 lit a) bis c) genannten Ereignis entstanden sind.24 23 Letztere Voraussetzung hat das BAG im Urteil v. 19.1.2011, NZA 2012, 85 jedenfalls für die Rückzahlungsklausel bei einer Sparkassenfachprüfung akzeptiert. 24 Eine solche Einschränkung enthielt die Regelung im Fall des BAG v. 19.1.2011, NZA 2012, 85, nicht. Gleichwohl hielt das BAG die dortige Regelung für wirksam. Wir halten eine solchen Einschränkung jedoch für ratsam (vgl. auch den Jahresbericht des BAG für 2011, S. 25).

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Kapitel 9

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Literaturübersicht: Zur Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer: Bartsch, Softwarerechte bei Projekt- und Pflegeverträgen, CR 2012, 141; Bauer/Baeck/Schuster, Scheinselbständigkeit – Kriterien und Auswege, 2000; Bauer/Diller/Lorenzen, Das neue Gesetz zur „Scheinselbständigkeit“, NZA 1999, 169; Bauer/Diller/Schuster, Das Korrekturgesetz zur „Scheinselbständigkeit“, NZA 1999, 1297; Bauschke, Freie Mitarbeit, AR-Blattei, SD 720; Bisson/Schwab, Beschäftigung Scheinselbständiger, AuA 2005, Nr. 5, 276; Bodem, Abwicklung gescheiterter freier Mitarbeiterverhältnisse aus arbeits-, sozial-, steuer- und strafrechtlicher Sicht, ArbR Aktuell 2012, 213; Bodem, Ernsthafte Konsequenzen bei falschen „Freien“, AuA 2009, 538; Bruns, Der Einfluss der Rundfunkfreiheit auf das Arbeitsrecht, RdA 2008, 135; Buschbaum/Klösel, Interim Management aus Sicht der arbeitsrechtlichen Vertragspraxis, NJW 2012, 1482; Dißars, Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Person/Selbständiger: Abgrenzung, StWK Gruppe 19, 607; Eggert, Die Berufssituation von angestellten und frei mitarbeitenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich, BRAK-Mitt. 2010, 2; Erichsen, Vermeidung von Scheinselbständigkeit, sj 2009, Nr. 21, 34; Freckmann, Freie Mitarbeiter wieder im Trend – Flucht aus der Leiharbeit, DB 2013, 459; Greiner, Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung – Abgrenzungsfragen und aktuelle Rechtspolitik, NZA 2013, 697; Greiner, Die Ich-AG als Arbeitnehmer, BB 2003, 1058; Grobys, Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen, NJW-Spezial 2005, 81; Hochrathner, Die Statusrechtsprechung des 5. Senats des BAG seit 1994, NZA-RR 2001, 561; Hohmeister/ Goretzki, Verträge über freie Mitarbeit, 2. Aufl. 2000; Karthaus/Klebe, Betriebsratsrechte bei Werkverträgen, NZA 2012, 417; Lingemann/Winkel, Der Rechtsanwalt als freier Mitarbeiter, NJW 2010, 38 (Teil 1) und NJW 2010, 208 (Teil 2); Maiß, Das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV, ArbR Aktuell 2011, 9; Marburger, Neue Rechtsentwicklung in Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren, WzS 2012, 9; Marburger, Das Anfrageverfahren, Die Beiträge 2008, 129; Moll, Scheinselbständigkeit und geringfügige Beschäftigung, DStR 2003, Heft 34, XVII; Niebler/ Meier/Dubber, Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter?, 2. Aufl. 1995; Niepalla/Dütemeyer, Die vergangenheitsbezogene Geltendmachung des Arbeitnehmerstatus und Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers, NZA 2002, 712; Obenhaus, Umsatzsteuerliche Konsequenzen verdeckter Arbeitsverhältnisse, BB 2012, 1130; Ohle, Die Haushaltshilfe, ArbRB 2006, 309; Ohle, Statusver-

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Kap. 9

fahren von freien Mitarbeitern bei Presse, Rundfunk und Fernsehen, ArbRB 2006, 371; Powietzka/Bölz, Scheinselbstständigkeit von Honorarärzten in Kliniken, KrV 2012, 137; Rebhahn, Der Arbeitnehmerbegriff in vergleichender Perspektive, RdA 2009, 154; Reiserer, Wege aus dem Arbeitsverhältnis in die Selbständigkeit – Freie Mitarbeit richtig gestalten, in FS 25 Jahre ARGE Arbeitsrecht im DAV, 2006, S. 545; Reiserer, Die freie Mitarbeit wird wieder hoffähig, BB 2003, 1557; Reiserer/Freckmann, Scheinselbständigkeit – heute noch ein schillernder Rechtsbegriff, NJW 2003, 180; Retemeyer/Möller, „Scheinselbständigkeit“ und strafrechtliche Konsequenzen, BDZ 2010, R 1–F 6; Schmidt-Rolfes in Maschmann/Sieg/Göpfert, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012, S. 656 ff.; Sommer, Das Ende der Scheinselbständigkeit?, NZS 2003, 169; Spatschek/Talaska, Strafrechtliche Gefahren des freien Mitarbeiters, AnwBl 2010, 203; Van Venrooy, Missbrauch des Dienstverschaffungsvertrags – Selbstständigen-„Contracting“ – ein Irrweg, NZA 2011, 670; von Westphalen/Schneider, Software-Erstellungsverträge, 2006; Willemsen/ Müntefering, Begriff und Rechtsstellung arbeitnehmerähnlicher Personen: Versuch einer Präzisierung, NZA 2008, 193; Worzalla, Arbeitsverhältnis, Selbständigkeit, Scheinselbständigkeit, 1996. Zum Beratervertrag/Interimsmanagement: Vgl. die Nachweise zur Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer. Zum Handelsvertretervertrag: Abrahamczik, Handelsvertretervertrag, 3. Aufl. 2007; Alff/Ball, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2002; Budde, Das Ende der Einstandszahlung im Handelsvertreterrecht?, DB 2005, 2177; Eberstein, Der Handelsvertretervertrag, 9. Aufl. 2008; Emde, BBRechtsprechungs- und Literaturübersicht zum Vertriebsrecht des Jahres 2011, BB 2012, 3029; Emde, Das Handelsvertreterausgleichsrecht muss neu geschrieben werden, DStR 2009, 1478; Emde, Der Ausgleichsanspruch des Lizenznehmers analog § 89b HGB, WRP 2006, 449; Emde, Zum arbeitnehmerähnlichen Handelsvertreter, EWiR 2005, 505; Emde, Zum Schadensersatzanspruch nach HGB § 89a Abs. 2 Nr. 1, EWiR 2004, 557; Emde, Wege zur vereinfachten Berechnung des Handelsvertreterausgleichs (§ 89b HGB), VersR 2006, 1592; Emde/Kelm, Der Handelsvertretervertrag in der Insolvenz des Unternehmers, ZIP 2005, 58; Enders, Der Handelsvertreter im modernen Schuldrecht, ZGS 2006, 462; Fock, Die europäische HandelsvertreterRichtlinie, 2001; Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009; Hübsch/Hübsch, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Handelsvertreterrecht, WM 2005, Sonderbeilage Nr. 1, 2; Kapp/Schumacher, Die Delkredere-Haftung des Handelsvertreters im Kartellrecht, EuZW 2008, 167; Kiene, Der Verkauf einer Handelsvertretung, NJW 2006, 2007; Kroll, Provisionsänderungs- und Stornoklauseln zu Lasten des Kundenvermittlers, CR 2009, 147; Küstner, Wie frei ist der freigestellte Vertreter?, VW 2009, 361; Küstner, Der Einfluss einer unternehmensfinanzierten Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch im Handelsvertreterrecht, ZAP Fach 15, 493; Küstner, Das neue Recht des Handelsvertreters, 5. Aufl. 2010; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. I, 4. Aufl. 2012; Bd. II, 8. Aufl. 2008, Bd. III, 3. Aufl. 2009; Leising, Der Buchauszug als Druckmittel des Handelsvertreters, sj 2006, 43; Martinek/Bergmann, Künstler-Präsentanten, -Agenten und -Manager als Handelsvertreter – Konkurrenzvertretung und Interessenwahrnehmung als Grundlagenprobleme des Handelsvertreterrechts, WRP 2006, 1047; Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 3. Aufl. 2009; Nolte, Renaissance des Handelsvertretervertriebes?, WuW 2006, 252; Otto, Zahlungen auf den Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89b HGB: Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts, BB 2005, 1324; Schipper, Verletzung vorvertraglicher Wahrheits- und Aufklärungspflichten des Unternehmers bei Handelsvertreterverträgen und ihre Folgen, NJW 2007, 734; Sonnenschein, Zwingende Vorschriften im Handelsvertreterrecht, FS Boujong, 1996, S. 481; Stötter, Das Recht der Handelsvertreter, 6. Aufl. 2007; Ströbl, Der Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB in der Telekommunikationsbranche, BB 2013, 1027; Thume, Die Bedeutung des Kundenstammes im Vertriebsrecht, BB 2009, 1026; Thume, Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Grenzen der Vertragsgestaltung, BB 2012, 975; Thume, Der alte und neue Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters und der anderen Vertriebsmittler, VersR 2012, 665; Thume, Das Handelsvertreterrecht in Deutschland, IHR 2006, 191; Westphal, Einstandszahlungen des Handelsvertreters, MDR 2005, 421; Westphal, Handelsvertretervertrag, 2. Aufl. 2000; von Westphalen, Handbuch des Handelsvertreterrechts in EU-Staaten und der Schweiz, 1995. Zur Heimarbeit: Brandl, Telearbeit, AiB 2004, 349; Engelhardt, Kleine Tele-Heimarbeit, AiB 2006, 696; Fenski, Außerbetriebliche Arbeitsverhältnisse, 2. Aufl. 2000; Grobys, Besondere Be-

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schäftigungsformen im Arbeitsrecht, NJW-Spezial 2006, 33; Hansen, Der sozialversicherungsrechtliche Status von Telearbeit – Teil 3, Die Beiträge 2009, 321; Herrmann, Organisation in virtuellen Teams, AuA 2004, Nr. 9, 28; Mehrle, Heimarbeitsrecht, AR-Blattei, Heimarbeit I, AR-Blattei, SD 910; Otten, Heimarbeitsrecht, 3. Aufl. 2012; Schmechel, Die Rolle des Betriebsrats bei der Einführung und Durchführung von Telearbeit, NZA 2004, 237; Wank, Telearbeit, AR-Blattei, SD 1565; Wank, Telearbeit, NZA 1999, 225; Wedde, Telearbeit, 3. Aufl. 2002.

I. Einführung 1

Neben dem Arbeitsverhältnis gibt es freie Dienstverhältnisse. Der entscheidende Unterschied zum Arbeitsverhältnis liegt gemäß dem Rechtsgedanken des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB darin, dass die Dienst- oder Auftragnehmer nicht persönlich abhängig sind.

1. Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer1 (M 9.1.1–9.1.6) 2

Während bis zum 31.12.1998 die Abgrenzungskriterien zwischen freier Mitarbeit und Arbeitnehmerstellung im Arbeitsrecht, Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht sehr ähnlich gewesen waren, schufen die dann folgenden Neufassungen des § 7 Abs. 4 SGB IV für das Sozialversicherungsrecht eine Abweichung, deren Bedeutung sich allerdings möglicherweise auf Verfahrensregeln beschränkte. Seit dem 1.1.2003 gilt für die Abgrenzung wieder § 7 Abs. 1 SGB IV. Die Vermutungsregelung für eine abhängige Beschäftigung in § 7 Abs. 4 SGB IV aF ist abgeschafft. Damit gelten für die arbeitsrechtliche, steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Abgrenzung wieder im Wesentlichen die gleichen Kriterien. Jedoch besteht zwischen den Gerichtsbarkeiten keine rechtliche Bindungswirkung für die Einstufung des Beschäftigten, sodass insofern abweichende Beurteilungen möglich sind.2 a) Abgrenzungskriterien

3

Zur Abgrenzung sind in einem ersten Schritt eine Vielzahl von Kriterien zu prüfen, die Indizwirkung haben. Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung sind in einem zweiten Schritt die Kriterien zu gewichten zur Feststellung, ob der Betreffende Arbeitnehmer oder Selbständiger/freier Mitarbeiter ist.

4

Nach der Rechtsprechung des BAG unterscheidet sich der Arbeitnehmer vom Selbständigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit:3

5

„Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistungen im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. (. . .) Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann. (. . .) Für die Abgrenzung von Bedeutung sind demnach in erster Linie Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht die Modalitäten der Bezahlung oder die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung. (. . .) 1 Ein Überblick über Einzelfälle, in denen die Arbeitnehmereigenschaft bejaht bzw. verneint worden ist, findet sich bei PWW/Lingemann, § 611 BGB Rz. 21 ff. 2 BFH v. 20.10.2010, NZA 2011, 502. 3 Zuletzt BAG v. 29.8.2012, NZA 2012, 1433; v. 15.2.2012, NJW 2012, 2903.

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Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien lassen sich nicht aufstellen. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses (freien Mitarbeiterverhältnisses) erbracht werden. Umgekehrt gibt es Tätigkeiten, die regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses kann also auch aus Art oder Organisation der Tätigkeit folgen.“4

6

Ob ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis besteht, hängt grundsätzlich allein davon ab, wie die Beteiligten ihre Zusammenarbeit tatsächlich ausgestalten. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gestattet es nicht, ein Beschäftigungsverhältnis, das auf Grund objektiver Würdigung der Einzelumstände als Arbeitsverhältnis zu beurteilen ist, als Dienstvertragsverhältnis eines freien Mitarbeiters bzw. als Auftrag eines Selbständigen zu vereinbaren. Im Rahmen der objektiven Würdigung der Einzelumstände ist sowohl auf den Vertragswortlaut als auch auf die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses abzustellen5. Widersprechen sich der schriftliche Vertrag und die tatsächliche Durchführung des Vertrags, ist Letztere maßgebend.6

7

Allerdings: Lässt sich auf Grund des Vertrages und der praktischen Durchführung keine eindeutige Klärung herbeiführen, handelt es sich also um einen Grenzfall, so entscheidet der im Vertrag niedergelegte Wille der Parteien.7

8

Zur Abgrenzung dienen insbesondere folgende Kriterien:

9

– Die Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Tätigkeit ist wohl das wichtigste Abgrenzungskriterium zwischen freier Mitarbeit und Arbeitsverhältnis. Je weniger der Beschäftigte die Umstände seiner Arbeit selbst bestimmen kann, desto eher liegt ein Arbeitsverhältnis vor.8 Der Vertragsgegenstand muss daher im freien Mitarbeiterverhältnis so genau bezeichnet sein, dass Weisungen weitestgehend entbehrlich sind. – Ist der Beschäftigte in eine Betriebsorganisation eingegliedert, also bei seiner Tätigkeit von anderen Mitarbeitern oder vom technischen Apparat des Dienstherrn abhängig, so spricht dies für ein Arbeitsverhältnis.9 4 Ständige Rechtsprechung, vgl. BAG v. 15.2.2012, NJW 2012, 2903; v. 14.3.2007, NZA-RR 2007, 424; v. 25.5.2005, BAGE 115, 1, 7 f.; v. 12.12.2001, NZA 2002, 787, 788; v. 30.11.1994, AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit; v. 12.6.1996, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Werkstudent; v. 12.9.1996, AP Nr. 122 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; v. 16.7.1997 – 5 AZR 312/96, zT abgedruckt in DB 1997, 2437. 5 BSG v. 29.8.2012, NZA-RR 2013, 252. 6 Vgl. BAG v. 29.8.2012, NZA 2012, 1433; v. 20.5.2009, FD-ArbR 2009, 285493; v. 3.4.1990, AP Nr. 58 zu § 611 BGB Abhängigkeit; v. 21.1.1998, NZA 1998, 594; v. 20.8.2003, NZA 2004, 39 f.; v. 25.5.2005, BAGE 115, 1, 8; v. 14.3.2007, NZA-RR 2007, 424. 7 BSG v. 14.5.1981, BB 1981, 1581; v. 9.6.2010, NZA 2010, 877. 8 BAG v. 9.9.1981, DB 1981, 2500; v. 9.5.1984, DB 1984, 2203; v. 16.3.1994, NZA 1994, 1132; v. 20.8.2003, NZA 2004, 39; v. 14.3.2007, NZA-RR 2007, 424, 427; v. 11.11.2008, NZA 2009, 450, 452. 9 BSG v. 16.3.1972, NJW 1972, 1912; v. 22.11.1973, AP Nr. 11 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG v. 28.6.1973, DB 1973, 1804; v. 3.10.1975, DB 1976, 392; v. 29.5.2002, NZA 2002, 1232 zum VHS-Dozenten; v. 19.1.2000, NZA 2000, 1102; v. 25.5.2005, BAGE 115, 1, 10; v. 15.2.2012, NZA 2012, 731 zum Lehrer; LAG Hessen v. 20.2.2012, FA 2012, 237 zur Arbeitnehmereigenschaft eines angestellten Rechtsanwaltes; LAG Rheinland-Pfalz v. 27.5.2011, AE 2011, 216 im Hinblick auf eine studentische Hilfskraft.

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– Ein eingerichteter Arbeitsplatz, der dem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt wird, ist ein Indiz für ein Arbeitsverhältnis. Umgekehrt spricht es für Selbständigkeit, wenn der Beschäftigte selbst sein Arbeitsgerät bereitzustellen hat.10 – Eine die ganze Arbeitskraft des Beschäftigten bindende Tätigkeit soll nach der Rechtsprechung für ein Arbeitsverhältnis sprechen. Darf der Beschäftigte dagegen uneingeschränkt Nebentätigkeiten ausüben, so spricht dies für Selbständigkeit.11 – Die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ist ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Nach § 613 Satz 1 BGB hat der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch „im Zweifel“ in Person zu leisten: „Da ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarungen, wonach die Dienstleistungen nicht persönlich zu erbringen sein sollen, in Arbeitsverträgen selten sind, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung höchstpersönlich zu erbringen haben. Ist der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, so steht ihm ein eigener Gestaltungsspielraum zu, der gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht.“12 Ohne Verpflichtung zur höchstpersönlichen Tätigkeit kommt ein Arbeitsverhältnis daher nur in Betracht, wenn „die persönliche Leistungserbringung die Regel und die Leistungserbringung durch einen Dritten eine seltene Ausnahme darstellt, die das Gesamtbild der Tätigkeit nicht nennenswert verändert.“13 Muss der Beschäftigte die Tätigkeit also nicht selbst ausführen, sondern kann er sich nach seinem Ermessen von anderen Personen vertreten lassen, so ist dies ein wichtiges Indiz für Selbständigkeit.14 – Trägt der Beschäftigte kein eigenes Unternehmerrisiko, so spricht dies für eine Arbeitnehmereigenschaft. Auf der anderen Seite begründet ein erhebliches Unternehmerrisiko des Dienstverpflichteten eine Vermutung dafür, dass er selbständig ist. Dies gilt jedenfalls, wenn dem Risiko auch unternehmerische Chancen gegenüberstehen.15 Auch eine fehlende Erwerbsabsicht kann im Rahmen der Gesamtwürdigung gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses sprechen.16 – Eine enge Bindung der Vergütung an den tatsächlichen Erfolg der Tätigkeit spricht gegen ein Arbeitsverhältnis;17 allerdings misst das BAG diesem Kriterium nur noch geringere Bedeutung bei.18 „Für die Abgrenzung von Bedeutung sind daher in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht die Modalitäten der Bezahlung.“19 10 BAG v. 3.10.1975, DB 1976, 392; v. 9.5.1984, DB 1984, 2203. 11 BAG v. 12.2.1958, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten. 12 So wörtlich BAG v. 19.11.1997, DB 1998, 624, bestätigt durch BAG v. 20.12.2001, NZA 2002, 787. 13 BAG v. 19.11.1997, DB 1998, 624. 14 BAG v. 21.1.1966, AP Nr. 2 zu § 92 HGB; v. 19.11.1997, DB 1998, 624; v. 12.12.2001, NZA 2002, 787; vgl. auch BAG v. 25.5.2005, BAGE, 115, 1, 9. 15 BSG v. 12.12.1990, NZA 1991, 907; vgl. auch FG Schleswig-Holstein v. 19.4.2005 – 3 K 88/03. 16 BAG v. 29.8.2012, NZA 2012, 1433 zur Frage der Arbeitnehmereigenschaft einer ehrenamtlichen Tätigkeit als Seelsorgerin. 17 BSG v. 25.9.1981, BB 1982, 806. 18 Vgl. BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 60 zu § 611 BGB Abhängigkeit – unter III 4b der Entscheidungsgründe. 19 BAG v. 16.7.1997, DB 1997, 2437; v. 14.3.2007, NZA-RR 2007, 424.

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– Die Überwachung des Beschäftigten spricht für ein Arbeitsverhältnis durch seinen Dienstherrn, wenn daran auch nachteilige Konsequenzen für den Dienstnehmer geknüpft sind. Ansonsten ist eine Qualitätskontrolle Bestandteil eines jeden freien Vertragsverhältnisses und kein Indiz für ein Arbeitsverhältnis. „Mit einer Kontrolle der Qualität seiner Arbeit muss auch der freie Mitarbeiter rechnen.“20 – Für Selbständigkeit spricht, wenn der Beschäftigte – zB innerhalb eines Rahmenvertrages – jeweils frei entscheiden kann, ob er einen bestimmten Auftrag seines Dienstherrn annimmt. Hat er sich dagegen pauschal dazu verpflichtet, alle ihm vom Dienstherrn/Auftraggeber zugewiesenen Aufträge auszuführen, so spricht dies für ein Arbeitsverhältnis.21 – Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses erbracht werden.22 Umgekehrt gibt es Tätigkeiten, die regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können.23 Bei untergeordneten, einfachen Arbeiten ist eher eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation anzunehmen als bei gehobenen Tätigkeiten.24 – Die Berufung auf einen Arbeitnehmerstatus verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der Kläger trotz erfolgreicher Statusklage auf eigenen Wunsch mit dem Arbeitgeber einen Vertrag abschließt, durch den das Arbeitsverhältnis aufgehoben wird, um wieder als freier Mitarbeiter tätig zu werden, später jedoch erneut die Feststellung verlangt, es habe ungeachtet des Aufhebungsvertrags ein Arbeitsverhältnis bestanden.25 Genauso handelt ein Dienstnehmer missbräuchlich, wenn er sich jahrelang allen Versuchen des Dienstgebers widersetzt hat, zu ihm in ein Arbeitsverhältnis zu treten, sich später aber nachträglich darauf beruft, Arbeitnehmer gewesen zu sein.26 – Ob auch die Berufung auf eine Arbeitnehmereigenschaft rechtsmissbräuchlich ist, wenn der Mitarbeiter auf eigenen Wunsch nur freier Mitarbeiter sein wollte, hat das BAG mit Urteil vom 21.1.199827 offen gelassen. Die Entscheidung deutet jedoch darauf hin, dass auch dieser Einwand bei entsprechend substantiiertem Vortrag durchaus von Bedeutung ist. Ein klares Indiz für freie Mitarbeit liegt sicherlich vor, wenn der Dienstnehmer sich in freier und unbeeinflusster Weise für dieses Rechtsverhältnis entschieden hat und er nicht dazu bereit gewesen wäre, dieselbe Tätigkeit zu den Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses mit der branchen- oder tarifüblichen Vergütung zu verrichten.28 – Die Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses trägt jedenfalls im Kündigungsschutzprozess der Arbeitnehmer.29 20 BAG v. 14.3.2007, NZA-RR 2007, 424, 427; v. 19.1.2000, NZA 2000, 1102; v. 13.5.1992, RzK I 4a Nr. 51. 21 BAG v. 29.1.1992, NZA 1992, 835; v. 16.6.1998. DB 1998, 2276. 22 Für die Statusbeurteilung kann dann der Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus Indizwirkung beigemessen werden (BAG v. 9.6.2010, NZA 2010, 877). 23 BAG v. 30.11.1994, AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 24 BFH v. 14.6.1985, BFHE 144, 225; v. 24.7.1992, BFHE 169, 154; BAG v. 16.7.1997, DB 1997, 2437; v. 15.12.1999, NZA 2000, 447. 25 BAG v. 11.12.1996, NJW 1997, 2617; vgl. auch BAG v. 4.12.2002, NZA 2003, 341. 26 BAG v. 11.12.1996, NJW 1997, 2618; vgl. auch BAG v. 4.12.2002, NZA 2003, 341. 27 BAG v. 21.1.1998, NZA 1998, 595, 597 unter V. der Entscheidungsgründe; vgl. dazu auch BAG v. 4.12.2002, NZA 2003, 341. 28 Vgl. auch ArbG Passau v. 13.3.1998, BB 1998, 1266. 29 BAG v. 20.8.2003, NZA 2004, 39, 40.

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b) Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten 10

Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten bestehen u.a. durch die Einrichtung des Gründungszuschusses (Rz. 11 ff.), den Status arbeitnehmerähnlicher Selbständiger (Rz. 14) und das Anfrageverfahren (Rz. 15 ff.). aa) Gründungszuschuss30

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Ziel des Gründungszuschusses ist es, die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu fördern und Schwarzarbeit abzubauen. Durch Existenzgründungen und die daraus resultierende mögliche Einrichtung zusätzlicher Arbeitsplätze soll die Arbeitslosigkeit vermindert werden. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt sind §§ 57, 58 SGB III aF als §§ 93, 94 SGB III neu gefasst worden, wobei im Wesentlichen die maßgeblichen Zeit- und Bezugsräume geändert wurden sowie aus der Anspruchsnorm eine Ermessensnorm gemacht wurde.31 Die vormaligen Regelungen zur sog. Ich-AG32 (§ 421l Abs. 1 SGB III aF) sind darüber hinaus ersatzlos weggefallen.33

11a

Gründungszuschuss kann gemäß §§ 93 f. SGB III gewährt werden, wenn der Arbeitnehmer 1. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für mindestens 150 Tage besitzt, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung nachweist und 3. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.

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Ob der Gründungszuschuss gewährt wird, liegt im Ermessen der Arbeitsagentur. Dabei soll geprüft werden, ob die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit im Vergleich zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung die effektivere und effizientere Variante zur Beendigung der Arbeitslosigkeit ist.34 Die Höhe des möglichen Zuschusses richtet sich gemäß § 94 Abs. 1 SGB III nach dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld zuzüglich Euro 300,–. Kann der Existenzgründer seine Geschäftstätigkeit nachweisen, besteht die Möglichkeit, dass er im Anschluss für weitere neun Monate einen Gründungszuschuss iHv. Euro 300,–/Monat erhält, § 94 Abs. 2 SGB III.

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Für die arbeitsrechtliche Einordnung des Existenzgründers gelten die allgemeinen Abgrenzungskriterien.35 Der Arbeitgeber hat beim Einsatz eines Existenzgründers iSd. §§ 93 f. SGB III folglich sicherzustellen, dass die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen eines freien Mitarbeiterverhältnisses gegeben sind. 30 Dazu Gagel/Winkler, § 93 SGB III Rz. 1 ff.; Kossens, AuA 2006, 484; Sartorius/Bubeck, ZAP Fach 18, 969. 31 Den Modifikationen liegen haushaltspolitische Erwägungen zugrunde (BT-Drucks. 17/6277, S. 83). 32 Siehe Vorauflage, Einf. Kap. 9 Rz. 10. 33 Die Konzentration auf ein Instrument soll die Transparenz und Übersicht der Fördermaßnahmen erhöhen (Moll/Reiserer, MAH Arbeitsrecht, § 6 Rz. 86). 34 BT-Drucks. 17/6277, 86. 35 § 7 Abs. 4 SGB IV aF stellte eine (widerlegbare) Vermutung dahingehend auf, dass Existenzgründer iSd. § 421l SGB III („Ich-AG“) in ihrer Tätigkeit als Selbstständige tätig werden. Nach dem Wortlaut galt diese Vorschrift nicht für Existenzgründer iSd. §§ 57 f. SGB III aF. Diese Vermutungsregelung wurde jedoch zum 1.7.2009 wieder abgeschafft.

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Kap. 9

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bb) Arbeitnehmerähnliche Selbständige Über § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sind „arbeitnehmerähnliche Selbständige“, also selbständig tätige Personen, die regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, rentenversicherungspflichtig. Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1a SGB VI für Existenzgründer und ältere Selbstständige möglich. Der Befreiungszeitraum kann gemäß § 6 Abs. 1a Satz 2 SGB VI auch für eine zweite Existenzgründung in Anspruch genommen werden, wobei eine bloße Umfirmierung oder unwesentliche Veränderung des Geschäftszweckes keine Existenzgründung im Sinne der Norm ist.

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cc) Anfrageverfahren36 Gemäß § 7a SGB IV kann jeder der Beteiligten beantragen, den sozialversicherungsrechtlichen Status des Erwerbstätigen feststellen zu lassen, ohne dass der Vertragspartner dies verhindern könnte.37 Die Zuständigkeit der Einzugsstelle (§ 28h Abs. 2 SGB IV) ist insoweit eingeschränkt, es entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund.

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Unter den Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV beginnt die Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Deutsche Rentenversicherung Bund über das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Versicherungsverhältnisses, in allen übrigen Fällen mit Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis.

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In jedem Falle wird gemäß § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrages in den Fällen eines Anfrageverfahrens jedoch auf den Zeitpunkt hinausgeschoben, zu dem die Statusentscheidung unanfechtbar wird. Er wird also erst mit den Beiträgen der Entgeltabrechnung des Kalendermonats fällig, der auf den Monat folgt, in dem die Entscheidung unanfechtbar wurde. In diesem Fall ist der Lohnabzug nach § 28g SGB IV für den Arbeitnehmerbeitragsanteil nicht auf die letzten drei Monate begrenzt.38

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c) Folgen eines fälschlich als freie Mitarbeit eingeordneten Anstellungsverhältnisses39 Im Arbeitsrecht erlangt der Dienstnehmer die Stellung eines Arbeitnehmers mit allen Rechten und Pflichten. Damit hat der bisherige „freie Mitarbeiter“ in der Regel allerdings auch nur noch Anspruch auf die arbeitnehmerübliche Vergütung und es können Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers entstehen.40 Der Anspruch auf Erstattung 36 Zur Höhe des Streitwerts in Statusfeststellungsverfahren vgl. LSG Essen v. 6.11.2007, Breith. 2008, 77. Allgemein zum Anfrageverfahren s. Maiß, ArbR Aktuell 2011, 9; Marburger, Die Beiträge 2008, 129 ff. 37 Zum Umfang der Prüfungspflicht im Anfrageverfahren vgl. BSG v. 11.3.2009, NJOZ 2010, 195 sowie Richter, DStR 2009, 1856, 1857. 38 Vgl. Rundschreiben, Nr. 3.8.4. 39 Dazu Bisson/Schwab, AuA 2005, 276; Lampe, RdA 2002, 18. 40 BAG v. 21.1.1998, NZA 1998, 594; v. 21.11.2001, DB 2002, 537 in Abgrenzung zum Urteil BAG v. 9.7.1986, NZA 1987, 16; Bodem, ArbR Aktuell 2012, 213; Reinecke, NZA 1999, 729, 736; Niepalla/Dütemeyer, NZA 2002, 712; BAG v. 8.11.2006, NZA 2006, 321, 324, Rz. 33 ff.

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überzahlter Honorare umfasst die Summendifferenz zwischen sämtlichen Honorarzahlungen und sämtlichen Vergütungsansprüchen; in die vorzunehmende Verrechnung ist auch ein etwaiger Abfindungsanspruch einzubeziehen.41 Nachzahlungen von Arbeitsentgelt für die Vergangenheit sind durch die dreijährige Verjährung (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) und ggf. vertragliche und tarifvertragliche Verfallklauseln beschränkt. Der Lauf einer tariflichen Verfallfrist beginnt dabei nicht erst mit der rechtskräftigen Feststellung des Arbeitsverhältnisses.42 Der Lauf der Verfallfrist für Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers wegen Überzahlung der Vergütung beginnt dagegen erst mit der Rechtskraft eines solchen Urteils, da eine frühere Geltendmachung dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist.43 Er wäre sonst zu widersprüchlichem Verhalten gezwungen, indem er einerseits im Statusprozess die Ansicht vertritt, es liege ein freies Mitarbeiterverhältnis vor, andererseits aber gleichzeitig bereits zur Geltendmachung der Rückforderungsansprüche gezwungen wäre. Auch steht zu einem früheren Zeitpunkt der Zeitraum für eine Geltendmachung nicht fest, da es in der Hand des klagenden Arbeitnehmers liegt, ab wann er eine Arbeitnehmereigenschaft geltend machen möchte. Es obliegt dem freien Mitarbeiter bzw. Arbeitnehmer, dieses Risiko vor einem solchen Prozess einzuschätzen. Auch eine Einbeziehung in die betriebliche Altersversorgung kommt bei Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft in Betracht. 19

Sozialversicherungsrechtlich sind Sozialversicherungsbeiträge für das laufende Jahr und die vorangegangenen vier Jahre (§ 25 SGB IV) vom Arbeitgeber nachzuzahlen (§ 28e SGB IV).44 Die Nachzahlung umfasst die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge, Letztere allerdings nur, soweit sie nicht gemäß § 28g SGB IV bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden können. Nur im Rahmen des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB VI kann der Abzug nach Unanfechtbarkeit der Statusentscheidung noch nachgeholt werden, § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB VI. Der bei weitem überwiegende Anteil geht jedoch in allen anderen Fällen zu Lasten des Arbeitgebers.

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Steuerlich haftet der Arbeitgeber für die nicht abgeführte Lohnsteuer nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 38 Abs. 3 EStG und kann neben dem Arbeitnehmer nach § 191 Abs. 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Soweit der Arbeitgeber den Arbeitnehmer-Anteil zur Sozialversicherung nachträglich abführen muss, ohne dass er nach § 28g SGB IV Rückgriff beim Arbeitnehmer nehmen kann, stellt die Zahlung durch den Arbeitgeber steuerpflichtigen Arbeitslohn dar,45 so dass auch insoweit Lohnsteuernachzahlungen entstehen können. Vom Mitarbeiter in Rechnung gestellte Umsatzsteuer kann das Unternehmen nicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG als Vorsteuer abziehen, da ein Arbeitnehmer kein Unternehmer ist (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Soweit die Vorsteuer vom Arbeitgeber unzulässig abgezogen wurde, muss er sie zurückzahlen.46 Der Arbeitnehmer schuldet dem Fi41 42 43 44

BAG v. 29.5.2002, DB 2002, 2330. BAG v. 14.3.2001, NZA 2002, 155, 157. BAG v. 14.3.2001, NZA 2002, 155, 159. Die Verjährung tritt bei vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung jedoch erst nach 30 Jahren ein. Allerdings führt eine rechtlich zulässige Gestaltung nicht zum einvernehmlichen Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegen die Solidargemeinschaft (vgl. Bayerisches LSG v. 24.2.2000, DB 2002, 904). 45 Vgl. BFH v. 5.4.1974 – VI R 110/71, BStBl. II 1974, 463. 46 Näher zur Durchführung der Berichtigung der nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldeten Umsatzsteuer BMF-Schreiben v. 29.1.2004, BStBl. I 2004, 258, Rz. 82 ff. Die Berichtigung darf

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nanzamt nach § 14c Abs. 2 UStG die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer, solange keine Berichtigung erfolgt ist.47 Da der Mitarbeiter gleichfalls nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorsteuerabzugsberechtigt war, kann das Finanzamt auch von ihm durch einen korrigierten Umsatzsteuerbescheid die zu Unrecht als Vorsteuer abgezogene Umsatzsteuer nachfordern. Auf Grund der für beide Parteien – besonders aber für den Arbeitgeber – verheerenden Konsequenzen kommt der Abgrenzung zwischen freier Mitarbeit und Anstellungsverhältnis in der Praxis gravierende Bedeutung zu.

2. Beratervertrag (M 9.2)/Interimsmanagement (M 9.1.5) a) Mit dem freien Mitarbeitervertrag eng verzahnt ist der Beratervertrag. Hier gelten dieselben Abgrenzungskriterien. Die Besonderheit besteht darin, dass der Beratervertrag häufig unbefristet ist und auf Stundenbasis oder Tagessatzbasis vergütet wird. Die dadurch entstehende Indizwirkung für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis muss dadurch entkräftet werden, dass der Berater ansonsten bei der Erbringung seiner Tätigkeit weitestgehend frei ist und auch über andere Auftraggeber bzw. eine andere Existenzsicherung verfügt.

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b) Als sog. Interimsmanagement wird der zeitlich befristete Einsatz von externen Führungskräften bezeichnet, die das Unternehmen durch ihre Expertise bei spezifischen Projekten unterstützen oder kurzfristige Vakanzen überbrücken sollen.48 In der Praxis kommen dabei verschiedene Modelle zum Einsatz: Zunächst kann direkt ein Vertrag zwischen Interimsmanager und Unternehmen geschlossen werden. Nicht selten wird dabei eine Agentur zwischengeschaltet, die mit dem Unternehmen einen Dienstverschaffungsvertrag abschließt und den Interimsmanager in der Folge an das Unternehmen vermittelt (sog. angelsächsisches Modell). Alternativ kann auch die Agentur selbst mit den spezifischen Managementleistungen beauftragt werden, wobei der Interimsmanager als Erfüllungsgehilfe gemäß § 278 BGB eingesetzt wird (sog. niederländisches Modell). Bei letzterer Konstellation wird kein Vertrag zwischen Unternehmen und Interimsmanager geschlossen.49 Läge hier jedoch tatsächlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor, wäre der Anwendungsbereich des AÜG eröffnet, was weitreichende Konsequenzen mit sich brächte.50 Der Einsatz eines Interimsmanagers mag ein selbstständiges Beschäftigungsverhältnis zwar indizieren, begründet ein solches jedoch nicht zwangsläufig, selbst wenn höhere Führungsaufgaben übertragen werden.51 Daher sollte schon bei der Vertragsgestaltung darauf geachtet werden, dass der Interimsmanager selbstständig und weisungsfrei agieren

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47 48 49 50

51

nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Arbeitnehmer als Rechnungsaussteller gutgläubig war; vgl. EuGH v. 19.9.2000 – C-454/98, DStRE 2000, 1166 – Schmeink & Cofreth/Manfred Strobel; ebenso BFH v. 22.2.2001 – V R 5/99, BStBl. II 2004, 143. Vertieft Obenhaus, BB 2012, 1130. Buschmann/Klösel, NJW 2012, 1482. Vogt/Deepen, ArbR Aktuell 2012, 573. S. Einf. Kap. 10. Dann müsste zB eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung eingeholt werden (§ 1 Abs. 1 AÜG), deren Fehlen sich als Ordnungswidrigkeit darstellt (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 AÜG). Anderenfalls würde ein Arbeitsverhältnis fingiert (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG), sodass sämtliche arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften Anwendung fänden (vgl. Buschmann/ Klösel, NJW 2012, 1482 mwN). Dahl, DB 2005, 1738.

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kann. Die übertragenen Management-Aufgaben sollten klar definiert sein und – soweit möglich – konkrete Zielvorstellungen enthalten. Eine selbstständige Beschäftigung liegt nahe, wenn sich sein Aufgabengebiet auf Projektarbeit außerhalb des Tagesgeschäftes beschränkt (zB Restrukturierungsmaßnahmen, Börsengänge, Unternehmenstransaktionen oder spezifische Produkteinführung).52 Für eine abhängige Beschäftigung spricht demgegenüber der Einsatz des Interimsmanagers im aktuellen Tagesgeschäft zur Überbrückung von personellen Engpässen.53 Letztendlich ist anhand der klassischen Abgrenzungsmerkmale zu klären, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, wobei es maßgeblich auf die Vertragsdurchführung ankommt.54

3. Handelsvertretervertrag (M 9.3) 22

Neben dem Vertragshändler, der auf Grund einer dauernden vertraglichen Beziehung Waren des Unternehmens im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauft,55 ist insbesondere der Einsatz von Handelsvertretern eine weit verbreitete Vertriebsform.

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Nach der Legaldefinition des § 84 Abs. 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Auf Grund des Inhalts der Aufgabe ist daher zu unterscheiden zwischen Vermittlungs- und Abschlussvertretern. Der Vermittlungsvertreter ist verpflichtet, den Abschluss von Verträgen zwischen dem von ihm vertretenen Unternehmer und Dritten als Kunden in die Wege zu leiten. Demgegenüber ist der Abschlussvertreter zum Abschluss von Geschäften im Namen und für Rechnung des vertretenen Unternehmens berechtigt.56 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können auch Betreiber von stationären Verkaufsstellen wie beispielsweise Selbstbedienungs-Tankstellen, Lotto- und Toto-Annahmestellen, Reisebüros, Tabakwaren- und Zeitschriftengeschäfte etc. Handelsvertreter iSd. § 84 Abs. 1 HGB sein.57 Auch etwaige Annextätigkeiten wie Abwicklung der Kaufverträge, Retouren, des Warenumtauschs und der Gewährleistung stellen die Handelsvertretertätigkeit als solche nicht in Frage.58

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Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Handelsvertreter „als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.“59

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a) Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist der Handelsvertreter selbständig, „wenn er im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.“ Wird mit dem Handelsvertreter ein Anstellungsverhältnis begründet, so handelt es sich um einen Handlungsgehilfen, § 84 Abs. 2 HGB. Bei der Abgrenzung besteht 52 Buschmann/Klösel, NJW 2012, 1482. 53 Buschmann/Klösel, NJW 2012, 1482; differenzierend nach Art der Führungsaufgabe Haag/ Tiberius, NZA 2005, 190. 54 So auch Vogt/Deepen, ArbR Aktuell 2012, 573. Zu den Abgrenzungskriterien s. Einf. Rz. 9. 55 Vgl. BGH v. 21.10.1970, BGHZ 54, 338. 56 Vgl. von Hoyningen-Huene, Die kaufmännischen Hilfspersonen, 1996, § 84 Rz. 13. 57 Vgl. BGH v. 20.1.1964, VersR 1964, 331; OLG Köln v. 22.1.2003, VersR 2003, 1300; Thume in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 3. Aufl. 2008, § 84 HGB Rz. 18 mwN. 58 Vgl. BGH v. 21.12.1973, NJW 1974, 1982. 59 Zur Abgrenzung Arbeitnehmer – Handelsvertreter: BAG v. 20.8.2003, NZA 2004, 39.

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die Besonderheit, dass auch der freie Handelsvertreter in die Vertriebsorganisation des Unternehmers eingegliedert ist und schon kraft Gesetzes Weisungen des Unternehmers unterliegt.60 Er wird für den Unternehmer tätig und hat dessen Interessen wahrzunehmen, § 86 Abs. 1 HGB. Er ist dem Unternehmer laufend berichtspflichtig, § 86 Abs. 2 HGB. Dementsprechend kann das Unternehmen auch die Vertriebspolitik und den Kundenkreis selbst festlegen.61 Da der Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 1 HGB namens und im Auftrag des Unternehmers handelt, bestimmt der Unternehmer auch die Preise einschließlich Rabatten und Skonti sowie die Vertragskonditionen und Zahlungsmodalitäten für das zu vertreibende Produkt. Auch Vorgaben über die Darstellung des Produktes sind beim Handelsvertreter kein Indiz für ein Anstellungsverhältnis. Dies gilt auch und insbesondere für Ausformungen der Nachrichts- und Rechenschaftspflicht nach § 86 Abs. 2 HGB. Vorschriften zur Verbuchung und Abrechnung von Lieferungen und erhaltenen Zahlungen, auch wenn sie über Formulare oder vorgegebene EDV-Masken erfolgen, berühren daher den freien Status des Handelsvertreters nicht. Dasselbe gilt für die Mitteilung von Geschäftsabschlüssen. Auch kann der Unternehmer bestimmen, wie oft vereinnahmte Gelder an ihn abzuführen sind. Auch die Einheitlichkeit der Vertriebsorganisation und des Erscheinungsbildes nach außen steht einem freien Handelsvertreterverhältnis nicht entgegen. Ohne entgegenstehende vertragliche Vereinbarung sind Handelsvertreter, wie der Umkehrschluss aus § 84 Abs. 3 HGB zeigt, nicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung verpflichtet, sondern können ihrerseits zumindest Untervertreter einsetzen.62 Ein Anstellungsverhältnis kommt daher nur in Betracht, wenn die Selbständigkeit des Handelsvertreters in ihrem Kern beeinträchtigt wird, also die Beschränkung deutlich über das für Handelsvertreter Typische hinausgeht.63 b) Der Handelsvertreter „vermittelt“ Geschäfte, wenn er durch Einwirkung auf den Dritten deren Abschluss fördert.64 Es genügt Mitursächlichkeit, sofern diese nicht ganz nebensächlich ist.65 Die bloße Schaffung von Geschäftsbeziehungen ohne Vermittlung von Einzelgeschäften reicht allerdings nicht aus.66 Abschluss von Geschäften ist eine Unterform der Vermittlung, bei der der Handelsvertreter auch Abschlussvollmacht hat, § 91 Abs. 1 HGB.

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c) Gegenstand der Vermittlung können alle Arten von Geschäften sein, also nicht nur Waren- und Versicherungsverträge, sondern auch Dienstleistungen, Mietverträge, Lotto-Spielverträge oder auch Tankgeschäfte.

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60 Vgl. umfassend BAG v. 15.12.1999, AP Nr. 9 und Nr. 12 zu § 84 HGB, AP Nr. 5 und Nr. 6 zu § 92 HGB; Hopt, DB 1998, 863 ff. 61 Insofern hat der Unternehmer zwar die Pflicht, das Vertriebssystem so auszugestalten, dass dem Handelsvertreter eine ausreichende Einnahmequelle ermöglicht wird. Darüber hinaus ist er jedoch in den Grenzen der Willkür frei, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Davon erfasst ist auch die Einführung einer neuen Vertriebsstruktur, die die Möglichkeit von Provisionseinnahmen verringert (BAG v. 16.2.2012, BB 2012, 571). 62 Vgl. auch GK-HGB/Genzow, § 84 Rz. 26. 63 Vgl. BGH v. 13.1.1966, BB 1966, 265; OLG Düsseldorf v. 30.1.1998, NJW 1998, 2978, 2980; LAG Nürnberg v. 26.1.1999, ZIP 1999, 769, 772. Umfassend BAG v. 15.12.1999, AP Nr. 9, 12 zu § 84 HGB, Nr. 5, 6 zu § 92 HGB. 64 BGH v. 19.5.1982, NJW 1983, 42. 65 BAG v. 22.1.1971, BB 1971, 492. 66 BGH v. 19.5.1982, NJW 1983, 42.

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d) „Betraut“ mit der Vermittlung ist der Handelsvertreter nur, wenn auch eine Tätigkeitspflicht und die Verpflichtung bestehen, die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen. Dementsprechend muss auch der Vertrag mit dem Unternehmer auf ein wiederholtes Tätigwerden angelegt sein. Fehlt es daran, so handelt es sich um einen Handelsmakler.67

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e) Handelsvertreter können für eine oder mehrere Firmen tätig sein. Einfirmenvertreter, dh. Handelsvertreter, denen vertraglich die Tätigkeit für weitere Unternehmer untersagt ist, unterliegen besonderem Schutz gemäß § 92a HGB. Unterhalb eines Einkommens von Euro 1000,– monatlich ist gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG für Streitigkeiten zwischen dem Einfirmenvertreter und dem Unternehmer auch das Arbeitsgericht zuständig.68

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f) Den Handelsvertreter trifft eine allgemeine Interessenwahrnehmungspflicht, § 86 HGB. Danach ist er insbesondere auch verpflichtet, die Bonität des Kunden zu prüfen und Zweifel darüber dem Unternehmer mitzuteilen. Eine Delkredere-Haftung übernimmt er allerdings nur unter den engen Voraussetzungen des § 86b HGB.69

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g) Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen und ihm die erforderlichen Nachrichten – insbesondere über Abschluss von Geschäften und deren Ausführung oder Nichtausführung oder geänderter Ausführung (vgl. § 86a HGB) – zu geben.70

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h) Die Vergütung des Handelsvertreters besteht regelmäßig in der Provision, §§ 87 ff. HGB. Dabei hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB.71 Ist dem Handelsvertreter ein bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen, so hat er auch Anspruch auf Provision für diejenigen Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirks oder seines Kundenkreises während des Vertragsverhältnisses geschlossen wurden, § 87 Abs. 2 Satz 1 HGB.72 Die bloße Bezeichnung eines Bezirks- oder Kundenkreises im Vertrag begründet diesen weit gehenden Provisionsanspruch zwar nicht, sondern er bedarf ausdrücklicher Vereinbarung; bei Abschluss des Vertrages sollte zur Vermeidung von Zweifelsfällen jedoch ein Bezirkoder Kundenschutz im Vertrag klar geregelt oder ausgeschlossen werden. Für Geschäfte nach Vertragsbeendigung hat der Handelsvertreter nur Anspruch auf Provision, wenn 67 Ist ein Vermittler sowohl als Handelsmakler als auch als Handelsvertreter tätig, so liegen getrennte Gewerbebetriebe vor und es ist bei jedem Geschäft zu prüfen, in welcher Weise und Form es vermittelt oder abgeschlossen wurde (OLG Bamberg v. 18.9.1964, BB 1965, 1167). 68 Zur Ermittlung der Vergütungsgrenze vgl. BGH v. 28.6.2011, NJW-RR 2011, 1255. 69 Zu den kartellrechtlichen Auswirkungen der Übernahme einer Delkredere-Haftung durch den Handelsvertreter vgl. Kapp/Schumacher, EuZW 2008, 167 mwN. 70 BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10, StuB 2011, 519. 71 Zum Provisionsanspruch bei nichtigem Kundengeschäft vgl. BGH v. 22.9.2011, NJW-RR 2012, 625. 72 Zur Auslegung einer Provisionsvereinbarung mit Bezirks- und Kundenkreisschutz für den Fall, dass der Handelsvertreter mit Zustimmung des Unternehmens außerhalb des geschützten Bezirks bzw. Kundenkreises tätig wird, vgl. BGH v. 5.4.2006, NJW-RR 2006, 976.

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– er das Geschäft vermittelt hat oder er es eingeleitet und so vorbereitet hat, dass der Abschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist, und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen ist, oder – vor Beendigung des Vertragsverhältnisses das Angebot des Dritten zum Abschluss eines Geschäftes, für das der Handelsvertreter Anspruch auf Provision hat, dem Handelsvertreter oder dem Unternehmer zugegangen ist, § 87 Abs. 3 HGB. Nach den Grundsätzen der Billigkeit kann auch dem nachfolgenden Handelsvertreter ein Anteil an der Provision zustehen, § 87 Abs. 3 Satz 2 HGB. Die Fälligkeit des Provisionsanspruches richtet sich nach § 87a HGB. Der Anspruch ist fällig, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Bei abweichenden Vereinbarungen hat der Handelsvertreter mit der Ausführung des Geschäftes durch den Unternehmer jedenfalls Anspruch auf einen angemessenen Vorschuss zum Ende des jeweiligen Folgemonats, § 87a Abs. 1 Satz 2 HGB. In jedem Falle besteht der Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Dritte das Geschäft ausgeführt hat, dh. im Regelfall, wenn der Dritte seine Zahlung erbracht hat (vgl. § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB). Daneben können, soweit der Handelsvertreter das Inkasso übernimmt, Inkassoprovisionen gemäß § 87 Abs. 4 HGB oder bei Verwaltungstätigkeiten auch Verwaltungsprovisionen geschuldet sein. Bei Übernahme des Bonitätsrisikos nach Maßgabe von § 86b HGB ist auch eine Delkredere-Provision zu zahlen. Schließlich ist bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gemäß § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB für die Dauer der Wettbewerbsbeschränkung eine angemessene Entschädigung zu zahlen.73 i) Seine Aufwendungen trägt der Handelsvertreter regelmäßig selbst; Ersatz seiner im regelmäßigen Geschäftsverkehr entstandenen Aufwendungen kann er nur verlangen, wenn dies handelsüblich ist, § 87d HGB.

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j) Wirtschaftlich von großer Bedeutung ist der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB. Dieser entsteht nach Beendigung des Vertragsverhältnisses, wenn und soweit

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– der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und – die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.74 73 Nach BGH v. 25.10.2012, BB 2012, 3098, findet § 90a HGB auch auf Wettbewerbsabreden Anwendung, die nach der formellen Beendigung des Handelsvertretervertrages vereinbart werden, wenn sich die Parteien über wesentliche Elemente der Wettbewerbsabrede schon während der Laufzeit des Handelsvertretervertrages geeinigt haben. 74 Die bis dato gängige Lesart, wonach die Tatbestandselemente des § 89b Abs. 1 Nr. 1–3 HGB aF kumulativ vorliegen mussten und der Ausgleich die Höhe der Provisionsvorteile nicht übersteigen konnte, ist mit der Entscheidung des EuGH v. 26.3.2009, DStR 2009, 759 unvereinbar. Der Gesetzgeber hat mit einer Gesetzesanpassung reagiert und das Tatbestandselement des § 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB aF (Provisionsvorteile) zu einem Unterfall der Billigkeit („insbesondere“) herabgestuft. Provisionsverluste sind damit nicht mehr zwingendes, sondern lediglich fa-

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Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht (vgl. § 89b Abs. 1 Satz 2 HGB). Der Ausgleich beträgt höchstens eine Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; diese berechnet sich nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters bzw. bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses nach dem Durchschnitt während dieser Zeit, § 89b Abs. 2 HGB. Nach Maßgabe von § 89b Abs. 3 HGB besteht der Anspruch allerdings nicht, wenn – der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann, oder – der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag oder – auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter ein Dritter an Stelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt;75 die Vereinbarung kann nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen werden, § 89b Abs. 3 HGB. Wichtig ist, dass der Anspruch nur innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend gemacht werden kann, § 89b Abs. 4 Satz 2 HGB. Dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist. Auch kann der Anspruch nicht im Voraus ausgeschlossen werden, § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB.76 35

k) Eine besondere Form ist für den Handelsvertretervertrag nicht vorgeschrieben. Allerdings kann jede Seite verlangen, dass der Vertragsinhalt sowie spätere Vereinbarungen zu dem Vertrag in eine vom anderen Teil unterzeichnete Urkunde aufgenommen werden, § 85 HGB. Besondere formale Anforderungen bestehen bei der Übernahme der Delkredere-Haftung, § 86b Abs. 1 Satz 3 HGB, oder bei Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes, § 90a Abs. 1 Satz 1 HGB.

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l) Für die Kündigung gelten die allgemeinen Regeln.77 Für den freien Handelsvertreter gilt das KSchG selbstverständlich nicht. Die Kündigungsfristen bei einem Handelsvertretervertrag auf unbestimmte Zeit betragen im ersten Jahr einen Monat, im zweiten Jahr zwei Monate, im dritten bis fünften Jahr drei Monate sowie nach einer Vertragsdauer von fünf Jahren sechs Monate jeweils zum Ende des Kalendermonats, § 89 Abs. 1 HGB. Verlängerungen sind wirksam möglich, allerdings darf die Frist für den Unternehmer nicht kürzer sein als die des Handelsvertreters, vgl. § 89 Abs. 2

kultatives Merkmal des § 89b Abs. 1 HGB; somit kann theoretisch auch bei fehlenden Provisionsverlusten ein Ausgleichsanspruch zuerkannt werden (ausführlich zum Urteil des EuGH und dessen Folgen Thume, VersR 2012, 665; Emde, DStR 2009, 1478 ff.). 75 Zu den rechtlichen Besonderheiten bei der Nachfolge im Wege des § 89b Abs. 3 Nr. 3 HGB s. Kiene, NJW 2006, 2007. 76 Vgl. dazu BAG v. 14.6.2006, NJW-RR 2006, 1542; BGH v. 10.7.1996, NJW 1996, 2867; v. 23.2.1994, NJW 1994, 1350. 77 Zur rechtlichen Stellung des freigestellten Handelsvertreters innerhalb der Kündigungsfrist vgl. Küster, VW 2009, 361.

364 Lingemann

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

HGB.78 Der Vertrag endet auch mit dem Tod des Handelsvertreters, § 673 BGB. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung kann nicht ausgeschlossen werden, § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB.79 m) Besondere Bestimmungen gelten für Versicherungs- und Bausparkassenvertreter (§ 89b Abs. 5 HGB, §§ 43–47 VVG) und für Handelsvertreter im Nebenberuf (§ 92b HGB).

37

n) Das international anzuwendende Recht richtet sich nach Art. 3 und 4, insbes. Art. 4 Abs. 2 Rom-I-VO. Wegen der damit und insbesondere auch der Einbeziehung des internationalen Privatrechts anderer beteiligter Staaten entstehenden Unsicherheiten sollten bei internationalen Verträgen das anzuwendende Recht und der Gerichtsstand immer ausdrücklich geregelt sein.80 Die zwingenden Vorschriften des nationalen Rechts sind jedoch rechtswahlfest, wenn der Vertreter innerhalb der Europäischen Union tätig wird oder seinen Sitz hat und die Rechtswahl eine Rechtsordnung eines Nicht-EU-Staates beruft.81

38

4. In Heimarbeit Beschäftigte (M 9.4) An der Grenze zwischen freier Mitarbeit und Anstellungsverhältnis liegen die Vertragsverhältnisse der in Heimarbeit Beschäftigten. Dies sind gemäß § 1 Abs. 1 HAG Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende sowie gemäß § 1 Abs. 2 HAG diesen Gleichgestellte.

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a) Die Unterscheidung ist sozialversicherungsrechtlich von erheblicher Bedeutung. Heimarbeiter gelten gemäß § 12 Abs. 2 SGB IV als Beschäftigte und sind umfassend sozialversicherungspflichtig. Für diesen Gleichgestellte gemäß § 12 Abs. 5 SGB IV iVm. § 1 Abs. 2 lit. a, c und d HAG gilt dies mit Ausnahme der Arbeitslosenbeiträge, § 12 Abs. 5 Satz 2 SGB IV. Hausgewerbetreibende sind demgegenüber nur versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Nr. 6 SGB VI und unterfallen der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 SGB VII. Dabei ist die Abgrenzung im Sozialversicherungsrecht einerseits (§ 12 SGB IV) und im Arbeitsrecht (§§ 1, 2 HAG) andererseits nicht völlig deckungsgleich. Insbesondere sind die in Betracht kommenden Auftraggeber nach § 12 Abs. 1 und 2 SGB IV eingeschränkt, was zum Teil über die Gleichstellung nach § 12 Abs. 5 SGB IV wieder ausgeglichen wird.

40

b) Heimarbeiter ist, wer in selbst gewählter Arbeitsstätte allein oder mit seinen Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt, § 2 Abs. 1 Satz 1 HAG. „Erwerbsmäßig“ ist auch eine reine Bürotätigkeit („Büroheimarbeit“). Heimarbeiter ist

41

78 Zu lange Kündigungsfristen können allerdings gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßen und unwirksam sein (vgl. BGH v. 21.3.2013, NJW 2013, 2111 in Bezug auf eine gegenüber einem Handelsvertreter im Nebenberuf verwendete Formularbestimmung, wonach eine Vertragskündigung nach einer Laufzeit von drei Jahren nur unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres möglich sein sollte). 79 Eine unzulässige Beschränkung der Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung kann auch mittelbar in Form finanzieller und sonstiger Nachteile entstehen (vgl. OLG Karlsruhe v. 18.2.2010, VersR 2011, 526). 80 Emde, MDR 2002, 191, 194. 81 EuGH v. 9.11.2000, BB 2001, 10; BGH v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12.

Lingemann 365

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

nicht, wer außer Familienangehörigen auch fremde Hilfskräfte einsetzt.82 Dasselbe gilt, wenn der Heimarbeiter mit seinen Familienangehörigen echte Arbeitsverträge schließt.83 Beschafft der Heimarbeiter die Roh- und Hilfsstoffe selbst, so wird hierdurch seine Eigenschaft als Heimarbeiter nicht beeinträchtigt, § 2 Abs. 1 Satz 2 HAG. 42

c) Von den Heimarbeitern zu unterscheiden sind die Hausgewerbetreibenden. Hausgewerbetreibender iSv. § 2 Abs. 2 HAG ist, wer in eigener Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder Betriebsstätte) mit nicht mehr als zwei fremden Hilfskräften oder Heimarbeitern im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern Waren herstellt, bearbeitet oder verpackt, wobei er selbst wesentlich am Stück mitarbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt. Im Gegensatz zu Heimarbeitern sind Hausgewerbetreibende grundsätzlich selbständig. Sie arbeiten daher auch mit fremden Hilfskräften. Anders als bei Heimarbeitern scheidet Bürotätigkeit aus; kennzeichnend für den Hausgewerbetreibenden ist vielmehr, dass er „gewerblich“ (vgl. § 12 Abs. 1 SGB IV) bzw. „am Stück“ (§ 2 Abs. 2 Satz 1 HAG) arbeitet. Liegen bei selbständiger Tätigkeit diese Voraussetzungen nicht vor, so handelt es sich nicht um Hausgewerbetreibende, sondern um sonstige Selbständige.

43

d) Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden können unter bestimmten Voraussetzungen Personen in vergleichbaren Arbeitsverhältnissen gleichgestellt werden, wenn dies wegen ihrer Schutzbedürftigkeit gerechtfertigt erscheint, § 1 Abs. 2 HAG.

44

e) Für Heimarbeiter, Hausgewerbetreibende und – je nach Umfang ihrer Gleichstellung – Gleichgestellte kommen die folgenden arbeitsrechtlichen Vorschriften in Betracht:84 – – – – – – – – – – –

§ 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG – Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes, § 10 EFZG – Entgeltzuschlag bei Krankheit, § 11 EFZG – Feiertagsentgeltzahlung, § 1 Nr. 2 MuSchG iVm. §§ 7 Abs. 4, 8 Abs. 5, 9 Abs. 1 und Abs. 4, 18 Abs. 2 und 24 MuSchG – Mutterschutz, § 127 SGB IX – Geltung des SGB IX, § 12 BUrlG – Anspruch auf Urlaubsentgelt, § 1 Abs. 2 Satz 2 5. VermBG – Gleichstellung bei der Vermögensbildung. Eingeschränkt: § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG – Anspruch auf Elterngeld, sofern keine volle Erwerbstätigkeit vorliegt, § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG – Anspruch auf Pflegezeit, § 7 ArbPlSchG – Arbeitsplatzschutz bei der Einberufung zum Wehr- oder Zivildienst, § 27 HAG iVm. §§ 850 ff. ZPO – Pfändungsfreigrenzen.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gilt das BetrVG auch für in Heimarbeit Beschäftigte und Hausgewerbetreibende, soweit sie die Tätigkeit in der Hauptsache für den Betrieb nur eines Auftraggebers verrichten. Sie sind dann nicht nur aktiv und passiv wahl82 Kasseler Kommentar/Seewald, § 12 SGB IV Rz. 17. 83 Otten, Heim- und Telearbeit, § 2 HAG Rz. 18. 84 Zur Ausdehnung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften auf sonstige arbeitnehmerähnliche Personen vgl. Willemsen/Müntefering, NZA 2008, 193, 200.

366 Lingemann

M 9.1.1

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

berechtigt, sondern auch von Sozialplänen erfasst; bei Kündigungen ist der Betriebsrat einzuschalten.85 Die maßgebliche Kündigungsfrist richtet sich nach §§ 29 f. HAG. § 613a BGB gilt für Heimarbeiter allerdings nicht.86 f) Zum Schutze der Heimarbeiter treffen den Auftraggeber besondere Pflichten zur Dokumentation und Offenlegung gemäß §§ 6 ff. HAG, zum Arbeitszeitschutz gemäß §§ 10, 11 HAG und zum Gefahrenschutz gemäß §§ 12–16a HAG. Besonderheiten bestehen insbesondere bei dem Entgeltschutz. Über die normalen Anspruchsgrundlagen hinaus können insbesondere bindende Festsetzungen des Heimarbeitsausschusses mit Wirkung eines allgemein verbindlichen Tarifvertrages Entgelte für in Heimarbeit Beschäftigte bestimmen, § 19 HAG. Daneben können auch Tarifverträge nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 HAG die Vertragsbedingungen bestimmen, obwohl Heimarbeiter keine Arbeitnehmer sind. Typischerweise werden Heimarbeiter auf Basis von Stückentgelten vergütet und nur, wenn dies nicht möglich ist, in Form von entsprechenden Zeitentgelten, § 20 HAG. Die Entgelte und sonstigen Vertragsbedingungen werden durch Entgeltprüfer geprüft, § 23 HAG.

45

Auch wenn arbeitsrechtlich daher Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende weitgehend gleich behandelt werden, kommt der Unterscheidung sozialversicherungsrechtlich zentrale Bedeutung zu.

46

85 Vgl. zum besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung auch § 29a HAG sowie Pulte, NZA-RR 2008, 113, 124. 86 BAG v. 24.3.1998, BB 1998, 1691.

II. Muster

u

Freier Mitarbeiter-Vertrag

9.1.1

Zwischen der Firma . . . und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Freier Mitarbeiter) wird Folgendes vereinbart: § 1 Gegenstand der Vereinbarung1 (1) Die Firma erteilt dem freien Mitarbeiter folgenden Auftrag: . . . 1 Die genaue Bezeichnung des Gegenstandes ist für die Begründung eines freien Mitarbeiterverhältnisses wichtig. Wird der Gegenstand nicht genau bezeichnet, so können insoweit Weisungsrechte entstehen, die für ein Arbeitsverhältnis sprechen würden. Genauso wichtig ist es, dass in der Praxis der Gegenstand des Vertrages nicht durch Weisung des Auftraggebers ausgedehnt wird, denn auch dies wäre ein Indiz gegen ein freies Vertragsverhältnis. Im freien Vertragsverhältnis kommt eine Ausdehnung des Gegenstandes nur einvernehmlich und damit durch ergänzende Vereinbarung in Betracht.

Lingemann 367

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.1

oder (1) Die Firma beauftragt den freien Mitarbeiter mit folgender Werkleistung: . . . oder (1) Die Firma beauftragt den freien Mitarbeiter mit folgender Dienstleistung: . . . (2) Herr/Frau . . . wird für die Firma als freier Mitarbeiter tätig. Ein Arbeitsverhältnis wird nicht begründet. (3) Für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belange sowie für die Gewerbeanmeldung wird der freie Mitarbeiter selbst Sorge tragen. Dies ist bei der Kalkulation der Vergütung berücksichtigt. (4) Der freie Mitarbeiter ist vorbehaltlich § 6 frei darin, auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. §2

Leistungsumfang

(1) Die Leistungen des freien Mitarbeiters umfassen im Einzelnen: . . . (2) Er wird das Auftragsergebnis am . . . bei der Firma in Schriftform und auf CD/DVD/ USB-Stick abgeben. (3) Sofern der freie Mitarbeiter an der Auftragserfüllung gehindert sein sollte, verpflichtet er sich, die Firma rechtzeitig vorher darüber zu informieren. (4) Der freie Mitarbeiter ist in der Wahl von Ort und Zeit seiner Tätigkeit frei. evtl. Die Parteien gehen davon aus, dass der Umfang der Tätigkeit bis zum Abgabezeitpunkt insgesamt . . . Stunden2 nicht überschreitet. (5) Der freie Mitarbeiter kann sich bei der Erfüllung der Aufgabe auch anderer Personen bedienen. Er bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Leistung gegenüber der Firma verantwortlich. § 3 Vergütung und Rechnungsstellung (1) Der freie Mitarbeiter erhält eine Pauschalvergütung von Euro . . . Er wird nach ordnungsgemäßer Abnahme seiner vertraglichen Leistung darüber Rechnung stellen.3 (2) Dem freien Mitarbeiter stehen keine Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall oder Urlaubsansprüche zu. oder (1) Der freie Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit ein Stundenhonorar von Euro . . .4 Das Honorar wird der freie Mitarbeiter jeweils bis zum . . . eines Monats für den vorangegangenen Monat in Rechnung stellen. Die Zahlung der Vergütung erfolgt zehn Tage nach Rechnungseingang. 2 Die Stundenanzahl sollte deutlich unter 40 Stunden pro Woche liegen oder deutlich über 40 Stunden pro Woche dergestalt, dass der freie Mitarbeiter eigene Mitarbeiter einsetzen muss. Jedenfalls wenn nicht nach Stunden vergütet wird, ist eine Angabe hier entbehrlich. 3 Die Vereinbarung einer Pauschalvergütung ist rein erfolgsabhängig und daher ein Indiz für ein freies Vertragsverhältnis. 4 Die Vereinbarung eines Stundenhonorars legt demgegenüber eher ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nahe und sollte nach Möglichkeit vermieden werden.

368 Lingemann

M 9.1.1

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

(2) Soweit der freie Mitarbeiter mehrwertsteuerpflichtig ist, ist die Vergütung jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Mehrwertsteuer ist auf der Rechnung gesondert auszuweisen. (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des freien Mitarbeiters abgegolten. oder (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des freien Mitarbeiters abgegolten. Dies gilt nicht für Reisekosten und Reisespesen, die durch die Erfüllung der Aufgaben veranlasst sind. Für Reisen mit dem eigenen Pkw zahlt die Firma insoweit pauschal Euro . . . pro gefahrenem Kilometer, für Bahnreisen werden die nachgewiesenen Kosten zweiter Klasse erstattet. § 4 Verschwiegenheit Der freie Mitarbeiter wird über alle ihm bekannt gewordenen oder bekannt werdenden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Firma Stillschweigen bewahren, soweit er nicht gesetzlich zur Auskunft verpflichtet ist. Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses. § 5 Herausgabe von Unterlagen Alle Unterlagen, die dem freien Mitarbeiter im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit übergeben wurden, wird er nach Beendigung des Vertrages unverzüglich zurückgeben. Ein Zurückbehaltungsrecht steht ihm nicht zu.5 §6

Wettbewerbsverbot 6

Für die Dauer der Laufzeit dieses Vertrages ist es dem freien Mitarbeiter untersagt, für ein mit der Firma konkurrierendes oder im Wettberwerb stehendes Unternehmen tätig zu werden, ein solches zu gründen oder sich an einem solchen zu beteiligen. §7

Datengeheimnis

(1) Es ist dem freien Mitarbeiter gemäß § 5 BDSG untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen. Die Verpflichtung des freien Mitarbeiters auf das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort. Verstöße können nach § 43 oder § 44 BDSG oder anderer einschlägiger Rechtsvorschriften mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. 5 Der uneingeschränkte Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts in Formularverträgen dürfte wegen § 309 Nr. 2b BGB unwirksam sein. Er müsste daher individualvertraglich vereinbart werden. Möglicherweise kann er wirksam eingeschränkt werden, wenn der Gegenanspruch nicht auf demselben Vertragsverhältnis beruht (vgl. Palandt/Grüneberg, § 309 BGB Rz. 15; dazu Einf. Kap. 2 Rz. 72). 6 Vor Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes sollte genau geprüft werden, ob ein solches erforderlich ist, da es die unternehmerische Tätigkeit des freien Mitarbeiters einschränkt und insoweit ein – wenn auch eher schwaches – Indiz für eine abhängige Beschäftigung sein kann.

Lingemann 369

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.2

(2) Sofern sich der freie Mitarbeiter eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedient, hat dieser ebenfalls eine Erklärung nach dem Bundesdatenschutzgesetz gemäß Anlage . . . abzugeben. Der freie Mitarbeiter ist dafür verantwortlich, dass diese Erklärung unterzeichnet wird. Er hat die entsprechende Erklärung des Erfüllungsgehilfen unverzüglich der Firma zuzuleiten. § 8 Schlussbestimmungen (1) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als ungültig oder unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.7 (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.8 (3) Gerichtsstand ist . . . ... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

... (Firma)

... (Freier Mitarbeiter)

7 S. M. 3.1, § 26 m. Anm. 8 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen unter Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für den freien Mitarbeiter nicht.

9.1.2

u

Freier Mitarbeiter-Vertrag (Rahmenvertrag1)

Zwischen der Firma . . . und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Freier Mitarbeiter) wird Folgendes vereinbart: 1 Die Gestaltung als Rahmenvertrag unterstützt am ehesten die freie Stellung des Auftragnehmers. Wesentlich ist dabei, dass der Auftragnehmer frei darin ist, Aufträge anzunehmen, und der Auftraggeber auch nicht gebunden ist, Aufträge zu erteilen.

370 Lingemann

M 9.1.2

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

§1

Kap. 9

Gegenstand der Vereinbarung

(1) Die Firma beabsichtigt, dem freien Mitarbeiter Aufträge als Werbetexter zu erteilen. (2) Der freie Mitarbeiter ist frei darin, die Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Für die Firma begründet dieser Vertrag keine Verpflichtung, Aufträge zu erteilen. (3) Der freie Mitarbeiter ist berechtigt, sich zur Vertragserfüllung auch anderer Personen zu bedienen. Er bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung auch durch Dritte im Verhältnis zu der Firma verantwortlich. (4) Der freie Mitarbeiter ist frei darin, auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. (5) Für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belange sowie für die Gewerbeanmeldung wird der freie Mitarbeiter selbst Sorge tragen. Dies ist bei der Kalkulation der Vergütung berücksichtigt. §2

Leistungsumfang

(1) Die Leistungen des freien Mitarbeiters umfassen: . . . (2) Der freie Mitarbeiter ist in der Wahl von Ort und Zeit seiner Tätigkeit frei. Etwaige Termine zur Besprechung bei der Firma werden nach Ort und Zeit in dem jeweiligen Auftrag vereinbart. (3) Sofern der freie Mitarbeiter trotz Annahme des Auftrages an der Auftragserfüllung gehindert sein sollte, verpflichtet er sich, die Firma rechtzeitig vorher darüber zu informieren. § 3 Vergütung und Rechnungsstellung (1) Der freie Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit ein Pauschalhonorar von Euro . . . pro getexteter Seite. oder (1) Der freie Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit ein Stundenhonorar von Euro . . .2 Das Honorar wird jeweils bis zum . . . eines Monats für den vorangegangenen Monat abgerechnet. Die Zahlung der Vergütung erfolgt zehn Tage nach Rechnungseingang. (2) Soweit der freie Mitarbeiter mehrwertsteuerpflichtig ist, ist die Vergütung jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Mehrwertsteuer ist auf der Rechnung gesondert auszuweisen. (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des freien Mitarbeiters abgegolten. oder (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des freien Mitarbeiters abgegolten. Dies gilt nicht für Reisekosten und Reisespesen, die durch die Erfüllung der Aufgaben veranlasst sind. Für Reisen mit dem eigenen Pkw zahlt die Firma insoweit pauschal Euro . . . pro gefahrenem Kilometer, für Bahnreisen werden die nachgewiesenen Kosten zweiter Klasse erstattet. 2 Die Vereinbarung eines Stundenhonorars legt eher ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nahe und sollte nach Möglichkeit vermieden werden.

Lingemann 371

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.2

§ 4 Laufzeit/Kündigung (1) Diese Vereinbarung tritt mit dem . . . in Kraft und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. (2) Sie ist von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende kündbar. Unberührt bleibt das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund. §5

Datengeheimnis

(1) Es ist dem freien Mitarbeiter gemäß § 5 BDSG untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen. Die Verpflichtung des freien Mitarbeiters auf das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort. Verstöße können nach § 43 oder § 44 BDSG oder anderer einschlägiger Rechtsvorschriften mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. (2) Sofern sich der freie Mitarbeiter eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedient, hat dieser ebenfalls eine Erklärung nach dem Bundesdatenschutzgesetz gemäß Anlage . . . abzugeben. Der freie Mitarbeiter ist dafür verantwortlich, dass diese Erklärung unterzeichnet wird. Er hat die entsprechende Erklärung des Erfüllungsgehilfen unverzüglich der Firma zuzuleiten. § 6 Schlussbestimmungen (1) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als ungültig oder unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die ungültige oder unwirksame Bestimmung ist durch eine andere gültige Bestimmung zu ersetzen, die dem Willen der Parteien so nahe wie möglich kommt. (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.3 (3) Gerichtsstand ist . . . ... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

... (Firma)

... (Freier Mitarbeiter)

3 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen unter Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für den freien Mitarbeiter nicht.

372 Lingemann

M 9.1.3

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

u

Werkvertrag mit einem Subunternehmer – Softwareentwicklung –1

9.1.3

Zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Auftraggeber) und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Auftragnehmer) wird Folgendes vereinbart: §1

Vertragliche Leistungen des Auftragnehmers

(1) Der Auftraggeber ist mit der Erstellung des Projektes . . . beauftragt. Im Rahmen dieses Projektes beauftragt er seinerseits den Auftragnehmer als Subunternehmer mit der Herstellung des folgenden Werkes:2 (zB) Planung und Erstellung von System-/Anwendersoftware . . . Standard-/Individualsoftware . . . einschließlich Dokumentation für folgenden Zweck: . . . Der genaue Gegenstand der Leistung, die Funktionen und Aufgaben, die das Werk zu erfüllen hat, die einzelnen Teilleistungen (Milestones), der Zeitpunkt der Ablieferung und die Ausführungsfristen für die einzelnen Teilleistungen ergeben sich aus dem als Anlage . . . beigefügten Pflichtenheft und dem von den Parteien abgeschlossenen Leistungsschein. Diese sind Vertragsgegenstand. evtl. (2) Der Auftragnehmer verpflichtet sich, auch nach Inbetriebnahme des herzustellenden Werkes bis zur Dauer von . . . Jahren die Software zu pflegen, um die fortdauernde Gebrauchstauglichkeit der Software sicherzustellen.3 Die Pflege der Software umfasst Störungsbeseitigung, Optimierung und Aktualisierung sowie externe Beratung. Die genaue Leistungsbeschreibung zur Pflege sowie die entsprechenden Zeitkontigente ergeben sich aus dem als Anlage . . . beigefügten Pflichtenheft. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Pflegeverpflichtung eine Hauptpflicht des Auftragnehmers ist.4 1 Nach der Schuldrechtsreform ist nicht abschließend geklärt, ob ein Vertrag über die Entwicklung einer Software als Werkvertrag einzuordnen ist oder als Werklieferungsvertrag mit der Folge, dass gemäß § 651 BGB Kaufvertragsrecht anzuwenden wäre (vgl. Schmidl, MMR 2004, 590; Redeker, NJOZ 2008, 2917). Die vertragsnotwendigen Instrumente des Werkvertragsrechts (zB zur Abnahme des Werkes) sollten daher immer in den Vertrag mit aufgenommen werden. Softwareverträge, die nicht als AGB ausgestaltet sind, können auch prinzipiell dem werkvertraglichen Regelungsregime unterworfen werden (BGH v. 10.5.1979, NJW 1979, 2207). 2 Das Werk muss so genau wie möglich beschrieben werden, damit keine Weisungen mehr erteilt werden müssen. Das herzustellende Werk muss so beschrieben werden, dass es für sich abnahmefähig ist. 3 Software befindet sich häufig auch nach erfolgreicher Installation und Inbetriebnahme noch in einem optimierungsbedürftigen Entwicklungsprozess, sodass es sinnvoll ist, den Hersteller des Werkes auch nach Abnahme zur fortlaufenden Anpassung an die jeweilige Systemumgebung zu verpflichten. 4 Bei einem separaten Abschluss der Pflegevereinbarung kann problematisch sein, ob es sich um eine Haupt- oder Nebenpflicht zum Softwareentwicklungsvertrag handelt und ob insofern

Lingemann 373

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.3

(3) Der Auftragnehmer verpflichtet sich ferner zur Einräumung der uneingeschränkten Nutzungsrechte an der Software und Übertragung des Eigentums an den Datenträgern hierfür sowie an der Dokumentation. (4) Dokumentation im Sinne dieses Vertrages sind die Beschreibungen der Entwicklung der Software und ihrer Anwendung einschließlich ihrer Nutzungsmöglichkeiten und aller Software-Spezifikationen, rechnerischen Aufzeichnungen, Systemhandbücher, Zeichnungen, Ablaufdiagramme, Programmaufzeichnungen in schriftlicher und in maschinenlesbarer Form, die für die Installation, die Nutzung und die Pflege der Software erforderlich sind. (5) Der Auftragnehmer ist über die vereinbarten Termine hinaus in der Wahl und Einteilung sowie dem Umfang, den Zeiten, dem Ablauf und der Organisation seiner Tätigkeit frei. (6) Der Auftragnehmer kann sich bei der Erfüllung dieses Vertrages auch anderer Personen bedienen.5 Er bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Erfüllung gegenüber dem Auftraggeber verantwortlich. (7) Der Auftragnehmer unterliegt keinen Weisungen, sondern hat die Leistung vertragsgemäß zu erbringen. Weisungsrechte des Auftraggebers bestehen auch nicht gegenüber Personen, die der Auftragnehmer gemäß Abs. 6 zur Vertragserfüllung einsetzt.6 (8) Der Auftragnehmer kommt selbst für seine soziale Absicherung auf und führt die erforderlichen Steuern ab. Dies ist bei der Kalkulation der Vergütung berücksichtigt. (9) Der Auftraggeber kann jederzeit Auskunft über den Stand und den Umfang der Arbeiten verlangen. (10) Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers sind ausgeschlossen. § 2 Durchführung des Vertrages (1) Der Auftragnehmer beginnt seine Arbeiten am . . . (2) Der Auftragnehmer ist frei darin, wo er das Werk herstellt. oder (2) Das Werk ist vor Ort bei dem Auftraggeber in . . . an den mit dem Projektleiter vereinbarten Standorten, die voraussichtlich in . . . sein werden, herzustellen. oder (2) Das Werk ist beim Endkunden in . . . herzustellen.

Konnexität besteht (dazu Moritz in Kilian/Heussen, Computerrechts-Handbuch, Teil 3 Rz. 189 ff.). 5 Ein Abstimmungserfordernis mit dem Auftraggeber für den Einsatz Dritter würde die Entscheidungsbefugnis des Auftragnehmers über den Einsatz eigener Mitarbeiter einschränken. Dadurch würde die starke Indizwirkung des Einsatzes Dritter gegen ein Arbeitsverhältnis deutlich eingeschränkt. Gleichzeitig entsteht dadurch ein Indiz für Arbeitnehmerüberlassung. 6 Wichtig: Ein Weisungsrecht gegenüber dem vom Auftragnehmer eingesetzten Personal würde zur Arbeitnehmerüberlassung an den Auftraggeber führen und muss daher vermieden werden. Weisungen können nur dem Auftragnehmer selbst erteilt werden.

374 Lingemann

M 9.1.3

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

(3) Soweit das Werk vor Ort bei dem Auftraggeber hergestellt wird, wird der Auftragnehmer die auf dem Gelände des Auftraggebers geltenden Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften einhalten und dafür Sorge tragen, dass Personen, die er zur Vertragserfüllung einsetzt, diese Vorschriften ebenfalls beachten. Soweit das Werk beim Endkunden hergestellt wird, gilt Satz 1 entsprechend. (4) Änderungen des Leistungsumfangs nach Vertragsschluss bedürfen gesonderter schriftlicher Vereinbarungen. Entstehende Mehrkosten und Terminverschiebungen sind vor der Änderungsvereinbarung dem Auftraggeber mitzuteilen und mit ihm zu vereinbaren. oder (4) Erkennt der Auftragnehmer, dass bei Auftragsausführung auf Grund technischer Probleme oder Schwierigkeiten Abweichungen vom Leistungsschein erforderlich werden, so wird er dies dem Auftraggeber unverzüglich mitteilen unter Angabe der Gründe und der Abweichungen. Die Parteien werden das weitere Vorgehen vereinbaren und schriftlich in einem von beiden Seiten zu unterschreibenden Protokoll festhalten. Dieses Protokoll wird Vertragsbestandteil. Mehrkosten auf Grund unterbliebener oder verspäteter Mitteilung trägt der Auftragnehmer. oder (4) Erkennt der Auftragnehmer, dass er die Ausführungsfristen nicht einhalten kann, wird er dies dem Auftraggeber unverzüglich mitteilen unter Angabe der Gründe einschließlich der voraussichtlichen Dauer der Verzögerung. Ein Anspruch auf Verlängerung der Fristen entsteht dadurch nicht. (5) Jeder Vertragspartner benennt jeweils einen Ansprechpartner für alle vertraglichen Fragen. Auskünfte des Ansprechpartners des Auftraggebers sind nur verbindlich, wenn sie schriftlich erteilt oder bestätigt wurden. (6) Der Auftraggeber stellt dem Auftragnehmer auf Wunsch die für die Durchführung des Auftrages erforderliche Hardware und Software gemäß gesonderter Nutzungsvereinbarung7 zur Verfügung. Alle weiteren Kosten, insbesondere auch für seine Mitarbeiter, trägt der Auftragnehmer. (7) Der Zugang zum Geschäftsbetrieb des Auftraggebers wird gewährleistet, soweit dies zur Werkherstellung erforderlich ist. (8) Der Auftraggeber verpflichtet sich, dem Auftragnehmer auf Wunsch eine Einweisung zu erteilen. (9) Der Auftragnehmer wird den Auftraggeber nach dem im Leistungsschein festgelegten Zeitplan über den Stand der Arbeiten und die Einhaltung der Anforderungen an die Programme unterrichten. § 3 Abnahme (1) Die Parteien vereinbaren eine förmliche Abnahme. Das Werk gilt jedoch als abgenommen, wenn die Software nach Einweisung des Personals mindestens sechs Wochen mangelfrei beim Endabnehmer im Echtbetrieb gearbeitet hat.

7 Vgl. M 9.1.4.

Lingemann 375

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.3

(2) Der Auftragnehmer wird die voraussichtliche Fertigstellung des Werkes oder der jeweiligen Teilleistung drei Wochen vor der Fertigstellung schriftlich ankündigen und die Fertigstellung schriftlich mitteilen. (3) Der Auftraggeber wird die Abnahme zusammen mit dem Auftragnehmer binnen eines Zeitraumes von . . . Wochen ab der Mitteilung, dass das Werk fertig gestellt ist, durchführen. (4) Die Abnahme ist abhängig von der Endabnahme durch den entsprechenden Endkunden, welche baldmöglich herbeizuführen ist.8 (5) Über die Abnahme wird ein Abnahmeprotokoll erstellt. (6) Sind Teilleistungen vereinbart, so ist jede Teilleistung gesondert abzunehmen. Abs. 1–5 gelten entsprechend. (7) Der Abnahme geht die nach Form, Art, Umfang und Dauer im Leistungsschein festgelegte Funktionsprüfung voraus. Der Auftragnehmer liefert dem Auftraggeber dazu eine Testkopie des Programms in kodierter und eingearbeiteter Form und die gesamte zugehörige Dokumentation. Ergibt die Funktionsprüfung, dass die erbrachte Leistung der Leistungsbeschreibung im Leistungsschein entspricht, hat der Auftraggeber schriftlich die Abnahme zu erklären. Der Auftraggeber ist verpflichtet, dem Auftragnehmer während der Funktionsprüfung auftretende Abweichungen von den Anforderungen mitzuteilen. Erfolgt die Abnahme trotz Feststellung von Abweichungen während der Funktionsprüfung, so sind diese Abweichungen in dem Abnahmeprotokoll als Mängel festzuhalten. (8) Wird die Abnahme von dem Auftraggeber wegen eines Mangels verweigert, kann der Auftragnehmer eine erneute Abnahme erst verlangen, wenn er die Beseitigung des Mangels nachgewiesen hat. (9) Wird die Abnahme nicht fristgemäß erklärt, kann der Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Abnahme setzen, die drei Wochen nicht unterschreiten darf. Nach Ablauf dieser Frist gilt das Werk als abgenommen, wenn der Auftraggeber weder die Abnahme erklärt noch Gründe für eine Verlängerung der Funktionsprüfung nennt und selbst keine Nachfrist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat. § 4 Gewährleistung und Haftung (1) Der Auftragnehmer sichert zu,9 – dass die von ihm erbrachten Leistungen dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen; 8 Soweit die Abnahme von der Endabnahme durch den Endkunden abhängig gemacht wird, ist dies jedenfalls in Bauverträgen wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. OLG München v. 3.11.1983, BB 1984, 1386, 1388 Ziff. 9 zum damaligen § 9 AGBG; BGH v. 23.2.1989, NJW 1989, 1602). Eventuell könnte vereinbart werden: „Die Gewährleistungsfrist beginnt erst mit der Endabnahme durch den Endkunden.“ 9 Pauschale Zusicherungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen könnten wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sein. Ist eine Klausel auch nach einer Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden unklar oder mehrdeutig, gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2; vgl. schon Einf. Kap. 2 Rz. 25 ff.). Es empfiehlt sich daher, wie hier im dritten Spiegelstrich, konkret die Eigenschaften anzugeben, auf deren Zusicherung es dem Auftraggeber in besonderer Weise ankommt.

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

– dass das Werk den mit dem Auftrag verbundenen Richtlinien und technischen Vorschriften entspricht, die dem Auftragnehmer zuvor schriftlich bekannt gegeben worden sind; – dass das Werk insbesondere folgende Eigenschaften hat: . . . (2) Die Gewährleistungsfrist beträgt . . . Monate und beginnt – auch bei der vorherigen Abnahme von Teilleistungen – mit der Abnahme des gesamten Werkes. (3) Im Übrigen gelten die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften des BGB. (4) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, sein mit der Vertragsverpflichtung übernommenes Risiko durch eine ausreichende Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung abzudecken und diese dem Auftraggeber auf Verlangen nachzuweisen. §5

Rechte am Werk10, 11

(1) Das Werk einschließlich der dazugehörigen Unterlagen und Datenträger wird mit seiner Erstellung – und zwar im jeweiligen Bearbeitungszustand – Eigentum des Auftraggebers. Unterlagen und Datenträger, die der Auftragnehmer von dem Auftraggeber erhalten hat, verbleiben im Eigentum des Auftraggebers. Sie sind auf Anfrage an den Auftraggeber herauszugeben, spätestens aber nach Beendigung des Werkes oder des Vertrages, zusammen mit dem Werk. Die Herausgabeverpflichtung erstreckt sich auch auf sämtliche Kopien.12 (2) Ein Zurückbehaltungsrecht an den in Abs. 1 genannten Gegenständen besteht nicht.13 10 Es empfiehlt sich, die eingeräumten Nutzungsrechte bzw. Nutzungsarten einzeln zu bezeichnen. Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich nach dem von beiden Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt, § 31 Abs. 5 UrhG. Im Zweifel räumt der Urheber Nutzungsrechte nur in dem Umfang ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Die übrigen Rechte bleiben beim Urheber. Das gilt selbst dann, wenn der Vertrag eine pauschale Übertragung sämtlicher Rechte vorsieht (vgl. BGH v. 27.9.1995, BGHZ 131, 8, 12 – pauschale Rechtseinräumung; v. 26.4.1974, GRUR 1974, 786, 787 – Kassettenfilm). Will der Auftraggeber sichergehen, muss er deshalb im Einzelfall sämtliche Nutzungsarten auflisten, zu denen er zukünftig berechtigt sein will. 11 Das Arbeitnehmererfindungsgesetz gilt nur für Erfindungen, die patent- und gebrauchsmusterfähig sind, und für technische Verbesserungsvorschläge. Patente im Zusammenhang mit Software sind allerdings selten, insbesondere reine Softwarelösungen ohne Hardware sind nach der derzeitigen Rechtslage kaum patentierfähig. Soweit Software lediglich urheberrechtlich geschützt ist, gilt für Arbeitnehmer und öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse § 69b UrhG. Danach ist – sofern nichts anderes vereinbart ist – ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt, sofern dieses von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen wird. 12 Das urheberrechtliche Zugangsrecht zum Werk aus § 25 UrhG als Teil des Urheberpersönlichkeitsrechts kann hingegen vertraglich im Voraus nicht zeitlich unbeschränkt ausgeschlossen werden (vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR, 3. Aufl. 2009, § 25 Rz. 21 mwN). 13 Der uneingeschränkte Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts in Formularverträgen dürfte wegen § 309 Nr. 2b BGB unwirksam sein. Er müsste daher individualvertraglich vereinbart werden. Möglicherweise kann er wirksam eingeschränkt werden, wenn der Gegenanspruch nicht auf demselben Vertragsverhältnis beruht (vgl. Palandt/Grüneberg, § 309 BGB Rz. 15; dazu Einf. Kap. 2 Rz. 72).

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(3) Der Auftragnehmer überträgt alle bestehenden und künftigen übertragungsfähigen Rechte und Ansprüche an dem Werk auf den Auftraggeber, jeweils mit Wirkung zum Zeitpunkt ihres Entstehens, so dass der Auftraggeber Inhaber dieser Rechte wird, ohne dass es eines weiteren Übertragungsaktes bedürfte. Wenn und soweit Rechte an dem Werk selbst nicht übertragbar sind (insbesondere im Fall von Urheberrechten), räumt der Auftragnehmer dem Auftraggeber für die Dauer des Bestehens etwaiger Schutzrechte unwiderruflich14 und ohne jede örtliche und sachliche Beschränkung das ausschließliche15 Recht ein, das Werk ohne jegliche Einschränkungen für alle bekannten Nutzungsarten für eigene Zwecke sowie für Zwecke des Endkunden zu nutzen und zu verwerten. Umfasst ist insbesondere das Recht, das Werk ganz oder teilweise dauerhaft oder vorübergehend zu vervielfältigen durch Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern zum Zwecke der Ausführung und der Verarbeitung der darin enthaltenen Datenbestände, sowie das Recht, das Werk zu verbreiten, vorzuführen, über Fernleitungen oder drahtlos zu übertragen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (zB über Internet). Umfasst ist auch das Recht, das Werk zu ändern, zu übersetzen, zu bearbeiten, zu arrangieren oder sonst wie umzuarbeiten und die hierdurch geschaffenen Leistungsergebnisse in der gleichen Weise wie die ursprünglichen Fassungen zu nutzen und zu verwerten. Die Rechtseinräumung bezieht sich außerdem auf Nutzungsarten, die gegenwärtig noch unbekannt16 sind, wobei dem Auftragnehmer die ihm nach dem Urheberrechtsgesetz insoweit vorgesehenen Rechte verbleiben. (4) Der Auftraggeber ist berechtigt, ohne weitere Zustimmung17 des Auftragnehmers an einzelnen oder sämtlichen der vorstehend übertragenen oder eingeräumten Rechte einfache oder ausschließliche Lizenzen18 an den Endkunden19 zu vergeben oder die erworbenen Rechte ganz oder teilweise auf Dritte zu übertragen. 14 Der Urheber kann im Voraus jedoch nicht wirksam auf sein Rückrufsrecht wegen Nichtausübung (§ 41 Abs. 4 UrhG) und sein Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung (§ 42 Abs. 2 UrhG) verzichten. Die Voraussetzungen des Rückrufsrechts wegen gewandelter Umstände werden bei Software jedoch in der Regel nicht erfüllt sein. 15 Bei Einräumung bloß einfacher Nutzungsrechte ist fraglich, ob der Auftraggeber dem Endabnehmer Unterlizenzen (vgl. hierzu Abs. 4) einräumen kann. Der BGH hat im Fall „Reifen Progressiv“ angedeutet, dass auch die Inhaber einfacher Lizenzen Unterlizenzen erteilen können, soweit eine entsprechende Zustimmung des Urhebers vorliegt (vgl. BGH v. 26.3.2009, GRUR 2009, 946 – Reifen Progressiv). 16 Nach § 31a UrhG kann der Urheber auch Rechte für bisher unbekannte Nutzungsarten einräumen. Die Einräumung muss schriftlich erfolgen, § 126 BGB. Außerdem sind das in § 31a UrhG vorgesehene Widerrufsrecht und der im Voraus nicht verzichtbare Vergütungsanspruch (§ 32c UrhG) zu beachten. 17 Ob die gemäß §§ 34, 35 UrhG erforderliche Zustimmung durch AGB vorweggenommen werden darf, ist durch den BGH noch nicht abschließend geklärt. Instanzgerichte haben die formularmäßige Zustimmung des Urhebers zur Übertragung von Nutzungsrechten jedoch für ausreichend befunden (OLG Thüringen v. 19.5.2012, ZUM-RD 2012, 393; LG Berlin v. 5.6.2007, ZUM-RD 2008, 18, 23). 18 Nach der Rechtsprechung des BGH erlöschen Unterlizenzen, die sich von einem ausschließlichen Nutzungsrecht ableiten, jedenfalls dann nicht, wenn das ausschließliche Nutzungsrecht auf Grund eines wirksamen Rückrufs wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG) erlischt (BGH v. 26.3.2009, GRUR 2009, 946 – Reifen Progressiv). Dies soll nach neuerer Rechtsprechung auch dann gelten, wenn die Hauptlizenz aus anderen Gründen erlischt (BAG v. 19.7.2012, NJW-RR 2012, 1127; v. 19.7.2012, BGHZ 194, 136; vgl. auch Schricker/Peukert in Schricker/ Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. 2010, § 41 UrhG Rz. 24; Scholz, GRUR 2009, 1107). Will der Auftragnehmer, dass die Unterlizenzen vom Bestand des ausschließlichen Nutzungs-

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

(5) Der Auftragnehmer wird dem Auftraggeber mit der Abnahme des Werkes auch eine Kopie des Quellcodes und der Entwicklungsdokumentation für das Werk zur Verfügung stellen. Der Auftraggeber ist berechtigt, die Quellcodes in demselben Umfang zu nutzen und zu verwerten wie das Werk selbst. (6) Der Auftragnehmer verzichtet auf die Ausübung seines Rechts auf Autorennennung bzw. Namensnennung.20 (7) Der Auftragnehmer sichert zu, dass die von ihm erstellten Arbeitsergebnisse frei von Rechten Dritter sind.21 (8) Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber unverzüglich alle Erfindungen oder Verbesserungen, nachstehend Erfindungen genannt, die er in Ausübung einer auf Grund dieses Vertrages erbrachten Leistung entwickelt oder zum ersten Mal in der Praxis verwirklicht hat, vollständig schriftlich zu melden, gleichgültig, ob sie patentfähig sind oder nicht. Für all diese Erfindungen hat der Auftragnehmer in seiner Meldung besonders die Punkte herauszustellen, die nach seiner Auffassung neu oder andersartig sind. (9) Der Auftragnehmer wird den Auftraggeber bei der Vorbereitung und Durchführung von Patentanmeldungen unterstützen und alle Erklärungen oder sonstigen Urkunden anfertigen lassen, die der Auftraggeber für die Durchführung von Maßnahmen als erforderlich oder angemessen erachtet. (10) Die in diesem Vertrag vorgesehene Vergütung deckt die Übertragung und Einräumung aller vorstehend genannten Rechte ab.22

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rechts des Auftraggebers abhängen, sollte dies hier ergänzend ausdrücklich geregelt werden. Falls der Endkunde am Werk seinerseits weitere Rechte vergeben will, zB an verbundene Unternehmen, so muss das ergänzend klargestellt werden. Am besten geschieht dies mE dadurch, dass der Auftraggeber und Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts zur Unterlizenzierung an den Kunden und/oder mit diesem verbundene Unternehmen ermächtigt wird. Ob dieser generelle Verzicht in AGB wirksam ist, ist fraglich. Instanzgerichte haben einen solchen generellen Verzicht in AGB schon für unwirksam erklärt (vgl. LG Berlin v. 5.6.2007, K&R 2007, 588, 590). Gegenstand dieser Entscheidung war jedoch nicht Software. Da bei Software als industrialisiertem Produkt die Urheberpersönlichkeitsrechte weniger stark ins Gewicht fallen, dürfte hier ein genereller Verzicht eher wirksam sein. Die Regelung hat gegenüber dem Auftragnehmer nur Hinweisfunktion. Tatsächlich hält die Garantie einer AGB-Kontrolle wohl nicht stand und ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Auf Grund der strengen gesetzlichen Haftung (§§ 434, 435, 437, 440, 280 ff., 323, 326 Abs. 5 BGB) kann dies jedoch hingenommen werden. In einem Arbeitsverhältnis wäre eine unentgeltliche Übertragung der Arbeitsergebnisse nach den zwingenden Vorschriften des Arbeitnehmererfindungsgesetzes nicht möglich. Sollte die Leistung des Arbeitnehmers patentierfähig sein, hat der Arbeitgeber das Recht, die Erfindung oder den technischen Verbesserungsvorschlag in Anspruch zu nehmen. Er ist dann aber verpflichtet, dem Arbeitnehmer neben dem Arbeitslohn eine Vergütung zu zahlen. Durch Vereinbarung der unentgeltlichen Übertragung kann sich daher ein Einfallstor für Klagen von freien Mitarbeitern öffnen, mit denen sie über die Behauptung, Arbeitnehmer zu sein, versuchen, Vergütungen nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz zu erzielen. Nach § 32 Abs. 1 Satz 3 UrhG hat der Urheber einen Anspruch auf angemessene Vergütung und gemäß § 32a UrhG einen Anspruch auf Anpassung der vereinbarten Vergütung, sollte sich herausstellen, dass die vereinbarte Vergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen steht, die der Auftraggeber aus der Nutzung des Werkes zieht (Bestsellerparagraf). Sollte die in § 6 geregelte Vergütung diesen Anforderungen nicht genügen,

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

§6

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Vergütung23

(1) Der Auftragnehmer erhält für die gesamten vertraglichen Leistungen eine Pauschalvergütung von Euro . . ., zu zahlen binnen . . . Tagen nach Abnahme und Rechnungseingang bei dem Auftraggeber. Bei der Feststellung auch von unwesentlichen Mängeln ist der Auftraggeber berechtigt, angemessene Beträge zurückzubehalten.24 evtl. (2) Für die nach erfolgter Endabnahme vereinbarte Pflege der Software erhält der Auftragnehmer eine zusätzliche Vergütung von Euro . . . Diese ist auf die Dauer der Pflegevereinbarung zu verteilen und ratierlich jeweils zum . . . eines Monats zu zahlen. evtl. (3) Hält der Auftragnehmer den im als Anlage . . . beigefügten Pflichtenheft vereinbarten Zeitpunkt der Ablieferung ein, erhält der Auftragnehmer eine zusätzliche Vergütung (Bonus) von . . . % auf die in Abs. 1 vereinbarte Pauschalvergütung.25 Dieser Bonus verringert sich um . . . % pro angefangener Woche, wenn der Auftragnehmer den vereinbarten Zeitplan nicht einhält. Überschreitet der Auftragnehmer die Frist der vereinbarten Abnahme um . . . Wochen, steht ihm kein Bonus mehr zu. Ab diesem Zeitpunkt reduziert sich die in Abs. 1 vereinbarte Pauschalvergütung pro angefangener Woche um . . . %, höchstens jedoch um . . . %.26 Das Recht des Auftraggebers, für eine verspätete Ablieferung einen Verzugsschadensersatzanspruch geltend zu machen, ist für diesen Zeitraum von . . . Wochen ab vereinbarter Ablieferung ausgeschlossen.27

23 24 25 26

27

könnten daher darüber hinausgehende Ansprüche entstehen, die auch durch Vertrag nicht im Voraus abdingbar sind, §§ 32 Abs. 3, 32a Abs. 3, 32b UrhG. Ungeklärt ist hingegen, ob die §§ 32, 32a UrhG auch für den Arbeitnehmerurheber eines Computerprogramms gelten. Zwar hat der BGH entschieden, dass einem Arbeitnehmer, der ein Computerprogramm in Wahrnehmung seiner betrieblichen Aufgaben geschaffen hat, grundsätzlich kein Anspruch auf zusätzliche Vergütung zusteht (BGH v. 24.10.2000, GRUR 2001, 155 – Wetterführungspläne). Ausgenommen hat der BGH hiervon jedoch § 36a UrhG aF, den alten Bestsellerparagrafen (BGH v. 23.10.2001, GRUR 2002, 149 – Wetterführungspläne II). Nahe liegend ist, dass die Rechtsprechung für den neuen § 32a UrhG ähnlich entscheiden wird. Ist die Vergütung allerdings tarifvertraglich bestimmt und für den Fall des § 32a Abs. 1 UrhG ausdrücklich eine weitere angemessene Vergütung im Tarifvertrag vorgesehen, ist ein zusätzlicher Anspruch des Urhebers ausgeschlossen, §§ 32 Abs. 4, 32a Abs. 4 UrhG (vgl. im Einzelnen Wandtke/Bullinger/Grützmacher, UrhR, 3. Aufl. 2009, § 69b Rz. 22 ff.; Grobys/Foerstl, NZA 2002, 1015; Haas, Das neue Urhebervertragsrecht, 2002, Rz. 427, 419 ff. und 286 ff.). Vgl. auch M 9.1.1 § 3 m. Anm. Bei wesentlichen Mängeln kann der Auftraggeber die Abnahme ohnehin verweigern. Angelehnt an Bartsch in Hoffmann-Becking/Rawert, Beck’sches Formularbuch, Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 11. Aufl. 2013, G, 4. Häufig wird ein eher straffer Zeitplan aufgestellt, dessen Einhaltung prämiert wird. Der Sache nach handelt es sich bei einer solchen Vereinbarung um eine – zeitlich verzögert einsetzende – Vertragsstrafe für verspätete Leistung. Hierbei ist zu beachten, dass die vereinbarte Strafe in einem Verhältnis zu dem möglichen Schaden des Auftraggebers stehen muss (näher Graf von Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe 38 Rz. 14 ff.). Der BGH hat im Rahmen von Bauverträgen eine formularmäßig vereinbarte Vertragsstrafe iHv. 5 % der Auftragssumme für unwirksam erklärt (BGH v. 23.1.2003, NJW 2003, 1805). Aufgrund der Kumulation von Bonus und Malus sowie der erst verzögert einsetzenden Strafzahlung sollte hier eine höhere Summe gerechtfertigt sein. Soll die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches daneben möglich bleiben, ist das in § 340 Abs. 2 BGB und § 341 Abs. 2 BGB verankerte Kumulierungsverbot zu beach-

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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oder (1) Der Auftragnehmer erhält für die gesamten vertraglichen Leistungen eine Pauschalvergütung von Euro . . . Diese ist wie folgt zur Zahlung fällig: a) Abschlagszahlung in Höhe von . . . binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang bei dem Auftraggeber und Abnahme der Teilleistung . . . b) Abschlagszahlung in Höhe von . . . binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang bei dem Auftraggeber und Abnahme der Teilleistung . . . c) Die Schlusszahlung erfolgt abzüglich eines Sicherheitseinbehaltes von 5 % binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang oder nach erfolgter Endabnahme. d) Der Sicherheitseinbehalt von 5 % ist nach Ablauf der Gewährleistungsfrist auszuzahlen, soweit er nicht im Rahmen der Gewährleistung in Anspruch genommen wurde. evtl. (2) Der Verzugszins beträgt für alle Forderungen der beiden Vertragsparteien einheitlich . . . % pro Jahr.28 oder (1) Der Auftragnehmer erhält für die gesamten vertraglichen Leistungen eine Vergütung in Höhe von Euro . . . Davon sind a) . . . % bei Auftragsbeginn, b) . . . % nach Abnahme jeder der . . . Teilleistungen, c) . . . % nach erfolgter Endabnahme evtl. d) . . . % nach Ablauf der Pflegevereinbarung zu zahlen. Die jeweiligen Einzelzahlungen sind binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang bei dem Auftraggeber zur Zahlung fällig. oder (1) Der Auftragnehmer erhält für seine tatsächlich erbrachte Leistung eine Vergütung von Euro . . ./Stunde.29 Der Auftragnehmer rechnet die erbrachten Stunden monatlich unter Beifügung eines Stundennachweises ab und weist anfallende Mehrwertsteuer gesondert aus. Die jeweiligen Einzelzahlungen sind binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang bei dem Auftraggeber zur Zahlung fällig. (2) Soweit der Auftragnehmer mehrwertsteuerpflichtig ist, sind die Zahlungen zuzüglich Mehrwertsteuer zu leisten. ten. Die Vertragsstrafe muss den Mindestbetrag des geltend gemachten Schadensersatzes darstellen, wobei der Auftraggeber für einen darüber hinausgehenden Schaden beweispflichtig bleibt (BGH v. 21.11.1991, NJW 1992, 1096). 28 Die Vereinbarung eines fixen Betrages vereinfacht die Berechnung der Verzugszinsen, die sonst unter Berücksichtigung der Änderungen des Leitzinses vorzunehmen ist. Jedoch unterliegen formularvertragliche Abreden über einen pauschalierten Verzugszins der AGB-Kontrolle. Sinnvoll wäre eine Orientierung am Verzugszinssatz des § 288 Abs. 2 BGB. 29 Eine Vergütung nach Stunden ist ein Indiz für ein Anstellungsverhältnis. Sie sollte im Werkvertrag daher nur erfolgen, wenn eine andere Vergütung nicht möglich ist.

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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(3) Bei einer Zahlung binnen . . . Tagen wird ein Skonto von . . . % gewährt. (4) Damit sind alle vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen einschließlich Fahrtzeiten, Reise- und Aufenthaltskosten abgegolten. oder (4) Damit sind alle vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen mit Ausnahme der Auslagen gemäß Satz 2 abgegolten. Der Auftraggeber ersetzt Auslagen, wenn der Auftragnehmer auf schriftliche Veranlassung des Auftraggebers Reisen außerhalb des Einsatzortes übernehmen muss. Erstattet werden auf Nachweis – Deutsche Bahn 2. Klasse oder Flugzeug „Economy“ ab 400 km oder Kilometergeld von Euro . . ./km; – Übernachtungskosten und Tagegelder entsprechend den steuerlich anerkannten Beträgen. § 7 Geheimhaltung (1) Der Auftragnehmer wird alle Vorgänge, die ihm aus und im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Auftraggeber zur Kenntnis gelangen, geheim halten. Die Auftragnehmer wird bei der Geheimhaltung mindestens die gleiche Sorgfalt anwenden, mit der er eigene Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse schützt. Er wird die Informationen nur den Mitarbeitern und Erfüllungsgehilfen zugänglich machen, die mit der Erfüllung von Pflichten oder Obliegenheiten nach diesem Vertrag befasst sind und die zuvor zu entsprechender Geheimhaltung verpflichtet wurden. Die vorstehenden Verpflichtungen gelten jedoch nicht, wenn und soweit die jeweiligen Informationen nachweislich allgemein bekannt sind oder ohne Verschulden des Auftragnehmers und ohne Verstoß gegen diese Vereinbarung allgemein bekannt werden; Stand der Technik sind oder werden; dem Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Übermittlung bereits bekannt sind, was durch Unterlagen bewiesen werden muss, die eine solche Kenntnis belegen; dem Auftragnehmer von einem Dritten rechtmäßig bekannt oder zugänglich gemacht wurden oder werden; auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vollstreckbarer behördlicher Verfügungen oder gerichtlicher Entscheidungen offen gelegt werden müssen. Die Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes trägt der Auftragnehmer. In jedem Fall ist der Auftraggeber rechtzeitig vor Weitergabe der Informationen an Dritte zu informieren. (2) Die Auswertung von Informationen, Unterlagen und der vom Auftragnehmer im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber erstellten Unterlagen und Ergebnisse sowie die Anfertigung von Aufzeichnungen und Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch ist dem Auftragnehmer nicht gestattet. (3) Veröffentlichungen in Wort, Schrift und Bild, die sich auf die Tätigkeit oder die Ergebnisse dieses Projektvertrages beziehen und den Geschäfts- und Interessenbereich des Auftraggebers betreffen, bedürfen der vorherigen Zustimmung des Auftraggebers. (4) Die in Absatz 1–3 genannten Verpflichtungen gelten auch bezüglich Unterlagen, Daten und Informationen des Endkunden. (5) Vorstehende Vereinbarungen behalten auch nach Beendigung des Vertrages ihre Gültigkeit.

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

§8

Wettbewerb und Abwerbung

(1) Der Auftragnehmer verpflichtet sich, den Endkunden mindestens zwei Jahre30 nach der Beendigung des Vertrages nicht mit Dienstleistungen direkt zu beliefern oder abzuwerben. Für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung verpflichtet sich der Auftragnehmer, an den Auftraggeber eine Vertragsstrafe in Höhe von Euro . . .31 zu bezahlen. (2) Besteht die Verletzungshandlung in der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreter- oder Beraterverhältnis),32 wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Die Vertragsstrafen sind auf insgesamt Euro . . . begrenzt.33 (3) Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung. § 9 Vertragsdauer und Kündigung (1) Dieser Vertrag tritt mit Unterzeichnung durch beide Vertragspartner in Kraft. (2) Er endet mit dem vollständigen Erbringen der vom Auftraggeber geschuldeten Leistungen. (3) Der Auftraggeber ist berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende zu kündigen, bei vorzeitiger Beendigung des dem Auftraggeber erteilten Auftrages mit einer Frist von zwei Wochen. In diesem Fall ist die bis dahin erbrachte Teilleistung entsprechend zu vergüten.34 30 Beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot sind auch die Schranken des Kartellrechts zu berücksichtigen. Sind spürbare Auswirkungen des Wettbewerbsverbotes nicht auszuschließen, sollte die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes auf ein Jahr beschränkt werden (vgl. BGH v. 12.5.1998, NJW-RR 1998, 1508 – Subunternehmervertrag; v. 24.2.1975, WuW/E BGH 1353, 1355 – Schnittblumentransport). 31 Bei der Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe ist darauf zu achten, dass die Strafe in einem sachgerechten Verhältnis zur Bedeutung des Vertragsverstoßes für den Verwender steht. Ist die Vertragsstrafe im Formularvertrag zu hoch bemessen, kann sie wegen des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion, § 306 Abs. 2 BGB, nicht über § 343 BGB auf ein angemessenes Maß reduziert werden, sondern ist unwirksam. 32 Die Formulierung dient der vom BAG (v. 14.8.2007, NZA 2008, 170) verlangten Abgrenzung zwischen einmaliger und Dauerverletzung (dazu Diller, NZA 2008, 574). 33 Das OLG Köln (v. 15.6.2010 – 19 U 53/10) hat eine Klausel zu einer Vertragsstrafe für nichtig erklärt, welche eine Vertragsstrafe iHv. Euro 10 000,– für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhanges zum Inhalt hatte. Das LG Erfurt (v. 1.6.2011 – 10 O 1247/10) hat klargestellt, dass eine Klausel über eine Vertragsstrafe in einer bestimmten Höhe für jede Begehungsform und jede denkbare Art eines Wettbewerbsverstoßes unangemessen und damit unwirksam sei. Regelungen über Vertragsstrafen müssten eine Obergrenze für den Fall mehrerer Verstöße vorsehen. Vorsorglich enthält daher auch das Muster eine Gesamtobergrenze. Vgl. M 25.1 m. Anm. sowie Diller, NZA 2008, 574. Allgemein zur Vertragsstrafe Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff. 34 Die Kündigung dürfte allerdings auch die Rechte nach § 649 BGB auslösen.

Lingemann 383

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.4

(4) Unberührt bleibt das Recht der Vertragsparteien zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund. (5) Eine Kündigung ist nur wirksam, wenn sie schriftlich oder per Fax erfolgt. § 10

Schlussbestimmungen

(1) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.35 (2) Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ist . . . (3) Sind oder werden einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen gültig. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.36 ... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

... (Auftraggeber)

... (Auftragnehmer)

35 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für Werkunternehmer nicht. 36 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

9.1.4

u

Vereinbarung über die Miete von Betriebsmitteln – hier: Nutzung von PC –

Zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Auftraggeber) und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Auftragnehmer) wird Folgendes vereinbart: Zwischen den Parteien besteht der Werkvertrag vom . . . Auf Wunsch des Auftragnehmers wird gemäß § . . . dieses Vertrages folgende Vereinbarung getroffen:

384 Lingemann

M 9.1.4

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

§1

Nutzungsgegenstand

(1) Der Auftraggeber vermietet dem Auftragnehmer folgende Soft- und Hardware . . . (im Folgenden: der Nutzungsgegenstand). a) Software

monatliche Vergütung Euro . . .

b) Hardware

monatliche Vergütung Euro . . .

c) Laserdrucker

monatliche Vergütung Euro . . .

d) . . .

monatliche Vergütung Euro . . .

(2) Für die Nutzung dieses Systems zahlt der Auftragnehmer ab Übergabe des Systems jeweils bis zum 5. des laufenden Monats eine monatliche Vergütung in Höhe von Euro . . ., ggf. zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer. (3) Weitere Materialkosten sowie die Betriebs-/Betreiberkosten trägt der Auftraggeber. Die Vergütung ist jeweils am ersten Werktag eines Monats im Voraus fällig. (4) Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, die Gegenstände gemäß Absatz 1 zu nutzen. § 2 Pflichten des Auftragnehmers (1) Der Auftragnehmer hat den Nutzungsgegenstand von Eingriffen Dritter oder sonstigen Belastungen (zB Pfandrechte) jeglicher Art freizuhalten und dem Auftraggeber den etwaigen Zugriff Dritter unverzüglich schriftlich und unter Erteilung aller erforderlichen Auskünfte anzuzeigen. Er trägt die erforderlichen Kosten für alle Maßnahmen zur Abwehr des Zugriffs Dritter, es sei denn, er hat den Zugriff Dritter nicht zu vertreten. (2) Kopien der Software oder Dokumentationen der Hard- und Software, in welcher Form auch immer, darf der Auftragnehmer nicht an Dritte weitergeben oder Dritten zugänglich machen. (3) Der Auftragnehmer wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen gemäß Absatz 1 und 2 eine Vertragsstrafe in Höhe von Euro . . . an den Auftraggeber zahlen, höchstens jedoch Euro . . .1 §3

Pflichten des Auftraggebers

(1) Der Auftraggeber führt während der Vertragslaufzeit die notwendigen Instandsetzungsarbeiten/Funktionsprüfungen durch. Die Kosten sind von der monatlichen Nutzungsvergütung gemäß § 1 Abs. 2 abgedeckt. (2) Der Auftragnehmer wird alle Störungen unverzüglich mitteilen. Der Auftraggeber wird auftretende Störungen unverzüglich nach Mitteilung des Auftragnehmers beheben. (3) Den Mitarbeitern des Auftraggebers oder von ihm beauftragten Dritten wird für die unter dieser Ziffer aufgeführten Tätigkeiten der Zugang zu den Geräten ermöglicht. (4) Kosten für Diagnose- und Instandsetzungsarbeiten, die aus vom Auftragnehmer zu vertretenden Gründen erforderlich werden (ua. unsachgemäße Bedienung), trägt der Auftragnehmer. 1 Allgemein zur Vertragsstrafe Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff., M 25.1 m. Anm. sowie Diller, NZA 2008, 574.

Lingemann 385

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

§4

M 9.1.4

Ausschluss von Schadensersatzansprüchen

Schadensersatzansprüche gleich aus welchen Rechtsgründen gegen den Auftraggeber sind ausgeschlossen, sofern sich aus Nachstehendem nichts anderes ergibt. Dies gilt insbesondere für Schäden, die nicht selbst an dem Nutzungsgegenstand entstehen, insbesondere für entgangenen Gewinn und sonstige Vermögensschäden. Der Auftraggeber haftet jedoch, wenn die Schadensursache auf Verschulden seiner Geschäftsleitung oder der leitenden Angestellten oder auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit seiner sonstigen Erfüllungsgehilfen oder auf dem Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft beruht. Im Falle grober und einfacher Fahrlässigkeit haftet der Auftraggeber nur auf den vorhersehbaren Schaden. Vorstehende Haftungsregelung gilt für alle Ansprüche auf Schadensersatz, ausgenommen solche Ansprüche des Auftraggebers, die auf dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) beruhen. § 5 Vertragsdauer und Pflichten bei Vertragsbeendigung (1) Der Mietvertrag wird für die Dauer von zwei Jahren geschlossen, beginnend mit dem Tag der Betriebsbereitschaft. Er verlängert sich automatisch um jeweils zwölf Monate, wenn er nicht zuvor unter Einhaltung einer Frist von einem Monat schriftlich oder per Fax gekündigt wird. Der Vertrag endet spätestens mit Beendigung des in der Erläuterung genannten Werkvertrages zwischen den Parteien. (2) Mit dem Ende der Vertragslaufzeit gibt der Auftragnehmer alle bei ihm befindlichen Datensicherungen/Speichermedien sowie alle ihm überlassenen Gegenstände an den Auftraggeber zurück. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht insoweit nicht.2 § 6 Schlussbestimmungen (1) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.3 (2) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hierdurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.4 ... (Ort, Datum) ... (Auftraggeber)

... (Ort, Datum) ... (Auftragnehmer)

2 Der uneingeschränkte Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts in Formularverträgen dürfte wegen § 309 Nr. 2b BGB unwirksam sein. Er müsste daher individualvertraglich vereinbart werden. Möglicherweise kann er wirksam eingeschränkt werden, wenn der Gegenanspruch nicht auf demselben Vertragsverhältnis beruht (vgl. Palandt/Grüneberg, § 309 BGB Rz. 15; dazu Einf. Kap. 2 Rz. 72). 3 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für Werkunternehmer nicht. 4 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

386 Lingemann

M 9.1.5

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

u

Vertrag mit einem Interimsmanager1

9.1.5

Zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Firma) und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Interimsmanager) wird Folgendes vereinbart:2 §1

Gegenstand der Vereinbarung

(1) Durch Gesellschafterbeschluss vom . . . wurde der Interimsmanager zum Geschäftsführer in folgenden Bereichen bestellt: . . .3 Die Bestellung zum Geschäftsführer kann jederzeit durch Beschluss der Gesellschaftsversammlung widerrufen werden. (2) Der Interimsmanager vertritt die Gesellschaft gemeinsam mit einem anderen Geschäftsführer nach Maßgabe des § 35 Abs. 2 GmbHG. Die Vertretungsbefugnis kann jederzeit durch Gesellschafterbeschluss geändert werden. (3) Die Parteien sind sich darüber einig, dass dieser Vertrag kein Arbeitsverhältnis begründet und als Dienstleistungsvertrag durchgeführt wird. Dies geschieht auf ausdrücklichen Wunsch des Interimsmanagers. (4) Der Interimsmanager ist vorbehaltlich § 6 frei darin, auch für andere Auftraggeber tätig zu sein, solange dies seine Leistungsfähigkeit gegenüber der Firma nicht beeinträchtigt. § 2 Aufgabengebiet und Leistungsumfang (1) Die Aufgaben des Interimsmanagers umfassen im Einzelnen: . . .4 (2) Der Interimsmanager ist vorbehaltlich konkret projektbezogener Vorgaben der Projektmanager nicht an Weisungen der Firma gebunden. Er ist bei der Durchführung der Geschäfte an die Gesetze, diesen Vertrag sowie den Gesellschaftsvertrag und die Ge-

1 Vertragsmuster in Anlehnung an Buschmann/Klösel, NJW 2012, 1482. 2 Diesem Muster liegt ein direktes Vertragsverhältnis zwischen Unternehmen und Interimsmanager zugrunde. Zu Alternativen s. Einf. Rz. 21a. 3 Dem Interimsmanager müssen nicht notwendigerweise Geschäftsführungsbefugnisse übertragen werden. Möglich bleibt auch eine rein schuldrechtliche Aufgabenzuweisung als organfremder Dritter (vgl. Uffmann, ZGR 2013, 273, 294 f.). 4 Um kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu begründen, ist darauf zu achten, dass der Interimsmanager im Wesentlichen selbständig und weisungsfrei agieren kann. Die Führungsaufgaben sollten im Vertrag klar definiert sein. Eine selbständige Beschäftigung liegt nahe, wenn sich das Aufgabengebiet des Interimsmanagers auf Projektarbeit außerhalb des Tagesgeschäftes beschränkt, zB Restrukturierungsmaßnahmen, Börsengänge, Unternehmenstransaktionen oder spezifische Produkteinführung (Dahl, DB 2005, 1738, 1740). Für eine abhängige Beschäftigung spricht demgegenüber der Einsatz des Interimsmanagers im aktuellen Tagesgeschäft zur Überbrückung von personellen Engpässen.

Lingemann 387

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.5

schäftsordnung für die Gesellschafter in der jeweils gültigen Fassung gebunden und hat die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu führen. (3) Der Interimsmanager ist in der Wahl von Ort und Zeit seiner Tätigkeit frei. [Evtl.] Er verpflichtet sich jedoch, an . . . Tagen pro Woche zu den üblichen Betriebszeiten von . . . bis . . . im Betrieb der Firma anwesend zu sein.5 (4) Sofern der Interimsmanager an der Auftragserfüllung gehindert sein sollte, wird er die Firma rechtzeitig vorher darüber informieren. evtl. (5) Der Interimsmanager kann sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben auch anderer Personen bedienen. Er bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Leistungen gegenüber der Firma verantwortlich.6 § 3 Vergütung und Rechnungsstellung (1) Der Interimsmanager erhält eine Pauschalvergütung von Euro . . . Diese ist innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf der Vertragslaufzeit zu zahlen. (2) Für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belange wird der Interimsmanager selbst Sorge tragen. Dies ist bei der Kalkulation der Vergütung berücksichtigt. (3) Dem Interimsmanager stehen keine Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall oder Urlaubsansprüche zu. oder (1) Der Interimsmanager erhält für seine Tätigkeit eine Tagespauschale von Euro . . . [Evtl.] Die Parteien gehen dabei von einer durchschnittlichen Tätigkeit von . . . Stunden pro Tag aus. Das Honorar wird der Interimsmanager jeweils bis zum . . . eines Monats für den vorangegangenen Monat in Rechnung stellen. Die Zahlung der Vergütung erfolgt zehn Tage nach Rechnungseingang. (2) Soweit der Interimsmanager mehrwertsteuerpflichtig ist, ist die Vergütung jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Mehrwertsteuer ist auf der Rechnung gesondert auszuweisen. (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des Interimsmanagers abgegolten. oder (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des Interimsmanagers abgegolten. Dies gilt nicht für Reisekosten und Reisespesen, die durch die Erfüllung der Aufgaben veranlasst sind. Für Reisen mit dem eigenen Pkw zahlt die Firma insoweit pau5 Ein deutliches Indiz für ein Arbeitsverhältnis wäre es, wenn die Firma den zeitlichen oder örtlichen Rahmen der Arbeitsleistung des Interimsmanagers einseitig festlegen könnte. Werden Zeitvorgaben vereinbart, sollten diese sich möglichst von der für ein Arbeitsverhältnis typischen 40-Stunden-Woche unterscheiden, indem sie deutlich darunter oder – bei Einsatz eigener Mitarbeiter des Interimsmanagers – auch deutlich darüber liegen. Die Vereinbarung, Termine einzuhalten oder bei Besprechungen anwesend zu sein, schadet demgegenüber wohl nicht (Dahl, DB 2005, 1738, 1740). 6 Die Befugnis, eigene Hilfspersonen zuzuschalten, ist ein starkes Indiz gegen eine abhängige Beschäftigung (vgl. Einf. Rz. 9 mwN).

388 Lingemann

M 9.1.5

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

schal Euro . . . pro gefahrenem Kilometer, für Bahnreisen werden die nachgewiesenen Kosten zweiter Klasse erstattet. § 4 Vertragsdauer und Kündigung (1) Dieser Vertrag ist befristet und endet zum . . . (2) Er kann von beiden Seiten mit einer Frist von . . . zum Monatsende gekündigt werden, frühestens jedoch zum . . . 7 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt. (3) Der Interimsmanager hat auf Verlangen der Firma, spätestens aber beim Ausscheiden, alle in seinem Besitz befindlichen Gegenstände, Firmenunterlagen nebst Abschriften oder Ablichtungen einschließlich der Kundenkartei herauszugeben. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht.8 § 5 Verschwiegenheit (1) Der Interimsmanager wird über alle ihm bekannt gewordenen oder bekannt werdenden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Firma Stillschweigen bewahren. Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses. (2) Die Firma wird dem Interimsmanager von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden im Hinblick auf solche Informationen, die der Interimsmanager gesetzlich offenlegen muss. § 6 Wettbewerbsverbot (1) Für die Dauer der Laufzeit dieses Vertrages ist es dem Interimsmanager untersagt, ohne Genehmigung der Firma für ein mit der Firma im Wettberwerb stehendes Unternehmen tätig zu werden, ein solches zu gründen oder sich an einem solchen zu beteiligen. (2) Folgende Tätigkeiten des Interimsmanagers sind genehmigt: . . . [evtl]. (3) Vertragsstrafe [s. M 9.1.3, § 8 Abs. 2 sowie M 25.1 mwN] § 7 Haftung und Gewährleistung9 (1) Der Interimsmanager wird geeignete Haftpflichtversicherungen schließen und insofern Nachweise binnen eines Monats nach Abschluss dieses Vertrages bei der Firma 7 Eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses kann auch wirksam an die Abberufung von der Geschäftsführung gekoppelt werden (MüKoGmbHG/Jäger, § 35 GmbHG Rz. 392). Bei befristeten Anstellungsverhältnissen ist dies nur möglich, wenn ein ordentliches Kündigungsrecht vereinbart wird (BGH v. 21.6.1999, NJW 1999, 3263). 8 Auch während der Laufzeit des Vertrages darf der Interimsmanager keine Kopien von Firmenunterlagen zu privaten Zwecken anfertigen, um sich gegen mögliche spätere Vorwürfe angemessen verteidigen zu können. Ein solches Verhalten könnte ggf. den Auftraggeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigen (Tauth/Roeder, BB 2013, 1333 mwN). 9 Eine Regulierung der Haftungsrisiken spielt in der vertraglichen Ausgestaltung eine wichtige Rolle. Denn Haftungsrisiken können vertraglich nur bedingt ausgeschlossen werden, sodass die versicherungsrechtliche Regulierung in den Vordergrund rückt (Buschmann/Klösel, NJW 2012, 1482).

Lingemann 389

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.5

einreichen.10 Durch die Versicherungen müssen alle direkten und indirekten Schäden abgedeckt werden, die durch die Tätigkeit des Interimsmanagers im Rahmen seiner Vertragspflichten entstehen können. Dies umfasst Vermögens-, Sach- und Personenschäden, die der Firma und/oder Kunden aufgrund nicht ordnungsgemäßer Erfüllung dieses Vertrages entstehen können. evtl. (2) Bedient sich der Interimsmanager bei der Erfüllung seiner Aufgaben anderer Personen, hat er dafür Sorge zu tragen, dass diese von den entsprechenden Versicherungen umfasst sind. §8

Ausschlussfristen

Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis verfallen, sofern sie nicht innerhalb von sechs Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. § 9 Schlussbestimmungen (1) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als ungültig oder unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer ungültigen oder unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame, gültige und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.11 (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.12 (3) Gerichtsstand ist . . . ... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

... (Firma)

... (Interimsmanager)

10 Im Regelfall wird dies eine Betriebshaftpflichtversicherung und eine Vermögensschadensversicherung beinhalten. 11 S. M. 3.1, § 26 m. Anm. 12 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen unter Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für den Interimsmanager nicht.

390 Lingemann

M 9.1.6

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

u

Statusklage wegen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses (Scheinselbständigkeit)1

9.1.6

An das Arbeitsgericht2 In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)3 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Es wird festgestellt,4 dass zwischen den Parteien gemäß Vertrag vom . . . ein Arbeitsverhältnis besteht. Begründung: Der Kl. hat mit der Bekl. am . . . einen Vertrag als „selbständiger Frachtführer“ geschlossen. Gegenstand des Vertragsverhältnisses war die Durchführung von Transportleistungen für die Bekl. Beweis: Vertrag vom . . ., Anlage K 1 Bei dem Vertragsverhältnis handelt es sich um eine klassische Scheinselbständigkeit, der Kl. ist in Wahrheit Arbeitnehmer. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Vertragsverhältnisses an, sondern auf die tatsächliche Durchführung. Im vorliegenden Fall deuten alle Indizien darauf hin, dass ein Arbeitsverhältnis vorlag. Insbesondere unterlag der Kl. schon nach dem Wortlaut des Vertrages vom . . . folgenden Bedingungen und Einschränkungen: – Der Kl. erhielt eine feste Vergütung von Euro . . . monatlich, er wurde also nicht in Abhängigkeit von den erbrachten Transportleistungen bezahlt; – der Kl. konnte nicht irgendeinen beliebigen Pkw nutzen, vielmehr hatte er ein bestimmtes Fahrzeug von der Bekl. zu leasen; 1 Zu Aufhebungsverträgen mit (Schein-)Selbständigen s. M 23.1a. 2 Bei der Klage auf Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft (bzw. des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses) fallen Begründetheit der Klage und Zulässigkeit des Rechtswegs zur Arbeitsgerichtsbarkeit nach §§ 2, 5 ArbGG zusammen. In diesen sog. „sic-non-Fällen“ findet eine Prüfung des Rechtswegs auf der Zulässigkeitsebene nicht statt, wenn der Kläger schlüssig das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses behauptet. Vielmehr hat in solchen Fällen das Arbeitsgericht ohne weitere Prüfung von der Zulässigkeit des Rechtswegs auszugehen und unmittelbar in die Prüfung der Begründetheit der Klage einzutreten. Deshalb machen Anträge des Bekl. auf Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht keinen Sinn (BAG v. 22.6.1977, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Abhängigkeit; v. 9.10.1996, AP Nr. 2 zu § 2 ArbGG Zuständigkeitsprüfung). Wird unmittelbar über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gestritten, ergibt sich die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten auch aus § 2 Nr. 3b ArbGG. 3 Vgl. M 101.1 und 101.2. 4 Das Feststellungsinteresse für die „Statusklage“ auf Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist regelmäßig gegeben, da die Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft für eine Vielzahl von Rechten und Pflichten (insbesondere hinsichtlich der Sozialversicherung) entscheidend ist (BAG v. 3.10.1975 [3] und v. 2.6.1976, AP Nr. 15, 16, 17, 20 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Ist dagegen das Vertragsverhältnis bereits beendet, ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob noch ein ausreichendes Feststellungsinteresse besteht.

Diller

391

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.2

– der Kl. hatte jeden Morgen pünktlich um 6.00 Uhr an der Verladerampe der Bekl. zu erscheinen und bis 17.00 Uhr „im Dienst“ zu bleiben, anderenfalls drohte ihm eine Vertragsstrafe; – dem Kl. war es untersagt, für Konkurrenzunternehmen der Bekl. tätig zu werden; – der Kl. musste sich jede Freizeit vorab von der Bekl. genehmigen lassen, ihm wurden 25 Tage Urlaub pro Jahr zugebilligt; – der Kl. hatte alle Aufträge persönlich auszuführen, die Einschaltung von Subunternehmern oder eigenen Mitarbeitern war ihm untersagt; – der Kl. war verpflichtet, die ihm von der Bekl. zugewiesenen Transportleistungen auszuführen; ein Recht, Aufträge abzulehnen, hatte er nicht. Der Kl. hat mit Schreiben des Unterzeichners vom . . . die Bekl. um Bestätigung gebeten, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Beweis: Schreiben des Unterzeichners vom . . ., Anlage K 2 Auf dieses Schreiben reagierte die Bekl. jedoch nicht, so dass Klage geboten ist. ... (Unterschrift)5 5 Richtigerweise bestimmt sich der Streitwert in entsprechender Anwendung von § 42 GKG (Vierteljahresbezug), LAG Berlin-Brandenburg v. 12.7.2007 – 17 Ta (Kost) 26186/07.

9.2

u

Beratervertrag1

Zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Auftraggeber) und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Berater) wird Folgendes vereinbart: § 1 Aufgabengebiet (1) Herr/Frau . . . wird als Berater die Firma in allen Fragen der Verkaufsförderung,2 insbesondere . . . beraten. 1 Vgl. auch Schaub/Schrader/Klagges, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, Muster A 402, S. 165. 2 Damit nicht in der vertraglichen Praxis ein Weisungsrecht entsteht, das dann zu einem Arbeitsverhältnis führt (vgl. Einf. Rz. 9), muss der Vertragsgegenstand so präzise wie möglich angegeben werden.

392 Diller/Lingemann

M 9.2

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

(2) Der Berater ist in der Bestimmung seines Arbeitsortes und seiner Arbeitszeit frei. Er verpflichtet sich aber, für den Auftraggeber wöchentlich während . . . Stunden, maximal . . . Stunden tätig zu sein.3 §2

Vergütung

(1) Der Berater erhält für seine Tätigkeit ein Stundenhonorar von Euro . . ., soweit er mehrwertsteuerpflichtig ist, zzgl. Mehrwertsteuer. Das Honorar wird jeweils bis zum . . . eines Monats für den vorangegangenen Monat abgerechnet. (2) Steuern und Sozialabgaben führt der Berater selbst ab. Ansprüche auf Urlaub und Vergütungsfortzahlung bestehen nicht. Es ist der ausdrückliche Wunsch von Herrn/ Frau . . ., dass das vorliegende Vertragsverhältnis als freies Beraterverhältnis praktiziert wird, um auch anderen Tätigkeiten nachgehen zu können, soweit sie nicht gegen § 5 verstoßen.4 § 3 Aufwendungsersatz5 (1) Der Auftraggeber ersetzt dem Berater die erforderlichen und nachgewiesenen Aufwendungen für Reisen, Telefon und Porto, die in Ausübung seiner Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages entstehen, bis zu einer Höhe von Euro . . . monatlich.6 (2) Die Erforderlichkeit von größeren Reisen ist außerdem vor Reiseantritt mit dem Auftraggeber abzustimmen. (3) Der Berater wird seine Aufwendungen monatlich, spätestens bis zum . . . Werktag des nachfolgenden Monats abrechnen. §4

Vertragsdauer

(1) Der Berater nimmt die Beratungstätigkeit am . . . auf. (2) Der Vertrag kann ohne Angabe von Gründen spätestens am 15. eines Monats zum Schluss des Kalendermonats gekündigt werden.7 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. (3) Jede Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.

3 Die Stundenzahl sollte möglichst von 40 Stunden/Woche – der typischen Arbeitszeit für Vollzeitarbeitnehmer – entfernt sein. Soweit der Auftragnehmer Dritte einsetzen kann, kann auch eine deutlich darüber liegende Stundenzahl vereinbart werden, die nur unter Einsatz von Dritten durchgeführt werden kann. Ist der Auftragnehmer – wie typischerweise beim Beratervertrag – persönlich tätig, so sollte die Stundenzahl deutlich unter 40 Stunden liegen. 4 Zum Vertragswunsch des Auftragnehmers vgl. Einf. Rz. 9, vorletzter Spiegelstrich. Wenn der Vertragswunsch geäußert wurde, sollte er auch festgehalten werden, notfalls auch durch internen Aktenvermerk außerhalb des Vertrages. 5 Die Stellung von Betriebsmitteln durch den Auftraggeber ist ein Indiz gegen ein freies Vertragsverhältnis. Sie sollte daher möglichst auf den Ersatz von Spesen beschränkt werden. 6 Die Verwendung eines firmeneigenen Kfz ist typischer Bestandteil eines Arbeitsverhältnisses. Dadurch werden auch Betriebsmittel zur Verfügung gestellt. Sie ist vertretbar, soweit andere Indizien gegen ein Arbeitsverhältnis überwiegen. 7 Nach § 621 Nr. 3 BGB kann das Dienstverhältnis am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats gekündigt werden, wenn die Vergütung nach Monaten bemessen ist. Auch wenn im vorliegenden Beispiel auf Stundenbasis abgerechnet wird, empfiehlt sich diese Regelung, vor allem auch im Hinblick auf § 1 Abs. 2 Satz 2 des Musters.

Lingemann 393

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

§5

M 9.2

Treuepflicht

(1) Der Berater verpflichtet sich, über alle ihm während seiner Tätigkeit für den Auftraggeber bekannt gewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse während und nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Stillschweigen zu bewahren. (2) Der Berater verpflichtet sich, während der Dauer des Vertragsverhältnisses nicht für ein Unternehmen tätig zu sein, das mit dem Auftraggeber in Wettbewerb steht. Davon ausgenommen ist die Tätigkeit für folgende Firmen: . . .8 § 6 Aufbewahrung und Rückgabe von Unterlagen (1) Der Berater verpflichtet sich, alle ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen sowie sämtliche selbst angefertigten Schriftstücke oder andere Aufzeichnungen, auch Konzepte, die sich in seinem Besitz befinden und die Angelegenheiten des Auftraggebers betreffen, ordnungsgemäß aufzubewahren, insbesondere dafür zu sorgen, dass Dritte nicht Einsicht nehmen können. (2) Unterlagen und Aufzeichnungen nach Absatz 1 sind während der Dauer des Vertragsverhältnisses auf Anforderung, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses unverzüglich und unaufgefordert dem Auftraggeber zurückzugeben. (3) Dem Berater steht an Unterlagen nach Absatz 1 kein Zurückbehaltungsrecht zu, soweit sein Gegenanspruch nicht auf dem gleichen Vertragsverhältnis beruht.9 § 7 Sonstiges (1) Gerichtsstand ist . . . (2) Sonstige Vereinbarungen bestehen nicht. (3) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.10 ... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

... (Firma)

... (Herr/Frau . . .)

8 Ein generelles Nebentätigkeitsverbot wäre – anders als ein Konkurrenzverbot – Indiz für ein Arbeitsverhältnis. Zum Nebentätigkeitsverbot in Arbeitsverhältnissen s. Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“, Rz. 115 ff. sowie unter M 2.1a Ziff. 9. 9 Der uneingeschränkte Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts in Formularverträgen dürfte wegen § 309 Nr. 2b BGB unwirksam sein. Er müsste daher individualvertraglich vereinbart werden. Möglicherweise kann er wirksam eingeschränkt werden, wenn der Gegenanspruch nicht auf demselben Vertragsverhältnis beruht (vgl. Palandt/Grüneberg, § 309 BGB Rz. 15; dazu Einf. Kap. 2 Rz. 72). 10 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für Berater nicht.

394 Lingemann

M 9.3.1

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

u

Handelsvertretervertrag1 (ausführliche Fassung)

9.3.1

Die Firma . . . (im Folgenden: der Unternehmer) und Herr/Frau . . . (im Folgenden: der Handelsvertreter) schließen folgenden Handelsvertretervertrag §1

Rechtsstellung des Handelsvertreters

(1) Der Handelsvertreter übernimmt als selbständiger2 Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff., 87 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) die Vertretung des Unternehmers im Vertragsgebiet . . . (2) Der Handelsvertreter hat keinen Bezirks- oder Kundenschutz. oder – zur Vereinbarung von Kundenschutz3 (2) Der Handelsvertreter hat Kundenschutz nach Maßgabe von § 2 Abs. 4. oder – zur Vereinbarung von Bezirksschutz4 (2) Der Handelsvertreter hat Bezirksschutz für das Vertragsgebiet . . . oder – zur Vereinbarung einer Alleinvertretung5 (2) Der Handelsvertreter ist Alleinvertreter für das Vertragsgebiet . . . nach Maßgabe von § 2 Abs. 4. 1 Für formularmäßige Handelsvertreterverträge iSv. § 305 BGB gilt insbesondere § 307 BGB. Soweit das Muster daher formularmäßig verwendet werden soll, können einige Regelungen gegen § 307 BGB verstoßen. 2 Zu den Abgrenzungskriterien vgl. BAG v. 15.12.1999, AP Nr. 9 und Nr. 12 zu § 84 HGB, AP Nr. 5 und Nr. 6 zu § 92 HGB und Einf. Rz. 9 ff. Der Regelung der Selbständigkeit im Vertrag kommt nur geringe Indizwirkung zu. 3 Wird ein bestimmter Kundenkreis (zB auch eine bestimmte Geschäftssparte) zugewiesen, so hat der Handelsvertreter gemäß § 87 Abs. 2 HGB Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Kundenkreises während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen wurden. Eine Einschränkung besteht nur, soweit die Provision dem ausgeschiedenen Handelsvertreter zusteht, § 87 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 87 Abs. 3 HGB. 4 Hier gilt sinngemäß das zum Kundenschutz Gesagte, vgl. Fn. 3. Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 HGB hat der Handelsvertreter hier Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirkes während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen wurden. Eine Einschränkung besteht nur, soweit die Provision dem ausgeschiedenen Handelsvertreter zusteht, § 87 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 87 Abs. 3 HGB. 5 Alleinvertretung bedeutet je nach vertraglicher Abrede entweder nur Ausschluss von Direktgeschäften des Unternehmers oder alleiniges Betätigungsrecht des Vertreters unter Ausschluss auch anderer Handelsvertreter. Im Regelfall ist der Begriff umfassend gemeint, wie im Muster unter § 2 Abs. 4 zur Alleinvertretung auch geregelt. Ein Verstoß gegen das Alleinvertretungsrecht führt zu Schadensersatzansprüchen des Handelsvertreters (vgl. BGH v. 30.5.1975, BB 1975, 1409) oder gibt ihm auch ein Recht zur fristlosen Kündigung nach § 89a HGB.

Lingemann 395

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.3.1

(3) Der Unternehmer kann das Vertragsgebiet neu regeln. Das Vertragsgebiet kann verkleinert werden. Verliert der Handelsvertreter dadurch Kunden, hat er Anspruch auf Entschädigung gemäß § 89b HGB. Bei Übernahme von einem früheren Handelsvertreter ist zu ergänzen: (4) Der Handelsvertreter übernimmt den Kundenstamm im Vertragsgebiet gemäß der Aufstellung Anlage 1. Diese enthält alle Kunden im Vertragsgebiet und die Umsätze während der vergangenen 12 Monate vor Beginn dieses Vertrages.6 § 2 Gegenstand der Vertretung (1) Die Vertretung umfasst alle gegenwärtigen und zukünftigen Erzeugnisse und Dienstleistungen des Unternehmers sowie alle sonstigen von dem Unternehmer angebotenen Leistungen im Vertragsgebiet, vorbehaltlich Abs. 2 und 3. (2) Folgende Kunden sind von der Vertretung ausgenommen:7 . . . in . . . . . . in . . . . . . in . . . (3) Folgende Erzeugnisse sind von der Vertretung ausgenommen:8 ... ... (4) Der Unternehmer darf im Vertragsgebiet auch selbst oder durch andere Beauftragte tätig werden.9 oder – bei Kundenschutz10 (4) Der Handelsvertreter hat Kundenschutz für die in der Anlage 2 genannten Erzeugnisse und a) für Geschäfte mit Kunden, die der Handelsvertreter neu für den Unternehmer wirbt; b) für Kunden, die in der Anlage 3 zu diesem Vertrag verzeichnet sind. Darin sind auch die Umsätze angegeben, die in den letzten zwölf Monaten vor Vertragsbeginn mit ihnen erzielt worden sind.11 Abs. 2 und 3 bleiben unberührt. oder – bei Bezirksvertretung (4) Der Handelsvertreter ist Bezirksvertreter für das Vertragsgebiet. Abs. 2 und 3 bleiben unberührt.

6 Dies erleichtert später die Berechnung des Ausgleichsanspruches, der gemäß § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB Neukunden umfasst und nach § 89b Abs. 1 Satz 2 HGB wesentliche Erweiterungen der Geschäftsverbindung mit einem bereits bestehenden Kunden. 7 Hier besteht oft ein Interesse des Unternehmens, bestimmte Großkunden ausschließlich selbst zu betreuen. 8 Es kann sinnvoll sein, Produkte, die spezifisches Know-how erfordern, auszunehmen. 9 § 1 Abs. 2 – kein Bezirks- oder Kundenschutz. 10 Steht im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 – Kundenschutz. 11 Vgl. oben Fn. 6.

396 Lingemann

M 9.3.1

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

oder – bei Alleinvertretung12 (4) Der Unternehmer darf im Vertragsgebiet . . . nicht selbst oder durch Beauftragte zur Vermittlung oder zum Abschluss von Geschäften tätig sein oder weitere Handelsvertreter bestellen. Abs. 2 und 3 bleiben unberührt. § 3 Aufgaben und Befugnisse des Handelsvertreters (1) Der Handelsvertreter vermittelt Verkaufs- und . . .-geschäfte13 für den Unternehmer in dessen Namen und auf dessen Rechnung.14 (2) Er ist nicht zum Abschluss von Geschäften im Namen des Unternehmers und nicht zum Inkasso berechtigt.15 oder – bei Inkassoberechtigung (2) Der Handelsvertreter ist gemäß anliegender Vollmacht zum Inkasso berechtigt und verpflichtet. Dazu wird Folgendes vereinbart: a) Ratenzahlungen sind nur nach Maßgabe anliegender Richtlinie für Ratenkäufe einzuräumen. b) Eingezogene Gelder führt der Handelsvertreter treuhänderisch auf einem von seinem sonstigen Vermögen getrennt zu führenden Sonderkonto. Er führt sie jeweils zum Ende der Woche an den Unternehmer ab. c) Die Inkassoprovision beträgt . . . % der eingezogenen Gelder ausschließlich Mehrwertsteuer. Sie ist zu zahlen jeweils zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer, sofern der Handelsvertreter umsatzsteuerpflichtig ist. Für Abrechnung und Fälligkeit gilt § 10 entsprechend. d) Die Inkassovereinbarung kann unabhängig von dem Handelsvertretervertrag mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.16 (3) Der Handelsvertreter ist berechtigt, seine Aufgaben auch durch Hilfspersonen, Untervertreter oder Reisende zu erfüllen. Er ist nicht zur höchstpersönlichen Leistung verpflichtet.17 (4) Im Falle der Untervertretung hat der Handelsvertreter jedoch sicherzustellen, dass die Tätigkeiten mit derselben Sorgfalt erfüllt werden wie durch den Handelsvertreter. In jedem Fall ist ausschließlich der Handelsvertreter für die ordnungsgemäße Erfüllung der übertragenen Aufgaben gegenüber dem Unternehmer voll verantwortlich. Zwischen Unternehmer und Hilfspersonen, Untervertreter oder Reisenden entstehen keine Vertragsbeziehungen. 12 13 14 15

Steht im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 – Alleinvertretung. Auch Dienstleistungen können durch Handelsvertretungen vermittelt werden, s. Einf. Rz. 27. Vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB. Die Inkassoberechtigung und -verpflichtung bedarf gesonderter Vereinbarung. Als solche gehört sie gleichfalls zum Pflichtenkreis des Handelsvertreters, das Interesse des Unternehmens gemäß § 86 Abs. 1 HGB wahrzunehmen. 16 Durch diese Regelung kann das Vertragsverhältnis auch ohne Inkassoberechtigung fortgeführt werden. 17 Wichtig: Die Berechtigung zum Einsatz Dritter in § 3 Abs. 3 ist ein deutliches Indiz gegen ein Arbeitsverhältnis. Der Zustimmungsvorbehalt, zB „Der Handelsvertreter darf Hilfspersonen, Untervertreter oder Reisende nur mit Zustimmung des Unternehmers beschäftigen“, würde dieses jedoch weitgehend entkräften. Daher sollte in jedem Einzelfall genau geprüft werden, ob er trotz des damit verbundenen Risikos wirklich notwendig ist.

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(5) Der Handelsvertreter wird die Geschäftsbedingungen und Preislisten des Unternehmers beachten. Sondervereinbarungen darf er nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Unternehmers treffen.18 (6) Der Handelsvertreter darf nicht Geschäfte auf eigene Rechnung mit den in § 2 Abs. 1 genannten Erzeugnissen, Dienstleistungen und Leistungen abschließen. §4

Pflichten des Unternehmers

(1) Der Unternehmer stellt dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen (Muster, Zeichnungen, Preislisten, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Werbedrucksachen, sowie . . .) unentgeltlich zur Verfügung.19 Sie bleiben Eigentum des Unternehmers und können von ihm jederzeit herausverlangt werden.20 (2) Der Unternehmer hat den Handelsvertreter bei der Ausübung seiner Tätigkeit nach besten Kräften zu unterstützen und ihm stets die erforderlichen Nachrichten und Auskünfte zu geben.21 (3) Der Handelsvertreter erhält Kopien des Schriftwechsels mit Kunden; er ist über Verhandlungen und geplante Geschäfte mit Kunden und Interessenten zu unterrichten.22 § 5 Pflichten des Handelsvertreters23 (1) Auf Verlangen des Unternehmers hat der Handelsvertreter eine Kundenkartei zu führen. oder (1) Auf Verlangen des Unternehmers hat der Handelsvertreter die ihm bei Vertragsbeginn übergebene Kundenkartei laufend zu vervollständigen. (2) Der Handelsvertreter wird an Informationsveranstaltungen und Vertreterbesprechungen teilnehmen.24 18 Es ist umstritten, ob dem Handelsvertreter untersagt werden kann, Provisionsbestandteile an den Kunden weiterzugeben, um so einen günstigeren Preis zu vermitteln (vgl. OLG München v. 27.1.2005, NJW-RR 2005, 770 mwN). 19 Vgl. § 86a Abs. 1 iVm. Abs. 3 HGB. 20 Soll der freie Status des Handelsvertreters gesichert werden, so sollte der letzte Satz gestrichen werden. Dann sind die Gegenstände jedenfalls bei Vertragsbeendigung herauszugeben. 21 Vgl. § 86a Abs. 2 iVm. Abs. 3 HGB. 22 Vgl. § 86a Abs. 2 iVm. Abs. 3 HGB. 23 Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist der Handelsvertreter selbständig, wenn er „im Wesentlichen“ frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dies schließt Weisungen also nicht grundsätzlich aus, da der Handelsvertreter gemäß § 86 Abs. 1 HGB auch die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen hat. Sofern auf Grund der Struktur des Handelsvertreterverhältnisses kaum mit Weisungen zu rechnen ist, sollte eine entsprechende Regelung zu Weisungen nicht aufgenommen werden. Sind Weisungen erforderlich, so müssen diese restriktiv praktiziert werden. Eine Regelung „Der Handelsvertreter hat Weisungen des Unternehmers zu beachten. Bei Weisungen des Unternehmers an den Handelsvertreter ist seine Stellung als selbständiger Gewerbetreibender zu berücksichtigen.“ ist vertretbar, aber nicht ohne Risiko. Zu Einzelheiten vgl. auch Hopt, DB 1998, 863 ff.; Hopt, Handelsvertreterrecht, § 86 HGB Rz. 15 ff. 24 Auch diese Verpflichtung stellt ein – eher leichtes – Indiz für eine abhängige Beschäftigung dar. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob es tatsächlich einer solchen Verpflichtung im Vertrag bedarf.

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(3) Der Handelsvertreter wird vorhandene und potentielle Kunden regelmäßig besuchen und neue Absatzmöglichkeiten erkunden. (4) Der Handelsvertreter wird den Unternehmer über die wirtschaftliche Entwicklung, die Marktverhältnisse und die Tätigkeit von Wettbewerbsfirmen unterrichten. (5) Der Handelsvertreter wird dem Unternehmer mindestens einmal monatlich berichten und dabei die Geschäftsvermittlungen mitteilen. Auf neu vermittelte Kunden wird er besonders hinweisen. Aus den Berichten muss auch hervorgehen, bei welchen Kunden seine Vermittlungstätigkeit erfolglos geblieben ist.25 (6) Der Handelsvertreter wird die Bonität der Kunden prüfen und die Bemühungen des Unternehmers zur Feststellung der Zahlungsfähigkeit unterstützen. Zweifel an der Bonität eines Kunden wird er unverzüglich mitteilen.26 (7) Der Handelsvertreter wird den Unternehmer unterrichten, falls ihm Bedarf nach Erzeugnissen des Unternehmers außerhalb seines Kundenkreises oder seines Warenangebotes bekannt wird.27 (8) Der Handelsvertreter wird auf Wunsch des Unternehmers auf Messen, Verkaufstagungen und Ausstellungen präsent sein.28 (9) Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm während seiner Tätigkeit bekannt werden, wird der Handelsvertreter geheim halten. Dies gilt auch für die Zeit nach Vertragsende.29 Der Handelsvertreter hat dafür zu sorgen, dass diese Geheimhaltungspflichten auch von Mitarbeitern und sonstigen Hilfspersonen des Handelsvertreters eingehalten werden. § 6 Delkredere30 (1) Der Handelsvertreter haftet nach gesonderter Vereinbarung für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Kunden in voller Höhe/zu . . . %.31 Die gesonderte Vereinbarung bedarf der Schriftform.32 25 Zur Berichtspflicht vgl. auch OLG Braunschweig v. 30.11.1995, NJW-RR 1996, 1316. Ergänzend wird zu Auskunftspflichten häufig sinngemäß Folgendes aufgenommen: „Bei Geschäftsanbahnungen wird der Handelsvertreter Kopien der (gesamten) Korrespondenz bzw. Aktenvermerke übermitteln. Stellt der Unternehmer Formulare für die Erstattung von Berichten zur Verfügung, sind diese ausschließlich zu verwenden.“ Die Übermittlung der gesamten Korrespondenz und die Verwendung von Formularen liegt indes in der Nähe zu arbeitsrechtlichen Weisungen und sollte daher im freien Handelsvertreterverhältnis möglichst eingeschränkt werden (vgl. BGH v. 20.1.1964, VersR 1964, 331; v. 24.9.1987, WM 1988, 33; BAG v. 21.1.1966, DB 1966, 546). 26 Auch wenn der Handelsvertreter, anders als beim Delkredere, § 86b HGB, nicht für die Bonität einstehen muss, gehört die Prüfung der Bonität und die Mitteilung von Zweifeln, auch wenn er sie selbst nicht teilt (BGH v. 19.6.1969, BB 1969, 1196), zur allgemeinen Interessenwahrnehmungspflicht des Handelsvertreters gemäß § 86 HGB. 27 Der Handelsvertreter muss zwar den Markt beobachten; eine allgemeine Markt-, Produktoder Kundenpflege insbesondere in Form konkreter Werbung obliegt ihm allerdings nicht. 28 Die Präsenzpflicht gefährdet den freien Status des Handelsvertreters, jedenfalls wenn weitere Einschränkungen hinzukommen. 29 Vgl. § 90 HGB. 30 Vgl. § 86b HGB. § 6 des Musters enthält einen Rahmenvertrag für die Übernahme einer Delkrederehaftung jeweils durch gesonderte Vereinbarung. 31 Nach überwiegender Auffassung stellt die Delkredere-Vereinbarung idR eine Form der Bürgschaft dar. Je nach Parteiwillen und konkreter Ausgestaltung kann jedoch nach Teilen der

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(2) In diesen Fällen gelten folgende Bestimmungen: a) Die Kunden, für deren Geschäfte eine Delkrederehaftung übernommen wird, werden in der Vereinbarung genau bezeichnet.33 b) Der Unternehmer übergibt dem Handelsvertreter mit der Provisionsabrechnung eine Aufstellung der Geschäfte des vergangenen Monats, für die der Handelsvertreter die Delkrederehaftung übernommen hat. Widerspricht der Handelsvertreter nicht binnen zwei Wochen, ist die Aufstellung für die Parteien bindend. c) Die Delkrederevereinbarung kann unabhängig von dem Handelsvertretervertrag mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.34 d) Die Delkredereprovision beträgt . . . % der zugrunde liegenden Forderung. oder Eine Delkrederehaftung des Handelsvertreters ist ausgeschlossen.35 §7

Vergütung

(1) Der Handelsvertreter erhält für seine Tätigkeit eine Provision. oder (1) Der Handelsvertreter erhält eine Vergütung, bestehend aus a) einem monatlichen Fixum in Höhe von Euro . . . und36 b) einer Provision. (2) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle Geschäfte, die während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen und ausgeführt werden und die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind.37 oder – bei Kundenschutz38 (2) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle Geschäfte gemäß § 2 Abs. 4 (Erst- und Folgegeschäfte).

32 33 34 35

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37 38

Literatur auch eine Schuldübernahme oder ein Garantievertrag vorliegen (Kapp/Schumacher, EuZW 2008, 167 mwN). Der Schriftform bedarf nur die Erklärung des Handelsvertreters, nicht ihre Annahme durch den Unternehmer (vgl. Hopt, Handelsvertreterrecht, § 86b HGB Rz. 5). In der Vereinbarung muss das bestimmte Geschäft, oder es müssen Geschäfte mit bestimmten Dritten genau bezeichnet werden. Der Handelsvertreter haftet nur, wenn er die Geschäfte selbst vermittelt oder abgeschlossen hat, § 86b Abs. 1 HGB. Durch diese Gestaltung kann das Handelsvertreterverhältnis auch ohne Delkrederevereinbarung fortgeführt werden. Nach Auffassung der Europäischen Kommission geht mit der Übernahme des DelkredereRisikos der Verlust des Handelsvertreterprivilegs im Rahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV einher (Mitteilung der Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen v. 19.5.2010, ABl. Nr. C 130, S. 4–6, Rz. 12–21; krit. Kapp/Schumacher, EuZW 2008, 167, 168 f.). Auch ein existenzsicherndes Fixum kann die Selbständigkeit des Handelsvertreters beeinträchtigen, da sie sein unternehmerisches Risiko als ein Kriterium für die freie Stellung vermindert. Dem Risiko müssen auch unternehmerische Chancen gegenüberstehen. Zu empfehlen ist, ggf. eine höhere rein provisionsabhängige Vergütung zu vereinbaren, wie in der ersten Alternative zu § 7 Abs. 1. Dadurch steigen auch die unternehmerischen Chancen des Handelsvertreters. Vgl. § 87 Abs. 1 HGB. S. Fn. 3, 10.

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oder – bei Bezirksvertretern39 (2) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision auch für alle Geschäfte (Erst- und Folgegeschäfte), die der Unternehmer während des Bestehens des Vertragsverhältnisses mit gemäß §§ 1, 2 geschützten Kunden im Vertragsgebiet schließt. (3) Der Handelsvertreter hat keinen Provisionsanspruch für Direktgeschäfte des Unternehmers mit den in § 2 Abs. 2 genannten Kunden und für die in § 2 Abs. 3 genannten Erzeugnisse. (4) Lieferungen von Ersatz- und Reserveteilen sind provisionspflichtig. Dies gilt auch für Montage und ähnliche Leistungen, die im Wesentlichen Arbeitsaufwand sind und dem Kunden gesondert in Rechnung gestellt werden. (5) Der ausgeschiedene Handelsvertreter hat keinen Provisionsanspruch für Geschäftsabschlüsse, die nach Vertragsende zustande kommen, gleichgültig, ob der Geschäftsabschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist oder nicht.40 (6) Der Handelsvertreter hat keinen Provisionsanspruch für Geschäfte, für die sein Vorgänger Provision verlangen kann.41 (7) Der Handelsvertreter hat keinen Provisionsanspruch, wenn und soweit das Geschäft aus Gründen nicht ausgeführt wurde, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat.42 Dies gilt auch, wenn der Kunde ganz oder teilweise nicht zahlt.43 (8) Steht fest, dass der Dritte nicht leistet,44 so entfällt der Anspruch auf Provision; bereits empfangene Beträge sind zurückzugewähren und werden mit fälligen Provisionsansprüchen verrechnet. Der Nachweis, dass der Dritte nicht leistet, gilt als geführt, wenn eine Auskunftei dem Unternehmer bestätigt, dass nach ihren Unterlagen eine Zwangsvollstreckung voraussichtlich nicht zum Ziel führen wird,45 oder wenn der Unternehmer dies auf andere Weise glaubhaft macht.46

39 S. Fn. 4. 40 Der Anspruch aus § 87 Abs. 3 HGB aus Nachgeschäften kann jedenfalls durch Individualvereinbarung beschränkt oder ausgeschlossen werden, ebenso wie der Anspruch auf Überhangprovision (vgl. BGH v. 11.7.1960, BGHZ 33, 92, 94; v. 10.12.1997, WM 1998, 723). Eine pauschale Verminderung oder Abbedingung dieses Anspruches auf Überhangprovision ist für Handlungsgehilfen iSd. § 59 Satz 1 HGB in vorformulierten Vertragsbedingungen regelmäßig nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (BAG v. 20.2.2008, NZA 2008, 1124). 41 Vgl. § 87 Abs. 2 Satz 2 HGB. 42 Vgl. § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB. Zu vertreten hat der Unternehmer die Umstände, auf denen die Nichtausführung des Geschäfts beruht, nicht nur, wenn ihm oder seinen Erfüllungsgehilfen insoweit persönliches Verschulden zur Last fällt, sondern auch dann, wenn diese Umstände dem unternehmerischen oder betrieblichen Risikobereich zuzuordnen sind; die Insolvenz des Unternehmers fällt grds. in dessen Risikosphäre (BGH v. 5.3.2008, NJOZ 2008, 2449). 43 Vgl. § 87a Abs. 2 HGB. 44 Gemäß § 87a Abs. 2 HGB muss objektiv feststehen, dass der Dritte nicht leistet. Abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Vertreters sind unwirksam, § 87a Abs. 5 HGB. Die Bestimmung des § 87a Abs. 2 HGB kommt jedoch dann nicht zur Anwendung, wenn die Nichtleistung des Dritten darauf zurückzuführen ist, dass der Unternehmer seinerseits das Geschäft nicht ausführt, oder wenn die Nichtleistung des Dritten auf vom Unternehmer zu vertretenden Gründen beruht (BGH v. 5.3.2008, NJOZ 2008, 2449). 45 Vgl. Abrahamczik, Handelsvertretervertrag, S. 62. 46 Zur anderweitigen Glaubhaftmachung kommt zB die Erklärung des Abnehmers selbst in Betracht, zahlungsunfähig zu sein.

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(9) Der Unternehmer ist zur gerichtlichen Geltendmachung oder Vollstreckung einer Forderung gegenüber dem Kunden nur verpflichtet, wenn sie aussichtsreich ist. §8

Entstehung des Provisionsanspruches

(1) Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht, wenn und soweit der Kunde den Kaufpreis bezahlt hat.47 (2) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provisionsvorschuss, wenn der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Der Vorschuss beträgt . . . % der Provision, die dem Handelsvertreter für das Geschäft insgesamt zusteht.48 § 9 Berechnung und Höhe des Provisionsanspruches (1) Die Provision errechnet sich aus dem in Rechnung gestellten Netto-Warenpreis bzw. dem Netto-Auftragswert (Wert ohne Mehrwertsteuer). (2) Die Provision beträgt . . . %.49 oder (2) Die Provision beträgt a) für Geschäfte mit Neukunden . . . % b) für Geschäfte mit übernommenen Altkunden . . . % c) für Direktgeschäfte des Unternehmers, soweit diese provisionspflichtig sind . . . %. oder (2) Die Provision beträgt a) für Geschäfte mit Kunden, mit denen im Vorjahr ein Umsatz von mindestens Euro . . . erzielt worden ist, . . . %; b) für Geschäfte mit Kunden, mit denen im Vorjahr ein Umsatz von mindestens Euro . . . erzielt worden ist, . . . %; c) für Neukunden . . . %. (3) Gewährte Nachlässe (Skonti, Mengen- und Treuerabatte) sind vom Nettorechnungsbetrag (nicht) abzuziehen. Nebenkosten (zB Fracht, Porto, Zoll, Steuern etc.) sind nur abzuziehen, wenn sie dem Kunden gesondert in Rechnung gestellt sind. (4) Die Provision ist zu zahlen jeweils zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer, sofern der Handelsvertreter umsatzsteuerpflichtig ist. (5) Spesen, Aufwendungsersatz oder sonstige Vergütungen des Handelsvertreters sind mit der Provision abgegolten.

47 Vgl. § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB. 48 Vgl. § 87a Abs. 1 Satz 2 HGB; der Anspruch auf Vorschuss kann gemäß § 92b Abs. 1 Satz 3 HGB beim Handelsvertreter im Nebenberuf ausgeschlossen werden. 49 Wird nur eine Gesamtprovision vereinbart, obwohl auch eine Inkassoprovision enthalten ist, so ist der Anteil der Inkassoprovision gemäß § 87b Abs. 1 HGB in „üblicher Höhe“ zu schätzen. Dies ist insbesondere beim Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB von Bedeutung, da dieser die Inkassoprovision nach § 87 Abs. 4 HGB nicht umfasst (vgl. Hopt, Handelsvertreterrecht, § 89b HGB Rz. 25).

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oder (5) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Spesen und Aufwendungsersatz in folgenden Fällen: . . . (6) Inkasso- und Delkredereprovisionen nach gesonderter Regelung bleiben unberührt. § 10

Abrechnung und Fälligkeit

(1) Der Unternehmer hat über die Provision monatlich, spätestens bis zum Ende des folgenden Kalendermonats abzurechnen. Der Provisionsanspruch wird mit der Abrechnung fällig.50 (2) Der Handelsvertreter wird die Durchschrift der Abrechnung prüfen und binnen zwei Wochen nach Zugang etwaige Einwendungen mitteilen. § 11

Tätigkeitsunterbrechungen51

(1) Der Handelsvertreter wird den Unternehmer von Tätigkeitsunterbrechungen von mehr als einer Woche unterrichten. Dauert die Unterbrechung länger als zwei Wochen, ist der Unternehmer berechtigt, selbst oder durch Beauftragte tätig zu werden. (2) Der Handelsvertreter ist verpflichtet, geplante Unterbrechungen und deren Termine rechtzeitig dem Unternehmer mitzuteilen. Er wird dafür sorgen, dass während dieser Zeit die Betreuung der Kundschaft sichergestellt ist. evtl.52 (3) Während einer Tätigkeitsunterbrechung nach Abs. 1 oder 2 hat der Handelsvertreter keinen Anspruch auf das anteilige monatliche Fixum gemäß § 7 Abs. 1 lit. a). § 12

Vertragsdauer

(1) Der Vertrag beginnt am . . . Im ersten Jahr der Vertragslaufzeit kann der Vertrag von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat, im zweiten Jahr mit einer Frist von zwei Monaten, im dritten bis fünften Jahr mit einer Frist von drei Monaten, danach mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden.53 (2) Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt.54 50 Vgl. § 87a Abs. 4 iVm. § 87c Abs. 1 HGB. 51 Ein Verfahren nach § 7 BUrlG ist ein klares Indiz für ein Arbeitsverhältnis. Bloße Anzeigepflichten des Handelsvertreters dürften für den freien Status jedoch unschädlich sein. Dies gilt insbesondere, wenn diese – wie im Muster – erst bei Unterbrechungen von mehr als einer Woche einsetzen. 52 Nur wenn entgegen der Anmerkung oben Fn. 6 tatsächlich ein monatliches Fixum vereinbart ist. 53 Die Kündigungsfristen können einvernehmlich verlängert werden, wobei die Frist für den Unternehmer nicht kürzer sein darf als für den Handelsvertreter (§ 89 Abs. 2 HGB, s. auch schon Einf. Rz. 36). Eine zu lange Kündigungsfrist kann jedoch gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein. So erachtete der BGH eine Klausel gegenüber einem Handelsvertreter (im Nebenberuf) als unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 BGB, die nach einer Laufzeit von drei Jahren eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres vorsah (BGH v. 21.3.2013, NJW 2013, 2111). 54 Der Schadensersatzanspruch aus § 89a Abs. 2 HGB wegen einer vom Kündigungsgegner schuldhaft veranlassten fristlosen Kündigung ist zeitlich nicht begrenzt, wenn der Kündigungsgegner auf sein Recht zur ordentlichen Kündigung eines unbefristeten Handelsvertreterverhältnisses verzichtet hat (BGH v. 16.7.2008, NJW 2008, 3436).

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(3) Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. (4) Der Vertrag endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, spätestens mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem der Handelsvertreter das 67. Lebensjahr vollendet. (5) Die dem Handelsvertreter gemäß § 4 Abs. 1 überlassenen Unterlagen und die Kundenkartei55 sind innerhalb von zwei Wochen nach dem Vertragsende zurückzugeben. § 13

Wettbewerb des Handelsvertreters56

(1) Der Handelsvertreter vertritt bei Vertragsbeginn folgende Firmen und/oder übt folgende gewerbliche Tätigkeiten aus: ... ... ... Der Unternehmer ist mit der Weiterführung dieser Tätigkeiten einverstanden. (2) Der Handelsvertreter ist während der Vertragsdauer nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Unternehmers berechtigt, Firmen zu vertreten, die in Absatz 1 nicht genannt sind, und die gleiche oder gleichartige Erzeugnisse herstellen, vertreiben bzw. Leistungen anbieten. Er darf sich an solchen Firmen weder direkt noch indirekt beteiligen oder sie in anderer Weise fördern. Ausnahmen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Unternehmers.57 (3) Für die Zeit nach Vertragsende gilt folgendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot:58 a) Der Handelsvertreter darf für die Dauer von zwei Jahren59 nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht für ein Konkurrenzunternehmen innerhalb des dem Handelsvertreter zugewiesenen Bezirks oder Kundenkreises und in Bezug auf die ihm zugewiesenen Gegenstände tätig werden. Er darf sich an einem solchen Unternehmen auch nicht direkt oder indirekt beteiligen, ein solches errichten oder es auf andere Weise fördern.

55 Auch Kundenlisten, die der Handelsvertreter selbst erstellt hat, muss er dem Unternehmer schon im Rahmen seiner Nachrichtspflicht nach § 86 Abs. 2 HGB zugänglich machen; nach Vertragsende muss er sie herausgeben (vgl. BGH v. 28.1.1993, NJW 1993, 1786). Dies gilt erst recht für Kundenlisten, die er vom Unternehmer bei Vertragsbeginn erhalten und während der Vertragslaufzeit fortgeführt hat (vgl. Hopt, Handelsvertreterrecht, § 86a HGB Rz. 6). 56 Auch ohne besondere Vereinbarung unterliegt der Handelsvertreter während der Vertragslaufzeit auf Grund seiner Interessenwahrnehmungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 Halbs. 2 HGB einem Wettbewerbsverbot. Nach Vertragsende bedarf dieses gesonderter Vereinbarung (vgl. § 13 Abs. 3 des Musters) nach Maßgabe von § 90a HGB. 57 Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot stellt regelmäßig einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 89a HGB dar (vgl. OLG München v. 4.2.2009, BB 2009, 2002). Im Einzelfall kann eine außerordentliche Kündigung auch noch mehrere Monate nach Kenntniserlangung von dem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot gerechtfertigt sein (BGH v. 29.6.2011, NJW 2011, 3361). 58 Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot bedarf gemäß § 90a HGB der Schriftform und der Aushändigung einer vom Unternehmer unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Handelsvertreter, § 90a Abs. 1 Satz 1 HGB. 59 Vgl. § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB.

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b) Für jeden Fall der schuldhaften60 Zuwiderhandlung hat der Handelsvertreter eine Vertragsstrafe in Höhe von Euro . . .61 zu zahlen. Besteht die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreteroder Beraterverhältnis),62 wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die kapitalgemäße Beteiligung oder das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Die Vertragsstrafen sind auf insgesamt Euro . . . begrenzt.63 Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung (zB Unterlassungsansprüche, Wegfall des Anspruches auf Karenzentschädigung für die Dauer des Verstoßes etc.). c) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Wettbewerbsentschädigung.64 Sie ist monatlich zahlbar und beträgt . . . %65 der während der letzten 36 Monate – bei kürzerer Vertragsdauer während dieser – durchschnittlich verdienten Vergütung. Ein anderweitiger Erwerb wird entsprechend § 74c HGB auf die Wettbewerbsentschädigung angerechnet. § 14 Verjährung Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren zwei Jahre nach Fälligkeit.66 60 Formularbestimmungen, wonach der Handelsvertreter eine Vertragsstrafe unabhängig vom Verschulden verwirkt, sind in der Regel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (BGH v. 21.3.2013, NJW 2013, 2111). Nur ausnahmsweise können gewichtige Interessen der Vertragspartei eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe rechtfertigen (vgl. BGH v. 20.3.2003, NJW-RR 2003, 1056). 61 Bei der Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe ist darauf zu achten, dass die Strafe in einem sachgerechten Verhältnis zur Bedeutung des Vertragsverstoßes für den Verwender steht. Ist die Vertragsstrafe im Formularvertrag zu hoch bemessen, kann sie wegen des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion, § 306 Abs. 2 BGB, nicht über § 343 BGB auf ein angemessenes Maß reduziert werden, sondern ist unwirksam. 62 Die Formulierung dient der vom BAG (v. 14.8.2007, NZA 2008, 170) verlangten Abgrenzung zwischen einmaliger und Dauerverletzung (dazu Diller, NZA 2008, 574). 63 Zur Gesamtobergrenze vgl. M 9.1.3, § 8 Abs. 2 m. Anm.; ferner allgemein M 25.1 m. Anm. sowie Diller, NZA 2008, 574. Allgemein zur Vertragsstrafe Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff. 64 Die Verpflichtung zur Entschädigungszahlung gemäß § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB gilt auch, wenn sie im Vertrag nicht ausdrücklich festgehalten ist (Hopt, Handelsvertreterrecht, § 90a HGB Rz. 18). 65 § 90a Abs. 1 Satz 3 verlangt nur eine „angemessene“ Entschädigung. Danach soll eine Abwägung erfolgen zwischen den Nachteilen, die dem Handelsvertreter durch die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes entstehen, und den Vorteilen, die der Unternehmer hieraus zieht (BGH v. 19.12.1974, BGHZ 63, 353, 355 f.; vgl. auch Baumbach/Hopt/Hopt, § 90a HGB Rz. 19). 66 Die früher geltende vierjährige Verjährungsvorschrift des § 88 HGB ist zum 15.12.2004 aufgehoben worden. Für Ansprüche, die seitdem entstanden sind, gelten die allgemeinen Verjährungsregeln des BGB, die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre, sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

§ 15

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Anwendbares Recht und Gerichtsstandsvereinbarung

(1) Die Auslegung und die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag bestimmen sich nach deutschem Recht. Die Niederlassung des Handelsvertreters befindet sich in . . . (2) Ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist . . .67 Der Unternehmer behält sich vor, den Handelsvertreter auch an seinem allgemeinen Gerichtsstand zu verklagen. § 16

Sonstige Bestimmungen

(1) Mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag bestehen nicht. Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.68 (2) §§ 84 ff. HGB gelten ergänzend. (3) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.69 (4) Folgende Anlagen sind wesentlicher Bestandteil dieses Vertrages: bei Regelung gemäß § 1 Abs. 4 – Anlage 1 – Liste der bisherigen Kunden bei Kundenschutz gemäß § 2 Abs. 4 – Anlage 2 – Liste der Erzeugnisse, für die Kundenschutz besteht – Anlage 3 – Liste der Kunden, für die Kundenschutz besteht (5) Die Parteien haben die Schiedsvereinbarung und die Zusatzvereinbarung getroffen, die als Anlage beigefügt und gesondert unterzeichnet sind. ... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

... (Unternehmer)

... (Handelsvertreter)

Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, § 199 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift ist dispositiv (vgl. PWW/Kesseler, § 195 BGB Rz. 2; Abrahamczik, Handelsvertretervertrag, S. 74), so dass die Verjährungsfrist wie hier vertraglich verkürzt werden kann. 67 Zu den Einschränkungen für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vgl. §§ 38 ff. ZPO. 68 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für freie Handelsvertreter nicht. 69 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

u

Handelsvertretervertrag (kurze Fassung)1

9.3.2

Die Firma . . . (im Folgenden: Firma) und Herr/Frau . . . (im Folgenden: Vertreter) schließen folgenden Handelsvertretervertrag § 1 Rechtsstellung des Vertreters (1) Der Vertreter ist damit betraut, Verkaufsgeschäfte für die Firma im Namen und auf Rechnung der Firma zu vermitteln.2 (2) Der Vertreter ist nicht zum Abschluss von Geschäften im Namen der Firma und nicht zum Inkasso berechtigt.3 (3) Der Vertreter hat seine Dienste persönlich zu leisten. Untervertreter darf er nur mit Zustimmung der Firma beschäftigen.4 Zwischen der Firma und eventuellen Untervertretern entstehen keine Vertragsbeziehungen. oder (3) Der Vertreter ist nicht zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Er kann insbesondere Untervertreter einsetzen. Ein Zustimmungsvorbehalt der Firma besteht nicht.5 Zwischen der Firma und von dem Handelsvertreter eingesetzten Personen entstehen keine Vertragsbeziehungen. (4) Der Vertreter wird die Geschäftsbedingungen und Preislisten beachten.

1 In dieser Fassung wurden weitestmöglich die Vorschriften nicht aufgenommen, die sich schon aus dem Gesetz ergeben. Der Vertrag ist daher knapp, gibt dafür aber keinen umfassenden Überblick über die gegenseitigen Rechte und Pflichten. Dazu bedarf es vielmehr der ergänzenden Verwendung der §§ 84 ff. HGB. 2 Die Verpflichtung zur Tätigkeit muss aufgenommen werden; andernfalls handelt es sich nur um einen Handelsmakler. 3 Die Regelung dient der Klarstellung. 4 Vgl. M 9.3.1 § 3 Ziff. 3 mit Anmerkungen; ob die Leistung höchstpersönlich zu erbringen ist oder nicht, sollte auch in der knappen Fassung klar geregelt werden. Im Umkehrschluss aus § 84 Abs. 3 HGB ergibt sich, dass der Einsatz von Untervertretern zulässig ist, sofern er nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird. Die Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistungserbringung ist ein Indiz für ein Arbeitsverhältnis. In einem freien Handelsvertreterverhältnis sollte der Zustimmungsvorbehalt daher möglichst vermieden werden, wenn nicht zahlreiche andere Indizien die freie Stellung untermauern. Allerdings kann die besondere Sensibilität des Handelsvertreterverhältnisses – der konkrete Handelsvertreter wird oft wegen seiner besonderen persönlichen Fähigkeiten beauftragt – trotz des Risikos einen Zustimmungsvorbehalt erfordern und rechtfertigen. 5 Diese Formulierung ist zur Vermeidung eines Anstellungsverhältnisses der sicherere Weg, kann aber den Erfolg des Handelsvertreterverhältnisses gefährden. Korrespondierend kommen kurze Kündigungsfristen in Betracht.

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.3.2

§ 2 Gegenstand der Vertretung (1) Die Vertretung umfasst das Gebiet . . . und alle gegenwärtigen Erzeugnisse der Firma. Die Einbeziehung zukünftiger Erzeugnisse muss schriftlich vereinbart werden. (2) Folgende Erzeugnisse sind von der Vertretung ausgenommen: ... (3) Die Vertretung erstreckt sich auf die Kunden, die in der als Anlage 1 beigefügten Liste aufgeführt sind, und neu akquirierte Kunden.6 Die Anlage 1 wird von den Vertragsparteien in regelmäßigen Abständen überprüft und um die neu akquirierten Kunden ergänzt. (4) Die Firma darf selbst oder durch Beauftragte tätig werden. Gebiets- oder Kundenschutz besteht nicht.7 § 3 Allgemeine Pflichten der Firma Die Firma unterstützt den Vertreter bei der Ausübung seiner Tätigkeit und gibt ihm die erforderlichen Nachrichten und Auskünfte.8 § 4 Allgemeine Pflichten des Vertreters (1) Der Vertreter wird die Weisungen der Firma beachten.9 Dabei ist auf die selbständige Stellung des Vertreters Rücksicht zu nehmen. (2) Der Vertreter wird der Firma mindestens einmal monatlich berichten10 und dabei die Geschäftsvermittlungen mitteilen. Auf neu vermittelte Kunden wird er besonders hinweisen. Aus den Berichten muss hervorgehen, bei welchen Kunden seine Vermittlungstätigkeit erfolglos geblieben ist. Über Geschäftsanbahnungen wird der Vertreter alle zwei Wochen berichten.11 (3) Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm während seiner Tätigkeit bekannt werden, wird der Vertreter geheim halten. Dies gilt auch für die Zeit nach Vertragsende.12 § 5 Provisionspflichtige Geschäfte (1) Der Vertreter hat Anspruch auf Provision für alle Geschäfte (Erstgeschäfte und Nachbestellungen), die Erzeugnisse gemäß § 2 dieses Vertrages zum Gegenstand ha6 Die Regelung ist zwar nicht notwendig, zur Klärung der Sachlage beim Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB jedoch sinnvoll. 7 Zu dieser Klarstellung ist dringend zu raten, da § 2 Abs. 1 ein Vertragsgebiet bezeichnet. Auslegungsstreitigkeiten, ob der Vertreter möglicherweise Bezirksvertreter mit entsprechenden Provisionsansprüchen ist, werden so verhindert, vgl. M 9.3.1 Fn. 4. 8 Diese Regelung ist rechtlich entbehrlich und hat nur nachrichtliche Funktion. 9 Wichtig: Im freien Handelsvertreterverhältnis sollte diese Formulierung vermieden werden. Die Weisungsabhängigkeit ist typisches Zeichen eines arbeitsrechtlichen Anstellungsverhältnisses und sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses. 10 Auch die Berichtspflicht ergibt sich schon aus § 86 Abs. 1 HGB. Sie sollte jedoch auch in einem knappen Vertrag noch einmal betont werden. 11 Die Übermittlung der gesamten Korrespondenz und die Verwendung von Formularen liegt in der Nähe zu arbeitsrechtlichen Weisungen und sollte daher im freien Handelsvertreterverhältnis möglichst eingeschränkt werden. 12 Die Geheimhaltungspflicht besteht auch ohne vertragliche Regelung (vgl. § 90 HGB). Wegen ihrer besonderen Bedeutung wurde sie trotzdem aufgenommen.

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M 9.3.2

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

ben und die während des Vertragsverhältnisses mit geschützten Kunden ausgeführt werden. Geschützte Kunden sind Kunden, die in der als Anlage 1 beigefügten Liste nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 aufgeführt sind. (2) Der ausgeschiedene Vertreter hat keinen Provisionsanspruch für Geschäftsabschlüsse, die nach Vertragsende zustande kommen, gleichgültig, ob der Geschäftsabschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist oder nicht.13 (3) Die Firma ist zur gerichtlichen Geltendmachung oder Vollstreckung einer Forderung gegenüber dem Kunden nur verpflichtet, wenn sie aussichtsreich ist. §6

Entstehung des Provisionsanspruches

Der Provisionsanspruch des Vertreters entsteht, wenn und soweit der Kunde den Kaufpreis bezahlt hat.14 § 7 Berechnung und Höhe des Provisionsanspruches (1) Die Provision errechnet sich aus dem in Rechnung gestellten Waren-Nettowert (Warenwert ohne Mehrwertsteuer). (2) Die Provision beträgt . . . %. (3) Nachlässe (Skonti, Mengen- und Treuerabatte) sind vom Netto-Rechnungsbetrag abzuziehen. Für Nebenkosten (zB Fracht, Porto, Zoll, Steuern etc.) gilt dies nur, wenn sie dem Kunden gesondert in Rechnung gestellt sind. (4) Der Vertreter hat keinen Anspruch auf Spesen, Aufwendungsersatz oder sonstige Vergütungen. § 8 Abrechnung und Fälligkeit (1) Die Firma hat über die Provision monatlich, spätestens bis zum Ende des folgenden Kalendermonats abzurechnen. Der Provisionsanspruch wird mit der Abrechnung fällig. (2) Der Vertreter wird die Durchschrift der Abrechnung innerhalb von zwei Wochen nach Zugang prüfen und mit seinem Bestätigungsvermerk oder Einwendungen an die Firma zurückschicken. Erhebt er innerhalb dieser Frist keine Einwendungen, gilt die Abrechnung als genehmigt. § 9 Tätigkeitsunterbrechungen/Urlaub (1) Der Vertreter wird die Firma von Tätigkeitsunterbrechungen von mehr als einer Woche unterrichten. Er wird die Firma gleichzeitig insbesondere auf laufende Vertragsverhandlungen hinweisen. (2) Während der Tätigkeitsunterbrechung hat der Vertreter keinen Anspruch auf Provision für Geschäfte, die eine Ersatzkraft vermittelt. 13 Diese Abweichung von der gesetzlichen Regelung des § 87 Abs. 3 HGB bedarf ausdrücklicher vertraglicher Festlegung. 14 In Abweichung von § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB entspricht diese Regelung § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB. Bereits vorher besteht gemäß § 87a Abs. 1 Satz 2 HGB jedoch ein Anspruch auf Vorschuss, der spätestens am letzten Tag des folgenden Monats fällig ist. Dieser ist nur bei Handelsvertretern in Nebentätigkeit gemäß § 92b HGB abdingbar.

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.3.2

§ 10 Vertragsdauer, Vertragsende15 (1) Dieser Vertrag ist befristet und endet zum 31.12. . . . (2) Er kann von beiden Seiten mit einer Frist von sechs Monaten16 zum Monatsende gekündigt werden, frühestens jedoch zum 31.12. . . .17 (3) Der Vertreter hat auf Verlangen der Firma, spätestens aber beim Ausscheiden, alle in seinem Besitz befindlichen Gegenstände, Firmenunterlagen nebst Abschriften oder Ablichtungen einschließlich der Kundenkartei herauszugeben. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht. § 11 Wettbewerb des Vertreters18 (1) Der Vertreter vertritt im Bereich der Produkte . . . das Unternehmen . . . mit Sitz in . . . Die Firma ist mit der Weiterführung dieser Tätigkeit einverstanden. (2) Darüber hinaus ist dem Vertreter während der Vertragsdauer jede Wettbewerbstätigkeit untersagt. Ihm ist insbesondere untersagt, in selbständiger, unselbständiger und sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma in direktem oder indirektem Wettbewerb steht. In gleicher Weise ist es ihm untersagt, ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten der mit der Firma verbundenen Unternehmen. Ausnahmen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Firma. [evtl.] (3) Vertragsstrafe [s. M 9.1.3, § 8 Abs. 1 ff. sowie M 25.1 mwN] § 12 Verjährung Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren zwei Jahre nach Fälligkeit. § 13

Gerichtsstandsvereinbarung

Ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist der Firmensitz der Firma, z. Zt. . . .19 § 14

Sonstige Bestimmungen

(1) Mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag bestehen nicht. Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen

15 Streng genommen bedarf es auch dieser Regelung nicht, wenn der Vertrag unbefristet ist. Dann gelten die Kündigungsfristen des § 89 HGB. 16 Die Frist ist während der ersten fünf Vertragsjahre länger als die Kündigungsfristen des § 89 Abs. 1 HGB. 17 Wenn die Befristung länger als fünf Jahre dauert, kann der Handelsvertreter mit einer Frist von sechs Monaten kündigen (vgl. auch KG Berlin v. 26.6.1997, MDR 1997, 1041). 18 Streng genommen ist auch das Wettbewerbsverbot entbehrlich, denn schon auf Grund der allgemeinen Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 Halbs. 2 HGB besteht während der Vertragszeit ohne besondere Vereinbarung ein Wettbewerbsverbot. Es kann nur in Grenzen erweitert werden (vgl. BGH v. 15.12.1967, BB 1968, 60). 19 Zur eingeschränkten Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarung vgl. §§ 38 ff. ZPO.

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M 9.4

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.20 (2) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.21 ... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

... (Firma)

... (Vertreter)

20 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für freie Handelsvertreter nicht. 21 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

u

Heimarbeitsvertrag Zwischen der Firma . . . (im Folgenden: die Firma) und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: der/die Heimarbeiter/in) wird folgender Heimarbeitsvertrag1 geschlossen: § 1 Art der Heimarbeit

Die Firma überträgt dem/der Heimarbeiter/in folgende Arbeiten in Heimarbeit: . . . oder Die Firma überträgt dem/der Heimarbeiter/in Heimarbeit der Art, wie sie im Betrieb anfällt. § 2 Beginn und Ende des Vertrages (1) Der Vertrag beginnt am . . . 1 Vgl. Otten, Heim- und Telearbeit, S. 361 ff.

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9.4

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.4

(2) Während der sechsmonatigen Probezeit beträgt die Kündigungsfrist zwei Wochen.2 (3) Danach gelten für beide Parteien die gesetzlichen Kündigungsfristen nach dem Heimarbeitsgesetz (HAG).3 §3

Vergütung

(1) Die Vergütung richtet sich nach der einschlägigen Entgeltregelung gemäß § 17 Abs. 2 HAG und den darauf basierenden Stückentgelten.4 (2) Fehlt eine Regelung nach Absatz 1, so sind die Stückentgelte aus einem Mindeststundenentgelt von Euro . . . zu berechnen. §4

Umfang der Heimarbeit5

(1) Der/die Heimarbeiter/in ist nicht verpflichtet, monatlich eine bestimmte Heimarbeitsmenge zu bearbeiten. (2) Die Firma ist nicht verpflichtet, monatlich eine bestimmte Heimarbeitsmenge bereitzustellen. oder (1) Der/die Heimarbeiter/in ist verpflichtet, eine Heimarbeitsmenge zu bearbeiten und abzuliefern, deren Bearbeitungszeit unter Berücksichtigung der Normalleistung . . . Stunden wöchentlich/monatlich beträgt. (2) Die Firma wird monatlich mindestens eine entsprechende Heimarbeitsmenge bereitstellen. oder – bei geringfügiger Beschäftigung (1) Die monatliche Heimarbeitsmenge wird auf Basis des Stundenentgelts nach der maßgeblichen Entgeltregelung bzw. des auf dieser Basis ermittelten Stückentgelts als Gesamtvergütung die Geringfügigkeitsentgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nicht übersteigen. (2) Bei Bearbeitungsrückständen wird keine Heimarbeitsmenge abgenommen, die im Monat die Grenze gemäß Absatz 1 überschreitet. 2 Vgl. § 29 Abs. 3 Satz 2 HAG. 3 Vgl. § 29 HAG. Um ein Unterlaufen der sozialen Kündigungsfrist durch Ausgabe einer geringeren Menge an Arbeit zu verhindern, sieht § 29 Abs. 7 HAG für die Dauer der Kündigungsfrist eine Verdienstsicherung zu. Bei deren Berechnung sind das Stückentgelt, der Unkostenzuschlag und der Krankengeldzuschlag, nicht aber Feiertagsgelder zu berücksichtigen. Urlaubszahlungen sind einzubeziehen, soweit dem Heimarbeiter auf seinen Antrag Urlaub gewährt worden ist (BAG v. 11.7.2006, NZA 2007, 1365). 4 Entgeltverzeichnis und Nachweis über die sonstigen Vertragsbedingungen sind gemäß § 8 HAG offen auszulegen. Soweit Heimarbeit dem Beschäftigten in die Wohnung oder Betriebsstätte gebracht wird, hat der Auftraggeber dafür zu sorgen, dass das Entgeltverzeichnis zur Einsichtnahme vorgelegt wird, § 8 Abs. 1 Satz 3 HAG. Gemäß § 9 HAG sind den in Heimarbeit Beschäftigten Entgeltbücher auszuhändigen, in die bei jeder Ausgabe und Abnahme von Arbeit ihre Art und ihr Umfang, die Entgelte und die Tage der Ausgabe und der Lieferung einzutragen sind. Anstelle der Entgeltbücher können auch Entgelt- oder Arbeitszettel nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 HAG verwendet werden. 5 Bei Ausgabe von Heimarbeit an mehrere in Heimarbeit Beschäftigte soll die Arbeitsmenge auf die Beschäftigten gleichmäßig unter Berücksichtigung ihrer und ihrer Mitarbeiter Leistungsfähigkeit verteilt werden, § 11 Abs. 1 HAG.

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M 9.4

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

§5

Kap. 9

Steuern

Der Arbeitgeber führt für den/die Heimarbeiter/in Lohnsteuer nach den allgemeinen Regeln ab.6 § 6 Material- und Produkthandhabung (1) Die Firma wird das Material anliefern und die fertig gestellten Artikel abholen. oder (1) Der/die Heimarbeiter/in wird das zu verarbeitende Material abholen und die fertiggestellten Artikel abliefern. (2) Abholung und Anlieferung gemäß Absatz 1 erfolgen jeweils gleichzeitig montags in der Zeit von . . . Uhr bis . . . Uhr. oder (2) Abholung und Anlieferung gemäß Absatz 1 erfolgen jeweils zeitgleich am dritten Arbeitstag eines jeden Monats in der Zeit von . . . Uhr bis . . . Uhr. § 7 Abrechnung (1) Die Heimarbeit wird monatlich nachträglich abgerechnet. (2) Die Vergütung umfasst – das reine Arbeitsentgelt, – den Kostenzuschlag, – den Feiertagszuschlag, – den Zuschlag für die wirtschaftliche Sicherung im Krankheitsfall, – die Urlaubsvergütung (Urlaubsentgelt und etwaiges zusätzliches Urlaubsgeld), – den Transportkostenausgleich sowie – die vermögenswirksamen Leistungen gemäß § 9. (3) Die Vergütung wird zum selben Zeitpunkt wie bei den (Betriebs-)Arbeitern ausgezahlt. § 8 Vermögenswirksame Leistungen Der/die Heimarbeiter/in erhält vermögenswirksame Leistungen nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz in der Fassung vom 19.2.1987 in Höhe von monatlich Euro . . ., sofern er/sie einen entsprechenden Vertrag nachweist. § 9 Ergänzende Bestimmungen Ergänzend gelten die jeweilige Entgeltregelung, das Heimarbeitsgesetz und die gesetzlichen Vorschriften. ... ... (Ort, Datum) (Ort, Datum) ... (Firma)

... (Heimarbeiter/in)

6 Diese Regelung ist im Grunde entbehrlich, sie dient im Formular zur Abgrenzung gegenüber den Alternativen zur geringfügigen Beschäftigung.

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Kap. 10

N N Q NNNN

Kapitel 10

Arbeitnehmerüberlassung

Arbeitnehmerüberlassung

Literaturübersicht: Abele, Betriebsübergang und Arbeitnehmerüberlassung im Konzern, FA 2011, 7; Anton-Dyck/Böhm, Kein Arbeitsschutz für Leiharbeitnehmer – Schutzpflichten von Verund Entleihern im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung, ArbRB 2012, 58; Bartl/Romanowski, Keine Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen!, NZA Online Aufsatz 3/2012; Baeck/Winzer, Aktuelle Entwicklungen im Arbeitsrecht – Aktuelle Problemstellungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, NZG 2013, 251; Bauer/Krets, Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, NJW 2003, 537; Bauer/von Medem, § 613a BGB: Übergang von Leiharbeitsverhältnissen bei Übertragung des Entleiherbetriebs?, NZA 2011, 20; Bayreuther, Tarifpolitik im Spiegel der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, NZA 2005, 341; Bayreuther, Nachwirkung von Zeitarbeitstarifverträgen im Kontext des Equal Pay/Treatment Gebots des AÜG, BB 2010, 309; Bayreuther, Ausschlussfristen und Verjährung im Umfeld der CGZP-Tarifverträge, DB 2011, 2267; Bayreuther, Tarifzuständigkeit beim Abschluss mehrgliedriger Tarifverträge im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, NZA 2012, 14; Bayreuther, Die Stellung von Leiharbeitnehmern im Einsatzbetrieb nach den jüngsten Tarifabschlüssen in der Zeitarbeitsbranche und der M- und E-Industrie, NZA Beilage 4/2012, 115; Behrendt, Neues zum Scheinwerkvertrag – Die vermutete Arbeitsvermittlung im AÜG, BB 2001, 2641; Benkert, Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz durch „Hartz III“, BB 2004, 998; Betz, Verfallklauseln im Arbeitsrecht und deren Auswirkungen auf Equal Pay-Klagen nach Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP, NZA 2013, 350; Bissels/Khalil, Die Anwendbarkeit von Tarifverträgen der Zeitarbeit in Mischbetrieben, BB 2013, 315; Bissels/Raus, Tarifunfähigkeit der CGZP: Entscheidungen der Landessozialgerichte im einstweiligen Rechtsschutz, BB 2013, 885; Blanke, Die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der Leiharbeit, DB 2008, 1153; Böhm, Lohndumping durch konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung?!, DB 2010, 672; Böhm, Leiharbeitnehmer: Wahlrecht zum Betriebsrat im Kundenbetrieb?, DB 2006, 104; Böhm, „Zweite Belegschaften“: Mehr Flexibilität und geringere Personalkosten durch onsite management, NZA 2005, 554; Böhm, Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtlinie – mit Fragezeichen?!, DB 2011, 473; Böhm, Änderungen für konzerninterne Personalgestellung durch § 1 AÜG nF, DB 2012, 918; Böhm/Röder/Krieger, Arbeitnehmerüberlassung: Ausweg aus der equal pay-Falle ein Holzweg?, DB 2007, 168; Boemke, EU-Osterweiterung und grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung, BB 2005, 266; Boemke/Lembke, Änderung im AÜG durch das „Job-AQTIV-Gesetz“, DB 2002, 893; Boemke/Lembke, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 3. Aufl. 2013; Brors, Zweifelhafte Zulässigkeit der gestaffelten individualvertraglichen Verweisung auf die Zeitarbeitstarifverträge der Christlichen Gewerkschaften und des DGB, BB 2006, 101; Brose, Sachgrundlose Befristung und betriebsbedingte Kündigung von Leiharbeitnehmern – Ein unausgewogenes Rechtsprechungskonzept, DB 2008, 1378; Brors/Schüren, Kostensenkung durch konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung, BB 2005, 494; Dahl, Das Beschäftigungsrisiko in der Zeitarbeit, DB 2006, 2519; Dahl, Zeitarbeit – zwei Jahre nach Hartz, FA 2006, 290; Däubler, Totale Verdrängung von Equal Pay durch Leiharbeitstarife?, DB 2008, 1914; Deckers, Der Mindestentgeltbegriff in § 1a AEntG, NZA 2008, 321; Deich, Arbeitnehmerüberlassung oder Werkvertrag? Was passt am besten?, AuA 2009, 412; Düwell, Änderungen im Arbeitsrecht durch das Job-AQTIV-Gesetz, BB 2002, 98; Düwell, Überlassung zur Arbeitsleistung – Neues aus Rechtsprechung und Gesetzgebung, DB 2011, 1520; Düwell/Dahl, Mitbestimmung des Betriebsrats beim Einsatz von Leiharbeitnehmern, NZA-RR 2011, 1; Düwell/ Dahl, Aktuelle Gesetzes- und Tariflage in der Arbeitnehmerüberlassung, DB 2009, 1070; Düwell/ Dahl, Arbeitnehmerüberlassung und Befristung, NZA 2007, 889; Düwell/Dahl, Leiharbeitnehmer: First in, first out – Vorrang der Beendigung von Leiharbeitsverhältnissen vor betriebsbedingter Kündigung der Stammbelegschaft?, DB 2007, 1699, Ebert, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung, ArbRB 2007, 37; Edenfeld, Prüfungspflichten aus § 81 I SGB IV bei Leiharbeit, NZA 2006, 126; Eismann, Lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberpflichten nach Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, DStR 2011, 2381; Eismann, Lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberpflichten nach Änderung des AÜG, ArbR 2012, 8; Faust/Rehner, Entleiherhaftung für Sozialversicherungsbeiträge nach dem Einsatz von CGZP-Tarifbeschäftigten, DB 2013, 874; Forst, Leiharbeitnehmer beim Betriebsübergang, RdA 2011, 228; Franßen/Haesen, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Loseblatt; Franzen, Tarifzuständigkeit und Tariffähigkeit im Bereich der Arbeit-

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Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

nehmerüberlassung, BB 2009, 1472; Freckmann, Freie Arbeit wieder im Trend – Flucht aus der Leiharbeit, DB 2013, 459; Freckmann/Gallini, Verändert Equal Pay die Leiharbeitsbranche?, BB 2013, 309; Freihube/Sasse, Das Ende der kurzfristigen Personalplanung durch Leiharbeit?, BB 2011, 165; Frik, Die Befristung von Leiharbeitsverträgen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, NZA 2005, 386; Fuchs, Das Gleichbehandlungsgebot in der Leiharbeit nach der neuen Leiharbeitsrichtlinie, NZA 2009, 57; Gaul/Ludwig, Wird § 613a BGB jetzt uferlos?, DB 2011, 298; Gerdom, Neue Spielregeln bei der Personalgestellung, öAT 2011, 150; Giesen, Vorübergehend unklar, FA 2012, 66; Giesen, Neue BAG-Beschlüsse zur Tariffähigkeit der CGZP, FA 2012, 226; Giesen, Tarifvertragliche Erweiterung von Betriebsratsrechten beim Leiharbeitseinsatz, ZfA 2012, 143; Greiner, Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung – Abgrenzungsfragen und aktuelle Rechtspolitik, NZA 2013, 697; Gussen, Der vorübergehend dauerhaft beschäftigte Leiharbeitnehmer, FA 2013, 134; Haas/Hoppe, Neue Spielregeln zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Berechnung der Schwellenwerte im BetrVG?, NZA 2013, 294; Hamann, Fremdpersonal im Unternehmen, 4. Aufl. 2011; Hamann, Leiharbeitnehmerpools, NZA 2008, 1942; Hamann, Betriebsverfassungsrechtliche Auswirkungen der Reform der Arbeitnehmerüberlassung, NZA 2003, 526; Hamann, Die Reform des AÜG im Jahr 2011, RdA 2011, 321; Hamann, Die Vereinbarkeit der privilegierten Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG mit der Richtlinie Leiharbeit, ZESAR 2012, 103; Huke/Neufeld/Luickhardt, Das neue AÜG: Erste Praxiserfahrungen und Hinweise zum Umgang mit den neuen Regelungen, BB 2012, 961; Hunnekuhl/zu DohnaJaeger, Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf die Zeitarbeitsbranche – Im Einklang mit der Verfassung?, NZA 2007, 954; Hunold, Die Rechtsprechung zu den Beteiligungsrechten des Entleiher-Betriebsrates bei Einsatz von Leiharbeitnehmern, NZA-RR 2008, 281; Hunold, § 99 BetrVG: Die Bedeutung der Personalhoheit bei drittbezogenem Personaleinsatz (Werk- und Dienstverträge), NZA-RR 2012, 113; Karthaus/Klebe, Betriebsratsrechte bei Werkverträgen, NZA 2012, 417; Kienle, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung – Probleme und Folgen, DB 2001, 922; Kock, Neue Pflichten für Entleiher: Information über freie Stellen und Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten (§ 13a und § 13b AÜG), BB 2012, 323; Kort, Informationsrechte von Betriebsräten bei Arbeitnehmerüberlassung, DB 2010, 1291; Krannich/Simon, Das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – zur Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 AÜG nF, BB 2012, 1414; Krause, Neue tarifvertragliche Regeln für die Leiharbeit in der Metallindustrie, NZA 2012, 830; Kühn, Der Betriebsübergang bei Leiharbeit, NJW 2011, 1408; Künzel/Schmid, Wählen ja, zählen nein? Leiharbeitnehmer und Unternehmensmitbestimmung, NZA 2013, 300; Küpperfahrenberg/Lagardère, Vermittlungsprovisionen für Zeitarbeitsfirmen – „Jobwechsel schwer gemacht?“- Über die Rechtmäßigkeit von Vermittlungsprovisionen, BB 2012, 2952; Lambrich/Schwab, Betriebsverfassungsrechtliche Fragen beim konzernweiten Personaleinsatz, NZA-RR 2013, 169; Lembke, Aktuelle Brennpunkte in der Zeitarbeit, BB 2010, 1533; Lembke, Neue Rechte von Leiharbeitnehmern gegenüber Entleihern, NZA 2011, 319; Lembke, Die geplanten Änderungen im Recht der Arbeitnehmerüberlassung, DB 2011, 414, 415; Lembke, Der CGZP-Beschluss des BAG vom 14.12.2010 und seine Folgen, NZA-Beilage 2012, 66; Lembke, Arbeitnehmerüberlassung im Konzern, BB 2012, 2497; Lembke/Distler, Die Bezugnahme auf Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche durch Unternehmen mit Mischbetrieben, NZA 2006, 952; Lembke/Fesenmeyer, Abreden über Vermittlungsprovisionen in Arbeitnehmerüberlassungsverträgen, DB 2007, 801; Legerlotz, Haftung für Mindestlohn bei Beauftragung von Subunternehmen, ArbRB 2011, 29; Löwisch/Domisch, Zur Anwendbarkeit des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auf Personalgestellungen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts, BB 2012, 1408; Ludwig, Das Problem der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung, BB 2013, 1276; Marschall, Bekämpfung illegaler Beschäftigung, 3. Aufl. 2003; Maschmann, Leiharbeitnehmer und Betriebsratswahl nach dem BetrVG-Reformgesetz, DB 2001, 2446; Mastmann/Offer, Ausgewählte Probleme der Leiharbeit, AuA 2005, 330; Mehnert/ Stubbe/Haber, Branchenzuschlagstarifverträge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Zeitarbeit – Regelungen, Anwendungsbereiche, Konkurrenzen, BB 2013, 1269; Melms/Lipinski, Absenkung des Tarifniveaus durch die Gründung von AÜG-Gesellschaften als alternative oder flankierende Maßnahme zum Personalabbau, BB 2004, 2409; Moll/Ittmann, Betriebsbedingte Kündigung und Leiharbeit, RdA 2008, 321; Mosig, „Wahlberechtigte“ Leiharbeitnehmer müssen gezählt werden!, NZA 2012, 1411; Nießen/Fabritius, Die neuen Branchenzuschläge in der Zeitarbeit – Auswirkung auf die Praxis, BB 2013, 375; Oberthür, Die „misslungene“ Unternehmensdienstleistung – Zum Umgang mit (versehentlicher) Kettenüberlassung in der Leiharbeit, ArbRB

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Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

2012, 117; Oberwetter, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Bereich der Personaldienstleistungen, BB 2007, 1109; Plagemann/Brand, Sozialversicherungsbeiträge für nicht erfüllte „Equal pay“-Ansprüche?, NJW 2011, 1488; Preis, Der Arbeitsvertrag – Handbuch der Vertragspraxis und -gestaltung, II A 55, 4. Aufl. 2011; Ramstetter/Hartmann, Umdenken bei der Leiharbeit, AuA 2013, 410; Reim, Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern, AiB 2005, 203; Rieble, Zulässigkeit einer Vermittlungsprovision in AGB zwischen Verleiher und Entleiher bei Übernahme eines Arbeitnehmers, LMK 2007, 213195; Rieble, CGZP-Tarifunfähigkeit und Vertrauensschutz, BB 2012, 2945; Rieble, Leiharbeitnehmer zählen doch?, NZA 2012, 485; Rieble/Klebeck, Lohngleichheit für Leiharbeit, NZA 2003, 23; Rieble/Vielmeier, Umsetzungsdefizite der Leiharbeitsrichtlinie, EuZA 2011, 474; Riechert, Grenzen tariflicher Abweichung vom Equal PayGrundsatz des AÜG, NZA 2013, 303; Röder/Krieger, Arbeitnehmerüberlassung: Kein Ausweg aus der equal pay-Falle?, DB 2006, 2122; Ruge/von Tiling, Die tarifliche Personalgestellung im öffentlichen Dienst nach der Reform des AÜG, ZTR 2012, 263; Sandmann/Marschall, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Loseblatt; Schaub/Schrader/Straube/Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrensbuch, § 17, 10. Aufl. 2013; Schlegel, Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen des CGZP-Beschlusses, NZA 2011, 380; Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Loseblatt; Schöne, „Billig-Tarifverträge“ in der Zeitarbeit – Wo genau liegt das Risiko?, DB 2004, 136; Schönhöft/Lermen, Der Gemeinschaftsbetrieb im Vergleich zur Arbeitnehmerüberlassung – eine Alternative zur Personalkostensenkung?, BB 2008, 2515; Schöttler/Müllerleile, Entleiherhaftung auf dem Prüfstand – Auswirkungen des BAG-Beschlusses zur Tarifunfähigkeit der CGZP, BB 2011, 3061; Schüren, Die Verfassungsmäßigkeit der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – ein Rückblick mit Ausblicken, RdA 2006, 303; Schüren, Kostensenkung durch konzerneigene Verleihunternehmen, BB 2007, 2346; Schüren, Leiharbeit in Deutschland, RdA 2007, 231; Schüren, Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und PSA vor den deutschen Arbeitsgerichten – Ergebnisse einer Umfrage, NZA 2007, 1213; Schüren, Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für die Leiharbeitsbranche, NZA 2008, 453; Schüren, Scheinwerk- und Scheindienstverträge mit Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis – Vorschlag zu einer Korrektur des AÜG, NZA 2013, 176; Schüren, Tarifwidrige Personalkostensenkung für Leiharbeitnehmer durch unbezahlte Nichteinsatzzeiten, BB 2012, 1411; Schüren/Behrend, Entstehen eines Arbeitsverhältnisses durch Arbeitnehmerüberlassung, RdA 2002, 108; Schüren/Hamann, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 4. Aufl. 2010; Schumann, Tarifverträge zur Leiharbeit in der Metall- und Elektroindustrie, AiB 2012, 423; Schwab, Das neue Arbeitnehmer-Entsendegesetz, NZA-RR 2010, 225; Schwarzkopf/Schöne, Zeitarbeit und ArbeitnehmerüberlassungsG, 2. Aufl. 2004; Seel, § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG als Verbotsgesetz gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, FA 2012, 360; Seel, Rechtsstellung von Leiharbeitnehmern im Betriebsverfassungsrecht – Ein Überblick über die neusten Entwicklungen, MDR 2012, 813; Seel, Neues AÜG in der Praxis – Eine Übersicht über die wesentlichen „vorübergehend unklaren“ Fragen, öAT 2013, 23; Seel, Dauerarbeitsplatz und dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung, FA 2013, 132; Sieweke, Voraussetzungen und Folgen der missbräuchlichen Ausübung von Mitbestimmungsrechten – Eine Untersuchung am Beispiel der Leiharbeit, NZA 2012, 426; Spieler/Pollert, Arbeitnehmerüberlassungsverträge, AuA 2011, 270; von Steinau-Steinrück/Paul, Drittbezogener Personaleinsatz im Überblick, NJW-Spezial 2006, 81; Steinheimer/Haeder, Erdbeben in der Zeitarbeitsbranche, NZA Online Aufsatz 4/2012; Stoffels, Die Verjährung von Equal-Pay-Ansprüchen, NZA 2011, 1057; Stoffels/Bieder, AGB-rechtliche Probleme der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf mehrgliederige Zeitarbeitstarifverträge, RdA 2012, 27; Stück, Chancen nutzen – Risiken vermeiden, Personal 2006, Heft 4, 50; Stück, Was der Entleiher beachten muss, AuA 2005, 336; Teusch/Verstege, Vorübergehend unklar – Zustimmungsverweigerungsrechts des Betriebsrats bei Einstellung von Leiharbeitnehmern, NZA 2012, 1326; Thüsing, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – Kommentar, 3. Aufl. 2012; Thüsing, Equal Pay bei Leiharbeit – Zur Reichweite der Gleichbehandlungspflicht nach dem AÜG, DB 2003, 446; Thüsing, AEntG und MiArbG, Kommentar, 2010; Thüsing/Pötters, Flexibilisierung der Arbeitszeit durch Zeitkonten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung, BB 2012, 317; Thüsing/ Stiebert, Zum Begriff „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, DB 2012, 632; Thüsing/Stiebert, Equal Pay in der Arbeitnehmerüberlassung zwischen Unionsrecht und nationalem Recht, ZESAR 2012, 199; Thüsing/Thieken, Der Begriff der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ im neuen AÜG, DB 2012, 347; Timmermann, Die Beweisnot des Arbeitnehmers bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung, BB 2012, 1729; Trebeck, Möglichkeit einer befristeten Zustimmung zur Einstellung im

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Rahmen des § 99 BetrVG bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern, ArbR 2012, 343; Ulber, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 4. Aufl. 2012; Ulber, Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit der CGZP als Spitzenorganisation, NZA 2008, 438; Ulber, Wirksamkeit tariflicher Regelungen zur Ungleichbehandlung von Leiharbeitnehmern, NZA 2009, 232; Vielmeier, Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen nach § 13b AÜG, NZA 2012, 535; Waltermann, Fehlentwicklung in der Leiharbeit, NZA 2010, 482; Werthebach, Die Befristung von Leiharbeitsverträgen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, NZA 2005, 1044; Wiebauer, Zeitarbeit und Arbeitszeit, NZA 2012, 68; Willemsen, Erosion des Arbeitgeberbegriffs nach der Albron-Entscheidung des EuGH? – Betriebsübergang bei gespaltener Arbeitgeberfunktion, NJW 2011, 1546; Willemsen/Annuß, Kostensenkung durch konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung, BB 2005, 437; Zeppenfeld/Faust, Zeitarbeit nach dem CGZP-Beschluss des BAG, NJW 2011, 1643; Zimmer, Der Grundsatz der Gleichbehandlung in der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG und seine Umsetzung ins deutsche Recht, NZA 2013, 289; Zimmermann, Die neuen Pflichten des Einsatzunternehmen nach der AÜG-Reform 2011, ArbR 2011, 264; Zorn, Leiharbeiter aus dem EU-Ausland im Bauhauptgewerbe, AuA 2006, 658.

I. Einführung1 1. Ein Arbeitgeber, der als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen will, bedarf der Erlaubnis, § 1 Abs. 1 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).2 Die Überlassung von Arbeitnehmern an den Entleiher erfolgt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vorübergehend. Zu unterscheiden ist zwischen dem Anstellungsvertrag des Verleihers mit dem Arbeitnehmer (M 10.1.1–10.1.2) und dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher (M 10.2 und M 10.3). „Überlassen“ wird der Arbeitnehmer, wenn er vollständig in den Betrieb des Dritten eingegliedert ist und nicht weiterhin allein für seinen Arbeitgeber tätig wird.3 Anders als bei der Arbeitsvermittlung bleibt bei der Arbeitnehmerüberlassung der Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers mit dem Verleiher unabhängig von dem konkreten Einsatz beim Entleiher.4 Verfolgen die beteiligten Arbeitgeber allerdings im Rahmen einer unternehmerischen Zusammenarbeit mit dem Einsatz ihrer Arbeitnehmer jeweils ihre eigenen Betriebszwecke, so handelt es sich nicht um Arbeitnehmerüberlassung.5 Die Überlassung von Maschinen mit Personal ist so lange keine Arbeitnehmerüberlassung, wie die Überlassung der Maschine Hauptvertragszweck ist und die Zurverfügungstellung des Personals nur dienende Funktion hat und ausschließlich dem Einsatz des Gerätes dient.6 Keine Arbeitnehmerüberlassung ist allerdings die Abordnung zu einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 3 ff. AÜG. Auch für das Baugewerbe gelten Einschränkungen (vgl. § 1b AÜG).7 Die Zulässigkeit sog. Kettenüberlassungen, dh. der Entleiher überlässt den Leiharbeitnehmer wiederum an einen Dritten, ist um-

1 Mein besonderer Dank bei der Bearbeitung dieses Kapitels gilt Rechtsanwältin Saskia Gottschalk. 2 Ausführlich zu Besonderheiten der Personalgestellung im öffentlichen Dienst Löwisch/Domisch, BB 2012, 1408; Ruge/von Tiling, ZTR 2012, 263. 3 BAG v. 3.12.1997, DB 1998, 1520. 4 BVerfG v. 4.4.1967, DB 1967, 640; BAG v. 11.9.2001, EzA § 99 BetrVG 1972 Einstellung Nr. 10, st. Rspr. 5 BAG v. 6.8.2003, BB 2004, 669; v. 25.10.2000, NZA 2001, 259. Zum Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen auch Schönhöft/Lermen, BB 2008, 2515. 6 BAG v. 17.2.1993, DB 1993, 2287. 7 Krit. dazu Böhm, DB 2011, 473, 474.

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stritten.8 Mischunternehmen, die gelegentlich Arbeitnehmerüberlassung betreiben, sind ebenfalls von der Erlaubnispflicht erfasst.9 2

2. In der Praxis bereitet insbesondere die Abgrenzung zwischen erlaubnisfreien Dienst- oder Werkverträgen und erlaubnispflichtiger Arbeitnehmerüberlassung Schwierigkeiten.10 Bestimmt der Dienstherr oder Werkbesteller über den Einsatz der Arbeitnehmer nach Inhalt, Ort und Zeit, so spricht dies für eine Arbeitnehmerüberlassung. Weisungen, die ausschließlich auf das konkrete Werk bezogen sind, kann dagegen auch der Dienstherr bzw. Werkbesteller erteilen.11 Maßgeblich ist die praktische Umsetzung,12 nicht der Wortlaut oder Inhalt des Vertrages. Setzt der Überlasser an Stelle von Arbeitnehmern freie Mitarbeiter ein, besteht keine Arbeitnehmerüberlassung; handelt es sich jedoch um Scheinselbständige, so werden auch diese kraft der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 AÜG Arbeitnehmer des Entleihers. Das Recht des Arbeitnehmers, sich auf ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zu berufen, kann allerdings verwirken, wobei Zeiträume von drei Wochen bis zu vier Monaten nach Beendigung der Überlassung13 angenommen werden, zT wird aber auch nach sechs Monaten oder sogar einem Jahr Verwirkung verneint.14 Die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werk- bzw. Dienstverträgen spielt auch eine Rolle für den Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Gleichbehandlung, § 10 Abs. 4 AÜG15.

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3. Die Überlassung muss im Rahmen der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ des Verleihers erfolgen. Der Begriff ersetzt die bisherige Voraussetzung der Gewerbsmäßigkeit und dient der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie16 in deutsches Recht. Darunter wird jede Tätigkeit verstanden, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten.17 Der Begriff der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ geht damit über den der Gewerbsmäßigkeit hinaus, da eine Gewinnerzielungsabsicht nun nicht mehr notwendig ist.18 Erfasst werden nunmehr auch konzerninterne Personalservicegesellschaften, die Leiharbeitnehmer zum Selbstkostenpreis anderen Kon8 Dazu ausführlich Oberthür, ArbRB 2012, 117 sowie die Geschäftsanweisung der BA zum AÜG, Stand 12/2011, Ziff. 1.1.2 (11, 12), S. 8 f., wonach eine Kettenüberlassung unzulässig sein soll. 9 Lembke, BB 2012, 2497, 2500; zur Anwendbarkeit der Tarifverträge für die Leiharbeit Bissels/Khalil, BB 2013, 315. 10 Hierzu und insbesondere zu sog. Scheinwerkverträgen, die als illegale Arbeitnehmerüberlassung zu werten sind und daher ebenfalls den Regelungen des AÜG unterfallen, ausführlich Deich, AuA 2009, 412; für eine Änderung des AÜG plädiert daher Schüren, NZA 2013, 176; zur freien Mitarbeit Freckmann, DB 2013, 459 und unten M 10.1.1. 11 LAG Düsseldorf v. 27.8.2007 – 17 Sa 270/07 zu gelegentlich erteilten arbeitsrechtlichen Weisungen des Bestellers. 12 BAG v. 18.1.2012, NZA-RR 2012, 455; v. 10.10.2007, AP Nr. 21 zu § 10 AÜG; BGH v. 6.8.2003, EzA § 1 AÜG Nr. 13 m. Anm. Hamann. 13 LAG Köln v. 3.6.2003, EzAÜG § 9 AÜG Nr. 13; v. 14.11.1991, LAGE § 242 Prozessverwirkung Nr. 5. 14 LAG Düsseldorf v. 25.8.2008, EzA-SD 2008, Nr. 22, 8; BAG v. 10.10.2007, EzAÜG § 10 AÜG Verwirkung Nr. 4. 15 Dazu ausführlich unter Einf. Rz. 10 ff. 16 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit; abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu. 17 EuGH v. 10.1.2006, Slg 2006, I-289. 18 Hamann, RdA 2011, 321, 323.

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zernunternehmen überlassen.19 Auch gemeinnützige Organisationen benötigen eine Erlaubnis nach § 1 AÜG.20 4. Auf das Leiharbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer können unter Umständen Mindestarbeitsbedingungen Anwendung finden. Sowohl für ausländische Verleiher, die Arbeitnehmer in das Inland verleihen, als auch für inländische Verleiher (vgl. § 8 Abs. 3 AEntG) gelten die Bestimmungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG).21 Danach können Normen eines Tarifvertrags auf in dessen Geltungsbereich tätige Arbeitnehmer (auch aus dem Ausland entsandte) entweder kraft Allgemeinverbindlicherklärung (nach § 5 TVG) oder aufgrund einer Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (§ 7 AEntG) erstreckt werden.22 Dies betrifft im wesentlichen die Regelung des Mindestentgelts einschließlich der Überstundenvergütung, die Dauer des Erholungsurlaubs, die Höhe von Urlaubsentgelt und -geld (§ 3 Satz 1, § 5 Nr. 1 und 2 AEntG)23 sowie das Urlaubs- oder Lohnausgleichskassenverfahren (§ 5 Nr. 3 AEntG). Dies gilt aber nur für Tarifverträge der in § 4 AEntG genannten Branchen.24 Wird ein Leiharbeitnehmer vom Entleiher mit Tätigkeiten beschäftigt, die in den Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags fallen, hat der Verleiher zumindest die in diesem Tarifvertrag vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren (§ 8 Abs. 3 AEntG). Der Anspruch der Leiharbeitnehmer besteht nach Ansicht des BAG aber nur, wenn zugleich auch der Entleiherbetrieb in den Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrages fällt, dh. wenn er nach seinem Tätigkeitsschwerpunkt einer der in § 4 AEntG genannten Branchen angehört.25 Der Verleiher hat die Einhaltung der tariflich geregelten Mindestlöhne zu beachten. Dies kann in der Praxis uU Schwierigkeiten bereiten. Setzt sich der Arbeitslohn zB aus Zulagen und sonstigen Leistungen zusammen, kann der Mindestlohn trotz Unterschreitung des Stundenlohns beachtet sein.26 Gemäß § 14 AEntG haftet ein (General-)Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werkoder Dienstleistungen beauftragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von diesem beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an einen Arbeitnehmer wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vo-

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BT-Drucks. 17/4804, S. 8; Thüsing/Thieken, DB 2012, 347, 349. Hamann, RdA 2011, 321, 323. Schwab, NZA-RR 2010, 225, 228. Eine Übersicht über die aktuellen Mindestlöhne nach dem AEntG ist unter www.bmas.de unter der Rubrik Themen/Arbeitsrecht/Mindestlohngesetze abrufbar. Vgl. BAG v. 14.8.2007, NZA 2008, 236, wonach unter § 5 Nr. 2 AEntG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AEntG aF) nach erweiternder Auslegung auch der Urlaubsabgeltungsanspruch sowie der Entschädigungsanspruch für einen verfallenen Urlaubsanspruch bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch fallen. Derzeit Bauhaupt- und Baunebengewerbe, Gebäudereinigung, Briefdienstleistungen, Sicherheitsdienstleistungen, Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken, Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft, Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst, Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach SGB II, III, Pflegebranche (Stand: Juli 2013). BAG v. 21.10.2009, NZA 2010, 237. BAG v. 18.4.2012, BB 2012, 1152; Thüsing/Bayreuther, § 8 AEntG Rz. 7 ff.; dazu sind weiterführende Hinweise des Zolls als zuständige Kontrollbehörde unter http://www.zoll.de/DE/ Unternehmen/Arbeit/Arbeitgeber-mit-Sitz-in-Deutschland/Mindestarbeitsbedingungen/mind estarbeitsbedingungen_node.html abrufbar.

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rausklage verzichtet hat.27 Zudem obliegen dem Entleiher bestimmte Meldepflichten nach § 18 Abs. 3, 4 AEntG für den Fall, dass ihm Leiharbeitnehmer eines im Ausland ansässigen Verleihers überlassen werden.28 4a

Verleiher sollten zudem die Einhaltung der Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG beachten. Die Tarifparteien der Zeitarbeitsbranche können danach in einem Tarifvertrag Mindestentgelte festlegen, die durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales als verbindliche Lohnuntergrenze festgesetzt werden. Die Erste Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung vom 21.12.2011 (im Folgenden: VO) ist zum 1.1.201229 in Kraft getreten. Sie findet auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Verleiher und seinen im Inland beschäftigten Leiharbeitnehmern Anwendung (§ 1 der VO). Die Mindestentgelte betragen bis zum 31.10.2013 in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Euro 7,50 und in den übrigen Bundesländern Euro 8,19. Ist eine Lohnuntergrenze durch Rechtsverordnung festgelegt, kann der Verleiher nicht zu Lasten der Leiharbeitnehmer davon abweichen. Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer mindestens das in der Rechtsverordnung für die Zeit der Überlassung und der verleihfreien Zeiten festgesetzte Mindeststundenentgelt zu zahlen (§ 10 Abs. 5 AÜG). Das gilt auch bei Anwendung eines anderen Leiharbeitstarifvertrages nach § 9 Nr. 2 AÜG.30 Wendet der Verleiher dagegen einen vom Gleichstellungsgrundsatz abweichenden Tarifvertrag an, der die Lohnuntergrenze unterschreitet, hat er dem Leiharbeitnehmer das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren (§ 10 Abs. 4 Satz 3 AÜG). Damit findet im Falle des Verstoßes gegen die Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG nicht die Lohnuntergrenze, sondern der Gleichstellungsgrundsatz (Equal Pay/Equal Treatment) in Bezug auf die Entgelthöhe Anwendung. Etwas anderes soll wohl nur gelten, wenn der für vergleichbare Arbeitnehmer gezahlte Lohn im Einsatzunternehmen unterhalb der Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG liegt.31 Ein Verstoß des Verleihers kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu Euro 500 000 geahndet werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 7a, b AÜG). Eine Zahlungsverpflichtung des Entleihers besteht hingegen nicht. Allerdings haftet der Entleiher für Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuerzahlungen (§ 28e Abs. 2 SGB IV, § 42d Abs. 6 EStG).32 Dies gilt nicht bei einem legalen grenzüberschreitenden Verleih, da die Bürgenhaftung nur gegenüber den inländischen Trägern der Sozialversicherung besteht.33 In diesem Fall sind aber die Melde27 Der Bürge haftet dabei gemäß § 14 Satz 2 AEntG nur auf das Nettoentgelt; Arbeitgeber und Bürge sind nicht Gesamtschuldner; ein Zahlungsantrag muss daher auf eine Verurteilung „wie“ Gesamtschuldner lauten. Dazu auch Legerlotz, ArbRB 2011, 29; zum Mindestentgeltbegriff iSd. § 14 AEntG (§ 1a AEntG aF) vgl. Deckers, NZA 2008, 321, 322. 28 Weitere Informationen dazu sind bei der für die Kontrolle zuständigen Zollbehörde unter http://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Meldung-der-entsan dten-Arbeitnehmer/meldung-der-entsandten-arbeitnehmer_node.html abrufbar. 29 Die Verordnung ist unter http://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze/vo-lohnuntergrenze-au eg.html abrufbar; sie tritt am 31.10.2013 außer Kraft, es ist jedoch mit einer Verlängerung bzw. Nachfolgeverordnungen zu rechnen. 30 Dazu auch Einf. Rz. 11. 31 Huke/Neufeld/Luickhardt, BB 2012, 961, 962. 32 Hamann, RdA 2011, 321, 330. 33 Das Leiharbeitsverhältnis untersteht dem Sozialversicherungsrecht des Entsendestaats; Schüren/Hamann/Riederer von Paar, Einl. AÜG Rz. 718; Hamann, RdA 2011, 321, 331.

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pflichten nach § 17b AÜG durch den Entleiher zu beachten.34 Zu beachten sind zudem die Dokumentationspflichten von Ver- und Entleiher nach § 17c AÜG. Bei einer längeren ununterbrochenen Einsatzdauer in demselben Entleiherbetrieb sehen einige Tarifverträge die Zahlung von Branchenzuschlägen35 an die Leiharbeitnehmer vor; kurze Unterbrechungen des Einsatzes schaden nicht. Dadurch sollen die Entgelte der Leiharbeitnehmer an diejenigen vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers angeglichen und dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung getragen werden. Derartige Regelungen bestehen derzeit für den Bereich der Metall- und Elektroindustrie36, der chemischen Industrie37, die Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie38, den Schienenverkehrsbereich39, die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie40 sowie die Textil- und Bekleidungsindustrie41. Die Tarifverträge über Branchenzuschläge richten sich an die Verleiher als Arbeitgeber, denen daher die Kontrolle obliegt, welcher Branche der Einsatzbetrieb angehört. Da die Branchenzuschlagstarifverträge hierzu umfassende und teilweise diffizile Regelungen enthalten, ist der Verleiher auf Informationen des Entleihers angewiesen.42 Auf Arbeitnehmerseite gelten die Tarifverträge grds. für die Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaften. Da die Branchenzuschlagstarifverträge über eine Verweisung Teil der iGZ-/BZA-Entgelttarifverträge für die Zeitarbeit sind, dürften die Branchenzuschlagstarifverträge auch überwiegend von den arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln auf die iGZ-/BZA-Entgelttarifverträge erfasst sein.43 Die Zuschläge erhöhen sich mit zunehmender Einsatzdauer im Betrieb des Entleihers.

4b

5. In Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie wurde zum 1.12.2011 das Kriterium der „vorübergehenden“ Überlassung von Leiharbeitnehmer an den Entleiher neu eingefügt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG). Nachdem die ursprünglich im AÜG enthaltene zeitliche Begrenzung der Arbeitnehmerüberlassung seit 2004 weggefallen war, besteht keine Bindung an Höchstüberlassungsfristen mehr.44 Nunmehr ist jedoch offen, ob die zeitlich unbefristete und damit dauerhafte Überlassung unzulässig sein soll. Die Gesetzesbegründung verweist lediglich darauf, dass die Einfügung des Begriffs „vorübergehend“ der Klarstellung diene, dass das deutsche Modell der Arbeitnehmerüberlas-

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34 Weitere Informationen dazu sind bei der für die Kontrolle zuständigen Zollbehörde unter http://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Meldung-der-entsan dten-Arbeitnehmer/meldung-der-entsandten-arbeitnehmer_node.html abrufbar. 35 Dazu Mehnert/Stubbe/Haber, BB 2013, 1269. 36 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung in der Metall- und Elektroindustrie zwischen BAP und iGZ sowie IG Metall v. 22.5.2012. 37 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Chemischen Industrie zwischen BAP und iGZ sowie IG BCE v. 19.6.2012. 38 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Kunststoffverarbeitenden Industrie zwischen BAP und iGZ sowie IG BCE v. 14.12.2012. 39 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in den Schienenverkehrsbereich zwischen BAP und iGZ sowie EVG. 40 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie zwischen BAP und iGZ sowie IG Metall v. 25.10.2012. 41 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie zwischen BAP und iGZ sowie IG Metall v. 25.10.2012. 42 Eine Auskunft über die Branchezugehörigkeit könnte bereits im Überlassungsvertrag aufgenommen werden. 43 Schumann, AiB 2012, 423, 423; Nießen/Fabritius, BB 2013, 375, 377. 44 BAG v. 25.1.2005, NZA 2005, 1199.

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sung den europarechtlichen Vorgaben entspreche.45 Die Leiharbeitsrichtlinie definiert die Überlassung des Leiharbeitnehmers als nur „vorübergehend“ (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b der RL). Entsprechend verweist der Gesetzgeber darauf, dass das AÜG ein Modell regele, bei dem die Überlassung an den jeweiligen Entleiher im Verhältnis zum Arbeitsvertragsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer vorübergehend ist.46 Insoweit soll nach einer Ansicht dem Begriff „vorübergehend“ keine selbständige Bedeutung zukommen.47 Dem deutschen System ist der vorübergehende Einsatz beim Entleiher vielmehr immanent, da das Arbeitsverhältnis zum Verleiher und nicht zum Entleiher besteht.48 Dafür spricht auch, dass das AÜG für den Fall der dauerhaften oder auch langfristigen Überlassung keine Sanktion vorsieht. Ein fingiertes Arbeitsverhältnis zum Entleiher soll nach wohl überwiegender Auffassung nicht entstehen.49 Diese Auslegung ist im Schrifttum aber umstritten;50 eine höchstrichterliche Entscheidung steht noch aus. 5a

Auf die Auslegung des Begriffs der „vorübergehenden“ Überlassung kommt es auch im Rahmen der Beteiligung des Betriebsrats an der Einstellung des Leiharbeitnehmers nach § 14 Abs. 3 AÜG, § 99 BetrVG an. Einige Instanzgerichte sowie ein Teil des Schrifttums nehmen ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 14 Abs. 3 AÜG, § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG für den Fall an, dass ein Leiharbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt werden soll.51 Dabei steht insbesondere der Gedanke im Vordergrund, dass ein Austausch von Stammpersonal durch Leiharbeitnehmer verhindert werden soll. Der Begriff „vorübergehend“ soll demnach an den Arbeitsplatz beim Entleiher und nicht an den Einsatz des Leiharbeitnehmers anknüpfen, sodass es darauf ankäme, ob der Arbeitsplatz beim Entleiher dauerhaft und nicht nur vorübergehend besteht. Dagegen spricht aber bereits der Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, wonach ausdrücklich „die Überlassung“ vorübergehend erfolgen soll.52 Beabsichtigt der Arbeitgeber, den Leiharbeitnehmer ohne zeitliche Be-

45 BT-Drucks. 17/4804, S. 8; ähnlich formuliert auch die Geschäftsanweisung der BA zum AÜG, Stand 12/2011, Ziff. 1.1.3 (3), Seite 9. 46 BT-Drucks. 17/4804, S. 8. 47 Huke/Neufeld/Luickhardt, BB 2012, 961, 964; Lembke, DB 2011, 414, 415; aA mit guten Argumenten Hamann, RdA 2011, 321, 324. 48 Huke/Neufeld/Luickhardt, BB 2012, 961, 964. 49 LAG Berlin-Brandenburg v. 16.10.2012, BB 2013, 251, n. rkr. (Revision eingelegt unter 10 AZR 111/13); Giesen, FA 2012, 66, 68; Huke/Neufeld/Luickhardt, BB 2012, 961, 964; Krannich/Simon, BB 2012, 1414, 1418; Ludwig, BB 2013, 1276, 1278; aA LAG Berlin-Brandenburg v. 9.1.2013, BB 2013, 180, n. rkr. (Revision eingelegt unter 9 AZR 268/13). 50 Hamann, RdA 2011, 321; ausführlich auch Bartl/Romanowski, NZA Online Aufsatz 3/2012; Giesen, FA 2012, 66; Thüsing/Stiebert, DB 2012, 632. 51 LAG Niedersachsen v. 19.9.2012, DB 2012, 2468, n. rkr. (Rechtsbeschwerde eingelegt unter 7 ABR 79/12); LAG Berlin-Brandenburg v. 19.12.2012, Pressemitteilung, n. rkr. (Rechtsbeschwerde eingelegt unter 7 ABR 8/13); Fitting, § 99 BetrVG Rz. 192a; Hamann, RdA 2011, 321, 327; Bartl/Romanowski, NZA Online Aufsatz 3/2012, 1, 6; aA LAG Düsseldorf v. 2.10.2012, n. rkr. (Rechtsbeschwerde eingelegt unter 7 ABR 83/12); Giesen, FA 2012, 66, 69; Gussen, FA 2013, 134; Seel, MDR 2012, 813, 815; Seel, FA 2013, 132; Teusch/Verstege, NZA 2012, 1326. 52 So auch LAG Niedersachsen v. 14.11.2012, n. rkr. (Rechtsbeschwerde eingelegt unter 7 ABR 103/12);Seel, FA 2012, 360, 361. Zur Frage, ob der Betriebsrat seine Zustimmung befristet erteilen kann, Trebeck, ArbR 2012, 343.

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Kap. 10

grenzung statt einer Stammkraft einzusetzen, so kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers verweigern.53 Im Bereich der Metall- und Elektroindustrie ist nach dem Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit54 ein nur „vorübergehender“ Einsatz der Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb zulässig; konkrete Beispiele eines solchen vorübergehenden Einsatzes werden einzeln genannt. Aufgrund der unverbindlichen Formulierung kann der Betriebsrat den Widerspruch gegen die Einstellung des Leiharbeitnehmers nach § 14 Abs. 3 AÜG, § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG aber wohl nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen den Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit stützen.55

5b

6. Ausnahmen von der Arbeitnehmerüberlassung regelt § 1 Abs. 3 AÜG. Insbesondere zu nennen sind die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG und die Überlassung zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und § 1a AÜG. Weitgehend keine Anwendung findet das AÜG auch bei der nur gelegentlichen Überlassung von Arbeitnehmern, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird (§ 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG). Nach seinem Zweck als Ausnahmevorschrift ist der Begriff „gelegentlich“ allerdings eng auszulegen.56

6

Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG finden die Regelungen des AÜG weitgehend57 keine Anwendung auf Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen iSd. § 18 AktG, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird (Konzernprivileg).58 Damit sind konzerninterne reine Personalführungsgesellschaften nicht vom Konzernprivileg erfasst.59 Sie sind zudem wirtschaftlich tätig iSd. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG und benötigen daher auch dann eine Verleiherlaubnis, wenn der Verleih zum Selbstkostenpreis60 erfolgt.61 Noch nicht abschließend geklärt ist, ob das Konzernprivileg vorliegt, wenn der Arbeitnehmer nicht

6a

53 BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 91/11, Pressemitteilung 46/13 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2013, 357; eine genaue Abgrenzung des Begriffs „vorübergehend“ war in diesem Verfahren allerdings nicht erforderlich und wurde daher auch nicht vorgenommen. 54 Vgl. ausführlich Einf. Rz. 17. 55 Bayreuther, NZA Beilage 4/2012, 115, 119; aA Krause, NZA 2012, 830, 832. 56 BT-Drucks. 17/4804, S. 8. 57 Weiterhin anwendbar sind § 1b Satz 1, § 16 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 2-5, § 17, § 18 AÜG. 58 Das Konzernprivileg ist 2011 umfassend reformiert worden, sodass die zuvor ergangene Rechtsprechung nur bedingt übertragbar ist. 59 Zu beachten ist die Entscheidung des EuGH v. 21.10.2010, NZA 2010, 1225: Eine niederländische, konzerninterne Personalführungsgesellschaft stellte zentral Arbeitnehmer ein und verlieh sie ausschließlich an die ansonsten arbeitnehmerlosen Konzerngesellschaften. Die Arbeitsverhältnisse der Leiharbeitnehmer gingen nach Ansicht des EuGH in diesem Fall auf den Erwerber des Entleiherbetriebs im Rahmen eines Betriebsübergangs über. Die Auswirkungen dieser Rechtsprechung auf Leiharbeitsverhältnisse außerhalb dieser besonderen Konstellation von arbeitnehmerlosen Konzerngesellschaften sind derzeit offen. Es ist aber zu bezweifeln, dass die Entscheidung zu einem allgemeinen Grundsatz führen wird, dass Leiharbeitnehmer am Betriebsübergang des Entleiherbetriebs teilnehmen. Dazu ausführlich u.a. Abele, FA 2011, 7; Bauer/von Medem, NZA 2011, 20; Forst, RdA 2011, 228; Gaul/Ludwig, DB 2011, 298; Kühn, NJW 2011, 1408; Willemsen, NJW 2011, 1546. 60 Das BAG hatte bereits zur alten Rechtslage entschieden, dass es nicht darauf ankomme, bei welchen Konzernunternehmen der Gewinn anfallen solle (BAG v. 9.2.2011, NZA 2011, 791). 61 BT-Drucks. 17/4804, S. 8; Lembke, BB 2012, 2497, 2499; Thüsing/Thieken, DB 2012, 347, 350; aA Rieble/Vielmeier, EuZA 2011, 474, 480.

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ausschließlich für den Verleih an andere Konzernunternehmen eingestellt und beschäftigt, sondern auch beim Arbeitgeber selbst tätig wird.62 Ebenfalls ungeklärt ist, ob das Konzernprivileg gegen Europarecht verstößt, da die dem AÜG zugrunde liegende Richtlinie keine entsprechende Ausnahme von ihrem Anwendungsbereich vorsieht.63 Die Gegenmeinung verweist zu Recht darauf, dass die Leiharbeitsrichtlinie Arbeitnehmer, die nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt werden, nicht erfasst und diese daher aus deren Anwendungsbereich herausgenommen werden können.64 Insgesamt sind die Voraussetzungen des Konzernprivilegs aber sehr eng, sodass die Privilegierung wohl schon dann nicht eingreift, wenn der Arbeitsvertrag eine Konzernversetzungsklausel enthält.65 7

7. Hat der Verleiher nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, so entsteht kraft gesetzlicher Fiktion des § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt. Die Fiktion gilt mit allen Konsequenzen und erzeugt beispielsweise auch Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung beim Entleiher.66 Dem Arbeitnehmer soll aber nach verfassungskonformer Auslegung des § 10 Abs. 1 AÜG ein Widerspruchsrecht gegen die zwingende Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher zustehen.67 Ob das Recht, sich auf die Fiktion zu berufen, verwirkt werden kann, hat das BAG noch nicht abschließend geklärt.68 Außerdem besteht nach § 10 Abs. 2 AÜG ein Schadensersatzanspruch des Leiharbeitnehmers gegen den Verleiher auf Ersatz des Schadens, den dieser dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut, es sei denn, ihm war der Grund der Unwirksamkeit bekannt.69 Zudem ist im Falle der Arbeitnehmerüberlassung ohne Überlassungserlaubnis nach § 9 Nr. 1 AÜG der Leiharbeitsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher unwirksam. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 1a AÜG begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer vorsätzlich oder fahrlässig einen Leiharbeitnehmer ohne die erforderliche Erlaubnis überlässt oder beschäftigt, was nach § 16 Abs. 2 AÜG mit einem Bußgeld bis zu Euro 30 000 geahndet werden kann. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, beim Entleiher den durch die illegale Beschäftigung von Leiharbeitnehmern entstandenen wirtschaftlichen Vorteil nach § 17 Abs. 4 OWiG abzuschöpfen, wobei auch ein angedrohtes Höchstmaß des Bußgeldes überschritten werden kann.70 62 63 64 65 66

67 68 69 70

Lembke, BB 2012, 2497, 2499. Dafür Hamann, ZESAR 2012, 103, 109; Lembke, BB 2012, 2497, 2499. BT-Drucks. 17/4804, S. 8; Sandmann/Marschall, § 1AÜG Rz. 81a. Sandmann/Marschall, § 1 AÜG Rz. 81a. BAG v. 18.2.2003, DB 2003, 2181. Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist, ist er neben dem Entleiher auch zur Zahlung der hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge verpflichtet. Hinsichtlich dieser Zahlungspflicht gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber, sodass beide als Gesamtschuldner haften (§ 28e Abs. 2 SGB IV). LAG Hessen v. 6.3.2001, DB 2001, 2104; ablehnend Schüren/Hamann/Schüren, § 10 AÜG Rz. 41. Vgl. BAG v. 10.10.2007, AP Nr. 19 zu § 10 AÜG. Regelmäßig liegt in der Praxis, wenn der Verleiher das geschuldete Arbeitsentgelt zahlt, allerdings kein Schaden des Leiharbeitnehmers vor, vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 10 AÜG Rz. 145. Zu den Risiken einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung Deich, AuA 2009, 412, 415; Timmermann, BB 2012, 1729.

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Praxistipp: Daher sollten Unternehmer, die Dienst- oder Werkleistungen für Dritte anbieten und deren Beschäftigte über einen längeren Zeitraum in einem Fremdunternehmen tätig sind, zur Sicherheit vorsorglich eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung beantragen.

8

8. Befristete Arbeitsverträge mit Leiharbeitnehmern unterliegen den §§ 14 ff. TzBfG.71 Eine Synchronisation von Leiharbeitsverhältnis und Verleihzeiten kann nicht im Wege der Befristung eingeführt werden.72 Wird das Leiharbeitsverhältnis auf die Dauer der Überlassung an einen Entleiher befristet, dürfte im Übrigen keine „vorübergehende“ Überlassung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vorliegen.73 Auch ist zu beachten, dass der Sachgrund für die Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG im Verhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer vorliegen muss und gerade nicht an die Situation beim Entleiher oder die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Verleiher und Entleiher anknüpft.74 Dies gilt insbesondere für § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG (Befristung bei vorübergehendem Bedarf), welcher beim Verleiher vorliegen muss. Dazu genügt es nach überwiegender Auffassung nicht, dass die Überlassung an den Entleiher seiner Natur nach nur vorübergehend ist.75 Es gehöre gerade zur unternehmerischen Tätigkeit des Verleihers, ständig neue Einsatzmöglichkeiten für den Leiharbeitnehmer zu akquirieren.76 Dieses unternehmerische Risiko könne der Verleiher – auch nach Wegfall des Synchronisationsverbots – nicht auf den Leiharbeitnehmer übertragen.77 Der Sachgrund könnte uU gegeben sein, wenn die Nachfrage dieser Tätigkeit durch die Entleiher am gesamten Markt vorübergehend ist (zB Saisonkräfte) oder der Verleiher begründete Anhaltspunkte hat, dass der Leiharbeitnehmer aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten oder Anforderungen nicht über den konkreten Verleih hinaus einsetzbar sein wird.78

9

Dagegen ist eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG zu Beginn des Leiharbeitsverhältnisses mit dem Verleiher zulässig, sofern nicht innerhalb der letzten drei Jahre bereits ein Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher bestanden hatte.79 Ein vorheriges Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher schadet hingegen nicht; insbesondere liegt keine missbräuchliche Befristung vor, wenn ein Leiharbeitnehmer an seinen bisherigen Arbeitgeber entliehen wird.80 Sachgrundlos kann das Leiharbeitsverhältnis nur bis zur Dauer von zwei Jahren befristet werden.81 71 Sandmann/Marschall, § 9AÜG Rz. 3a; Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 540; vgl. hierzu Einf. Kap. 6 Rz. 1 ff. 72 Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 540; Sandmann/Marschall, § 9 AÜG Rz. 3a. 73 Sandmann/Marschall, § 9 AÜG Rz. 3a. 74 Düwell/Dahl, NZA 2007, 889, 891; Schüren/Hamann/Schüren, § 3 AÜG Rz. 90; Werthebach, NZA 2005, 1044, 1045; aA Frik, NZA 2005, 386. 75 Düwell/Dahl, NZA 2007, 889, 891; Schüren/Hamann/Schüren, § 3 AÜG Rz. 99. 76 Bayreuther, RdA 2007, 176, 180; Düwell/Dahl, NZA 2007, 889, 891. 77 Bayreuther, RdA 2007, 176, 180; Düwell/Dahl, NZA 2007, 889, 890. 78 Düwell/Dahl, NZA 2007, 889, 890; Schüren/Hamann/Schüren, § 3 AÜG Rz. 100. 79 BAG v. 6.4.2011, NZA 2011, 905. 80 BAG v. 18.10.2006, BB 2007, 943; v. 9.3.2011, NZA 2011, 285; bei Hinzutreten weiterer Umstände kann sich jedoch eine andere Wertung ergeben; zu beachten ist aber die sog. Drehtürklausel nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4, 9 Nr. 2 AÜG (dazu Einf. Rz. 11a). 81 Davon kann grundsätzlich durch Tarifvertrag abgewichen werden (§ 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG), vgl. zB die Manteltarifverträge des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister (BAP) für die Leiharbeit. Ob die tariflichen Befristungsregelungen vorliegend Anwendung finden, wenn die Voraussetzungen der „Drehtürklausel“ nach § 9 Nr. 2 letzter Halbs. AÜG vorliegen, ist offen.

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9. Im Grundsatz hat der Gesetzgeber die Gleichbehandlung (Equal Pay/Equal Treatment) von Leiharbeitnehmern mit vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers während der Überlassung normiert, §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG.82 Diese Gleichbehandlung gilt grundsätzlich ab dem ersten Tag der Beschäftigung; nicht jedoch während verleihfreier Zeiten (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2 AÜG).83

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Durch Tarifvertrag oder arbeitsvertraglich vereinbarte Anwendung eines solchen Tarifvertrages (Bezugnahmeklausel) kann zu Ungunsten eines Leiharbeitnehmers vom Gleichbehandlungsgrundsatz abgewichen werden (§§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG).84 Dies ist allerdings nur dann wirksam möglich, wenn der fachlich, räumlich und zeitlich einschlägige Tarifvertrag in Bezug genommen wird.85 Damit können die Parteien insbesondere keinen fremden Haustarifvertrag oder firmenbezogenen Verbandstarifvertrag in Bezug nehmen. Problematisch ist dies insbesondere für Mischbetriebe, die nicht hauptsächlich Arbeitnehmerüberlassung betreiben.86 Sie können nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit regelmäßig nicht auf einen Tarifvertrag in der Zeitarbeitsbranche Bezug nehmen, wenn sie nicht unter dessen fachlichen Geltungsbereich fallen.87 Allerdings kann wohl für solche Mitarbeiter eines Mischbetriebs, die ausschließlich als Leiharbeitnehmer eingesetzt werden, die Anwendung eines Zeitarbeitstarifvertrages vereinbart werden.88 Hier ist jedoch der Geltungsbereich des Tarifvertrags genau zu prüfen oder ein Haustarifvertrag zu schließen. Auch muss der Tarifvertrag umfänglich einbezogen werden; eine selektive Auswahl von tariflichen Regelungen kann den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht abbedingen.89 Ist ein solcher Tarifvertrag unwirksam, so wird der Gleichbehandlungsgrundsatz wieder in Kraft gesetzt.90 82 Diese Vorschriften sind verfassungsgemäß, BVerfG v. 29.12.2004, NZA 2005, 153; vgl. dazu Bayreuther, NZA 2005, 341; Reim, AiB 2005, 203; Lembke, BB 2005, 499. 83 Für verleihfreie Zeiten darf der Verleiher als Vertragsarbeitgeber daher den Lohn mit dem Arbeitnehmer frei vereinbaren, wenn kein Tarifvertrag gilt. Untergrenze ist nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG der § 615 Satz 1 BGB, wonach der Verleiher das Beschäftigungsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen darf, ErfK/Wank, § 11 AÜG Rz. 16 f. Daher muss der Arbeitnehmer auch Vergütung erhalten, wenn er nicht verliehen ist. Allerdings darf die vereinbarte Vergütung – auch sofern sie durch Tarifvertrag festgelegt wird – nicht die nach § 3a AÜG festgesetzte Lohnuntergrenze unterschreiten (vgl. dazu ausführlich Einf. Rz. 4a). 84 Eine solche Abweichung ist bei Altverträgen (Verträge vor Einführung des Gleichbehandlungsgrundsatzes mit Wirkung zum 1.1.2004) nur möglich, wenn der Leiharbeitnehmer einer vertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag zustimmt. Eine Änderungskündigung zur Herabsetzung des Entgelts auf Tarifvertragsniveau kann nicht durch die bloße Einführung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gerechtfertigt werden (BAG v. 15.1.2009, DB 2009, 1299; v. 12.1.2006, NZA 2006, 587; krit. Röder/Krieger, DB 2006, 2122; vgl. auch Böhm/Röder/Krieger, DB 2007, 168). Vergleichsmaßstab für die Prüfung der Sittenwidrigkeit der Entlohnung ist nicht der Tariflohn beim Entleiher, sondern derjenige der Zeitarbeitsbranche, BAG v. 24.3.2004, NZA 2004, 971. 85 Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 151; zur Frage, ob auch nachwirkende Tarifverträge vom Gleichbehandlungsgrundsatz befreien können, Bayreuther, BB 2010, 309. 86 Siehe dazu auch Lembke/Distler, NZA 2006, 952 sowie Geschäftsanweisung der BA zum AÜG, Stand 12/2011, Ziff. 3.1.8 Nr. 5, S. 53. 87 Geschäftsanweisung der BA zum AÜG, Stand 12/2011, Ziff. 3.1.8 Nr. 5, S. 53; aA Bissels/ Khalil, BB 2013, 315. 88 Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 153. 89 Sandmann/Marschall, § 3 AÜG Rz. 21u. 90 Diese Problematik beschäftigt derzeit Praxis und Rechtsprechung gleichermaßen, nachdem das BAG die Tarifunfähigkeit der CGZP (Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für

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Durch Tarifvertrag kann vom Gleichbehandlungsgrundsatz dann nicht abgewichen werden, wenn der Leiharbeitnehmer in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis mit diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern (§ 18 AktG) bildet, ausgeschieden ist (sog. Drehtürklausel, §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4, 9 Nr. 2 AÜG).91 Dadurch soll verhindert werden, dass Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheiden und anschließend über eine Zeitarbeitsfirma oder eine konzerneigene Personalgestellungsgesellschaft zu den Arbeitsbedingungen der Zeitarbeit wieder auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt werden.92 Leiharbeitnehmer, die vor der Überlassung in einem Ausbildungsverhältnis zum Einsatzunternehmen gestanden haben, sind nicht erfasst.93 Die Drehtürklausel findet keine Anwendung für Leiharbeitsverhältnisse, die vor dem 15. Dezember 2010 begründet wurden (§ 19 AÜG).94 Allerdings enthalten auch die Tarifverträge BZA/iGZ und DGB vergleichbare Regelungen und beschränken damit ihren Anwendungsbereich. Infolgedessen kann in diesen Fällen der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht wirksam durch Anwendung dieser Tarifverträge abbedungen werden. Das als Folge der Drehtürklausel geltende Gleichbehandlungsgebot ist zeitlich nicht auf sechs Monate beschränkt.95

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Auch die Einführung der Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG96 mit Wirkung zum 1. Januar 2012 begrenzt den Gleichbehandlungsgrundsatz. Zum Einen findet er keine Anwendung, wenn die Stundensätze vergleichbarer Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb

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Zeitarbeit und Personalserviceagenturen) festgestellt hat (BAG v. 14.12.2010, NZA 2011, 289; vgl. auch BAG v. 22.5.2012, BB 2012, 1471; v. 23.5.2012, NZA 2012, 623 und NZA 2012, 625). Dies führt zur Unwirksamkeit der abgeschlossenen Tarifverträge und hat für die betroffenen Unternehmen zur Folge, dass Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen sind und der betroffene Entleiher hierfür nach § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV wie ein selbstschuldnerischer Bürge neben dem Verleiher haftet; dazu u.a. Lembke, NZA-Beilage 2012, 66; Plagemann/Brand, NJW 2011, 1488; Schlegel, NZA 2011, 380; Zeppenfeld/Faust, NJW 2011, 1643. Im Einzelnen gibt es zu den Folgen des CGZP-Beschlusses noch einige offene Fragen, wobei neben Gleichbehandlungsansprüchen der Leiharbeitnehmer insbesondere Beitragsnachforderungen der Sozialversicherungsträger im Fokus stehen, dazu u.a. BAG v. 13.3.2013, NZA 2013, 680; Bayreuther, DB 2011, 2267; Bissels/Raus, BB 2013, 885; Rieble, BB 2012, 2945; Stoffels, NZA 2011, 1057, 2010 schloss der Arbeitgeberverband AMP Tarifverträge, die neben der CGZP auch von mehreren christlichen Einzelgewerkschaften unterzeichnet wurden, deren Tariffähigkeit offen ist (nach nicht rechtskräftiger Entscheidung ist die christliche Gewerkschaft Medsonet nicht tariffähig (LAG Hamburg v. 21.3.2012, bestätigt durch BAG v. 11.6.2013 – 1 ABR 33/12). Für Verleiher ist es daher in Zukunft wichtig, Auskunft über die vorherigen Arbeitgeber seiner Leiharbeitnehmer und deren konzernrechtliche Einbindung zu haben. Teilweise wird empfohlen, das ursprüngliche Arbeitsverhältnis lediglich ruhend zu stellen, sodass der Leiharbeitnehmer nicht aus dem Arbeitsverhältnis „ausgeschieden“ ist (Lembke, DB 2011, 414, 419). Dies ist nach dem Wortlaut der Drehtürklausel zwar zulässig, könnte aber als Umgehung der zwingenden gesetzlichen Regelung der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4, 9 Nr. 2 AÜG unwirksam sein (Hamann, RdA 2011, 321, 328). BT-Drucks. 17/3807, S. 34; Huke/Neufeld/Luickhardt, BB 2012, 961, 963; Thüsing/Pelzner/ Kock, § 3 AÜG Rz. 118. Die Übergangsregelung ist praktisch relevant für Leiharbeitnehmer, die bis zum 14. Dezember 2010 eingestellt und bis zum 15. Mai 2011 an einen solchen Entleiher überlassen waren und diesem auch weiter überlassen werden sollen (Sandmann/Marschall, § 19 AÜG Rz. 4). Sandmann/Marschall, § 19 AÜG Rz. 4. Unklar ist, ob damit eine dauerhafte Gleichbehandlung des Leiharbeitnehmers entstehen kann. Dazu ausführlich Einf. Rz. 4a.

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unter den nach § 3a AÜG festgesetzten liegen (§ 10 Abs. 5 AÜG). Zum Anderen kann durch Tarifvertrag nur insoweit vom Gleichbehandlungsgrundsatz abgewichen werden, wie die geregelten Stundensätzen nicht die Lohnuntergrenze unterschreiten (§§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG). 12

Bei Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes richten sich die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers nach denen vergleichbarer Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers. Problematisch ist daher die Frage, wann Arbeitnehmer vergleichbar sind. Leiharbeitnehmer sind zunächst mit solchen Arbeitnehmern des Entleihers vergleichbar, die dieselbe oder zumindest ähnliche Tätigkeiten ausführen.97 Zudem kommt es auf persönliche Merkmale wie Berufserfahrung, Qualifikation, Kompetenz, Arbeitsort sowie Lage und Dauer der Arbeitszeit an, wenn daran die Gewährung bestimmter Arbeitsbedingungen geknüpft ist.98 Unklar ist, ob teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer mit unterschiedlicher Lage der Arbeitszeit (Tag- und Nachtschicht) vergleichbar sind.99 Fehlt es an einem vergleichbaren Arbeitnehmer beim Entleiher, ist nach wohl überwiegender Auffassung auf einen hypothetischen Vergleichsarbeitnehmer abzustellen.100 Fehlt dieser, ist auf die üblichen Arbeitsbedingungen vergleichbarer Arbeitnehmer vergleichbarer Betriebe abzustellen und/oder ein Tarifvertrag heranzuziehen101; teilweise wird vertreten, die Regelung sei schlicht unanwendbar.102 Ungeregelt ist auch der Fall mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Vertragsbedingungen: Nach einer Ansicht sollen die Arbeitsbedingungen gelten, die auch ein neu eintretender Stammarbeitnehmer beim Entleiher erhalten würde.103 Ansonsten könnte sich an dem ungünstigsten Vertrag orientiert werden, da anderenfalls der Leiharbeitnehmer besser gestellt wäre als einige Arbeitnehmer im Entleihbetrieb.104

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Die Gleichbehandlung erstreckt sich auf alle wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts. Die Leiharbeitsrichtlinie nennt als wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen die Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub, arbeitsfreie Tage und Arbeitsentgelt (Art. 3 Abs. 1 lit. f). Die Aufzählung ist abschließend und auch für das AÜG maßgebend; eine Erweiterung zugunsten der Leiharbeitnehmer hat der deutsche Gesetzgeber nicht vorgenommen.105 Arbeitsentgelt ist im weiteren Sinn zu verstehen, umfasst also nicht nur das laufende Entgelt, sondern auch Zuschläge, Ansprüche auf Entgeltfort97 BT-Drucks. 15/25, S. 38; Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 104. 98 Thüsing/Pelzner/Kock, § 3 AÜG Rz. 80; Thüsing/Stiebert, ZESAR 2012, 199, 202; aA Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 105. 99 Dagegen Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 538; dafür mit Hinweis auf § 4 Abs. 1 TzBfG Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 107; in diese Richtung auch Thüsing/Mengel, § 9 AÜG Rz. 24, mit der Einschränkung, dass der Vergleich die Regelungen zum Arbeitsumfang ausklammern müsse. 100 Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 110; ErfK/Wank, § 3 AÜG Rz. 16; Sandmann/Marschall, § 3 AÜG Rz. 21e; Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 124; Thüsing/Mengel, § 9 AÜG Rz. 24; Thüsing/Stiebert, ZESAR 2012, 199, 202 ff.; Geschäftsanweisung der BA zum AÜG, Stand 12/2011, Ziff. 3.1.5. (6), S. 50. 101 Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 111; ErfK/Wankl, § 3 AÜG Rz. 16. 102 Thüsing, DB 2003, 446, 447. 103 Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 114; ErfK/Wank, § 3 AÜG Rz. 15; HWK/Kalb, § 3 AÜG Rz. 34; Thüsing/Pelzner/Kock, § 3 AÜG Rz. 79. 104 HWK/Kalb, § 3 AÜG Rz. 34; Thüsing, DB 2003, 446, 448. 105 BAG v. 23.3.2011, NZA 2011, 850.

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zahlung und Sozialleistungen und andere Lohnbestandteile.106 Der Günstigkeitsvergleich ist zwischen den Arbeitsbedingungen des Verleihers mit dem Leiharbeitnehmer auf der einen Seite und den im Entleiherbetrieb für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen auf der anderen Seite durchzuführen.107 Dabei kommt es weder auf einen Gesamtvergleich der beiden Regelungen noch auf einen Einzelvergleich einzelner Arbeitsbedingungen an; vielmehr ist ein Sachgruppenvergleich maßgeblich, bei dem Regelungen zu einer Gruppe zusammengefasst werden, die in einer sachlichen Einheit zueinander stehen.108 Um die Kosten der Leiharbeit soweit zu begrenzen, dass die Leiharbeit für den Entleiher attraktiv bleibt, kommt es maßgeblich auf den Inhalt entsprechender Tarifverträge an und deren Übernahme in die Arbeitsverträge. Der Leiharbeitnehmer hat nach § 13 AÜG einen Auskunftsanspruch gegen den Entleiher auf Mitteilung der wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts für im Entleiherbetrieb tätige vergleichbare Arbeitnehmer. Für die Schlüssigkeit einer Klage auf Gewährung der vergleichbaren Arbeitsbedingungen reicht es aus, wenn der Leiharbeitnehmer den Inhalt der Auskunft mitteilt.109 Wird der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht beachtet, führt dies nicht nur zur Versagung, zur Rücknahme oder zum Widerruf der Verleiherlaubnis, sondern auch zur Unwirksamkeit der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung mit dem Leiharbeitnehmer (§ 9 Nr. 2 AÜG iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG). Da die Unwirksamkeit allein dem Leiharbeitnehmer noch keinen Vorteil bringt, kann er nach § 10 Abs. 4 AÜG statt der unwirksamen Arbeitsbedingungen diejenigen eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers des Entleihers verlangen.110 Dabei hat er nicht die im Entleiherbetrieb geltende Ausschlussfrist zu beachten, da diese keine wesentliche Arbeitsbedingung ist und damit nicht im Rahmen des Gleichbehandlungsanspruchs für den Leiharbeitnehmer Geltung erlangt.111

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Zudem kann bei Verstößen ein Bußgeld bis zu Euro 500 000 verhängt werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 7a, Abs. 2 AÜG). Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 7a AÜG ist sehr weit und erfasst wohl auch die vorsätzliche oder fahrlässige Nichtgewährung der aus einem Tarifvertrag nach § 9 Nr. 2 AÜG (Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundatz) geschuldeten Arbeitsbedingungen.112 10. Nach § 11 Abs. 1 AÜG gelten die Vorschriften des Nachweisgesetzes, ergänzt durch die für das Leiharbeitsverhältnis spezifischen Angaben der Nummern 1 und 2.

106 Nach Art. 3 Abs. 2 der Leiharbeitsrichtlinie richtet sich der Begriff des Arbeitsentgelts nach den nationalen Bestimmungen, sodass die bisherige Auslegung davon unberührt bleibt; Sandmann/Marschall, § 3 AÜG Rz. 21d; Thüsing/Mengel, § 9 AÜG Rz. 31; Ulber, § 9 AÜG Rz. 46 ff.; Röder/Krieger, DB 2006, 2122. 107 Ulber, § 9 AÜG Rz. 55; Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 144; Thüsing/Stiebert, ZESAR 2012, 199, 204; Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 538; aA ErfK/Wank, § 3 AÜG Rz. 19. 108 Thüsing/Stiebert, ZESAR 2012, 199, 204; Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 148; Thüsing/ Pelzner/Kock, § 3 AÜG Rz. 65. 109 BAG v. 23.3.2011, NZA 2011, 850. Bestreitet der Verleiher die maßgeblichen Umstände der Auskunft jedoch substantiiert, muss der Leiharbeitnehmer die Vergleichbarkeit und die wesentlichen Arbeitsbedingungen darlegen und beweisen. 110 Dazu Sandmann/Marschall, § 10 AÜG Rz. 30 ff. 111 BAG v. 23.3.2011, NZA 2011, 850; dazu krit. Anm. Ulber, AP Nr. 23 zu § 10 AÜG. 112 Lembke, BB 2012, 2497, 2498.

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Schwierigkeiten, die Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG zu erfüllen, ergeben sich durch § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG: Soweit kein Tarifvertrag Anwendung findet, hat der Arbeitnehmer während der Zeit der Überlassung Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das im Entleiherbetrieb gezahlt wird.113 Bei jedem Wechsel des Entleihers ändert sich daher das vom Verleiher zu zahlende Mindestentgelt. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ist aber noch nicht absehbar, welche Mindestvergütung der Arbeitnehmer jeweils verlangen kann. Andererseits wird eine allgemeine Angabe, er erhalte das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb geltende Arbeitsentgelt, wohl nicht ausreichen, da sie nur die gesetzliche Vorschrift wiederholt. Richtigerweise muss der Verleiher dem Leiharbeitnehmer daher bei Beginn des Leiharbeitsverhältnisses die bei der ersten Überlassung zu zahlende Vergütung mitteilen. Ist die Erstüberlassung noch nicht absehbar, genügt die Angabe nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 AÜG. Bei jeder Folgeüberlassung gilt § 3 Satz 1 NachwG, wonach das neue Arbeitsentgelt – das dem Entgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers beim neuen Entleiher entspricht – dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach der Änderung schriftlich mitzuteilen ist.114 Zusätzlich ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 AÜG Art und Höhe der Leistung für Zeiten anzugeben, in denen der Leiharbeitnehmer nicht verliehen ist. Regelmäßig genügt hierzu ein Verweis auf den angewandten Tarifvertrag.115

15b

Soweit dagegen ein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, der den Gleichbehandlungsgrundsatz verdrängt, kann ebenfalls auf diesen verwiesen werden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 NachwG).116 Die Tarifverträge der Zeitarbeit enthalten üblicherweise Regelungen für Zeiten der Überlassung und für verleihfreie Zeiten.

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11. Betriebsverfassungsrechtlich bleiben Leiharbeitnehmer auch während ihrer Überlassung dem Betrieb des Verleihers zugeordnet (§ 14 Abs. 1 AÜG). § 14 AÜG regelt darüber hinaus betriebsverfassungsrechtliche Besonderheiten, die sich aus dem Schutzbedürfnis bei Eingliederung der Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers ergeben: Vor Übernahme eines Leiharbeitnehmers ist der Betriebsrat des Entleiherbetriebes nach § 99 BetrVG zu beteiligen, § 14 Abs. 3 AÜG.117 Der Begriff der „Übernahme“ gemäß § 14 Abs. 3 AÜG bezieht sich auf die tatsächliche Arbeitsaufnahme beim Entleiher und nicht auf den Abschluss des Überlassungsvertrages.118 113 AA wohl BAG v. 23.3.2011, NZA 2011, 850, wonach der Verleiher nicht zum Nachweis der beim Entleiher geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen verpflichtet sein soll; ablehnend Ulber, AP Nr. 23 zu § 10 AÜG. 114 Vgl. Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 540; Thüsing/Mengel, § 11 AÜG Rz. 17 f. 115 Sandmann/Marschall, § 11 AÜG Rz. 8; Schüren/Hamann/Schüren, § 11 AÜG Rz. 63; aA Ulber, § 11AÜG Rz. 74. 116 Schüren/Hamann/Schüren, § 11 AÜG Rz. 42; Thüsing/Mengel, § 11 AÜG Rz. 15. 117 Str. ist, ob § 14 Abs. 3 AÜG auch auf die Voraussetzungen des § 99 BetrVG verweist, sodass der Betriebsrat des Entleiherbetriebs zu beteiligen ist, wenn im Entleiherbetrieb in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dafür Schüren/Hamann/Hamann, § 14 AÜG Rz. 146; Thüsing/Thüsing, § 14 AÜG Rz. 147; dagegen ErfK/ Wank, § 14 AÜG Rz. 18; Sandmann/Marschall, § 14 AÜG Rz. 16; Ulber/zu Gohna-Jaeger, § 14 AÜG Rz. 186. 118 BAG v. 9.3.2011, NZA 2011, 871. Dies ist insbesondere von Relevanz für die sog. Arbeitnehmer-Pools, bei denen der Verleiher einen bestimmten Personalpool auf Abruf dem Entleiher bereitstellt. In diesem Fall hat der Betriebsrat erst vor jedem Kurzeinsatz mitzubestimmen und nicht bereits einmalig bei der Aufnahme eines Mitarbeiters in den Pool, vgl. BAG v. 23.1.2008, NZA 2008, 603. Bei fehlender Kooperationsbereitschaft des Be-

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Der Betriebsrat ist dementsprechend u.a. unter Vorlage der Erklärung des Verleihers, über eine Überlassungserlaubnis zu verfügen (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 2 AÜG), sowie des Namen des zu überlassenden Leiharbeitnehmers zu unterrichten.119 Das Zustimmungsverweigerungsrecht besteht nur hinsichtlich der Einstellung an sich. Dem Betriebsrat kann ein Zustimmungsverweigerungsrecht u.a. zukommen bei fehlender Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, bei Verstoß gegen die Prüf- und Meldepflichten nach § 81 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB IX120, jedoch nicht bei einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot121.122 Der Betriebsrat des Entleiherbetriebs kann ebenfalls das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG für die im Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer ausüben.123 Maßgeblich dafür, ob der Betriebsrat des Verleiherbetriebes oder derjenige des Entleiherbetriebes mitzubestimmen hat, ist, ob der Verleiher oder der Entleiher die mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft.124 Leiharbeitnehmer, die voraussichtlich länger als drei Monate beim Entleiher eingesetzt werden125, sind nach § 7 Satz 2 BetrVG aktiv wahlberechtigt bei der Betriebsratswahl im Entleiherbetrieb, ebenso wie bei Aufsichtsratswahlen im mitbestimmten Entleiherunternehmen, § 10 Abs. 2 Satz 2 MitBestG bzw. § 5 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG. Ein passives Wahlrecht besteht für Leiharbeitnehmer bei Betriebsratswahlen im Entleiherbetrieb allerdings nicht (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG).126 Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat das BAG nun entschieden, dass Leiharbeitnehmer zur Ermittlung der Schwellenwerte für die Größe des Betriebsrates im Entleihbetrieb nach § 9 BetrVG mitzuzählen sind, jedenfalls bei einer Betriebsgröße von mehr als 100 Arbeitnehmern komme es auch nicht auf die Wahlberechtigung der Leiharbeitnehmer an.127 Anderes gilt nach derzeit noch bestehender Rechtsprechung

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triebsrates bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit, nach § 100 BetrVG vorzugehen, Hamann, NZA 2008, 1042, vgl. dazu auch Kap. 42. BAG v. 9.3.2011, NZA 2011, 871 mit Anm. Boemke, AP Nr. 63 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung: Der Entleiher kann sich nicht auf Unkenntnis berufen, da es ihm zumutbar ist, beim Verleiher auf Auswahl der Leiharbeitnehmer und Mitteilung ihrer Namen zu drängen, um seiner Unterrichtungspflicht nachzukommen. BAG v. 23.6.2010, NZA 2010, 1361; offen ist dagegen, ob dies auch gilt, wenn der Arbeitsplatz nur kurzfristig mit einem Leiharbeitnehmer besetzt werden soll oder der Leiharbeitnehmer nur als Vertretung eines verhinderten Stammarbeitnehmers tätig wird, Freihube/ Sasse, BB 2011, 1657. BAG v. 21.7.2009, NZA 2009, 1156. Ausführlich dazu Düwell/Dahl, NZA-RR 2011, 1; zur Frage, ob ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei einer nicht „vorübergehenden“ Überlassung vorliegt, vgl. Einf. Rz. 5a. BAG v. 15.12.1992, DB 1993, 888. BAG v. 19.6.2001, DB 2001, 2301: Die Entsendung von Leiharbeitnehmern in Betriebe, deren betriebsübliche Arbeitszeit die vom Leiharbeitnehmer vertraglich geschuldete Arbeitszeit übersteigt, ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig, sofern die Entsendung für eine entsprechend verlängerte Arbeitszeit erfolgt. Das Mitbestimmungsrecht steht dem beim Verleiher gebildeten Betriebsrat zu. Aufgrund des Wortlauts „eingesetzt werden“ und nicht „eingesetzt wurden“ wird überwiegend davon ausgegangen, dass das Wahlrecht bereits bei Beginn der Überlassung besteht, sofern eine dreimonatige Überlassung prognostiziert werden kann (Düwell/Dahl, NZA-RR 2011, 1, 2). Zum Wahlrecht der Leiharbeitnehmer vgl. Maschmann, DB 2001, 2446. BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11. Zu beachten ist ferner § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, wonach Beamte, Soldaten und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes als Arbeitnehmer des Be-

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des BAG für die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG.128 Mit Blick auf die weitgehende Einbeziehung von Leiharbeitnehmern bei den wesentlichen Schwellenwerten nach dem BetrVG könnte das BAG jedoch seine Rechtsprechung zu § 38 BetrVG ebenfalls ändern und Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder einbeziehen. Für den nach § 111 Satz 1 BetrVG maßgeblichen Schwellenwert kommt es ebenfalls auf die Anzahl der Leiharbeitnehmer an, die länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt sind.129 Zudem müssen sie zu den „in der Regel“ Beschäftigten gehören; bei lediglich zeitweilig Beschäftigten kommt es für die Frage der regelmäßigen Beschäftigung darauf an, ob sie normalerweise während des größten Teils eines Jahres, dh. länger als sechs Monate beschäftigt werden.130 Bisher nicht geklärt ist, ob § 14 AÜG entsprechend auf die erlaubnisfreien Überlassungstatbestände nach § 1 Abs. 3 AÜG anzuwenden ist.131 Handelt es sich dagegen um einen (echten) Dienst- oder Werkvertrag, so bestehen im Regelfall mangels Eingliederung in den Entleiherbetrieb ohnehin keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates.132 17

2012 wurde zudem der Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit133 zwischen Südwestmetall und IG Metall für die Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg als Pilotabschluss vereinbart und zwischenzeitlich in allen deutschen Metalltarifbezirken übernommen. Der Tarifvertrag richtet sich an Entleiher, die in der Metall- und Elektroindustrie tätig sind, und regelt im wesentlichen die Rechte des Betriebsrates beim Einsatz von Leiharbeitnehmern im Betrieb. Dazu können die Betriebspartner freiwillige Betriebsvereinbarungen u.a. zum Volumen von Zeitarbeit, zur Höhe der Vergütung, Höchstdauern für den Einsatz und Übernahmeregelungen schließen. Besteht eine solche Betriebsvereinbarung nicht, ist der Entleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer nach 24-monatiger Überlassung einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten.134 Der Tarifvertrag sieht Ausnahmen bei akuten Beschäftigungsproblemen oder bei Vorliegen eines sachlichen Grundes für den Einsatz jeweils unter Beteiligung des Betriebrates135 vor. Ebenso wird eine Wartefrist bei Durchführung einer vorläufigen personellen Maßnahme nach § 100 BetrVG eingeführt, wenn keine freiwillige Betriebsvereinbarung nach dem Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit besteht; Ausnahmen sind tariflich geregelt.

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triebs gelten, wenn sie in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind; dazu BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 519; v. 15.8.2012, BB 2012, 2239. BAG v. 22.10.2003, NZA 2004, 1052; vgl. auch Böhm, DB 2006, 104; Haas/Hoppe, NZA 2013, 294; Lambrich/Schwab, NZA-RR 2013, 169. BAG v. 18.10.2011, NZA 2012, 221; krit. Mosig, NZA 2012, 1411; Rieble, NZA 2012, 485. BAG v. 18.10.2011, NZA 2012, 221. Dafür BAG v. 10.3.2004, NZA 2004, 1340; Sandmann/Marschall, § 14 AÜG Rz. 2a; dagegen Schüren/Hamann/Hamann, § 14 AÜG Rz. 487 ff. Dazu ausführlich Karthaus/Klebe, NZA 2012, 417. Zu den wesentlichen Regelungen und ihre rechtlichen Auswirkungen ausführlich Bayreuther, NZA Beilage 4/2012, 115; Krause, NZA 2012, 830. Zur Wirksamkeit einer solchen tariflichen Übernahmeverpflichtung Bayreuther, NZA Beilage 4/2012, 115, 117; Krause, NZA 2012, 830, 833. In betriebsratslosen Betrieben dürften die Ausnahmen daher keine Anwendung finden, Bayreuther, NZA Beilage 4/2012, 115, 117. Allerdings müssten die Leiharbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft IG Metall sein, um diese tarifliche Regelung für sich in Anspruch nehmen zu können, Bayreuther, NZA Beilage 4/2012, 115, 118.

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Der Leiharbeitnehmer bleibt betriebsvrefassungsrechtlich dem Verleiherbetrieb zugeordnet, sodass dieser grds. beteiligungspflichtig ist: Der Betriebsrat des Verleiherbetriebs hat wohl ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG, wenn auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers geändert werden; es handelt sich dann um eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung.136 Für die Eingruppierung eines Leiharbeitnehmers ist allein der Verleiherbetrieb zuständig.137 Darüber hinaus ist der Betriebsrat des Verleiherbetriebs mitbestimmungspflichtig, soweit das entsprechende Weisungsrecht nicht vertraglich auf den Entleiher übertragen wurde.138

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§ 14 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie Abs. 3 AÜG gelten sinngemäß auch für die Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes.139

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12. Beschäftigt der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer, um mit ihnen ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen abzudecken, kann von einer anderen freien Beschäftigungsmöglichkeit auszugehen sein, die vorrangig für sonst zur Kündigung anstehende Stammarbeitnehmer genutzt werden muss.140 Etwas anderes kann hingegen gelten, wenn Leiharbeitnehmer lediglich zur Abdeckung von „Auftragsspitzen“ oder als „Personalreserve“ zur Abdeckung von Vertretungsbedarf beschäftigt werden.141 Nach Ansicht des BAG sind Leiharbeitnehmer für die Berechnung der Schwellenwerte nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG und damit für die Prüfung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf den Betrieb mitzuzählen.142 Allerdings ist zu prüfen, ob die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betriebs „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt gewesen sind.

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13. Nach § 13a AÜG ist der Entleiher verpflichtet, den Leiharbeitnehmer über Arbeitsplätze des Entleihers, die besetzt werden sollen, zu informieren. Dies gilt nicht nur für freie Arbeitsplätze in dem Betrieb, in dem der Leiharbeitnehmer eingesetzt ist, sondern unternehmensweit. Die Information kann durch allgemeine Bekanntgabe an einer geeigneten, dem Leiharbeitnehmer ungehindert zugänglichen Stelle im Betrieb oder Unternehmen erfolgen. Eine Pflicht zur bevorzugten Einstellung des sich bewerbenden Leiharbeitnehmers wird dadurch jedoch nicht begründet.143 Bei Verstoß gegen die Informationspflicht kann ein Bußgeld in Höhe von bis zu Euro 2 500,– verhängt werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 AÜG). Zudem könnte ein Schadensersatzanspruch gegen den Entleiher in Betracht kommen, wenn der Leiharbeitnehmer nachweisen kann, dass der – nunmehr anderweitig besetzte – Arbeitsplatz

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136 Schüren/Hamann/Hamann, § 14 AÜG Rz. 326; Hamann, NZA 2003, 526, 531. 137 BAG v. 17.6.2008, NZA 2009, 112; v. 14.8.2007, NZA 2008, 236. 138 So wird überwiegend das Recht zur Anordnung von Überstunden nicht ausdrücklich auf den Entleiher übertragen, sodass der Betriebsrat des Verleihers mitbestimmungspflichtig bleibt (Sandmann/Marschall, § 14 AÜG Rz. 6). 139 Instruktiv dazu BVerwG v. 7.4.2010, NZA-RR 2010, 389. Für den Bereich des Personalvertretungsrechts der Länder gilt § 14 AÜG nicht; es ist Sache des Landesgesetzgebers, eine entsprechende Regelung für den seiner Gesetzgebungskompetenz unterliegenden öffentlichen Dienst zu schaffen (Sandmann/Marschall, § 14 AÜG Rz. 24). 140 BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 1044; vgl. auch Lingemann, Teil 3 Rz. 187 ff. 141 BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 1044. 142 BAG v. 24.1.2013, DB 2013, 1494; Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2013, 74. 143 Kock, BB 2012, 323, 323; Zimmermann, ArbR 2011, 264, 265.

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bei rechtzeitiger und vollständiger Information mit ihm besetzt worden wäre.144 Praktisch relevanter ist jedoch ein mögliches Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Dieser könnte der Einstellung eines anderen Bewerbers widersprechen, wenn der Arbeitgeber seiner Informationspflicht nach § 13a AÜG nicht nachgekommen ist.145 22

14. Seit 2011 ist der Entleiher zudem verpflichtet, Leiharbeitnehmern Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten im Unternehmen zu den gleichen Bedingungen zu gewähren wie vergleichbaren Mitarbeitern in dem Betrieb, in dem der Leiharbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt (§ 13b AÜG).146 Gemäß § 13b Satz 2 AÜG sind Gemeinschaftseinrichtungen oder -dienste insbesondere Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel. Nicht erfasst sind hingegen Geldleistungen, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, Geldsurrogate wie Gutscheine oder Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen.147 Eine unterschiedliche Behandlung zwischen Leiharbeitnehmern und Mitarbeitern des Entleiherbetriebs hinsichtlich des Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten kann hingegen aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein. Dies kann nach der Gesetzesbegründung dann zulässig sein, wenn der Zugang gemessen an der individuellen Einsatzdauer einen unverhältnismäßig hohen Organisations- bzw. Verwaltungsaufwand erfordert.148 Ein Verstoß gegen das Zugangsrecht begründet eine Ordnungswidrigkeit, für die ein Bußgeld bis zu Euro 2 500,– verhängt werden kann (§ 16 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 AÜG). Zudem kommen Schadensersatzansprüche in Betracht. Praktisch problematisch ist insoweit, dass es sich bei der Gewährung des Zugangs um steuerpflichtigen Drittlohn iSd. § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG handelt.149 Dabei ist der Verleiher als Arbeitgeber verpflichtet, die entsprechenden Steuern abzuführen.150 Regelmäßig dürften auch Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sein.151

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15. Der Verleiher kann dem Entleiher nicht untersagen, den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr besteht, § 9 Nr. 3 AÜG. Auch entsprechende Vereinbarungen zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer sind unwirksam, § 9 Nr. 4 AÜG. Schließlich kann der Leih144 Dieser Nachweis dürfte dem Leiharbeitnehmer nur schwer gelingen, Huke/Neufeld/Luickhardt, BB 2012, 961, 967; Kock, BB 2012, 323, 324. 145 Dafür unter Hinweis auf die BAG-Rechtsprechung zum Zustimmungsverweigerungsrecht bei Verstoß gegen die Prüf- und Konsultationspflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB IX: Hamann, RdA 2011, 321, 335; Kock, BB 2012, 323, 324; Lembke, NZA 2011, 319, 322; dagegen Zimmermann, ArbR 2011, 264, 265. 146 Dazu im Einzelnen Vielmeier, NZA 2012, 535. 147 Huke/Neufeld/Luickhardt, BB 2012, 961, 968; Kock, BB 2012, 323, 325. 148 BT-Drucks. 17/4804, S. 10. Der Rechtfertigungsgrund sollte vorsichtig verwendet werden, da der Gesetzgeber weiter ausführt, es sei im weiteren zu prüfen, inwieweit die Bedingungen für den Zugang von Leiharbeitnehmern so ausgestaltet werden können, dass ihnen der Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten ermöglicht wird (BT-Drucks. 17/4804, S. 10; aA Kock, BB 2012, 323, 326; Vielmeier, NZA 2012, 535, 540, unter Hinweis darauf, dass eine solche Prüfpflicht keinen Ausdruck im Gesetzeswortlaut gefunden hat). 149 Huke/Neufeld/Luickhardt, BB 2012, 961, 968. 150 Dazu ausführlich Eismann, DStR 2011, 2381; knapper Eismann, ArbR 2012, 8. Damit der Verleiher dieser Pflicht nachkommen kann, muss er überhaupt Kenntnis von der Zugangsgewährung und den zur Berechnung notwendigen Kennzahlen erlangen. Siehe hierzu auch M 10.2 § 12. 151 Huke/Neufeld/Luickhardt, BB 2012, 961, 968.

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arbeitnehmer nicht wirksam zur Zahlung einer Vermittlungsvergütung152 an den Verleiher verpflichtet werden, § 9 Nr. 5 AÜG. 16. Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher aus der Überlassung ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG gegeben.153 Dies betrifft insbesondere Ansprüche des Leiharbeitnehmers nach § 13a und § 13b AÜG.

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152 Zur Vereinbarung einer Vermittlungsprovision zwischen Verleiher und Entleiher vgl. M 10.2 § 14. 153 BAG v. 15.3.2011, NZA 2011, 653.

II. Muster

u

Anstellungsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Verleiher ohne Bezugnahme auf einen Tarifvertrag1

10.1.1

zwischen der Firma . . . Anschrift . . .2 (im Folgenden: Firma) und Herrn/Frau . . . wohnhaft in . . . Vorbemerkung Derzeitiger Unternehmensgegenstand der Firma ist ua. . . . Die Firma stellt außerdem ihren Kunden zur Erledigung von Aufgaben vorübergehend, vorwiegend aushilfsweise, Personal zur Verfügung.3 Die Firma ist seit dem . . .4 im Besitz der Erlaubnis zur 1 Gemäß § 11 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen des Leiharbeitsverhältnisses entsprechend § 2 Abs. 1 NachwG in die Niederschrift aufzunehmen. Der Vertrag enthält vorsorglich zahlreiche Regelungen, die sich auch aus den gesetzlichen Vorschriften bereits ergeben. Bei den jeweiligen vertraglichen Regelungen wird auf die zugrunde liegende Bestimmung verwiesen. Der Vertrag bedarf zwingend der Schriftform, wenn das Arbeitsverhältnis befristet eingegangen wird (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Im Übrigen sehen auch die Manteltarifverträge den Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages vor. Nimmt der Leiharbeitsvertrag nicht Bezug auf einen einschlägigen Tarifvertrag der Zeitarbeit, gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz im Leiharbeitsverhältnis, dazu ausführlich Einf. Rz. 10 ff. 2 Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG ist neben der Firma auch die Anschrift des Verleihers anzugeben. 3 Für die Abgrenzung der Leiharbeit von anderen Formen der Fremdfirmenarbeit vgl. die Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit, abrufbar unter www.bundesagentur.de, sowie Deich, AuA 2009, 412. Demnach liegt trotz entsprechender Vereinbarung kein Werkvertrag vor, wenn von vornherein eine nicht „werkvertragsfähige“ Leistung vereinbart wird, das Werk zu unpräzise beschrieben wird, die Vergütung nicht erfolgs- oder projektbezogen erfolgt, die Fremdleistungen nicht hinreichend klar von den Aufgaben des Einsatzbetriebs abgegrenzt sind und die maßgebliche Personalhoheit in der Praxis auf das Einsatzunternehmen übergegangen ist. 4 Vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG.

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Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG). Die Erlaubnis wurde von der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion . . ., in . . . am . . . erteilt.5 Die Firma beabsichtigt, Herrn/Frau . . . je nach Auftragslage entweder im eigenen Bereich . . . oder bei Kunden (= Entleihern) einzusetzen.6 Dies vorausgeschickt wird folgender Arbeitsvertrag geschlossen: I. Allgemeine Regelungen des Arbeitsverhältnisses §1

Beginn des Arbeitsverhältnisses7

(1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am . . . evtl. (2) Das Arbeitsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. oder (2) Das Arbeitsverhältnis wird befristet abgeschlossen bis zum . . .8 § 2 Tätigkeit9 (1) Herr/Frau . . . wird als . . . eingestellt. (2) Die Firma behält sich vor, unter Wahrung der Interessen des/der Herrn/Frau . . ., das jeweilige Arbeitsgebiet zu ändern, Herrn/Frau . . . auch eine andere gleichwertige und zumutbare, seiner/ihrer Vorbildung und seiner/ihrer Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen sowie ihn/sie auch an auswärtigen Arbeitsplätzen der Firma einzusetzen.10 Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Arbeitsgebiete.11 (3) Herr/Frau . . . ist verpflichtet, die Belange der Firma zu wahren und die ihm/ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft und nach bestem Können auszuführen. (4) Herr/Frau . . . ist verpflichtet, auch bei Kunden (= Entleihern) der Firma als . . . tätig zu werden. Diese Verpflichtung gilt auch für Einsätze außerhalb von . . . (5) Die Firma ist berechtigt, Herrn/Frau . . . nach Maßgabe dieses Vertrages jederzeit von seinem/ihrem Einsatzort beim Kunden abzuberufen und anderweitig einzuset-

5 In dem Vertrag muss die Erlaubnisbehörde angegeben werden, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG. 6 Dieser Hinweis auf den Einsatz sowohl im eigenen als auch im Kundenbetrieb ist bei Mischunternehmen zu empfehlen, wenn die Mitarbeiter sowohl als eigene Arbeitnehmer als auch als Leiharbeitnehmer tätig werden sollen. 7 Anzugeben ist der Beginn des Arbeitsverhältnisses, vgl. § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NachwG. 8 Für eine Befristung gilt das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Nr. 3 NachwG ist die vorhersehbare Dauer der Befristung anzugeben. 9 Gemäß § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG ist im Vertrag eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der von dem Leiharbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit anzugeben; die bloße Bezeichnung der Tätigkeit genügt nicht. 10 Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 sowie M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. 11 Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 sowie M 2.1a Ziff. 1 m. Anm.

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zen.12 Solange Herr/Frau . . . bei Kunden der Firma eingesetzt ist, unterliegt er/sie im Übrigen dem Weisungsrecht des Kunden, jedoch nur im Rahmen dieses Vertrages. (6) Herr/Frau . . . ist nicht verpflichtet, bei einem Kunden tätig zu werden, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist.13 § 3 Arbeitszeit14 (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt . . . Stunden wöchentlich. (2) Die derzeitige Lage und Verteilung der Arbeitszeit ist bekannt gemacht worden. Die Firma ist berechtigt, aus betrieblichen Gründen die Lage und Verteilung der täglichen Arbeitszeit und der Pausen einseitig zu ändern. Wird Herr/Frau . . . bei Kunden eingesetzt, muss er/sie die dort geltenden Arbeitsund Pausenzeiten einhalten. (3) Herr/Frau . . . ist verpflichtet15 auf Anordnung des Arbeitgebers Mehrarbeits- und Überstunden bis zu . . . Stunden/Monat, höchstens jedoch in gesetzlich zulässigem Umfang, zu leisten. Darüber hinaus ist er/sie verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Nacht-, Schicht-, Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten. Das gilt auch für Geschäftsreisen.16 §4

Vergütung17

(1) Herr/Frau . . . erhält für seine/ihre vertragliche Tätigkeit für Zeiten, während deren er/sie nicht verliehen ist, einen Stundenlohn von Euro . . . brutto.18 12 Vgl. § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NachwG. 13 Vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 und 2 AÜG. In den Fällen eines Arbeitskampfes hat der Verleiher den Leiharbeitnehmer auf das Recht, die Arbeitsleistung zu verweigern, hinzuweisen. 14 Vgl. § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG. 15 Einzelheiten und Alternativen zur Anordnungsbefugnis s. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Mehrarbeitsklausel/Überstundenpauschale“, Rz. 112 sowie M 2.1a Ziff. 4 m. Anm. 16 Die Frage, ob einzelvertraglich die Anwendung von Arbeitszeitkonten, die eine Verrechnung der Plusstunden während der verleihfreien Zeiten zulassen, zulässig sein soll, ist umstritten (dafür Thüsing/Pötters, BB 2012, 317; dagegen Schüren, BB 2012, 1411; Ulber, NZA 2009, 232). Die grundsätzliche Zulässigkeit von Arbeitszeitkonten ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung insoweit problematisch, als aus der Wertung des § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG entnommen werden kann, dass der Verleiher das Risiko trägt, den Leiharbeitnehmer auch während verleihfreier Zeiten zu vergüten. Dieses Risiko darf nicht auf den Leiharbeitnehmer übertragen werden. Allerdings besteht auch im Rahmen des Leiharbeitsverhältnisses das Bedürfnis zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Diesem Bedürfnis muss der Verleiher durch entsprechende Regelungen innerhalb des gesetzlichen Rahmens Rechnung tragen können. Dies dient auch dem Schutz des Leiharbeitnehmers, in dem der Verleiher Auftragslücken ausgleichen kann, bevor er sich von einem Leiharbeitnehmer trennt (Schüren/Hamann/Schüren, § 11 AÜG Rz. 113; Thüsing/Pötters, BB 2012, 317, 319). Dies darf jedoch nicht zu einem Missbrauch führen, in dem die vertragliche Arbeitszeit bewusst unterdurchschnittlich angesetzt wird, um die angesammelten Überstunden im Rahmen der verleihfreien Zeiten einzusetzen. Eine abschließende Entscheidung des BAG zur Zulässigkeit von Arbeitszeitkonten steht noch aus, daher sollten Arbeitszeitkonten nur in geringen Umfang eingesetzt werden. 17 Anzugeben ist die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie andere Bestandteile des Arbeitsentgelts und der Fälligkeit, vgl. § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG. 18 Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 sind im Arbeitsvertrag anzugeben Art und Höhe der Leistungen für Zeiten, in denen der Leiharbeitnehmer nicht verliehen ist.

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(2) Die Vergütung ist jeweils am . . . fällig. Die Auszahlung erfolgt bargeldlos. § 5 Weihnachtsgratifikation19 (1) Die Firma gewährt eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von Euro . . . (2) Die Firma behält sich vor, die Weihnachtsgratifikation bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen. Sachliche Gründe sind, – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere ein Umsatzrückgang von mehr als . . . % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als . . . im letzten Geschäftsjahr) – eine um mindestens . . . % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung von Herrn/Frau . . . über einen Zeitraum von . . . Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung von Herrn/Frau . . . Das Tarifgehalt/Grundgehalt bleibt dabei unangetastet. Zudem umfasst der widerrufliche Teil max. 24,5 % der Gesamtvergütung. (3) Die Weihnachtsgratifikation wird mit dem Novembergehalt ausgezahlt (Stichtag). Die Auszahlung ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag endet. Anteilige Zahlungen werden nicht gewährt Eine Auszahlung der Weihnachtsgratifikation ist ferner ausgeschlossen, wenn sich das Arbeitsverhältnis am Stichtag in gekündigtem Zustand befindet. Dies gilt unabhängig davon, in wessen Sphäre der Grund für die Kündigung liegt. Diese Regelung gilt sinngemäß für Aufhebungsvereinbarungen. (4) Eine nach den Vertragsbedingungen des Kunden gewährte Gratifikation wird auf den Anspruch angerechnet.20 § 6 Sonstige Leistungen21 (1) Die Firma gewährt jeweils im Juli ein Urlaubsgeld in Höhe von Euro . . . (2) Die Firma gewährt vermögenswirksame Leistungen nach den jeweils gültigen gesetzlichen Bestimmungen in Höhe von monatlich Euro . . . (3) Herr/Frau . . . erhält einen Zuschuss zu den ihm/ihr durch die Ausübung seiner/ihrer Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages entstehenden Aufwendungen gemäß den jeweiligen22 betriebsüblichen Sätzen. Die derzeit gültige betriebliche Spesenregelung ist diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügt. 19 Zur Einzelheiten s. M 12.15.2 iVm. M 12.15.1 m. Anm. 20 Anrechnungsklausel nach Preis/Preis, II A 55 Rz. 19. 21 Vgl. § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG. Dem Leiharbeitnehmer darf nicht untersagt werden, Gemeinschaftseinrichtungen und – dienste des Entleihers zu nutzen, da § 13b AÜG als eine zwingende Regelung nicht im Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer abbedungen werden kann. Eine entgegenstehende vertragliche Regelung ist nach § 9 Nr. 2a AÜG unwirksam. Dagegen wird es nicht zweckmäßig sein, den Leiharbeitnehmer zur Mitteilung der für Besteuerung des Dritteinkommens notwendigen Kennzahlen (Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen nach § 13b AÜG) zu verpflichten, da er diese regelmäßig nicht kennen wird (Kock, BB 2012, 323,326). Vgl. daher M 10.2 § 12. 22 Eine solche dynamische Inbezugnahme eines einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenen Regelungswerkes kann unwirksam sein, sofern darin nicht die Voraussetzungen für einen Widerruf im Einzelnen geregelt sind, vgl. BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; Kap. 2 Einf., AGBKlauselkontrolle von A–Z, Rz. 99c, „Bezugnahmeklausel“.

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§ 7 Arbeitsverhinderung/Entgeltfortzahlung (1) Herr/Frau . . . ist verpflichtet, der Firma jede Arbeitsverhinderung und ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich, spätestens jedoch bis . . . Uhr, anzuzeigen. Die Benachrichtigung muss auf dem schnellsten Beförderungswege, notfalls fernmündlich, per Telefax oder per E-Mail erfolgen. Diese Verpflichtung gilt auch, wenn aus Gründen, die der Mitarbeiter nicht zu vertreten hat, die von der Firma mit dem Kunden vereinbarte Einsatzzeit nicht oder nicht voll abgeleistet werden kann, zB weil der Kunde keinen oder nur einen kürzeren Einsatz ermöglicht. (2) Im Falle einer Erkrankung ist Herr/Frau . . . außerdem verpflichtet, diese spätestens bis zum Ablauf des dritten Tages durch ein ärztliches Attest nachzuweisen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, so ist Herr/Frau . . . verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung innerhalb von drei weiteren Kalendertagen vorzulegen. (3) Durch Nichteinsatz wird der Vergütungsanspruch des Mitarbeiters nach § 4 Abs. 1 nicht berührt, sofern Herr/Frau . . . seine/ihre Arbeitskraft rechtzeitig anbietet und der Firma während der üblichen Arbeitszeit zur Verfügung steht.23 § 615 Satz 2 BGB bleibt unberührt.24 § 8 Urlaub25 (1) Herr/Frau . . . hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung der Bezüge. Der Jahresurlaub beträgt . . . Werktage.26 (2) Der Zeitpunkt des Jahresurlaubes wird nach den Wünschen des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse von der Firma festgelegt. (3) Herr/Frau . . . erhält für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des ihm zustehenden Jahresurlaubes. Der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub entsteht erstmals nach sechsmonatiger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit. (4) Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraumes oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgeltes außer Betracht.

23 § 615 BGB kann nicht ausgeschlossen werden, § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG, denn das Beschäftigungsrisiko darf in verleihfreien Zeiten nicht vom Verleiher auf den Leiharbeitnehmer verlagert werden, vgl. Ulber, NZA 2009, 232, 233. 24 Öffentlich-rechtliche Leistungen zB aufgrund Arbeitslosigkeit sind dagegen anders als bei § 11 Nr. 3 KSchG nicht anzurechnen; daher kommt es zum gesetzlichen Forderungsübergang des Vergütungsanspruchs auf den Leistungsträger. 25 Vgl. § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 NachwG, Urlaub. 26 Zu weiteren Formulierungsvorschlägen insbesondere auch im Hinblick auf den Verfall übergesetzlicher Urlaubsansprüche bei Langzeiterkrankung s. M 2.1a Ziff. 7 m. Anm.

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II. Regelungen für die Zeiten, in denen Herr/Frau . . . verliehen ist (Verleihzeiten) Für die Zeiten, in denen Herr/Frau . . . verliehen ist, werden jeweils gesondert nach Maßgabe von § 9 Nr. 2 AÜG die wesentlichen Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers vereinbart. Herr/Frau . . . erhält dazu jeweils einen gesonderten Nachweis gemäß Anlage 1. Dies gilt nicht, soweit beim Entleiher für Herrn/ Frau . . . schlechtere Arbeitsbedingungen als gemäß oben I. bei der Firma gelten.27 III. Sonstige Bestimmungen des Arbeitsverhältnisses28 § 1 Verschwiegenheitspflicht29 Herr/Frau . . . hat über alle im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden vertraulichen geschäftlichen Angelegenheiten und Vorgänge der Firma und der Kunden, insbesondere über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Stillschweigen gegenüber Unbefugten – auch innerhalb des Unternehmens – zu bewahren. Diese Verpflichtung gilt auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses. § 2 Nebenbeschäftigung30 (1) Einer Nebenbeschäftigung während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses darf Herr/Frau . . . nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung der Firma nachgehen. Zeigt Herr/Frau . . . die beabsichtigte Nebentätigkeit unter Angabe von Art, Ort und Dauer an und stehen der Ausübung der Nebentätigkeit keine sachlichen Gründe entgegen, muss die Firma ihre Zustimmung unverzüglich erteilen. Dabei steht es ihr zu, ihre Zustimmung befristet oder mit Widerrufsvorbehalt zu erteilen. (2) Das Zustimmungserfordernis entfällt bei karitativen, konfessionellen oder politischen Nebentätigkeiten, sofern diese die Tätigkeit des/der Herrn/Frau . . . nach Maßgabe dieses Vertrages nicht beeinträchtigen. § 3 Beendigung des Arbeitsverhältnisses31 (1) Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit Vollendung des 67. Lebensjahres bzw. der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages dem 67. Lebensjahr entsprechenden Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung.32 27 Es ist offen, ob die Regelung ausreichend konkret iSv. § 307 BGB ist. Eine weitere Konkretisierung ist jedoch auf Grund der unscharfen Fassung des § 9 Nr. 2 AÜG nicht möglich. Sie muss dem über die Bedingungen beim Entleiher auszustellenden Nachweis vorbehalten bleiben. Es empfiehlt sich allerdings, den Nachweis binnen eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher auch dann zu erteilen, wenn die Bedingungen sich nicht geändert haben. 28 Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nur für „wesentliche Arbeitsbedingungen“, im Einzelnen Einf. Rz. 10 ff. Demnach dürften die unter III. gefassten Regelungen nicht zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen zählen. 29 Diese Regelung ist nach dem AÜG nicht vorgeschrieben, kann aber in die Urkunde aufgenommen werden. 30 Diese Regelung ist nach dem AÜG nicht vorgeschrieben, kann aber in die Urkunde aufgenommen werden. Zur arbeitsvertraglichen Beschränkung von Nebentätigkeiten Gaul/Khanian, MDR 2006, 68. Vgl. dazu auch schon Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“, Rz. 115 ff. sowie M 2.1a Ziff. 9. 31 Gemäß § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 NachwG sind die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß III. § 3 Abs. 2 des Musters anzugeben. Zu den Anforderun-

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(2) Die beiderseitige Kündigungsfrist beträgt zwei Wochen. Jede Verlängerung der Kündigungsfrist gilt für beide Vertragsparteien. Jede Kündigung bedarf der Schriftform. (3) Zur Kündigung bevollmächtigt sind die jeweils zuständigen Regionalleiter, Niederlassungsleiter und . . .33. Diese werden jeweils durch Aushang [alternativ: im Intranet] bekanntgegeben.34 (4) Die Firma ist berechtigt, Herrn/Frau . . . nach Ausspruch einer Kündigung, gleich durch welche Vertragspartei, unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freizustellen.35 Ein Weiterbeschäftigungsanspruch ist insoweit ausgeschlossen. § 4 Rückgabepflicht Auf Verlangen der Firma, spätestens aber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind sämtliche der Firma zustehenden Gegenstände sowie Firmenunterlagen nebst Kopien und handschriftlichen Aufzeichnungen zu betrieblichen Vorgängen herauszugeben. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht. §5

Ärztliche Untersuchung36

Herr/Frau . . . erklärt sich bereit, sich auf Verlangen der Firma ärztlich untersuchen zu lassen. Die hierdurch anfallenden Kosten trägt die Firma. Herr/Frau . . . befreit den untersuchenden Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht, soweit das Untersuchungsergebnis Einfluss auf seine/ihre Einsatzfähigkeit haben kann.

32 33

34 35 36

gen an eine betriebsbedingte Kündigung eines Leiharbeitnehmers BAG v. 18.5.2006, DB 2006, 1962; Dahl, DB 2006, 2519. Zu beachten ist auch, dass dem Leiharbeitnehmer gemäß § 9 Nr. 4 AÜG nicht untersagt werden kann, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Verleiher ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher aufzunehmen. Ebenso kann der Leiharbeitnehmer nicht zur Zahlung einer Vermittlungsvergütung an den Verleiher verpflichtet werden (§ 9 Nr. 5 AÜG). Mit dem Leiharbeitnehmer kann aber ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden. Allerdings bietet sich dies regelmäßig nicht an, da der Leiharbeitnehmer seinem bisherigen Arbeitgeber (Verleiher) nur dann Wettbewerb macht, wenn er selbst als Verleiher tätig wird. Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Altersgrenze“, Rz. 86, sowie M 2.1a Ziff. 2. Auch wenn der Arbeitsvertrag regelt, dass der jeweilige Niederlassungsleiter kündigen darf, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung die kündigende Person dieser im Arbeitsvertrag genannten Stelle des Kündigungsberechtigten zuordnen oder zumindest einen Weg aufzeigen, auf dem der Arbeitnehmer vor Zugang der Kündigung unschwer erfahren kann, welche Person die Position innehat, mit der nach dem Arbeitsvertrag das Kündigungsrecht verbunden ist, BAG v. 9.6.2011, NZA 2011, 847. Ob eine solche Bekanntgabe ausreicht, ist nicht geklärt. Auf das Intranet sollte nur verwiesen werden, wenn die Arbeitnehmer auch problemlos Zugang dorthin haben. Zur Freistellungsklausel vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“, Rz. 103, sowie M 2.1a Ziff. 3 Abs. 3 m. Anm. Diese Klausel ist möglicherweise ein Indiz gemäß § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen einer Behinderung, des Alters oder des Geschlechts (Schwangerschaft). Zulässig ist eine solche Klausel daher nur, sofern ein gewisser Gesundheitszustand zwingende Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist. Zu Einzelheiten Einf. Kap. 1 sowie M 1.3.1 Fn. 10.

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§ 6 Merkblatt/Informationsschrift Herr/Frau . . . bestätigt, das Merkblatt für Leiharbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit in seiner/ihrer Muttersprache,37 und zwar der . . . Sprache, sowie ein von der Firma unterschriebenes Exemplar des Mitarbeitervertrages ebenfalls in dieser Sprache erhalten zu haben.38 § 7 Unfallverhütung39 Der Mitarbeiter ist zur Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften verpflichtet. Die wichtigsten Unfallverhütungsvorschriften hängen . . . aus. Weitere im Kundenbetrieb geltende Unfallverhütungsvorschriften liegen dort zur Einsicht aus. Der Mitarbeiter hat sich über die Gefahren seines Arbeitsplatzes durch einen entsprechend qualifizierten Mitarbeiter des Kunden zu informieren. § 8 Sonstige Verpflichtungen Herr/Frau . . . ist verpflichtet, sämtliche Änderungen seiner/ihrer Anschrift umgehend der Firma mitzuteilen. § 9 Vertragsstrafe40 (1) Nimmt Herr/Frau . . . vorsätzlich oder fahrlässig die Arbeit nicht oder verspätet auf oder verlässt er/sie den Arbeitsplatz vorsätzlich oder fahrlässig vertragswidrig, so hat er/sie an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe zu zahlen.41 (2) Für den Fall des Nichtantritts der Arbeit beträgt die Vertragsstrafe das Bruttoarbeitsentgelt, welches Herr/Frau . . . bei Einhaltung der Mindestkündigungsfrist erhalten hätte.42 37 Gemäß § 11 Abs. 2 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer auf dessen Verlangen hin bei Vertragsschluss das Merkblatt der Erlaubnisbehörde in der Muttersprache des Leiharbeitnehmers auf Kosten des Verleihers zu übergeben. 38 Gemäß § 11 Abs. 2 AÜG hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer den Nachweis über die Vertragsbedingungen auszuhändigen. Auf Verlangen muss dies ebenfalls in der Muttersprache erfolgen. 39 Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 AÜG hat der Entleiher den Leiharbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung und bei Veränderungen in seinem Arbeitsbereich über Gefahren für Sicherheit und Gesundheit, denen er bei der Arbeit ausgesetzt sein kann, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren zu unterrichten. Er hat den Leiharbeitnehmer gemäß § 11 Abs. 6 Satz 3 AÜG zusätzlich über die Notwendigkeit besonderer Qualifikationen oder beruflicher Fähigkeiten oder einer besonderen ärztlichen Überwachung sowie über erhöhte besondere Gefahren des Arbeitsplatzes zu unterrichten. 40 Eine Vertragsstrafe ist in Leiharbeitsverträgen durchaus verbreitet. Zu Einzelheiten vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 73 ff. und 130 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“ 41 Die Vertragsstrafe sichert die Erfüllung und erleichtert gleichzeitig die Durchsetzung von Schadensersatz in ihrer Höhe. 42 Die Höhe muss feststehen und billigem Ermessen entsprechen. Eine entgegen § 307 BGB in Formularverträgen zu hoch bemessene Vertragsstrafe kann nicht gemäß § 343 Abs. 1 BGB auf einen angemessenen Betrag gerichtlich herabgesetzt werden und führt zur Nichtigkeit der gesamten Klausel gemäß § 306 BGB (BAG v. 4.3.2004, NZA 2004, 727). Ein Monatsgehalt ist generell als Maßstab geeignet (vgl. BAG v. 28.5.2009, NZA 2009, 1337), nicht jedoch, wenn in der Probezeit die Kündigungsfrist nur zwei Wochen beträgt (BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89 f.; v. 18.12.2008, DB 2009, 2269; v. 25.9.2008, NZA 2009, 370; v. 4.3.2004, NZA 2004, 727). Unwirksam ist eine Klausel, welche angibt, dass die Strafe

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(3) Für den Fall des Verlassens des Arbeitsplatzes beträgt die Vertragsstrafe für jeden Fehlarbeitstag das auf einen Arbeitstag entfallende Bruttoentgelt. Eine Fehlzeit von drei Stunden oder mehr gilt als ein Fehlarbeitstag. Maximal beträgt die Vertragsstrafe das Bruttoarbeitsentgelt, welches Herr/Frau . . . bei Einhaltung der Mindestkündigungsfrist erhalten würde. (4) Das Recht des Arbeitgebers, einen weiter gehenden Schaden geltend zu machen, bleibt unberührt.43 § 10 Ausschlussfristen44 (1) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. [Evtl.] Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von drei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Ablauf der Drei-WochenFrist gerichtlich geltend gemacht wird. (2) Absatz 1 gilt auch für Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen. (3) Absatz 1 und Absatz 2 gelten nicht bei einer Haftung wegen Vorsatz und bei Ansprüchen, die auf strafbaren Handlungen oder unerlaubten Handlungen beruhen. § 11

Vertragsänderungen

(1) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.45 (2) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.46

43 44 45 46

pauschal das ein- bis dreifache Monatsgehalt beträgt, und der Arbeitgeber die genaue Höhe anhand der Schwere des Verstoßes festlegen kann; das gilt umso mehr, wenn die Vertragsstrafe in erster Linie der bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Arbeitgebers losgelöster Geldforderungen dient (BAG v. 18.8.2005, NZA 2006, 34, 37). Vgl. auch Einf. Kap. 2 AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff. Vgl. §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB; die Regelung gibt nur deklaratorisch die Gesetzeslage wieder. Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 10; zur AGB-Klauselkontrolle von Ausschlussfristen unter Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist/Ausschlussklausel“, Rz. 92 ff. Vgl. zur Schriftformklausel Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. sowie M 2.1a Ziff. 14 m. Anm. S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

Lingemann 443

Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

... (Firma)

... (Herr/Frau . . .)

M 10.1.2

Anlage 1 Wesentliche Arbeitsbedingungen beim Entleiher . . . (Name und Anschrift des Entleihers) für eine Tätigkeit als . . .47 Arbeitsbedingungen – Vergütung/h: – Zuschläge: – Sonderzahlungen:48 – Arbeitszeit: – ... Ggf.: Anwendbarer Tarifvertrag Anwendbare Betriebsvereinbarungen 47 Zur Gruppenbildung vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 121 ff. 48 Diese sind nur zu zahlen, wenn sie auch einem im Entleiherbetrieb entsprechend befristet Beschäftigten gewährt würden, vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 132 ff.

u

10.1.2

Anstellungsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Verleiher mit Bezugnahme auf Tarifvertrag1

Zwischen der Firma . . . Anschrift . . .2 (im Folgenden: Firma) 1 Soweit die Vertragspartner tarifgebunden sind, sind nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) in dem Anstellungsvertrag nur solche Regelungen wirksam, die entweder im Tarifvertrag nicht geregelt sind oder, soweit sie von ihm abweichen, durch den Tarifvertrag gestattet sind oder von den tariflichen Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers abweichen. Je nach dem Inhalt des Tarifvertrages kommen also auch hier zusätzliche Regelungen gemäß M 10.1.1 in Betracht, diese sollten allerdings sorgfältig mit den Regelungen des jeweils einschlägigen Tarifvertrages abgeglichen werden. Sofern der Tarifvertrag keine Regelung oder eine arbeitsvertragsoffene Regelung enthält, können weitere Regelungen in den Leiharbeitsvertrag aufgenommen werden. Besonderheit ist, dass durch Tarifvertrag nach §§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers von den im Entleiherbetrieb geltenden Arbeitsbedingungen für vergleichbare Arbeitnehmer (Gleichbehandlungsgrundsatz) abgewichen werden kann. Dies gilt selbst dann, wenn der Tarifvertrag lediglich durch Vereinbarung zwischen nicht tarifgebundenen

444 Lingemann

M 10.1.2

Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

und Herrn/Frau . . . wohnhaft in . . . Vorbemerkung Derzeitiger Unternehmensgegenstand der Firma ist ua. . . . Die Firma stellt außerdem ihren Kunden zur Erledigung von Aufgaben vorübergehend, vorwiegend aushilfsweise, Personal zur Verfügung. Die Firma ist seit dem . . .3 im Besitz der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG). Die Erlaubnis wurde von der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion . . ., in . . . am . . . erteilt.4 Die Firma beabsichtigt, Herrn/Frau . . . je nach Auftragslage entweder im eigenen Bereich . . . oder bei Kunden (= Entleihern) einzusetzen.5 Dies vorausgeschickt wird folgender Arbeitsvertrag geschlossen: §1

Beginn des Arbeitsverhältnisses6

(1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am . . . evtl. (2) Das Arbeitsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. oder (2) Das Arbeitsverhältnis wird befristet abgeschlossen bis zum . . .7 § 2 Tätigkeit8 (1) Herr/Frau . . . wird als . . . eingestellt. (2) Die Firma behält sich vor, unter Wahrung der Interessen des/der Herrn/Frau . . ., das jeweilige Arbeitsgebiet zu ändern, Herrn/Frau . . . auch eine andere gleichwertige

2 3 4 5 6 7 8

Arbeitsvertragsparteien gilt (arbeitsvertragliche Bezugnahme). Um den Gleichbehandlungsanspruch des Leiharbeitnehmers durch die Anwendung des Tarifvertrages abzubedingen, sollte dieser möglichst umfassend vereinbart werden, da bei nur teilweiser Anwendung die gesetzlichen Regelungen und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz vorgehen könnten. Vgl. zum Problem: Freckmann/Gallini, BB 2013, 309. Die Tarifvertragsprivilegierung iSd. AÜG greift nur, wenn die Gewerkschaft, mit welcher der entsprechende Tarifvertrag abgeschlossen worden ist, tariffähig ist. Zur Tariffähigkeit der CGZP für die Leiharbeitsbranche vgl. Einf. Rz. 11 Fn. 88. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG ist neben der Firma auch die Anschrift des Verleihers anzugeben. Vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG. In dem Vertrag muss die Erlaubnisbehörde angegeben werden, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG. Dieser Hinweis auf den Einsatz sowohl im eigenen als auch im Kundenbetrieb ist bei Mischunternehmen zu empfehlen, wenn die Mitarbeiter sowohl als eigener Arbeitnehmer als auch als Leiharbeitnehmer tätig werden sollen. Anzugeben ist der Beginn des Arbeitsverhältnisses, vgl. § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NachwG. Für eine Befristung gilt das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Nr. 3 NachwG ist die vorhersehbare Dauer der Befristung anzugeben. Zum Befristungsgrund s. Einf. Rz. 9 sowie Kap. 6. Gemäß § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG ist im Vertrag eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der von dem Leiharbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit anzugeben.

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Arbeitnehmerüberlassung

M 10.1.2

und zumutbare, seiner/ihrer Vorbildung und seinen/ihren Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen sowie ihn/sie auch an auswärtigen Arbeitsplätzen der Firma einzusetzen.9 Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Arbeitsgebiete.10 (3) Herr/Frau . . . ist verpflichtet, die Belange der Firma zu wahren und die ihm/ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft und nach bestem Können auszuführen. (4) Die Firma ist berechtigt, Herrn/Frau . . . nach Maßgabe dieses Vertrages jederzeit von seinem/ihrem Einsatzort beim Kunden abzuberufen und anderweitig einzusetzen.11 Solange Herr/Frau . . . bei Kunden der Firma eingesetzt ist, unterliegt er/sie im Übrigen dem Weisungsrecht des Kunden, jedoch nur im Rahmen dieses Vertrages. (5) Herr/Frau . . . ist nicht verpflichtet, bei einem Kunden tätig zu werden, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist.12 §3

Tarifgeltung

Im Übrigen gelten die für den Betrieb der Firma einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung. Derzeit sind dies die Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche, abgeschlossen von . . . und . . ., vom . . .13 § 4 Merkblatt/Informationsschrift Herr/Frau . . . bestätigt, das Merkblatt für Leiharbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit in seiner/ihrer Muttersprache,14 und zwar der . . . Sprache, sowie ein von der Firma unterschriebenes Exemplar des Mitarbeitervertrages ebenfalls in dieser Sprache erhalten zu haben.15 9 Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 sowie M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. 10 Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 sowie M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. 11 Vgl. § 11 Abs. 1 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NachwG. 12 Vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 und 2 AÜG; in den Fällen eines Arbeitskampfes hat der Verleiher den Leiharbeitnehmer auf das Recht, die Arbeitsleistung zu verweigern, sogar hinzuweisen. 13 § 3 enthält eine einfache Tarifwechselklausel. Zu Einzelheiten und weiteren Formulierungsvorschlägen, insbesondere auch kleinen dynamischen und statischen Bezugnahmeklauseln s. M 2.2 Ziff. 5 m. Anm.; die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den mehrgliedrigen Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen vom 15. März 2010 kann intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sein, wenn sich nicht ersehen lässt, welches der tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben soll (BAG v. 13.3.2013, NZA 2013, 680). Ein Verweis lediglich auf die Entgelttarifverträge unter Ausnahme der Branchenzuschlagstarifverträge dürfte wohl nicht zur Befreiung vom Gleichbehandlungsgrundsatz führen, da nach wohl überwiegender Auffassung das gesamte tarifliche Vergütungsregime durch die Arbeitsvertragsparteien zu übernehmen ist (Bayreuther, NZA Beilage 4/2012, 115, 116; Nießen/Fabritius, BB 2013, 375, 377); hierzu auch Einf. Rz. 4b. Sofern der Branchenzuschlag mit etwaigen übertariflichen Zulagen verrechnet werden soll, müsste eine Verrechnungsklausel aufgenommen werden. 14 Gemäß § 11 Abs. 2 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer auf dessen Verlangen hin bei Vertragsschluss das Merkblatt der Erlaubnisbehörde in der Muttersprache des Leiharbeitnehmers auf Kosten des Verleihers zu übergeben. 15 Gemäß § 11 Abs. 2 AÜG hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer den Nachweis über die Vertragsbedingungen auszuhändigen. Auf Verlangen muss dies ebenfalls in der Muttersprache erfolgen.

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M 10.2

Arbeitnehmerüberlassung

... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

... (Firma)

... (Herr/Frau . . .)

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Arbeitnehmerüberlassung – Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher1 zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Verleiher) und der Firma . . . (im Folgenden: Entleiher) § 1 Verleihererklärung

(1) Der Verleiher erklärt, dass er die unbefristete Erlaubnis2 zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 AÜG hat.3 Eine Kopie der Erlaubnisurkunde der zuständigen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit ist diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügt. oder (1) Der Verleiher hat die befristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 AÜG. Diese Erlaubnis wurde von der [Erlaubnisbehörde] am [Datum] ausgestellt und ist zunächst befristet bis zum [Datum]. Eine Kopie der Erlaubnisurkunde der zuständigen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit ist diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügt. Der Verleiher wird den Entleiher spätestens drei Monate vor Ablauf der Erlaubnis darüber informieren, ob er fristgemäß den Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis gemäß § 2 Abs. 4 AÜG gestellt hat. Der Verleiher wird dem Entleiher unverzüglich nach Erhalt die Verlängerung der Erlaubnis in Kopie zusenden. (2) Der Verleiher verpflichtet sich, den Wegfall4 und alle Änderungen der Erlaubnis sowie bei Nichtverlängerung, Rücknahme oder Widerruf der Erlaubnis auch das voraus1 Der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher bedarf der Schriftform, § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Sofern wiederholte Überlassungen zwischen Verleiher und Entleiher geplant sind, könnte sich auch der Abschluss eines Rahmenvertrages anbieten, in dem die Bedingungen für eine Mehrzahl von Überlassungen geregelt sind, vgl. dazu M 10.3. 2 Die Verleiherlaubnis wird zunächst auf ein Jahr befristet erteilt (§ 2 Abs. 4 Satz 1 AÜG). Sie kann dann im weiteren Verlauf unbefristet erteilt werden, wenn der Verleiher drei aufeinanderfolgende Jahre lang durchgehend als Verleiher tätig war (§ 2 Abs. 5 Satz 1 AÜG). 3 In der Vertragsurkunde hat der Verleiher zu erklären, ob er die Erlaubnis nach § 1 AÜG besitzt, § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG. 4 Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 AÜG muss der Verleiher den Entleiher unverzüglich über den Zeitpunkt des Wegfalls der Erlaubnis unterrichten, § 12 Abs. 2 Satz 2 AÜG.

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sichtliche Ende der Abwicklung und die gesetzliche Abwicklungsfrist nach § 12 Abs. 2 AÜG dem Entleiher unverzüglich schriftlich anzuzeigen. (3) Der Verleiher erklärt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und den nach § 2 zu überlassenden Arbeitnehmern die Tarifverträge – in ihrer jeweils aktuellen Fassung – zwischen . . . und . . . Anwendung finden.5 Der Verleiher trägt dafür Sorge, dass die gesetzlichen und/oder tariflichen Lohnuntergrenzen nicht unterschritten werden.6 §2

Gegenstand des Vertrages7

Der Verleiher verpflichtet sich, dem Entleiher die in der Anlage 2 zu diesem Vertrag aufgeführten Arbeitnehmer8 zur Arbeitsleistung9 zu überlassen. oder Der Verleiher verpflichtet sich, dem Entleiher Arbeitnehmer mit den Qualifikationen und für die Tätigkeiten, die in der Anlage 2 zu diesem Vertrag aufgeführt sind, zur Arbeitsleistung zu überlassen. Der Verleiher wird dem Entleiher die Namen der zu überlassenden Mitarbeiter spätestens 10 Tage vor dem Einsatzbeginn schriftlich mitteilen.10 Sollte der Einsatz vor Ablauf der im Satz 2 genannten Frist erfolgen, ist der Verleiher verpflichtet, die Namen unverzüglich mitzuteilen. Kommt der Verleiher dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Entleiher berechtigt, den Einsatz der betreffenden Arbeitnehmer abzulehnen. oder Der Verleiher verpflichtet sich, dem Entleiher die nachfolgend genannten Arbeitnehmer zur nachstehend näher bezeichneten Arbeitsleistung in seinem Betrieb zu überlassen:

5 Vgl. Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 378. Findet auf das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers kein den Gleichbehandlungsgrundsatz ausschließender Tarifvertrag der Zeitarbeit Anwendung, ist der Entleiher verpflichtet, im Verleihvertrag Angaben zu wesentlichen Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers zu machen (§ 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG). 6 Vgl. Spieler/Pollert, AuA 2011, 270, 271. Die weite Formulierung erfasst neben der Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG auch die Mindestlöhne nach dem AEntG, vgl. dazu Einf. Rz. 4, 4a. 7 In der Urkunde muss der Entleiher auch erklären, welche besonderen Merkmale die für den Leiharbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist, § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG. 8 Der Betriebsrat des Entleihers ist vor dem Einsatz der Leiharbeitnehmer u.a. auch über deren Namen zu unterrichten. Seine Unkenntnis schützt den Entleiher nicht; er sollte im Überlassungsvertrag entweder die zu überlassenden Leiharbeitnehmer namentlich aufführen oder regeln, dass der Verleiher die Namen rechtzeitig, mindestens eine Woche, vor der Überlassung übermittelt, damit er den Betriebsrat rechtzeitig vor Beginn der Überlassung nach § 99 BetrVG informieren kann. 9 Da die Verpflichtung zur Zahlung von Branchenzuschlägen nicht für sämtliche Branchen gilt, in denen Leiharbeitnehmer eingesetzt werden, werden Verleiher von Entleihern zukünftig Auskunft über die Branchenzugehörigkeit des Entleiherbetriebs verlangen, sofern die geplante Dauer der Überlassung die Zahlung von Branchenzuschlägen auslösen könnte. Eine verbindliche Auskunft des Entleihers könnte allerdings zu dessen Haftung führen, wenn sie fehlerhaft ist und ein Branchenzuschlagstarifvertrag tatsächlich Anwendung findet. 10 Die namentliche Benennung der Leiharbeitnehmer ist für den Entleiher in der Regel nur erforderlich, wenn ein Betriebsrat besteht, der der Einstellung des Leiharbeitnehmers zustimmen muss (§ 99 BetrVG).

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. . . (Name) . . . (Adresse) . . . (Tätigkeit, ggf. besondere Merkmale) . . . (Qualifikation) von . . . bis . . . (Einsatzzeit) § 3 Beginn und Dauer der Arbeitnehmerüberlassung, Vertragslaufzeit (1) Die Arbeitnehmerüberlassung beginnt und endet zu den für jeden Arbeitnehmer in der Anlage 2 angeführten Zeitpunkten. oder (1) Die Arbeitnehmerüberlassung beginnt und endet zu den in § 2 genannten Zeitpunkten. Krankheit und Urlaub verlängern die Frist nicht. (2) Jede Seite ist berechtigt, diesen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsende zu kündigen. (3) Die Parteien sind sich einig, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Entleiher insbesondere besteht, wenn die Erlaubnis des Verleihers (gemäß § 1 Abs. 1 AÜG) ihre Gültigkeit verliert.11 §4

Arbeitsumfang

(1) Die in der Anlage 2 aufgezählten/in § 2 genannten Arbeitnehmer haben in der Zeit vom . . . bis . . . eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von . . . Stunden (tägliche Normalarbeitszeit von . . . Stunden) an den Wochentagen Montag bis Freitag. Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit kann zwischen 6.30 Uhr und 20.15 Uhr abgeleistet werden. (2) Der Verleiher kann pro Woche bis zu fünf Überstunden anordnen. Zu darüber hinausgehenden Überstunden, zu Arbeitszeiten außerhalb des genannten Zeitkorridors und/oder zur Arbeit in Wechselschicht müssen die Arbeitnehmer nur dann zur Verfügung stehen, wenn und soweit dies in der Anlage 2 ausdrücklich aufgeführt ist. § 5 Vergütung und Abrechnungsmodus (1) Der Entleiher verpflichtet sich, dem Verleiher für jeden überlassenen Arbeitnehmer die aus der Anlage 2 ersichtliche Vergütung pro Arbeitsstunde zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer zu zahlen.12

11 Die Regelung soll dem Risiko vorbeugen, dass der Verleih ohne Verleiherlaubnis erfolgt, da in diesem Fall ein fingiertes Arbeitsverhältnis zum Entleiher nach §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 AÜG entsteht. 12 Die Vergütung inklusive etwaiger Zuschläge ist umfassend n der Anlage aufzunehmen. Verleiher sollten bei der Kalkulation auch beachten, dass sich die Vergütung der zu überlassenden Leiharbeitnehmer während der Vertragslaufzeit zB aufgrund Erhöhung des Tariflohns verändern könnte. Sofern die Erhöhung auf den Entleiher ohne Vertragsänderung umgelegt werden soll, müsste eine entsprechende Anpassungsklausel in den Vertrag aufgenommen werden.

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(2) Die Vergütung nach Absatz 1 erhöht sich entsprechend der prozentualen Staffelung in dem in § 1 Abs. 3 genannten Tarifvertrag über die Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung, wenn die dort jeweils genannten Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf den Branchenzuschlag hat.13 (3) Die Vergütung wird monatlich auf Grund der Arbeitsnachweise der eingesetzten Arbeitnehmer für den jeweils zurückliegenden Monat abgerechnet. Der Zeitaufwand ist mit Hilfe von Zeiterfassungsbelegen auf vom Entleiher zur Verfügung gestellten Formularen nachzuweisen. (4) Die Vergütung wird am 25. des der Arbeitsleistung folgenden Monats gezahlt, wenn die Rechnung zusammen mit den vom Entleiher bestätigten Arbeitsnachweisen spätestens am fünften Arbeitstag dieses Monats bei der Rechnungsprüfung des Werkes des Entleihers vorliegt, welches den Verleiher beauftragt hat. Der Entleiher stellt sicher, dass die Arbeitsnachweise des abzurechnenden Monats dem Verleiher spätestens am ersten Arbeitstag (ab 13.00 Uhr) des der Arbeitsleistung folgenden Monats zur Verfügung stehen. (5) Der Arbeitnehmer ist nicht zur Entgegennahme von Vorschüssen oder sonstigen Zahlungen berechtigt. evtl: (6) Die Einarbeitung neuer Arbeitnehmer wird mit 50 % der Stundenvergütung berechnet. Als Einarbeitung gelten nur Zeiten, bei denen die Arbeitnehmer des Verleihers durch Mitarbeiter des Entleihers angeleitet werden. (7) Im Falle eines berechtigten Austauschverlangens gemäß § 9 Abs. 2 dieses Vertrages werden dem Entleiher die ersten [ . . .] Stunden nicht in Rechnung gestellt. § 6 Weisungsbefugnis und Fürsorgepflicht des Entleihers (1) Der Entleiher darf die überlassenen Arbeitnehmer im Rahmen der in der Anlage 2 zu diesem Vertrag/in § 2 vereinbarten Tätigkeiten beschäftigen. Der Verleiher tritt dem Entleiher insoweit seine Ansprüche auf Arbeitsleistung gegen die überlassenen Arbeitnehmer ab. Insbesondere ist es dem Entleiher untersagt, ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verleihers den Arbeitnehmer mit der Beförderung, mit dem Umgang oder mit dem Inkasso von Geld und anderen Zahlungsmitteln zu beauftragen. (2) Der Entleiher ist berechtigt, dem überlassenen Arbeitnehmer wegen der Arbeitsausführung Weisungen zu erteilen und die Arbeitsausführung zu überwachen. (3) Der Entleiher verpflichtet sich, die sich aus dem Einsatz der Arbeitnehmer in seinem Betrieb ergebenden gesetzlichen Fürsorgepflichten zu erfüllen. (4) Der Verleiher gewährleistet, dass die überlassenen Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des Entleiher-Betriebes integriert werden können. 13 Vgl. Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 378. Sind nach dem jeweiligen Tarifvertrag Branchenzuschläge an die Leiharbeitnehmer zu zahlen, können diese auf zwei Wegen gegenüber dem Entleiher verrechnet werden: Entweder kann in Anlehnung an die Zuschläge ein zeitgestaffelter Zuschlag beim Verrechnungssatz angesetzt werden oder es wird auf Basis der prognostizierten Gesamtdauer der Überlassung ein Durchschnittswert gebildet, so dass der Ansatz eines einheitlichen durchgängigen Verrechnungssatzes möglich ist (Nießen/Fabritius, BB 2013, 375, 379).

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§ 7 Arbeitsschutz14 (1) Nach § 11 Abs. 6 AÜG unterliegt die Tätigkeit des Arbeitnehmers den für den Betrieb des Entleihers geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzes. Dies sich hieraus ergebenden Pflichten für den Arbeitgeber obliegen dem Entleiher unbeschadet der Pflichten des Verleihers. (2) Der Entleiher wird den Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung und bei Veränderungen in seinem Arbeitsbereich über Gefahren für Sicherheit und Gesundheit, denen er bei der Arbeit ausgesetzt sein kann, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren zu unterrichten.15 evtl: (3) Der Arbeitnehmer benötigt für die in der Anlage 2/in § 2 genannten Tätigkeiten die folgende persönliche Schutzausrüstung: [ . . .]. Diese wird vom Verleiher [alternativ: Entleiher] gestellt. Sollten weitere persönliche Schutzausrüstungen notwendig sein, werden diese vom Entleiher gestellt.16 §8

Unfallmeldepflicht

(1) Der Entleiher wird dem Verleiher einen Arbeitsunfall des überlassenen Arbeitnehmers unverzüglich melden. (2) Ein meldepflichtiger Arbeitsunfall ist gemeinsam zu untersuchen. Der Entleiher gewährt dem Verleiher freien Zutritt zu den Arbeitsplätzen/Bereichen, in denen Arbeitnehmer nach der Anlage 2/§ 2 eingesetzt werden.17 § 9 Auswahl und Abberufung von Arbeitnehmern (1) Der Verleiher sichert zu, keinen Arbeitnehmer zu überlassen, der in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung in einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher oder mit einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern (§ 18 AktG) bildet, stand.18 (2) Der Entleiher kann einen Arbeitnehmer binnen [ . . .] Stunden nach Beginn der Überlassung durch schriftliche Erklärung zurückweisen, wenn dieser nicht für die vorgesehene Tätigkeit geeignet ist. Der Verleiher ist zur sofortigen Gestellung einer geeigneten Ersatzkraft verpflichtet. (3) Zu einem späteren Zeitpunkt kann der Entleiher vom Verleiher die Abberufung eines Arbeitnehmers für den nächsten Arbeitstag durch schriftliche Erklärung verlan-

14 Sofern notwendig, könnte hier auch eine Regelung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge getroffen werden. 15 Vgl. § 11 Abs. 6 Satz 2 AÜG. 16 Die Verteilung zwischen Verleiher und Entleiher kann auch – je nach Zweckdienlichkeit – anders geregelt werden. 17 Da der Verleiher ebenfalls für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften verantwortlich ist, sollte er sich ein Zutrittsrecht zum Arbeitsplatz vertraglich vorbehalten. Entleiher, die dies nicht zulassen möchten, sollten diesen Absatz streichen. 18 Diese Zusicherung ist aufgrund der Einführung der Drehtürklausel in §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4, 9 Nr. 2 AÜG notwendig, vgl. Einf. Rz. 11a.

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gen, wenn der Entleiher dessen Weiterbeschäftigung aus leistungs-, personen- oder verhaltensbedingten Gründen19 ablehnt. (4) Der Entleiher kann den Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Verleiher zurückweisen, wenn ein Grund vorliegt, der den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen Kündigung (§ 626 BGB) berechtigen würde. In diesem Fall ist der Verleiher zur sofortigen Gestellung einer geeigneten Ersatzkraft verpflichtet. (5) In den Fällen des entschuldigten oder unentschuldigten Fehlens eines Arbeitnehmers hat der Verleiher auf Anforderung des Entleihers sofort geeigneten Ersatz zu stellen. (6) Kommt der Verleiher dem Verlangen nach Stellung einer Ersatzkraft entsprechend den vorherigen Absätzen nicht nach, kann der Entleiher den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag über den betreffenden Arbeitnehmer fristlos kündigen. Etwaige Schadensersatzansprüche des Entleihers bleiben unberührt. § 10 Austausch von Arbeitnehmern Der Verleiher ist berechtigt, aus innerbetrieblichen, organisatorischen oder gesetzlichen Gründen den überlassenen Arbeitnehmer auszutauschen und einen fachlich gleichwertigen Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Der Verleiher ist dabei bemüht, die besonderen Interessen und Verhältnisse im Betrieb des Entleihers zu berücksichtigen.20 § 11

Pflichten des Verleihers

(1) Der Verleiher steht dafür ein, dass die Arbeitnehmer die notwendige Qualifikation für die Ausführung der in der Anlage 2 zu diesem Vertrag/in § 2 näher bezeichneten Tätigkeiten besitzen. Auf Verlangen ist der Verleiher zur Vorlage von Zeugnissen oder sonstigen Qualifikationsnachweisen der überlassenen Arbeitnehmer verpflichtet. (2) Der Verleiher hat die überlassenen Arbeitnehmer auf die Wahrung der Firmeninteressen des Entleihers zu verpflichten, soweit nicht berechtigte Interessen des Verleihers entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung zur Verschwiegenheit über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowohl während der Dauer der Tätigkeit im Betrieb des Entleihers als auch nach deren Beendigung. (3) Der Verleiher verpflichtet sich, bei der Überlassung eines nicht-deutschen Arbeitnehmers, der der Arbeitserlaubnis bedarf, die jeweils gültige Arbeitserlaubnis sowie

19 Verleiher sollten die Ablehnung auf solche Gründe beschränken, die einen Arbeitgeber nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes zu einer personen- und/oder verhaltensbedingten Kündigung berechtigen würde. 20 Vgl. Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 387. Der Verleiher ist ohne vertragliche Regelung nicht ohne weiteres zum Austausch von Leiharbeitnehmern berechtigt; insbesondere wenn die zu überlassenden Leiharbeitnehmer bereits im Vertrag benannt sind. Verleiher sollten sich daher vorsorglich ein Austauschrecht einräumen lassen; dies kann aber den Interessen des Entleihers zuwiderlaufen, wenn der Leiharbeitnehmer bereits gut eingearbeitet ist. Zudem sollten Verleiher bei Vereinbarung des Austauschrechts beachten, dass daraus auch eine Austauschverpflichtung folgen kann, wenn vergleichbare Leiharbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt werden sollen und eine Sozialauswahl durchzuführen ist (vgl. Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 394).

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– soweit erforderlich – die entsprechende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz vorzulegen.21 (4) Bei Streik, Aussperrung, vorübergehender Betriebsstilllegung und während der Dauer von Betriebsversammlungen kann der Entleiher verlangen, dass die Vertragspflichten ruhen. Der Verleiher verpflichtet sich, im Falle des § 11 Abs. 5 AÜG den Arbeitnehmer auf sein Arbeitsverweigerungsrecht hinzuweisen. (5) Der Verleiher verpflichtet sich, auf Verlangen des Entleihers mit Rücksicht auf die nach §§ 28e SGB IV bzw. 42d EStG bestehende Haftung des Entleihers für die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer der überlassenen Arbeitnehmer entweder Bürgschaftserklärungen oder Garantieerklärungen (Avalkredite) beizubringen.22 (6) Der Entleiher kann vom Verleiher jederzeit die Vorlage von Bescheinigungen über die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer für die überlassenen Arbeitnehmer an die zuständigen Einzugsstellen bzw. das Finanzamt verlangen. (7) Wird der Entleiher gemäß §§ 28e SGB IV bzw. 42d EStG von der zuständigen Einzugsstelle bzw. dem Finanzamt in Anspruch genommen, ist er berechtigt, die dem Verleiher geschuldete Vergütung in Höhe der von der jeweiligen Einzugsstelle bzw. dem Finanzamt geltend gemachten Forderungen einzubehalten, bis der Verleiher nachweist, dass er die Beiträge bzw. die Lohnsteuer ordnungsgemäß abgeführt hat. § 12

Pflichten des Entleihers

(1) Der Entleiher informiert den Verleiher, ob und zu welchen Gemeinschaftseinrichtungen/-diensten im Sinne des § 13b AÜG die überlassenen Arbeitnehmer Zugang erhalten. Der Entleiher wird dem Verleiher die für die Lohnnbesteuerung erforderlichen Kennzahlen für den den überlassenen Arbeitnehmern nach § 13b AÜG gewährten Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen/-diensten auf Anfrage übermitteln.23 (2) Der Entleiher ist nach § 17c Abs. 1 AÜG verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit des überlassenen Arbeitnehmers aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren.24 (3) Der Entleiher ist auf Verlangen des Verleihers verpflichtet, diesem Ablichtungen seiner Aufzeichnungen nach Absatz 2 zur Verfügung zu stellen.25 Die Kosten der Ablichtungen werden vom Verleiher getragen. 21 Die Überlassung eines ausländischen Arbeitnehmers ohne die Genehmigung nach § 284 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist gemäß § 15 Abs. 1 AÜG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht, in besonders schweren Fällen sogar mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. 22 Die Sozialversicherungsträger können den Entleiher im Rahmen seiner gesetzlich angeordneten Bürgenhaftung in Anspruch nehmen, wenn der Verleiher keine oder zu geringe Sozialversicherungsbeiträge für den betreffenden Leiharbeitnehmer abführt (§ 28e Abs. 2 SGB IV). Der Entleiher haftet zudem nach § 42d EStG für die Abführung der Lohnsteuer, wenn der Verleiher über keine Verleiherlaubnis verfügt; die Haftung ist ausgeschlossen, wenn er über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte. 23 Der Verleiher ist darauf angewiesen, vom Entleiher die für die Lohnbesteuerung erforderlichen Daten vom Entleiher zu erhalten; die Übermittlung wird aber regelmäßig nicht kostenlos erfolgen (Kock, BB 2012, 323, 326); der Zugang der Leiharbeitnehmer zu den Gemeinschaftseinrichtungen darf wegen § 9 Nr. 2a AÜG nicht vertraglich ausgeschlossen werden. 24 Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann mit einem Bußgeld geahndet werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 17 AÜG). 25 Vgl. § 17c Abs. 2 AÜG.

Lingemann 453

Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

M 10.2

evtl:26 (4) Der Entleiher gibt in der Anlage 3 an, welche besonderen Merkmale die für die Arbeitnehmer nach Anlage 2/§ 2 vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist sowie welche im Betrieb des Entleihers für alle vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gelten.27 Der Entleiher unterrichtet während der Laufzeit diese Vertrages den Verleiher ständig schriftlich über Veränderungen der Angaben nach Satz 1. (5) Der Entleiher stellt den Verleiher von allen Ansprüchen der aufgrund dieses Vertrages überlassenen Arbeitnehmer frei, die diese über die bei Beginn der Überlassung festgesetzte Vergütung hinausgehend nach § 10 Abs. 4 AÜG deshalb erlangen, weil die Angaben nach Absatz 1 unvollständig sind oder waren. § 13

Haftung

Haftungsbeschränkung des Verleihers:28 (1) Der Verleiher haftet nicht für die Ausführung der Arbeiten durch den überlassenen Arbeitnehmer sowie für Schäden, die dieser in Ausübung seiner Tätigkeit verursacht. Der Entleiher ist verpflichtet, den Verleiher von allen Ansprüchen freizustellen, die Dritte im Zusammenhang mit der Ausführung und der Verrichtung der dem überlassenen Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeiten erheben. (2) Für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit haftet der Verleiher bei eigenem oder Verschulden seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen nach den gesetzlichen Bestimmungen. (3) Für alle sonstigen Schäden haftet der Verleiher bei eigenem oder Verschulden seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen nur bei Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Die Haftung für leichte/normale Fahrlässigkeit ist ausgeschlossen. Dies gilt sowohl für die Haftung für die sorgfältige Auswahl des Arbeitnehmers als auch für alle anderen Fälle (Verzug, Unmöglichkeit, positive Vertragsverletzung, Verschuldung bei Vertragsschluss, etc.). (4) Verletzt der Verleiher eine Pflicht aus diesem Vertrag, hat der Entleiher darzulegen und zu beweisen, dass die Pflichtverletzung durch den Verleiher zu vertreten ist. alternativ Haftungsbeschränkung des Entleihers: (1) Die Haftung des Entleihers gegenüber dem Verleiher ist bei Sach- und Vermögensschäden auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Die Haftung für schuldloses Handeln wird auch bei Personenschäden ausgeschlossen. (2) Haftet der Entleiher gegenüber Dritten auf Schadensersatz infolge von rechtsoder vertragswidrigen Handlungen des Verleihers oder seiner Leiharbeitnehmer, wird ihn der Verleiher von dieser Haftung gegenüber Dritten freistellen. 26 Diese Regelung soll den Verleiher vor dem Risiko einer Fehlkalkulation schützen, wenn er unerwartet eine höhere Vergütung zahlen muss, weil es besser bezahlte vergleichbare Arbeitnehmer beim Entleiher gibt. Die Klausel ist überflüssig, wenn ausschließlich Arbeitnehmer mit Verträgen nach M 10.1.2 verliehen werden, da sich deren Vergütung nach dem Tarifvertrag richtet. 27 Zur Auskunftspflicht s. § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG. 28 Formulierungsvorschläge nach Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 387 ff.

454 Lingemann

M 10.2

Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

(3) Der Verleiher wird den Entleiher sowie dessen Erfüllungsgehilfen von Schadensersatzansprüchen der überlassenen Leiharbeitnehmer des Verleihers freistellen. Dies gilt nicht, soweit vorsätzliches Handeln des Entleihers oder des Erfüllungsgehilfen gegeben ist oder soweit ein Versicherungsträger für den Schaden eintritt. (4) Im Falle eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des AGG stellt der Verleiher den Entleiher von allen Ansprüchen des betroffenen überlassenen Leiharbeitnehmers nach dem AGG frei. § 14

Vermittlungsprovision29

(1) Übernimmt der Entleiher den Arbeitnehmer aus dem Überlassungsvertrag, so gilt dies als Vermittlung. (2) Für diese Vermittlung gilt ein Vermittlungshonorar gemäß nachstehender Tabelle als vereinbart:30 – Überlassung bis zu drei Monaten Euro . . . (zB 3 000)31 – Überlassung von bis zu sechs Monaten Euro . . . (zB 2 000), jeweils zzgl. gesetzlicher MwSt. (3) Nach einer Überlassungsdauer von mehr als sechs Monaten wird kein Honorar mehr berechnet. 29 Vereinbarungen von Vermittlungshonoraren sind für Verleiher insbesondere dann wichtig, wenn auf dem Arbeitsmarkt gefragte Leiharbeitnehmer überlassen werden. Der Verleiher kann sich damit seine Vermittlungsleistung – Vermittlung unter Erprobungsbedingungen – vergüten lassen. Die Höhe der Vermittlungsprovision darf allerdings nicht den sozialpolitisch erwünschten Wechsel des Leiharbeitnehmers zum Entleiher erschweren und muss sich insofern an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB messen lassen, vgl. BGH v. 7.12.2006, NJW 2007, 764: Euro 3 000,– für eine Vermittlung nach einer Überlassung von bis zu drei Monaten wurde als angemessen erachtet; vgl. auch Küpperfahrenberg/Lagardère, BB 2012, 2952; Lembke/Fesenmeyer, DB 2007, 801; Rieble, LMK 2007, 213295. 30 Für die Höhe des Honorars sind drei Kriterien maßgeblich, nämlich (1) die Dauer des vorangegangenen Verleihs, (2) die Höhe des vom Entleiher für den Verleih bereits gezahlten Entgelts und (3) der Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers (BTDrucks. 15/1749, S. 29; BT-Drucks. 15/6008, S. 11; BAG v. 11.3.2010, BB 2010, 1478 m. Anm. Ulrici). Das BAG hat eine Klausel gemäß diesem Muster in der Entscheidung v. 7.12.2006, BB 2007, 332, 333, gebilligt (strenger aber zB Lembke/Fesenmeyer, DB 2007, 801, 803). Da die Klausel nach der Verleihdauer bereits differenziert, muss bei der Vereinbarung der Provision – im Beispiel Euro 3 000 bzw. Euro 2 000 – für jede Vereinbarung noch jeweils das Entgelt und der Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers einbezogen werden. Insbesondere bei einfachen Tätigkeiten kann die Vereinbarung einer Vermittlungsprovision unangemessen hoch sein und den Entleiher damit von der Übernahme des Leiharbeitnehmers abhalten (Küpperfahrenberg/Lagardère, BB 2012, 2952, 2954); anders BGH v. 10.11.2011 – III ZR 77/11, DB 2011, 2852, wenn die Höhe der Provision an das Entgelt anknüpft, wodurch in aller Regel ein stimmiges Verhältnis zur Qualifikation und Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers sowie zum „Marktwert“ seiner Arbeitsleistung und einer hierauf bezogenen Personalvermittlung hergestellt wird. Die Vereinbarung eines nicht nach der Dauer gestaffelten Fixbetrages ist wegen Verstoßes gegen § 9 Nr. 3 Halbs. 1 AÜG nicht mehr wirksam (BAG v. 11.3.2010, BB 2010, 1478 m. Anm. Ulrici). 31 In der Literatur werden Provisionen zwischen einem und drei Bruttomonatsgehältern diskutiert (Benkert, BB 2004, 998; Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 82). Der BGH hielt eine Provision iHv. 1,8 Bruttomonatsgehältern für eine Übernahme nach bis zu dreimonatiger Überlassungsdauer für angemessen (BGH v. 10.11.2011 – III ZR 77/11, DB 2011, 2852). Die Provision sollte daher vorsorglich nicht mehr als zwei Bruttomonatsgehälter betragen.

Lingemann 455

Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

M 10.2

(4) Das jeweilige Honorar ist fällig mit Abschluss des Arbeitsvertrages zwischen dem Arbeitnehmer und dem Entleiher. § 15

Einhaltung des AGG32

(1) Der Verleiher sichert zu, dass alle überlassenen Arbeitnehmer nach § 12 AGG hinreichend geschult sind. (2) Der Entleiher stellt sicher, dass die überlassenen Arbeitnehmer von ihm und seinen Arbeitnehmern nach Maßgabe des AGG behandelt werden. (3) Im Falle eines Verstoßes durch den Entleiher oder seine Arbeitnehmer gilt Folgendes: a) Der Entleiher ist verpflichtet, den Verleiher unverzüglich von dem Verstoß zu unterrichten. b) Der Verleiher ist berechtigt, den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag hinsichtlich des betroffenen überlassenen Arbeitnehmers fristlos zu kündigen; er ist nicht zur Stellung eines Ersatzes verpflichtet, Schäden auf Grund der vorzeitigen Beendigung hat der Entleiher zu ersetzen. c) Der Entleiher stellt den Verleiher von allen Ansprüchen des betroffenen überlassenen Arbeitnehmers nach dem AGG frei. d) Der Entleiher ersetzt dem Verleiher durch den vorzeitigen Abbruch des Vertrages entstandene Schäden. § 16

Schriftform

Änderungen und/oder Ergänzungen zu diesem Vertrag durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Änderungen und/oder Ergänzungen dieses Vertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.33 § 17

Sonstige Vereinbarungen

(1) Die Einkaufsbedingungen und die Liefervorschriften des Entleihers [alternativ: die Allgemeinen Verleihbedingungen des Verleihers] sind Bestandteile dieses Vertrages und finden sinngemäß Anwendung. (2) Sollten eine oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrages nichtig sein oder werden oder dem AÜG nicht entsprechen, so sind Verleiher und Entleiher verpflichtet, die nichtige Bestimmung durch eine neue, dem Sinn und Zweck des Vertrages entsprechende Bestimmung schriftlich zu ersetzen. Die übrigen Vertragsteile werden dadurch nicht berührt. (3) Gerichtsstand ist für beide Teile . . . ... (Ort, Datum)

... (Ort, Datum)

... (Verleiher)

... (Entleiher)

32 Zu beachten ist, dass der Leiharbeitnehmer Verstöße des Entleihers gegen das AGG vor den Arbeitsgerichten geltend machen kann (BAG v. 15.3.2011, NZA 2011, 653). 33 Vgl. zur Schriftformklausel Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14 m. Anm.

456 Lingemann

M 10.2

Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

Anlage 134 (Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis) Anlage 235 Name, Vorname: Anschrift: Tätigkeit, ggf. besondere Merkmale: Qualifikation: Einsatzzeit: Krankenkasse: Vergütung: ggf.: Tarif: Arbeitszeit: Anlage 3 Wesentliche Arbeitsbedingungen beim Entleiher36 . . . (Name und Anschrift des Entleihers) für eine Tätigkeit als . . .37 Arbeitsbedingungen Vergütung – Lohn/h: – Zuschläge: – Sonderzahlungen:38 Arbeitszeit: Ggf.: Anwendbarer Tarifvertrag Anwendbare Betriebsvereinbarungen 34 Da der Überlassungsvertrag die Schriftform wahren muss (§ 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG), sollten die Anlagen vorsorglich hinreichend deutlich auf den Vertrag Bezug nehmen (zB „Anlage 1 zum Vertrag zwischen . . . und . . . vom . . .“) und höchstvorsorglich auch unterschrieben oder paraphiert sein. 35 Sofern für den Einsatz beim Entleiher besondere Voraussetzungen erforderlich sind, bspw. Führungszeugnis ohne Eintragung, sollte dies ebenfalls in der Anlage 2 aufgenommen werden. 36 Zur Frage, welche Bedingungen wesentlich sind, vgl. Röder/Krieger, DB 2006, 2122; Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 121 ff. 37 Zur Gruppenbildung vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 121 ff. 38 Diese sind nur zu zahlen, wenn sie auch einem im Entleiherbetrieb entsprechend befristet Beschäftigten gewährt würden, vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 132 ff.

Lingemann 457

Kap. 10

10.3

u

Arbeitnehmerüberlassung

M 10.3

Rahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung1

zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Verleiher) und der Firma . . . (im Folgenden: Entleiher) § 1 Verleihererklärung (1) Der Verleiher hat die befristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 AÜG. Diese Erlaubnis wurde von der [Erlaubnisbehörde] am [Datum] ausgestellt und ist zunächst befristet bis zum [Datum]. Eine Kopie der Erlaubnisurkunde der zuständigen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit ist diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügt. Der Verleiher wird den Entleiher spätestens drei Monate vor Ablauf der Erlaubnis darüber informieren, ob er fristgemäß den Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis gemäß § 2 Abs. 4 AÜG gestellt hat. Der Verleiher wird dem Entleiher unverzüglich nach Erhalt die Verlängerung der Erlaubnis in Kopie zusenden. oder: (1) Der Verleiher hat die unbefristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 AÜG. Diese Erlaubnis wurde von der [Erlaubnisbehörde] am [Datum] ausgestellt. Eine Kopie der Erlaubnisurkunde ist diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügt. (2) Der Verleiher verpflichtet sich, den Wegfall2 und alle Änderungen der Erlaubnis sowie bei Nichtverlängerung, Rücknahme oder Widerruf der Erlaubnis auch das voraussichtliche Ende der Abwicklung und die gesetzliche Abwicklungsfrist nach § 12 Abs. 2 AÜG dem Entleiher unverzüglich schriftlich anzuzeigen. (3) Der Verleiher erklärt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und den nach § 2 zu überlassenden Arbeitnehmern die Tarifverträge – in ihrer jeweils aktuellen Fassung – zwischen . . . und . . . Anwendung finden.3 Der Verleiher trägt dafür Sorge, dass die gesetzlichen und/oder tariflichen Lohnuntergrenzen nicht unterschritten werden.4

1 Der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher bedarf der Schriftform, § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Sofern nur eine einmalige Überlassung zwischen Verleiher und Entleiher geplant ist, kann das Vertragsmuster M 10.2 verwendet werden. 2 Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 AÜG muss der Verleiher den Entleiher unverzüglich über den Zeitpunkt des Wegfalls der Erlaubnis unterrichten, § 12 Abs. 2 Satz 2 AÜG. 3 Vgl. Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 378. Findet auf das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers kein den Gleichbehandlungsgrundsatz ausschließender Tarifvertrag der Zeitarbeit Anwendung, ist der Entleiher verpflichtet, im Verleihvertrag Angaben zu wesentlichen Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers zu machen (§ 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG). 4 Vgl. Spieler/Pollert, AuA 2011, 270, 271. Die weite Formulierung erfasst neben der Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG auch die Mindestlöhne nach dem AEntG, vgl. dazu Einf. Rz. 4, 4a.

458 Lingemann

M 10.3

Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

§ 2 Gegenstand des Vertrages (1) Vertragsgegenstand ist die entgeltliche Überlassung von Arbeitnehmern des Verleihers an den Entleiher auf der Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in der jeweils gültigen Fassung. (2) Durch diesen Rahmenvertrag wird keine Verpflichtung des Entleihers begründet, Arbeitnehmer beim Verleiher zu entleihen. Der konkrete Abruf von Arbeitnehmern ist gesonderten Personalanforderungen gemäß § 4 vorbehalten. § 3 Beginn und Dauer des Vertrages (1) Dieser Rahmenvertrag tritt zum [Datum] in Kraft und endet am [Datum]. Die Laufzeit verlängert sich jeweils um [zB ein Jahr], sofern der Vertrag nicht von einer Vertragspartei bis spätestens [zB vier Wochen] vor Laufzeitende gekündigt wird.5 (2) Beide Parteien können diesen Rahmenvertrag mit einer Frist von [zB vier Wochen zum Monatsende] kündigen. (3) Beide Vertragsparteien können diesen Vertrag jederzeit aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen. Die Parteien sind sich einig, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Entleiher insbesondere besteht, wenn die Erlaubnis des Verleihers zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern ihre Gültigkeit verliert. (4) Die Kündigung ist schriftlich zu erklären. § 4 Personalanforderung; Benennung der zu überlassenden Arbeitnehmer (1) Über die konkrete Arbeitnehmerüberlassung werden separate Verträge geschlossen (nachfolgend: „Personalanforderung“). Für die Personalanforderung gelten die Bedingungen dieses Rahmenvertrages, sofern keine abweichenden Regelungen getroffen werden. (2) Der Verleiher verpflichtet sich, dem Entleiher Arbeitnehmer mit den Qualifikationen und für die Tätigkeiten, die in der Anlage 2 zu diesem Vertrag aufgeführt sind, zur Arbeitsleistung zu überlassen. (3) Die Personalanforderung wird im Regelfall durch eine Anfrage des Entleihers per E-Mail eingeleitet, die noch keine rechtliche Bindung erzeugt. (4) Der Verleiher fertigt eine schriftliche Personalanforderung und sendet diese mit Originalunterschrift unverzüglich per Post an den Entleiher. Der Entleiher zeichnet vor der Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers auf derselben Urkunde gegen. Der Verleiher verzichtet gemäß § 151 Satz 1 BGB auf den Zugang dieser Annahmeerklärung.6 (5) In den Personalanforderungen sind insbesondere anzugeben: – die Bezugnahme auf ein in der Anlage 2 zu diesem Rahmenvertrag niedergelegtes Tätigkeitsprofil; wird hiervon abgewichen, ist konkret anzugeben, welche besonderen Merkmale die für den Arbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist, 5 Die Laufzeit kann auch abweichend von den im Muster genannten Zeiten geregelt werden. 6 Diese Auftragserteilung dient der Einhaltung des Schriftformerfordernisses nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG.

Lingemann 459

Kap. 11

Auslandseinsatz

– die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer sowie – Beginn und voraussichtliches Ende der vorgesehenen Tätigkeit. (6) Der Verleiher wird dem Entleiher die Namen der zu überlassenden Arbeitnehmer spätestens zehn Tage vor dem Einsatzbeginn schriftlich mitteilen.7 Sollte der Einsatz vor Ablauf der in Satz 1 genannten Frist erfolgen, ist der Verleiher verpflichtet, die Namen unverzüglich mitzuteilen. Kommt der Verleiher dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Entleiher berechtigt, den Einsatz der betreffenden Arbeitnehmer abzulehnen. §§ 5 ff.

s. Muster 10.2, §§ 5 ff.

7 Die namentliche Benennung der Leiharbeitnehmer ist für den Entleiher in der Regel nur erforderlich, wenn ein Betriebsrat besteht, der der Einstellung des Leiharbeitnehmers nach § 99 BetrVG zustimmen muss.

N N Q NNNN

Kapitel 11

Auslandseinsatz

Literaturübersicht: Bayreuther, Ist die Lohnwucherrechtsprechung international-privatrechtlich zwingend?, NZA 2010, 1157; Bayreuther, Vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit zu Gunsten der MOE-Staaten, DB 2011, 706; Becker/Bohn, Doppelbesteuerungsrisiken bei Dienstleistungserbringung im Ausland, DB 2013, 1195; Däubler, Die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte, NZA 2003, 1297; Eisenbeis, Auslandseinsatz und Kündigungsschutz, FA 2011, 357; Emmert/Widhammer, Multinationale Arbeitsverhältnisse in Europa – Welches Arbeitsvertrags- und Sozialversicherungsrecht gilt?, ArbR Aktuell 2010, 214; Gemmel, Personaleinsatz über Grenzen hinweg, AuA 2008, 270; Gravenhorst, Kündigungsschutz bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug, RdA 2007, 283; Hantel, Arbeitsrechtliche Probleme beim Auslandseinsatz, NJ 2008, 486; Hasbargen/Höreth, Steuerberatungsgebühren bei Nettolohnvereinbarungen, DStR 2010, 1169; Heilmann, Auslandsarbeit, AR-Blattei, 1; Joussen, Ausgewählte Probleme der Ausstrahlung im europäischen Sozialversicherungsrecht, NZS 2003, 19; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 1992; Junker, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht in Arbeitssachen, NZA 2005, 199; Kronisch, Auslandstätigkeit will gut vorbereitet sein, AuA 2001, 119; Lindemann, Vorzeitige Rückkehr von entsandten Arbeitnehmern aus Krisenregionen – Rechte und Pflichten von Unternehmen und Mitarbeitern, ArbR Aktuell 2011, 133; Lingemann/ von Steinau-Steinrück, Konzernversetzung und Kündigungsschutz, DB 1999, 2161; Majer, Staatenimmunität bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zwischen ausländischen Staaten und deren Mitarbeitern, NZA 2010, 1395; Mastmann/Stark, Vertragsgestaltung bei Personalentsendungen ins Ausland, BB 2005, 1849; Mauer, Herausforderungen bei einer Auslandsentsendung, AuA 2009, 334; Mauer, Personaleinsatz im Ausland, 2. Aufl. 2013; Niermann, Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen, IWB 2007/5, Fach 3, Gruppe 2, 1345; Nowak/Bollin, Leistungspflicht des Arbeitgebers bei Beschäftigung von privat krankenversicherten Arbeitnehmern im Ausland, NZS 2010, 668; Portner, Arbeitnehmerentsendungen – Gleichbehandlung von Arbeitgeberbeiträgen zur betrieblichen Altersversorgung, DStR 2010, 2011; Portner, Steuerrechtliche Aspekte der betrieblichen Altersversorgung bei international mobilen Arbeitnehmern, BB 2012, 351; Pulte, Arbeitsverträge bei Auslandseinsatz, 3. Aufl. 2004; Raspels/Elert, Praxishandbuch Auslandseinsatz von Mitarbeitern, 2013; Reichel/Spieler, Vertragsgestaltung bei internationalem Arbeitseinsatz, BB 2011, 2741; Ricken, Versicherungsrechtliche Bewertung kurzfristiger Auslandsentsendungen in Konzernunternehmen, NZA 2012, 198; Riesenhuber, Die konkludente Rechtswahl im Arbeitsvertrag, DB 2005, 1571; Sagan/Hübner, Die Sozialversicherungspflicht von Vorstandsmitgliedern in- und ausländischer Aktiengesell-

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Kap. 11

Auslandseinsatz

– die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer sowie – Beginn und voraussichtliches Ende der vorgesehenen Tätigkeit. (6) Der Verleiher wird dem Entleiher die Namen der zu überlassenden Arbeitnehmer spätestens zehn Tage vor dem Einsatzbeginn schriftlich mitteilen.7 Sollte der Einsatz vor Ablauf der in Satz 1 genannten Frist erfolgen, ist der Verleiher verpflichtet, die Namen unverzüglich mitzuteilen. Kommt der Verleiher dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Entleiher berechtigt, den Einsatz der betreffenden Arbeitnehmer abzulehnen. §§ 5 ff.

s. Muster 10.2, §§ 5 ff.

7 Die namentliche Benennung der Leiharbeitnehmer ist für den Entleiher in der Regel nur erforderlich, wenn ein Betriebsrat besteht, der der Einstellung des Leiharbeitnehmers nach § 99 BetrVG zustimmen muss.

N N Q NNNN

Kapitel 11

Auslandseinsatz

Literaturübersicht: Bayreuther, Ist die Lohnwucherrechtsprechung international-privatrechtlich zwingend?, NZA 2010, 1157; Bayreuther, Vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit zu Gunsten der MOE-Staaten, DB 2011, 706; Becker/Bohn, Doppelbesteuerungsrisiken bei Dienstleistungserbringung im Ausland, DB 2013, 1195; Däubler, Die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte, NZA 2003, 1297; Eisenbeis, Auslandseinsatz und Kündigungsschutz, FA 2011, 357; Emmert/Widhammer, Multinationale Arbeitsverhältnisse in Europa – Welches Arbeitsvertrags- und Sozialversicherungsrecht gilt?, ArbR Aktuell 2010, 214; Gemmel, Personaleinsatz über Grenzen hinweg, AuA 2008, 270; Gravenhorst, Kündigungsschutz bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug, RdA 2007, 283; Hantel, Arbeitsrechtliche Probleme beim Auslandseinsatz, NJ 2008, 486; Hasbargen/Höreth, Steuerberatungsgebühren bei Nettolohnvereinbarungen, DStR 2010, 1169; Heilmann, Auslandsarbeit, AR-Blattei, 1; Joussen, Ausgewählte Probleme der Ausstrahlung im europäischen Sozialversicherungsrecht, NZS 2003, 19; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 1992; Junker, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht in Arbeitssachen, NZA 2005, 199; Kronisch, Auslandstätigkeit will gut vorbereitet sein, AuA 2001, 119; Lindemann, Vorzeitige Rückkehr von entsandten Arbeitnehmern aus Krisenregionen – Rechte und Pflichten von Unternehmen und Mitarbeitern, ArbR Aktuell 2011, 133; Lingemann/ von Steinau-Steinrück, Konzernversetzung und Kündigungsschutz, DB 1999, 2161; Majer, Staatenimmunität bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zwischen ausländischen Staaten und deren Mitarbeitern, NZA 2010, 1395; Mastmann/Stark, Vertragsgestaltung bei Personalentsendungen ins Ausland, BB 2005, 1849; Mauer, Herausforderungen bei einer Auslandsentsendung, AuA 2009, 334; Mauer, Personaleinsatz im Ausland, 2. Aufl. 2013; Niermann, Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen, IWB 2007/5, Fach 3, Gruppe 2, 1345; Nowak/Bollin, Leistungspflicht des Arbeitgebers bei Beschäftigung von privat krankenversicherten Arbeitnehmern im Ausland, NZS 2010, 668; Portner, Arbeitnehmerentsendungen – Gleichbehandlung von Arbeitgeberbeiträgen zur betrieblichen Altersversorgung, DStR 2010, 2011; Portner, Steuerrechtliche Aspekte der betrieblichen Altersversorgung bei international mobilen Arbeitnehmern, BB 2012, 351; Pulte, Arbeitsverträge bei Auslandseinsatz, 3. Aufl. 2004; Raspels/Elert, Praxishandbuch Auslandseinsatz von Mitarbeitern, 2013; Reichel/Spieler, Vertragsgestaltung bei internationalem Arbeitseinsatz, BB 2011, 2741; Ricken, Versicherungsrechtliche Bewertung kurzfristiger Auslandsentsendungen in Konzernunternehmen, NZA 2012, 198; Riesenhuber, Die konkludente Rechtswahl im Arbeitsvertrag, DB 2005, 1571; Sagan/Hübner, Die Sozialversicherungspflicht von Vorstandsmitgliedern in- und ausländischer Aktiengesell-

460 Lingemann

Auslandseinsatz

Kap. 11

schaften, AG 2011, 852; Schipp, Die Rechtsstellung von Arbeitnehmern bei Entsendung nach Deutschland, ArbRB 2010, 247; Schneider, Einfluss der Rom I-Verordnung auf die Arbeitsvertragsgestaltung mit Auslandsbezug, NZA 2010, 1380; Schüren/Wilde, Die neue Entsendebescheinigung A1 und die Voraussetzungen ihrer Erteilung, NZS 2011, 121; Schwab/Engelmann/Tischler-Kolbe, Entsendung von Mitarbeitern in das Ausland, NWB 26/2010, 2063 und NWB 4/2011, 299; Seel, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerentsendung – Ein Überblick über arbeits-, sozial- und steuerrechtliche Fragen, MDR 2011, 5; Straube, AGB-Kontrolle von Entsendungsverträgen, DB 2012, 2808; Wellisch/Näth, Lohnbesteuerung in Deutschland bei internationalen Mitarbeiterentsendungen, IStR 2005, 433; Werthebach, Arbeitnehmereinsatz im Ausland – Sozialversicherung und anwendbares Recht bei befristeter Entsendung, NZA 2006, 247; Ziesecke/Gelsheimer/Meyen, Steuerberatungskosten als Arbeitslohn bei Tätigkeit im Ausland und Vorliegen einer Nettolohnvereinbarung, IStR 2010, 770.

I. Einführung 1. Vertragstypen1 Beim Auslandseinsatz von Arbeitnehmern ist zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Vertragstypen zu unterscheiden, der (hier so genannten) Entsendung und der Versetzung. Bei der Entsendung2 bleibt der ursprüngliche Anstellungsvertrag mit dem Stammhaus bestehen.3 Die Besonderheiten des Auslandseinsatzes werden in einem gesonderten Entsendevertrag – oft auch in Form eines bestätigten Entsendeschreibens – vereinbart, der nur für die Zeit des Auslandseinsatzes gilt. Demgegenüber schließt der Mitarbeiter bei der Versetzung einen Anstellungsvertrag mit dem Tochterunternehmen oder der Niederlassung im Ausland. Der Anstellungsvertrag mit dem Inlandsunternehmen ruht für die Zeit der Entsendung. An seine Stelle tritt ein Stammhausbindungsvertrag, der Verpflichtungen des Stammhauses während des Auslandseinsatzes regelt. Wird der Arbeitnehmer nur kurzfristig ins Ausland entsandt – zB für eine Montage –, so spricht man auch von einer Abordnung. Wird die vertragliche Verbindung zum Stammhaus vollständig gelöst und besteht nur noch eine Verbindung zum ausländischen Unternehmen, so spricht man von Übertritt. Dargestellt werden hier die Entsendung und Versetzung als häufigste vertragliche Regelung.

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2. Nachweispflichten4 § 2 Abs. 2 NachwG enthält Mindestanforderungen an die Vereinbarungen für einen Auslandseinsatz. Sofern der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung mehr als einen Monat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen hat, muss ihm vor seiner Abreise die Niederschrift ausgehändigt werden. Über den Anstellungsvertrag hinaus muss diese zusätzliche Angaben enthalten über 1 Vgl. zu den einzelnen Vertragsgestaltungen auch Seel, MDR 2011, 5. 2 Die EU-Kommission plant derzeit eine Durchsetzungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie 97/71/EG, mit der die Überwachung und Einhaltung der Bestimmungen verstärkt werden soll. Zudem soll eine weitere Verordnung deutlich machen, dass Arbeitnehmerrechte und insbesondere das Streikrecht auf einer Stufe mit der Dienstleistungsfreiheit stehen. 3 War dieses Arbeitsverhältnis einem inzwischen auf einen Betriebserwerber übergegangenen Betriebsteil zugeordnet, so ist der Betriebserwerber nach Auslaufen des Auslandsarbeitsverhältnisses alleiniger Arbeitgeber gemäß § 613a BGB, BAG v. 14.7.2005, NZA 2005, 1411. 4 Rspr.-Übersicht zum Nachweisgesetz: Melms, RdA 2006, 171.

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– die Dauer der im Ausland auszuübenden Tätigkeit; – die Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird; – ein zusätzliches mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes Arbeitsentgelt und damit verbundene Sachleistungen; – die vereinbarten Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitnehmers.5

3. Anwendbares Individualarbeitsrecht und Gerichtsstand6 3

Nach europäischem internationalem Privatrecht7 unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht, Art. 3 Rom-I-VO. Dabei können die Parteien die Rechtswahl für den ganzen Vertrag oder nur für einen Teil treffen.8 Dieser Grundsatz der freien Rechtswahl wird allerdings eingeschränkt durch Art. 8 Rom-I-VO.9 Danach darf die Rechtswahl bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das gemäß Art. 8 Abs. 2, 3 und 4 RomI-VO mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Zu den zwingenden Vorschriften deutschen Rechts zählen alle nicht dispositiven Normen, insbesondere der Kündigungsschutz nach §§ 1 ff. KSchG,10 die Kündigungsfristen, § 613a BGB, §§ 74 ff. HGB,11 das EFZG sowie das Arbeitnehmererfindungsgesetz. Mangels Rechtswahl findet auf den Arbeitsvertrag grundsätzlich das Recht des gewöhnlichen Verrichtungsorts Anwendung, Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO. Bei nur vorübergehender Entsendung aus Deutschland bleibt deutsches Recht aber anwendbar, 8 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO. Bei einer nicht nur vorübergehenden Entsendung ist demgegenüber nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO das Recht des Einsatzlandes anwendbar. Eine Entsendung ist vorübergehend, wenn von dem Arbeitnehmer erwartet wird, dass er nach seiner Rückkehr seine Tätigkeit beim entsendenden Arbeitgeber wieder aufnimmt.12 Bei einer Versetzung gilt für den ruhenden deutschen Anstellungsvertrag deutsches Recht; für den Vertrag mit der ausländischen Niederlassung oder Tochtergesellschaft gilt regelmäßig das Recht des Einsatzlandes;13 der Stammhausbindungsvertrag wiederum unterliegt in der Regel deutschem Recht, jedenfalls weil sich in der Regel gemäß Art. 8 Abs. 4 Rom-I-VO aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis die engsten Verbindungen zum deutschen Recht aufweist. Die Parteien sind deutsch, die Sprache ist deutsch, die Leistungen aus dem Stammhausbindungsvertrag werden regelmäßig in deutscher Währung er5 Zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 148. 6 Dazu eingehend Däubler, NZA 2003, 1297; Thüsing, NZA 2003, 1303; Junker, NZA 2005, 199. 7 Die Art. 27–37 EGBGB gelten nicht für Verträge, die nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden. Für diese Verträge gilt vielmehr die Rom-I-VO, die auch hier zugrunde gelegt wird. 8 Ausführlich zur konkludenten Rechtswahl: Riesenhuber, DB 2005, 1571. 9 PWW/Lingemann Art. 8 Rom-I-VO Rz. 1 ff. 10 Vgl. auch Reiter, NZA 2004, 1246. 11 LAG Hessen v. 14.8.2000, IPRspr. 2000, Nr. 40, S. 82; vgl. auch Thomas/Weidmann, Wirksamkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote in Fällen mit Auslandsbezug, DB 2004, 2694. 12 Erwägungsgrund 36 der Rom-I-VO. 13 BAG v. 21.1.1999, DB 1999, 806.

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bracht, Ort des Vertragsschlusses ist regelmäßig Deutschland, ebenso der Sitz des Arbeitgebers. Im Hinblick auf Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten ausüben (Monteure, Arbeitnehmer im transportierenden Gewerbe), hat der EuGH14 entschieden, dass das Kriterium „gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ weit auszulegen sei. Erfasst sei auch der Ort, von dem aus der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübe, sog. Einsatzbasis oder base rule. Das Kriterium der „Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat“, Art. 8 Abs. 3 Rom-I-VO, könne demgegenüber nur zur Anwendung kommen, wenn das angerufene Gericht weder einen Staat, in dem, noch einen Staat, von dem aus der Arbeitnehmer seine Tätigkeit gewöhnlich verrichtet, ermitteln kann.. Diese Rechtsprechung des EuGH ergibt sich inzwischen direkt aus Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO. Es bleiben damit wenige Fälle, in denen das anwendbare Recht anhand der einstellenden Niederlassung nach Art. 8 Abs. 3 Rom-I-VO ermittelt wird (zB Seeleute). Sofern der Vertrag mit der deutschen Niederlassung oder dem deutschen Stammhaus geschlossen wurde, gilt deutsches Recht. Das Kriterium „Niederlassung, . . . die den Arbeitnehmer eingestellt hat“ zielt allein auf den formalen Abschluss des Arbeitsvertrags ab,15 auf tatsächliche Umstände, wie etwa die Eingliederung in einen Betrieb, kommt es regelmäßig16 nicht an.17 Dabei umfasst die „Niederlassung“ jede dauerhafte Struktur eines Unternehmens (zB Tochtergesellschaften, Zweigstellen, Büros eines Unternehmens).18 Selbst wenn ausländisches Recht anwendbar und/oder vereinbart ist, gelten gemäß Art. 9 Rom-I-VO die Eingriffsnormen, also die Bestimmungen des deutschen Rechts, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln. Die Vorschrift ist eng auszulegen. Die bloße Unabdingbarkeit einer Norm nach deutschem Recht reicht nicht aus.19 Die Norm darf nicht nur Arbeitnehmerinteressen schützen, sondern muss auch Interessen der Allgemeinheit dienen.20 Das KSchG (§§ 1–14),21 § 613a BGB, § 8 TzBfG22 und § 2 EFZG23 zählen nicht dazu,24 wohl aber Mindestkündigungsfristen, möglicherweise auch öffentlichrechtliche Erlaubnisvorbehalte für Kündigungen nach SGB IX, MuSchG und BEEG.25 § 3 EFZG ist nach Ansicht des BAG Eingriffsnorm, wenn der Arbeitnehmer in Deutschland sozialversicherungspflichtig ist.26 Zum Teil werden auch der Equal-Pay-

14 EuGH v. 15.3.2011 – C 29/10, NJW 2011, 1578 mit Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2011, 192. 15 EuGH v. 15.12.2011 – C 384/10, NZA 2012, 227. 16 Einzig, wenn das einstellende Unternehmen nur im Namen und auf Rechnung eines anderen Unternehmens tätig geworden ist (etwa bei sog. Briefkastenfirmen), gilt das letzte Unternehmen als einstellende Niederlassung, EuGH v. 15.12.2011 – C 384/10, NZA 2012, 227. 17 EuGH v. 15.12.2011 – C 384/10, NZA 2012, 227. 18 EuGH v. 15.12.2011 – C 384/10, NZA 2012, 227. 19 BAG v. 24.8.1989, DB 1990, 1666. 20 BAG v. 18.4.2012, NZA 2012, 1152. 21 BAG v. 1.7.2010, RIW 2011, 167. 22 BAG v. 13.11.2007, NZA 2008, 761. 23 BAG v. 18.4.2012, NZA 2012, 1152. 24 BAG v. 29.10.1992, DB 1993, 637; v. 24.8.1989, DB 1990, 1666. 25 BAG v. 12.12.2001, NZA 2002, 734; v. 24.8.1989, DB 1990, 1666; zum Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 1 MuSchG; zur Lohnwucherrechtsprechung des BAG vgl. Bayreuther, NZA 2010, 1157; Schipp, ArbRB 2010, 247. 26 BAG v. 18.4.2012, NZA 2012, 1152.

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Grundsatz (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG),27 §§ 2 und 3 AEntG,28 §§ 17 ff. KSchG29 sowie die Rechtsverordnungen nach dem MiArbG30 als Eingriffsnormen angesehen. Art. 21 Rom-I-VO enthält eine weitere Schranke für die freie Rechtswahl. Wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts, insbesondere Grundrechte und Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Ordnung, sind unabhängig vom sonst anwendbaren Recht zwingend zu beachten.31 5

Ist deutsches Arbeitsrecht – im Regelfall kraft Vereinbarung – anwendbar, so gilt deutsches Individualarbeitsrecht umfassend. Der Arbeitnehmer genießt Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz.32 Allerdings werden im Rahmen der Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG Auslandsmitarbeiter nicht hinzugerechnet.33 Etwas anderes gilt möglicherweise, wenn deren Arbeitsverträge deutschem Arbeitsrecht unterliegen.34 Daneben gelten das BUrlG,35 das EFZG etc.

6

Soweit Sonderkündigungsschutz behördliches Tätigwerden vor Ausspruch der Kündigung voraussetzt – insbesondere nach dem SGB IX und dem Mutterschutzgesetz – ist es nicht Gegenstand vertraglicher Vereinbarung, sondern unterliegt dem Territorialitätsprinzip. Daher soll die Beteiligung der öffentlich-rechtlichen Stellen vor Kündigung dieser Mitarbeiter bei einem Auslandseinsatz nicht erforderlich sein.36

7

Für den Gerichtsstand gilt im Geltungsbereich der EuGVVO37 Folgendes: Der Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber, wenn der Arbeitgeber im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zwar keinen Wohnsitz, wohl aber eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung hat, vor den Gerichten dieses Mitgliedstaates verklagen.38 Wahlweise kann er jedoch auch vor dem Gericht des Ortes klagen, an dem er

27 28 29 30 31 32 33

34 35 36 37 38

Bayreuther, DB 2011, 706. Schipp, ArbRB 2010, 247. Emmert/Widhammer, ArbR Aktuell 2010, 214. Schipp, ArbRB 2010, 247. Reichel/Spieler, BB 2011, 2741. BAG v. 21.1.1999, DB 1999, 807. Auch deshalb fragwürdig LAG BW v. 15.10.2002, BB 2003, 900, das beim Günstigkeitsvergleich im Rahmen der Prüfung anwendbaren Rechts nur auf den konkreten Anspruch abstellt, dagegen Thüsing, BB 2003, 898. Das KSchG gilt nur für Betriebe, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfüllen. Auslandsmitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse nicht dem deutschen Recht unterliegen, zählen selbst dann nicht bei der Berechnung des Schwellenwerts, wenn die ausländische Arbeitsstätte mit der deutschen einen Gemeinschaftsbetrieb bildet (BAG v. 26.3.2009, DB 2009, 1409; s. auch Anm. Arnold, FD-ArbR 2009, 284649 sowie Otto/Mückl, BB 2009, 1926). Der Betriebsbegriff des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt auch für § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG, sodass sich ein Arbeitnehmer nicht auf einen freien Arbeitsplatz im Ausland berufen kann (LAG Berlin-Brandenburg v. 1.6.2011 – 4 Sa 218/11). Für die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG sind demgegenüber Beschäftigungszeiten in demselben Betrieb auch dann relevant, wenn das Arbeitsverhältnis zeitweise ausländischem Recht unterlag; BAG v. 7.7.2011, NZA 2012, 148. Reichel/Spieler, Vertragsgestaltung bei internationalem Arbeitseinsatz, BB 2011, 2741, 2744. BAG v. 21.3.1985, NZA 1986, 25. BAG v. 30.4.1987, DB 1987, 1897; v. 24.8.1989, DB 1990, 1666. Abgedruckt im Schönfelder, Ergänzungsband unter Nr. 103; die Entscheidung des BAG v. 9.10.2002, NZA 2003, 339 betraf diese nicht. Art. 18 Abs. 2 iVm. Art. 19 Nr. 1 EuGVVO.

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gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat39 oder, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand.40 Demgegenüber sind die Gerichtsstände für Klagen des Arbeitgebers eingeschränkt. Er kann nur vor Gerichten des Mitgliedstaates klagen, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat;41 nur eine Widerklage kann er auch vor dem Gericht erheben, bei dem der Arbeitnehmer geklagt hat. Abweichende Vereinbarungen sind nur zulässig, wenn sie nach Entstehen der Streitigkeit getroffen werden oder wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumen, andere als die nach Art. 18 bis Art. 21 EuGVVO angeführten Gerichte anzurufen. Die Vereinbarung von Gerichtsständen, die die Zuständigkeiten nach EuGVVO einschränken, ist damit zu Lasten des Arbeitnehmers nur nach Entstehen der Streitigkeit zulässig.42 Dafür muss ein Gerichtsverfahren unmittelbar oder in Kürze bevorstehen.43 Finden auf ein Arbeitsverhältnis hingegen keine internationalen Verträge oder Übereinkommen Anwendung, so wird die internationale Zuständigkeit idR durch die örtliche Zuständigkeit indiziert.44 Örtlich zuständig ist damit für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis gemäß § 29 Abs. 1 ZPO das Gericht des Ortes, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.45 Die Bestimmung des Erfüllungsortes richtet sich bei Arbeitsverhältnissen mit ausländischen Arbeitgebern nach dem gemäß Art. 3 ff. Rom-I-VO anwendbaren Recht. Hierbei kann deutsches Recht anwendbar sein.46 Dabei ist zur Bestimmung des Erfüllungsortes bei Arbeitsverhältnissen in der Regel von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort auszugehen, nämlich dem Ort, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat, an dem somit der tatsächliche Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit liegt.47, 48 Arbeitsrechtliche Streitigkeiten unterliegen dann nicht der deutschen Gerichtsbarkeit, wenn ein hoheitliches Handeln eines anderen Staates betroffen ist.49 Die AGB-Kontrolle gilt für Entsendeverträge nur, soweit sie deutschem Recht unterliegen. Sie greift also nicht, wenn wirksam die Anwendung anderen Rechtes vereinbart wird. In der Sache spielt sie insbesondere eine Rolle bei der Bezugnahme auf allgemeine Entsenderichtlinien, namentlich, wenn diese dynamisch erfolgt, bei der 39 Art. 19 Nr. 2 lit. a EuGVVO; BAG v. 21.1.2011, NZA 2011, 1309, wonach der gewöhnliche Arbeitsort iSd. Art. 19 Nr. 2 lit. a EuGVVO der Ort ist, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag erfüllt; dem Urteil des BAG folgend: LAG Köln v. 19.9.2011 – 2 Sa 415/11. 40 Art. 19 Nr. 2 lit. b EuGVVO. 41 Art. 20 Abs. 1 EuGVVO. 42 Vgl. Art. 21 Nr. 1 und 2 EuGVVO. 43 BAG v. 8.12.2010, NZA-RR 2012, 320. 44 BAG v. 13.11.2007, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 9.; v. 9.10.2002, NZA 2003, 339; v. 13.11.2007, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 9.; v. 17.7.1997, NZA 1997, 1182. 45 Den Parteien bleibt es jedoch auch im Arbeitsrecht unbenommen, die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 Satz 1 ZPO abweichend von § 29 ZPO zu vereinbaren (LAG Berlin-Brandenburg v. 27.2.2009 – 13 Sa 2192/08). 46 Vgl. BAG v. 9.10.2002, NZA 2003, 339; v. 12.12.2001, NZA 2002, 734. 47 EuGH v. 9.1.1997 – C-383/95, NZA 1997, 225; BAG v. 3.11.1993, NZA 1994, 479, st. Rspr.; v. 9.10.2002, NZA 2003, 339. 48 Zur Bestimmung des Erfüllungsortes für Betriebsrentenansprüche vgl. BAG v. 20.4.2004, DB 2004, 2483. 49 EuGH v. 19.7.2012 – C-154/11, NZA 2012, 935; vgl. Majer, NZA 2010, 1395.

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Rückrufklausel und bei der Regelung zum Wegfall der Kostenerstattung im Falle eines vom Arbeitnehmer zu vertretenden Rückrufs.50

4. Betriebliche Altersversorgung 8

Die betriebliche Altersversorgung des Stammhauses erfasst den Auslandsmitarbeiter dann, wenn es sich nur um eine Entsendung handelt, er also nach wie vor dem Stammhaus zuzuordnen ist und der deutsche Anstellungsvertrag durch den Entsendevertrag nur überlagert wird. Die Auslandszeiten zählen also sowohl für die Dauer der Betriebszugehörigkeit als auch für die Zusagedauer als Voraussetzung für die Unverfallbarkeit nach § 1b BetrAVG. Der Arbeitgeber kann aber Auslandsmitarbeiter von der Versorgung ausschließen, wenn diese eine deutlich über dem Tarif liegende Vergütung erhalten.51

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Schwieriger ist die Rechtslage bei der Versetzung. Zwar sollen maßgebend für den Geltungsbereich des BetrAVG der Sitz des Versorgungsschuldners und das Recht sein, dem das Versorgungsverhältnis unterliegt.52 Insoweit steht der Anwendung des BetrAVG nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer in einem ausländischen Arbeitsverhältnis steht und im Ausland die Arbeitsleistung erbringt.53 Allerdings kann die Versorgungszusage nicht an das ausländische Arbeitsverhältnis anknüpfen, da dieses, wie dargelegt, nicht deutschem Recht unterliegt.54 Anknüpfungspunkt könnte daher nur das ruhende inländische Arbeitsverhältnis oder der Stammhausbindungsvertrag sein. Es ist jedoch ungeklärt, ob die Fortgeltung der betrieblichen Altersversorgung nicht voraussetzt, dass unmittelbar auf Leistungsaustausch gerichtete arbeitsrechtliche Rechtsbeziehungen zwischen dem Stammhaus und dem Arbeitnehmer fortbestehen.55 Wegen dieser Unsicherheiten empfiehlt es sich, im Stammhausbindungsvertrag zu vereinbaren, dass die im Ausland verbrachte Zeit bei der Ermittlung der Unverfallbarkeitsfristen und bei der Höhe einer unverfallbaren Anwartschaft berücksichtigt wird. Allerdings würde eine solche Vereinbarung Insolvenzschutz über den Pensionssicherungsverein wohl nur gewähren, wenn der Stammhausbindungsvertrag deutschem Recht unterliegt, und zwar nicht nur kraft Rechtswahl, sondern kraft Gesetzes.56 Das dürfte auch dann der Fall sein, wenn möglichst viele Anknüpfungspunkte im Stammhausbindungsvertrag für eine Geltung deutschen Rechtes gemäß Art. 8 Abs. 4 Rom-I-VO geschaffen werden.

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Die Frage, ob Auslandszulagen oder ausländische Sozialversicherungsrenten auch auf die betriebliche Altersversorgung anzurechnen sind, beantwortet sich nach der jeweiligen Versorgungsordnung. Um hier Zweifel auszuschließen, sollte dies im Vertrag geregelt sein.

50 51 52 53 54 55 56

Vgl. bei den jeweiligen Regelungen, ferner Straube, DB 2012, 2808, 2809. BAG v. 21.8.2007, DB 2008, 710. BAG v. 6.8.1985, DB 1986, 131. BAG v. 6.8.1985, DB 1986, 131. BAG v. 21.1.1999, DB 1999, 806, 808. Vgl. BAG v. 25.10.1988, AP Nr. 46 zu § 7 BetrAVG. Höfer, BetrAVG, ART, Rz. 1431 f., 1445 f.

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Hinzuweisen ist schließlich auf die „Freizügigkeits-Richtlinie“ der EG für den Beschäftigungswechsel ins Ausland.57 Der deutsche Gesetzgeber ist der Aufforderung zur Umsetzung im Rahmen der Novellierung des Betriebsrentengesetzes durch das AVmG nachgekommen. Der hierdurch eingefügte § 1b BetrAVG führt zu einer Gleichstellung bei der Unverfallbarkeit der Altersversorgung der ins Ausland wechselnden Versorgungsberechtigten mit den im Inland verbleibenden. Zudem ermöglicht das Gesetz eine weitere Entrichtung der Beiträge, wodurch eine Doppelbezahlung im Entsendeland und im Einsatzland vermieden wird. Erfasst sind in erster Linie jedoch entsandte Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis weiterhin den Rechtsvorschriften des entsendenden Mitgliedstaates unterliegt. Insbesondere für die Versetzung sind also unverändert vertragliche Regelungen im Stammhausbindungsvertrag anzuraten. Ein Tarifvertrag, der Dienstjahre nicht berücksichtigt, die ein Arbeitnehmer beim selben Arbeitgeber in einer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte zurückgelegt hat, verstößt gegen Art. 45 AEUV.58 Dies gilt ebenso, wenn der Tarifvertrag die Versetzung eines Arbeitnehmers in eine in einem anderen Mitgliedstaat gelegene Betriebstätte dieses Arbeitgebers einem freiwilligen Verlassen der Arbeitgebers gleichsetzt.59

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5. Betriebsverfassungsrecht Für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes gilt grundsätzlich das Territorialitätsprinzip.60 Der Betriebsrat ist nur zuständig, wenn der Sitz des Betriebes im Inland liegt. Allerdings können einzelne Auslandsmitarbeiter im Einzelfall nach wie vor dem Inlandsbetrieb zuzuordnen sein.61 Wichtige Indizien dafür sind der Fortbestand von Weisungsrechten des inländischen Unternehmens, ein nur vorübergehender Auslandseinsatz, insbesondere ein Rückrufsrecht des Stammhauses;62 dagegen spricht insbesondere eine Einstellung des Arbeitnehmers nur für die Auslandstätigkeit.63 Die Beweislast für die (fortdauernde) Zuständigkeit des Betriebsrates trägt der Arbeitnehmer.64 Sofern der Betriebsrat für den einzelnen Mitarbeiter zuständig ist, hat der Auslandsmitarbeiter wohl ein aktives Wahlrecht.65 Ob auch ein passives Wahlrecht besteht, ist umstritten.66 Mit Beschluss v. 27.12.198267 hat das BAG auch ein Recht der Betriebsratsmitglieder, die Arbeitnehmer im Ausland aufzusuchen, verneint. Die Frage ist jedoch ebenfalls umstritten.68 Auch Betriebsversammlungen im 57 Richtlinie 98/49/EG des Rates v. 29.6.1998 zur Wahrung ergänzender Ansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern. 58 EuGH v. 10.3.2011 – C 379/09, NZA 2011, 561. 59 EuGH v. 10.3.2011 – C 379/09, NZA 2011, 561. 60 BAG v. 20.2.2001, NZA 2001, 1033; v. 22.3.2000, NZA 2000, 1119; v. 7.12.1989, DB 1990, 992. 61 Vgl. BAG v. 20.2.2001, NZA 2001, 1033; v. 7.12.1989, DB 1990, 992. 62 BAG v. 20.2.2001, NZA 2001, 1033; v. 7.12.1989, DB 1990, 992; v. 21.10.1980, DB 1981, 696; v. 20.2.2001, NZA 2001, 1033. 63 BAG v. 21.10.1980, DB 1981, 696; LAG München v. 8.7.2009 – 11 TaBV 114/08. 64 LAG Rh.-Pf. v. 10.12.1996, BB 1997, 2002. 65 Vgl. ErfK/Koch, § 7 BetrVG Rz. 5; Küttner/Kreitner, Nr. 80 Auslandstätigkeit Rz. 17. 66 Bejahend Richardi, BetrVG, Einleitung Rz. 80. 67 BAG v. 27.5.1982, DB 1982, 2519. 68 AA Küttner/Kreitner, Nr. 80 Auslandstätigkeit Rz. 17; Däubler, ArbuR 1990, 1, LAG München v. 7.7.2010 – 5 TaBV 18/09.

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Ausland können nicht verlangt werden.69 Allerdings umfasst das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten auch die Auslandsmitarbeiter; so gilt ua. für Auslandszulagen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.70 Dasselbe gilt für personelle Angelegenheiten: Entsendung und Rückruf sind in der Regel Versetzungen iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG, § 99 BetrVG, so dass es dazu der Zustimmung des Betriebsrates bedarf; auch vor Kündigungen des Auslandsmitarbeiters ist der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören.71

6. Tarifverträge 13

Tarifverträge des Stammhauses gelten für Auslandsmitarbeiter, wenn sie ausdrücklich für diese geschlossen wurden.72 Gegebenenfalls hat das Stammhaus sogar eine Einwirkungspflicht auf das Tochterunternehmen, wenn auf Initiative des Stammhauses der Mitarbeiter unmittelbar einen Vertrag mit dem ausländischen Tochterunternehmen geschlossen hat.73 Der Tarifvertrag gilt auch dann für die ausländischen Mitarbeiter, wenn diese unverändert dem inländischen Betrieb zuzuordnen sind und dementsprechend deutsches Arbeitsrecht Anwendung findet.74 Eine nur vorübergehende Entsendung in das Ausland reicht für einen Austritt aus der einmal begründeten Geltung eines Tarifvertrages nicht aus.75

7. Sozialversicherungsrecht 14

Gemäß § 3 Nr. 1 SGB IV gilt deutsches Sozialversicherungsrecht im Arbeitsverhältnis für alle Personen, die im Geltungsbereich des SGB IV beschäftigt sind (Territorialitätsprinzip)76. Gemäß § 4 SGB IV bleibt der deutsche Sozialversicherungsschutz für die Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung sowie für die Arbeitslosenversicherung für den ins Ausland entsandten Arbeitnehmer jedoch bestehen, wenn der Auslandseinsatz im Voraus der Natur der Sache nach oder auf Grund des Vertrages zeitlich begrenzt ist77 („Ausstrahlung“); vgl. unten Rz. 17. Andernfalls richtet sich die Versicherungspflicht nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates. Gemäß § 6 SGB IV haben jedoch multilaterale (sogleich Rz. 15) oder bilaterale (unten Rz. 16) Vereinbarungen (Sozialversicherungsabkommen) Vorrang.

15

a) Für die EU-Länder (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, 69 BAG v. 27.5.1982, DB 1982, 2519; aA Küttner/Kreitner, Nr. 80 Auslandstätigkeit Rz. 18; Boemke, NZA 1992, 112. 70 BAG v. 30.1.1990, NZA 1990, 571. Darüber hinaus ist der Betriebsrat bei der Gestaltung von Richtlinien für internationale Einsätze (sog. Expat-Guidelines oder International Mobility Policies) zu beteiligen, Mauer, AuA 2009, 334, 336. 71 BAG v. 7.12.1989, DB 1990, 992. 72 BAG v. 11.9.1991, NZA 1992, 321. 73 BAG v. 11.9.1991, NZA 1992, 321. 74 Mauer/Lindemann, Personaleinsatz im Ausland, Rz. 538. 75 LAG Rheinland Pfalz v. 23.11.2010 – 3 Sa 319/10. 76 Vgl. zum angestellten Geschäftsführer, LSG Baden-Württemberg v. 17.2.2012 – L 4 R 617/10. 77 Vgl. zur Fortzahlung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung bei Auslandsschuldienst eines Angestellten BAG v. 15.11.2005, NZA 2006, 502.

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Auslandseinsatz

Kap. 11

Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern) sowie inzwischen für Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz sind seit dem 1.5.2010 die Verordnungen (EG) Nr. 883/04 und (EG) Nr. 987/09 maßgebend, sofern es sich um die Entsendung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates in einen anderen Mitgliedstaat handelt.78 Für Drittstaatenangehörige finden über die Verordnung (EU) Nr. 1231/10 die Verordnungen (EG) Nr. 883/04 und Nr. 987/09 Anwendung. Die Verordnung 1231/10 gilt nicht für die EWR-Staaten, die Schweiz, Großbritannien und Dänemark. Drittstaatenangehörige sind in Fällen, die das Vereinigte Königreich betreffen, weiterhin durch die Verordnung Nr. 859/03 (in Verbindung mit der Verordnung Nr. 1408/71) geschützt. Der Arbeitnehmer unterliegt grundsätzlich den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften desjenigen Staates, in dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird, Art. 11 Abs. 3a VO (EG) Nr. 883/2004. Deutsches Recht findet bei einer Beschäftigung außerhalb Deutschlands nur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer entsandt iSv. Art. 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 ist. Eine Entsendung in diesem Sinne hat folgende Voraussetzungen: – Der Arbeitnehmer muss in einem Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen im Herkunftsstaat stehen und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden. Der Arbeitnehmer muss sich also auf Anweisung seines Arbeitgebers vom In- ins Ausland begeben. Werden am Einsatzort Ortskräfte rekrutiert, liegt keine Entsendung vor. Nicht zwingend erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer vor und/oder nach dem Auslandseinsatz beim entsendenden Arbeitgeber im Inland arbeitet. Auch eine Einstellung nur zum Zweck der Entsendung kann die Voraussetzungen erfüllen, wenn der entsandte Arbeitnehmer vor der Entsendung aus anderen Gründen dem Sozialversicherungsrecht des Herkunftsstaates unterlag.79 Es kommt letztendlich nur darauf an, dass während des Auslandseinsatzes eine ernsthafte arbeitsrechtliche Bindung zwischen Arbeitgeber und entsandtem Arbeitnehmer fortbesteht,80 dafür ist bspw. die Ausübung des Weisungsrechts, die Gewährung von Urlaub oder die Entscheidung über die Kündigung relevant. – Der entsendende Arbeitgeber muss gewöhnlich im Herkunftsstaat tätig sein. Diese Voraussetzung dient dazu, die Rekrutierung von Arbeitnehmern durch sog. Briefkastenfirmen zu verhindern. Der Beschluss Nr. A2 der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer nennt die Kriterien, nach denen sich die ernsthafte Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers im Herkunftsstaat feststellen lässt.81 78 Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, die bereits vor dem 1.5.2010 bestanden haben, ergeben sich für die EU-Mitgliedstaaten gemäß Art. 87 Abs. 8 VO (EG) Nr. 883/04 keine Änderungen des anzuwendenden Sozialversicherungsrechts, so dass die EWG-Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 maßgebend bleiben, wenn nicht die Geltung der VO (EG) Nr. 883/04 beantragt wird; vgl. auch Novellierung der Verordnungen 883/2004 und 987/2009 zur Verbesserung des Sozialschutzes für Flugbesatzungen und grenzüberschreitend Berufstätige, Beck Aktuell 19.4.2012. 79 Art. 14 Abs. 1 VO 987/2009; regelmäßig genügt dafür ein Zeitraum von einem Monat, vgl. Art. 1 des Beschlusses Nr. A 2 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit. 80 Art. 1 des Beschlusses Nr. A 2 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit. 81 Zu berücksichtigen sind dabei der Ort, an dem das Unternehmen seinen Sitz und seine Verwaltung hat, die Zahl der im Mitgliedstaat seiner Betriebsstätte bzw. in den anderen Mitgliedstaaten in der Verwaltung Beschäftigten, der Ort, an dem die entsandten Arbeitnehmer ein-

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Kap. 11

Auslandseinsatz

– Die voraussichtliche Dauer der Entsendung überschreitet 24 Monate nicht. Der noch vor dem 1.5.2010 geltende Zeitraum von zwölf Monaten wurde verdoppelt, das aufwändige Verlängerungsverfahren entfällt somit seit dem 1.5.2010. – Der Arbeitnehmer löst keinen anderen Arbeitnehmer ab. Seit dem 1.5.2010 liegt dem Wortlaut nach bei jeder Ablösung eines Arbeitskollegen schon keine Entsendung mehr vor, unabhängig davon, ob dessen Entsendungshöchstdauer abgelaufen ist. Eine Ausnahme dazu soll nach Ansicht der DVKA gelten, wenn der Arbeitskollege die Entsendung unplanmäßig, zB wegen Krankheit frühzeitig abbrechen musste.82, 83 Dass eine Entsendung vorliegt und damit heimisches Sozialversicherungsrecht anwendbar ist, kann sich der Arbeitnehmer durch die zuständige Behörde84 in seinem Heimatstaat bescheinigen lassen, sog. A-1 Bescheinigung.85 Die A-1 Bescheinigung bindet alle Behörden anderer Mitgliedstaaten hinsichtlich des anwendbaren Sozialversicherungsrechts.86 Wenn der Heimatstaat eine A-1 Bescheinigung ausgestellt hat, darf, solange diese Bescheinigung nicht zurückgenommen wurde, kein anderer Mitgliedstaat sein Sozialversicherungsrecht anwenden. Dies gilt auch dann, wenn die A-1 Bescheinigung evident falsch oder sogar durch Täuschung erschlichen wurde. Eine A-1 Bescheinigung schützt auch vor einer Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen.87 Das heimische Sozialversicherungsrecht kann auch bei Auslandseinsatz eines Selbständigen weitergelten, wenn dieser in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und diese Tätigkeit bis zu 24 Monate in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, Art. 12 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. 16

b) Wird der Arbeitnehmer in einen Staat entsandt, mit dem ein (bilaterales) Sozialversicherungsabkommen besteht,88 gelten die jeweiligen Regelungen dieses Sozialversicherungsabkommens. Meist bestimmen diese bei einer vorübergehenden Entsendung von Arbeitnehmern in den jeweiligen Abkommensstaat weiterhin die Geltung deutscher Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit. Dabei sind in den einzelnen Abkommen zeitliche Grenzen vorgesehen, die auf Antrag verlängert wer-

82 83 84 85 86 87 88

gestellt werden, der Ort, an dem der Großteil der Verträge mit den Kunden geschlossen wird, das Recht, dem die Verträge unterliegen, die das Unternehmen mit seinen Arbeitnehmer bzw. mit seinen Kunden schließt, der während eines hinreichend charakteristischen Zeitraums im jeweiligen Mitgliedstaat erzielte Umsatz sowie die Zahl der im entsendenden Staat geschlossenen Verträge. Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend, da die Auswahl der Kriterien vom jeweiligen Einzelfall abhängt, und auch die Art der Tätigkeit, die das Unternehmen im Staat der Niederlassung ausübt, zu berücksichtigen ist; Beschluss abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2010:106:0005:0008:DE:PDF. Vgl. die Merkblätter zur Entsendung unter www.dvka.de, vgl. auch Schüren/Wilde, NZS 2011, 121, 123. Vgl. zur Gewährung von Kindergeld durch den nicht zuständigen Mitgliedstaat Schlussantrag des GA v. 16.2.2012 – C 611/10, C 612/10. In Deutschland sind die gesetzlichen Krankenkassen, bei Privatversicherten die Rentenversicherungen zuständig. Der Vordruck zur Beantragung einer A-1 Bescheinigung kann auf den Seiten der DVKA heruntergeladen werden. Art. 5 VO (EG) Nr. 987/2009. BGH v. 24.10.2006, NJW 2007, 233. Überblick zu den zurzeit geltenden Sozialversicherungsabkommen bei Küttner/Schlegel, Nr. 80 Auslandstätigkeit Rz. 94.

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Auslandseinsatz

Kap. 11

den können. Sofern Arbeitnehmer von der Verordnung (EG) Nr. 883/04 bzw. Nr. 1408/71 erfasst sind, finden Vorschriften bilateraler Abkommen jedoch nur Anwendung, soweit sie im Anhang der jeweiligen Verordnung aufgeführt sind. Bilaterale Abkommen sehen häufig der europäischen A-1 Bescheinigung vergleichbare Bescheinigungen vor. Anders als die A-1 Bescheinigung haben die Bescheinigungen aufgrund bilateraler Abkommen jedoch keine absolute Bindungswirkung für die Behörden anderer Staaten. Jedenfalls wenn die Bescheinigung evident falsch ist, sind andere Staaten nicht daran gebunden.89 c) Wird der Arbeitnehmer in einen Staat entsandt, mit dem weder eine mehrseitige Vereinbarung besteht noch ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen, bedarf es eines Rückgriffes auf das innerstaatliche Kollisionsrecht. Für die Versicherungsund Beitragspflicht gilt nach deutschem Recht § 4 SGB IV, der für die gesetzliche Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung direkt und auch für die Arbeitslosenversicherung Anwendung findet.90 Demnach bleiben die deutschen Rechtsvorschriften über die Sozialversicherung maßgebend (Grundsatz der „Ausstrahlung“),91 wenn folgende Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 SGB IV kumulativ vorliegen:

17

aa) Es muss sich um eine Entsendung im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses handeln:

18

Entsendung bedeutet, dass sich ein Beschäftigter auf Weisung eines inländischen Arbeitgebers von der Bundesrepublik Deutschland ins Ausland begibt, um dort eine Beschäftigung für diesen Arbeitgeber auszuüben. Das ist auch dann der Fall, wenn der Beschäftigte eigens für den Auslandseinsatz eingestellt wurde, sofern er einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. In jedem Fall muss nach dem Auslandseinsatz eine Wieder- oder Weiterbeschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber gewährleistet sein.92 Es bedarf insoweit, wenn nicht vertraglicher, so doch konkreter Absprachen, wie sich eine weitere Tätigkeit gestalten sollte, und dies bereits zu Beginn der Entsendung.93 Dabei genügt es nicht, wenn im Arbeitsvertrag für den Fall der Beendigung des Auslandseinsatzes die Rückkehr ins Inland oder alternativ der Einsatz an einem neuen Einsatzort vorgesehen ist.94Keine Entsendung iSv. § 4 Abs. 1 SGB IV liegt vor, wenn der Arbeitnehmer schon im Ausland lebt und von dort eine Beschäftigung für einen inländischen Arbeitgeber beginnt. Auch fehlt es an einer Entsendung, wenn der Arbeitnehmer im anderen Staat eingestellt und von dort in einen Drittstaat entsandt wird.

19

Das inländische Beschäftigungsverhältnis besteht fort, wenn der Entsandte organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibt oder wird. Die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen (zB Entscheidungen über die Begründung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, Entsendung und Rückkehr, Art und Ort der Tätigkeit) müssen dem inländischen Arbeitgeber zustehen. Als Indiz für das Vorliegen des inländischen Beschäftigungsverhältnisses kann dabei ua. die

20

89 BGH v. 24.10.2007, NJW 2008, 595. 90 Zu Besonderheiten bei der Berechnung des Beitrages für die Rentenversicherung Figge, DB 2002, 2532, 2547. 91 Zum Anspruch auf Kindergeld bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft LAG Niedersachsen v. 21.9.2011 – L 2 EG 3/11. 92 LSG Hessen v. 20.9.2011 – L 3 U 170/07. 93 LSG Hessen v. 20.9.2011 – L 3 U 170/07. 94 LSG Hessen v. 5.12.2011 – L 3 U 174/10.

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Kap. 11

Auslandseinsatz

Einbeziehung in das inländische Lohn- und Gehaltsabrechnungsverfahren und die Bezahlung vom inländischen Unternehmen95 dienen. Wird der Arbeitnehmer bei einer ausländischen Tochter beschäftigt, fehlt es am Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses, wenn er in die Binnenstruktur des Tochterunternehmens eingegliedert ist. Die steuerliche Berücksichtigung des Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe durch die aufnehmende Konzerngesellschaft ist nach Ansicht der Sozialversicherungsträger unschädlich, sofern der Arbeitnehmer dort für maximal zwei Monate eingesetzt wird, der Arbeitnehmer keinen zuvor vorübergehend dort eingesetzten Arbeitnehmer ablöst und sich der Entgeltanspruch ausschließlich gegen den entsendenden inländischen Arbeitgeber richtet.96 Ein erneuter Einsatz in einem Konzernunternehmen löst die Ausstrahlung nach § 4 SGB IV aus, wenn seit dem letzten Einsatz mehr als zwei Monate vergangen sind.97 21

bb) Der Auslandseinsatz muss nach der Natur der Sache oder durch Arbeitsvertrag im Voraus zeitlich begrenzt sein:98

22

Die vertragliche Begrenzung kann sich aus der vertraglichen Beschränkung auf ein naturgemäß begrenztes Vorhaben (zB Bau eines Flughafens) oder aus der fest vereinbarten Beschäftigungsdauer ergeben. Es genügt aber auch, wenn sich ohne jede Vereinbarung aus den Gesamtumständen ergibt, dass die ausländische Beschäftigung zeitlich begrenzt ist. Entscheidend ist, dass die Gesamtdauer der Entsendung bei Beginn feststeht. Eine Höchstdauer für ausländische Beschäftigung gilt nicht. Allerdings wird empfohlen, die Entsendung auf max. zwei bis drei Jahre zu beschränken. Die bloße Vereinbarung eines Rückrufrechtes stellt keine zeitliche Befristung dar.

23

Auch wenn nach § 4 SGB IV infolge der Ausstrahlung deutsches Sozialversicherungsrecht anwendbar bleibt, schließt dies eine Versicherungspflicht nach den jeweiligen Vorschriften des Einsatzlandes nicht aus. Es besteht also die Gefahr einer Doppelversicherung.

24

d) Auch wenn deutsches Sozialversicherungsrecht nach § 4 SGB IV für den entsandten Mitarbeiter anwendbar ist, besteht eine Versorgungslücke im Krankenversicherungsrecht.

25

Grundsätzlich ruht, soweit nicht über- oder zwischenstaatliche Vereinbarungen bestehen, nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Leistungsanspruch des Krankenversicherten, der sich im Ausland aufhält, gleichgültig, ob der Aufenthalt nur kurzfristig oder von längerer Dauer ist. Ruhen bedeutet dabei, dass die Leistungsansprüche zwar dem Grunde nach zur Entstehung kommen, jedoch von der Krankenkasse nicht zu erfüllen sind. Die Beitragspflicht hingegen besteht fort. Als Folge hat der Versicherte die Kosten allein zu tragen.

26

Jedoch hat der Versicherte nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB V einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber.99 Nach § 17 Abs. 2 SGB V ist die Krankenkasse verpflichtet, die95 96 97 98

BSG v. 7.11.1996, BSGE 79, 214; LSG Hessen v. 1.10.2010 – L 7 AL 73/07 ZVW. Ricken, NZA 2012, 198. Ricken, NZA 2012, 198. Die zeitliche Grenze des § 4 SGB IV kann einen sachlichen Grund für eine Befristung des Auslandsarbeitsverhältnisses iSd. § 14 TzBfG darstellen; BAG v. 14.7.2005, NZA 2005, 1411. 99 § 17 SGB V findet keine Anwendung auf privat Versicherte. Der Arbeitgeber muss jedoch aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht ein vergleichbares Sicherungsniveau gewährleisten (Nowak/Bollin, NZS 2010, 668).

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Auslandseinsatz

Kap. 11

sem die Kosten bis zu der Höhe zu ersetzen, in der sie im Inland entstanden wären. Hier entsteht jedoch eine Versorgungslücke, da die Kosten im Ausland häufig deutlich über den im Inland zu ersetzenden Kosten liegen. Der Arbeitgeber sollte diese durch eine private Zusatzversicherung decken. Wird der Arbeitnehmer ins europäische Ausland entsandt, ist Krankenversicherungsschutz nach den Art. 17 ff. VO (EG) 883/2004 gewährleistet. e) Unterfällt ein Arbeitnehmer weder nach § 4 SGB IV (Ausstrahlung, Entsendung) noch nach den über- bzw. zwischenstaatlichen Vereinbarungen der deutschen Sozialversicherung, bleibt ihm dennoch der Weg in den deutschen Versicherungsschutz offen100.

27

In der deutschen Rentenversicherung kann eine Pflichtversicherung auf Antrag nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI beantragt werden, sofern die Beschäftigung im Ausland zeitlich begrenzt ist und der entsandte Arbeitnehmer Deutscher ist oder Bürger eines EU-/EWR-Staates oder der Schweiz; ist der Auslandseinsatz nicht zeitlich begrenzt, so bleibt die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 7 Abs. 1 SGB VI.

28

In der Arbeitslosenversicherung besteht seit dem 1.1.2006 in § 28a SGB III die Möglichkeit, durch Antragstellung des Berechtigten ein Versicherungspflichtverhältnis zu begründen. Zum berechtigten Personenkreis zählen nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III auch im Ausland Beschäftigte, soweit sie außerhalb der EU und assoziierter Staaten beschäftigt sind. Ansonsten gilt das vorrangige EU-Recht.

29

In der Krankenversicherung ist eine freiwillige Versicherung oder Anwartschaftsversicherung zur Sicherung der späteren Wiederaufnahme möglich (vgl. § 9 SGB V).101 Zu beachten ist wiederum die Form der Leistungsgewährung nach § 17 SGB V.

30

Auch die soziale Pflegeversicherung ermöglicht nach § 26 Abs. 2 SGB XI eine Anwartschaftsversicherung.

31

Soweit Unfallversicherungsträger eine besondere Auslandsunfallversicherung eingerichtet haben, können über Gruppenversicherungen des Unternehmens höhere Versicherungssummen erzielt werden. Eine freiwillige Versicherung für im Ausland Tätige sieht das Gesetz jedoch nicht vor (vgl. § 6 SGB VII), so dass hier nur eine private Unfallversicherung verbleibt.

32

§§ 1 Satz 4 SGB VI und 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III, die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung ausnehmen, sind nach Ansicht des BSG102 auf Mitglieder der Leitungsorgane ausländischer Aktiengesellschaften nur anwendbar, wenn eine gesetzliche Äquvalenzregelung sie einer deutschen Aktiengesellschaft gleichstelle.103 Im Hinblick auf in Deutschland beschäftigte Mitglieder eines US-Board of Directors einer US-Kapitalgesellschaft fehle eine Äquivalenzregelung, sodass die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung nicht nach §§ 1 Satz 4 SGB VI und 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III ausgenommen sei.

33

100 Vgl. Schwab/Engelmann/Tischler-Kolbe, NWB 26/2010, 2063; Raspels/Elert/Buschermöhle, S. 250 ff. 101 Zur Beitragsberechnung nach § 240 Abs. 4a SGB V s. Figge, DB 2002, 2532, 2547. 102 BSG v. 12.1.2011, DB 2011, 1759. 103 Dazu kritisch Sagan/Hübner, AG 2011, 852.

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Kap. 11

Auslandseinsatz

8. Steuerrecht104 34

Nach § 1 Abs. 1 EStG sind natürliche Personen in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt, dh. mit dem Welteinkommen steuerpflichtig, wenn sie entweder ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Dies gilt auch, wenn sie eine Tätigkeit im Ausland ausüben.105

34a

Soweit Doppelbesteuerungsabkommen bestehen, ist jedoch das Besteuerungsrecht nach Maßgabe von Art. 15 des OECD-Musterabkommens idR dem Tätigkeitsstaat zugeordnet (Arbeitsortprinzip).106 Doppelbesteuerungsabkommen stellen die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Wohnsitzstaat idR frei. Nach § 50d Abs. 8 EStG ist die Freistellung in der Bundesrepublik, wenn sie Wohnsitzstaat ist, allerdings davon abhängig, dass der Steuerpflichtige den Nachweis erbringt, dass der Tätigkeitsstaat von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch gemacht hat.107 Der Arbeitgeber sollte aus Haftungsgründen auf den Lohnsteuerabzug erst dann verzichten, wenn das Betriebsstättenfinanzamt ihm eine Freistellungsbescheinigung nach § 39b Abs. 6 EStG108 erteilt hat.109

35

Das Besteuerungsrecht fällt gemäß Art. 15 Abs. 2 OECD-Musterabkommen an den Wohnsitzstaat zurück, wenn der Aufenthalt des Auslandsmitarbeiters im anderen Vertragsstaat (Tätigkeitsstaat) neben weiteren Voraussetzungen 183 Tage nicht überschreitet.110 Im Einzelnen setzt ein Rückfall des Besteuerungsrechts an den Wohnsitzstaat voraus, dass – sich der Arbeitnehmer im anderen Vertragsstaat insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten (der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet) aufhält und – die Vergütungen von einem Arbeitgeber111 oder für einen Arbeitgeber bezahlt werden, der nicht im anderen Staat ansässig ist, und – die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat.

104 Vgl. Portner, BB 2012, 351; Reichel/Spieler, BB 2011, 2741. 105 Zu steuerrechtlichen Aspekten der betrieblichen Altersversorgung s. Portner, BB 2012, 351, DStR 2010, 2022. 106 Dazu insbesondere BMF-Schreiben v. 14.9.2006 – IV B 6 - S 1300 - 367/06, BStBl. I 2006, 532: Schubert/Hofmann, BB 2007, 23; Schmidt, MBP 2006, 194. Zum Stand der Doppelbesteuerungsabkommen und der Doppelbesteuerungsverhandlungen zum 1.1.2012 vgl. BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV B 2 - S 1301/07/10017-03; v. 22.1.2013 – IV B 2 S 1301/07/10017-04; Becker/Bohn, DB 2013, 1195; Raspels/Elert/Peitz-Ziemann, S. 265 ff. 107 Hierzu BMF-Schreiben v. 21.7.2005 – IV B 1 - S 2411-2/05, BStBl. I 2005, 821. 108 Seit dem 1.1.2013 kann diese auch im elektronischen Verfahren erteilt werden. 109 Näher R 39b10 LStR 2011. 110 Den Arbeitgeber trifft bei Abschluss eines Arbeitsvertrages, der einen Einsatz des Arbeitnehmers im Ausland vorsieht, grds. keine Hinweispflicht, dass ab einer bestimmten Aufenthaltsdauer in einem ausländischen Staat dort eine Verpflichtung zur Abführung von Einkommens-/Lohnsteuer entstehen kann, LAG Rh. Pf., v. 17.11.2011 – 10 Sa 350/11. Eine solche folgt auch nicht aus § 2 Abs. 2 NachwG (BAG v. 22.1.2009, DStR 2009, 987). 111 Zur Bestimmung des Arbeitgebers im DBA-Sinne bei Mitarbeiterentsendungen vgl. BFH v. 23.2.2005, BB 2005, 1482 sowie BMF-Schreiben v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532, Tz. 59 ff.

474 Lingemann

M 11.1

Auslandseinsatz

Kap. 11

Dabei zählen zur 183-Tage-Frist die Tage der physischen Anwesenheit einschließlich Tage bloßer Teilanwesenheit sowie Tage, an denen der Steuerzahler in dem Staat auch nur kurz anwesend ist.112

36

Demgegenüber zählen nicht mit volle Tage außerhalb des Tätigkeitsstaates einschließlich Transittage außerhalb des Tätigkeitsstaates,113 wohl aber Ankunftstag, Anreisetag und alle übrigen Tage der Anwesenheit im Tätigkeitsstaat unmittelbar vor, während oder nach der Tätigkeit (einschließlich Feiertagen, Ferientagen sowie Krankheitstage, es sei denn, die Krankheit steht der Abreise entgegen).

37

Gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG stehen die durch ein Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Einkommensteuer freigestellten ausländischen Einkünfte unter Progressionsvorbehalt.114 Die ausländischen Einkünfte erhöhen also die Progression für die inländische Besteuerung.

38

Besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen, so kommt nach dem Auslandstätigkeitserlass115 eine Freistellung für begünstigte Tätigkeiten im Ausland von der deutschen Einkommensteuer in Betracht, sofern der Auslandseinsatz mindestens drei Monate ununterbrochen in dem Nichtabkommensstaat ausgeübt wurde.

39

Besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen und sind die Voraussetzungen für den Auslandstätigkeitserlass nicht gegeben, so kann nach Maßgabe von § 34c EStG im Wege der Anrechnung eine Doppelbesteuerung vermieden bzw. vermindert werden.

40

112 Vgl. BFH v. 10.7.1996, DStR 1996, 1966. 113 Vgl. zur Frist im Einzelnen BMF v. 14.9.2006, BStBl. I 2006, 532, Tz. 34 ff., ausführlich mit zahlreichen Beispielen. 114 Im Ausland gezahlte Sozialversicherungsbeiträge wirken sich im Rahmen des Progressionsvorbehalts hingegen nicht aus. Es kommt insofern nur auf die ausländischen Einkünfte an, § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG. Diese Nichtberücksichtigung begegnet weder verfassungsnoch europarechtlichen Bedenken, FG Saarland v. 17.7.2008, EFG 2008, 1708. 115 Vgl. BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470 = BB 1983, 1965, Abschn. II.

II. Muster

u

Entsendung Absender: Stammhaus (Arbeitgeber) An Herrn/Frau . . . Sehr geehrte(r) . . .,

in Ergänzung zu Ihrem Anstellungsvertrag vom . . . vereinbaren wir für die Dauer Ihrer Tätigkeit bei . . . (Auslandsunternehmen) Folgendes: § 1 Aufgabengebiet (1) Sie werden zu dem Unternehmen . . . (Auslandsunternehmen) in . . . (Einsatzland) als . . . entsandt. Sie werden dort folgende Aufgabe übernehmen . . . Lingemann 475

11.1

Kap. 11

M 11.1

Auslandseinsatz

(2) Sie sind Herrn/Frau . . . unterstellt. Sie berichten gleichzeitig Herrn/Frau . . . in Deutschland bei auftretenden Schwierigkeiten und Problemen. (3) Wir behalten uns vor, Ihnen, unter Wahrung Ihrer Interessen, auch eine andere gleichwertige und zumutbare, Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten entsprechende Aufgabe zu übertragen. Der Vorbehalt gilt auch für künftige übertragene Aufgaben.1 (4) Sie bleiben für die Dauer des Auslandseinsatzes Angestellte(r) unserer Gesellschaft.2 § 2 Dauer der Entsendung Die Tätigkeit beginnt am . . . Sie ist für ein Jahr vorgesehen. Sie kann im gegenseitigen Einvernehmen um ein Jahr verlängert werden. Sie endet spätestens sechs Monate nach Abschluss der Aufgabe gemäß § 1 Abs. 1.3 § 3 Vergütung4 (1) Sie erhalten Ihre Vergütung unverändert. An Gehaltssteigerungen im Inland nehmen Sie wie bisher teil. (2) Zusätzlich erhalten Sie für die Dauer der Tätigkeit gemäß § 1 eine Auslandszulage in Höhe von 50 % des Inlandsgehalts. Diese Auslandszulage gilt alle vorhersehbaren zusätzlichen Erschwernisse, die mit dem Auslandsaufenthalt verbunden sind, ab. oder (2) Sie erhalten für die Dauer des Auslandsaufenthalts folgende zusätzlichen Leistungen: Schulgebühren pro schulpflichtigem Kind Sprachkurse (für Sie und ihre Familie) Cultural Training

... ... ...

1 Eine Änderungsklausel stellt nur dann keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wenn die Zuweisung eine mindestens vergleichbare Tätigkeit zum Gegenstand hat. Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und in diesem Zusammenhang auch „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 sowie M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. 2 Es liegt im Wesen des Entsendevertrages, dass gleichzeitig das Anstellungsverhältnis mit dem Stammhaus bestehen bleibt. Im Entsendevertrag sollte dies ausdrücklich festgelegt werden zur Klarstellung, dass der Entsendevertrag nicht an die Stelle des Anstellungsvertrages mit dem Stammhaus tritt, sondern diesen nur ergänzt. 3 Eine Befristung ist bei einer Entsendung im Hinblick auf § 4 SGB IV zur Erhaltung des deutschen Sozialversicherungsschutzes idR geboten (vgl. Einf. Rz. 19). 4 Regelmäßig wird die Inlandsvergütung beibehalten. Hinzu kommen Auslandszulagen und zusätzliche Sachleistungen (Wohnung pp.). Nicht abschließend geklärt ist, ob Reisekosten, besondere Kosten am Arbeitsort, Kosten für die doppelte Haushaltsführung etc. vom Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht ohnehin weitestgehend übernommen werden müssen, auch wenn dies nicht vertraglich geregelt ist. Vorherrschend ist diese Auffassung wohl nicht. Eventuelle Zahlungsansprüche können auch in ausländischer Währung vor einem deutschen Gericht geltend gemacht werden, BAG v. 26.7.1995, DB 1996, 533; treffen die Parteien keine Vergütungsregelung, so schuldet der Arbeitgeber nach § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung. Maßgeblich ist dann die übliche Vergütung eines von einem inländischen Arbeitgeber vorübergehend ins Ausland entsandten Arbeitnehmers und nicht die übliche Vergütung eines im Ausland beim dort ansässigen Arbeitgeber angestellten Arbeitnehmers (BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 171/10, NZA 2011, 1173).

476 Lingemann

M 11.1 Bekleidungszuschuss Einrichtungsbeihilfe

Kap. 11

Auslandseinsatz

... ...

(3) Wir werden Verhandlungen über eine Anpassung des Gehaltes für den Fall führen, dass der Wechselkurs sich um mehr als . . . % gegenüber dem Wechselkurs zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ändert. (4) Die Dauer der Tätigkeit wird auf die Betriebszugehörigkeit und alle daraus resultierenden Ansprüche angerechnet. (5) Das Auslandsgehalt nimmt für die Dauer des Auslandseinsatzes an etwaigen allgemeinen Gehaltsänderungen teil. Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung richten sich nach dem Inlandsgehalt. (6) Die Erstattung von Reisekosten und Spesen richtet sich nach den Richtlinien des ausländischen Unternehmens, soweit dieser Vertrag keine abweichenden Regelungen enthält.5 (7) Zahlungen6 leisten wir auf Ihr bisheriges Gehaltskonto, sofern Sie nicht mindestens sechs Wochen vor der nächsten fälligen Zahlung ein anderes Konto im Einsatzland mitteilen. Die Zahlung erfolgt in Euro. Die Kosten des Transfers tragen Sie/wir. § 4 Arbeitsbedingungen7 (1) Für den Auslandseinsatz gelten die Arbeitsbedingungen, insbesondere die Arbeitszeit- und Feiertagsregelungen des Einsatzlandes. Ostersonntag und Pfingstsonntag sowie 1. und 2. Weihnachtstag gelten in jedem Fall als Feiertag. (2) Für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gelten die Bestimmungen des Inlandsarbeitsvertrages. (3) Sie nehmen an dem von uns angebotenen Sprachkurs und Cultural Training teil.8 (4) Die Urlaubsdauer richtet sich nach dem Inlandsarbeitsvertrag. Überschreitet die Entsendung ein Jahr, erhalten Sie zwei Wochen zusätzlichen Urlaub. (5) Die Abwesenheit von dem Auslandsunternehmen soll sechs Wochen nicht überschreiten. (6) Urlaubsansprüche aus vorangegangenen Jahren, die während des Auslandseinsatzes erworben werden, verfallen erst mit Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Auslandsaufenthaltes und sind unmittelbar nach Ende des Auslandsaufenthaltes zu gewähren und zu nehmen.

5 Solche finden sich insbesondere in § 5. 6 Da das Arbeitsverhältnis zum Stammhaus fortbesteht, wird von dort idR auch die Vergütung gezahlt. Die Zahlung erfolgt regelmäßig auf ein deutsches Konto, auf das der Mitarbeiter aus dem Ausland Zugriff nimmt. Die Übernahme der entstehenden Kosten ist Verhandlungssache. Sie sind meist in der Auslandszulage enthalten. 7 Regelungen sind nur erforderlich, soweit sie von dem Anstellungsvertrag abweichen. Dies kann für Arbeitszeit- und Feiertagsregelungen sowie Urlaubsregelungen der Fall sein. Insbesondere bietet es sich an, Urlaubsansprüche über den 31.3. des Folgejahres hinaus zu erhalten (§ 4 Abs. 5 des Musters) und eine Regelung zu treffen, nach der nur Feiertage des Einsatzlandes anerkannt werden (§ 4 Abs. 1 des Musters). 8 Das wäre mit den Zusatzleistungen gemäß § 3 Abs. 2, Var. 2 abzustimmen, das Cultural Training und der Sprachkurs wären an einer dieser beiden Stellen zu streichen.

Lingemann 477

Kap. 11

Auslandseinsatz

§5

M 11.1

Reisekosten9

(1) Wir übernehmen die Reisekosten der Hin- und Rückreise und Familienheimreisen per Flugzeug in der . . . Klasse inkl. Übergepäck bis zu 100 kg, der Kosten für den Transport des Hausrates, der dafür erforderlichen Reiseversicherungen, Zoll und der für die Umzugsperiode anfallenden Hotelkosten auf Nachweis bis zu Euro . . . Das Stammhaus nimmt die Buchungen unmittelbar vor. Sofern Sie auf eigenen Wunsch vor Beendigung des vertraglich vereinbarten Auslandeinsatzes aus unseren Diensten ausscheiden, besteht kein Anspruch auf Übernahme der Rückreisekosten, es sei denn, wir haben den Kündigungsgrund zu vertreten.10 Im Falle einer außerordentlichen Kündigung auf Grund eines von Ihnen zu vertretenden wichtigen Grundes besteht kein Anspruch auf Zahlung der Rückreisekosten.11 oder tragen Sie die Rückreisekosten bis zur Höhe einer Monatsvergütung selbst. (2) Die Hin- und Rückreisetage gelten als Arbeitstage. (3) Bei einem Notfall (zB lebensbedrohliche Erkrankung, Erkrankung von mehr als drei Wochen oder schwere Erkrankung oder Todesfall in der unmittelbaren Familie (Eltern, Geschwister, Ehefrau, eingetragener Lebenspartner,12 Kinder) übernehmen wir die Kosten eines Rücktransports, ggf. Krankentransports nach Deutschland. (4) Wir übernehmen die Reisekosten der Hin- und Rückreise für eine Besuchsreise Ihrer Familie einmal jährlich. § 6 Wohnung13 und Dienstfahrzeug14 (1) Wir stellen Ihnen am Einsatzort eine möblierte Zweizimmerwohnung in gehobener Ausführung zur Verfügung. oder (1) Wir übernehmen die Kosten für eine möblierte Zweizimmerwohnung in gehobener Ausführung bis zur Höhe von Euro . . . pro Monat.

9 Reisekosten werden regelmäßig vom Arbeitgeber übernommen. Soweit zusätzliche Kosten wegen übergewichtigen Gepäcks nicht übernommen werden sollen, muss dies geregelt werden. 10 Hier wird man zur Vermeidung der AGB-Widrigkeit solche Gründe auszunehmen haben, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, wie in der Rechtsprechung zu Rückzahlungsklauseln bei Ausbildungsverträgen bereits ständige Rechtsprechung, dazu Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rückzahlung von Ausbildungskosten“, Rz. 122 ff.; vgl. auch Straube, DB 2012, 2808, 2809. 11 ZT wird eine Begrenzung der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Rückreisekosten in Anlehnung an BAG v. 24.2.1975, DB 1975, 1083 auf eine Monatsvergütung vorgeschlagen, vgl. Straube, DB 2012, 2808, 2809 mwN. 12 Die Ungleichbehandlung von Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern bei Zahlung eines Auslandszuschlags ist verfassungswidrig, BAG v. 18.3.2010, NZA-RR 2010, 664. Gleiches könnte auch für die hier vorgesehenen Leistungen gelten. 13 Als Gestaltung kommt in Betracht entweder die Übernahme von Hotelkosten, die Gestellung einer Wohnung oder die Zahlung eines Mietzuschlags am Einsatzort oder die Zahlung eines Zuschusses für den Fortbestand der Wohnung am Stammsitz. Vgl. auch M 11.2.1 § 4. 14 Für die Überlassung eines Dienstfahrzeugs gelten die allgemeinen Regeln, vgl. M 12.21.

478 Lingemann

M 11.1

Auslandseinsatz

Kap. 11

(2) Wir stellen Ihnen am Einsatzort ein Dienstfahrzeug, Typ . . . oder vergleichbar, auch zur privaten Nutzung zur Verfügung.15 Die Firma behält sich vor, bei Vorliegen eines sachlichen Grundes die Rückgabe des Fahrzeugs zu verlangen. Sachlicher Grund ist insbesondere: – eine Erkrankung von Ihnen, soweit diese über den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgeht; – der Ausspruch der Kündigung; – die Freistellung von der Arbeitsleistung. Die Rückgabepflicht gilt nur, sofern der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % Ihrer Gesamtvergütung ausmacht.16 Bei Beendigung des Anstellungsvertrages geben Sie das Fahrzeug unverzüglich zurück. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht. (3) Etwaige auf vorgenannte Sachleistungen entfallende Einkommensteuer tragen Sie. § 7 Familienheimreisen Je Monat haben Sie Anspruch auf eine Familienheimreise von drei Arbeitstagen, wobei Reisetage nicht mitgezählt werden. §8

Versicherungen17

(1) Wir sehen Ihren Auslandseinsatz als Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne an und zahlen während des Auslandseinsatzes die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung weiter. Wir werden gemeinsam mit Ihnen für den Auslandseinsatz die Entsendebescheinigung A-1 beantragen. (2) Wir schließen für Sie eine private Auslandszusatzkrankenversicherung für die Zeit des Auslandsaufenthaltes zur Deckung der Differenz zwischen den tatsächlich entstehenden Kosten und der Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenkasse ab. 15 Bei einem zulässigen Einsatz des Arbeitnehmers im Ausland besteht kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung wegen Vorenthaltung der privaten Nutzung des Dienstwagens im Inland, wenn dem Arbeitnehmer der überlassene und ins Ausland mitgeführte Dienstwagen dort auch zur Privatnutzung zur Verfügung steht und die abgeschlossene Vereinbarung den Arbeitgeber nicht zur Überlassung eines weiteren Fahrzeugs im Inland zum Zwecke einer reinen Privatnutzung verpflichtet, LAG Rh.-Pf. v. 31.1.2012 – 3 Sa 552/11. 16 Heranzuziehen sind möglicherweise die Grundsätze über den Widerrufsvorbehalt. Dann müssen die sachlichen Gründe in der Klausel genannt werden, die zu einem Widerruf berechtigen, und der Widerruf ist nur wirksam, wenn der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % des Gesamtverdienstes beträgt. Sofern der Wert der Nutzung des Dienstwagens im Verhältnis zum Gesamtverdienst nur unbedeutend ist, kann eine Rückforderungsklausel möglicherweise auch ohne Angabe sachlicher Gründe wirksam sein (so offenbar LAG Hessen v. 20.7.2004, MDR 2005, 459; der Wert der Nutzung des Pkw lag dort im Verhältnis zur restlichen Vergütung nur bei 2,62 %). Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Dienstwagenrückforderung“ und „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 100k, 138 ff. sowie Einf. Kap. 12 Rz. 42 ff. 17 Anhand der sozialversicherungsrechtlichen Situation (s. im Einzelnen Einf. Rz. 14 ff.) ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Zusatzversicherungen erforderlich sind. Dabei ist immer darauf zu achten, dass Unterschiede zwischen der Versicherungspflicht und dem tatsächlichen Versicherungsschutz bestehen können. Als weitere Versicherungen kommen in Betracht: private Lebensversicherung, Reisegepäckversicherung, private Haftpflichtversicherung für den Auslandsaufenthalt, Kraftfahrzeugversicherungen, die Mitnahme des eigenen Fahrzeugs, Hausratsversicherung für Hausrat im Ausland, Versicherung für Umzugsgut.

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Kap. 11

Auslandseinsatz

M 11.1

(3) Wir übernehmen die Kosten für eine Reisegepäckversicherung bis zu einer Deckungssumme von Euro . . . (4) Wir schließen für Sie eine Unfallversicherung ab für berufliche und außerberufliche Unfälle weltweit mit einer Versicherungssumme von Euro 200 000,– für den Todesfall und Euro 400 000,– für den Fall der Invalidität. Der Versicherungsschutz beginnt mit der Ausreise und endet mit der Beendigung der Entsendung. §9

Steuern18

(1) Sie werden die steuerrechtlichen Vorschriften des Einsatzlandes beachten und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen erfüllen. (2) Aufgrund des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Einsatzland bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens19 erhalten Sie die Vergütung unter Freistellung von der deutschen Besteuerung. Eventuell im Ausland zu entrichtende Steuern gehen zu Ihren Lasten. § 10

Einreisebestimmungen

(1) Sie werden unverzüglich die zur Einreise und Arbeitsaufnahme erforderlichen behördlichen Genehmigungen im Einsatzland beantragen.20 (2) Sie werden ferner auf unsere Kosten unverzüglich eine Bescheinigung des Hausarztes über die körperliche Eignung für den Auslandseinsatz beibringen und gegebenenfalls erforderliche Schutzimpfungen durchführen lassen. (3) Bei Fehlen einer behördlichen Genehmigung oder des ärztlichen Nachweises behalten wir uns Ihren Rückruf und die Zuweisung einer Tätigkeit im Inland vor. § 11

Beendigung des Auslandseinsatzes

(1) Bei vorzeitiger Beendigung des Auslandseinsatzes aus Gründen, die Sie nicht zu vertreten haben, werden Sie unmittelbar in das Unternehmen im Inland wieder eingegliedert. (2) Keine Vertragspartei ist während des Auslandseinsatzes zur ordentlichen Kündigung21 berechtigt.22 (3) Wir behalten uns vor, Sie in folgenden Fällen nach billigem Ermessen mit einer Ankündigungsfrist von drei23 Monaten zurückzurufen:24 . . . 18 Vgl. Einf. Rz. 34 ff. 19 Zum Stand der Doppelbesteuerungsabkommen und der Doppelbesteuerungsverhandlungen zum 1.1.2013 BMF-Schreiben v. 22.1.2013 – IV B 2 - S 1301/07/10017-04. 20 Die Nichteinhaltung der Einreisebestimmungen ist in der Praxis ein häufiges Problem. Regelmäßig müssen diese vor Einreise in das Einsatzland erfüllt sein. 21 Einzelheiten zur kündigungsrechtlichen Stellung des Auslandsmitarbeiters: Grosjean, DB 2004, 2422. 22 Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung kann ratsam sein, wenn der Mitarbeiter in einem konkreten Projekt tätig ist und dessen Durchführung nicht gefährdet werden soll. 23 ZT werden auch zwei Monate als ausreichend angesehen, nicht aber ein fristloser Widerruf, Straube, DB 2012, 2808, 2810. 24 Sofern dies nicht ausdrücklich im Anstellungsvertrag geregelt ist, ist die Entsendung ins Ausland nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst. Daher bedarf auch der Rückruf einer vertraglichen Regelung. Um im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam zu sein,

480 Lingemann

M 11.1

Auslandseinsatz

Kap. 11

– Bei vorzeitiger Beendigung des Auslandsprojektes . . . – Bei einem dringenden betrieblichem Erfordernis, Sie im Stammhaus einzusetzen. – Bei Gefahr für Sie durch politische Unruhen, Naturkatastrophen oder Anschläge an Ihrem Arbeitsort für die Dauer der Krisensituation.25 – Sofern Sie schwerwiegend gegen Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen.26 – Sofern Sie grob gegen die Verhaltensanforderungen des Einsatzlandes verstoßen. – (. . .) (4) Bei vorzeitigem Abbruch des Auslandseinsatzes aus Gründen, die Sie zu vertreten haben, zahlen Sie uns einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe eines Bruttomonatsgehalts.27 Es bleibt Ihnen jedoch der Nachweis gestattet, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich geringer ist als die Pauschale.28 (5) Nach Beendigung des Auslandseinsatzes erhalten Sie eine Stellung, die hinsichtlich Verantwortungsbereich, Einkommen und Anforderungen Ihren im In- und Ausland gesammelten Erfahrungen und Leistungen entspricht (Re-entry-Garantie). oder (5) Nach Beendigung des Auslandseinsatzes erhalten Sie eine Stellung, die hinsichtlich Verantwortungsbereich, Einkommen und Anforderungen der Stellung entspricht, die Sie vor dem Auslandseinsatz hatten. Eine höherwertige Tätigkeit im Ausland begründet keinen Anspruch auf eine vergleichbare Tätigkeit nach Rückkehr ins Inland.29

25 26 27

28 29

müssen sich sowohl Rückrufklausel als auch die Ausübung des Rückrufsrechts innerhalb der Grenzen des Angemessenen und Zumutbaren halten. Dies erfordert möglicherweise die Vereinbarung einer Frist zur Ausübung sowie eine Abwägung der betrieblichen Belange mit den persönlichen Belangen des Arbeitnehmers. Möglicherweise müssen auch die Voraussetzungen für einen Rückruf in der Klausel genannt werden. Vgl. Straube, DB 2012, 2808, 2810; Lindemann, ArbR Aktuell 2011, 133; Raspels/Elert/ Preiss/Moissa, S. 40 ff. Vgl. Straube, DB 2012, 2808, 2810. Ob der Mitarbeiter wirksam verpflichtet werden kann, pauschalierten Schadensersatz zu zahlen, wenn er seinen Auslandseinsatz aus Gründen abbricht, die er selbst zu vertreten hat, ist nicht völlig geklärt. Dafür spricht jedoch, dass das Unternehmen mit der Entsendung erhebliche Kosten und Einarbeitungszeiten im Ausland auf sich genommen hat, die dadurch wertlos werden, ohne dass der Arbeitgeber dies zu vertreten hat. Berücksichtigt man weiter die regelmäßig erhöhte Vergütung im Ausland, so erscheint eine solche Vertragsstrafeklausel angemessen. Nach einer Entscheidung des LAG Hessen sollen die Ansprüche des Arbeitgebers jedoch auf einen Monatsverdienst beschränkt sein (LAG Hessen v. 22.6.1981, DB 1982, 656). Aufgrund der Geltung der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge gemäß § 310 Abs. 4 BGB sollte dieser Vorbehalt aufgenommen werden, § 309 Nr. 5b BGB. Die Re-entry-Garantie enthält einen gewissen Prüfstein des Mitarbeiters für das Unternehmen. Ohne eine solche Garantie kann der Mitarbeiter sich meist nicht auf einen Auslandsaufenthalt einlassen. Er müsste dann befürchten, dorthin „abgeschoben“ zu werden. Die Rechtswirkungen einer solchen Garantie sind ungeklärt. Man wird sie mindestens dahin auslegen müssen, dass eine betriebsbedingte Kündigung jedenfalls nicht deshalb ausgesprochen werden kann, weil infolge der Rückkehr des Mitarbeiters ins Inland ein Personalüberhang besteht und dem Mitarbeiter auch nach der Sozialauswahl infolgedessen eigentlich gekündigt werden könnte. Ein Kündigungsrecht aus anderen Gründen bleibt unberührt. In der hier geregelten verbindlichen Form entstehen auch Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers, wenn er keine vergleichbare Stelle erhält. Als Alternative käme eine weniger verbindliche „Verhandlungsklausel“ in Betracht. Diese dürfte allerdings die Motivation für den Auslandseinsatz schwächen.

Lingemann 481

Kap. 11

Auslandseinsatz

§ 12

M 11.1

Ausschlussklausel30

Ansprüche aus diesem Vertrag verfallen, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Das gilt nicht bei einer Haftung wegen Vorsatz. § 13 Vertragslaufzeit Der Vertrag tritt mit dem Tag Ihrer Ausreise in Kraft. Er endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit dem Ende Ihrer Rückreise in die Bundesrepublik Deutschland. § 14

Fortgeltung des Arbeitsvertrages

Ergänzend gelten die Vereinbarungen des Arbeitsvertrages vom . . . § 15

Rechtswahl – Gerichtsstandsvereinbarung

Für diesen Vertrag gilt deutsches Recht.31 Gerichtsstand ist . . .32 § 16 Nebenabreden, Schriftformklausel, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.33 § 17 Salvatorische Klausel34 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.35 30 Zur Wirksamkeit von Ausschlussklauseln vgl. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff., M 2.1a Ziff. 10, M 3.1 § 21 m. Anm. 31 Vgl. Einf. Rz. 5. 32 Vgl. Art. 18 bis 21 EuGVVO: Der Gerichtsstand schließt andere Gerichtsstände im Geltungsbereich des EuGVVO nicht aus, Näheres unter Einf. Rz. 7. 33 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 34 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 35 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

482 Lingemann

M 11.2.1

Auslandseinsatz

Kap. 11

u

Versetzung Auslandsvertrag1 – Dienstvertrag mit dem ausländischen Tochterunternehmen2

11.2.1

Absender: Stammhaus An Herrn/Frau . . . Sehr geehrte(r) . . ., in Vertretung der Gesellschaft . . . (ausländische Tochter) (im Folgenden: „Auslandsgesellschaft“) vereinbaren wir für die Dauer Ihrer Tätigkeit als Angestellter der Auslandsgesellschaft Folgendes: § 1 Aufgabengebiet (1) Sie beginnen Ihre Tätigkeit am . . . Sie sind zuständig für . . . (2) Sie sind unmittelbar dem Geschäftsführer unterstellt. Die Auslandsgesellschaft behält sich vor, Ihnen, unter Wahrung Ihrer Interessen, auch eine andere gleichwertige und zumutbare, Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten entsprechende Aufgabe zu übertragen. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgaben.3 (3) Sie stellen Ihre volle Arbeitskraft der Auslandsgesellschaft zur Verfügung. Sie werden die Ziele des Unternehmens unter Wahrung der Interessen des Konzerns eigenverantwortlich verfolgen. § 2 Vertragsdauer4 Der Vertrag wird fest für die Zeit vom . . . bis zum . . . geschlossen. Er verlängert sich um jeweils . . . Jahr(e), sofern der Verlängerung nicht von einer der Vertragsparteien mit einer Frist von . . . Monaten zum Ende der Laufzeit widersprochen wird. Er endet spätestens nach . . . Jahren. § 3 Vergütung5 (1) Sie erhalten eine Vergütung in Höhe von Euro . . . brutto jährlich, zahlbar in zwölf gleichen monatlichen Teilbeträgen jeweils zum Monatsende. 1 Beim Versetzungsvertrag ist zwischen dem neuen Dienstvertrag mit dem ausländischen Unternehmen (M 11.2.1) und der vertraglichen Beziehung zum Stammhaus (M 11.2.2) zu unterscheiden. Die Versetzung kann erforderlich sein, wenn die Regelungen des Einsatzlandes einen Arbeitsvertrag mit der dortigen Gesellschaft verlangen. Nachteil ist regelmäßig, dass sozialversicherungsrechtlich keine Ausstrahlung nach § 4 SGB IV vorliegt. Die Versetzung wird insbesondere auch dann gewählt, wenn ein Fortbestand der deutschen Sozialversicherung gar nicht erwünscht, sondern private Vorsorge gewollt ist. 2 Der Vertrag mit dem ausländischen Unternehmen ist ein Standardvertrag nach dortigem Recht (vgl. Einf. Rz. 1). 3 Vgl. zur Zulässigkeit von Versetzungsklauseln Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ bzw. „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 und M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 10 BGB dürfte nicht vorliegen, da die Auslandsgesellschaft im Muster ja Vertragspartner ist und durch die Inlandsgesellschaft nur vertreten wird. 4 Die Regelung sollte der entsprechenden Regelung im Vertrag mit dem Stammhaus entsprechen (vgl. M 11.2.2 § 2). 5 Hier wird häufig die Vergütung gesplittet zwischen einem in Deutschland auszuzahlenden Bestandteil und dem von der ausländischen Gesellschaft zu leistenden. Durch die Inlandszah-

Lingemann 483

Kap. 11

Auslandseinsatz

M 11.2.1

(2) Ferner erhalten Sie einen erfolgsabhängigen Bonus wie folgt . . . (3) Die Vergütung wird jeweils zum Jahresbeginn überprüft. (4) Die Vergütung wird in Euro/US-Dollar/. . . gezahlt. § 4 Wohnung6 (1) Die Auslandsgesellschaft stellt Ihnen und Ihrer Familie für Ihre Einsatzzeit eine angemessene Wohnung mietfrei zur Verfügung. Sie übernimmt auch die Mietnebenkosten sowie die Kosten für Versicherung, Kaution und Instandhaltung. Die Angemessenheit der Wohnung stimmen Sie mit der Geschäftsführung der Auslandsgesellschaft ab. oder (1) Sie erhalten einen Mietzuschuss in der einen Mietpreis von umgerechnet Euro . . . übersteigenden Höhe, bis zur Höhe eines Zuschusses von Euro . . . Die Auslandsgesellschaft trägt ferner die Kosten für Makler, Kaution, Instandhaltungs- oder Schönheitsreparaturen für eine Wohnung. oder (1) Die Auslandsgesellschaft zahlt einen Zuschuss in Höhe von . . . % der Kosten der Miete, soweit die Miete den Betrag von . . . % des Bruttoeinkommens in Euro übersteigt. (2) Die Auslandsgesellschaft übernimmt Maklerkosten für die erstmalige Anmietung einer Wohnung am Auslandssitz sowie Kosten doppelter Mietzahlung auf Nachweis bis zu Euro . . . Sie beauftragt den Makler unmittelbar. § 5 Schulgeld Die Auslandsgesellschaft zahlt für Ihre schulpflichtigen Kinder ein Schulgeld bis zur Höhe von Euro . . . pro Monat sowie Transportkosten für den Schulbesuch bis zu Euro . . . pro Monat. Wir behalten uns vor, das Schulgeld unmittelbar an die Schule zu zahlen. §6

Urlaub

Sie haben Anspruch auf . . . Arbeitstage Urlaub pro Jahr. Während des Urlaubsjahres nicht genommener Urlaub wird automatisch auf das Folgejahr übertragen.7 lung kann insbesondere der Wechselkursausgleich und Kaufkraftausgleich gegenüber dem Einsatzland weitgehend vermieden werden. Auch werden die die ortsübliche Vergütung im Einsatzland oft deutlich übersteigenden Gehaltsanteile bei Auszahlung im Inland für Ortskräfte der ausländischen Tochtergesellschaft nicht transparent. 6 Die Frage, ob die Wohnung vom Unternehmen gestellt oder nur deren Kosten getragen werden, entscheidet sich regelmäßig nach steuerlichen Gesichtspunkten; die Gestellung einer Wohnung kann weitaus günstiger sein, wenn diese nicht oder nur zum Teil als geldwerter Vorteil zu versteuern ist. 7 Die vertraglich vereinbarte Urlaubsdauer wird länderspezifisch geregelt. Sie richtet sich nach den lokalen Gepflogenheiten. Hinzu kommt idR ein – im gesonderten Vertrag mit dem Stammhaus (M 11.2.2) zu vereinbarender – Heimaturlaub. In Verbindung mit dem Heimaturlaub sollte das Gesamtvolumen nicht geringer sein als das des im Stammhaus üblichen Urlaubs. Zu alternativen Formulierungen zum Urlaubsanspruch, insbesondere zum Verfall des übergesetzlichen Urlaubs auch bei Langzeiterkrankungen, s. M 2.1a Ziff. 7 m. Anm.

484 Lingemann

M 11.2.1

Kap. 11

Auslandseinsatz

§ 7 Entgeltfortzahlung8 (1) Sie haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für . . . Wochen/Monate. Soweit auf Grund des die Krankheit begründenden Ereignisses Ansprüche auf Erstattung von Entgeltausfall gegenüber Dritten bestehen, treten Sie diese hiermit an die Auslandsgesellschaft ab. (2) Im Falle Ihres Todes erhalten Ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen für die dem Sterbemonat folgenden drei Monate die Fixbezüge gemäß § 3 Abs. 1 weiter.9 § 8 Nebentätigkeit10 (1) Die Aufnahme einer anderweitigen entgeltlichen Tätigkeit ist Ihnen nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung der Auslandsgesellschaft gestattet. Haben Sie der Auslandsgesellschaft schriftlich die beabsichtigte Tätigkeit unter Angabe von Art, Ort und Dauer angezeigt und stehen sachliche Gründe der Aufnahme der Tätigkeit nicht entgegen, hat die Auslandsgesellschaft unverzüglich zuzustimmen. Sie kann ihre Zustimmung auch befristet oder unter einem Widerrufsvorbehalt erteilen. (2) Das Zustimmungserfordernis gemäß Absatz 1 besteht nicht für die Aufnahme karitativer, konfessioneller oder politischer Tätigkeiten, sofern sie Ihre Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrags nicht beeinträchtigen. §9

Erfindungen11

Für Arbeitnehmererfindungen gilt das Arbeitnehmererfindungsgesetz. § 10

Dienstfahrzeug12

Die Auslandsgesellschaft stellt Ihnen ein Dienstfahrzeug, Typ . . . oder vergleichbar, auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Auf den geldwerten Vorteil entfallende Steuern tragen Sie. Die Auslandsgesellschaft behält sich vor, bei Vorliegen eines sachlichen Grundes die Rückgabe des Fahrzeugs zu verlangen. Sachlicher Grund ist insbesondere: – eine Erkrankung von Ihnen, soweit diese über den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgeht; – der Ausspruch der Kündigung; – die Freistellung von der Arbeitsleistung. 8 Die Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sollte den Regelungen für vergleichbare Positionen im Stammhaus entsprechen. 9 Im Falle eines Auslandseinsatzes kann die vertragliche Vereinbarung der Gehaltsfortzahlung über den Tod hinaus sachgerecht sein, da die Familie voraussichtlich die hohen Kosten bis zum Rückumzug in das Heimatland zu tragen hat. Im Vertrag ist zu berücksichtigen, ob lediglich das Grundgehalt oder auch die erfolgsabhängige Tantieme/Bonus fortbezahlt werden soll. 10 Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“, Rz. 115 ff. sowie M 2.1a Ziff. 9. 11 Sofern der Auslandsvertrag nicht deutschem Recht unterliegt (§ 11 enthält allerdings eine entsprechende Rechtswahlklausel), müsste die Geltung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes gesondert vereinbart werden. Die Aufnahme empfiehlt sich jedoch nur bei Angestellten im technisch-wissenschaftlichen Bereich. 12 Auch diese Regelung muss letztlich mit dem ausländischen Recht abgestimmt werden. Das Muster erfasst übliche Problemfälle.

Lingemann 485

Kap. 11

Auslandseinsatz

M 11.2.1

Die Rückgabepflicht gilt nur, sofern der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % Ihrer Gesamtvergütung ausmacht.13 Bei Beendigung des Anstellungsvertrages ist das Fahrzeug unverzüglich an die Auslandsgesellschaft zurückzugeben. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht. § 11 Rechtswahl, Gerichtsstand14 (1) Der Vertrag unterliegt deutschem Recht, sofern nicht zwingende Vorschriften des Landes, in dem die Auslandsgesellschaft ihren Sitz hat, vorgehen. Ansprüche aus dem Sitzland können nicht geltend gemacht werden. (2) Soweit Sie im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben, wird der Sitz der Auslandsgesellschaft in . . . als Gerichtsstand vereinbart. § 12 Nebenabreden, Schriftformklausel, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.15 § 13 Salvatorische Klausel16 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.17 13 Heranzuziehen sind möglicherweise die Grundsätze über den Widerrufsvorbehalt, so dass insbesondere die sachlichen Gründe in der Klausel genannt werden müssen, die zu einem Widerruf berechtigen, und der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % des Gesamtverdienstes betragen darf. Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Dienstwagenrückforderung“ und „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 100, 138 ff. sowie M 12.21 § 7. 14 Zwar kann dieser Vertrag deutschem Recht unterstellt werden. Das Muster sieht dies vor. Allerdings muss damit gerechnet werden, dass zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften des Einsatzlandes gleichfalls gelten. 15 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 16 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 17 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

486 Lingemann

M 11.2.2

Auslandseinsatz

Kap. 11

u

Versetzung Stammhausbindungsvertrag1

11.2.2

Sie werden ab . . . einen Auslandsauftrag bei der Gesellschaft . . . (Auslandsgesellschaft) in . . . (Einsatzland) übernehmen. Die Auslandsgesellschaft wird mit Ihnen einen gesonderten Anstellungsvertrag schließen. Während der Laufzeit des Vertrages mit der Auslandsgesellschaft ruht ihr Anstellungsvertrag vom . . . mit dem Stammhaus. Diese Ruhenszeit wird auf die Betriebszugehörigkeit mit dem Stammhaus angerechnet.2 Ergänzend vereinbaren wir Folgendes: § 1 Bindung an das Stammhaus (1) Sie bleiben organisatorisch der Personalabteilung des Stammhauses zugeordnet. (2) Bei Ihrer Tätigkeit unterliegen sie den Weisungen der Geschäftsleitung der Auslandsgesellschaft.3 (3) Auf Anforderung erstatten Sie dem Stammhaus Bericht über Ihre Tätigkeit und Vorgänge des Auslandsunternehmens.4 § 2 Dauer des Auslandseinsatzes5 Ihr Auslandseinsatz hat eine feste Dauer bis zum . . . Er verlängert sich um jeweils . . . Jahr(e), sofern der Verlängerung nicht von einer der Vertragsparteien mit einer Frist von . . . Monaten zum Ende der Laufzeit widersprochen wird. Er endet spätestens nach . . . Jahren. §3

Vergütung

(1) Ihre Vergütung richtet sich nach der mit der Auslandsgesellschaft getroffenen Vereinbarung. (2) Soweit die dortige Vergütung über Ihrem zuletzt bezogenen Jahreseinkommen liegt, handelt es sich um eine Auslandszulage, die nach Rückkehr in das Stammhaus entfällt.6 oder

1 Durch den Stammhausbindungsvertrag können die Problembereiche der Sozialversicherung, ferner Umzugs- und Reisekosten sowie das fortbestehende, aber ruhende Arbeitsverhältnis, die betriebliche Altersversorgung und die Reintegration geregelt werden. Im Dienstvertrag mit dem Auslandsunternehmen wären entsprechende Vereinbarungen ein Fremdkörper. 2 Vgl. Schneider, NZA 2010, 1380, 1384. 3 Da die Auslandsgesellschaft namentlich genannt ist, dürfte die Klausel nicht gegen § 309 Nr. 10a BGB verstoßen. 4 Eine Verpflichtung zur regelmäßigen Berichterstattung des versetzten Mitarbeiters kann nur begründet werden, wenn eine direkte vertragliche Beziehung zum Stammhaus besteht. Auch aus diesem Grunde ist der Abschluss eines Zusatzvertrages neben dem Dienstvertrag mit dem ausländischen Unternehmen zu empfehlen. 5 Die Regelung sollte der im Auslandsvertrag entsprechen, vgl. M 11.2.1 § 2. 6 Die für Widerrufsvorbehalte geltende Obergrenze von 25 % der Gesamtvergütung (Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.) greift hier mE nicht, weil die Zulage als Ausgleich für Erschwernisse gezahlt wird, die mit dem Rückruf in das Heimatland entfallen, ebenso Straube, DB 2012, 2808, 2810.

Lingemann 487

Kap. 11

Auslandseinsatz

M 11.2.2

– insbesondere soweit der Vertrag mit dem Auslandsunternehmen keine Regelung enthält – (1) Für die Dauer Ihres Auslandseinsatzes erhalten Sie eine Vergütung von monatlich Euro . . . netto jährlich, zahlbar in zwölf gleichen monatlichen Teilbeträgen jeweils zum Monatsende. Das Stammhaus zahlt Ihnen ferner zusätzlich für diese Zeit eine Auslandszulage von Euro . . . monatlich. (2) Von den in Absatz 1 genannten Bezügen erhalten Sie von der Auslandsgesellschaft ein monatliches Bruttogehalt in Landeswährung entsprechend Euro . . . Die Differenz zahlt das Stammhaus im Auftrag und zu Lasten der Auslandsgesellschaft in gleichen monatlichen Raten auf ihr Konto in Deutschland. Gemäß den Richtlinien der Auslandsgesellschaft wird dieses Gehalt zu Beginn eines jeden Jahres überprüft. Ferner zahlt das Stammhaus als Zuschuss 50 % Ihrer Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Rentenversicherung nach den geltenden Regelungen, soweit diese Versicherungen vereinbarungsgemäß oder kraft Gesetzes fortgeführt werden. (3) Sie werden die steuerrechtlichen Vorschriften des Einsatzlandes beachten und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen erfüllen.7 Das Stammhaus übernimmt die Kosten einer fachkundigen steuerlichen Beratung einmal jährlich, auf ihren Wunsch auch durch Berater des Stammhauses selbst.8 Ergibt sich auf Grund der Versteuerung im Einsatzland eine höhere Gesamtsteuerbelastung als sich bei Zahlung der gleichen Gesamtbezüge in Deutschland nach der deutschen Steuergesetzgebung ergeben würde, so zahlt das Stammhaus Ihnen jährlich einen Nettoausgleich. (4) Die Bezüge für Ihren Auslandseinsatz sind im Rahmen des Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Einsatzland von der deutschen Lohnsteuer freigestellt. Sie sind mit Ihrem Welteinkommen in . . . steuerpflichtig. Die Steuern gehen insgesamt zu Ihren Lasten. oder evtl., soweit kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht (4) . . . sind gemäß Bescheid des Finanzamtes . . . von der Lohnsteuer freigestellt . . . §4

Gehaltssicherung9

(1) Ihr bisheriges Inlandsgehalt in Höhe von zuletzt Euro . . . wird mit den Gehältern vergleichbarer Mitarbeiter des Unternehmens jeweils angepasst und nach Rückkehr in der angepassten Höhe gezahlt (fortgeschriebenes Inlandsgehalt). (2) Das fortgeschriebene Inlandsgehalt dient als Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung und inländischen Sozialversicherung, soweit vereinbarungsgemäß oder kraft Gesetzes Beiträge an diese abzuführen sind. 7 Vgl. Einf. Rz. 34 ff. 8 Gemäß BFH v. 21.1.2010, DB 2010, 706 handelt es sich bei der Übernahme der Steuerberaterkosten um Arbeitslohn, wenn, wie meist, insoweit eine Nettolohnvereinbarung getroffen wird; dagegen zu Recht Hasbargen/Höreth, DStR 2010, 1169; Retzlaff/Preising, DB 2010, 980; Ziesecke/Gelsheimer/Meyen, IStR 2010, 770. 9 Die Fortschreibung des Inlandsgehaltes („Schattengehalt“) dient der Berechnung gemäß § 4 Abs. 2 des Musters sowie der Reintegration des Auslandsmitarbeiters. Der Mitarbeiter soll seine Situation im Verhältnis zu vergleichbaren Stammhausmitarbeitern jederzeit beurteilen können.

488 Lingemann

M 11.2.2

Kap. 11

Auslandseinsatz

§ 5 Kaufkraftausgleich (1) Falls die „Warenkorb-Kosten“ am Sitz der Auslandsgesellschaft höher sind als in Deutschland, erhalten Sie eine Zulage, die den Mehraufwand auf Basis eines ZweiPersonen-Haushaltes abdeckt. Maßgebend sind die Erhebungen der [ . . .] Consulting. Die Zulage wird zu Beginn eines jeden Quartals überprüft. oder (1) Sofern der hier zugrunde gelegte [ . . .] Index für . . . (Köln = 100 %) einen Wert über 105 % annimmt, wird ein entsprechender Kaufkraftausgleich festgelegt und gezahlt. (2) 60 % ihres garantierten Einkommens werden in diesen Kaufkraftausgleich einbezogen. oder (2) Das Gehalt wird in dem Maße angepasst wie die Einkünfte von bei der Auslandsgesellschaft tariflich geführten Angestellten der höchsten Tarifgruppe der Branche . . . §6

Wechselkursausgleich10

(1) Das Stammhaus gewährleistet, dass Ihr Jahreseinkommen dem Gegenwert von Euro . . . entspricht. (2) Die Anpassung erfolgt vierteljährlich; dabei wird jeweils die Wechselkursschwankung vom letzten Banktag des Vormonats bis zum letzten Banktag des Regulierungsmonats zugrunde gelegt. §7

Wohnung

Die Auslandsgesellschaft stellt Ihnen und Ihrer Familie für Ihre Einsatzzeit eine angemessene Wohnung mietfrei nach Maßgabe Ihrer Vereinbarung mit der Auslandsgesellschaft zur Verfügung. §8

Hin- und Rückreise – Heimflug – Zusatzurlaub

(1) Das Stammhaus trägt die Reisekosten der Hin- und Rückreise für Sie und Ihre Familie in der . . . Klasse inkl. Übergepäck bis zu 100 kg, der Kosten für den Transport des Hausrates, der dafür erforderlichen Reiseversicherungen, Zoll und der für die Umzugsperiode anfallenden Hotelkosten auf Nachweis bis zu Euro . . . Das Stammhaus nimmt die Buchungen unmittelbar vor. Sofern Sie auf eigenen Wunsch vor Beendigung des vertraglich vereinbarten Auslandseinsatzes aus unseren Diensten ausscheiden, besteht kein Anspruch auf Übernahme der Rückreisekosten. (2) Sie haben nach Ablauf von jeweils einem Jahr des Auslandseinsatzes einen Anspruch auf einen Heimflug in der . . . Klasse mit Ehepartner/eingetragenem Lebenspartner11 10 Findet eine Einkommensgarantie zum jeweiligen Euro-Wechselkurs nicht statt, so könnte sich möglicherweise das Gehalt des Mitarbeiters, trotz Anpassung an inflationäre Entwicklungen des Einsatzlandes in der Währung des Einsatzlandes (Kaufkraftausgleich), auf EuroBasis verringern. 11 Die Ungleichbehandlung von Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern bei Zahlung eines Auslandszuschlags ist verfassungswidrig, BAG v. 18.3.2010, NZA-RR 2010, 664. Gleiches könnte auch für die hier vorgesehenen Leistungen gelten.

Lingemann 489

Kap. 11

Auslandseinsatz

M 11.2.2

und Kindern nach Deutschland. Das Stammhaus trägt die Kosten der Hin- und Rückreise und bucht diese unmittelbar. Sie haben für diesen Deutschlandaufenthalt einen zusätzlichen Urlaub von drei Wochen. Reisezeit bis zu . . . Tagen wird auf diesen Zusatzurlaub nicht angerechnet. Unmittelbar vor Beginn und unmittelbar nach Ende dieses Urlaubs stehen Sie für . . . Tage/Wochen für Besprechungen in Deutschland zur Verfügung. (3) Die Lage des Deutschland-Urlaubs stimmen Sie mit der Geschäftsführung der Auslandsgesellschaft und der in § 1 genannten Abteilung des Stammhauses ab. § 9 Dienstfahrzeug (1) Die Auslandsgesellschaft stellt Ihnen ein Dienstfahrzeug nach Maßgabe ihrer Vereinbarung mit Ihnen zur Verfügung. (2) Soweit Sie Ihr Fahrzeug in Deutschland vor Antritt des Auslandseinsatzes nur mit Verlust veräußern können, übernimmt das Stammhaus . . . % der Differenz zwischen dem Schätzwert nach DAT und dem Verkaufserlös, maximal jedoch Euro . . . § 10

Sprachunterricht

(1) Das Stammhaus übernimmt Kosten für folgenden Sprachunterricht . . . für Sie, Ihren Ehepartner/eingetragenen Lebenspartner12 und Ihre Kinder. (2) An etwa erforderlichem Nachhilfeunterricht für Ihre Kinder nach Rückkehr nach Deutschland beteiligt sich das Stammhaus mit Euro . . . § 11

Sonstige Zuschüsse

(1) Sie erhalten einen Bekleidungszuschuss in Höhe von Euro . . . für sich, von Euro . . . für Ihren Ehepartner sowie Euro . . . je Kind. (2) Sie erhalten eine Einrichtungsbeihilfe in Höhe von Euro . . . sowie Erstattung von Einlagerungskosten auf Nachweis bis zu Euro . . . § 12 Entgeltfortzahlung (1) Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall richtet sich nach Ihrer Vereinbarung mit der Auslandsgesellschaft. (2) Werden Sie krankheitsbedingt nach Deutschland zurückgerufen, so erhalten Sie dort Entgeltfortzahlung für . . . Wochen in Höhe des Inlandgehalts. § 13

Krankenversicherung

Sie erhalten von dem Stammhaus einen Zuschuss zur privaten Auslandskrankenversicherung für Sie und Ihre Familie in Höhe von . . . %, soweit nicht die Auslandsgesellschaft nach den nationalen gesetzlichen Bestimmungen des Einsatzlandes einen entsprechenden Zuschuss gewährt.13 12 Die Ungleichbehandlung von Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern bei Zahlung eines Auslandszuschlags ist verfassungswidrig, BAG v. 18.3.2010, NZA-RR 2010, 664. Gleiches könnte auch für die hier vorgesehenen Leistungen gelten. 13 Da der Mitarbeiter in die Organisation des ausländischen Unternehmens eingegliedert wird, fehlt es idR an einer Ausstrahlung iSd. Sozialversicherungsrechts, § 4 Abs. 1 SGB IV. Als

490 Lingemann

M 11.2.2

Kap. 11

Auslandseinsatz

Der Versicherungsschutz beginnt mit der Ausreise aus Deutschland und endet mit der Beendigung des Auslandseinsatzes. Das Stammhaus zahlt Ruhensbeiträge zur Aufrechterhaltung der bestehenden privaten Krankenversicherung (Inland) für Sie und Ihre Familie. oder, soweit der Versicherungsschutz bei derselben Gesellschaft nur erweitert wird Ihre Mitgliedschaft bei der privaten Krankenversicherung . . . erhalten Sie aufrecht. Darüber hinaus übernimmt das Stammhaus . . . % der Kosten einer Zusatz-Auslandskrankenversicherung bei dieser Krankenversicherung für Sie und Ihre Familie. § 14

Gesetzliche Rentenversicherung14

(1) Wir sehen Ihren Auslandseinsatz sozialversicherungsrechtlich nicht als Ausstrahlung an. Daher führen wir die Mitgliedschaft in der Rentenversicherung nicht fort. (2) Rentenversicherungsbeiträge, die Sie aufgrund gesetzlicher Bestimmungen des Aufnahmestaats leisten müssen, tragen Sie/übernehmen wir nur, wenn wir dazu aufgrund des Rechts des Aufnahmestaats verpflichtet sind/übernehmen wir bis zur Höhe von . . ./übernehmen wir vollständig. Wenn der Arbeitnehmer zusätzlich zur ausländischen Rentenversicherung in der deutschen Rentenversicherung verbleiben soll15 entweder (3) Sie werden während des Auslandseinsatzes pflichtversichert auf Antrag.16 Das Stammhaus trägt einen Arbeitgeberanteil in Höhe von 50 % der insgesamt zu zahlenden Beiträge. Sie tragen den Arbeitnehmeranteil in gleicher Höhe, der von Ihren Auslandsbezügen einbehalten wird. Das Stammhaus führt den Gesamtbetrag an den zuständigen Sozialversicherungsträger ab. (4) Bemessungsgrundlage für den Versorgungsaufwand ist Ihr fortgeschriebenes Inlandsgehalt, begrenzt durch die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze. oder, wenn eine Pflichtversicherung auf Antrag nicht möglich ist17 (3) Sie haben die Möglichkeit, Ihre freiwillige Versicherung beim Rentenversicherungsträger für die Zeit Ihres Auslandseinsatzes zu beantragen.

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17

Folge unterliegt der Auslandsmitarbeiter weder der Versicherungspflicht in Deutschland, noch kann er Leistungsansprüche geltend machen. Es bedarf einer gesonderten Auslandskrankenversicherung (vgl. Einf. Rz. 14 ff.). Es bleibt die Möglichkeit einer Pflichtversicherung auf Antrag gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, sofern die Beschäftigung im Ausland zeitlich begrenzt ist. Fehlt es an einer zeitlichen Begrenzung der Beschäftigung im Ausland, ist eine freiwillige Versicherung nach § 7 Abs. 1 SGB VI möglich, vgl. Einf. Rz. 27 f. Sofern gewünscht, kann auch eine Regelung gemäß der ersten Alternative von § 14 des Musters für die Arbeitslosenversicherung aufgenommen werden, Einzelheiten s. Einf. Rz. 29, § 28a SGB III. Insb. wenn es keine oder keine ausreichende Rentenversicherung gibt. Die Pflichtversicherung auf Antrag ist nur möglich, wenn 1. der Arbeitnehmer Deutscher oder Bürger eines EU-, EWR-Staates oder der Schweiz ist und 2. der Auslandseinsatz von vornherein zeitlich begrenzt ist. Hier gilt nicht die Zwei-Jahres-Frist des Art. 12 VO (EG) Nr. 883/2004. Ausreichend ist, dass der Auslandseinsatz überhaupt begrenzt ist. Eine Pflichtversicherung auf Antrag ist auch bei einem mehrjährigen Auslandseinsatz möglich. Vgl. dazu § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI und Rz. 27 f. Vgl. Fn. 16.

Lingemann 491

Kap. 11

Auslandseinsatz

M 11.2.2

(4) Während Ihres Auslandseinsatzes überweist das Stammhaus Ihnen 50 % der jeweiligen Höchstbeiträge zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung auf ihr deutsches Konto. Sie überweisen die Beiträge an den Versicherungsträger unmittelbar. § 15

Betriebliche Altersversorgung18

Ihre Ansprüche aus Ihrer Versorgungszusage/der Versorgungsordnung des Stammhauses bleiben durch den Auslandseinsatz unberührt. Als Grundlage für die Rentenberechnung im Versorgungsfall gilt das fortgeschriebene Inlandsgehalt gemäß § 4 Abs. 1. § 16

Unfallversicherung

(1) Leistungen im Rahmen der Auslandsunfallversicherung der Berufsgenossenschaft richten sich nach dem fortgeschriebenen Inlandsgehalt. (2) Das Stammhaus schließt für Sie für die Dauer Ihrer Tätigkeit im Ausland eine private Unfallversicherung in Höhe von Euro 250 000,– für den Todesfall sowie Euro 500 000,– für den Fall der Invalidität ab. Im Leistungsfall werden Leistungen aus von der Auslandsgesellschaft für Sie abgeschlossenen Unfallversicherungen angerechnet. § 17

Abgangsentschädigung

(1) Soweit Sie einen durch die Beendigung des Auslandseinsatzes entstehenden Zahlungsanspruch gegen das Auslandsunternehmen haben (zB Abfindungsanspruch), werden Sie diesen nicht geltend machen, oder, sofern Sie zur Geltendmachung verpflichtet sind, den Betrag an das Stammhaus abführen. (2) Das Stammhaus ist berechtigt, gegen den Abführungsanspruch mit Gehaltsansprüchen aufzurechnen. § 18

Status

(1) Sie bleiben auch während Ihres Auslandseinsatzes nach Maßgabe dieses Vertrages Mitarbeiter des Stammhauses. (2) Die Dauer des Auslandseinsatzes wird auf Ihre Betriebszugehörigkeit voll angerechnet. (3) Das Stammhaus gewährleistet die Erfüllung der aus dem Dienstvertrag mit der Auslandsgesellschaft gewährten Leistungen sowie aller Leistungen aus diesem Vertrag. § 19 Re-entry clause19 Nach Ablauf des Anstellungsvertrages mit der Auslandsgesellschaft lebt der ruhend gestellte Anstellungsvertrag vom . . . mit dem Stammhaus wieder auf. Das Stammhaus wird Ihnen eine Ihrer bisherigen Position hinsichtlich Funktion, Qualifikation und Vergütung gleichwertige Position anbieten (Re-entry clause).

18 Vgl. Einf. Rz. 8 ff. 19 Vgl. auch den Klauselvorschlag von Schneider, NZA 2010, 1380.

492 Lingemann

M 11.2.2

Auslandseinsatz

§ 20

Kap. 11

Rückrufrecht

Das Stammhaus ist berechtigt, Sie in folgenden Fällen nach billigem Ermessen mit einer Ankündigungsfrist von . . . Wochen zurückrufen: . . .20 – Bei vorzeitiger Beendigung des Auslandsprojektes . . . – Bei einem dringenden betrieblichem Erfordernis, Sie im Stammhaus einzusetzen. – Bei Gefahr für Sie durch politische Unruhen, Naturkatastrophen oder Anschläge an Ihrem Arbeitsort für die Dauer der Krisensituation.21 – Sofern Sie schwerwiegend gegen Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen.22 – Sofern Sie grob gegen die Verhaltensanforderungen des Einsatzlandes verstoßen. ... Sie werden in diesem Falle zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Rückrufes Ihren Anstellungsvertrag mit der Auslandsgesellschaft lösen. Jede nicht durch einen solchen Rückruf oder durch Ablauf der Befristung veranlasste Lösung des Anstellungsvertrages mit der Auslandsgesellschaft bedeutet gleichzeitig auch die Lösung des gesamten Anstellungsverhältnisses mit dem Stammhaus, soweit mit dem Stammhaus nichts Abweichendes vereinbart ist.23 evtl.: § 21

Koppelung der Verträge24

Mit Kündigung Ihres Anstellungsvertrages durch die Auslandsgesellschaft aus einem von Ihnen zu vertretenden Grund, der auch nach deutschem Recht eine Kündigung rechtfertigen würde, endet auch der vorliegende Vertrag und der ruhende Arbeitsvertrag mit dem Stammhaus.

20 Um im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam zu sein, müssen sich sowohl Rückrufklausel als auch die Ausübung des Rückrufsrechts innerhalb der Grenzen des Angemessenen und Zumutbaren halten. Dies erfordert möglicherweise die Vereinbarung einer Frist zur Ausübung sowie bei der Ausübung eine Abwägung der betrieblichen Belange mit den persönlichen Belangen des Arbeitnehmers. Sicherheitshalber sollten die Voraussetzungen für einen Rückruf in der Klausel genannt werden. 21 Vgl. Straube, DB 2012, 2808, 2810; Lindemann, ArbR Aktuell 2011, 133. 22 Vgl. Straube, DB 2012, 2808, 2810. 23 Die Regelung stellt letztlich eine auflösende Bedingung iSv. § 21 TzBfG dar, welche nur unter den Voraussetzungen des § 14 TzBfG zulässig ist. Eine der Fallgruppen des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist zwar nicht erfüllt, der Katalog ist jedoch nicht abschließend („insbesondere“). Der sachliche Grund für die Verknüpfung der Verträge liegt uE darin, dass der Arbeitnehmer sich ansonsten weitgehend risikofrei aus dem Auslandsanstellungsverhältnis lösen könnte und ein sinnentleertes Anstellungsverhältnis mit dem Stammhaus verbliebe. Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Klausel steht jedoch aus. Vgl. auch Lindemann, ArbR Aktuell 2011, 133. 24 Wichtig: Ob eine solche Koppelung der Verträge wirksam ist, ist offen (vgl. Seel, MDR 2011, 5). Eine Koppelung des ruhenden Arbeitsverhältnisses an die Beendigung des Auslandsarbeitsverhältnisses wird zwar für Fälle vorgeschlagen, in denen der Beendigungsgrund auch nach deutschem Recht zu einer Kündigung berechtigen würde (Schwab/Engelmann/ Tischler-Kolbe, NWB 4/2011, S. 299). Es ist jedoch dringend zu raten, etwaige Kündigungen für alle Verträge gesondert auszusprechen.

Lingemann 493

Kap. 12

Vergütung

§ 22 Nebenabreden, Schriftformklausel, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.25 § 23 Salvatorische Klausel26 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.27 25 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 26 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 27 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

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Kapitel 12

Vergütung

Literaturübersicht: Zu Zulagen: Bernstein, Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen – Erweiterung des Mitbestimmungsrechts durch Regelungsabrede, EzA BetrVG 1972 § 88 Nr. 1; Bonanni/Koehler, Anrechnung übertariflicher Zulagen, ArbRB 2009, 24; Franke, Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen, NZA 2009, 245; Fuchs, Anrechnung von Tariferhöhungen auf Zulagen – AGB-Kontrolle, AP BGB § 308 Nr. 3; Hunold, Freiwillige Zulagen: übertariflich – außertariflich?, NZA 2007, 912; Kleinebrink, Vertragliche Flexibilisierung der Höhe des Arbeitsentgelts durch Anrechnung von Tariferhöhungen, ArbRB 2005, 122; Kleinebrink, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Anrechnung von Tariferhöhungen in problematischen Fällen, ArbRB 2005, 185; Lingemann, Widerruf von übertariflichen Leistungen des Arbeitgebers, NJW 2007, 539; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – gibt es sie noch?, DB 2007, 1754; Mittag, Anrechnung von Tariferhöhungen, AiB 2006, 641; Moderegger, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Anrechnung übertariflicher Zulagen, ArbRB 2009, 142; Reiter, Anrechnung tariflicher Einmalzahlungen auf übertarifliche Zulagen, DB 2006, 2686; Schmitt-Rolfes, Neues Altes vom BAG: Tariferhöhungen ohne weiteres anrechenbar, AuA 2006, 447.

Zu Zuschlägen: Arens, Ausgleich für Nachtarbeit, AR-Blattei ES 530 14.3 Nr. 167; Beckerle, Überstundenzuschlag und Nachtarbeitszuschlag – gleitende Arbeitszeit, EzBAT § 17 BAT Nr. 12; Feichtinger/Malkmus, Zur Zahlung von Feiertagszuschlägen bei Erkrankung des Arbeitnehmers, EWiR 2005, 347; Fischer/Hoberg, Steuer- und sozialabgabenfreie Zuschläge – Optimierungspotenzial für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, DB 2006, 1333; Foerster, SFN-Zuschläge und Beiträge, AuA 2006, Nr. 9, 548; Ilbertz, Mitbestimmung bei Ausgleich für Nachtarbeit, ZBVR 2005, 109; Lindemann, Teilzeitarbeit – Überstunden – Mehrflugstundenvergütung, AP TzBfG § 4 Nr. 6; Steen, Entgeltfortzahlung und regelmäßige Überstunden, AiB 2004, 63.

494 Lingemann

Kap. 12

Vergütung

§ 22 Nebenabreden, Schriftformklausel, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.25 § 23 Salvatorische Klausel26 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.27 25 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 26 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 27 S. M. 3.1, § 26 m. Anm.

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Kapitel 12

Vergütung

Literaturübersicht: Zu Zulagen: Bernstein, Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen – Erweiterung des Mitbestimmungsrechts durch Regelungsabrede, EzA BetrVG 1972 § 88 Nr. 1; Bonanni/Koehler, Anrechnung übertariflicher Zulagen, ArbRB 2009, 24; Franke, Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen, NZA 2009, 245; Fuchs, Anrechnung von Tariferhöhungen auf Zulagen – AGB-Kontrolle, AP BGB § 308 Nr. 3; Hunold, Freiwillige Zulagen: übertariflich – außertariflich?, NZA 2007, 912; Kleinebrink, Vertragliche Flexibilisierung der Höhe des Arbeitsentgelts durch Anrechnung von Tariferhöhungen, ArbRB 2005, 122; Kleinebrink, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Anrechnung von Tariferhöhungen in problematischen Fällen, ArbRB 2005, 185; Lingemann, Widerruf von übertariflichen Leistungen des Arbeitgebers, NJW 2007, 539; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – gibt es sie noch?, DB 2007, 1754; Mittag, Anrechnung von Tariferhöhungen, AiB 2006, 641; Moderegger, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Anrechnung übertariflicher Zulagen, ArbRB 2009, 142; Reiter, Anrechnung tariflicher Einmalzahlungen auf übertarifliche Zulagen, DB 2006, 2686; Schmitt-Rolfes, Neues Altes vom BAG: Tariferhöhungen ohne weiteres anrechenbar, AuA 2006, 447.

Zu Zuschlägen: Arens, Ausgleich für Nachtarbeit, AR-Blattei ES 530 14.3 Nr. 167; Beckerle, Überstundenzuschlag und Nachtarbeitszuschlag – gleitende Arbeitszeit, EzBAT § 17 BAT Nr. 12; Feichtinger/Malkmus, Zur Zahlung von Feiertagszuschlägen bei Erkrankung des Arbeitnehmers, EWiR 2005, 347; Fischer/Hoberg, Steuer- und sozialabgabenfreie Zuschläge – Optimierungspotenzial für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, DB 2006, 1333; Foerster, SFN-Zuschläge und Beiträge, AuA 2006, Nr. 9, 548; Ilbertz, Mitbestimmung bei Ausgleich für Nachtarbeit, ZBVR 2005, 109; Lindemann, Teilzeitarbeit – Überstunden – Mehrflugstundenvergütung, AP TzBfG § 4 Nr. 6; Steen, Entgeltfortzahlung und regelmäßige Überstunden, AiB 2004, 63.

494 Lingemann

Vergütung

Kap. 12

Zu Tantiemen: Bascope/Hering, Verdeckte Gewinnausschüttung im Zusammenhang mit der Vergütung von Gesellschafter-Geschäftsführern, GmbHR 2005, 741; Bauer/Göpfert/Siegrist, Abberufung von Organmitgliedern: Wegfall der variablen Vergütung?, DB 2006, 1774; Fröhlich, Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg im Arbeitsverhältnis, ArbRB 2006, 246; Fröhlich, Zur Zulässigkeit der Kürzung von Bonuszahlungen, ArbRB 2012, 85; Herold, Musterformulierungen zur Tantieme des Gesellschafter-Geschäftsführers, GStB 2002, 42; Janssen, Die Berücksichtigung von Verlustvorträgen bei der Tantiemeberechnung, GStB 2009, 369; Lakies, Neue Rechtsprechung zu Flexibilisierung bei Sonderzuwendungen, ArbR Aktuell 2013, 251; Mertes, TantiemeGestaltung, GmbH-Stpr 2009, 108; Moritz, BMF-Schreiben zur verdeckten Gewinnausschüttung, AktStR 2002, 325; Simon/Hidalgo/Koschker, Flexibilisierung von Bonusregelungen – eine unlösbare Aufgabe?, NZA 2012, 1071. Zu Provisionen: Becher, Zum Verzicht des Handelsvertreters auf den bereits entstandenen Provisionsanspruch, EWiR 2004, 235; Grimm/Walk, Das Schicksal erfolgsbezogener Vergütungsformen beim Betriebsübergang, BB 2003, 577; Hübsch/Hübsch, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Handelsvertreterrecht, WM 2005, Sonderbeilage Nr. 1, 2; Lembke/Fesenmeyer, Abreden über Vermittlungsprovisionen in Arbeitnehmerüberlassungsverträgen, DB 2007, 801; Puttkamer, Vergütung nach Zielvereinbarungssystemen, AiB 2002, 576; Steinhauff, Zurechnung der Einkünfte aus verdeckter Handelsvertretung, NWB Fach 3, 13295 (14/2005); Zorn, Provision im Arbeitsvertrag, AuA 2007, 658. Zur Akkordvergütung: Ahlborn-Braun, Entgeltfortzahlung in Akkordgruppenarbeit, AiB 2004, 60; Boegl, Mitbestimmungsrechte des Personal- bzw. Betriebsrats bei Einführung der leistungsorientierten Bezahlung, ZfPR 2007, 22; Ehlscheid, Neue Entgeltsysteme und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, AiB 2002, 295; Eyer, Leistungsentgelt und Arbeitszeit kombinieren, AuA 2002, 503; Fratschner, Flexible Leistungs- und Vergütungssysteme, AuA 2005, 294; von Hören, Leistungsorientierte Vergütung, KH 2005, 691; Ilbertz, Mitbestimmung bei Akkordentlohnung, ZBVR 2002, 248; Schwab, Das Recht der Arbeit im Leistungslohn (Akkord und Prämie) AR-Blattei Akkordarbeit I; Schwab, Rechtsprobleme der Arbeit im Leistungslohn, NZA-RR 2009, 1 und 57. Zu Prämien: Bauer/Lingemann, Probleme der Entgeltfortzahlung nach neuem Recht, BB Beilage 17/1996, 8; Felser, Der goldene Handschlag, AiB 2006, 346; Kania/Wackerbarth, Die Anwesenheitsprämie, AR-Blattei SD 90; Kock, „Meine Meilen, Deine Meilen“: Dienstlich erlangte Bonuspunkte aus Kundenbindungsprogrammen, DB 2007, 462; Mayer, Kürzung einer Anwesenheitsprämie bei Krankheit, AiB 2003, 59; Reichold, Mitbestimmung bei Prämienlohn – Grenzen der mitbestimmungsrechtlichen „Umdeutung“ durch die Einigungsstelle, RdA 2002, 242. Zu Gratifikationen: Baeck/Winzer, Neuere Entwicklungen im Arbeitsrecht – Stichtagsklauseln – was geht noch?, NZG 2012, 657; Bayreuther, Freiwilligkeitsvorbehalte: Zulässig, aber überflüssig?, BB 2009, 102; Grimm/Freh, Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte, ArbRB 2011, 285; Groeger, Arbeitsvertragliche Vereinbarungen über Sondervergütungen, ArbRB 2010, 156; Helml, Der Weihnachtsgeldanspruch, AiB 2005, 645; Henssler/Müller, Zum Rückzahlungsvorbehalt bei einer in Teilbeträgen gezahlten Gratifikation, EWiR 2004, 105; Hinrichs, Weihnachtsgeld, AiB 2006, 715; Hromadka, Was bleibt vom vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt?, DB 2012, 1037; Hunold, Vertragsänderung durch bloßen Zeitablauf?, DB 2012, 1096; Klauze, Alle Jahre wieder – Das Weihnachtsgeld, AuA 2008, 712; Kleinebrink, Inhalt und Gestaltung von Arbeits- und Betriebsordnungen, ArbRB 2010, 161; Leder, Aktuelles zur Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen, RdA 2010, 93; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – es gibt sie noch, DB 2008, 2307; Lingemann/Gotham, Freiwilligkeits-, Stichtags- und Rückzahlungsregelungen bei Bonusvereinbarungen – was geht noch?, NZA 2008, 509; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – gibt es sie noch?, DB 2007, 1754; Lunk/Leder, Mitbestimmung der Betriebsräte bei freiwilligen Leistungen, NZA 2011, 249; Maaß, Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt – Welche Formulierung genügt dem Transparenzgebot?, ArbR Aktuell 2011, 59; Manske, Weihnachtsgeld – Gleichbehandlung – Arbeiter – Angestellter, AiB 2006, 123; Manske, Das „Aus“ für die gegenläufige betriebliche Übung, ArbRB 2009, 239; Moderegger, Gratifikationen: Flexibel oder starr?, ArbRB 2006, 367; Müller-Bonanni/Nimmerjahn, Fallstricke bei der Formulierung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten, ArbRB 2008, 114; Preis, Der langsame Tod der Freiwilligkeitsvorbehalte und die Grenzen betrieblicher Übung, NZA 2009, 281; Preis/Sagan, Der Freiwilligkeitsvorbehalt im Fadenkreuz der Rechtsgeschäftslehre – Chro-

Lingemann 495

Kap. 12

Vergütung

nik eines angekündigten Todes, NZA 2012, 697; Roeder, Zweierlei Maß oder das Ende der gegenläufigen betrieblichen Übung, NZA 2009, 883; Röhsler, Die Gratifikation, AR-Blattei SD 820; Salamon, Rechtsfolgen des Zusammentreffens von Freiwilligkeitsvorbehalten und Gratifikationszweckvereinbarungen, NZA 2009, 656; Schumann, Zur Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten beim Weihnachtsgeld, EWiR 2006, 111; Schuster, Weihnachtsgeld, AiB 2009, 535; Springer/Kamppeter, Schwanger – und jetzt? Ein Leitfaden für Arbeitgeber, BB 2010, 2960; Steen, Weihnachtszuwendungen und Fehlzeiten, AiB 2004, 64; Swoboda, Mitarbeitermotivation durch arbeitsvertragliche Sonderzahlungen, BB 2003, 418; Tschöpe/Fleddermann, Das Einmaleins des Gratifikationenrechts, AuA 2002, 256; Willemsen/Jansen, Die Befristung von Entgeltbestandteilen als Alternative zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten, RdA, 1. Zu vermögenswirksamen Leistungen: Hartmann, Vermögenswirksame Leistungen, LSW Gruppe 4/341, 1 (4/2004); Jungblut, Vermögensbildung nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz, NWB Fach 6, 4535 (47/2004); Klöckner, Vermögensbildung nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz, NWB Fach 6, 3939 (40/1998). Zum Aufwendungsersatz: Henkel, Erstattung von Reisekosten, AuA 2009, 273; Kleinebrink, Die Dienstreisezeit, ArbRB 2011, 26; Paus, LStR 2008: Neustrukturierung des steuerlichen Reisekostenrechts, EStB 2008, 139; Schneider, Bonusmeilen für Vielflieger – Herausgabeanspruch des Arbeitgebers, AiB 2007, 60; Wulff, Wenn Arbeitnehmer und Betriebsräte eine Reise tun, AiB 2009, 91. Zum Dienstfahrzeug: Abeln/Meier, Dienstwagen, AuA 2005, 264; Abeln/Steinkühler, Wie man als Arbeitgeber gut fährt, AuA 2002, 116; Becker, Umfang der Abgeltungswirkung der 1 %-Regelung bei privater Pkw-Nutzung, StWK Gruppe 27, 389 (14/2006); Bergkemper, Beweis des ersten Anscheins bei Nutzung eines Dienstwagens für private Zwecke, HFR 2007, 118; Börck, Herausgabe des Dienstfahrzeuges während der Freistellung des Arbeitnehmers: Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten für die Praxis, BB 2002, 2278; von Bornhaupt, Anforderungen an das Verbot zur Privatnutzung bei Firmenwagen, DStR 2007, 792; Briese, Unterstellte Privatnutzung eines Betriebs-PKW durch den Gesellschafter-Geschäftsführer: Lohn oder verdeckte Gewinnausschüttung?, GmbHR 2005, 1271; Bruschke, Geldwerter Vorteil bei der Überlassung von Firmenfahrzeugen, DStZ 2009, 408; Denecke, Freigestellte Betriebsratsmitglieder, AuA 2006, 24; Ehrich, Zur Dienstwagenproblematik, EWiR 2005, 63; Fischer, Dienstwagenüberlassung an Arbeitnehmer, Information StW 2007, 432; Fröhlich, Herausgabe des Dienstwagens bei Kündigung und Freistellung, ArbRB 2011, 253; Geserich, 1 %-Regelung bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, NWB 2012, 114; Günther/Gatzen, Privatnutzung eines betrieblichen Pkw durch Unternehmer/Arbeitnehmer, EStB 2008, 180; Hansen, Dienstwagen als Vergütungsbestandteil, AuA 2003, 44; Heinrich, Arbeitsverhältnisse unter Angehörigen – Überlassung von Dienstwagen, NWB 2011, 3050; Höser, Die Dienstwagennutzung bei Arbeitsunfähigkeit – Rechtssicherheit durch das BAG? –, BB 2012, 573; Hunold, Dienstreise- und Wegezeit, Rechtsfragen um Dienst- und Privatfahrzeuge des Arbeitnehmers, AR-Blattei SD 590; Hunold, Rund um den Dienstwagen, AuA 2004, Nr. 9, 19; Hunold, AGB-Kontrolle: Widerruf der Gestellung eines Dienstwagens, NZA 2010, 1276; Ilbertz, Privatnutzung eines Dienstwagens durch ein Betriebsratsmitglied, ZBVR 2005, 12; Insam/Hilbert/Heumann, Dienstwagenregelungen des Arbeitgebers aus arbeitsrechtlicher und lohnsteuerlicher Sicht, BBK 2011, 522; Intemann, Private Nutzung eines Dienstwagens, NZA 2012, 492; Keilich, Dienstwagen – Von der Überlassung bis zum Widerruf, AuA 2009, 264; Meier, Der Entzug des Dienstwagens und seiner privaten Nutzung, FS Adomeit, 2008, S. 453; Moll/Roebers, Mitbestimmung des Betriebsrats beim Dienstwagen, DB 2010, 2672; Nägele, Navigationssystem – Ein Fall für die Mitbestimmung, ArbRB 2002, 113; Oelkers, Mitbestimmung bei Dienstwagenregelungen, NJW-Spezial 2009, 514; Schmiedel, Die Sicherung des Herausgabeanspruchs am Dienstwagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mittels einstweiliger Verfügung, BB 2002, 992; Stoffels, Die Überlassung von Dienstwagen, FA 2009, 329; Thomas, Geldwerte Vorteile bei Überlassung und Übertragung von Kraftfahrzeugen, DB Beilage 6/2006, 58; Walter/Krauß, Schadenregulierung bei Unfällen mit betrieblichem Pkw (Unternehmensvermögen), DB 2002, 2681. Zur Dienstwohnung: Mösbauer, Die Überlassung von Werks- oder Dienstwohnungen an Arbeitnehmer als typische Zweifelsfrage der Lohnsteuer-Außenprüfung, StBp 2003, 81; SchmidtFutterer/Blank, Die betriebseigene Werkwohnung, AR-Blattei Werkwohnung I.

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Vergütung

Kap. 12

Zu Arbeitgeberdarlehen: Hermann, Geldwerter Vorteil bei zinsgünstigen Arbeitgeberdarlehen, NWB direkt Nr. 26, 7; Holtkamp, Der Arbeitnehmer als Verbraucher?, AuA 2002, 250; Hunold, Ausgewählte Rechtsprechung zur Vertragskontrolle im Arbeitsverhältnis, NZA-RR 2002, 225; Kleinebrink, Vertragliche Gestaltung eines Arbeitgeberdarlehens, ArbRB 2010, 382; Loritz, Aufklärungspflicht – Belegschaftsaktien – Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 42; Meyer, Zum Sachbezug im Zusammenhang mit Arbeitgeberdarlehen, EFG 2005, 1029; Mummenhoff, Rückzahlung, AR-Blattei SD 1340; Seifert, Vergünstigte Arbeitgeberdarlehen: Zinsvorteile als „Geschenk“ für gute Mitarbeiter, GStB 2009, 81; Warnke, Lohnsteuerliche Behandlung von Arbeitgeberdarlehen, EStB 2008, 108. Zu Abtretung und Pfändung: App, Pfändbare Ansprüche eines Arbeitnehmers trotz Abtretung seines Arbeitslohns, KKZ 2005, 47; Beetz, Pfändbarkeit von Urlaubsvergütungen, ZVI 2008, 244; Bengelsdorf, Die (Un-)Pfändbarkeit der Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge, FA 2009, 376; Bengelsdorf, Gelungene Rechtsfindung im komplizierten Normengefüge der Lohnpfändung – Die gesetzeskonforme Auslegung der §§ 850 Abs. 2, 850a Nrn. 2, 6 ZPO, SAE 2009, 196; Bengelsdorf, Neue Rechtsprechung im Lohnpfändungsrecht, FA 2009, 162; Bengelsdorf, Praxisrelevante Gesetzesänderungen im Lohnpfändungsrecht, FA 2002, 366; Bruckner, Zur Wirksamkeit von Lohnabtretungsklauseln, WuB IF 4 Sicherungsabtretung 4.89; Flöther/Bräuer, Die Abtretung künftiger Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitnehmers, NZI 2006, 136; Helwich/Frankenberg, Pfändung des Arbeitseinkommens und Verbraucherinsolvenz, 6. Aufl. 2010; Hergenröder, Pfändungs- und Insolvenzschutz arbeitsrechtlicher Abfindungsansprüche, ZVI 2006, 173; Kohte/Busch, Vorausabtretung von Arbeitsentgeltansprüchen und Abfindungszahlung, VuR 2006, 410; Kreutz, Abwälzung der Bearbeitungskosten für Lohnpfändungen auf den Arbeitnehmer, BuW 2002, 38; Mikosch, Aufrechnung im Arbeitsverhältnis, AR-Blattei SD 270; Neumann, Lohnpfändung und Verpfändung, AR-Blattei Lohnpfändung I und SD 1130; Reifelsberger, Lohnpfändung bei Sachbezügen in der betrieblichen Praxis – insbesondere bei Dienstwagen, NZA 2013, 641; Reiter, Lohnpfändung und Lohnabrechung, FA 2007, 258; Sauerbier, Der Forderungsübergang im Arbeitsrecht, AR-Blattei Lohnabtretung I und SD 1120; Schielke, Kostentragung bei der Lohnpfändung, BB 2007, 378. Zu Aufrechnung und Zurückbehaltung: Blank, Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers an seiner Arbeitsleistung bei Betriebsfortführung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter trotz Sicherstellung des Lohnanspruchs über das demnächst zu erwartende Insolvenzgeld (§ 273 BGB)?, ZInsO 2007, 426; Brunhöber, Wenn der Arbeitnehmer nicht leistet . . ., AuA 2004, Nr. 4, 18; Hergenröder, Das Zurückbehaltungsrecht an Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis, AR-Blattei SD 1880; Laber, Zurückbehaltungsrechte im Arbeitsverhältnis, ArbRB 2009, 309; Mikosch, Aufrechnung im Arbeitsverhältnis, AR-Blattei SD 270; Otto, Das Zurückbehaltungsrecht an Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis, AR-Blattei DS 1880. Zu Zielvereinbarungen: Annuß, Arbeitsrechtliche Aspekte von Zielvereinbarungen in der Praxis, NZA 2007, 290; Bauer/Diller/Göpfert, Zielvereinbarungen auf dem arbeitsrechtlichen Prüfstand, BB 2002, 882; Behrens/Rinsdorf, Am Ende nicht am Ziel? – Probleme mit der Zielvereinbarung nach einer Kündigung, NZA 2006, 830; Berwanger, Noch einmal: Zielvereinbarungen auf dem Prüfstand, BB 2004, 551; Berwanger, Zielvereinbarungen und ihre rechtlichen Grundlagen, BB 2003, 1499; Breisig, Entlohnen und Führen mit Zielvereinbarungen, 3. Aufl. 2006; Brors, Die individualarbeitsrechtliche Zulässigkeit von Zielvereinbarungen, RdA 2004, 273; Brühler, Freiwilligkeitsvorbehalte bei Sonderzahlungen und entgeltrelevante Zielvereinbarungen in der Rechtsprechung des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts, JbArbR 46 (2009), 23; Burkhart/Boss, Die Zielvereinbarung, BWGZ 2006, 750; Däubler, Zielvereinbarungen als Mitbestimmungsproblem, NZA 2005, 793; Däubler, Zielvereinbarungen und AGB-Kontrolle, ZIP 2004, 2209; Deich, Flexibler durch Zielvereinbarungen, AuA 2004, Nr. 12, 8; Friedrich, Arbeitsrechtliche Aspekte von Zielvereinbarungen, PersF 2006, Heft 5, 22; Gaul/Rauf, Bonusanspruch trotz unterlassener Zielvereinbarung, DB 2008, 869; Gehlhaar, Rechtsfolgen unterbliebener Zielvereinbarungen und Zielvorgaben – eine Übersicht, NZA-RR 2007, 113; Heiden, Grenzen der Entgeltvariabilisierung am Beispiel zielvereinbarungsgestützter Vergütung, DB 2006, 2401; Heiden, Unterjährige Zielanpassung und Feststellung der Zielerreichung bei entgeltrelevanten Zielvereinbarungen, DB 2009, 2714; Heiden, Entgeltvariabilisierung durch Zielvereinbarungen, DB 2009, 1705; Hergenröder, Zielvereinbarungen, AR-Blattei SD 1855; Hidalgo/Rid, Wie flexibel können Zielbonussysteme sein?, BB 2005, 2686; Horcher, Inhaltskontrolle von Zielvereinbarungen, BB 2007, 2065;

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Vergütung

Kempe, Zielvereinbarungen – Ende der Mitarbeiterbeurteilungen?, AuA 2002, 166; Köppen, Rechtliche Wirkungen arbeitsrechtlicher Zielvereinbarungen, DB 2002, 374; Laber/Reinartz, Flexibilität und Zielvereinbarung, ArbRB 2008, 125; Lembke, Die Gestaltung von Vergütungsvereinbarungen, NJW 2010, 321; Lindemann, Flexible Bonusregelungen im Arbeitsvertrag, BB 2002, 1807; Lingemann/Gotham, Freiwilligkeits-, Stichtags- und Rückzahlungsregelungen bei Bonusvereinbarungen – was geht noch?, NZA 2008, 509; Lorse, Wie weit sollte die Beteiligung der Personenvertretungen bei Mitarbeitergesprächen mit Zielvereinbarungen gehen?, PersV 2005, 404; Mauer, Zielbonusvereinbarungen als Vergütungsgrundlage im Arbeitsverhältnis, NZA 2002, 540; Mohnke, Effektive Ausgestaltung von Zielvereinbarungen, AuA 2008, 343; Plander, Die Rechtsnatur arbeitsrechtlicher Zielvereinbarungen, ZTR 2002, 155; Portz, Hinweise zur Gestaltung von Zielvereinbarungen in Arbeitsverträgen, ArbRB 2005, 374; Puttkamer, Vergütung nach Zielvereinbarungssystemen, AiB 2002, 576; Reiserer, Zielvereinbarung – ein Instrument der Mitarbeiterführung, NJW 2008, 609; Reiserer/Fallenstein, Mitarbeiterbindung und leistungsabhängige Bonussysteme: ein Widerspruch oder zulässige Praxis?, DStR 2011, 1572, 1624; Riesenhuber/von Steinau-Steinrück, Zielvereinbarungen, NZA 2005, 785; Röder, Fallstricke bei der Gestaltung zielvereinbarungsgestützter Vergütungssysteme, FS 25 Jahre ARGE Arbeitsrecht im DAV, 2006, S. 139; Salamon, Mitarbeitersteuerung durch erfolgs- und bestandsabhängige Gestaltung von Vergütungsbestandteilen, NZA 2010, 314; Trittin, Zielvereinbarungen, AiB 2005, 481; Ullrich, Bonuszahlung bei unterbliebener Zielvereinbarung: Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers, SAE 2008, 316. Zu Aktienoptionen: Achleitner/Wollmert, Stock-Options, 2. Aufl. 2002; Baeck/Diller, Arbeitsrechtliche Probleme bei Aktienoptionen und Belegschaftsaktien, DB 1998, 1405; Bauer/Göpfert/ von Steinau-Steinrück, Aktienoptionen bei Betriebsübergang, ZIP 2001, 1129; Busch, Zufluss von Arbeitslohn bei handelbaren Optionsrechten, DStR 2009, 898; Dörr, Kein Betriebsausgabenabzug bei unentgeltlicher Einräumung von Stock Options an Mitarbeiter, NWB 2011, 350; von Dryander/Schröder, Gestaltungsmöglichkeiten für die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder im Lichte des neuen Insiderrechts, WM 2007, 534; Fröhlich, Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg im Arbeitsverhältnis, ArbRB 2006, 246; Kutsch/Kersting, Mitarbeiterbeteiligung zur Finanzierung und Sanierung, BB 2011, 373; Lingemann/Diller/Mengel, Aktienoptionen im internationalen Konzern – ein arbeitsrechtsfreier Raum?, NZA 2000, 1191; Lingemann/Wasmann, Mehr Kontrolle und Transparenz im Aktienrecht: Das KonTraG tritt in Kraft, BB 1998, 853; Lipinski, Die Gewährung von Aktienoptionen durch Dritte, zB eine Konzernmutter – Von Dritten geleistetes Arbeitsentgelt?, BB 2003, 150; Loritz, Stock-options und sonstige Mitarbeiterbeteiligungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, ZTR 2002, 258; Nehls, Zum Schicksal von Aktienoptionen bei Betriebsübergang, ZIP 2002, 201; Otto/Mückl, Grenzen der Mitbestimmung des Betriebsrats bei Aktienoptionsplänen, DB 2009, 1594; Reim, Aktienoptionen aus AGB-rechtlicher Sicht, ZIP 2006, 1075; Rossmanith/Funk/Alber, Stock Options, WPg 2006, 664; Strnad, Tarifbegünstigung geldwerter Vorteile aus Aktienoptionen, DB 2007, 498; Urban-Crell/Manger, Konzernweite Aktienoptionspläne und Betriebsübergang, NJW 2004, 125.

I. Einführung 1. Allgemeines 1

Die Vergütung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers.1 Der Anspruch ergibt sich meist aus der Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder aus Tarifvertrag. Auch eine Betriebsvereinbarung kann Anspruchsgrund-

1 Zum Arbeitslohn durch Vorteilsgewährung von dritter Seite vgl. BFH v. 20.5.2010, DStRE 2010, 1002 m. Anm. Hilbert, NWB 2010, 3031. Eine zu geringe Vergütung für geleistete Arbeitsstunden begründet einen Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenz, nicht aber einen Anspruch auf Gutschrift dieser Arbeitsstunden auf einem Arbeitszeitkonto als Mehrarbeit, vgl. BAG v. 17.11.2011 – 5 AZR 681/09.

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Vergütung

Kap. 12

lage sein.2 Daneben kommen in Betracht arbeitsvertragliche Einheitsregelung und Gesamtzusage3 sowie als ungeschriebene Anspruchsgrundlagen betriebliche Übung4 und Gleichbehandlungsgrundsatz5. Fehlt eine Vereinbarung oder ist diese unwirksam6, so ist gemäß § 612 Abs. 2 Alt. 2 BGB regelmäßig die übliche Vergütung geschuldet.7 Gemäß § 108 GewO ist der Arbeitgeber verpflichtet, über die Vergütung in Textform abzurechnen. Zum Teil wird aus § 310 Abs. 4 Satz 3 iVm. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Angemessenheitskontrolle der Vergütungshöhe in vorformulierten Arbeitsverträgen anhand von Tarifverträgen gefordert.8 Eine solche „Preiskontrolle“ lässt sich jedoch schon aus dem Wortlaut der genannten Vorschriften nicht herleiten; auch verstieße sie gegen die negative Koalitionsfreiheit.9 Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes stellt der in einigen Branchen geltende Mindestlohn dar.10 Danach kann ein nach § 5 TVG für allgemein verbindlich erklärter oder in seiner Wirkung nach § 7 AEntG 2009 auf bisher nicht an ihn gebundene Arbeitsverhältnisse erstreckter Tarifvertrag Mindestlöhne festlegen.11 Für die Frage, ob der Arbeitgeber diesen Anspruch auf Mindestlohn durch anderweitige Leistungen erfüllt hat, kommt es darauf an, welchen Zweck die anderen Leistungen haben. Sie sind dann als funktional gleichwertig zum Mindestlohn anzusehen, wenn sie dazu dienen, die nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag vorausgesetzte „Normalleistung“ abzugelten, nicht jedoch, wenn sie über die vom Tarifvertrag vorausgesetzte Verpflichtung hinaus geleistete Arbeitsstunden oder unter demgegenüber besonderen Erschwernissen geleistete Arbeit vergüten sollen.12 Danach sollen zumindest die

2 Vgl. Kleinebrink, ArbRB 2010, 161; Entgeltregelungen in Betriebsvereinbarungen werden allerdings häufig an der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG scheitern, vgl. BAG v. 23.3.2011, AP Nr. 101 zu § 77 BetrVG 1972. 3 Zur AGB-Kontrolle einer Gesamtzusage vgl. Soiné, ZTR 2006, 465 ff. 4 Vgl. zur betrieblichen Übung hinsichtlich der Nutzung von auf Dienstreisen erworbenen Bonusmeilen BAG v. 11.4.2006, BB 2006, 2137, 2138 f. sowie BAG v. 29.8.2012, NZA 2013, 40 zur betrieblichen Übung bei irrtümlicher Leistungsgewährung. Eine betriebliche Übung zur Erhöhung der Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung wird man bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern jedoch nur in Ausnahmefällen annehmen können, vgl. BAG v. 19.10.2011, NZA-RR 2012, 344, 345 f. m. Anm. Winzer, ArbR Aktuell 2011, 664. 5 Vgl. BAG v. 23.2.2011, NZA 2011, 693. Zur Analyse der betrieblichen Entgeltungleichheit vgl. Schmidt, DB 2010, 957. 6 ZB wegen Lohnwuchers gemäß § 138 BGB, vgl. hierzu BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 974 m. Anm. Günther, ArbR Aktuell 2012, 401; Bayreuther, NZA 2010, 1157; Böggemann, NZA 2011, 493, Perreng, FA 2010, 258; BAG v. 27.6.2012 – 5 AZR 496/11; Sasse/Häcker, ArbRB 2012, 350 oder bei fehlerhaftem (faktischem) Arbeitsverhältnis, vgl. BAG v. 27.7.2010, BB 2011, 572 m. Anm. Sagan. Die Vereinbarung von Unentgeltlichkeit ist hingegen zulässig, wenn eine Vergütung, wie bei ehrenamtlicher Tätigkeit, nicht zu erwarten ist; es handelt sich dann jedoch nicht um ein Arbeitsverhältnis, vgl. BAG v. 29.8.2012, NZA 2013, 1433. 7 BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 1173. 8 Vgl. Däubler, NZA 2001, 1335; Lakies, NZA-RR 2002, 337. 9 Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 60 ff. mwN; Lingemann, NZA 2002, 181, 188 f. 10 Zur möglichen Verfassungswidrigkeit eines allgemeinen Mindestlohns vgl. Forkel, BB 2011, 1209. 11 Vgl. zu den Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung Wolf, NWB 2011, 1800; gemäß dem 2011 eingeführten § 3a AÜG und der zum 1.1.2012 in Kraft getretenen Mindeststundenentgeltverordnung in der Arbeitnehmerüberlassung gilt auch in der Leiharbeit ein Mindestlohn. 12 BAG v. 18.4.2012, DB 2013, 69 („Verkehrsmittelzulage“).

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1a

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Vergütung

vom Arbeitgeber erbrachten vermögenswirksamen Leistungen nicht der Erfüllung des Mindestlohnanspruches dienen, weil sie unabhängig von der Art und Entlohnung der zu leistenden Tätigkeit die Funktion einer Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand erfüllen und überdies dem Arbeitnehmer nicht zusammen mit dem laufenden Entgelt zur Verfügung stehen.13 Da das AEntG 2009 jedoch auf der Richtlinie 96/71/EG beruht, hat das BAG dem EuGH diese Frage im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vorgelegt.14 1b

Einschränkungen bei der Festlegung der Vergütung folgen auch aus der InstitutsVergütungsverordnung für Kreditinstitute sowie der Versicherungs-Vergütungsverordnung für Versicherungskonzerne, die Anforderungen an Vergütungssysteme insbesondere für Geschäftsleiter und Mitarbeiter von Kontrolleinheiten festlegen.15

1c

Eine vereinbarte Vergütung stellt im Regelfall eine Bruttovergütung dar. Auch im Falle einer Schwarzgeldabrede ist nicht von einer Nettolohnabrede16 auszugehen, weil die Arbeitsvertragsparteien mit der Schwarzgeldabrede die Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bezweckt haben, nicht jedoch deren Übernahme durch den Arbeitgeber.17

1d

Bei der Vergütung ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Dieser kann im Einzelfall einzelvertraglichen Vergütungsregeln vorgehen, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Gewährt der Arbeitgeber freiwillige Sonderzahlungen, so darf er nicht einzelne Arbeitnehmer aus unsachlichen Gründen von einer solchen Zahlung ausschließen.18 Der Zweck, bestehende Vergütungsunterschiede auszugleichen, kann eine Ungleichbehandlung bei der Entgelterhöhung rechtfertigen.19 Auch darf der Arbeitgeber differenzieren zwischen Arbeitnehmern, die Nachteile in Kauf genommen haben und solchen, bei denen das nicht der Fall ist.20

1e

Als mögliches Flexibilisierungsinstrument kommen im Zusammenhang mit der Vergütung auch Bedingungs- und Befristungsabreden in Betracht. Weder die Befristung noch die Bedingung einzelner Arbeitsbedingungen unter Verwendung von AGB unterliegt den Regeln des TzBfG. Die Bestimmungen müssen jedoch der Inhaltskontrolle des § 307 BGB standhalten, dürfen also insbesondere den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen.21 Es wird in diesem Zusammenhang vertreten, dass der bedingte/befristete Teil des Arbeitsentgelts – wie in den Fällen des Widerrufsvorbehalts – unter 25/30 % des Gesamtverdienstes liegen muss.22

13 BAG v. 18.4.2012, DB 2013, 69. 14 BAG v. 18.4.2012, DB 2013, 67. 15 Vgl. hierzu Annuß/Sammet, BB 2011, 115; Simon/Koschker, BB 2011, 120; Fröhlich, ArbRB 2010, 312. 16 Zur Nettolohnabrede und ihrer steuerlichen Behandlung vgl. Peetz, DStZ 2010, 809. 17 BAG v. 17.3.2010, NZA 2010, 881. 18 BAG v. 13.4.2011, NZA 2011, 1047. 19 BAG v. 12.1.2011, NZA-RR 2011, 574; v. 17.3.2010, NZA 2010, 696. 20 BAG v. 5.8.2009, NZA 2009, 1135. 21 BAG v. 18.5.2011, NZA 2011, 1289; v. 8.8.2007, NZA 2008, 229. 22 Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1, 5; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 76.

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Vergütung

Kap. 12

Vergütung kann in verschiedenen Formen geleistet werden, die untereinander kombinierbar sind. Die häufigste Vergütungsform ist die Festvergütung (Vergütung nach Stunden, Wochen, Monaten oder auch Jahren) (M 12.1). Sie ist unabhängig vom Erfolg der Tätigkeit innerhalb des Zeitraumes geschuldet.23 Im Gegensatz dazu steht die Akkordvergütung, die sich allein nach der erbrachten Leistung bestimmt. Typischer Anwendungsfall ist der Akkordlohn (berechnet nach Arbeitsmengeneinheiten, zB Stückzahl, Gewicht (Geldakkord), oder nach festen Vorgabezeiten als Verrechnungsfaktor (Zeitakkord)) (M 12.13). Leistungsbezogen sind Prämien, die sich allerdings auch nach bestimmten zeitlichen Leistungen richten können (M 12.14), oder Provisionen.

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Neben der Grundvergütung kommen insbesondere in Betracht übertarifliche Zulagen (M 12.7), Zuschläge (M 12.8), Tantiemen (M 12.10), Prämien (M 12.14), Gratifikationen (M 12.15), Dienstwagen (M 12.22), Dienstwohnung (M 12.23), Arbeitgeberdarlehen (M 12.24), Zielvereinbarungen (M 12.27), Aktienoptionen (M 12.28).

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Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bestehen im Anwendungsbereich des § 87 BetrVG gemäß § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG, soweit eine tarifliche Regelung nicht besteht. Anders als bei § 77 Abs. 3 BetrVG sperrt die bloße Tarifüblichkeit Betriebsvereinbarungen insoweit nicht.24 Gegenstand des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist insbesondere die Wahl der jeweiligen Vergütungsform (s.o.) und die Erstellung von Kriterien zur Verteilung bestimmter Zulagen auf die Arbeitnehmer. Die Höhe der Vergütung oder den Dotierungsrahmen für etwaige Zulagen kann der Arbeitgeber hingegen mitbestimmungsfrei vorgeben.25 Nur bei leistungsbezogenen Vergütungsbestandteilen hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG ein erweitertes Mitbestimmungsrecht, das auch die Höhe der leistungsbezogenen Entgelte umfasst.26 Zur Prüfung der Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht, kann der Betriebsrat einen Anspruch auf Information nach § 80 Abs. 2 BetrVG auch dann haben, wenn umstritten ist, ob ein Mitbestimmungstatbestand für die Vergütungsfragen überhaupt eingreift. Voraussetzung ist allerdings, dass zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe des Betriebsrats besteht und die begehrte Auskunft zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist.27

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2. Freiwilligkeit, Widerruflichkeit und Anrechenbarkeit der Vergütung Zur Zulässigkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten verweisen wir auf Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff.

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Ansprüche aus betrieblicher Übung können wegen § 308 Nr. 5 BGB nicht mehr durch eine negative betriebliche Übung aufgehoben werden, also dadurch, dass der

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23 BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 917. 24 BAG v. 5.3.1997, NZA 1997, 951, 954. 25 BAG v. 26.8.2008, NZA 2008, 1426, 1428; v. 18.10.2011, DB 2012, 356. Soweit über verschiedene Entgeltfragen eine Betriebsvereinbarung zustande kommt, sollten mitbestimmungspflichtige und nicht mitbestimmungspflichtige Regelungen in verschiedenen Vereinbarungen getroffen werden, um eine Nachwirkung auch bzgl. der mitbestimmungsfreien Entgeltregelungen auszuschließen, vgl. Kleinebrink, ArbRB 2010, 161, 162 f. Zum Mitbestimmungsrecht bei Gehaltsanpassungen vgl. Brugger/Mosch, NJW-Spezial 2010, 690. 26 AA Richardi, § 87 BetrVG Rz. 904 ff. mwN zum Streitstand. 27 BAG v. 10.10.2006, NZA 2007, 99; v. 27.10.2010, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 133. Zur Mitbestimmung bei freiwilligen Leistungen allgemein und der Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrates vgl. Lunk/Leder, NZA 2011, 249.

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Arbeitgeber im Nachhinein erklärt, die Zahlung der Sonderzahlung sei eine freiwillige Leistung und begründe keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, und der Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widerspricht.28 Der bereits entstandene Anspruch des Arbeitnehmers kann folglich nur noch durch (Änderungs)Kündigung oder Vereinbarung beseitigt oder abgeändert werden. 7

Ein Widerrufsvorbehalt,29 der das Recht des Arbeitgebers begründen soll, bereits entstandene Ansprüche einseitig zu ändern, muss sich insbesondere an § 308 Nr. 4 BGB messen lassen. Er muss die Widerrufsgründe in möglichst konkretem Umfang enthalten.30 Der bloße Hinweis, dass eine Leistung aus „wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen werden kann, reicht hierfür nicht mehr aus.31 Der Arbeitgeber sollte daher die Gründe im Einzelnen in der Widerrufsklausel benennen. Dabei dürfte auch eine beispielhafte Aufzählung zulässig sein, in der die wichtigsten Fälle mit „insbesondere“ bezeichnet werden.32 Möchte der Arbeitgeber sich auch auf den Grad einer konkret bezeichneten Störung berufen (zB den Umfang der finanziellen Notlage des Unternehmens), muss er diesen ebenfalls im Widerrufsvorbehalt konkretisieren.33 Für Widerrufsvorbehalte in Arbeitsverträgen, die vor dem 1.1.2002 geschlossen wurden, kommt bei Fehlen von Widerrufsgründen eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht; dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber nicht bis zur Übergangsfrist (31.12.2002) eine Anpassung der Klausel angeboten hatte.34 Darüber hinaus muss der widerrufliche Teil unter 25/30 % des Gesamtverdiensts liegen und der Tariflohn darf nicht unterschritten werden.35 Diese Grundsätze gelten auch für arbeitsvertragliche Klauseln, die auf eine bestimmte Fassung eines einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenen Regelwerks Bezug nehmen und gleichzeitig die jeweilige Fassung dieses Regelwerks für anwendbar erklären. Ein solcher Vorbehalt ist gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn hierdurch nahezu sämtliche Arbeitsbedin-

28 BAG v. 18.3.2009, NZA 2009, 601 unter Aufgabe von BAG v. 4.5.1999, NZA 1999, 1162. 29 Vgl. auch Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. sowie M 2.2 Ziff. 4 Abs. 2. 30 BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457; v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann. 31 Vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, wonach die Klausel, die Überlassung des Dienstwagens könne „aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden“, unwirksam ist, weil sie einen Widerruf auch bei einer unwirtschaftlichen Nutzung ermöglichen würde. UE müssten „wirtschaftliche Schwierigkeiten des Arbeitgebers“ als Widerrufsgrund insbesondere bei finanziellen Sonderzuwendungen des Arbeitgebers noch ausreichen, da sie eine solche missbräuchliche Deutung nicht zulassen. Wer das Risiko vermindern möchte, sollte die „wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ durch die Nennung einzelner Voraussetzungen konkret benennen, vgl. hierzu M 2.2 Ziff. 4 Abs. 2. 32 So etwa in BAG v. 12.3.2012, NZA 2012, 616, zu einer Widerrufsklausel im Dienstwagenvertrag, die lautete: „Die Gesellschaft behält sich vor, die Überlassung des Dienstwagens zu widerrufen, wenn und solange der Pkw für dienstliche Zwecke seitens des Arbeitnehmers nicht benötigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt wird.“ (Hervorhebung von uns). 33 BAG v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; ferner Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 99c. 34 BAG v. 20.4.2011, NZA 2011, 796. 35 BAG v. 12.1.2005, NZA 2005, 465. Nur wenn der widerrufliche Teil im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, muss er unter 25 % liegen, ansonsten kann er sich auf bis zu 30 % erhöhen, BAG v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann.

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gungen einseitig abänderbar werden und keinerlei Gründe für eine mögliche Verschlechterung genannt sind.36 Auch bei der Formulierung von Widerrufsvorbehalten ist das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten. Will etwa ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine Sonderzahlung unter dem Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung leisten, muss ein solcher Vorbehalt hinreichend klar und verständlich zum Ausdruck bringen, dass er die Sonderzahlung nur „betriebsvereinbarungsoffen“ gewähren will.37

8

Die Anrechnung von Tariferhöhungen auf allgemeine übertarifliche Zulagen ist grundsätzlich auch ohne ausdrücklichen vertraglichen Anrechnungsvorbehalt38 zulässig.39 Dies gilt weiterhin auch unter der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen,40 denn Vereinbarungen über die Zahlung einer übertariflichen Vergütung, die keinem besonderen Zweck dient, sind Bruttolohnabreden, die wegen der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB nur am Maßstab des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu prüfen sind.41 Die allgemeine Zulage soll lediglich den Tariflohn an das tatsächliche Leistungsniveau anpassen. Diese Zielsetzung entfällt, wenn der Tariflohn erhöht wird. Die Anrechenbarkeit ergibt sich in solchen Fällen bereits aus der Vereinbarung einer „übertariflichen Zulage“ und entspricht damit auch dem Transparenzgebot.42 Eine rückwirkende Anrechung ist ebenfalls zulässig.43 Die Zulage ist nur dann „tariffest“, wenn ein Anrechnungsverbot – ggf. auch konkludent – vereinbart wurde.44 Ein konkludentes Anrechnungsverbot wird angenommen, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Zulage einem besonderen Zweck dient und dem Arbeitnehmer trotz Erhöhung als selbstständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zustehen soll.45 In Betracht kommt etwa eine Erschwernis-, Schicht- oder Auslandszulage (vgl. M 12.7.3–12.7.5). Denn in diesen Fällen ändert die Tariflohnerhöhung nichts an der besonderen Belastung, die der Arbeitgeber durch

9

36 BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428. 37 BAG v. 15.2.2011, NZA-RR 2011, 541; v. 5.8.2009, NZA 2009, 1105, 1107; wobei eine solche ablösende Betriebsvereinbarung keiner Inhaltskontrolle nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB unterliegt, jedoch im Rahmen von § 75 BetrVG eine recht umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt wird (BAG v. 17.7.2012, DB 2012, 2873 mit Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2013, 22). 38 Vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 69 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f. 39 BAG v. 23.9.2009, AP TVG § 4 Übertarifl. Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 44; v. 27.8.2008, NZA 2009, 49; v. 1.3.2006, NZA 2006, 688; v. 9.12.1997, NZA 1998, 661. Soll auf die übertarifliche Zulage jedoch auch angerechnet werden, wenn sich die tarifliche Arbeitszeit verkürzt, so muss dies ausdrücklich vereinbart werden, vgl. BAG v. 3.6.1998, AuA 1999, 571. 40 Vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 87; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 65; Lingemann, NZA 2002, 181, 190; Schnitker/Grau, BB 2002, 2120, 2124; Groeger, ArbRB 2010, 156, 160; krit. Franke, NZA 2009, 245. 41 BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49, 52; v. 1.3.2006, NZA 2006, 688, 689 mwN. 42 BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49, 52; v. 1.3.2006, NZA 2006, 746, 749; aA ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 65. 43 BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49, 51. 44 BAG GS v. 3.12.1991, NZA 1992, 749. 45 LAG Köln v. 25.1.2001, NZA-RR 2001, 487, 488; ähnl. BAG v. 23.9.2009, ArbR Aktuell 2010, 10; v. 27.8.2008, NZA 2009, 49, 50; ergibt sich jedoch, dass die Zulage dieselbe Leistung abgelten soll wie die Tariferhöhung, ist eine Anrechnung zulässig, BAG v. 18.4.2012, DB 2013, 69.

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die Zulage ausgleichen will. Zulässig bleibt dann nur der ausdrückliche Anrechnungsvorbehalt.46 Zur Sicherheit sollte daher eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden, wenn Zweifel am Zweck der Zulage auftreten können. Zu beachten ist ferner, dass der Arbeitgeber bei der Anrechnung an den Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden ist.47 10

Dem Betriebsrat steht bei der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf Zulagen grundsätzlich ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Voraussetzung ist zum einen, dass – wie meist – ein kollektiver Tatbestand vorliegt, zum anderen, dass die Anrechnung zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze führt und für eine anderweitige Verteilung überhaupt ein Regelungsspielraum der Betriebsparteien verbleibt.48 Eine Änderung der Verteilungsgrundsätze nimmt das BAG an, wenn sich auf Grund der Anrechnung das Verhältnis der Zulagen zueinander ändert. Dies trifft in den meisten Fällen zu.49 Unverändert bleibt die Verteilung jedoch, wenn eine prozentual zum jeweiligen Tariflohn gleiche Zulage gezahlt wurde und diese auch im gleichen prozentualen Umfang gekürzt wird.50 Ein Regelungsspielraum setzt ferner voraus, dass das Zulagenvolumen durch die Anrechnung nicht vollständig aufgezehrt wird. Fällt die Zulage durch die Anrechnung hingegen vollständig weg, bleibt keine Möglichkeit für eine Mitwirkung des Betriebsrats; unabhängig davon, ob sich die Verteilungsgrundsätze geändert haben, steht dem Betriebsrat dann kein Mitbestimmungsrecht zu.51 Versuchen des Betriebsrates, sein Mitbestimmungsrecht durch Mitbestimmung auch zur Höhe zu überschreiten, darf der Arbeitgeber mit der Ankündigung, die Zulage vollständig und gleichmäßig und damit mitbestimmungsfrei zu streichen, begegnen.52

3. Zulagen/Zuschläge (M 12.7 und M 12.8.1/M 12.8.2) 11

Zulagen werden neben der Grundvergütung geleistet. Sie können einen besonderen Zweck verfolgen, beispielsweise den Ausgleich besonderer Erschwernisse oder der Arbeitsleistung zu ungünstigen Zeiten (Nachtarbeit, Spätarbeit, Sonn- oder Feiertagsarbeit, Schichtarbeit53), oder sie dienen ohne einen besonderen Zweck nur dazu, die Vergütung über das als zu niedrig angesehene Tariflohnniveau hinaus zu erhöhen.

46 47 48 49 50

BAG v. 23.3.1993, NZA 1993, 806; v. 9.12.1997, NZA 1998, 661. BAG v. 1.3.2006, DB 2006, 1276; v. 1.3.2006, DB 2006, 1377, 1378; vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 87. Vgl. BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49, 52; v. 30.5.2006, NZA 2006, 1170, 1171. BAG v. 14.2.1995, DB 1995, 1917; v. 3.6.2003, BuW 2004, 260. Vgl. BAG GS v. 3.12.1991, NZA 1992, 749 mit zahlreichen Rechenbeispielen; zuletzt BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49, 52. 51 BAG v. 30.5.2006, NZA 2006, 1170, 1171; v. 22.9.1992, NZA 1993, 668; v. 27.10.1992, NZA 1993, 561; v. 3.3.1993, NZA 1993, 805; vgl. hierzu Lunk/Leder, NZA 2011, 249, 250. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates kann auch aus einer Regelungsabrede außerhalb der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte folgen. Dessen Missachtung führt jedoch nicht zu einer Unwirksamkeit gegenüber dem Arbeitnehmer, BAG v. 14.8.2001, DB 2002, 902. 52 BAG v. 26.5.1998, NZA 1998, 1293; vgl. auch BAG v. 1.3.2006, DB 2006, 1276; v. 1.3.2006, DB 2006, 1377. 53 Zum Anspruch auf Zulage für ständige Wechselschichtarbeit bei Unterbrechung durch Bereitschaftsdienst vgl. BAG v. 18.5.2011, NJOZ 2011, 1702. Zu den Voraussetzungen einer Zulage für Schicht- und Wechselschichtarbeit bei nur unregelmäßiger Einbeziehung in das Schichtsystem vgl. BAG v. 13.6.2012, NZA 2012, 1301.

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Rechtsgrundlage von Zulagen können Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder einzelvertragliche Vereinbarungen sein. Das Gesetz schreibt in § 17 Abs. 3 BBiG bei Überstunden Auszubildender Zulagen vor. Für Nachtarbeit ist nach § 6 Abs. 5 ArbZG Nachtarbeitnehmern (§ 2 Abs. 5 ArbZG) ein angemessener Zuschlag zu zahlen, wenn kein Ausgleich durch zusätzliche Freizeit erfolgt.54 Daneben gibt es „übertarifliche“ Zulagen, die an einen tariflichen Regelungsgegenstand anknüpfen, jedoch über die tariflich normierten Mindestbedingungen hinausgehen. Davon zu unterscheiden sind „außertarifliche“ Zulagen; sie betreffen Regelungsgegenstände, die in den einschlägigen tariflichen Bestimmungen überhaupt nicht vorgesehen sind.55

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Bei der Gewährung von Zulagen ist der Arbeitgeber an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden.56 Insbesondere haben Teilzeitbeschäftigte gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG zur Vermeidung einer mittelbaren Diskriminierung grundsätzlich Anspruch auf dieselben Zulagen wie Vollzeitbeschäftigte, soweit diese nicht mit der Vollzeitbeschäftigung zusammenhängen.57 Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz findet gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG bei Entgeltregelungen Anwendung. Es verbietet Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts,58 der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (§ 1 AGG). Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot führt bei Vermögensschäden des Arbeitnehmers zu einem Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG.59 Auch bei der Gewährung von Zulagen hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen, allerdings nur über den Verteilungsmodus, nicht über den vom Arbeitgeber insgesamt zur Verfügung gestellten Zulagenbetrag.60

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4. Tantiemen (M 12.10) Die Tantieme wird regelmäßig neben der Festvergütung vereinbart. Sie beteiligt den Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens unabhängig davon, ob dieser Erfolg auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist. Dennoch gehört sie zu den Vergütungsbestand-

54 Die in § 11 Abs. 2 ArbZG enthaltende Verweisung auf § 6 Abs. 5 ArbZG hat lediglich zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der an Sonn- und Feiertagen Nachtarbeit leistet, einen Anspruch auf eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder auf einen Zuschlag für die geleistete Nachtarbeit hat. Dagegen entsteht kein Anspruch auf einen gesetzlichen Sonn- und Feiertagszuschlag, vielmehr hat der Arbeitnehmer bei Sonn- und Feiertagsarbeit, die keine Nachtarbeit ist, nur nach § 11 Abs. 3 ArbZG einen Anspruch auf einen Ersatzruhetag (BAG v. 11.1.2006, NZA 2006, 372). 55 BAG v. 7.2.2007, NZA 2007, 934; dazu Hunold, NZA 2007, 912. 56 Eine Präklusion des Arbeitgebers mit Differenzierungsgründen tritt im Prozess nicht ein, der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Gründe für die Differenzierung daher nicht zwingend schon vorprozessual mitteilen, vgl. BAG v. 23.2.2011 – 5 AZR 82/10. 57 Vgl. hierzu BAG v. 17.8.2011, ZTR 2011, 727; v. 5.8.2009, ZTR 2009, 646; v. 22.10.2008, EzA TzBfG § 4 Nr. 16. 58 Insbesondere das Erlöschen von Ansprüchen in dem Zeitpunkt, in dem Arbeitnehmer eine vorgezogene Altersrente beanspruchen können, stellt eine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar, soweit diese früher als Männer zum Bezug einer Altersrente gegen Abschläge berechtigt sind, vgl. BAG v. 15.2.2011 – 9 AZR 340/08. 59 Näher zum AGG in Einf. Kap. 13 Rz. 26 ff. sowie in Einf. Kap. 1 Rz. 5 ff. 60 ErfK/Kania, § 87 BetrVG Rz. 108.

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teilen, die in das Austauschverhältnis „Arbeit gegen Lohn“ einbezogen sind.61 Sie wird regelmäßig mit Führungskräften vereinbart. 15

Eine Tantieme wird als Erfolgsbeteiligung vereinbart und in der Regel prozentual nach dem Jahresgewinn des Unternehmens berechnet. Bei überdurchschnittlicher Ertragssituation macht diese in praxi 15 bis 35 % der Gesamtvergütung aus, bei unterdurchschnittlicher Situation ca. 10 bis 20 %, Anteil steigend. Zulässig ist es, den Anspruch auf eine Tantieme von einer Dividendenzahlung an Aktionäre abhängig zu machen.62 Soweit der Arbeitgeber sich das Recht vorbehält, jedes Jahr über die Höhe einer solchen Tantieme zu bestimmen, ist diese Bestimmung eine Leistungsbestimmung iSv. § 315 BGB. Hat der Arbeitgeber das Gesamtvolumen in einer bestimmten Höhe festgelegt, muss er dieses Gesamtvolumen als wesentlichen Umstand bei der Berechnung der individuellen Tantieme berücksichtigen, wenngleich auch die Bestimmung des Gesamtvolumens noch keine Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts darstellt. Sie führt jedoch dazu, dass der Arbeitgeber nur bei Vorliegen besonderer Umstände (zB außergewöhnlich hohe Verluste) berechtigt ist, von dem vorher festgelegten Gesamtvolumen abzuweichen.63 Die Tantieme kann auch von der Ausschüttung einer Dividende abhängig gemacht werden. Auch dies stellt keine unangemessene Benachteiligung dar. Die Bedingung braucht – anders als ein Freiwilligkeitsvorbehalt – auch nicht bei jeder Zahlung wiederholt zu werden.64 Ist die Gewährung einer Tantieme durch Betriebsvereinbarung geregelt, die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, das Gesamtvolumen in Abhängigkeit vom Geschäftsergebnis festzulegen, kann der Arbeitgeber ein einmal festgelegtes Gesamtvolumen hingegen auch bei Vorliegen besonderer Umstände nicht einseitig ohne Zustimmung des Betriebsrates ändern oder reduzieren; er bleibt an die Festlegung des Gesamtvolumens unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung gebunden.65

15a

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich frei darin, unterschiedliche Tantiemen bzw. Boni zu gewähren, die an die Tätigkeit oder den Marktwert der Arbeitsleistung des jeweiligen Arbeitnehmers anknüpfen. Er kann insbesondere einigen Arbeitnehmern zusätzliche Leistungen gewähren, um erhebliche Vergütungsunterschiede oder finanzielle Nachteile, die zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen bestehen, abzumildern oder auszugleichen. Ein Anspruch der übrigen Arbeitnehmer aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgt daraus nicht.66

15b

Eine konkludente Zusage künftiger Bonuszahlungen kommt auch bei wechselnder Höhe der Bonuszahlungen dem Grunde nach in Betracht, weil die Höhe der Bonus-

61 BAG v. 8.9.1998, DB 1999, 696; dagegen ist die Erfolgsbeteiligung im Rahmen eines Carried-Interest-Modells idR keine Tantieme, BAG v. 3.5.2006, DB 2006, 1499, 1502. Zur Möglichkeit von Bindungsklauseln auch bei leistungsabhängigen Bonussystemen vgl. Reiserer/ Fallenstein, DStR 2011, 1572, 1575. 62 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 499. 63 BAG v. 12.10.2011, DB 2012, 351 m. Anm. Fröhlich, ArbRB 2012, 85. 64 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 499. 65 BAG v. 12.10.2011, AP BGB § 315 Nr. 96; v. 12.10.2011, ZIP 2012, 745 m. Anm. Fröhlich, ArbRB 2012, 85. 66 BAG v. 12.10.2011, NZA 2012, 680 m. Anm. Emmert/Woerz, ArbR Aktuell 2012, 146.

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zahlung aufgrund der Anknüpfung an ein Betriebsergebnis häufig schwankt. Die Höhe ist dann ggf. durch den Arbeitgeber nach § 315 BGB zu bestimmen.67

5. Provisionsvereinbarung für einen angestellten Handelsvertreter (M 12.11) Anders als die Tantieme knüpft die Provision an die eigene Tätigkeit des Mitarbeiters an. Sie wird regelmäßig als Vergütung für die Vermittlung oder den Abschluss von Verträgen mit dem Unternehmen gezahlt.68 Rechtsgrundlagen sind die §§ 87 bis 87c HGB für Handelsvertreter.69 Gemäß § 65 HGB sind diese für Arbeitnehmer auf Provisionsbasis entsprechend anwendbar, mit Ausnahme der Vorschriften über die Bezirksvertretung (§ 87 Abs. 2 HGB) und die Inkassoprovision (§ 87 Abs. 4 HGB). Wir verweisen daher ergänzend auf die Einf. Kap. 9 Rz. 22 ff. sowie M 9.3.1.

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Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank, so hat er Anspruch auf Provision für die Geschäfte, die er geschlossen oder vermittelt hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig gewesen wäre. Das Lohnausfallprinzip gilt insoweit auch für die Vergütungsbestandteile, die nur auf das Ergebnis der Arbeit abstellen (vgl. § 4 Abs. 1a Satz 2 EFZG). Maßgeblich ist der Provisionsdurchschnitt eines längeren vor der Krankheit liegenden Zeitraums.70 Die Urlaubsvergütung richtet sich gemäß § 11 BUrlG nach dem Provisionsdurchschnitt der letzten abgerechneten 13 Wochen vor Urlaubsantritt.71

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6. Akkordvergütung (M 12.13) Die Akkordvergütung ist streng leistungsbezogen. Ihre Höhe richtet sich nach der Menge der geleisteten Arbeit. Anders als bei der Prämienvergütung ist Bezugsgröße nur die Menge der geleisteten Arbeit, nicht also Arbeitsqualität, Materialeinsatz und ähnliche Faktoren.

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Sofern der Arbeitsvertrag nicht die Leistung von Akkordlohn vorsieht, kann der Arbeitgeber diese nicht einseitig im Wege des Direktionsrechtes dem Arbeitnehmer auferlegen. Umgekehrt ist ein Akkordlohnarbeiter zur Leistung von Zeitlohn nur vorübergehend verpflichtet, wobei er auch dann Anspruch auf den Akkordlohndurchschnittsverdienst hat.72 Nicht zulässig ist Akkordarbeit bei Schwangeren (§ 4 Abs. 3 MuSchG), Jugendlichen (§ 23 JArbSchG) und bei Fahrpersonal (§ 3 Abs. 1 FPersG).

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Besondere Probleme bereitet die Akkordvergütung bei Arbeitsausfall. Hier gilt im Rahmen des EFZG das Lohnausfallprinzip, wobei regelmäßig die letzten vier Wochen als Referenzzeitraum zugrunde gelegt werden.73 Im Anwendungsbereich des Refe-

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67 Vgl. BAG v. 21.4.2010, NZA 2010, 808, 809 f. 68 Vgl. hierzu MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 65 Rz. 1 ff.; keine Provision stellt die Erfolgsbeteiligung im Rahmen eines Carried-Interest-Modells dar, BAG v. 3.5.2006, DB 2006, 1499, 1501. 69 Es besteht jedoch kein Anspruch des Handelsvertreters auf eine bestimmte Ausgestaltung des Vertriebssystem, die ihm die höchsten Provisionen ermöglicht, vgl. BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 769/10. 70 Vgl. BAG v. 5.6.1985, DB 1985, 2695. 71 BAG v. 26.6.1986, DB 1986, 2291; v. 11.4.2000, NZA 2001, 153, 154. 72 BAG v. 27.1.1988, DB 1988, 1119. 73 So im Ergebnis BAG v. 26.2.2003, AP EntgeltFG § 4 Nr. 64; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 57 f.

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renzprinzips (§ 11 MuSchG, Urlaubsentgelt) wird auf die letzten 13 Wochen bzw. drei Monate abgestellt. Beim Gruppenakkord kommt es der Bestimmung des tatsächlichen Entgeltausfalls am nächsten, auf den Verdienst der weiterarbeitenden Akkordgruppenmitglieder abzustellen.74 21

Zu unterscheiden ist zwischen Zeitakkord und Geldakkord.75 Beim Geldakkord wird für eine bestimmte Leistungseinheit ein bestimmter Geldbetrag vergütet. Beispielhaft zu nennen sind der Stückakkord (nach der erbrachten Stückzahl), der Flächenakkord (nach der Fläche), der Gewichtsakkord (nach dem Gewicht der erbrachten Leistung), der Maßakkord (zB nach der Länge einer bestimmten Leistung) sowie der Pauschalakkord (ein Leistungsbündel wird zu einer Leistungseinheit zusammengefasst). Die Vergütung ergibt sich jeweils unmittelbar als Produkt aus Leistungseinheit (Stückzahl) und Geldbetrag.

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Beim Zeitakkord wird demgegenüber für die Erbringung einer bestimmten Leistungseinheit (einschließlich Vorbereitungs-, Tätigkeits- und Erholungszeit) eine bestimmte Zeit (Vorgabezeit) als Berechnungsfaktor vorgegeben. Diese Zeit erhält der Arbeitnehmer auch dann vergütet, wenn er die Leistung in kürzerer oder längerer Zeit erbringt. Die Vergütung berechnet sich idR pro Minute der Vorgabezeit (Geldfaktor). Die Höhe der Akkordvergütung ist also das Produkt aus der Vorgabezeit, den erbrachten Leistungseinheiten und dem Geldfaktor. Diese Berechnung hat gegenüber dem Stückakkord den Vorteil, dass die Vorgabezeiten für die einzelnen Arbeitsschritte einschließlich der Vorbereitungszeit genauer zu erfassen und Änderungen der tariflichen Vergütung leichter zu ermitteln und umzusetzen sind.

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Der Akkordrichtsatz wird regelmäßig in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen festgelegt und bestimmt, welche Stundenvergütung der Arbeitnehmer bei Erbringung der Normalleistung eines eingearbeiteten durchschnittlichen Arbeitnehmers erhält. Basis ist regelmäßig die tarifliche Grundvergütung, der ein Akkordrichtsatzzuschlag zwischen 10 und 20 % hinzugesetzt wird. Davon zu unterscheiden ist die Akkordvorgabe. Sie bestimmt die Anforderungen an den Arbeitnehmer. Sie kann auf wissenschaftlichen Messungen beruhen (dann kann sie sich auf Grund neuer Erkenntnisse jederzeit ändern), aber auch tariflich, durch Betriebsvereinbarung oder auch individualvertraglich (dann gilt billiges Ermessen, § 315 BGB) vereinbart werden. Dann ist sie nach Maßgabe der jeweiligen Rechtsgrundlage bindend.

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Bei Akkordlohnvereinbarungen muss eine Mindestlohngarantie aufgenommen werden, die gewährleistet, dass auch bei unterdurchschnittlicher Leistung das Einkommen des Arbeitnehmers nicht unter den Mindestlohn absinkt.76 Sofern auf Grund von Versäumnissen des Arbeitgebers die Akkordleistung nicht erbracht werden kann, hat der Arbeitnehmer nach § 615 BGB gleichwohl Anspruch auf die Akkordvergütung und nicht nur auf den Mindestlohn. Allerdings kann der Arbeitnehmer nicht verlangen, dass der Arbeitgeber ihm Arbeitsmengen über die Normalleistung hinaus zuweist, so dass er durch Leistungssteigerung ein Arbeitsentgelt über den Akkordrichtsatz hinaus erzielen kann.

74 BAG v. 26.2.2003, AP EntgeltFG § 4 Nr. 64; v. 22.10.1980, DB 1981, 480. 75 Vgl. zum Ganzen ausführlich Schwab, NZA-RR 2009, 1 ff. und 57 ff. 76 BAG v. 28.6.1991, AP BGB § 611 Akkordlohn Nr. 15.

508 Lingemann

Vergütung

Kap. 12

Der Übergang von Zeit- auf Akkordlohn und umgekehrt unterliegt gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats.77 Stellt der Arbeitgeber die Entlohnungsart um, ohne den Betriebsrat zu beteiligen, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung in bisheriger Höhe.78

7. Prämien (M 12.14) Hauptanwendungsfall der Prämien sind die Anwesenheitsprämien, die geleistet werden bei Unterschreitung einer bestimmten Anzahl von Fehltagen pro Jahr, und die Treueprämien, die Zeiten der Betriebszugehörigkeit honorieren. Häufig werden die Anwesenheitsprämien jedoch mit den Gratifikationen (vgl. nachfolgend unter Rz. 26 ff.) verknüpft, indem Abzüge von Gratifikationen für Fehlzeiten vereinbart werden. Die Zulässigkeit derartiger Kürzungen wird daher unter Rz. 34 ff. im Einzelnen dargestellt.

25

8. Gratifikationen (M 12.15) Gratifikationen sind Sonderleistungen, die der Arbeitgeber über das für die Arbeitsleistung gezahlte Entgelt hinaus erbringt. Kennzeichnend ist insbesondere, dass sie zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt gewährt werden, wie dies auch für die Möglichkeit der Kürzung von Sonderzahlungen nach § 4a EFZG Voraussetzung ist.79

26

a) Ein Anspruch auf Gratifikation besteht nur auf Grund gesonderter Rechtsgrundlage (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Individualvertrag, betriebliche Übung, vertragliche Einheitsregelung, Gesamtzusage) oder, soweit der Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund von der anderen Arbeitnehmern gewährten Gratifikation ausgeschlossen wird, aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.80 Insbesondere der vollständige Ausschluss von Teilzeitbeschäftigten von der Gratifikation ist gleichheitswidrig, § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG.81 Gratifikationen können in Formularverträgen mit einem Widerrufsvorbehalt versehen werden, während bei Freiwilligkeitsvorbehalten nach der neueren Rechtsprechung Zurückhaltung geboten ist (vgl. hierzu Rz. 6 ff.).

27

b) Zweck einer Gratifikation kann die Belohnung erbrachter und/oder ein Anreiz für künftige Betriebstreue (so typischerweise bei Wartefristen oder Mindestbeschäftigungszeiten) oder die (zusätzliche) Vergütung von Arbeitsleistung sein (Indiz: Bezeichnung als „13. Monatsgehalt“).82 Die zuletzt genannten Sonderzahlungen werden als Vergütungsbestandteile in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient, jedoch aufgespart und dann erst am vereinbarten Fälligkeitstermin einmalig ausgezahlt.83 Die Ziele kommen auch gleichzeitig vor, sog. Gratifikation mit Mischcharakter.84

28

77 BAG v. 23.6.2009, NZA 2009, 1159, 1160; v. 24.8.2004, NZA 2005, 51, 53; zu weiteren Mitbestimmungstatbeständen vgl. Schwab, NZA-RR 2009, 57, 60 ff. 78 BAG v. 2.3.2004, NZA 2004, 852, 856; LAG Hamm v. 17.6.2009 – 19 Sa 392/09. 79 BAG v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173, 1178. 80 Vgl. hierzu Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1624 ff. 81 BAG v. 6.12.1990, NZA 1991, 350; vgl. auch v. 22.5.1996, NZA 1996, 938. 82 BAG v. 24.10.1990, NZA 1991, 318; v. 28.3.2007, NZA 2007, 687, 688. 83 BAG v. 10.12.2008, NZA 2009, 322, 323 (dort auch zur Auslegung des Begriffes „Weihnachtsgeld“). 84 BAG v. 7.11.1991, BB 1992, 142; v. 30.7.2008, NZA 2009, 747, 749; v. 18.1.2012, ZIP 2012, 938.

Lingemann 509

Kap. 12

Vergütung

29

Nach früherer Rechtsprechung des BAG war eine Unterscheidung nach dem Zweck der Gratifikation insbesondere dann vorzunehmen, wenn der Arbeitsvertrag keine Regelung für vorzeitiges Ausscheiden und/oder Fehlzeiten (zB Elternzeit) enthielt. Sollte nur die geleistete Arbeit zusätzlich vergütet werden, so war bei vorzeitigem Ausscheiden pro rata temporis zu zahlen.85 Ging es demgegenüber nur um die Belohnung von Betriebstreue, so schied eine Zahlung jedenfalls dann aus, wenn der Arbeitnehmer zum Stichtag – regelmäßig der Auszahlungszeitpunkt – bereits ausgeschieden war.86 Bei Gratifikationen mit Mischcharakter entfiel der Anspruch gleichfalls bei Ausscheiden vor dem Stichtag.87 Diese Rechtsprechung ist überholt.88

30

Nunmehr muss der Zweck der Leistung ermittelt werden, um festzustellen, ob und ggf. in welchem Umfang Bindungsklauseln, also Stichtags- und ggf. Rückzahlungsklauseln zulässig sind.89 Aus dem Zweck der Gratifikation ergibt sich ferner, ob ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt.90 Die unterschiedliche Gewährung an verschiedene Gruppen muss nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt sein; das BAG überprüft die Gruppenbildung.91 Nach dem Zweck der Weihnachtsgratifikation darf insoweit zB nicht ohne weiteres zwischen Arbeitern und Angestellten unterschieden werden.92 Die Begünstigung einer hierarchisch abgegrenzten Gruppe oder solcher Kräfte, an denen ein Mangel herrscht, kann hingegen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein.93

31

c) In vielen Fällen kann die Zahlung der Gratifikation vom ungekündigten Arbeitsverhältnis bei Auszahlung abhängig gemacht werden (Stichtagsklausel),94 oder im Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer die Gratifikation zurückzuzahlen hat, wenn er vor einem bestimmten Zeitpunkt ausscheidet (Rückzahlungsklausel).95 Es bedarf zunächst einer gesonderten Rechtsgrundlage, die zweifelsfrei den Stichtag für die Rückzahlungsverpflichtung bestimmt, was für formularmäßige Vereinbarungen bereits von § 307 Abs. 1 Satz 2 gefordert wird.96 Zu den Anforderungen an die Rückzahlungsklauseln im Einzelnen s. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklauseln“, Rz. 100 ff.

32

Sonderleistungen können auch in einer nach billigem Ermessen zu bestimmenden Höhe gewährt werden, eine solche Regelung ist jedenfalls bei Gratifikationen, die 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96

BAG v. 24.10.1990, NZA 1991, 318, 319. Vgl. BAG v. 23.5.2007, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 24. BAG v. 10.2.1993, NZA 1993, 803. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklauseln“, Rz. 100c. Einzelheiten dazu Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklauseln“, Rz. 100 ff. Vgl. dazu BAG v. 13.4.2011, NZA 2011, 1047; v. 1.4.2009, NZA 2009, 1409 mwN; v. 28.3.2007, NZA 2007, 687. Vgl. etwa BAG v. 13.4.2011, NZA 2011, 1047, 1048; v. 18.3.2009, NZA 2009, 535, 537; v. 10.12.2008, NZA 2009, 322, 323; v. 30.7.2008, NZA 2008, 1412, 1414 f.; v. 26.9.2007, NZA 2007, 1424; v. 14.2.2007, NZA 2007, 558, 559. Vgl. BAG v. 12.10.2005, NZA 2005, 1418; v. 5.3.1980, NJW 1980, 2374; v. 25.1.1984, DB 1984, 2251; v. 30.3.1994, NZA 1994, 786; v. 19.3.2003, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 248. Vgl. Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1624, 1625 ff. Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff. Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff. BAG v. 10.12.2008, NZA 2009, 322.

510 Lingemann

Vergütung

Kap. 12

keinen Vergütungsbestandteil enthalten, nicht AGB-widrig und stellt uE eine sinnvolle Alternative insbesondere zu Freiwilligkeitsvorbehalten dar.97 Einstweilen frei.

33

d) Zulässig sind Vereinbarungen, die Abzüge von Sonderzuwendungen für Fehlzeiten festlegen.98

34

Nach § 4a EFZG kann eine Kürzung wegen Krankheitszeiten für jede Geldleistung vereinbart werden, die nicht dem laufenden Arbeitsentgelt zuzurechnen ist.99 Erfasst sind alle krankheitsbedingten Fehlzeiten, auch wenn ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Das jahresdurchschnittliche Arbeitsentgelt errechnet sich unter Einschluss der Sondervergütung selbst; maßgeblich ist nicht das Kalenderjahr, sondern der Zeitraum von zwölf Monaten vor dem Monat, in dem der Anspruch auf Auszahlung der Sondervergütung besteht. Nach Einfügung des § 4a EFZG müssen Kürzungen im Sinne dieser Vorschrift jedoch ausdrücklich im Vertrag vereinbart werden.100 Wird eine Sondervergütung monatlich im Rhythmus der Zahlungen des laufenden Arbeitsentgelts geleistet, muss durch Auslegung der jeweiligen Vereinbarung ermittelt werden, ob es sich um laufendes Arbeitsentgelt handelt, das als Entgeltfortzahlung unabdingbar ist, oder um eine Sondervergütung iSd. § 4a Satz 1 EFZG. Dabei spricht die Leistung der Zahlung im Rhythmus des laufenden Arbeitsentgelts regelmäßig für die Einordnung als laufendes und damit nicht kürzbares Entgelt.101

35

Soweit es sich um eine freiwillige Leistung handelt, kann die Leistung auch für Ruhenszeiten ausgeschlossen werden.102 Ob und ggf. inwieweit die neue restriktive Rechtsprechung zu Freiwilligkeitsvorbehalten103 daran etwas ändert, ist ungeklärt.

36

9. Vermögenswirksame Leistungen (M 12.20) Vermögenswirksame Leistungen fördern die Anlage finanzieller Mittel in bestimmte Anlageformen durch die Gewährung von Prämien durch den Staat. Rechtsgrundlage können sowohl tarifvertragliche Regelungen als auch (freiwillige) Betriebsvereinbarungen (§ 10 Abs. 1 5. VermBG iVm. § 88 Nr. 3 BetrVG) oder Individualvertrag (zu den Nachweispflichten § 2 Abs. 7 5. VermBG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 6 NachwG) sein. Gemäß 97 Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ermessensgratifikation“, Rz. 101 ff.; vgl. insbesondere BAG v. 16.1.2013, NJW 2013, 1020. 98 BAG v. 15.2.1990, BB 1990, 1275 (einzelvertragliche Abrede Weihnachtsgratifikation); v. 19.4.1995, NZA 1996, 133; v. 6.12.1995, BB 1996, 1383 (jeweils Betriebsvereinbarung, 13. Monatsgehalt); zu Einzelheiten vgl. Bauer/Lingemann, BB Beilage 17/1996, 8 ff., 14 mwN und Beispielsrechnungen. Vgl. auch ausführlich Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 45 ff. 99 BAG v. 20.1.2010, NZA 2010, 455; vgl. zum Begriff der Sondervergütung BAG v. 20.1.2009, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 283; LAG München v. 6.8.2008 – 9 Sa 173/08, nv. 100 BAG v. 15.12.1999, NZA 2000, 1062, 1063; v. 7.8.2002, NZA 2002, 1284; LAG München v. 6.8.2009 – 9 Sa 173/08, nv. 101 So für eine regelmäßig gewährte Anwesenheitsprämie BAG v. 21.1.2009, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 283; LAG München v. 11.8.2009 – 8 Sa 131/09, LAGE § 4a EntgeltfortzG Nr. 2; vgl. hierzu auch M 12.14.1 Ziff. 1 m. Anm. 102 Vgl. BAG v. 4.12.2002, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 245; Näheres bei M 12.15.1 Ziff. 4 m. Anm. 103 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81; dazu Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff.

Lingemann 511

37

Kap. 12

Vergütung

§ 11 Abs. 1 des 5. VermBG kann der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber schriftlich den Abschluss eines Vertrages über vermögenswirksame Leistungen verlangen. 38

Zu unterscheiden ist nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz (5. VermBG) zwischen einerseits der Anlage vermögenswirksamer Leistungen in Form von Bausparen mit einem maximalen Anlagevolumen von Euro 470,– mit einer Sparzulage von 9 %, § 13 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 4 und 5 5. VermBG, andererseits der Anlage innerbetrieblicher oder außerbetrieblicher Beteiligungen104 mit einem maximalen Anlagevolumen von Euro 400,– und einer Sparzulage von 20 %, § 13 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 1–3, Abs. 2–4 5. VermBG. Auf Antrag setzt das für die Besteuerung des Arbeitnehmers nach dem Einkommen zuständige Finanzamt die Arbeitnehmersparzulage fest (Einzelheiten § 14 Abs. 1 und 4 5. VermBG). Während die vermögenswirksamen Leistungen arbeitsrechtlich Bestandteil des Lohns oder Gehalts sind, gilt dies für die Arbeitnehmersparzulage nicht (§ 13 Abs. 3 Halbs. 2 5. VermBG). Zulagenberechtigt sind vermögenswirksame Leistungen nur, wenn eine der unter § 2 Abs. 1 Nr. 1–5, Abs. 2–4 5. VermBG aufgeführten Anlageformen gewählt worden ist (§ 13 Abs. 2 5. VermBG).

10. Aufwendungsersatz und Auslagen (M 12.21) 39

Gemäß § 670 BGB analog ist der Arbeitgeber grundsätzlich zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet, die der Arbeitnehmer zur Erfüllung des Arbeitsvertrages für erforderlich halten durfte und die nicht durch die Arbeitsvergütung abgegolten sind.105 Dies gilt zum einen für freiwillige Vermögensopfer (Auslagen) des Arbeitnehmers, aber auch für unfreiwillige Einbußen, also insbesondere Sach- und Vermögensschäden, die der Arbeitnehmer bei Erfüllung des Arbeitsvertrages erleidet.

40

Sofern der Arbeitnehmer daher Schäden – beispielsweise an seinem Pkw – in Erfüllung des Arbeitsvertrages erleidet, sind diese Schäden zu ersetzen, soweit sie betrieblich veranlasst sind, insbesondere wenn der Arbeitnehmer ansonsten ein Fahrzeug des Arbeitgebers hätte einsetzen müssen.106 Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer eine Auslagenpauschale erhält, die das Schadensrisiko von vornherein mit abdeckt. Mitverschulden des Arbeitnehmers führt nach den Grundsätzen der Haftungsmilderung für betriebliche Tätigkeit bei mittlerer Fahrlässigkeit zu einer anteiligen Schadenstragung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz trägt der Arbeitnehmer den Schaden allein, bei einfacher Fahrlässigkeit der Arbeitgeber.107 Ob auch die Versicherbarkeit des Risikos zu berücksichtigen ist, ist noch nicht abschließend geklärt.108 104 Vgl. hierzu Kutsch/Kersting, BB 2011, 373 f. 105 BAG v. 12.3.2013, ArbR Aktuell 2013, 334; v. 16.10.2012, NZA 2013, 42; v. 12.4.2011, NZA 2012, 97; v. 16.10.2007, NZA 2008, 1012, 1014 mwN; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 553 ff. 106 BAG v. 22.6.2011, NZA 2012, 91, 92; v. 12.4.2011, NZA 2012, 97; v. 23.11.2006, NZA 2007, 870, v. 14.12.1995, ArbuR 1996, 147. 107 Gemäß BAG v. 18.4.2002, NZA 2003, 37 führt ein vorsätzlicher Pflichtverstoß allerdings nur dann zur vollen Haftung des Arbeitnehmers, wenn auch der Schaden vom Vorsatz erfasst ist. Fehlt es an diesem Vorsatz, so führt dies zur Schadensquotelung. Auch bei grober Fahrlässigkeit kommt eine Quotelung des Schadens insbesondere bei deutlichem Missverhältnis zwischen Verdienst und Höhe des Schadens in Betracht, so etwa wenn die Existenz des Arbeitnehmers bei voller Inanspruchnahme bedroht wäre (BAG v. 28.10.2010, NZA 2011, 345, 348; v. 23.1.1997, NZA 1998, 140 mwN). 108 Hierzu BAG v. 18.1.2007, NZA 2007, 1230, 1235. Jedenfalls die vom Arbeitnehmer abgeschlossene Privathaftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, vgl. BAG v. 28.10.2010, NZA 2011, 345, 348 f.

512 Lingemann

Vergütung

Kap. 12

Auslagen sind erstattungsfähig, soweit sie der Arbeitsausführung selbst dienen. Dazu zählen Dienstfahrten109, ggf. Vorstellungskosten (vgl. Kap. 1) sowie Verpflegungsmehraufwendungen, ferner die Nutzung von privaten Räumlichkeiten zur Erfüllung der Arbeitspflicht.110 Ohne gesonderte vertragliche Vereinbarung nicht erstattungsfähig sind Kosten der allgemeinen Lebensführung, sowie Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und Verpflegungs- und Kleidungskosten, soweit es sich nicht um spezifische Schutzkleidung handelt, zu deren Anschaffung der Arbeitgeber gemäß § 618 BGB verpflichtet ist.111 In der Praxis werden für Sachauslagen häufig die konkreten Aufwendungen zugrunde gelegt, auch Pauschalierungen können sinnvoll sein.

41

11. Dienstwagen (M 12.22) Soweit der Arbeitnehmer sein eigenes Fahrzeug für Dienstaufgaben verwendet, ist der Arbeitgeber zum Ersatz der damit verbundenen Aufwendungen verpflichtet.112 Umgekehrt kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur Verfügung stellen. Die Verwendung auch für private Zwecke, wozu auch Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zählen, bedarf gesonderter Vereinbarung. Sie ist dann Vertragsbestandteil und steuerlich geldwerter Vorteil in Form des Sachbezuges.113 Versteuert der Arbeitgeber den geldwerten Vorteil mit dem pauschalen Steuersatz nach § 40 Abs. 2 EStG, so ist dieser gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Sozialversicherungsentgeltverordnung nicht sozialabgabenpflichtig. Soweit der Dienstwagen Teil des Entgelts ist114 und keine Widerruflichkeit vereinbart wird, besteht der Nutzungsanspruch auch während der Zeiten eines Beschäftigungsverbotes und der Schutzfristen nach dem MuSchG115 und der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG fort.116 Gleiches gilt für Urlaubszeiten. Ein nach § 37 Abs. 2 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied hat insofern Anspruch auf Überlassung eines Firmenfahrzeugs auch zur privaten Nutzung, wenn ihm dieses vor seiner Freistellung auch für die private Nutzung zur Verfügung gestellt wurde.117 Bei Beschädigung des Dienstwagens auf Dienstfahrten gelten die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs (vgl. oben unter Rz. 40). Bei mittlerer Fahrlässigkeit beschränkt sich die Haftung allerdings regelmäßig auf die übliche Selbstbeteiligung. Ereignet sich ein Unfall während des privaten Gebrauchs, so haftet der Arbeitnehmer voll.

42

Verlangt der Arbeitgeber die Rückgabe, so ist zu unterscheiden: Bei nur dienstlicher Nutzung ist das Fahrzeug jederzeit zurückzugeben (vgl. Rz. 57), bei Privatnutzung

43

109 110 111 112 113 114 115 116 117

Vgl. hierzu Kleinebrink, ArbRB 2011, 26. BAG v. 14.10.2003, NZA 2004, 604; einschränkend BAG v. 12.4.2011, NZA 2012, 97, 98 ff. BAG v. 19.5.1998, NZA 1999, 38; v. 21.8.1985, NZA 1986, 324. Vgl. zur Bezuschussung von Mitarbeiter-Computern Brügge/Obenhaus, Stbg 2010, 303. Vgl. BFH v. 3.12.1987, BB 1988, 324; BAG v. 19.12.2006, DB 2007, 1253; v. 14.12.2010, NZA 2011, 569 mit Anm. Bauer, ArbR Aktuell 2011, 245. Ob die Entlohnung bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen auch ausschließlich in der Überlassung eines Dienstwagens bestehen kann, ist unklar, vgl. Heinrich, NWB 2011, 3050. BAG v. 11.10.2000, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 13. Vgl. BAG v. 14.12.2010, NZA 2011, 569 m. Anm. Höser, BB 2012, 573 und Bauer, ArbR Aktuell 2011, 245. BAG v. 23.6.2004, DB 2004, 2702.

Lingemann 513

Kap. 12

Vergütung

nur, wenn die Dienstwagenüberlassung widerruflich gestaltet wurde oder der Zweck der Dienstwagenüberlassung weggefallen ist.118 Auf den Widerruf anzuwenden sind die Grundsätze über den Widerrufsvorbehalt, so dass insbesondere die Gründe für einen Widerruf in der Klausel aufgelistet sein müssen und der geldwerte Vorteil des Dienstwagens nicht mehr als 25 % des Gesamtverdienstes betragen darf.119 Allerdings reicht die Klausel, die Überlassung des Dienstwagens könne „aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden“, nach der neuesten Rechtsprechung des BAG nicht mehr aus, weil sie einen Widerruf auch bei einer unwirtschaftlichen Nutzung ermöglichen würde.120 Einen Widerruf nach Freistellung des Arbeitnehmers hingegen kann sich der Arbeitgeber grundsätzlich wirksam vorbehalten.121 Ist der Wert der Nutzung im Verhältnis zur restlichen Vergütung nur unbedeutend, kann möglicherweise auf die Angabe von Widerrufsgründen in der Klausel verzichtet werden.122 Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung kann hingegen nicht mehr unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, weil es sich hierbei in der Regel um einen laufend erbrachten Entgeltbestandteil handelt.123 44

Gibt der Arbeitnehmer das Fahrzeug auf ein unberechtigtes Herausgabeverlangen hin zurück, so hat er Anspruch auf Nutzungsentschädigung, die in der Regel der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzung des Dienstwagens gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG entspricht.124 Soweit das Herausgabeverlangen berechtigt war, steht dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Zahlung einer solchen Nutzungsentschädigung zu, auch nicht wenn das Herausgabeverlangen ohne ausreichende Ankündigungsfrist erfolgt ist. In diesem Fall besteht allenfalls ein Anspruch auf Ersatz des „Verfrühungs-

118 Im Fall der Erkrankung des Arbeitnehmers endet das Recht zur Privatnutzung – vorbehaltlich einer abweichenden Parteivereinbarung – mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums, vgl. BAG v. 14.12.2010, NZA 2011, 569 m. Anm. Höser, BB 2012, 573 und Bauer, ArbR Aktuell 2011, 245; LAG BW v. 27.7.2009, ZTR 2009, 547; aA LAG Berlin-Brandenburg v. 19.2.2007 – 10 Sa 2171/06, AE 2007, 223. 119 BAG v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, 617; v. 19.12.2006, DB 2007, 1253; LAG Berlin-Brandenburg v. 24.11.2008, LAGE § 308 BGB 2002 Nr. 5; LAG Niedersachsen v. 17.1.2006, NZA-RR 2006, 289. Allgemein zum Widerrufsvorbehalt BAG v. 12.1.2005, NZA 2005, 465. Vgl. auch Rz. 7 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 120 BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 459 f.; uE müssten „wirtschaftliche Schwierigkeiten des Arbeitgebers“ als Widerrufsgrund noch ausreichen, da sie eine solche missbräuchliche Deutung nicht zulassen. Nach der Entscheidung des Senats ist allerdings auch darauf abzustellen, ob der Dienstwagen für die auszuübende Tätigkeit gebraucht wird. Vgl. auch Fröhlich, ArbRB 2011, 253, 255. 121 BAG v. 21.3.2012, NZA 2012, 616 f. m. Anm. Söhl, ArbR Aktuell 2012, 278. 122 So offenbar LAG Hessen v. 20.7.2004, MDR 2005, 459 (der Wert der Nutzung lag lediglich bei 2,62 % der restlichen Vergütung); Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754; Hunold, NZA 2010, 1276; vgl. schon Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Dienstwagenrückforderung“, Rz. 100j. 123 BAG v. 14.12.2010, NZA 2011, 569 mit Anm. Bauer, ArbR Aktuell 2011, 245; LAG BW v. 27.7.2009, ZTR 2009, 547; vgl. allgemein BAG v. 25.4.2007, NZA 2007, 853; dazu im Einzelnen Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754; vgl. auch Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. 124 BAG v. 19.12.2006, DB 2007, 1253; v. 27.5.1999, BB 1999, 1660, 1661. Dogmatisch ist diese Nutzungsentschädigung Schadensersatz statt der Leistung nach § 283 BGB, vgl. BAG v. 19.5.2010, NZA 2010, 939.

514 Lingemann

Vergütung

Kap. 12

schadens“, da der Arbeitnehmer sich nicht rechtzeitig auf den Nutzungsentzug hat einstellen können und daher Taxi- oder Mietwagenkosten entstanden sind.125 Klauseln, nach denen der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrages in einen Leasingvertrag über den Dienstwagen eintreten muss, stellen eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wenn der Arbeitnehmer durch die Übernahmeverpflichtung übermäßig belastet wird. Der Arbeitgeber wälzt dann das ihm obliegende Risiko, das Arbeitsmittel Kraftfahrzeug uU nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht mehr verwenden zu können, ab und erschwert so unzulässig dessen Kündigungsmöglichkeit und Arbeitsplatzwahl.126

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12. Dienstwohnung (M 12.23) Bei Werkdienstwohnungen (§ 576b BGB) besteht ein einheitlicher Vertrag über die Arbeitsleistung und die Überlassung von Wohnraum.127 Die Nutzung der Dienstwohnung stellt einen Teil der Vergütung dar. Es handelt sich um einen gemischten bzw. doppeltypischen Vertrag. Davon zu unterscheiden ist die Werkmietwohnung (§§ 576, 576a BGB), über deren Nutzung ein gegenüber dem Arbeitsvertrag selbstständiger Mietvertrag geschlossen wird.128 Das Mietverhältnis wird dann zwar im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis begründet, ist aber nicht Vertrags- und Vergütungsbestandteil.

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Die Unterscheidung wirkt sich insbesondere bei der Beendigung des Mietverhältnisses aus. Das Mietverhältnis über eine Werkdienstwohnung können die Vertragsparteien nicht isoliert von dem Arbeitsverhältnis kündigen, da ein einheitlicher Vertrag vorliegt und die Teilkündigung unzulässig ist.129 Das Nutzungsrecht an der Wohnung endet gemeinsam mit dem Arbeitsverhältnis, dessen Bestandteil es bildet. Eine Einschränkung gilt gemäß § 576b BGB dann, wenn der Arbeitnehmer die Wohnung überwiegend mit Einrichtungsgegenständen ausgestattet hat oder in dem Wohnraum mit seiner Familie oder anderen Personen einen auf Dauer angelegten eigenen Hausstand führt. In diesem Fall sind die Vorschriften über den Kündigungsschutz von funktionsgebundenen Werkmietwohnungen (§ 576 Abs. 1 BGB) entsprechend anwendbar.

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Für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Werkdienstwohnungen sind die Arbeitsgerichte zuständig.130

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Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über die Werkdienstwohnung aus § 87 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG besteht nicht, da kein besonderer Mietvertrag, sondern lediglich der gemischte Arbeitsvertrag geschlossen wird.131 Dem Betriebsrat kann allenfalls ein

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125 Vgl. BAG v. 14.12.2010, NJW 2011, 1469 m. Anm. Höser, BB 2012, 573 und Bauer, ArbR Aktuell 2011, 245; Fröhlich, ArbRB 2011, 253, 255 f. 126 LAG München v. 30.5.2001, FA 2002, 117; vgl. auch LAG Köln v. 10.3.2008 – 14 Sa 1331/07; LAG Berlin-Brandenburg v. 5.12.2007 – 21 Sa 1770/07. 127 Gaßner, AcP 186 (1986), 325. 128 Vgl. zur Unterscheidung BAG v. 27.11.2007, NZA 2008, 843, 844; LAG Köln v. 4.3.2008, ZMR 2008, 963. 129 BAG v. 23.8.1989, NZA 1990, 191. 130 BAG v. 2.11.1999, NZA 2000, 277. 131 Fitting, § 87 BetrVG Rz. 385; BAG v. 3.6.1975, DB 1975, 1752; v. 28.7.1992, NZA 1993, 272, 273.

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Kap. 12

Vergütung

Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zustehen, da die Überlassung der Wohnung Vergütungsbestandteil ist.132

13. Arbeitgeberdarlehen (M 12.24)133 50

Arbeitgeberdarlehen sind normale Darlehensverträge nach §§ 488 ff. BGB. Sie sind grundsätzlich unabhängig von gegenwärtigen oder künftigen Entgeltansprüchen. Demgegenüber werden Abschlagszahlungen auf das bereits verdiente Entgelt geleistet und Vorschüsse auf das künftig zu verdienende Entgelt.

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Folgende Besonderheiten bestehen: Gemäß § 488 BGB hat der Arbeitgeber Anspruch auf Zinszahlung nur, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist. Besonders günstige Zinsen müssen nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz allen Arbeitnehmern, insbesondere auch Teilzeitkräften, zur Verfügung gestellt werden.134 Eine Ungleichbehandlung kann auch ein Indiz für eine Benachteiligung wegen eines Merkmals gemäß § 1 AGG darstellen, bei Vermögensschäden des Arbeitnehmers steht diesem ein Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG oder ein Anspruch135 auf den günstigeren Zins zu.136 Die Kreditierung eigener Waren ist gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 GewO unzulässig. Die Verbraucherschutzvorschriften der §§ 491 ff. BGB (Verbraucherdarlehen) und die §§ 305 ff. BGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) gelten auch für Arbeitgeberdarlehen, wie sich insbesondere aus § 491 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergibt.137

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Ohne abweichende Vereinbarung besteht der Darlehensvertrag auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus fort. Es gelten dann nur die gesetzlichen Kündigungsfristen. Eine Verpflichtung zur sofortigen Rückzahlung des Darlehens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird nicht anwendbar sein, wenn der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt oder der Arbeitnehmer aus einem wichtigen Grund kündigt, den der Arbeitgeber verursacht hat. Bei Eigenkündigungen des Arbeitnehmers und Darlehensverpflichtungen über das monatliche Entgelt des Arbeitnehmers hinaus verlangt die Rechtsprechung in Anlehnung an § 307 BGB eine langfristige Tilgungsvereinbarung.138 Zinsvergünstigungen können ab diesem Zeitpunkt allerdings, wenn dies zuvor vereinbart war, wegfallen.139 Eine Ausgleichsklausel in einer Aufhebungsvereinbarung erfasst die Zins- und Rückzahlungsansprüche eines Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer aus einem gewährten Arbeitgeberdarlehen in der Regel nicht.140 Als Sachbezug zu versteuern sind Zinsvorteile nur, wenn am Ende des Lohnzahlungszeitraums der Restdarlehensbetrag Euro 2600,– übersteigt und 132 133 134 135 136 137 138 139 140

GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rz. 822; BAG v. 3.6.1975, DB 1975, 1752. Vgl. Kleinebrink, ArbRB 2010, 382. LAG Hamm v. 19.3.1993, BB 1993, 1593; BAG v. 27.7.1994, DB 1994, 2348. Zum Anspruch auf Leistung bei Ungleichbehandlung vgl. BAG v. 11.12.2007, NZA 2008, 532, 536; bestätigt durch BAG v. 15.9.2009, NZA 2010, 216, 218. Vgl. näher zum AGG in Einf. Kap. 13 Rz. 26 ff. sowie in Einf. Kap. 1 Rz. 5 ff. Vgl. BAG v. 23.9.1992, BB 1993, 1438; Kutsch/Kersting, BB 2011, 373, 375 f. für den umgekehrten Fall. Vgl. LAG Hamm v. 19.2.1993, DB 1994, 1243. BAG v. 23.2.1999, NZA 1999, 1212. BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 1159 zu einer Klausel, wonach „mit diesem Vertrag sämtliche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche . . . geregelt und abgegolten sind“.

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Kap. 12

Vergütung

den von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Effektivzins unterschreitet.141 Bei der Ermittlung der Euro 2600-Grenze sind alle Darlehen zusammenzurechnen. Für die Zinshöhe hingegen ist jedes Darlehen gesondert zu berücksichtigen.142

14. Pfändung/Abtretung (M 12.25) Die Abtretung von Lohnforderungen kann nach § 399 Var. 2 BGB wirksam ausgeschlossen werden mit der Folge, dass sie auch gegenüber dem Abtretungsempfänger (absolut) unwirksam ist. Dann ist auch eine Verpfändung unwirksam (§ 1274 Abs. 2 BGB). Ein solcher Ausschluss findet sich häufig in Verträgen mit gewerblichen Arbeitnehmern, seltener in Verträgen mit Führungskräften. Zahlreiche Lohnpfändungen oder Abtretungen können eine Kündigung rechtfertigen, wenn sie einen derartigen Arbeitsaufwand des Arbeitgebers verursachen, dass sie bei objektiver Beurteilung wesentliche Störungen im Arbeitsablauf – etwa in der Lohnbuchhaltung oder Rechtsabteilung – oder in der betrieblichen Organisation zur Folge haben.143 Zuvor muss der Arbeitnehmer jedoch abgemahnt worden sein.144 Bei besonderer Vertrauensstellung (zB Kassierer, Buchhalter) kann auch bei geringeren Beeinträchtigungen eine Kündigung in Betracht kommen.145

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Auch wenn die Abtretung und Verpfändung vertraglich ausgeschlossen ist, hindert dies die Gläubiger nicht, im Wege der Lohnpfändung auf das Arbeitseinkommen zurückzugreifen. Daher empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, zumindest für diesen Fall eine Kostenregelung zu treffen. Ohne ausdrückliche vertragliche Regelung besteht kein Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung der auf Grund von Gehaltspfändungen entstehenden Kosten, der Anspruch kann auch nicht durch freiwillige Betriebsvereinbarung begründet werden.146 Dabei kann vereinbart werden, dass entsprechende Kosten für jeden Bearbeitungsvorgang vom Lohn einbehalten werden. Da der Arbeitsaufwand letztlich nicht von der gepfändeten Summe abhängt, empfiehlt sich wegen § 307 Abs. 1 BGB eine pauschalierte Anknüpfung an die tatsächlich entstehenden Kosten. Auch sollte wegen § 309 Nr. 5b BGB dem Arbeitnehmer ausdrücklich der Nachweis gestattet sein, dass ein Schaden überhaupt nicht oder in wesentlich niedrigerer Höhe als die Pauschale entstanden ist.

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15. Ausschluss der Aufrechnung/Zurückbehaltung (M 12.26) Bei Formulararbeitsverträgen ist nach § 309 Nr. 3 BGB das Verbot, mit einer unbestrittenen und rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen, unwirksam. 141 Vgl. Nr. 2 des BMF Schreibens v. 1.10.2008 – IV C 5 - S 2334/07/0009. Auf Grund der Entscheidung des BFH v. 4.5.2006, NZA-RR 2006, 589 legt die Finanzverwaltung nicht mehr selbst den insoweit zugrunde zu legenden Zins fest, sondern verweist auf die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Effektivzinssätze. 142 Vgl. Nr. 2.1.1 des BMF-Schreibens v. 1.10.2008 – IV C 5 - S 2334/07/0009 mit Rechenbeispielen sowie Voßkohl, DStR 1998, 12. 143 BAG v. 4.11.1981, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 9; LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237; vgl. zu den Problemen im Einzelnen Reifelsberger/Kopp, NZA 2013, 641. 144 LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237; Brill, DB 1976, 1816, 1818. 145 LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237; LAG Rh.-Pf. v. 18.12.1978, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5. 146 BAG v. 18.7.2006, DB 2007, 227.

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Vergütung

Über § 242 BGB gilt Ähnliches für Individualverträge: Ein Aufrechnungsverbot greift insbesondere gegenüber rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen nicht.147 Dasselbe gilt gegenüber Ansprüchen aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Aufrechnungsgegners, es sei denn, diese erforderte eine umfangreiche Beweisaufnahme.148 § 394 Satz 1 BGB schließt eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Danach ist etwa eine Vereinbarung, in der dem Arbeitgeber die Befugnis eingeräumt wird, eine monatliche Beteiligung des Arbeitnehmers an der Reinigung und Pflege der Berufskleidung mit dem monatlichen Nettoentgelt ohne Rücksicht auf Pfändungsfreigrenzen zu „verrechnen“, unwirksam.149 56

Anrechnungen werden durch ein Aufrechnungsverbot nicht ausgeschlossen, zB die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB. Denn bei der Anrechnung stehen sich nicht zwei selbstständige Forderungen, sondern unselbstständige Rechnungsposten gegenüber.150 Auch der Ausgleich eines negativen Arbeitszeitkontos bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt keinen Fall der Aufrechnung dar.151 Ein Anrechnungsverbot kann sich allerdings aus § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO ergeben. Danach ist die Anrechnung eines Sachbezugs auf das Arbeitseinkommen unzulässig, wenn die in Geld geleistete Nettovergütung und der Sachbezug in ihrer Summe nach § 850c Abs. 1, § 850e Nr. 3 ZPO unpfändbar sind.152

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Der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechtes ist vor allem bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Rückgabe der Unterlagen, Pkw etc. des Arbeitgebers von erheblicher Bedeutung. Ansonsten kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zB durch Zurückbehaltung von Unterlagen153 oder Dienstfahrzeug faktisch erheblich unter Druck setzen, zB wegen als unzureichend empfundener Formulierungen im Zeugnis. Wegen § 309 Nr. 2b BGB ist der Ausschluss oder die Einschränkung eines Zurückbehaltungsrechts des Arbeitnehmers in Formularverträgen grundsätzlich unwirksam.154 Der wirksame Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts kann sich im Einzelfall jedoch aus der Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB ergeben. Solche Besonderheiten können jedenfalls bestehen, wenn der Arbeitgeber ein aus der spezifischen Struktur der Arbeitsbeziehung resultierendes berechtigtes Interesse am Ausschluss des Zurückbehaltungsrechtes hat, zB weil die weitere Besitzüberlassung eine Gefahr für Betriebsgeheimnisse darstellt,155 was typischerweise beim Laptop der Fall ist. An den Arbeitsgeräten und Dienstwagen besteht schon gar kein Zurückbehaltungsrecht, soweit der Arbeitneh147 BGH v. 29.11.1971, WM 1972, 72; v. 6.3.1975, WM 1975, 614; v. 1.12.1993, NJW 1994, 657f. 148 Vgl. BGH v. 7.3.1985, ZIP 1985, 921, 926. 149 BAG v. 17.2.2009, BB 2009, 1303. 150 Palandt/Grüneberg, § 387 BGB Rz. 2. 151 BAG v. 13.12.2000, BB 2001, 1585. 152 BAG v. 24.3.2009, NZA 2009, 861; dazu ausf. Reifelsberger/Kopp, NZA 2013, 641, 644 ff. 153 Zum Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes des Whistleblowers an Geschäftsunterlagen vgl. BAG v. 14.12.2011, NZA 2012, 501: Ein Zurückbehaltungsrecht an Geschäftsunterlagen soll jedenfalls dann nicht bestehen, wenn der Whistleblower die Unterlagen bereits an die zuständigen Behörden übermittelt hat. 154 Tschöpe/Wisskirchen/Bissels, Teil 1 D Rz. 42; Küttner/Griese, Zurückbehaltungsrecht, Rz. 6; Schuster, AiB 2002, 274, 278. 155 So namentlich Annuß, BB 2002, 458, 463; Grobys, DStR 2002, 1002, 1007; krit. Hümmerich, NZA 2003, 753, 763.

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Kap. 12

mer sie nur dienstlich nutzen darf; er ist dann idR nur Besitzdiener (§ 855 BGB) und hat daher keinen unmittelbaren Besitz.156 Anders ist dies jedoch bei einem – viel häufigeren – Recht auch zur privaten Nutzung zB des Dienstfahrzeuges.157 Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers wiederum an den Arbeitspapieren besteht von vornherein nicht.158

16. Zielvereinbarungen (M 12.27) Zielvereinbarungen geben dem Mitarbeiter bestimmte Ziele vor; am Grad der Zielerreichung zum Ende einer bestimmten Beurteilungsperiode orientiert sich häufig ein erheblicher Teil der Vergütung, oder es hängen davon Sonderleistungen des Unternehmens an den Arbeitnehmer ab, so insbesondere Boni. Die Ziele sind je nach dem Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers unterschiedlich. Im Vertrieb sind es regelmäßig bestimmte Erfolgskennzahlen;159 bei Mitarbeitern in der Verwaltung demgegenüber häufig Organisationsziele und – beispielsweise im Personalbereich – auch Ziele sozialer Kompetenz.160

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Rechtliche Schranken ergeben sich jedenfalls aus geltenden Tarifverträgen; der variable Anteil an der Gesamtvergütung muss so ausgestaltet sein, dass die tarifliche Mindestvergütung nicht unterschritten werden kann. Besteht keine Tarifbindung, so muss der Arbeitnehmer bei normalem Einsatz seiner Arbeitskraft durch die variable Vergütung ein angemessenes Gehalt erzielen können.161

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Hängt die Vergütung von dem Erreichen zu vereinbarender Ziele ab und versäumt es der Arbeitgeber, die Vereinbarung zu treffen, kann er verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadensersatz zu leisten.162 Entscheidend ist hierbei, wer nach den vertraglichen Abreden die Initiative zur Führung eines Gesprächs über eine Zielvereinbarung zu ergreifen hat. Obliegt sie allein dem Arbeitgeber, so steht dem Arbeitnehmer auch ohne vorherige Aufforderung zur Gesprächsführung grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch zu. Nach Ablauf der Zielperiode kann der Arbeitnehmer daher nach § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB iVm. § 283 Satz 1 BGB statt der Festlegung von Zielen Schadensersatz verlangen. Kann eine alleinige Initiativlast des Arbeitgebers nicht festgestellt werden, besteht nur dann ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers, wenn dieser den Arbeitgeber zu Verhandlungen über die Zielvereinbarung aufgefordert hat.163 Grundlage der Schadensermitt156 Vgl. BAG v. 25.10.1984, EzA BGB § 273 Nr. 3; LAG Düsseldorf v. 4.7.1975, DB 1975, 2040. 157 Vgl. OLG Düsseldorf v. 12.2.1986, NJW 1986, 2513. 158 BAG v. 20.12.1958, EzA BGB § 817 Nr. 2; weitere Nachweise bei Preis/Preis, II Z 20, Rz. 23. 159 Hier ist jedoch von der Provision abzugrenzen, die an einen bestimmten einzelnen Erfolg anknüpft. 160 Vgl. dazu auch Göpfert, AuA 2003, Nr. 1, 28; zu den Rechtsfolgen unterbliebener Zielvereinbarungen vgl. Gehlhaar, NZA-RR 2007, 113. 161 LAG Berlin v. 3.11.1986, AP HGB § 65 Nr. 14. 162 BAG v. 12.12.2007, NZA 2008, 409 (dort auch die ausführliche Auseinandersetzung mit den bisher vertretenen Gegenpositionen); v. 10.12.2008, NZA 2009, 256; v. 12.5.2010, NZA 2010, 1009 m. Anm. Redaktion der NJW-Spezial, NJW-Spezial 2010, 595; vgl. hierzu auch Lembke, NJW 2010, 321, 325. 163 Zum Ganzen BAG v. 12.12.2007, NZA 2008, 415; v. 10.12.2008, NZA 2009, 256, 257; eine alleinige Initiativlast des Arbeitgebers besteht insbesondere bei Zielvorgaben, bei denen der Arbeitgeber die Ziele in Ausübung seines Direktionsrechts einseitig bestimmt.

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Kap. 12

Vergütung

lung bildet der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus.164 Allerdings muss hierbei ein Mitverschulden des Arbeitnehmers am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung angemessen berücksichtigt werden, so dass der Ersatzanspruch entsprechend den Verschuldensanteilen zu kürzen ist.165 Kürzungen der variablen Vergütung bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses sind nur bei einer dahin gehenden Vereinbarung möglich. Wegen des zwingenden Charakters eines Entgeltfortzahlungsanspruchs sind aber wohl Vereinbarungen über Kürzungen auch während des Zeitraums der Entgeltfortzahlung unwirksam.166 Geht man allerdings mit der neuen Rechtsprechung des BAG davon aus, dass auch der auf Grund einer Zielvereinbarung jährlich ausgezahlte Bonus eine Sondervergütung darstellt,167 wäre damit auch der Anwendungsbereich des § 4a EFZG eröffnet. Danach könnte bei entsprechender Vereinbarung der Bonus für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gekürzt werden. 60

In Formulararbeitsverträgen sind wegen der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 BGB168 Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung von der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307–309 BGB ausgenommen; jedenfalls das Äquivalenzverhältnis der Zielvereinbarung kann damit einer Inhaltskontrolle nicht unterzogen werden.169 Zielvereinbarungen in Formularverträgen müssen die Voraussetzungen und die Höhe eines Anspruchs jedoch benennen, um dem Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen.170 Dabei ist es jedoch zumindest im Bankenbereich auch zulässig, das Bonusvolumen insgesamt in das billige Ermessen des Vorstands zu stellen.171 Ob ein erfolgsorientierter Bonus, der im Rahmen einer Zielvereinbarung gewährt wird, einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterstellt werden kann, ist zweifelhaft, uE aber in engen Grenzen möglich.172 Das BAG hat früher solche Leistungen in Abgrenzung zu laufenden Entgelten ausdrücklich als Sonderleistungen qualifiziert.173 Auf den Zweck und die Höhe der Sonderzahlung komme es nicht an.174 Allerdings dürfte ein Freiwilligkeitsvorbehalt im Vertrag nicht mehr ausreichen, er muss vielmehr bei jeder Zah-

164 BAG v. 12.12.2007, NZA 2008, 409, 415; v. 10.12.2008, NZA 2009, 256, 258; v. 12.5.2010, NZA 2010, 1009, 1011. 165 BAG v. 12.12.2007, NZA 2008, 409, 416. Bei Alleinverschulden des Arbeitnehmers am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung ist der Anspruch somit ausgeschlossen. 166 Im Einzelnen: Mauer, NZA 2002, 540, 544; Annuß, NZA 2007, 290, 294 mwN. 167 Vgl. BAG v. 24.10.2007, NZA 2008, 40, 43; v. 6.5.2009, NZA 2009, 783, 784. 168 Vgl. dazu ausführlich Einf. Kap. 2 Rz. 42 ff. 169 BAG v. 24.10.2007, NZA 2008, 409, 410; vgl. auch Annuß, NZA 2007, 290. 170 Vgl. Horcher, BB 2007, 2065, 2066 mit Beispielen. 171 BAG v. 29.8.2012, NZA 2013, 148, wonach in der Regel der Bonus entsprechend der Zielvereinbarung bzw. -erreichung zu gewähren ist, in Ausnahmefällen aber auch eine Versagung des Bonus zulässig ist; bestätigend BAG v. 17.10.2012; AP Nr. 106 zu § 315 BGB. 172 Vgl. Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509, 510; Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2310; aA ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 504; Riesenhuber/von Steinau-Steinrück, NZA 2005, 785, 792. Zur Möglichkeit von Bindungsklauseln vgl. Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572, 1575. Zur Kürzungsmöglichkeit nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks vgl. BAG v. 19.1.2011, NJOZ 2011, 1185. 173 BAG v. 24.10.2007, NZA 2008, 40, 43; v. 6.5.2009, NZA 2009, 783, 784. 174 BAG v. 18.3.2009, NZA 2009, 535, 536.

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Kap. 12

lung ausdrücklich erklärt werden.175 Freiwilligkeitsvorbehalte bei Zielvereinbarungen unterliegen in jedem Falle einer strengen Transparenzkontrolle. Hierbei ist zu beachten, dass Vereinbarungen über erfolgsorientierte Sonderzahlungen regelmäßig in zwei Stufen getroffen werden. Auf der ersten Stufe sieht der Arbeitsvertrag den Abschluss einer Zielvereinbarung oder die Teilnahme des Arbeitnehmers an einem zielorientierten Bonusplan des Unternehmens vor (sog. Rahmenvereinbarung). Auf der zweiten Stufe wird das konkrete Ziel vereinbart, bei dessen Erreichen der Bonus gezahlt werden soll. Für die Wirksamkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts ist daher zu unterscheiden: Auf der ersten Stufe, dh. für zukünftige Bezugszeiträume, für die die gegenseitigen Leistungspflichten noch nicht konkretisiert sind, kann die Teilnahme an dem Bonusprogramm wirksam einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterstellt werden. Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer nicht durch die Aussicht auf einen Bonus zu Leistungen angespornt wird, und ihm der Bonus dann mittels Freiwilligkeitsvorbehalt doch nicht ausgezahlt wird. Der Vorrang der Individualabrede ist in den Vertrag aufzunehmen.176 Hingegen dürften Freiwilligkeitsvorbehalte auf der zweiten Stufe regelmäßig gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sein, denn auf dieser Stufe würde der Arbeitnehmer ja im Hinblick auf den Bonus gerade Leistungen erbringen, dann kann ihm der Bonus aber nicht mehr mittels Freiwilligkeitsvorbehalt vorenthalten werden.177 Nach Auffassung des BAG ist es widersprüchlich, eine Sonderleistung, die nach Umfang und Höhe präzisiert ist und die das Verhalten des Arbeitnehmers steuern und beeinflussen soll, an einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu binden (vgl. hierzu Rz. 5 ff.).178 Bei Vereinbarung der ersten Stufe halten wir hinsichtlich künftiger Zielvereinbarungszeiträume jedenfalls einen Widerrufsvorbehalt für zulässig (vgl. hierzu Rz. 7).179 Ein Widerrufsvorbehalt dürfte auch bezüglich der zweiten Stufe noch zulässig sein. In jedem Falle müssen die sachlichen Gründe für einen Widerruf in der Klausel aber genannt sein,180 außerdem muss der widerrufliche Teil der Zielvereinbarung weniger als 25 % des Gesamtverdienstes ausmachen.181 Es wird zwischen Zielvereinbarungen im Rahmen des Direktionsrechts und außerhalb unterschieden.182 Ist der Inhalt einer Zielvereinbarung bereits durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt, so ist sie für den Arbeitnehmer bindend. Allerdings unterliegt sie der gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des § 315 BGB.183 Geht der Inhalt über das bereits nach dem Arbeitsvertrag Geschuldete hinaus, so ist der Arbeitnehmer hinsichtlich des Abschlusses einer solchen Vereinbarung frei; nach Abschluss ist er gleichwohl gebunden. In diesem Fall liegt eine vertragliche Vergütungs175 Vgl. BAG v. 16.1.2013, NJW 2013, 1020 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180; Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. 176 Vgl. BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81 sowie oben unter Rz. 5 ff. 177 Vgl. dazu auch BAG v. 16.1.2013, NJW 2013, 1020 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180. 178 BAG v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173, 1178; hierzu auch Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2310. 179 Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754, 1756. 180 Wobei in diesem Falle sicherlich hohe Anforderungen an die Widerrufsgründe zu stellen sind, Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754, 1756. 181 BAG v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, 617; v. 12.1.2005, NZA 2005, 465; der widerrufliche Teil kann sich bis auf 30 % erhöhen, sofern er nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht; vgl. ausf. Rz. 7 und Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 182 Köppen, DB 2002, 374 f. 183 Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882, 884.

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Kap. 12

Vergütung

vereinbarung vor und für eine gerichtliche Kontrolle finden die Grundsätze über eine freie Entgeltvereinbarung Anwendung.184 62

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates kommen in Betracht, soweit es sich um die Einführung eines neuen betrieblichen Beurteilungssystems handelt nach § 94 Abs. 2 BetrVG, soweit diese elektronisch verarbeitet werden, ferner nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und, soweit sie gleichzeitig eine Regelung des Verhaltens der Arbeitnehmer enthalten, nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.185 Handelt es sich um eine Vergütungsregelung mit kollektivem Bezug, so sind auch die Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG berührt.186

63

Unter Umständen kann auch eine Verpflichtung zur Anpassung einer Zielvereinbarung an veränderte Umstände entsprechend § 313 BGB bestehen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich die Leistungsbedingungen während der Zielvereinbarungsperiode so verändern, dass die vereinbarten Ziele nicht mehr erreicht werden können. Allerdings besteht diese Pflicht nur, wenn die Veränderung nicht in der Sphäre einer Partei liegt.187

17. Aktienoptionspläne (M 12.28) 64

Aktienoptionen können dem Mitarbeiter auf Grund einer bindenden Vereinbarung als einklagbarer Entgeltbestandteil gewährt werden.188 Werden Aktienoptionen in Formularverträgen als Sondervergütung zusätzlich zum laufenden Entgelt gezahlt, kann uE die Leistung grundsätzlich zur Vermeidung einer betrieblichen Übung einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterstellt werden,189 wobei nach der neueren Rechtsprechung die dauerhafte Zulässigkeit dieser Lösung offen ist.190 In jedem Falle bedarf es des Hinweises auf die Freiwilligkeit der Leistung bei jeder Gewährung. Alternativ hierzu besteht die Möglichkeit, einen Widerrufsvorbehalt aufzunehmen. Zu beachten ist aber auch hier das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. hierzu Rz. 7 f.). Die einzelvertragliche Ausgestaltung findet sich regelmäßig nicht im Arbeitsvertrag, sondern in dem separaten Gewährungsvertrag (vgl. M 12.28). Mit der Aktienoption erhält der Mitarbeiter mittelbare oder unmittelbare Bezugsrechte für Aktien seines Arbeitgebers oder eines anderen Unternehmens im Konzern. Meist ist die Vereinbarung von Aktienoptionen auf einen bestimmten Mitarbeiterkreis, idR Führungskräfte, beschränkt. Das Prinzip der Aktienoptionen besteht darin, dass der Ausübungspreis für die Aktien, die der Mitarbeiter erwerben kann, in der Gewährungsvereinbarung festgelegt wird. Eine Steigerung des Aktienkurses über den Ausübungspreis hinaus kommt daher ganz oder zT dem Mitarbeiter zugute. Typischerweise sieht die Gewäh184 185 186 187 188

BAG v. 21.6.2000, DB 2000, 1920. Geffken, NZA 2000, 1033, 1037; Annuß, NZA 2007, 290, 296. Annuß, NZA 2007, 290, 296; vgl. auch Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1624, 1628. Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882, 884; aA Köppen, DB 2002, 374, 379. Zu Aktienoptionen und deren steuerlicher Behandlung vgl. Kutsch/Kersting, BB 2011, 373, 378 f. 189 Lingemann/Gotham, Anm. zu BAG v. 23.5.2008, AP BGB § 305 Nr. 12; Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2310. 190 BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81 sowie oben unter Rz. 5 ff.

522 Lingemann

Vergütung

Kap. 12

rungsvereinbarung eine Wartezeit vor, nach deren Ablauf die Option erst ausgeübt werden kann. Wartefristen sind grundsätzlich zulässig; dies folgt unmittelbar aus § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, danach muss die Wartefrist mindestens vier Jahre betragen. Auch wird die Ausübung jeweils auf bestimmte Zeiten beschränkt bzw. für bestimmte Zeiten ausgeschlossen. Dies dient dazu, Insiderhandel zu verhindern und ist daher arbeitsrechtlich zulässig. Auch wird die Übertragung oder Veräußerung der Aktienoptionen jeweils (schuldrechtlich) ausgeschlossen, was jedenfalls für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren als zulässig angesehen wird.191 Die Aktienoptionspläne sehen in der Regel vor, dass die Optionsrechte insbesondere nach einem Ausscheiden des Mitarbeiters verfallen. Das BAG hat den Verfall der Bezugsrechte bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, auch gemessen an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, für wirksam erklärt. Der Verfall kann sowohl bei Beendigung oder Erklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Wartezeit als auch nach Ablauf der Wartezeit angeordnet werden. Es ist auch nicht danach zu differenzieren, ob nach Ablauf der Wartezeit eine Ausübungsmöglichkeit bestanden hat oder nicht. Das gilt selbst im Fall der betriebsbedingten Kündigung.192 Unproblematisch in der Abwicklung ist der Verfall der Aktienoptionen insbesondere dann, wenn diese unentgeltlich gewährt wurden. Soweit der Arbeitnehmer für die Option eine Gegenleistung zahlen musste, hat der Arbeitgeber diese bei Verfall der Option zu erstatten.193 Die Erstattungspflicht sollte dann mit Blick auf die AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB ausdrücklich vereinbart werden, ansonsten könnte die Verfallregelung insgesamt wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB oder wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unwirksam sein.194

65

Bei der Gewährung von Aktienoptionen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, auch wenn es sich um freiwillige Leistungen des Arbeitgebers handelt, sofern der Gewährung – wie fast immer – ein generalisierendes Prinzip zugrunde liegt.195 Allerdings gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nur unternehmensweit, nicht konzernweit. Bei der Gewährung von Aktienoptionen durch die – ggf. auch ausländische196 – Konzernobergesellschaft greift dieser also nicht voll durch.197 Soweit eine Option von der ausländischen Muttergesellschaft gewährt wird, ist auf den Gewährungsvertrag deutsches Arbeitsrecht wohl nicht anwendbar.198

66

191 Vgl. Baeck/Diller, DB 1998, 1405, 1407; Küttner/Röller, Aktienoptionen, Rz. 12; Lingemann/ Diller/Mengel, NZA 2000, 1191, 1195 mwN. 192 BAG v. 28.5.2008, AP BGB § 305 Nr. 12 m. zust. Anm. Lingemann/Gotham. 193 Vgl. Legerlotz/Laber, DStR 1999, 1658, 1664. 194 Vgl. ausführlich zur AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB unter Einf. Kap. 2 Rz. 2 ff.; s. auch Reim, ZIP 2006, 1075. 195 BAG v. 21.10.2009, BB 2010, 252; vgl. dazu im Einzelnen Baeck/Diller, DB 1998, 1402, 1408 ff.; Legerlotz/Laber, DStR 1999, 1658, 1660 ff. Gleichzeitig ist nicht auszuschließen, dass eine ungleiche Gewährung von Aktienoptionen ein Indiz für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale darstellt; bei einem Vermögensschaden des Arbeitnehmers kommt dann möglicherweise ein Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG in Betracht; vgl. zum AGG unter Einf. Kap. 13 Rz. 26 ff. sowie Einf. Kap. 1 Rz. 5 ff. 196 Vgl. LAG Hessen v. 19.11.2001, DB 2002, 794; BAG v. 12.2.2003, AP BGB § 613 Nr. 243. 197 Lingemann/Diller/Mengel, NZA 2000, 1191. 198 Darauf deutet hin die Entscheidung des BAG v. 12.2.2003, AP BGB § 613a Nr. 243 (mit zust. Anm. Lingemann), nach der von der ausländischen Konzernobergesellschaft gewährte Aktienoptionen bei Betriebsübergang der deutschen Tochtergesellschaft nicht auf

Lingemann 523

Kap. 12

Vergütung

M 12.1.2

67

Besteuert wird die Option nicht schon im Zeitpunkt der Gewährung, sondern erst im Zeitpunkt der Ausübung.199 Geldwerter Vorteil ist dann die Differenz zwischen dem Ausübungspreis und dem Aktienkurs zu diesem Zeitpunkt.200 Die weitere Versteuerung der so erworbenen Aktien richtet sich nach den allgemeinen Regeln.

68

Besteht ein Betriebsrat und handelt es sich bei den Berechtigten nicht ausschließlich um Organe und leitende Angestellte iSv. § 5 BetrVG, so kommt ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht, und es besteht ein Informationsrecht nach § 80 BetrVG.201 Das Mitbestimmungsrecht besteht zwar nicht für die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang Aktienoptionen zur Verfügung gestellt werden sollen, wohl aber für die Einzelheiten der Verteilung, insbesondere der Aufteilung des Volumens auf einzelne Arbeitnehmergruppen oder Arbeitnehmer. Allerdings dürften die Vorgaben der Hauptversammlung zum Aktienoptionsplan mitbestimmungsfrei sein, da nicht diese, sondern nur der Vorstand als Arbeitgeber Verhandlungspartner des Betriebsrates sein kann. Insoweit wird der Bereich der mitbestimmungsfreien Entscheidungen bei Aktienoptionen durch §§ 192, 193 Abs. 2 AktG auf die Vorgaben der Hauptversammlung erweitert. Das gilt – bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs – wohl auch für solche Vorgaben, die aktienrechtlich nicht zwingend sind, gleichwohl aber im Beschluss der Hauptversammlung festgelegt werden.202

199 200 201 202

den Erwerber übergehen und ausschließlich im Verhältnis zu der gewährenden Konzernobergesellschaft zu verfolgen sind; vgl. auch BAG v. 16.1.2008, NZA 2008, 836, 838. Zur bilanzrechtlichen Beurteilung vgl. Dörr, NWB 2011, 350. BFH v. 23.7.1999, DStR 1999, 1524; v. 24.1.2001, BB 2001, 1180; Zusammenfassung des Sachstandes bei Küttner/Thomas, Aktienoptionen, Rz. 21 ff.; zu alternativen Gestaltungen Mutter/Mikus, ZIP 2007, 1949 ff. LAG Nürnberg v. 22.1.2002, ArbuR 2002, 151. Im Ergebnis ähnlich Baeck/Diller, DB 1998, 1402, 1410 ff.; vgl. auch Kau/Kukat, BB 1999, 2505, 2507.

II. Muster 12.1 Festvergütung

u

12.1.1

Gewerbliche Arbeitnehmer ohne Tarifbindung

Herr/Frau . . . erhält einen Lohn in Höhe von Euro . . ./h/Woche/Monat.

u

12.1.2

Gewerbliche Arbeitnehmer mit Tarifbindung

Herr/Frau . . . wird in die tarifliche Lohngruppe . . . eingruppiert: Tariflohn (zurzeit): Euro . . .

524 Lingemann

M 12.2

Vergütung

Kap. 12

u

Angestellte ohne Tarifbindung

12.1.3

Herr/Frau . . . erhält ein Gehalt von monatlich Euro . . ., das am Ende eines jeden Monats gezahlt wird.

u

Angestellte mit Tarifbindung

12.1.4

Herr/Frau . . . erhält ein Gehalt nach der tariflichen Gehaltsgruppe . . ., dh. von zurzeit Euro . . ./Monat.

u

Organmitglieder oder leitende Angestellte

12.1.5

Herr/Frau . . . erhält ein festes Jahresgehalt von Euro . . ., zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von Euro . . . jeweils am Monatsende.

u

Einstweilige Verfügung auf Gehaltszahlung1, 2, 3, 4 An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)5

1 Wie so häufig im arbeitsrechtlichen einstweiligen Rechtsschutz gehen auch bei der einstweiligen Verfügung auf Lohnzahlung die Auffassungen der Landesarbeitsgerichte in fast allen Punkten weit auseinander. Hier zeigt sich besonders deutlich, welche nachteiligen Folgen für die Rechtspflege das Fehlen der ordnenden Hand einer einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung hat (umfassend zur einstweiligen Verfügung auf Lohn- und Gehaltszahlung Eich, DB 1976, Beilage 10; Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 48 ff.). 2 Erste Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung auf Lohn- und Gehaltszahlung ist eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Vergütungsanspruch tatsächlich besteht. Verweigert der Arbeitgeber die Zahlung unter Berufung auf eine ausgesprochene Kündigung, setzt der Erlass der Verfügung deshalb voraus, dass diese Kündigung offensichtlich unwirksam ist (zB LAG Hamburg v. 6.5.1986, DB 1986, 1629; LAG BW v. 24.11.1967, DB 1968, 536) und dass der Arbeitnehmer entsprechende Hauptsacheklage erhoben hat.

Lingemann/Diller

525

12.2

Kap. 12

Vergütung

M 12.2

vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen wir: 1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – aufgegeben, dem Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens, Az. . . ., als Abschlag auf seine Lohnansprüche monatlich6 Euro . . .7 zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen. 2. Hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung auf Grund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Der ASt. ist seit dem . . . bei der AGg. als . . . im Betrieb in . . . zu einem Bruttolohn von Euro . . . monatlich beschäftigt. Drei Tage vor Ablauf der Probezeit, am . . ., kündigte die AGg. das Anstellungsverhältnis fristgemäß zum . . . Mündlich wurde dem ASt. erklärt, man sei mit seinem Verhalten gegenüber Vorgesetzten nicht zufrieden und wolle deshalb das Anstellungsverhältnis nicht fortsetzen. 3 Einstweilige Verfügungen auf Lohn- und Gehaltszahlung haben in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung verloren, da meist die Sozialleistungen für die Deckung des notwendigen Lebensunterhalts sorgen (insbesondere die „Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ nach SGB II, „Hartz IV“). Wegen des Subsidiaritätsprinzips des SGB II kann der Antrag des Arbeitnehmers auf Erlass der einstweiligen Verfügung allerdings nicht mit der Begründung abgewiesen werden, der Arbeitnehmer könnte stattdessen Leistungen nach SGB II in Anspruch nehmen (ArbG Herne v. 16.9.1974, DB 1974, 1487; Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 49). Nicht subsidiär ist dagegen der Anspruch auf Arbeitslosengeld, weshalb die beantragte einstweilige Verfügung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, wenn Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht (LAG Schl.-Holst. v. 26.8.1958, AP Nr. 1 zu § 940 ZPO; LAG BW v. 24.11.1967, DB 1968, 536). Nimmt der Arbeitnehmer dagegen bereits Leistungen nach SGB II in Anspruch, fehlt es am Verfügungsgrund (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 49). 4 Umstritten ist auch die Vollstreckung. Bei einer auf wiederkehrende Leistung gerichteten einstweiligen Verfügung fordert die herrschende Auffassung zusätzlich zur Zustellung von Amts wegen noch eine Zustellung im Parteibetrieb innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO (statt aller: OLG Celle v. 2.8.1984, FamRZ 1984, 1249). Nach der Gegenauffassung reicht es, wenn zusätzlich zur Amtszustellung innerhalb der Monatsfrist die Zwangsvollstreckung eingeleitet wird (BGH v. 25.10.1990, WM 1990, 2090). Ist die Zustellung im Parteibetrieb erfolgt, ist weiter fraglich, ob innerhalb der Monatsfrist auch mit der tatsächlichen Vollstreckung begonnen sein muss (dazu OLG Hamm v. 25.1.1991, FamRZ 1991, 583). 5 S. M 101.1 und M 101.2. 6 Da die einstweilige Verfügung Sicherungsfunktion hat, soll nach herrschender Auffassung Zahlung nur für die Zukunft beantragt werden können, nicht jedoch hinsichtlich der Vergangenheit (ausführlich Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 51). Für welchen Zeitraum die Zahlung verlangt werden kann, ist ebenfalls umstritten. Selbstverständlich kann die Zahlung nicht mehr verlangt werden, sobald (aus welchen Gründen auch immer) die Notlage behoben ist. Umstritten ist allerdings, ob die Zahlung nur bis zum Erlass einer vorläufig vollstreckbaren Entscheidung im Hauptsacheverfahren (so Eich, DB 1976, Beilage 10, 10) oder bis zur rechtskräftigen Beendigung des Hauptsacheverfahrens verlangt werden kann. 7 In welcher Höhe der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht kommt, ist umstritten. Einigkeit besteht nur insoweit, als eine Verurteilung zur Zahlung der vollen vertraglichen Vergütung nicht in Betracht kommt. Überwiegend wird auf die Pfändungsfreigrenze abgestellt (LAG Bremen v. 5.12.1997, DB 1998, 1624), wogegen andere auf die Höhe des fiktiven Arbeitslosengeldes abstellen (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 50). Zinsen können nicht verlangt werden.

526 Diller

M 12.2

Kap. 12

Vergütung

Die Kündigung vom . . . war offensichtlich unwirksam. Die AGg. beschäftigt 50 Arbeitnehmer, bei ihr besteht ein Betriebsrat. Der Betriebsrat ist nicht gemäß § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung gehört worden. Mündlich hat die AGg. erklärt, bei einer Kündigung während der Probezeit sei eine Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG nicht erforderlich, da ja auch keine Kündigungsgründe erforderlich seien. Diese Rechtsauffassung ist falsch. Nach ständiger Rechtsprechung ist gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 102 BetrVG vor „jeder“ Kündigung der Betriebsrat zu hören, auch vor einer Kündigung während der Probezeit (BAG v. 18.5.1994, NZA 1995, 24). Eine ohne Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG erklärte Kündigung ist nichtig. Die AGg. hat auch keine Möglichkeit, aus den von ihr vorgebrachten Gründen nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats kurzfristig eine neue Kündigung auszusprechen. Da das Anstellungsverhältnis mittlerweile mehr als sechs Monate dauert, genießt der ASt. nunmehr Kündigungsschutz. Eine erneute Kündigung wegen angeblich unangemessenen Verhaltens gegenüber Vorgesetzten würde schon daran scheitern, dass der ASt. nie abgemahnt worden ist. Darüber hinaus war sein Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten immer völlig einwandfrei. Der ASt. hat gegen die unwirksame Kündigung vom . . . am . . . Klage erhoben, die beim Arbeitsgericht unter dem Az. . . . geführt wird. Die Güteverhandlung hat am . . . stattgefunden und blieb erfolglos. Die AGg. beharrt auf ihrem Standpunkt, eine Betriebsratsanhörung sei nicht erforderlich gewesen. Auf Grund der Überlastung der zuständigen Kammer wurde Kammertermin erst auf den . . . bestimmt. Zur Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akten des Verfahrens . . . Der ASt. ist in einer existenziellen Notlage. Der ASt. ist . . . Kindern und einer nicht erwerbstätigen Ehefrau gegenüber unterhaltspflichtig. Die Familie verfügt über keinerlei liquides Vermögen, welches sie zur Sicherung des Lebensunterhalts einsetzen könnte. Das Girokonto des Klägers weist ein „Soll“ auf. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat der ASt. wegen Nicht-Erfüllung der Anwartschaftszeit gemäß §§ 142 ff. SGB III nicht. Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage . . . Es ist anerkannt, dass in Notfällen eine einstweilige Verfügung auf Fortzahlung der Vergütung zulässig ist, und zwar mindestens in Höhe des pfändungsfreien Einkommens. Der mit dem Antrag begehrte monatliche Zahlbetrag entspricht genau dem pfändungsfreien Einkommen des ASt. (wird ausgeführt). ... (Unterschrift)8 8 Der Streitwert entspricht den geltend gemachten Bruttobeträgen für die (zu schätzende) Zeit bis zum Erlass der erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung. Wegen der Erfüllungswirkung der einstweiligen Verfügung ist kein Abschlag zu machen (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 58).

Diller

527

Kap. 12

12.3

u

Vergütung

M 12.3

Gehaltsklage bei zu niedriger Eingruppierung

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz2 seit dem 1.6. . . .3 an den Kläger zu zahlen. 2. Es wird festgestellt, dass der Kläger in die Tarifgruppe K 5 des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrages I für Arbeiter und Angestellte der . . . industrie Baden-Württemberg einzugruppieren ist.4, 5 Begründung: Die Bekl. ist ein Unternehmen der . . . industrie mit 500 Beschäftigten, sie ist Mitglied des Verbands der . . . industrie Baden-Württemberg. Der Kl. ist seit mehr als 20 Jahren als Lagerverwalter bei der Bekl. beschäftigt. Er ist Mitglied der IG . . . Auf Grund beiderseitiger Tarifbindung findet zwischen den Parteien der Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag I für Arbeiter und Angestellte der . . . industrie Baden-Württemberg Anwendung. Die Bekl. hat den Kl. in die Gehaltsgruppe K 4 eingruppiert und zahlt ihm ein monatliches Grundgehalt von Euro . . . (Tarifgehalt ab dem vierten Beschäftigungsjahr). Richtigerweise wäre der Kl. jedoch in Tarifgruppe K 5 mit einem Grundgehalt von Euro . . . einzugruppieren, weil6, 7 . . . 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Zur Verzinsung vgl. M 101.3 Fn. 5–7. 3 In den meisten Eingruppierungsfällen fehlt es an einem Verschulden des Arbeitgebers für die fehlerhafte Eingruppierung, so dass Verzugszinsen nicht geltend gemacht werden können und nur die Zinsen seit Rechtshängigkeit zugesprochen werden. Wegen des fehlenden Kostenrisikos schadet es aber nichts, Verzugszinsen geltend zu machen (s. M 101.3 Fn. 7, dazu BAG v. 11.6.1997 – 10 AZR 613/96, DB 1998, 86; Diller, FA 2004, 300). 4 Nach herrschender Auffassung ist die sog. Eingruppierungsfeststellungsklage ausreichend, so dass auf einen gesonderten Zahlungsantrag (hier Klageantrag Ziff. 1) an sich verzichtet werden kann. Das besondere Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung auch in der Privatwirtschaft mittlerweile grundlegend bejaht (BAG v. 20.6.1984 – 4 AZR 208/82, BB 1985, 54). Die Kombination mit einem Zahlungsantrag hat allerdings den Vorteil, dass nach einem stattgebenden Urteil erster Instanz für die Zeit bis dahin vollstreckt werden kann. 5 Die in der Praxis nicht selten anzutreffenden Leistungsklagen, wonach der Arbeitgeber verpflichtet werden soll, den Arbeitnehmer in eine bestimmte Vergütungsgruppe „einzugruppieren“, sind sinnlos. Der Vergütungsanspruch entsteht nicht auf Grund eines bestimmten Handelns des Arbeitgebers, sondern ergibt sich schlicht aus den tariflichen Bestimmungen („Tarifautomatik“, BAG v. 16.10.1974 – 4 AZR 1/74, AP Nr. 81 zu §§ 22, 23 BAT). 6 Zwar hat der Betriebsrat nach § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Eingruppierung. Dieses Recht dient jedoch der Richtigkeitskontrolle und hat keine konstitutive Bedeutung. Folglich ist über die Eingruppierungsklage unabhängig davon zu entscheiden, ob und mit welchem Ergebnis die Mitbestimmung des Betriebsrats durchgeführt worden ist (BAG v. 6.8.1997 – 4 AZR 195/96, NZA 1998, 263). Deshalb muss in der Klageschrift dazu auch nichts vorgetragen werden. 7 Die Beweislast für die begehrte Eingruppierung trägt in vollem Umfang der Arbeitnehmer.

528 Diller

M 12.4

Kap. 12

Vergütung

Der Kl. hat mit Anwaltsschreiben vom 15.5. . . . eine Höhergruppierung sowie Zahlung des Gehalts gemäß Tarifgruppe K 5 verlangt. Beweis: Schreiben des Unterzeichners vom 15.5. . . ., Anlage K 1 Auf das Schreiben hat die Bekl. jedoch nicht reagiert, weshalb Klage geboten ist. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 wird die Differenz zwischen der monatlichen tariflichen Grundvergütung der Tarifgruppen K 4 und K 5 für den Monat Mai . . . geltend gemacht. Eine Klageerweiterung um die Differenz für weitere Monate bleibt vorbehalten.8 ... (Unterschrift)9 8 Zu den Problemen einer Klage auf zukünftige Vergütung s. M 12.29. 9 Hinsichtlich des Streitwerts gilt § 42 Abs. 3 Satz 2 GKG, der dreijährige Unterschiedsbetrag zwischen der aktuellen und der begehrten Tarifgruppe ist anzusetzen. Gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge in Streitigkeiten von den Arbeitsgerichten (anders beim Landgericht!) dem Streitwert nicht hinzugerechnet. Angesichts des klaren Wortlauts des § 42 Abs. 3 Satz 2 GKG ist für einen Abschlag beim Streitwert kein Raum.

u

Zahlungsklage bei zweistufiger Ausschlussfrist An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:

Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz2 seit dem 15.5. . . . an den Kläger zu zahlen. Begründung: Die Bekl. ist ein Bauunternehmen, der Kl. ist bei der Bekl. seit . . . als Maurer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesrahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer des Baugewerbes (BRTV-Bau) Anwendung. Der Tarifvertrag ist allgemeinverbindlich. Dem Kl. war unstreitig eine Prämie in Höhe von Euro . . . für den Fall zugesagt worden, dass die Bauarbeiten am U-Bahnhof . . . termingerecht bis zum 31.3. . . . fertig würden. Die Fertigstellung ist rechtzeitig erfolgt. Die Bekl. verweigert jedoch die Zahlung der Prämie mit der Begründung, die Ansprüche des Kl. seien gemäß der zweistufigen Aus-

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Zur Verzinsung s. M 101.3 Fn. 5–7.

Diller

529

12.4

Kap. 12

Vergütung

M 12.5

schlussfrist des § 16 BRTV-Bau verfallen. Die Auffassung der Bekl. ist unrichtig. Der Kl. hat zunächst seinen Anspruch, wie von § 16 BRTV-Bau verlangt, schriftlich innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht. Die Geltendmachung erfolgte mit Einschreiben vom 15.5. . . ., das die Bekl. unstreitig am 18.5. . . . erhalten hat. Beweis: Einschreiben des Kl. vom 15.5. . . ., Anlage K 1 Die Bekl. hat dem Kl. mit Schreiben vom 3.6. . . . mitgeteilt, sie erkenne den mit Schreiben vom 15.5. . . . geltend gemachten Anspruch nicht an. Zwar habe der Kl. eine Zusage über die Prämie gehabt, und die betreffende Baustelle sei auch fristgerecht fertig geworden. Der Kl. habe den Anspruch jedoch nicht unter Wahrung der Frist des § 16 BRTV-Bau geltend gemacht. Er habe in dem Schreiben vom 15.5. . . . nur pauschal „Zahlung von Prämie wegen U-Bahnhof . . .“ verlangt, den Anspruch aber nicht beziffert. Beweis: Schreiben der Bekl. vom 3.6. . . ., Anlage K 2 Die Bekl. übersieht, dass die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen nicht voraussetzt, dass der Anspruch summenmäßig beziffert wird, wenn der Gegenseite klar ist, um welche Forderung es geht und wie sich die Forderung berechnet (BAG v. 16.6.1976, AP Nr. 56 zu § 4 TVG Ausschlussfrist). So lag es hier.3 Da eine erneute mündliche außergerichtliche Geltendmachung der Forderung erfolglos blieb, ist Klage geboten. Die zweistufige Ausschlussfrist des § 16 BRTV-Bau verlangt, dass binnen zwei Monaten nach schriftlicher Ablehnung eines Anspruchs Klage erhoben wird. Die schriftliche Ablehnung des Anspruchs erfolgte mit dem Schreiben der Bekl. vom 3.6. . . ., so dass die Klagefrist gewahrt ist. ... (Unterschrift)4 3 Da Ausschlussfristen von Amts wegen zu beachten sind (BAG v. 13.5.1970, AP Nr. 56 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers), muss der Kläger in der Klageschrift zur Einhaltung der Ausschlussfrist(en) vortragen. Sonst ist die Klage unschlüssig. 4 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

12.5

u

Gehaltsklage wegen Ungleichbehandlung/Diskriminierung1

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)2 1 Das allgemeine Gleichbehandlungsgebot zwischen Männern und Frauen ergibt sich aus §§ 1, 7 AGG. Das Gebot, Männern und Frauen für gleiche Arbeit gleiche Vergütung zu zahlen, ergibt sich aus EU-Recht. Bis zum Vertrag von Lissabon war es in Art. 141 des EG-Vertrages (EG) verankert. Der EG-Vertrag ist im Jahr 2009 durch den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ersetzt worden. Das Gebot der Lohngleichheit findet sich nun-

530 Diller

M 12.5

Vergütung

Kap. 12

vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz3 seit dem4. . . an die Klägerin zu zahlen. 2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin künftig Anspruch auf Vergütung nach der innerbetrieblichen Vergütungsgruppe V der Beklagten hat.5, 6

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6

mehr in Art. 157 AEUV. In Deutschland war es lange Zeit in § 612 Abs. 3 BGB aF verankert. Erstaunlicherweise enthält das AGG, das per 18.8.2006 §§ 611a ff. BGB aF und damit auch § 612 Abs. 3 BGB ersetzt hat, keine entsprechende ausdrückliche Norm mehr. Man kann deshalb das Gebot der Lohngleichheit von Mann und Frau nur mittelbar aus dem AGG ableiten. Das AGG verbietet in § 3 zunächst eine unmittelbare Diskriminierung. Darunter versteht man eine Diskriminierung, die unmittelbar an das Geschlecht anknüpft oder an Merkmale, die regelmäßig nur von Personen eines Geschlechts erfüllt werden. Eine unmittelbare Geschlechtsdiskriminierung ist heute praktisch nur noch bei Einstellung und Beförderung anzutreffen, aber nicht mehr bei der Vergütung. In diesem Bereich hat jedoch die „mittelbare Diskriminierung“ (§ 3 Abs. 2 AGG) eine große Rolle erlangt. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern bevorzugt oder benachteiligt, durch diese Regelung wesentlich mehr Personen des einen als des anderen Geschlechts betroffen werden, und die Benachteiligung oder Bevorzugung mit dem Geschlecht oder der Geschlechterrolle erklärbar ist. Die mittelbare Diskriminierung hat insbesondere bei der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten eine große Rolle gespielt, weil Teilzeitbeschäftigte ganz überwiegend Frauen sind (Ausgangspunkt war die „Bilka-Entscheidung“ des EuGH v. 13.5.1986, AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Die gleiche Behandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten ist nunmehr einfachgesetzlich in § 4 TzBfG geregelt, so dass sich insoweit ein Rückgriff auf das AGG bzw. Art. 157 AEUV erübrigt. Wichtig bei der Klage auf Vergütungszahlung ist die Beweislastumkehr nach § 22 AGG. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (v. 17.10.1989, NZA 1990, 772) und des BAG (v. 23.9.1992, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Diskriminierung) ist eine Klage auf Zahlung einer höheren Vergütung wegen mittelbarer Geschlechtsdiskriminierung bereits dann erfolgreich, wenn männliche und weibliche Arbeitnehmer mit im Wesentlichen gleicher Arbeit beschäftigt sind, der Arbeitgeber die männlichen Arbeitnehmer im Durchschnitt erheblich höher bezahlt, und die höhere Entlohnung der männlichen Arbeitnehmer nicht durch Gründe gerechtfertigt ist, die nicht auf das Geschlecht bezogen sind. Die Beweislastumkehr des § 22 AGG tritt bereits dann ein, wenn die Zahlenverhältnisse auf eine ungleiche Behandlung der Geschlechter schließen lassen und die Kriterien für die Entlohnungspraxis des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer nicht durchschaubar sind. Es ist dann Sache des Arbeitgebers darzulegen, dass die unterschiedliche Vergütung auf nicht geschlechtsspezifischen Gründen beruht. S. M 101.1 und M 101.2. Zur Verzinsung s. M 101.3 Fn. 5–7. In den meisten Eingruppierungsfällen fehlt es an einem Verschulden des Arbeitgebers für die fehlerhafte Eingruppierung, so dass Verzugszinsen nicht geltend gemacht werden können und nur die Zinsen seit Rechtshängigkeit zugesprochen werden. Wegen des fehlenden Kostenrisikos schadet es aber nichts, Verzugszinsen geltend zu machen (s. M 101.3 Fn. 7, dazu BAG v. 11.6.1997 – 10 AZR 613/96, DB 1998, 86; Diller, FA 2004, 300). Nach herrschender Auffassung ist die sog. Eingruppierungsfeststellungsklage ausreichend, so dass auf einen gesonderten Zahlungsantrag (hier Klagantrag Ziff. 1) an sich verzichtet werden kann. Das besondere Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung auch in der Privatwirtschaft mittlerweile grundlegend bejaht (BAG v. 20.6.1984 – 4 AZR 208/82, BB 1985, 54). Die Kombination mit einem Zahlungsantrag hat allerdings den Vorteil, dass nach einem stattgebenden Urteil erster Instanz für die Zeit bis dahin vollstreckt werden kann. Die in der Praxis nicht selten anzutreffenden Leistungsklagen, wonach der Arbeitgeber verpflichtet werden soll, den Arbeitnehmer in eine bestimmte Vergütungsgruppe „einzugruppieren“, sind sinnlos. Der Vergütungsanspruch entsteht nicht auf Grund eines bestimmten Han-

Diller

531

Kap. 12

Vergütung

M 12.5

Begründung: Mit der Klage macht die Kl. den Unterschiedsbetrag zwischen den innerbetrieblichen Vergütungsgruppen IV und V für den Monat . . . geltend. Die Bekl. hat die Kl. in Vergütungsgruppe IV eingruppiert. Die Kl. ist der Auffassung, dass sie (mindestens) in Vergütungsgruppe V einzugruppieren wäre. Die Kl. ist bei der Bekl. im Lager tätig. Neben ihr sind ca. 100 weitere Mitarbeiter im Lager tätig, zur Hälfte Männer und Frauen. Alle verrichten im Wesentlichen die gleiche Arbeit. Die Vergütung erfolgt bei der Bekl. anhand eines innerbetrieblichen Vergütungssystems. Mindestens 75 % der männlichen Lagerarbeiter sind in die Vergütungsgruppen V und höher eingruppiert. Dagegen sind nur ca. 10 % der im Lager beschäftigten Frauen in den Vergütungsgruppen V oder höher eingruppiert. Beweis: Zeugnis des Personalleiters . . ., zu laden über die Bekl. Ein Grund für die Zahlung einer höheren Vergütung an die männlichen Lagerarbeiter ist nicht ersichtlich, da alle Lagerarbeiter im Wesentlichen die gleiche Tätigkeit verrichten. Es ist deshalb zu vermuten, dass die Kl. – wie die übrigen weiblichen Lagerarbeiterinnen – wegen ihres Geschlechts benachteiligt wird, was gegen §§ 1, 3, 7 AGG verstößt. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das AGG ist ein Anspruch der benachteiligten Arbeitnehmer auf diejenigen Leistungen, die der bevorzugten Gruppe gewährt werden. Folglich steht der Kl. Bezahlung mindestens nach der Vergütungsgruppe V zu, so dass sie Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen Vergütungsgruppe IV und V hat. Dieser Anspruch wird für die vergangenen Monate . . . bis . . . mit der Leistungsklage Ziff. 1 geltend gemacht. Die Feststellungsklage Ziff. 2 richtet sich auf die künftigen Differenzbeträge. Die Zwei-Monats-Frist zur Geltendmachung nach § 15 Abs. 4 AGG ist eingehalten (wird ausgeführt).7 ... (Unterschrift)8 delns des Arbeitgebers, sondern ergibt sich schlicht aus den tariflichen Bestimmungen („Tarifautomatik“, BAG v. 16.10.1974 – 4 AZR 1/74, AP Nr. 81 zu §§ 22, 23 BAT). 7 Wichtig: § 15 Abs. 4 AGG sieht eine Geltendmachungsfrist von zwei Monaten für Ansprüche aus dem AGG vor, flankiert wird die Regelung durch die zusätzliche Klagefrist nach Anspruchsablehnung gem. § 61b ArbGG. Da sich das Gebot der Lohngleichheit von Mann und Frau nicht aus dem AGG ergibt, ist fraglich, ob §§ 15 Abs. 4 AGG, 61b Abs. 2 ArbGG auch hier gelten (das wäre insbesondere zu bejahen, wenn man den Anspruch auf die Lohndifferenz als Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG versteht!). Vorsorglich sollten die Fristen auf jeden Fall eingehalten werden! Die Fristen sind europarechtskonform (EuGH v. 8.7.2010 – C 264/09, NZA 2010, 869 – Bulicke; BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 188/11, NZA 2012, 1211. 8 Hinsichtlich des Streitwerts gilt § 42 Abs. 3 Satz 2 GKG, der dreijährige Unterschiedsbetrag zwischen der aktuellen und der begehrten Tarifgruppe ist anzusetzen. Gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge in Streitigkeiten von den Arbeitsgerichten (anders beim Landgericht!) dem Streitwert nicht hinzugerechnet. Angesichts des klaren Wortlauts des § 42 Abs. 3 Satz 2 GKG ist für einen Abschlag beim Streitwert kein Raum.

532 Diller

M 12.6

Vergütung

Kap. 12

u

Klage im Urkundenprozess1 auf Geschäftsführervergütung nach fristloser Kündigung2, 3 An das Landgericht/Kammer für Handelssachen4 In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)5 vertreten wir den Kläger.

Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage im Urkundenprozess6 und beantragen:

1 Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist der Urkundenprozess gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG ausgeschlossen. Für Arbeitnehmer besteht daher die Möglichkeit nicht, nach einer Kündigung Gehaltsansprüche im Wege des Urkundenprozesses einzuklagen. Umso bedeutsamer ist diese Möglichkeit bei der Kündigung von Geschäftsführern oder Vorständen, da diese nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht unter das ArbGG fallen. 2 Praxistipp: Bei Streitigkeiten um die wirksame Kündigung von Organmitgliedern sind Urkundenklagen auf Vergütungsfortzahlung eine beliebte taktische Waffe (dazu Fröhlich, ArbRB 2007, 282). Sie haben eine gewisse „Schockwirkung“, weil das Verfahren recht schnell geht und das Unternehmen praktisch wehrlos ist (s. Fn. 11). Das erhöht mitunter die Vergleichsbereitschaft auf Seiten des Unternehmens ganz erheblich (ausf. zu den taktischen Erwägungen Pesch, NZA 2002, 957). Eine Aussetzung der Gehaltsklage nach § 148 ZPO, bis über die Wirksamkeit der Kündigung entschieden ist, kommt regelmäßig nicht in Betracht, weil dies der Beschleunigungswirkung des Urkundenverfahrens diametral zuwiderlaufen würde (Seidel/Schönhöft, GmbHR 2005, 1113 mwN). Oft wird die Urkundsklage auch deshalb erhoben, um dem Organmitglied während eines langen Kündigungsrechtsstreits Liquidität zu verschaffen. Dieses Ziel kann allerdings regelmäßig nicht erreicht werden, da auch bei einem Urteil im Urkundenprozess das Unternehmen die Abwendungsbefugnis des § 711 ZPO hat und dadurch die Vollstreckung vereiteln kann. Zwar kann das Organmitglied die Abwendungsbefugnis gemäß § 711 Satz 1 ZPO durchkreuzen, indem es selbst Sicherheit leistet. Aber dazu braucht es wiederum Liquidität, zumal die Sicherheitsleistung nicht nur in Höhe der Nettovergütung erfolgen muss, sondern in Höhe der Bruttovergütung zzgl. der Verfahrenskosten. Wenn nicht gerade das Eigenheim mit einer Hypothek belastet werden soll, bringt deshalb die vorläufige Vollstreckung des erstinstanzlichen Urkundstitels gar nichts (s. auch Fn. 13). Überdies behandeln viele Landgerichte eine Urkundenklage keineswegs zügiger als normale Klagen. 3 In einer Aufsehen erregenden Entscheidung hat das OLG Düsseldorf (v. 2.3.2005, GmbHR 2005, 991 mit ablehnender Anmerkung Lelley) eine Urkundenklage für unzulässig gehalten, wenn sie auf Zahlung eines Bruttobetrages gerichtet sei. Das Urteil betraf eine Klage auf Zahlung einer Abfindung, würde aber für Gehaltsklagen entsprechend gelten. Das OLG war der Auffassung, dass ein Urkundenprozess voraussetze, dass sich die tatsächlich auszuzahlenden Beträge aus einer Urkunde ergäben, was nicht der Fall sei, wenn die gesetzlichen Abzüge erst durch steuerliche Berechnungen ermittelt werden müssten. Das Urteil entspricht nicht der Spruchpraxis anderer OLG-Bezirke, zuletzt zB OLG Celle v. 11.3.2009, ZIP 2009, 2172. 4 Der Kläger hat die Wahl, ob er vor der Zivilkammer oder der Kammer für Handelssachen (vgl. § 95 GVG) Klage erhebt. Die KfH ist regelmäßig sachkundiger, aber nicht unbedingt schneller. 5 S. M 101.1 und M 101.2. 6 Gemäß § 593 ZPO muss die Klageschrift die ausdrückliche Erklärung enthalten, dass im Urkundenprozess geklagt wird.

Diller

533

12.6

Kap. 12

Vergütung

M 12.6

1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz7 seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.8 2. Die Beklagte wird verurteilt, künftig an jedem Monatsersten, beginnend mit dem 1.7. . . ., an den Kläger Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.9 Begründung: Mit der Klage verfolgt der Kl. im Urkundenprozess seine Vergütungsansprüche gegen die Bekl. für die Monate Januar und Februar . . . Zwischen den Parteien besteht ein Anstellungsvertrag vom . . . Der Vertrag war gemäß seinem § 12 auf drei Jahre unkündbar ab dem 1.7. . . . abgeschlossen, also bis zum 30.6. . . . Dem Kl. war eine Brutto-Monatsvergütung von Euro . . . zugesagt worden (§ 2 des Vertrages). Beweis: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage K 1 Die Bekl. hat mit Schreiben vom 31.12. . . ., dem Kl. am gleichen Tage übergeben, den Anstellungsvertrag aus wichtigem Grund fristlos gekündigt und den Kl. als Geschäftsführer abberufen. Der Kl. hat mit Schreiben vom gleichen Tag der Kündigung widersprochen und seine Dienste angeboten, so dass die Bekl. sich in Annahmeverzug (§ 615 BGB) befindet. Beweis: Kündigungsschreiben der Bekl. vom 31.12. . . . sowie Schreiben des Kl. vom 3.1. . . ., Anlagen K 2 und K 3 Die Klage ist im Urkundenprozess zulässig und begründet. Der Anspruch des Kl. auf die eingeklagte Monatsvergütung für die Monate Januar und Februar . . . ergibt sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Anstellungsvertrag. Gemäß § 592 Satz 1 ZPO kann ein Anspruch, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand hat, im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Das ist vorliegend der Fall. Der Anspruch des Kl. ergibt sich nach Grund und Höhe aus dem Vertrag. Das Original des Vertrages werden wir im Termin vorlegen.10 7 Die allgemeinen Verzugszinsen betragen gem. § 288 Abs. 1 BGB 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der EZB. Bei Rechtsgeschäften, bei denen ein „Verbraucher“ iSd. § 13 BGB nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz 8 Prozentpunkte statt 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Nach der Rechtsprechung des BAG sind Arbeitnehmer „Verbraucher“ iSd. § 13 BGB, so dass bei Gehaltsklagen von Arbeitnehmern stets nur 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz verlangt werden können (ausführlich M 101.3 Fn. 5–7 mwN). Dasselbe gilt nach Auffassung des BGH auch für Organmitglieder (BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, NJW 2006, 431). 8 Ebenso wie bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten bedarf es auch im Prozess vor den ordentlichen Gerichten keiner Anträge zu den Kosten und der vorläufigen Vollstreckbarkeit, da über beide von Amts wegen zu entscheiden ist S. M 101.3 Fn. 2. 9 Zur Klage auf künftige Vergütung s. ausführlich M 12.29. 10 Gemäß § 593 Abs. 2 ZPO müssen der Klageschrift Kopien der Urkunden beigefügt werden, auf die der Kl. sich stützt. Wichtig: Die Kopien müssen grundsätzlich nicht beglaubigt sein! § 593 Abs. 2 ZPO soll es der Gegenseite ermöglichen, sich auf die mündliche Verhandlung vorzubereiten. Bestreitet der Bekl. die Tatsachen, die der Kl. durch Urkunden belegen will, muss im Termin die Beweisaufnahme allerdings anhand der Originale erfolgen (§ 595 Abs. 3 ZPO). Abschriften reichen dann nicht, auch nicht beglaubigte. Wichtig: Nach verbreiteter Auffassung (OLG Frankfurt v. 31.8.1995 – 16 U 111/94; OLG Düsseldorf v. 21.1.1988 – 10 U 181/87, AnwBl 1988, 411) muss allerdings mindestens

534 Diller

M 12.7.1

Vergütung

Kap. 12

Die fristlose Kündigung war unberechtigt. Wichtige Gründe im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten, lagen nicht vor. Selbst wenn wichtige Gründe für eine fristlose Kündigung vorlägen, könnte die Bekl. diese im vorliegenden Verfahren den eingeklagten Ansprüchen nicht entgegenhalten, da diese Einwendungen nicht durch Urkunden bewiesen werden könnten.11 Die Klage auf künftige Vergütungszahlung (Antrag Ziff. 2) ist neben der Klage auf rückständige Vergütung (Antrag Ziff. 1) zulässig (wird ausgeführt).12 Da die Angelegenheit für den Kl. existenzielle Bedeutung hat, bitten wir um kurzfristige Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung. Gerichtskosten zahlen wir per Verrechnungsscheck ein.13 ... (Unterschrift)14

11

12 13

14

eine Urkunde im Original oder in beglaubigter Kopie mit der Klageschrift vorgelegt werden, ansonsten sei die Klage im Urkundenprozess nicht statthaft. Kündigungsgründe kann das Unternehmen so gut wie nie durch Urkunden beweisen. Zwar mögen einzelne Urkunden existieren, die die Kündigungsvorwürfe stützen (zB Auszahlungsbelege bei Unterschlagungen). Regelmäßig werden sich aber nur einzelne Aspekte des Kündigungsvorwurfs durch Urkunden belegen lassen, nur sehr selten dagegen der gesamte Vorwurf in vollem Umfang. Deswegen ist gegen Gehaltsklagen im Urkundenprozess praktisch „kein Kraut gewachsen“. S. im Einzelnen M 12.29. Ein stattgebendes Urteil ist gemäß § 708 Nr. 4 ZPO ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Allerdings hat das Gericht gemäß § 711 ZPO auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Zu den daraus folgenden praktischen Problemen s. Fn. 2. Obsiegt der Kl. im Urkundenverfahren, schließt sich das Nachverfahren gemäß §§ 599 f. ZPO an, es sei denn der Bekl. widerspricht dem eingeklagten Anspruch nicht. Das Nachverfahren folgt den allgemeinen Prozessgrundsätzen der ZPO für das ordentliche Verfahren. Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

12.7 Zulagen

u

Übertarifliche Zulage1

12.7.1

Herr/Frau . . . erhält neben seinem Tariflohn/seinem Tarifgehalt eine übertarifliche Zulage in Höhe von Euro . . ./h/Woche/Monat. 1 Die übertarifliche Zulage wird bei Tariflohnvereinbarung ohne weitere Voraussetzungen über den Tariflohn hinaus gezahlt. Sie ist im Zweifel bei Tariflohnerhöhungen anrechenbar (BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49, 52; v. 23.9.2009, NJOZ 2010, 799, 800). Vgl. im Einzelnen Einf. Rz. 9 f.

Diller/Lingemann

535

Kap. 12

u

12.7.2

Vergütung

M 12.7.2

Widerrufs-1 und Anrechnungsvorbehalt2 für die übertarifliche Zulage

(1) Der Arbeitgeber behält sich vor, die übertarifliche Zulage bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen. Sachliche Gründe sind3 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere4 ein Umsatzrückgang von mehr als . . . % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als . . . im letzten Geschäftsjahr), – eine um mindestens . . . % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin über einen Zeitraum von . . . Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin. Das Tarifgehalt/Grundgehalt nach Ziff. . . . bleibt dabei unangetastet. Der widerrufliche Teil umfasst höchstens 24,5 % der Gesamtvergütung.5 (2) Die übertarifliche Zulage kann auf den Tariflohn angerechnet werden, wenn sich dieser infolge von Tariferhöhungen oder infolge einer Umgruppierung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin erhöht. Dasselbe gilt bei einer Verkürzung der Arbeitszeit.6 1 Der Widerrufsvorbehalt muss insbesondere die sachlichen Gründe für einen möglichen Widerruf benennen. Vgl. ausführlich und zu den weiteren Anforderungen Einf. Rz. 7 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt ist hingegen nicht möglich, wenn die Zulage laufend neben dem eigentlichen Tariflohn gezahlt wird, vgl. Rz. 6. 2 Der Anrechnungsvorbehalt ist grundsätzlich AGB-fest, vgl. Einf. Rz. 9, Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sind jedoch zu beachten, es sei denn, die Anrechnung erfolgt vollständig und gleichmäßig, vgl. Einf. Rz. 10. 3 Der bloße Hinweis, dass eine Leistung aus „wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen werden kann, reicht nicht mehr aus, vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 460 sowie Einf. Rz. 7. 4 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.). 5 Nur wenn der widerrufliche Teil im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, muss er unter 25 % liegen, ansonsten kann er sich auf bis zu 30 % erhöhen, BAG v. 11.10.2006, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; vgl. auch Hunold, NZA-RR 2006, 113, 120; Maaß, ArbR Aktuell 2011, 59. 6 Die Anrechenbarkeit in diesen Fällen folgt bereits aus der Benennung der Zulage als „übertariflich“ (BAG v. 27.8.2008, NZA 2009, 49, 52). Dennoch kann zur Klarstellung auch weiterhin ein ausdrücklicher Anrechnungsvorbehalt aufgenommen werden. Vgl. auch Kap. 2, Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f.

536 Lingemann

M 12.7.5

Vergütung

Kap. 12

u

Erschwerniszulage1

12.7.3

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält, solange er/sie in der Gießerei tätig ist, neben seinem/ihrem Lohn eine Erschwerniszulage in Höhe von Euro . . ./h/Woche/ Monat. 1 Auf die Erschwerniszulage können Tariferhöhungen nur angerechnet werden, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist (BAG v. 23.3.1993, AP BetrVG 1972 § 87 Tarifvorrang Nr. 26). Der Widerruf der Erschwerniszulage ist nur zulässig, wenn die Erschwernis wegfällt, der Wegfall der Erschwernis als Sachgrund in der Widerrufsklausel aufgeführt ist und die weiteren Voraussetzungen einer wirksamen Widerrufsklausel erfüllt sind (vgl. Einf. Rz. 7 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.).

u

Wechselschichtzulage1

12.7.4

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält, solange er/sie in Wechselschicht tätig ist, neben dem Lohn eine Zulage in Höhe von Euro . . ./h/Woche/Monat. 1 Auch der Widerruf einer Wechselschichtzulage dürfte nur unter den allgemeinen Voraussetzungen möglich sein, vgl. Einf. Rz. 7 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.

u

Auslandszulage

12.7.5

(1) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält für die Dauer seiner/ihrer Tätigkeit in . . . neben seiner/ihrer Grundvergütung eine Auslandszulage in Höhe von 50 % des Inlandsgehalts. Diese Auslandszulage deckt alle vorhersehbaren zusätzlichen Erschwernisse, die mit dem Auslandsaufenthalt verbunden sind, ab.1 (2) Der Anspruch auf diese Zulage entfällt mit dem Ende des Monats, in dem der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nach Beendigung seines/ihres Aufenthaltes wieder in Deutschland ist. 1 Vgl. dazu unter M 11.1.

Lingemann 537

Kap. 12

u

12.7.6

Vergütung

M 12.7.6

Leistungszulage

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält, solange die Leistung seiner/ihrer Schicht . . . Einheiten/Tag übersteigt, eine Leistungszulage in Höhe von Euro . . ./h/Woche/ Monat.

u

12.7.7

Sozialzulage mit Widerrufsvorbehalt1

(1) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält für jedes unterhaltsberechtigte Kind eine Sozialzulage in Höhe von Euro . . ./h/Woche/Monat. Der Umfang seiner/ihrer Unterhaltsverpflichtung richtet sich nach der Eintragung auf seiner/ihrer Lohnsteuerkarte. (2) Die Sozialzulage kann auf den Tariflohn angerechnet werden, wenn sich dieser in Folge von Tariferhöhungen oder in Folge einer Umgruppierung des Arbeitnehmers/ der Arbeitnehmerin erhöht. Dasselbe gilt bei einer Verkürzung der Arbeitszeit.2 (3) Der Arbeitgeber behält sich vor, die Sozialzulage bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen. Sachliche Gründe sind3 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere4 ein Umsatzrückgang von mehr als . . . % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als . . . im letzten Geschäftsjahr), – eine um mindestens . . . % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin über einen Zeitraum von . . . Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin. Das Tarifgehalt/Grundgehalt nach Ziff. . . . bleibt dabei unangetastet. Der widerrufliche Teil umfasst höchstens 24,5 % der Gesamtvergütung.5 1 Nach Geltung der AGB-Kontrolle für Formulararbeitsverträge sind Freiwilligkeitsvorbehalte jedenfalls für laufende Vergütungsleistungen – dazu zählen auch laufend gewährte übertarifliche Zulagen und Zuschläge – nicht mehr wirksam (BAG v. 25.4.2007, DB 2007, 1757 m. Anm. Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754 ff.; v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173; v. 21.1.2009, NZA 2009, 310, 311; v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 83; zum Begriff des laufenden Entgelts vgl. Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2309 f.). Ausdrücklich zulässig sind nach der Entscheidung des BAG v. 25.4.2007 aber noch Widerrufs- und/oder Anrechnungsvorbehalte (Formulierungsvorschläge unter (2) sowie unter (3) des Musters). Siehe im Einzelnen Einf. Rz. 6, Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. Zu einmalig gewährten Sonderzahlungen bzw. Gratifikationen vgl. unten M 12.15.1. 2 Vgl. Einf. Rz. 9 f. sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f. 3 Vgl. hierzu die Hinweise in M 12.7.2 Ziff. 1. 4 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.). 5 Vgl. Anm. zu M 12.7.2 Ziff. 1.

538 Lingemann

M 12.8.2

Kap. 12

Vergütung

u

Überstundenzuschläge1

12.8.1

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält für jede auf Anordnung2 des Arbeitgebers geleistete Über- oder Mehrarbeitsstunde3 einen Zuschlag von 25 % zu dem Arbeitsentgelt. 1 Nach § 17 Abs. 3 BBiG ist eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Darüber hinaus besteht ohne gesonderte vertragliche Grundlage kein Anspruch auf Zuschläge für Überstunden oder Mehrarbeit; auch ein vereinbarter Freizeitausgleich erhöht sich dann nicht. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass ein bestimmter Überstundenzuschlag im Betrieb üblich ist. Der Anspruch des Arbeitnehmers ergibt sich dann aus § 612 BGB. Zur pauschalen Abgeltung von Überstunden vgl. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“, Rz. 118 und „Überstundenklausel“, Rz. 127. 2 Der Anspruch auf Überstundenvergütung und -zuschlag besteht auch, wenn der Arbeitgeber die Überstundenleistung zwar nicht angeordnet, wohl aber gebilligt hat (vgl. BAG v. 15.6.1961, AP ZPO § 253 Nr. 7; v. 17.4.2002, NZA 2002, 1340, 1344), wobei streitig ist, ob schon die bloße Kenntnis als Billigung ausreicht. Die Beweislast für die Anordnung oder Billigung trägt der Arbeitnehmer (BAG v. 15.6.1961, AP ZPO § 253 Nr. 7), allerdings kommen ihm Beweiserleichterungen zugute (BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 939). Dem Betriebsrat steht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei allen mit der Anordnung und Lage von Überstunden verknüpften Fragen zu. Voraussetzung ist zwar ein kollektiver Tatbestand. Dieser wird bei betrieblicher Veranlassung jedoch regelmäßig bejaht und scheitert letztlich nur, wenn es um die Berücksichtigung individueller Wünsche einzelner Arbeitnehmer geht (vgl. BAG v. 11.11.1986, DB 1987, 336). Auf die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer kommt es nicht an (BAG v. 11.11.1986, DB 1987, 336). 3 Die Begriffe werden weitgehend synonym verwendet, nachdem die Differenzierung im früheren § 15 AZO mit Inkrafttreten des ArbZG entfallen ist. Nach traditioneller Diktion bedeutet Mehrarbeit die Überschreitung der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit, Überstunden überschreiten demgegenüber nur die Arbeitszeit, die regelmäßig (gemäß Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung) im Betrieb gilt.

u

Nachtarbeits-, Sonn- und Feiertagszuschläge

12.8.2

(1) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält Zuschläge für – Nachtarbeit in Höhe von . . . % pro Stunde, wobei Nachtarbeit die zwischen 23.00 und 6.00 Uhr geleistete Arbeit ist.1 – Arbeit an Sonn- und Feiertagen in Höhe von . . . % pro Stunde.2 1 Nachtzeit ist gemäß § 2 Abs. 3 ArbZG die Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr, Nachtarbeit gemäß § 2 Abs. 4 ArbZG ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfasst. In Tarifverträgen kann Abweichendes vereinbart werden. Gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG besteht für Nachtarbeit und gemäß § 11 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 5 ArbZG für Nachtarbeit (vgl. BAG v. 11.1.2006, NZA 2006, 372) an Sonn- und Feiertagen die Verpflichtung zur Zahlung eines angemessenen Zuschlags auf das Bruttoarbeitsentgelt, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen (vgl. dazu BAG v. 27.1.2000, BB 2000, 416). 2 Ein gesetzlicher Anspruch auf einen Zuschlag für Sonn- und Feiertagsarbeit besteht nicht, Arbeitnehmer haben nur Anspruch auf einen Ersatzruhetag gemäß § 11 Abs. 3 ArbZG (BAG v. 11.1.2006, NZA 2006, 372). Ein solcher Anspruch kann aber vertraglich vereinbart werden.

Lingemann 539

Kap. 12

Vergütung

M 12.9

– Arbeit an Samstagen in Höhe von . . . % pro Stunde. (2) Treffen mehrere Zuschläge zusammen, wird nur der höchste Zuschlag gezahlt. oder (2) Neben dem Nachtarbeitszuschlag wird von den weiteren Zuschlägen die Hälfte gezahlt.

12.9

u

Klage auf Überstundenvergütung1

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro 200,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz3 seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen. Begründung: Die Bekl. ist ein metallverarbeitendes Industrieunternehmen. Der Kl. ist seit mehr als zehn Jahren bei der Bekl. als Dreher beschäftigt. Beide Parteien sind nicht tarifgebunden. Die Arbeitszeit im Betrieb beträgt kraft vertraglicher Vereinbarung wöchentlich 40 Stunden. Am 16.2. . . ., einem Dienstag, sprach der Vorgesetzte des Kl., der Meister A, den Kl. an seinem Arbeitsplatz an und erklärte ihm, der Auftrag für die Firma X GmbH müsse unbedingt bis Freitag, 14.00 Uhr fertig sein. Ansonsten drohe eine hohe Vertragsstrafe. Der Kl. erklärte dem Meister A, in dieser kurzen Zeit sei der Auftrag nur mit erheblichen Überstunden zu schaffen. Der Meister entgegnete, wenn Überstunden notwendig seien, dann müssten sie halt gemacht werden. Der Termin habe oberste Priorität. Beweis: Zeugnis des Meisters A, zu laden über die Bekl. 1 Nur wenige Klagen haben vor dem Arbeitsgericht so selten Erfolg wie Klagen auf Überstundenvergütung. Die Rechtsprechung stellt an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers außerordentlich hohe Anforderungen, die oft kaum zu erfüllen sind. Der Arbeitnehmer muss zunächst darlegen und beweisen, dass er die fraglichen Überstunden zusätzlich zu seiner Regelarbeitszeit tatsächlich erbracht hat. Der Arbeitgeber kann dies mit Nichtwissen bestreiten. Dann muss der Arbeitnehmer für jede einzelne Stunde Beweis antreten (zB durch Zeugnis seiner Arbeitskollegen). Dabei reicht es nicht aus, nur die bloße Anwesenheit im Betrieb zu beweisen (zB durch Vorlage von Stempelkarten). Vielmehr muss der Arbeitnehmer auch – bei Bestreiten des Arbeitgebers sogar für jede einzelne Stunde – darlegen und beweisen, was er in dieser Stunde gemacht hat (BAG v. 29.5.2002, EzA § 611 BGB Mehrarbeit Nr. 10). 2 S. M 101.1 und 101.2. 3 Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7.

540 Lingemann/Diller

M 12.9

Kap. 12

Vergütung

Der Kl. hat üblicherweise eine tägliche Arbeitszeit von 7.00 Uhr bis 15.45 Uhr, bestehend aus acht Arbeitsstunden, einer 15-minütigen Frühstückspause und einer 30-minütigen Mittagspause. Ausweislich der als Anlagen K 1 bis K 3 beigefügten Stempelkarten für den 16., 17. und 18.2. . . . arbeitete der Kl. an diesen drei Tagen insgesamt acht Stunden länger als üblich, nämlich zwei Stunden am 16.2. sowie jeweils drei Stunden am 17.2. und 18.2.4 Alle acht Stunden entfielen ausschließlich auf den eiligen Auftrag, dessen Erledigung der Meister A ausdrücklich angewiesen hatte.5 Beweis: wie vor Trotz Mahnung verweigert die Bekl. die Bezahlung der acht Überstunden. Zur Begründung hat sie gemeint, geringfügige Überstunden seien üblicherweise mit dem Gehalt abgegolten. Der Meister A habe dem Kl. auch nicht ausnahmsweise die Vergütung der Überstunden ausdrücklich zugesagt. Nicht nachvollziehbar sei auch der vom Kl. geltend gemachte Überstundenzuschlag von 25 %. Die Einwendungen der Bekl. sind unerheblich. Überstunden sind zu vergüten, wenn sie im betrieblichen Interesse erfolgten und angeordnet oder zumindest betriebsnotwendig waren. Niemand ist verpflichtet, über die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus ohne Zusatzvergütung Überstunden zu leisten. Folglich hat die Bekl. zunächst die Überstunden mit dem üblichen Stundensatz des Kl. zu vergüten. Der Stundenlohn des Kl. beträgt Euro 20,–. Beweis: Gehaltsabrechnung des Kl. vom Februar . . ., Anlage K 4 Der Kl. hat somit zunächst Anspruch auf Überstundenvergütung von 8 × Euro 20,– = Euro 160,–. Der Kl. hat aber auch Anspruch darauf, dass die Bekl. einen Überstundenzuschlag von 25 % zahlt. Zwar sind die Parteien nicht tarifgebunden. Die Anwendung des Tarifvertrages für die Metallindustrie Baden-Württemberg ist jedoch betriebsüblich. Die Bekl. richtet sich in allen Punkten – mit Ausnahme der Arbeitszeit und der Lohnhöhe – nach den Tarifverträgen der Metallindustrie. Beweis: Zeugnis des Personalleiters B, zu laden über die Bekl. Der Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Baden-Württemberg sieht einen 25%igen Überstundenzuschlag vor. Folglich hat der Kl. kraft betrieblicher Übung Anspruch auf zusätzliche Zahlung von 25 % von Euro 160,– = Euro 40,–. Euro 160,– zzgl. Euro 40,– ergeben die eingeklagten Euro 200,–. ... (Unterschrift)6 4 Es reicht nicht, pauschal eine bestimmte Anzahl von Stunden geltend zu machen. Vielmehr muss jede einzelne Stunde nach Tag und Uhrzeit separat aufgeführt sein (BAG v. 5.9.1995, NZA 1996, 266). 5 Der Arbeitnehmer muss – bei Bestreiten des Arbeitgebers sogar für jede einzelne Stunde – darlegen, dass die Überstunden auf Anordnung oder zumindest mit Duldung oder Billigung des Arbeitgebers geleistet worden sind oder dass jedenfalls die Arbeitsaufgabe bewusst so ausgestaltet war, dass sie in der betriebsüblichen Arbeitszeit nicht zu schaffen war (BAG v. 15.6.1961, AP Nr. 7 zu § 253 ZPO; v. 25.11.1993, NZA 1994, 837). Letzteres ist häufig unmöglich. 6 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

Diller

541

Kap. 12

Vergütung

M 12.10.1

12.10 Tantieme

u

12.10.1

Leitender Angestellter oder Geschäftsführer einer GmbH

Herr/Frau . . . erhält1 über die Bezüge gemäß § . . . hinaus a) eine jährliche Tantieme, die der Arbeitgeber/die Gesellschafterversammlung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ergebnisse des Geschäftsjahres nach Feststellung des Jahresabschlusses festsetzt.2 oder a) eine jährliche Tantieme in Höhe von . . . % des Jahresüberschusses nach Handelsbilanz3 vor Abzug der Tantiemen für die (leitenden Angestellten und) Geschäftsführer. oder a) eine jährliche Tantieme in Höhe von . . . % des Gewinns vor Steuern (EBT)/des Gewinns vor Steuern und Zinsen (EBIT) und vor Abzug der Tantiemen für die (leitenden Angestellten und) Geschäftsführer. oder a) eine Tantieme von . . . % des Jahresgewinns vor Abzug der Tantieme für die (leitenden Angestellten und) Geschäftsführer und der Körperschaftsteuer sowie nach Abzug der Gewerbesteuer und nach Verrechnung mit Verlustvorträgen.4 Rückstellungen, steuerliche Sonderabschreibungen oder sonstige Steuervergünstigungen, welche den Gewinn unmittelbar beeinflussen und betriebswirtschaftlich nicht geboten sind, mindern die Berechnungsgrundlage nicht. Ebenso bleibt die spätere gewinnerhöhende Auflösung von Rücklagen oder anderen Bilanz-Positionen, deren Bildung auf die Berechnungsgrundlage keinen Einfluss hatte, unberücksichtigt.5 1 Die Formulierung „erhält“ begründet nach Auffassung des BAG einen Anspruch auf die Tantieme (BAG v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173, 1177; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 576; ähnlich der Vorschlag bei Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; vgl. hierzu Einf. Rz. 8), was idR auch gewollt ist. Wird diese Vorgehensweise gewählt, so kann die Tantieme nicht gleichzeitig wirksam unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden. Zum Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen vgl. unten M 12.15.1. 2 Entspricht die Bestimmung der Ermessenstantieme durch die Gesellschaft nicht der Billigkeit, so kann gerichtlich eine andere Höhe bestimmt werden, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Zur Bestimmung durch Urteil nach § 315 BGB vgl. BGH v. 9.5.1994, DB 1994, 1351. Ob diese bisher gebräuchliche Vereinbarung einer Ermessenstantieme der AGB-Kontrolle anhand von § 308 Nr. 4 BGB bzw. § 307 BGB standhält, ist offen. Will man hier Risiken vermeiden, müsste man von einer Ermessentantieme absehen und nur aus bestimmten Bezugsgrößen fest berechenbare Tantiemen vereinbaren. 3 Bezugsgröße der Tantieme ist häufig der Gewinn bzw. Jahresüberschuss vor Steuern („EBT“) oder vor Zinsen und Steuern („EBIT“) wie in den nächsten beiden Varianten dargestellt. Zulässig, jedoch die seltene Ausnahme ist auch eine am Umsatz orientierte Tantieme. Zu Einzelheiten vgl. M 4.1a § 4 Abs. 1 mit Anm. 4 Ohne gesonderte Vereinbarung können Verluste aus den Vorjahren nicht gewinnmindernd bei der Berechnung der Tantieme berücksichtigt werden (Einzelheiten bei ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 499). 5 Vgl. zu Einzelheiten M 4.1a § 4 Abs. 1 mit Anm.

542 Lingemann

M 12.10.2

Vergütung

Kap. 12

evtl. Für die Zeit bis zum . . . wird eine Tantieme6 von Euro . . ./Jahr, zahlbar jeweils am . . ., garantiert. b) Die Tantieme wird mit Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. oder b) Die Tantieme wird am Ende des Monats fällig, in dem der Jahresabschluss festgestellt wird. c) Endet der Vertrag im Laufe des Jahres, so wird die Tantieme pro rata temporis gezahlt. Kündigt die Gesellschaft den Anstellungsvertrag jedoch aus wichtigem Grund, den Herr/Frau . . . zu vertreten hat,7 so entfällt für das Jahr, in dem die Kündigung wirksam wird, der Anspruch auf die Tantieme.8 6 Eine garantierte Tantieme ist in Turn-around-Situationen empfehlenswert, allerdings nur, wie im Muster, zeitlich befristet. Vgl. hierzu auch Kutsch/Kersting, BB 2011, 373, 375. 7 Jedenfalls in Formulararbeitsverträgen sollte diese Einschränkung aufgenommen werden; andernfalls hält die Klausel der Inhaltskontrolle unabhängig von der Höhe der Gratifikation gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB möglicherweise nicht mehr stand (so das LAG München v. 26.5.2009 – 6 Sa 1135/08, AE 2009, 186 unter Hinweis auf BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042; für Sonderzahlungen, die 25 % der Gesamtvergütung übersteigen, auch BAG v. 24.10.2007, NZA 2008, 40, 43; v. 6.5.2009, NZA 2009, 783, 784; hierzu auch Einf. Rz. 33b sowie Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509, 512. Nach der neuesten Rechtsprechung des BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221, kann die Auszahlung von Gratifikationen, die nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dienen, allerdings uneingeschränkt an das ungekündigte Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt geknüpft werden, unabhängig davon, in wessen Sphäre der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt. Zu Einzelheiten s. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff. 8 Zu Alternativen vgl. oben M 4.1a § 4 Abs. 1.

u

Ermessenstantieme1 für einen leitenden Angestellten

12.10.2

Herr/Frau . . . erhält eine Tantieme, deren Höhe im Ermessen der Gesellschaft liegt. Sie kommt nur zur Auszahlung, wenn die Gesellschaft ihren Aktionären eine Dividende ausschüttet und Herr/Frau . . . sich zum Zeitpunkt der Fälligkeit im ungekündigten Dienstverhältnis befindet.2 1 Das BAG beurteilt Vergütungen, deren Höhe zT in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt wird, deutlich weniger kritisch als Freiwilligkeitsvorbehalte. Das gilt sowohl für Ermessentantiemen (BAG v. 14.11.2012, NJW Spezial 2013, 82 zu einer sehr aufwändigen Partnerregelung in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; v. 18.1.2012, NZA 2012, 499 – dazu nachfolgendes Muster) als auch Ermessengratifikationen (BAG v. 16.1.2013, NJW 2013, 100 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180 und unten M 12.16). 2 Formulierung wie in BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 499. Das BAG hat diese Formulierung gebilligt, sie sei weder intransparent noch stelle sie eine unangemessene Benachteiligung dar. Auch die Tatsache, dass die Gesellschaft mehrere Jahre lang den Zahlungen keinen Hinweis

Lingemann 543

Kap. 12

Vergütung

M 12.10.3

auf den Dividendenvorbehalt beigefügt hatte, hielt der 10. Senat für unschädlich, die Mitteilung der Anspruchsvoraussetzung bei einer Leistung sei rechtsgeschäftlich ohne Bedeutung. Insofern ist genau zu differenzieren zwischen einem Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeweils bei jeder Zahlung erklärt werden muss (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81) und einer solchen rechtsgeschäftlichen Bedingung, bei der die Aufnahme im Vertrag ausreicht.

u

12.10.3

Klage auf Ermessenstantieme/Ermessensbonus

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Euro . . .2 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz3 seit dem 15.2. . . .4 zu zahlen. Begründung: Der Kl. war bei der Bekl. seit über zehn Jahren im Bereich Investmentbanking tätig, er ist aufgrund fristgemäßer Eigenkündigung zum 31.12. des vergangenen Jahres ausgeschieden. § 4 seines Anstellungsvertrages hat folgenden Wortlaut: 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Ist die Ermittlung der Höhe einer Tantieme oder eines Bonus nicht mathematisch definiert, obliegt es regelmäßig dem Arbeitgeber, die Höhe nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB festzusetzen. Unterbleibt die Festsetzung oder ist die vom Arbeitgeber getroffene Festsetzung unbillig, erfolgt gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die „Bestimmung durch Urteil“. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bedeutet also zum einen, dass eine Klage gegen den Arbeitgeber auf erstmalige Festsetzung bzw. auf Korrektur der Festsetzung der Leistung nicht notwendig ist. Deshalb ist auch zweifelhaft, ob für solche Klagen überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis bestünde. Möglich ist es, im Klageantrag die Höhe der begehrten Zahlung offen zu lassen und diese in das Ermessen des Gerichts zu stellen (wie beim Schmerzensgeld oder bei Entschädigungen nach dem AGG üblich), wobei dann stets ein Mindestbetrag angegeben werden sollte, um im Fall einer sehr niedrigen Festsetzung eine Beschwer für die Berufung zu haben. In diesem Fall wäre also die Klage zu richten auf „Zahlung einer Tantieme/eines Bonus, die/der vom Gericht nach billigem Ermessen festzusetzen ist, aber Euro . . . nicht unterschreiten sollte“. Letztlich sind solche Umwege aber unnötig. Denn nach der Rechtsprechung kann der Arbeitnehmer unmittelbar Leistungsklage auf den ihm angemessen erscheinenden Betrag erheben (BGH v. 2.4.1964, BGHZ 41, 271, 280; v. 24.11.1995, NJW 1996, 1054; v. 7.4.2000, NJW 2000, 2986). In dem stattgebenden Urteil liegt dann inzidenter die Gestaltung durch das Gericht (BAG v. 17.8.2004, AP 55 zu § 16 BetrAVG). 3 Zur Verzinsung s. M 101.3 Fn. 5–7. 4 Die Frage, ab wann bei einer nach § 315 BGB festzusetzenden Leistung Verzugszinsen laufen, ist umstritten. Mangels Kostenrisiko (s. M 101.3 Fn. 7) sollten Zinsen stets ab dem denkbar frühesten Termin eingeklagt werden.

544 Lingemann/Diller

M 12.10.4

Kap. 12

Vergütung

㤠4

Ermessenstantieme

Der Arbeitgeber entscheidet am Ende eines jeden Geschäftsjahrs gemäß billigem Ermessen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Mitarbeiter eine Tantieme erhält.“ Beweis: Anstellungsvertrag vom. . ., Anlage K 1 Am 15.2. . . . hat die Bekl. dem Kl. mitgeteilt, er erhalte für das abgelaufene Geschäftsjahr keine Ermessenstantieme. Auf Nachfrage des Klägers erklärte der Personalleiter P der Bekl. am 16.2.. . ., es sei bei der Bekl. gängige Praxis, ausscheidenden Mitarbeitern für das letzte Jahr keinen Bonus mehr zu zahlen. Diese Mitarbeiter bräuchten keine Leistungsanreize mehr. Beweis: Zeugnis des Personalleiters P, zu laden über die Bekl. Die Parteien haben in § 4 des Anstellungsvertrages eine Ermessenstantieme vereinbart, so dass gemäß § 315 BGB die Bekl. grundsätzlich das Recht, aber auch die Pflicht hatte, die Höhe der Tantieme nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Bestimmung dahingehend, dass der Kl. überhaupt keine Tantieme erhalten soll, ist evident ermessensfehlerhaft. Die Tantieme ist funktional eine zusätzliche Vergütung für die geleisteten Dienste und hat mit der zukünftigen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses nicht das Geringste zu tun. Der Kl. hat im abgelaufenen Kalenderjahr/Geschäftsjahr erstklassige Leistungen erbracht, insbesondere (wird ausgeführt). In den beiden vorangegangenen Jahren hatte die Bekl. dem Kl. Tantiemen in Höhe von Euro . . . bzw. Euro . . . festgesetzt und ausgezahlt. Da die Leistungen des Kl. im abgelaufenen Geschäftsjahr jedenfalls nicht schlechter waren als in den Vorjahren, hätte es billigem Ermessen entsprochen, jedenfalls den Durchschnittswert der Tantiemen der letzten beiden vorangegangenen Jahre auch für das abgelaufene Geschäftsjahr festzusetzen. Dieser Betrag wird deshalb hiermit eingeklagt. ... (Unterschrift)5 5 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

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Vorstand einer Aktiengesellschaft1

12.10.4

(1) Das Vorstandsmitglied erhält neben dem Jahresgrundgehalt einen vom Grad der Erfüllung persönlicher und unternehmensbezogener Ziele abhängigen Bonus von bis zu Euro . . . (in Worten: Euro . . .) brutto/Geschäftsjahr. Die persönlichen und unternehmensbezogenen Ziele und das Verhältnis Zielerfüllung und Bonushöhe vereinbart der Aufsichtsrat mit dem Vorstandsmitglied jeweils im 4. Quartal für das folgende Geschäftsjahr. (2) Der Bonus ist wie folgt fällig: a) In Höhe eines Drittels einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat; 1 Einzelheiten in M 5.1 § 3 Abs. 2 ff.

Diller/Lingemann

545

Kap. 12

Vergütung

M 12.11

b) in Höhe eines weiteren Drittels einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses für das folgende Geschäftsjahr; c) in Höhe eines weiteren Drittels einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses für das darauffolgende Geschäftsjahr. d) Die Zahlungen nach b) und c) werden entsprechend der weiteren Entwicklung des Unternehmenserfolges wie folgt angepasst: aa) Erhöht sich das EBIT2 für das dem Fälligkeitszeitpunkt vorausgehende Geschäftsjahr gegenüber dem vorangegangenen Geschäftsjahr, so erhöht sich die Zahlung um den entsprechenden Prozentsatz, höchstens aber um 50 %. bb) Verringert sich das EBIT für das dem Fälligkeitszeitpunkt unmittelbar vorausgehende Geschäftsjahr gegenüber dem vorangegangenen Geschäftsjahr, so reduziert sich die Zahlung um den entsprechenden Prozentsatz. cc) Nach billigem Ermessen des Aufsichtsrates kann die Bezugsgröße EBIT durch die Bezugsgröße EBT ersetzt werden. Eine solche Änderung teilt der Aufsichtsrat dem Vorstandsmitglied bis zum Ende des 3. Quartals jeweils für das folgende Jahr mit. e) Bei Ausscheiden des Vorstandsmitglieds wird der Bonus in voller Höhe fällig nach Feststellung des Jahresabschlusses für das Jahr des Ausscheidens durch den Aufsichtsrat.3 Ziffern a)–d) gelten nicht. oder e) Der Bonus ist auch dann zu zahlen, wenn das Dienstverhältnis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr besteht. (3) Bei Beendigung des Vorstandsvertrages im laufenden Jahr wird die variable Vergütung zeitanteilig gewährt. (4) Der Aufsichtsrat behält sich vor, bei außerordentlichen Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Sondervergütung zu entscheiden. 2 EBIT = earnings before interest and taxes. 3 Diese Klausel, nach der die Bonuszahlung bei Beendigung voll auszuzahlen ist, ist möglicherweise bei börsennotierten Aktiengesellschaften nicht zulässig, weil sie der Aufgabe des AGVorstands, eine Nachhaltigkeit der Bonuszahlungen zu sichern, widersprechen könnte.

12.11

u

Provisionsvereinbarung für einen angestellten1 Handelsvertreter §1

Vergütung

(1) Die Bezüge des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin setzen sich aus Grundgehalt, Provision und Aufwendungsersatz zusammen. Im Grundgehalt und der Provision ist zur Abgeltung etwaiger Mehrarbeit und Nachtarbeit sowie der Tätigkeit des Arbeit1 Zu freien Handelsvertretern M 9.3.1 §§ 7 ff. sowie M 9.3.2 §§ 5 ff.

546 Lingemann

M 12.11

Vergütung

Kap. 12

nehmers/der Arbeitnehmerin an Sonn- und Feiertagen2 eine monatliche Pauschale von Euro . . . enthalten. (2) Das Grundgehalt beträgt Euro . . .3 (3) Aufwendungen werden wie folgt ersetzt . . . § 2 Provisionspflichtige Geschäfte (1) Für seine/ihre Vermittlungstätigkeit erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin für alle provisionspflichtigen Geschäfte eine Vermittlungsprovision, deren Höhe sich aus der diesem Vertrag als Anlage . . . beigefügten Provisionstabelle ergibt. Der Arbeitgeber behält sich vor, die Provisionstabelle bei Vorliegen eines sachlichen Grundes abzuändern. Sachliche Gründe sind4 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere5 ein Umsatzrückgang von mehr als . . . % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als . . . im letzten Geschäftsjahr), – marktbedingte Absatzschwierigkeiten des vertriebenen Produkts (insbesondere ein Absatzrückgang von mehr als . . . %), – Neustrukturierung der Vertriebswege, der Vertriebsarten oder der vertriebenen Produkte. Das Tarifgehalt/Grundgehalt nach Ziff. . . . bleibt dabei jeweils unangetastet. Zudem umfasst der zu Lasten des Arbeitnehmers abänderbare Teil des Provisionssatzes höchstens 24,5 % des Gesamtprovisionssatzes.6 2 Ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Zuschlag für Sonn- und Feiertagsarbeit besteht nicht, es sei denn, es handelt sich um Nachtarbeit, §§ 11 Abs. 2, 6 Abs. 5 ArbZG. Der Arbeitnehmer hat dagegen Anspruch auf einen Ersatzruhetag, § 11 Abs. 3 ArbZG (BAG v. 11.1.2006, NZA 2006, 372). Abgesehen davon kann eine Pauschale für die Abgeltung geleisteter Sonn- und Feiertagsarbeit jedoch vertraglich vereinbart werden. 3 Falls Tarifbindung besteht, muss das monatliche Grundgehalt des angestellten Handelsvertreters mindestens dem Tarifgehalt entsprechen. Dabei ist allerdings unerheblich, ob dieser Mindestbetrag durch ein monatliches Grundgehalt, eine feste Garantieprovision oder eine Kombination von beiden sichergestellt wird (BAG v. 29.10.1987, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 14; v. 19.1.2000, NZA 2000, 1300 f.). Besteht keine Tarifbindung, kann die Provision grundsätzlich auch als einziger Vergütungsbestandteil vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung ist aber nur dann zulässig, wenn es dem angestellten Handelsvertreter überhaupt möglich ist, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften (vgl. LAG Berlin v. 3.11.1986, AP HGB § 65 Nr. 14; LAG Köln v. 16.2.2009 – 2 Sa 824/08; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 65 Rz. 11 mwN). 4 Vgl. hierzu die Hinweise in M 12.7.2 Ziff. 1. 5 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes zT überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.). 6 Aus § 308 Nr. 4 BGB folgt nunmehr, dass ein solcher Vorbehalt nur dann wirksam vereinbart werden kann, wenn das Ausübungsrecht auf sachliche Änderungsgründe begrenzt wird und diese ausdrücklich in der Klausel benannt sind. Erforderlich ist somit, dass die Voraussetzungen und der Umfang des Rechts tatbestandlich hinreichend konkretisiert sind, vgl. Einf. Rz. 7. Ferner gilt auch hier die 25 %-Grenze, so dass Provisionssätze nicht beliebig angepasst werden können (so etwa LAG Hessen v. 3.7.2008 – 14 Sa 1863/07; LAG München v. 22.8.2007 – 11 Sa 1168/06; ferner OLG München v. 6.2.2008, NJW-RR 2009, 458, 460 f.

Lingemann 547

Kap. 12

Vergütung

M 12.11

(2) Provisionspflichtig sind alle Kundengeschäfte, die während des bestehenden Vertragsverhältnisses abgeschlossen werden und auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers/ der Arbeitnehmerin zurückzuführen sind.7 Dies gilt auch dann, wenn die Geschäfte erst nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses ausgeführt werden.8 Vor Beginn dieses Vertrages zustande gekommene Geschäfte sind auch dann nicht provisionspflichtig, wenn sie erst nach Vertragsbeginn ausgeführt werden. (3) Nachvertragliche Geschäfte, die innerhalb von drei Monaten nach der Vertragsbeendigung abgeschlossen werden, sind nur dann provisionspflichtig, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin diese Geschäfte vermittelt oder eingeleitet und so vorbereitet hat, dass der nachvertragliche Abschluss überwiegend auf seine/ihre Tätigkeit zurückzuführen ist.9 Der nachvertragliche Provisionsanspruch besteht nicht, wenn ein Nachfolger des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin für das Geschäft einen Provisionsanspruch erworben hat, es sei denn, dass eine Teilung der Provision der Billigkeit entsprechen würde. Der Provisionsanspruch entfällt, wenn der Geschäftsabschluss auch maßgeblich auf die Tätigkeit des Nachfolgers zurückzuführen ist oder der Nachfolger an der Abwicklung des Geschäfts nicht unerheblich mitgewirkt hat.10 (4) Kommt ein Geschäft nicht allein durch die Vermittlungsbemühungen des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zustande, waren vielmehr ein oder mehrere andere Au-

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für den freien Versicherungsvertreter; vgl. auch HWK/Diller, § 65 HGB Rz. 4; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 65 Rz. 14 f.; Schaub/Vogelsang, ArbRHdb, § 75 Rz. 14; gegen eine Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit bei Provisionen aber Singer, RdA 2006, 362, 373 unter Verweis auf die fehlende Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Provision einzige Vergütung des angestellten Handelsvertreters ist. Aber auch bei einer Kombination von Grundgehalt und Provision muss die 25 %-Grenze uE Anwendung finden, dh. die Provisionssätze sind variabel, sofern dem Arbeitnehmer dadurch nicht mehr als 25 % der Gesamtvergütung gekürzt werden. Möglich ist auch, die Provisionsvereinbarung als solche für die Zukunft widerruflich auszugestalten, sofern der durch die Provisionen durchschnittlich erwirtschaftete Anteil 25 % nicht überschreitet. Die Regelung entspricht § 87 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB. Die in Satz 1 Alt. 2 vorgesehene Provisionspflicht für Geschäfte mit Dritten (dh. ohne direkte Mitwirkung des Handelsvertreters), die der Handelsvertreter zuvor als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat, ist hingegen abdingbar, vgl. ErfK/Oetker, § 87 HGB Rz. 11. Sog. überhängende Provisionen, dh. erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ausführung des Geschäfts entstehende Provisionen, dürfen in AGB nicht pauschal auf die Hälfte der vereinbarten Provision vermindert oder gänzlich ausgeschlossen werden. Eine solche Klausel wäre nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (BAG v. 20.2.2008, NZA 2008, 1124; v. 21.10.2009, NJW 2010, 298 f.). Die Regelung entspricht § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB. Der ersatzlose Ausschluss der nachvertraglichen Provision ist bei dem angestellten Handelsvertreter gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unzulässig. Anders als der freie Handelsvertreter, der bei Ausschluss des § 87 Abs. 3 HGB ggf. einen gesetzlichen Ausgleich nach § 89b HGB erlangt, steht dem angestellten Handelsvertreter dieser Anspruch ohne eine besondere Vereinbarung nicht zu. Die Rechtsprechung stellt daher an eine Klausel, die den nachvertraglichen Provisionsanspruch eines angestellten Handelsvertreters ausschließt, hohe Anforderungen. Zum einen muss ein solcher Ausschluss klar und eindeutig vereinbart sein. Zum anderen ist wegen der Unanwendbarkeit des § 89b HGB eine andere Kompensation oder eine sonstige ausgleichende Regelung zu fordern. Außerdem sind sachliche Gründe für die Abbedingung notwendig (vgl. zum Ganzen BAG v. 20.8.1996, NZA 1996, 1151, 1153; HWK/Diller, § 65 HGB Rz. 10; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 65 Rz. 30 f.; Staub/Weber, HGB-Kommentar, 5. Aufl. 2008, § 65 Rz. 11). Die Teilung der Provision unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit entspricht der Wertung des § 87 Abs. 3 Satz 2 HGB.

548 Lingemann

M 12.11

Kap. 12

Vergütung

ßendienst-Mitarbeiter des Unternehmens am Geschäftsabschluss mitursächlich beteiligt, ist der für dieses Geschäft entstehende Provisionsanspruch auf die beteiligten Außendienst-Mitarbeiter je nach dem Grade ihrer Mitursächlichkeit zu verteilen.11 Kommt eine Einigung zwischen den Beteiligten nicht zustande, so entscheidet der Unternehmer nach billigem Ermessen.12 §3

Entstehung und Fälligkeit des Provisionsanspruchs

(1) Der Provisionsanspruch entsteht, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausführt oder die Ausführung des Geschäfts nach den mit dem Kunden getroffenen Vereinbarungen erfolgen müsste. (2) Ist der Kunde vorleistungspflichtig, entsteht der Provisionsanspruch bereits dann, wenn und soweit der Kunde seiner Vorleistungspflicht genügt. (3) Der Provisionsanspruch wird in dem Zeitpunkt fällig, in dem gemäß § 6 spätestens über die Provision abzurechnen ist. oder (1) Der Provisionsanspruch entsteht, sobald und soweit der Kunde den Kaufpreis bezahlt hat.13 (2) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin hat jedoch – unabhängig von der Zahlung durch den Kunden – einen Anspruch auf Provisionsvorschuss, wenn der Unternehmer das abgeschlossene Geschäft ausgeführt hat.14 Der Provisionsvorschuss beträgt 50 % derjenigen Provision, die dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin für dieses Geschäft insgesamt zusteht.15 (3) Die Entstehung des Provisionsanspruchs ist ausgeschlossen, sofern die in § 5 Abs. 1 und 2 niedergelegten Tatbestände erfüllt sind. (4) Der Anspruch auf Provisionsvorschuss wird am letzten Tag des Monats fällig, der der Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer folgt; der Provisionsanspruch 11 Eine Provisionsteilungsvereinbarung empfiehlt sich stets, wenn die Möglichkeit einer Provisionskonkurrenz zwischen mehreren Vertretern besteht. Andernfalls kann es dazu kommen, dass das vertretene Unternehmen die Provision mehrmals zahlen muss (MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 87 Rz. 53 ff.). Wesentlich ist, dass eine solche Vereinbarung mit allen Vertretern geschlossen wird. 12 Die Ausübung des billigen Ermessens unterliegt gemäß § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle, bei AGB könnte § 308 Nr. 4 oder § 307 BGB entgegenstehen. 13 Diese Vereinbarung weicht von dem Gesetzeswortlaut des § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB ab, ist aber in der Praxis üblich. Die gesetzliche Regelung ist gemäß § 87a Abs. 1 Satz 2 HGB abdingbar unter der zwingenden Voraussetzung, dass dem Vertreter ein Vorschuss gewährt wird, Abs. 2 des Musters. 14 Der Anspruch auf den Vorschuss wird am letzten Tag des auf die Ausführung des Geschäfts folgenden Monats fällig (§ 87a Abs. 1 Satz 2 HGB). 15 Der Vorschuss muss „angemessen“ sein. Die Höhe von 50 % ist lediglich ein Vorschlag. Aus der Begründung des Gesetzes ergeben sich für die Bestimmung der angemessenen Höhe verschiedene Gesichtspunkte: Je ferner der Zeitpunkt liegt, in dem der Abnehmer voraussichtlich erfüllen wird, je größer die Gefahr ist, dass der Abnehmer nicht oder nur teilweise leisten wird, umso niedriger wird der Vorschuss sein. Zu berücksichtigen ist ferner die wirtschaftliche Lage des Handelsvertreters. Der Vorschuss soll ihm Deckung der laufenden Verbindlichkeiten ermöglichen. Bei der Bemessung des Vorschusses ist auch darauf zu achten, dass die Gewährung des Vorschusses nicht zu einer Schädigung des Unternehmens führt.

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Vergütung

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im Übrigen wird in dem Zeitpunkt fällig, in dem gemäß § 6 spätestens über die Provision abzurechnen ist. § 4 Berechnung und Höhe des Provisionsanspruchs (1) Die Provision, auf die der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nach § 2 Anspruch hat, errechnet sich aus dem in Rechnung gestellten Waren-Netto-Wert. (2) Dem Kunden vom Unternehmer nachträglich gewährte Nachlässe (Skonti, Mengen- und Treuerabatte etc.) sind für die Provisionsrechnung vom Netto-Rechnungsbetrag nicht abzuziehen. (3) Nebenkosten (zB für Fracht, Porto, Zoll, Steuer etc.) führen nur dann zu einer Minderung der Provision, wenn sie dem Kunden gesondert in Rechnung gestellt werden. oder (3) Der Netto-Waren-Wert als Bemessungsgrundlage für die Provision ist um . . . % zu kürzen, wenn im Rechnungsbetrag Nebenkosten enthalten sind.16 § 5 Wegfall des Provisionsanspruchs (1) Der Provisionsanspruch entfällt,17 wenn und soweit die Ausführung des abgeschlossenen Geschäfts aus Gründen unterbleibt, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat.18 (2) Steht fest, dass der Dritte nicht leistet,19 so entfällt der Anspruch auf Provision; bereits empfangene Beträge sind zurückzugewähren und werden mit fälligen Provisionsansprüchen verrechnet. Der Nachweis, dass der Dritte nicht leistet, gilt als geführt, wenn eine Auskunftei dem Unternehmer bestätigt, dass nach ihren Unterlagen eine

16 Diese Gestaltung weicht von der gesetzlichen Regelung in § 87b Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 HGB ab. Diese Vorschrift ist abdingbar, MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 87b Rz. 45 ff. 17 Diese Regelung entspricht § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB. Sie kann aber zur Klarstellung in den Vertragstext übernommen werden. 18 Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Ausführung des Geschäfts ist nicht erforderlich (so aber § 87a Abs. 3 HGB aF). Der Unternehmer hat für alle ihm zurechenbaren Risiken einzustehen (vgl. BGH v. 5.3.2008, WM 2008, 923). Hier wird ein strenger Maßstab angelegt. Der Unternehmer hat danach etwa zu vertreten: Schwierigkeiten in der Beschaffung von Rohstoffen, im Ablauf des eigenen Betriebes und in der Finanzierung, Verschulden von Erfüllungsgehilfen. Nicht zu vertreten hat er hingegen staatliche Eingriffe (zB Transport-, Export-, Importsperren nach Vertragsschluss, soweit diese nicht vorhersehbar oder vermeidbar sind, OLG München v. 3.5.1995, BB 1995, 1559), Streiks im eigenen Betrieb und höhere Gewalt (Hopt, HVR, § 87a HGB Rz. 25 ff.). Der Unternehmer trägt die Beweislast dafür, dass er die Nichtausführung des Geschäfts nicht zu vertreten hat. Der die Provision trotz Nichtausführung begehrende Arbeitnehmer muss nur dartun, dass die Nichtausführung feststeht (Hopt, HVR, § 87a HGB Rz. 30). 19 Gemäß § 87a Abs. 2 HGB muss objektiv feststehen, dass der Dritte nicht leistet. Abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Vertreters sind unwirksam, § 87a Abs. 5 HGB. Die Bestimmung des § 87a Abs. 2 HGB kommt allerdings dann nicht zur Anwendung, wenn die Nichtleistung des Dritten darauf zurückzuführen ist, dass der Unternehmer seinerseits das Geschäft nicht ausführt, oder wenn die Nichtleistung des Dritten auf vom Unternehmer zu vertretenden Gründen beruht; in solchen Fällen hat die Regelung des § 87a Abs. 3 HGB Vorrang vor § 87a Abs. 2 HGB (BGH v. 5.3.2008, WM 2008, 923).

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Vergütung

Kap. 12

Zwangsvollstreckung voraussichtlich nicht zum Ziele führen wird,20 oder wenn der Unternehmer dies auf andere Weise glaubhaft macht.21 (3) Eine Verpflichtung des Unternehmers zur gerichtlichen Geltendmachung und Vollstreckung seines Erfüllungsanspruchs gegenüber dem Kunden besteht nur, wenn diese Maßnahmen Aussicht auf Erfolg bieten.22 §6

Provisionsabrechnung

(1) Der Unternehmer hat über die Provision, auf die der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin Anspruch hat, monatlich, und zwar spätestens bis zum 10. des Monats abzurechnen, der der Auslieferung/Kundenzahlung folgt.23 Die Provision wird mit der Abrechnung fällig und zusammen mit dem Gehalt jeweils am Ende des Monats gezahlt. (2) In der Provisionsabrechnung sind die dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin zustehenden Provisionen getrennt danach aufzuschlüsseln, ob sie auf Geschäften beruhen, die auf eine unmittelbare und ursächliche Tätigkeit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zurückzuführen sind oder auf sog. Direktgeschäfte, für deren Abschluss der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nicht unmittelbar tätig geworden ist. (3) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin hat die erteilte Provisionsabrechnung unverzüglich zu prüfen und die ihm/ihr übersandte Abrechnungs-Zweitschrift mit seinem/ ihrem Anerkenntnisvermerk dem Unternehmer jeweils bis zum 20. des Abrechnungsmonats zurückzusenden. (4) Der Anspruch des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin auf Provision und Provisionsvorschuss verjährt in zwei Jahren nach dem Ende des Jahres, in dem die Provision bzw. der Vorschuss fällig wird. Der Anspruch des Unternehmers auf Erstattung von Provision oder Vorschuss verjährt in zwei Jahren ab Kenntnis der Umstände, die den Rückzahlungsanspruch rechtfertigen.24 20 Dies reicht in der Regel aus, vgl. Abrahamczik, Handelsvertretervertrag, 3. Aufl. 2007, S. 62. Zu weiteren Fällen vgl. MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 87a Rz. 33 ff. mwN. 21 Zur anderweitigen Glaubhaftmachung genügt zB die Erklärung des Abnehmers selbst, zahlungsunfähig zu sein. Die bloße Annahme der Zahlungsunfähigkeit durch den Arbeitgeber ist nicht ausreichend. 22 Es kann dem Unternehmer nicht zugemutet werden, den Anspruch in jedem Fall zunächst einzuklagen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Vollstreckung auf Grund der finanziellen Situation des Dritten erfolglos sein wird (OLG Köln v. 27.11.1992, BB 1993, 606). 23 Der Abrechnungszeitraum kann davon abweichend gemäß § 87c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 HGB auf höchstens drei Monate erstreckt werden. 24 Die Verjährungsvorschrift des § 88 HGB, nach der Ansprüche in vier Jahren verjährt sind, ist zum 15.12.2004 aufgehoben worden. Für Ansprüche, die seitdem entstanden sind, gelten die allgemeinen Verjährungsregeln des BGB. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre, sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, § 199 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift ist jedoch dispositiv (PWW/Kesseler, § 195 Rz. 2; Abrahamczik, Handelsvertretervertrag, 3. Aufl. 2007, S. 74), so dass die Verjährungsfrist vertraglich verkürzt werden kann. Wird eine abweichende Vereinbarung getroffen, ist auf die Gleichbehandlung beider Vertragsteile zu achten. Eine einseitige Abkürzung zu Lasten des Vertreters ist daher unzulässig (BGH v. 12.10.1979, BB 1980, 12; v. 10.5.1990, BB 1990, 2066; v. 12.2.2003, NJW 2003, 1670). Ein anerkennenswertes Interesse an der Verkürzung

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Kap. 12

Vergütung

M 12.12

ergibt sich aus dem Ziel, Rückforderungen zu einem Zeitpunkt auszuschließen, zu dem sie nicht mehr oder nur noch unter Schwierigkeiten nachprüfbar sind.

12.12

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Stufenklage1 wegen Abrechnung und Zahlung von Provision

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger für seine Tätigkeit in den Monaten Januar bis Juni . . . zustehenden Provisionen abzurechnen. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die in der Zeit von Januar bis Juni . . . verdienten Provisionen einen Buchauszug3 zu erteilen. 3. Die Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit der Auskunft gemäß Ziff. 2 an Eides statt zu versichern.4 1 Die Stufenklage nach § 254 ZPO ist eine Form der objektiven Klagehäufung, die sich im Laufe der Jahrzehnte aus Gründen der Prozessökonomie durchgesetzt hat. Das Wesen der Stufenklage ist, dass bereits eine Vielzahl von Anträgen angekündigt werden, das Gericht jedoch zunächst nur über die vorgreiflichen Anträge verhandelt und entscheidet. Erst wenn die Entscheidung über die vorgreiflichen Anträge rechtskräftig geworden ist, wird das Verfahren mit der Verhandlung und Entscheidung über die weiteren Anträge fortgesetzt. Die weiteren Anträge (zB auf Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Betrages) müssen hinsichtlich ihrer Bestimmtheit nicht den scharfen Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügen. Ist allerdings das erstinstanzliche Gericht der Auffassung, dass sämtliche angekündigten Anträge unbegründet sind und sein werden (zB wenn im vorliegenden Fall das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass überhaupt keine wirksame Provisionsvereinbarung vorliegt), kann das Gericht unmittelbar alle Stufen abweisen. Weist die erste Instanz die Klage insgesamt ab, dringt der Kl. aber in der Berufungsinstanz mit seinem vorgreiflichen Anspruch (zB auf Auskunftserteilung oder Abrechnung) durch, so ist das Verfahren hinsichtlich der weiteren Stufen an die erste Instanz zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges ergibt sich aus §§ 65, 87c Abs. 2 HGB. 4 Der allgemeine Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach den §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass eine erteilte Auskunft unrichtig ist oder substantiiert darzulegende Verdachtsmomente gegen die Richtigkeit bestehen. Soweit es um Provisionsabrechnungen geht, sehen indes §§ 65, 87c Abs. 4 HGB vor, dass zunächst Bucheinsicht zu gewähren ist, und zwar nach Wahl des Arbeitgebers entweder dem Provisionsberechtigten oder einem von diesem zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen. Erst wenn die Einsicht erfolglos bleibt oder keine einsehbaren Bücher existieren, besteht der Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (BGH v. 16.5.1960, BGHZ 32, 305; OLG Celle v. 27.8.1962, BB 1962, 1017). Es schadet jedoch nichts, den entsprechenden Antrag im Wege der Stufenklage bereits auf einer nachgeordneten Stufe anzukündigen. Erübrigt sich mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Antrag, wird er im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht mehr verlesen, so dass auch nicht über ihn entschieden wird.

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M 12.12

Vergütung

Kap. 12

4. Die Beklagte wird verurteilt, die sich aus der Abrechnung ergebenden Provisionen an den Kläger zu zahlen.5 Begründung: Der Kl. war bei der Bekl. als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Beide Parteien sind nicht tarifgebunden. Grundlage des Anstellungsverhältnisses war der Arbeitsvertrag vom . . . Ziff. 1 des Arbeitsvertrages bestimmt, dass dem Kl. für alle von ihm getätigten Umsätze eine Provision von 2,5 % zusteht. Beweis: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage K 1 Durch Eigenkündigung vom 15.1. . . . schied der Kl. fristgemäß zum 30.6. . . . aus. Bis zur rechtlichen Beendigung des Anstellungsverhältnisses war der Kl. unverändert im Außendienst tätig und hat dort auch weiterhin für die Bekl. Umsätze gemacht. Die Bekl. hat die Abrechnung und Zahlung von Provisionen für die Zeit nach der Kündigung trotz mehrfacher Mahnung abgelehnt. Als Begründung hat sie angeführt, der Kl. habe unter Verstoß gegen § 60 HGB bereits unmittelbar nach Ausspruch seiner Kündigung damit begonnen, für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein. Dadurch seien der Bekl. erhebliche Schäden entstanden, die die möglicherweise entstandenen Provisionsansprüche des Kl. bei weitem übersteigen. Die Einwände der Bekl. sind falsch. Der Kl. ist nicht vertragswidrig für ein Konkurrenzunternehmen tätig geworden. Da der Bekl. somit keine Schadensersatzansprüche zustehen können, hat sie die dem Kl. zustehenden Provisionen in vollem Umfang zu zahlen. ... (Unterschrift)6 5 Der Anspruch ist in der gestellten Form mangels hinreichender Bestimmtheit gemäß § 253 ZPO eigentlich unzulässig. Bei einer Stufenklage akzeptiert die Praxis jedoch solche Anträge. Sie sind sinnvoll, um Verjährungs- und Verfallfristen zu unterbrechen (BAG v. 23.2.1977, AP Nr. 58 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Der Anspruch wird mit der Klageerhebung und Zustellung rechtshängig, auch wenn über ihn zunächst nicht entschieden wird. Ist allerdings nach entsprechender Verurteilung gemäß den vorgreiflichen Auskunfts- und Rechenschaftsansprüchen der sich daraus ergebende Zahlungsanspruch bezifferbar, muss er vor Verlesung beziffert werden, da ansonsten die Klage insoweit im weiteren Verlauf des Verfahrens abgewiesen wird. 6 Hinsichtlich des Streitwerts gilt die Sondervorschrift des § 44 GKG. Danach ist nur der höchste der verbundenen Ansprüche maßgebend. Das ist regelmäßig der (angestrebte) Zahlungsanspruch (zB OLG Bamberg v. 10.4.1986, JurBüro 1986, 1062). Für die vorbereitenden Anträge auf Buchauszug, Abrechnung und eidesstattliche Versicherung fällt deshalb kein zusätzlicher Wert an. Bei der Maßgeblichkeit der angestrebten Zahlung für die Festlegung des Streitwerts bleibt es auch bei der „stecken gebliebenen“ Stufenklage, bei der der Kläger nach Auskunftserteilung oder Abgabe der eidesstattlichen Versicherung den ursprünglich angekündigten Zahlungsantrag nicht weiter verfolgt, zB weil die Auskunft ergeben hat, dass keine weiteren Ansprüche bestehen (im Einzelnen Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl. 2011, Stichwort „Stufenklage“). Der Wert der anwaltlichen Terminsgebühr bemisst sich dagegen nach dem Wert der Verfahrensstufe, in der diese Gebühren anfallen.

Diller

553

Kap. 12

Vergütung

M 12.13.1

12.13 Akkordvergütung

u

12.13.1

Zeitakkord1

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält Akkordlohn nach der Lohngruppe . . . des Tarifvertrages. Der Akkordrichtsatz beträgt zurzeit Euro . . . Der Mindestlohn beträgt jedoch Euro . . ./Tag. 1 Vgl. Einf. Rz. 18 ff.

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12.13.2

Geldakkord1

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält im Akkordlohn . . . (Stückakkord) pro gefertigtem Werkstück oder (Flächenakkord) pro verputztem qm . . . Euro . . . oder (Maßakkord) pro lfd. Meter eingebrachter Dehnungsfuge Euro . . . oder (Flächenakkord, Pauschalakkord) pro saniertem und mit Wärmedämmung versehenem qm . . . Euro . . . oder (Gewichtsakkord) pro verarbeitetem kg . . . Euro . . . Der Mindestlohn beträgt jedoch Euro . . ./Tag. 1 Vgl. Einf. Rz. 18 ff.

12.14 Prämien

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12.14.1

Anwesenheitsprämie1

(1) Der Arbeitgeber kann eine Anwesenheitsprämie in Höhe von Euro . . . erbringen. Für Fehltage auf Grund von Erkrankung oder sonstiger Abwesenheit, für die kein An1 Die Anwesenheitsprämie ist ein besonderer Vergütungsbestandteil, den der Arbeitnehmer nur für den Zeitraum erhalten soll, in dem er tatsächlich gearbeitet hat, um seine Anwesenheit zu honorieren. Zu unterscheiden sind laufende und einmalige Anwesenheitsprämien. Bei der Anwesenheitsprämie besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß

554 Lingemann

M 12.14.1

Vergütung

Kap. 12

spruch auf Fortzahlung der Vergütung besteht, wird von der Anwesenheitsprämie pro Fehltag 1/ 30 des monatlichen Prämienbetrages abgezogen.2 oder (1) Der Arbeitgeber kann mit dem Novembergehalt zusätzlich eine Anwesenheitsprämie in Höhe von Euro . . . erbringen, die jedoch bei Fehlzeiten innerhalb des Kalenderjahres für jeden Fehltag um ein Viertel eines Tagesarbeitsentgelts gekürzt wird.3 Das Tagesarbeitsentgelt errechnet sich aus der Summe der letzten 12 Gehaltsabrechnungen vor dem Monat November4 abzüglich der Jahresleistungen, des Aufwen§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Da es sich um eine freiwillige Leistung handelt, kann der Arbeitgeber den Zweck und das Prämienvolumen vorgeben, die Verteilung ist jedoch mitbestimmungspflichtig. 2 Hier handelt es sich um eine laufende Anwesenheitsprämie, die als Zuschlag zur laufenden Vergütung regelmäßig gezahlt wird. Eine solche Prämie kann wirksam vereinbart werden. Fehlt der Arbeitnehmer allerdings wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, ergibt sich aus § 4 EFZG, dass ihm die Prämie als Bestandteil des fortzuzahlenden Entgelts gewährt werden muss (BAG v. 4.10.1978, DB 1979, 797). Besteht hingegen kein Entgeltfortzahlungsanspruch, etwa nach Ablauf der sechs Wochen gemäß § 3 Abs. 1 EFZG oder wegen schuldhafter Herbeiführung der Krankheit, so entfällt auch der Anspruch auf die Prämie (BAG v. 23.5.1984, DB 1984, 2410). Dies stellt der zweite Satz klar. Die Kürzungsmöglichkeit des § 4a EFZG ist wahrscheinlich auf laufende Anwesenheitsprämien nicht mehr anwendbar und daher hier auch nicht vorgesehen. Werden Anwesenheitsprämien im Rhythmus des laufenden Arbeitsentgelts monatlich geleistet, muss zwar stets durch Auslegung der jeweiligen Vereinbarung ermittelt werden, ob es sich um laufendes Arbeitsentgelt handelt oder um eine Sondervergütung. Allerdings ist die monatliche Zahlungsweise ein starkes Indiz für die Einordnung als laufendes und damit (bei Bestehen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs) nicht kürzbares Entgelt (BAG v. 21.1.2009, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 283; LAG München v. 11.8.2009 – 8 Sa 131/09, LAGE § 4a EntgeltfortzG Nr. 2; ErfK/Dörner § 4a EFZG Rz. 8, jew. mwN; aA MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 4a EFZG Rz. 8). Eine Kürzungsmöglichkeit besteht aber weiterhin, sofern die Anwesenheitsprämie etwa quartalsweise (BAG v. 25.7.2001, AP EntgeltFG § 4a Nr. 1; v. 21.1.2009, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 283) oder jährlich gewährt wird, vgl. hierzu Var. 2. § 4a EFZG ist ferner nicht auf die Kürzung von Sondervergütungen aus anderen als aus krankheitsbedingten Gründen anwendbar (Müller/Berenz, § 4a EFZG Rz. 5; Marienhagen/Künzl, § 4a EFZG Rz. 7 f.). Insofern muss die Anwesenheitsprämie trotz Abwesenheit während der Mutterschutzfrist (§§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG) bezahlt werden; eine Kürzung wäre nicht mit dem Schutzzweck des MuSchG vereinbar (BAG v. 8.10.1986, DB 1987, 795; v. 12.5.1993, DB 1993, 2339) und wäre auch nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Auch während des Urlaubs (§ 11 BUrlG) besteht ein zwingender Entgeltanspruch. Eine Kürzung der Prämie ist allerdings dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer ohne Entgeltanspruch fehlt. Dies ist etwa der Fall bei unberechtigtem Fehlen und bei Abwesenheit wegen Elternzeit (vgl. hierzu Springer/Kamppeter, BB 2010, 2960, 2962), unbezahltem Urlaub oder Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes. 3 Dies ist eine einmalige Anwesenheitsprämie, die für einen längeren Zeitraum, häufig ein Jahr oder ein Quartal, vereinbart wird. Eine solche Prämie fällt als Sondervergütung in den Anwendungsbereich des § 4a EFZG (BAG v. 21.1.2009, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 283; LAG München v. 11.8.2009 – 8 Sa 131/09, LAGE § 4a EntgeltfortzG Nr. 2). Nach § 4a EFZG kann eine Kürzung wegen Krankheitszeiten für jede Geldleistung vereinbart werden, die nicht dem laufenden Arbeitsentgelt zuzurechnen ist. Erfasst sind alle krankheitsbedingten Fehlzeiten, auch wenn ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Nach Einfügung des § 4a EFZG müssen Kürzungen jedoch ausdrücklich im Vertrag vereinbart werden (BAG v. 15.12.1999, NZA 2000, 1062, 1063; v. 7.8.2002, NZA 2002, 1284; LAG München v. 6.8.2009 – 9 Sa 173/08, nv.) und in dem dort genannten Rahmen erfolgen. 4 Maßgeblich für die Berechnung des durchschnittlichen Einkommens sind die zwölf Monate vor dem Monat, in dem der Anspruch auf die Sondervergütung besteht (Bauer/Lingemann, BB Beilage 17/1996, 8).

Lingemann 555

Kap. 12

Vergütung

M 12.14.1

dungsersatzes sowie geleisteter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und des Urlaubsentgelts, geteilt durch die Zahl der tatsächlich geleisteten Arbeitstage der 12 Monate. (2) Die Auszahlung erfolgt nur, wenn der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin zum Auszahlungszeitpunkt – am 30.11. des Jahres – noch im ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, es sei denn, dass das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin nicht zu vertreten hat, insbesondere aus betriebsbedingten Gründen, gekündigt wurde oder geendet hat.5 (3) Wird eine Anwesenheitsprämie erbracht, wird hierdurch ein Rechtsanspruch auf Erbringung in den folgenden Kalenderjahren nicht begründet. Der Arbeitgeber behält sich vor, vor Beginn eines jeden Kalenderjahres neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Anwesenheitsprämie für das jeweilige Kalenderjahr erbracht wird. Der Vorrang individueller Vertragsabreden im Sinne des § 305b BGB bleibt hiervon unberührt.6 5 Es ist nicht geklärt, ob für eine solche Prämie eine Stichtagsregelung vereinbart werden kann, denn sie dient zumindest auch der Vergütung. Jedenfalls in Formulararbeitsverträgen sollte daher zumindest diese Einschränkung aufgenommen werden; andernfalls hält die Klausel der Inhaltskontrolle unabhängig von der Höhe der Gratifikation gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wahrscheinlich nicht mehr stand (vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 100; LAG Düsseldorf v. 10.5.2010 – 16 Sa 235/10; LAG München v. 26.5.2009 – 6 Sa 1135/08, AE 2009, 186 unter Hinweis auf BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042; für Sonderzahlungen, die 25 % der Gesamtvergütung übersteigen, auch BAG v. 24.10.2007, NZA 2008, 40, 43; v. 6.5.2009, NZA 2009, 783, 784; hierzu auch Einf. Rz. 33b sowie Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509, 512). Zwar darf nach der neuesten Rechtsprechung des BAG die Auszahlung von Gratifikationen uneingeschränkt an das ungekündigte Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt geknüpft werden und damit unabhängig davon entfallen, in wessen Sphäre der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt (BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620). Dies gilt jedoch nur für solche Sonderzuwendungen, die nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dienen (BAG aaO). Eine Anwesenheitsprämie dient jedoch insoweit der Vergütung geleisteter Arbeit, als sie das tatsächliche Erscheinen zur Arbeitsleistung voraussetzt. 6 Wie die rechtssichere Formulierung einer freiwilligen Leistung und eines Freiwilligkeitsvorbehaltes aussieht, ist mehr denn je ungeklärt. Das BAG hat bei Freiwilligkeitsvorbehalten, nach denen dem Arbeitnehmer eine Leistung „gezahlt/gewährt“ wird oder der Arbeitnehmer eine Leistung „erhält“, Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB angenommen (BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203; v. 30.7.2008, BB 2008, 2465). Ob die hier vorgeschlagene Klausel einer AGB-Kontrolle durch das BAG standhalten wird, kann nicht abgesehen werden. Wir verweisen ergänzend auf M 3.1 § 4 Abs. 1 mit Anm. sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 104 ff. Zur Verwendung des Verbs „erbringen“ vgl. auch den Klauselvorschlag von Preis/Sagan, NZA 2012, 697. Wird im Arbeitsvertrag zB bei unwirksamem Freiwilligkeitsvorbehalt ein Anspruch begründet, so ändert daran auch ein bei jeder Zahlung ausgesprochener Freiwilligkeitsvorbehalt nichts, denn dieser würde nur eine betriebliche Übung verhindern, nicht aber einen im Arbeitsvertrag begründeten Anspruch beseitigen (BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203). Angesichts der Unsicherheit darüber, wie ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt ausgestaltet sein muss, kann es ratsam sein, im Vertrag die freiwillige Leistung und damit den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu regeln und stattdessen bei jeder Zahlung den Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich zu erklären. Ob hier ein Freiwilligkeitsvorbehalt noch vereinbart werden kann, ist fraglich. Es handelt sich letztlich wohl um Vergütung für eine erbrachte Leistung, so dass jedenfalls mit Beginn des Bezugszeitraums ein solcher Vorbehalt ausscheidet. Wie bei der Zielvereinbarung (dazu Rz. 58) kann daher letztlich nur die Entscheidung, ob für die Zukunft eine solche Prämie gewährt wird, einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterstellt werden, aber nicht die Prämiengewährung nach Beginn des Zeitraums. Das Muster trägt dem durch die Formulierung „vor Beginn eines jeden Kalenderjahres“ Rechnung. Problematisch ist auch, dass die Voraussetzungen für

556 Lingemann

M 12.14.2

Kap. 12

Vergütung

oder (3) Der Arbeitgeber behält sich vor, die Anwesenheitsprämie bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen. Sachliche Gründe sind7 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere8 ein Umsatzrückgang von mehr als . . . % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als . . . im letzten Geschäftsjahr), – eine um mindestens . . . % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung des Mitarbeiters/ der Mitarbeiterin über einen Zeitraum von . . . Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin. Die Prämie kann nur widerrufen werden, soweit sie weniger als 25 % der Gesamtvergütung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin ausmacht.9 die Gewährung genau angegeben sind, was einem Freiwilligkeitsvorbehalt entgegenstehen könnte (BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 576, 577; v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173, 1177; Einf. Rz. 6). Bei laufend gewährten Anwesenheitsprämien ist ein solcher Vorbehalt ohnehin nicht zulässig. Dann kann nur ein Widerrufsvorbehalt vereinbart werden, s. Formulierungsvorschlag in der Var. 2 zu (3). Allerdings liegt laufendes Entgelt wohl dann nicht vor, wenn die Anwesenheitsprämie einmal jährlich gezahlt wird, vgl. Var. 1. In jedem Fall muss bei jeder einzelnen Gewährung der Freiwilligkeitsvorbehalt nochmals ausdrücklich wiederholt werden (vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 104 ff.). Zudem ist zu beachten, dass trotz vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalts bei einer wiederholten und dauerhaften Gewährung die Rechtsprechung eine vorrangige Individualvereinbarung annehmen könnte, so dass insgesamt die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts rechtssicherer erscheint. 7 Vgl. hierzu die Hinweise in M 12.7.2 Ziff. 1. 8 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes zT überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.). 9 Vgl. zu den Anforderungen an einen Widerrufsvorbehalt Einf. Rz. 7 sowie Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.

u

Leistungsprämie

12.14.2

Dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin wird zu seinem/ihrem monatlichen Grundgehalt eine Leistungsprämie in Höhe von Euro . . . pro Tag freiwillig geleistet, wenn seine/ ihre Tagesleistung . . . Stücke überschreitet. Bei Fehlzeiten innerhalb des Kalenderjahres wird die Prämie um ein Viertel eines Tagesarbeitsentgelts gekürzt1 An Fehltagen auf Grund von Erkrankung oder sonstiger Abwesenheit, für die kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung besteht, wird die Leistungsprämie nicht geleistet. 1 Bei dieser Regelung stellen sich dieselben Probleme zu §§ 4, 4a EFZG wie in M 12.14.1, da die Leistungsprämie nicht nur einmalig, sondern regelmäßig und damit laufend gewährt wird. Damit stellt sich auch hier die Frage, ob die laufend gewährte Leistungsprämie als Sondervergütung eingeordnet werden kann und damit die Kürzungsmöglichkeit des § 4a EFZG eröffnet

Lingemann 557

Kap. 12

Vergütung

M 12.14.3

ist (Einzelheiten bei M 12.14.1). UE handelt es sich bei der hier geregelten Leistungsprämie jedoch trotz der regelmäßigen Auszahlung (= Indizwirkung) um eine Sondervergütung iSv. § 4a EFZG. Die Leistungsprämie ist mit der in M 12.14.1 Var. 1 geregelten laufenden Anwesenheitsprämie nicht vergleichbar. Die laufende Anwesenheitsprämie wird unabhängig von einer konkreten Leistung des Arbeitnehmers gezahlt. Hingegen setzt die hier geregelte (Tages)Prämie ein Überschreiten der durchschnittlichen Stückzahl, dh. eine körperliche Anwesenheit und konkrete Leistung des Arbeitnehmers, voraus. Diese Auslegung spricht somit für die Einordnung als Sondervergütung. Ordnet man diese Prämie auf Grund der Indizwirkung der regelmäßigen Auszahlung hingegen als laufendes und damit fortzahlungspflichtiges Entgelt iSv. § 4 EFZG ein, so kann eine Kürzung nur für diejenigen Fehltage geregelt werden, in denen kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung besteht (vgl. für die laufende Anwesenheitsprämie die Var. 1). Im Übrigen erhält der Arbeitnehmer seine Prämie weiterhin ausgezahlt. Diese richtet sich nach dem Durchschnitt der in den letzten 12 Monaten gezahlten Tagesprämien.

u

12.14.3

Treueprämie

Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin erhält eine Treueprämie in folgender Höhe: Bei ununterbrochener Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren in Höhe von Euro . . . 20 Jahren in Höhe von Euro . . . 30 Jahren in Höhe von Euro . . . 35 Jahren in Höhe von Euro . . . 40 Jahren in Höhe von Euro . . . Die Prämie setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis bei Erreichen der jeweiligen Betriebszugehörigkeit ungekündigt ist. Dies gilt unabhängig davon, in wessen Sphäre der Grund für die Kündigung liegt.1 1 Eine Beschränkung auf die Fälle, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründen beruht, die aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen, dürfte hier nicht erforderlich sein. Das BAG hat für Stichtagsklauseln bei Leistungen, die nicht der Vergütung für geleistete Arbeit dienen, entschieden, dass diese nicht nach den Gründen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses differenzieren müssen (BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221). Einzelheiten bei Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff.

558 Lingemann

M 12.15.1

Vergütung

12.15 Sonderzuwendungen (Gratifikationen)

Kap. 12

u

Sonderzuwendung mit Freiwilligkeitsvorbehalt1

12.15.1

(1) Der Arbeitgeber kann eine jährliche Sonderzuwendung erbringen.2 Die Sonderzuwendung dient ausschließlich als Honorierung von Betriebstreue und als Anreiz für künftige Betriebstreue.3 Wird die Sonderzuwendung erbracht, wird hierdurch ein Rechtsanspruch auf Erbringung in den folgenden Kalenderjahren nicht begründet. Der Arbeitgeber behält sich vor, vor Beginn eines jeden Jahres neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Sonderzuwendung erbracht wird.4 Der Vorrang individueller Vertragsabreden im Sinne des § 305b BGB bleibt hiervon unberührt. oder

1 Zu Freiwilligkeitsklauseln im Einzelnen s. Einf. Rz. 6 ff. sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. Die Zulässigkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten ist nach der neueren Rechtsprechung insgesamt fraglich (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81; Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 705), so dass in jedem Fall zu empfehlen ist, bei jeder Zahlung den Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich zu wiederholen. Auch ist der Vorrang der Individualabrede zu beachten. Soll die Sonderzuwendung freiwillig, widerruflich oder rückzahlbar gestaltet werden, so sollte sie nicht unter „Vergütung“ geregelt werden, sondern muss eine eigene Überschrift erhalten. Sonst besteht die Gefahr eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, vgl. dazu Einf. Rz. 6 ff. sowie Einf. Kap. 2 Rz. 50 ff. 2 Wie die rechtssichere Formulierung einer freiwilligen Leistung und eines Freiwilligkeitsvorbehaltes aussieht, ist mehr denn je ungeklärt. Wir verweisen ergänzend auf M 3.1 § 4 Abs. 1 sowie M 12.14.1 Abs. 3 jeweils mit Anm. sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 104 ff. 3 Diese Angabe ist im Vertrag erforderlich, damit die Zuwendung nicht als Vergütung ausgelegt wird, BAG v. 18.1.2012, NZA 2012 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 211. Der Honorierung erbrachter Betriebstreue dient typischerweise eine Stichtagsklausel mit Stichtag im Bezugszeitraum, auf die Honorierung künftiger Betriebstreue gerichtet ist eine Regelung mit Stichtag nach Ablauf des Bezugszeitraumes und damit insbesondere eine Rückzahlungsvereinbarung. Zumindest Letztere dürfte nur noch zulässig sein bei einer Zuwendung ohne Vergütungscharakter, Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff. 4 Sonderzuwendungen können im Grundsatz unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit gestellt werden (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81; v. 5.8.2009, NZA 2009, 1105, 1107; v. 18.3.2009, NZA 2009, 535; v. 21.1.2009, NZA 2009, 310; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 576; v. 30.7.2008, NZA 2008, 1173), vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 2 – AGB-Kontrolle von A–Z, Rz. 104 ff – „Freiwilligkeitsvorbehalt“. Der Vorbehalt muss allerdings dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügen, dh. klar und verständlich abgefasst sein. Auch ist mittlerweile insgesamt fraglich, inwieweit Freiwilligkeitsvorbehalte im Formularvertrag in Zukunft noch wirksam sind, da das BAG angedeutet hat, dass mehrfache Zahlungen ohne weitere Vorbehalte einen an sich wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag zu Fall bringen können. Zudem ist in jedem Fall der Vorrang der Individualabrede zu beachten und aufzunehmen (vgl. BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81; Hunold, DB 2012, 1096; ähnlich auch der Klauselvorschlag bei Lakies, ArbR Aktuell 2013, 251). Ob die hier vorgeschlagene Klausel einer AGBKontrolle durch das BAG standhalten wird, kann nicht abgesehen werden. Wir verweisen ergänzend auf M 3.1 § 4 Abs. 1 und M 12.14.1 Abs. 3 jeweils mit Anm. sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 104 ff.

Lingemann 559

Kap. 12

Vergütung

M 12.15.2

(1) Erbringt der Arbeitgeber eine Sonderzuwendung, geschieht dies freiwillig, ein Rechtsanspruch besteht nicht.5 Die Sonderzuwendung dient ausschließlich als Honorierung von Betriebstreue und als Anreiz für künftige Betriebstreue.6 Der Arbeitgeber entscheidet jedes Jahr neu, ob und in welcher Höhe er eine Sonderzuwendung erbringt. Aus der Erbringung einer Sonderzuwendung kann für die Zukunft kein Anspruch abgeleitet werden. Das gilt auch dann, wenn die Sonderzuwendung wiederholt erbracht wird. Der Vorrang individueller Vertragsabreden im Sinne des § 305b BGB bleibt hiervon unberührt. 5 Wie die rechtssichere Formulierung einer freiwilligen Leistung und eines Freiwilligkeitsvorbehaltes aussieht, ist mehr denn je ungeklärt. Wir verweisen ergänzend auf M 3.1 § 4 Abs. 1 sowie M 12.14.1 Abs. 3 jeweils mit Anm. sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 104 ff. 6 Diese Angabe ist im Vertrag erforderlich, damit die Zuwendung nicht als Vergütung ausgelegt wird, BAG v. 18.1.2012, NZA 2012 m Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 211. Der Honorierung erbrachter Betriebstreue dient typischerweise eine Stichtagsklausel mit Stichtag im Bezugszeitraum, auf die Honorierung künftiger Betriebstreue gerichtet ist eine Regelung mit Stichtag nach Ablauf des Bezugszeitraumes und damit insbesondere eine Rückzahlungsvereinbarung. Beides dürfte nur noch zulässig sein bei einer Zuwendung ohne Vergütungscharakter, Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff.

u

12.15.2

Sonderzuwendung mit Widerrufsvorbehalt1 und Bindungsklausel2

(1) Herr/Frau . . . erhält3 jedes Jahr eine Sonderzuwendung in Höhe von Euro . . . (2) Der Arbeitgeber behält sich vor, die Sonderzuwendung bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen. Sachliche Gründe sind,4 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere5 ein Umsatzrückgang von mehr als . . . % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als . . . im letzten Geschäftsjahr) 1 Vgl. zu den Voraussetzungen und dem Umfang eines Widerrufsvorbehalts Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 2 Vgl. zu den Voraussetzungen und dem Umfang einer Bindungsklausel Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklauseln“, Rz. 100 ff. 3 Mit dem Terminus „erhält“ wird ein Anspruch begründet, so dass die Leistung nicht gleichzeitig unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden kann, ein Widerrufsvorbehalt ist aber im Grundsatz zulässig, vgl. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104. 4 Der bloße Hinweis, dass eine Leistung aus „wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen werden kann, reicht nicht mehr aus, vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 459 f. Der Arbeitgeber sollte daher entscheiden, was „wirtschaftliche Gründe“ sind, und diese in der Widerrufsklausel benennen, vgl. hierzu im Einzelnen Einf. Rz. 7 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 139. 5 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes zT überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.).

560 Lingemann

M 12.15.2

Vergütung

Kap. 12

– eine um mindestens . . . % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung von Herrn/Frau . . . über einen Zeitraum von . . . Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung von Herrn/Frau . . . Die Sonderzuwendung kann nur widerrufen werden, soweit sie weniger als 25 % der Gesamtvergütung von Herrn/Frau . . . ausmacht.6 (3) Für die Auszahlung der Sonderzuwendung gilt Folgendes:7 a) Die Sonderzuwendung wird mit dem Dezembergehalt ausgezahlt (Stichtag). Die Auszahlung ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag endet. Anteilige Zahlungen erfolgen nicht.8 b) Eine Auszahlung der Sonderzuwendung ist ferner ausgeschlossen, wenn sich das Arbeitsverhältnis am Stichtag in gekündigtem9 Zustand befindet. Dies gilt unabhängig davon, in wessen Sphäre der Grund für die Kündigung liegt.10 Diese Regelung gilt sinngemäß für Aufhebungsvereinbarungen.11 c) Eine erbrachte Sonderzuwendung ist zurückzuzahlen,12 wenn Herr/Frau . . . vor dem 31.3. des auf den Stichtag folgenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Beträgt die Sonderzuwendung ein Monatsgehalt oder mehr, so ist sie zurückzuzahlen, wenn Herr/Frau . . . vor dem 30.6. des auf den Stichtag folgenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.13 Eine Rückzahlungsverpflichtung besteht nicht, wenn die Sonderzuwendung Euro 100,– oder weniger

6 Vgl. zu den Voraussetzungen und dem Umfang eines Widerrufsvorbehalts Einf. Rz. 7 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 7 Wir meinen, dass Abs. 2 – Widerrufsvorbehalt – und Abs. 3 – Bindungsklausel – an unterschiedliche Tatbestände anknüpfen, nämlich der Widerrufsvorbehalt an besondere sachliche Gründe, die nicht im Zusammenhang mit der Betriebstreue stehen, und die Bindungsklausel an die Betriebstreue, so dass sie auch kumulativ vereinbart werden können. Die Frage ist aber nicht höchstrichterlich entschieden. 8 Vgl. auch BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620. 9 Erfasst wird nur die wirksame Kündigung; hat eine Kündigungsschutzklage daher Erfolg, so entfällt die Sonderzuwendung naturgemäß nicht, auch dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis dann auf einen hilfsweisen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG hin aufgelöst wird (BAG v. 7.12.1989, NZA 1990, 490). 10 Die Zulässigkeit einer solchen Stichtagsklausel hat das BAG für solche Sonderleistungen, die – wie hier – nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dienen, bejaht (BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 221; vgl. auch Baeck/Winzer, NZG 2012, 657). Für Sonderzuwendungen, die 25 % der Gesamtvergütung übersteigen, vgl. BAG v. 24.10.2007, NZA 2008, 40, 43; v. 6.5.2009, NZA 2009, 783, 784; hierzu auch Einf. Rz. 33b sowie Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509, 512. 11 Ohne diese Regelung würde der Anspruch auf Sonderzuwendung fortbestehen, wenn zur Vermeidung einer Kündigung bereits vor dem Stichtag eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen wurde, die das Arbeitsverhältnis jedoch erst für einen Zeitpunkt nach dem Stichtag beendet (BAG v. 7.10.1992, NZA 1993, 948). 12 Zu Wirksamkeit und Grenzen von Rückzahlungsklauseln bei Sonderzuwendungen vgl. Einf. Kap. 2 – AGB-Kontrolle von A–Z, Rz. 100 ff. – „Bindungsklauseln“. Die hier vorgeschlagene Klausel orientiert sich an Kündigungsfristen zum Quartal. 13 Bei nicht quartalsmäßigen Kündigungsfristen wäre zu ergänzen: „Liegt der nächstzulässige Kündigungstermin nach dem 31.3. des folgenden Kalenderjahres allerdings vor dem 30.6., so ist die Sonderzahlung nur dann zurückzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer vor diesem nächstzulässigen Kündigungstermin ausscheidet.“ Vgl. BAG v. 28.4.2004, NZA 2004, 924.

Lingemann 561

Kap. 12

Vergütung

M 12.15.2

beträgt14 oder wenn Herr/Frau . . . aus Gründen, die Herr/Frau . . . nicht zu vertreten hat, insbesondere aus betriebsbedingten Gründen,15 ausscheidet. Diese Regelung gilt sinngemäß für Aufhebungsvereinbarungen. Die Gesellschaft ist berechtigt, mit ihrer Rückzahlungsforderung gegen rückständige oder nach der Kündigung oder Aufhebungsvereinbarung fällig werdende Vergütungsansprüche im Rahmen der gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften aufzurechnen. (4) Für die Zeit des Ruhens16 des Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch auf eine Sonderzuwendung nach Absatz 1. Als Ruhen des Arbeitsverhältnisses gelten17 a) Zeiten des freiwilligen Wehrdienstes und des Ersatzdienstes,18 b) über einen Monat hinaus andauernder unbezahlter Urlaub, c) Elternzeit,19 14 Vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 100 ff.; zur Vermeidung einer Unangemessenheit und damit eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 BGB muss diese Einschränkung aufgenommen werden, sofern nicht feststeht, dass die Sonderzuwendung höher als Euro 100,– ist (BAG v. 25.4.2007, NZA 2007, 875; v. 21.5.2003, NZA 2003, 1032, 1033). Eine geltungserhaltende Reduktion käme nicht in Betracht, § 306 Abs. 2 BGB. 15 Ob die neuere Rechtsprechung des BAG (BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 211), nach der bei Stichtagsklauseln bzgl. Sonderleistungen, die nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dienen, nicht nach dem Grund der Kündigung differenziert werden muss, auch für Rückzahlungsklauseln gilt, ist zweifelhaft. Insoweit sollte bei Rückzahlungsklauseln nach dem Grund des Ausscheidens differenziert werden (vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 100 ff.). Wird eine zu lange Bindungsdauer vereinbart, scheidet gemäß § 306 Abs. 2 BGB eine geltungserhaltende Reduktion grundsätzlich aus (vgl. allgemein BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042, 1045; v. 24.10.2007, NZA 2008, 40, 44; v. 13.12.2011, NZA 2012, 738, 740 f.). 16 Ruhen bedeutet, dass die wechselseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert sind, also weder ein Anspruch auf Arbeitsleistung noch ein Anspruch auf Vergütung besteht, gleichwohl aber die vertraglichen Nebenpflichten unberührt bleiben (BAG v. 10.5.1989, DB 1989, 2127 f.; v. 7.6.1990, DB 1990, 1971), zB bei freiwilligem Wehrdienst und entsprechenden Übungen (§§ 1, 10 ArbPlSchG, 78 ZDG, 1 EignungsübungsG), der Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 16 BEEG; BAG v. 12.1.2000, NZA 2000, 944; v. 24.5.1995, NZA 1996, 31), der Vereinbarung unbezahlten Sonderurlaubs, beispielsweise zu Ausbildungszwecken oder zur Erledigung von Privatangelegenheiten (zB Beerdigung, Hochzeit) sowie schließlich der Beteiligung des Arbeitnehmers an einem rechtmäßigen Streik (BAG v. 30.8.1994, BB 1994, 2280 f.; v. 3.8.1999, DB 2000, 677); nicht aber bei Abwesenheit während der Mutterschutzzeiten der §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG (vgl. Satz 3; BAG v. 7.9.1989, NZA 1990, 497) und Arbeitsunfähigkeit (dazu § 4a EFZG, im Einzelnen oben Einf. Rz. 29, 34 f.). 17 Vgl. BAG v. 4.12.2002, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 245. 18 Es ist offen, ob diese Einschränkung mit dem Diskriminierungsverbot des § 7 AGG noch vereinbar ist. So wird etwa die Frage nach dem freiwilligen Wehrdienst beim Vorstellungsgespräch teilweise als unzulässig angesehen, vgl. hierzu Einf. Kap. 1, Rz. 3 ff. 19 Weder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch das europarechtliche Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen verbieten es, bei der Gewährung einer Sonderzuwendung Arbeitnehmer auszunehmen, deren Arbeitsverhältnisse wegen Erziehungsurlaubs (heute Elternzeit) ruhen, BAG v. 12.1.2000, NZA 2000, 944; im Ergebnis wohl auch BAG v. 10.12.2008, NZA 2009, 258, 259; krit. Feldhoff, AiB 2001, 188; vgl. auch Boemke, JuS 2001, 95; BAG v. 4.12.2002, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 245. Auch scheidet uE eine Benachteiligung wegen des Geschlechts nach dem AGG aus, da die Elternzeit von Angehörigen beiderlei Geschlechts in Anspruch genommen werden kann, BGK, § 1 AGG Rz. 57.

562 Lingemann

M 12.16

Vergütung

Kap. 12

d) Beteiligung von Herrn/Frau . . . an einem rechtmäßigen Streik.20 Dabei ist es unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung ruht. 20 Zur Zulässigkeit einer solchen Kürzung jedenfalls in Tarifverträgen BAG v. 13.2.2007, NZA 2007, 573 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2007, 213940.

u

Sonderzuwendung nach Ermessen (Ermessensgratifikation)1

12.16

(1) Die Weihnachtsgratifikation beträgt – 50 % bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 6 Monaten – 100 % bei einer Betriebszugehörigkeit von 12 Monaten von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation. (2) Sie wird zusammen mit dem Novembergehalt im jeweiligen Jahr ausgezahlt. (3) Endet das Arbeitsverhältnis vor dem 31.3. des folgenden Jahres durch Kündigung des Arbeitnehmers, sind jegliche – auch anteilige – Ansprüche auf die Weihnachtsgratifikation ausgeschlossen. Eine Aufhebungsvereinbarung oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses stehen einer Kündigung gleich.2 1 Formulierung in Anlehnung an BAG v. 16.1.2013, NJW 2013, 1020 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180. Der 10. Senat hat die Regelung gebilligt, insbesondere auch deshalb, weil die Festlegung billigem Ermessen gemäß § 315 BGB entsprechen muss und damit auch gerichtlicher Kontrolle unterliegt, Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ermessensgratifikation“, Rz. 101. Diese Gestaltung stellt uE eine sinnvolle Alternative zum Freiwilligkeitsvorbehalt dar, da sie gerade in schwierigen Zeiten für das Unternehmen eine Absenkung erlaubt, die dann billigem Ermessen entsprechen wird. 2 Diese Stichtagsklausel hat das BAG im Urteil v. 16.1.2013, NJW 2013, 1020 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2013, 180 gleichfalls gebilligt (Rz. 14). Das ist deshalb überraschend, weil die Regelung zur Gratifikation unter der Überschrift „Vergütung“ stand und bei Sonderzahlungen, die zumindest auch Vergütungscharakter haben, ein Stichtag außerhalb des Bezugszeitraumes nicht wirksam vereinbart werden kann, dazu Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff.Hier bestehen also Unsicherheiten.

Lingemann 563

Kap. 12

12.17

u

Vergütung

M 12.17

Klage auf Sondervergütung wegen Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten1

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)2 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz3 seit dem . . . zu zahlen. Begründung: Die Kl. ist bei der Bekl. seit mehr als zehn Jahren als . . . tätig. Seit der Geburt ihres Kindes im Jahre . . . ist die Kl. bei der Bekl. nur noch als Halbtagskraft beschäftigt. Die Bekl. hat im . . . ihr 25-jähriges Firmenjubiläum gefeiert. Aus Anlass des Jubiläums erhielt jeder vollzeitbeschäftigte Mitarbeiter eine einmalige Jubiläumszuwendung von Euro . . . Die Kl. erhielt keine Zahlung. Auf Nachfrage bei der Personalabteilung wurde ihr erklärt, Teilzeitbeschäftigte seien von der Jubiläumszahlung grundsätzlich ausgenommen. Ziel der Jubiläumszuwendung sei es, die vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter an den Betrieb zu binden und ihren hohen Arbeitseinsatz in der Vergangenheit zu belohnen. Teilzeitbeschäftigte hätten typischerweise eine geringere Bindung an den Betrieb, insbesondere teilzeitbeschäftigte Mütter würden nach der Geburt weiterer Kinder regelmäßig aus dem Unternehmen ausscheiden. Nach § 4 TzBfG ist eine Ungleichbehandlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nur dann zulässig, wenn sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Solche Gründe sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Selbstverständlich war der Arbeitseinsatz der Kl. nicht so hoch wie der Arbeitseinsatz der vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter in der Vergangenheit. Die Kl. macht aber auch nur eine anteilige Zahlung der Jubiläumszuwendung geltend. Im Rahmen ihrer reduzierten Arbeitszeit hat die Kl. sich genauso eingesetzt wie die vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter. Die Bekl. kann die Verweigerung der Zahlung auch nicht auf den Gesichtspunkt der verringerten Betriebstreue stützen. Es ist eine blanke Vermutung der Bekl., dass teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter eine höhere Fluktuation aufweisen als vollzeitbeschäftigte. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse hierzu gibt es nicht. Gemäß § 4 TzBfG hätte die Bekl. folglich zumindest Anspruch auf eine anteilige Jubiläumszuwendung gehabt. Die Verweigerung der Zuwendung verstößt im Übrigen auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau gemäß Art. 157 AEUV sowie gegen das AGG. Die Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter ist nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BAG eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung, da Frauen unter den Teilzeitbeschäftigten weit überrepräsentiert sind (wird ausgeführt). 1 Zum Problem der Geschlechtsdiskriminierung s. allgemein M 12.5. 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7.

564 Diller

M 12.18

Vergütung

Kap. 12

... (Unterschrift)4 4 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

u

Klage auf Ausgabe von Belegschaftsaktien wegen betrieblicher Übung

12.18

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Aktie der Beklagten zum Nennwert von Euro 100,– Zug um Zug gegen Zahlung von Euro 328,50 zu übergeben und zu übereignen. Begründung: Die Bekl. ist eine große Publikums-Aktiengesellschaft. Seit mindestens 15 Jahren bot die Bekl. jedes Jahr am 15.6. Mitarbeitern, die seit mehr als zehn Jahren im Unternehmen sind, je eine „Belegschaftsaktie“ im Nennwert von Euro 100,– zum Kauf an. Der Kaufpreis lag jeweils um genau Euro 15,– unter dem aktuellen Mittelkurs der Aktie an der Frankfurter Börse am Ausgabe-Stichtag. Das Angebot erfolgte jeweils am schwarzen Brett sowie in gleich lautenden Mitteilungsschreiben, die den Gehaltsabrechnungen für den Monat Mai beigefügt waren. Beweis: Zeugnis des Personalleiters . . . der Bekl., zu laden über diese Im Juni dieses Jahres hat die Bekl. der Belegschaft erstmals keine Belegschaftsaktien angeboten. Zur Begründung hieß es, man arbeite derzeit an einem grundlegend neuen Vergütungssystem, das in Kürze vorgestellt werden solle. Beweis: wie vor Der Kl. ist seit mehr als 30 Jahren bei der Bekl. beschäftigt. Ihm wurde in den letzten fünfzehn Jahren jeweils zum 15.6. das Angebot einer Belegschaftsaktie gemacht, er hat dieses Angebot auch jeweils angenommen. Durch die Verhaltensweise der Bekl. ist beim Kl. ein Vertrauen darauf entstanden, dass die Bekl. auch künftig in jedem Juni eine Belegschaftsaktie pro Mitarbeiter anbieten wird. Die Bekl. hat nie erklärt, sie wolle sich für die Zukunft nicht binden und werde jedes Jahr neu entscheiden, ob die bisherige Praxis fortgesetzt werde. Vielmehr musste bei allen Mitarbeitern der Eindruck entstehen, die jahrzehntelange Praxis werde unverändert weitergeführt, jeden1 S. M 101.1 und M 101.2.

Diller

565

Kap. 12

Vergütung

M 12.19

falls solange nicht in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ein anderes vergleichbares Anreizsystem geschaffen wird. Auf jeden Fall rechtfertigt die bloße Ankündigung, an einem alternativen Vergütungsmodell zu arbeiten, nicht die entschädigungslose Einstellung einer langjährigen betrieblichen Übung. Folglich ist die Bekl. verpflichtet, dem Kl. auch in diesem Jahr eine Belegschaftsaktie zu verschaffen, und zwar wie in den Vorjahren zum Kurs von Euro 15,– unter dem aktuellen Tageskurs. Am 15.6. . . . lag der amtliche Mittelkurs an der Frankfurter Börse bei Euro 343,50. ... (Unterschrift)2 2 Der Streitwert entspricht dem Unterschied zwischen dem aktuellen Börsenkurs im Zeitpunkt des Urteils und dem Überlassungspreis.

12.19

u

Klage wegen Widerrufs/Teilkündigung von Sonderleistungen

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz2 seit dem 1.12. . . . an den Kläger zu zahlen. 2. Es wird festgestellt,3 dass der Widerruf der Beklagten vom 15.11. . . . bezüglich des Weihnachtsgeldanspruchs unwirksam ist und der Kläger auch weiterhin gemäß § . . . seines Anstellungsvertrages Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgelds von Euro . . . an jedem 1.12. eines Kalenderjahres hat. Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. seit dem . . . als . . . tätig. Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom . . . sieht in § . . . den Anspruch auf ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von Euro . . . vor, zahlbar jeweils zum 1.12. In § . . . des Anstellungsvertrages ist geregelt, dass sämtliche zusätzlich zum Gehalt gezahlten Leistungen freiwillig sind und jederzeit widerrufen werden können. Beweis: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage K 1 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7. 3 Die Feststellungsklage ist zulässig, da sie sich – anders als der Leistungsantrag Ziff. 1 – auch auf die Folgejahre bezieht. Eine Klage auf künftige Leistungen gemäß § 259 ZPO (s. M 12.29) erscheint nicht möglich, da noch nicht feststeht, ob in den Folgejahren Ansprüche bestehen werden. Denkbar wäre zB, dass die Bekl. erneut – und diesmal wirksam – einen Widerruf erklärt.

566 Diller

M 12.20

Kap. 12

Vergütung

Mit Schreiben vom 15.11. . . . erklärte die Bekl. gegenüber dem Kl., sie „widerrufe mit sofortiger Wirkung“ den Anspruch auf das jährliche Weihnachtsgeld aus § . . . des Anstellungsvertrages. Beweis: Schreiben der Bekl. vom 15.11. . . ., Anlage K 2 Die Bekl. war trotz des vertraglichen Widerrufsvorbehalts nicht berechtigt, den Weihnachtsgeldanspruch einseitig zu widerrufen.4 Der vertragliche Widerrufsvorbehalt war wegen Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB unwirksam (wird ausgeführt). Überdies war der Widerruf offenbar ein Racheakt. Der Kl. hat sich zwei Tage vor dem Widerruf, am 13.11. . . ., geweigert, einer Anweisung des Geschäftsführers Folge zu leisten. Der Geschäftsführer hatte von ihm verlangt, eine rechtswidrige Buchung vorzunehmen, um die Bilanz „zu schönen“. Der Kl. ist auch der einzige Mitarbeiter, bei dem der Anspruch auf Weihnachtsgeld widerrufen wurde. Der Widerruf verstieß deshalb gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Beweis: Zeugnis des Personalleiters . . ., zu laden über die Bekl. Ein Widerruf von Gehaltsbestandteilen kann im Übrigen allenfalls nach Maßgabe von § 315 BGB zulässig sein. Im vorliegenden Fall sind die Grenzen billigen Ermessens allerdings weit überschritten (wird ausgeführt). ... (Unterschrift)5 4 Ob und unter welchen Voraussetzungen ein einseitiger Widerruf vorbehalten werden kann, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Auf jeden Fall dürfen nur Nebenleistungen unter Widerrufsvorbehalt gestellt werden, da ansonsten der Kündigungsschutz des KSchG umgangen würde. Außerdem ist der Widerruf stets an § 315 BGB zu messen (BAG v. 9.6.1965 und v. 7.1.1971, AP Nr. 10 und 12 zu § 315 BGB). Im Übrigen unterliegen Widerrufsklauseln einer weit gehenden AGB-Kontrolle (s. Einf. Kap. 2 Rz. 138 sowie Einf. Kap. 12 Rz. 26 ff. und die Erl. zu M 12.15). 5 Der Streitwert beträgt gemäß § 42 Abs. 2 GKG den dreifachen Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung (Klagantrag Ziff. 2). Die Rückstände (Klagantrag Ziff. 1) werden gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG dem Streitwert nicht hinzugerechnet.

u

Vermögenswirksame Leistungen1

12.20

Herr/Frau . . . erhält vermögenswirksame Leistungen nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz in Höhe von monatlich Euro . . ., sofern er/sie einen entsprechenden Vertrag nachweist.2 1 Vgl. im Einzelnen oben Einf. Rz. 37 f. 2 Hier besteht ein Anspruch auf die Leistung, wie aus der Formulierung „erhält“ ersichtlich. Da der Arbeitnehmer nach § 11 Abs. 1 5. VermBG vom Arbeitgeber den Abschluss eines Vertrages über vermögenswirksame Leistungen schriftlich verlangen kann, dürfte ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zulässig sein, s. Einf. Rz. 6.

Diller/Lingemann

567

Kap. 12

12.21

u

Vergütung

M 12.21

Aufwendungsersatz 1. Alternative

Aufwendungen von Herrn/Frau . . ., die bei Erfüllung der vertraglichen Pflichten anfallen, werden wie folgt ersetzt: 1. Reisekosten1 a) für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs pro gefahrenem Kilometer Euro . . .2 oder a) für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs pro gefahrenem Kilometer die steuerlich zulässige lohnsteuerfreie Kilometerpauschale3 oder a) für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs eine Benzinkostenpauschale von Euro . . . pro Monat oder a) für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs die tatsächlich entstandenen Treibstoffkosten auf Nachweis oder a) Reisekostenersatz bis zur Höhe einer Bahnfahrt der Klasse . . .4 b) Wird Herrn/Frau . . . ein firmeneigenes Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt, gelten stattdessen die Bestimmungen des Kraftfahrzeug-Überlassungsvertrags, der diesem Vertrag als Anlage . . . beigefügt ist. 2. Verpflegungsaufwand Für jeden Reisetag eine Pauschale in Höhe von Euro . . .5

1 Ohne gesonderte Vereinbarung besteht ein Anspruch auf Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten, bei Verwendung eines Pkw also regelmäßig nur der tatsächlich aufgewendeten Treibstoffkosten. Weiter gehende Erstattungsansprüche können sich allerdings aus betrieblicher Übung oder – wie im Muster – aus vertraglicher Vereinbarung ergeben. 2 Die Pauschalierung der Reisekosten vereinfacht natürlich die Abrechnung. 3 Die Zahlung der Kilometerpauschale von zurzeit Euro 0,30 (R 9.5 LStR 2011) deckt alle Aufwendungen für den Betrieb des Pkw ab. Auch der Verlust des Schadensfreiheitsrabatts im Falle eines Unfalls ist dann nicht vom Arbeitgeber zu tragen (BAG v. 30.4.1992, BB 1992, 2363; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 557). 4 Bei dieser Formulierung kann der Arbeitgeber sich auf etwaige Ermäßigungen durch BahnCard grundsätzlich nicht berufen (BAG v. 7.2.1995, NZA 1995, 842). Sofern keine zwingenden tarifvertraglichen Regelungen entgegenstehen, kann der Arbeitgeber den Aufwendungsersatz auch auf die tatsächlich entstandenen Reisekosten (vgl. § 670 BGB) beschränken und damit auch einen BahnCard-Rabatt berücksichtigen. 5 Die steuerliche Verpflegungspauschale für Dienstreisen im Inland beträgt gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG für eine Abwesenheit von acht Stunden Euro 6,–, ab 14 Stunden Euro 12,– und ab 24 Stunden Euro 24,–.

568 Lingemann

M 12.21

Vergütung

Kap. 12

3. Übernachtungskosten Für jede nachgewiesene Übernachtung eine Pauschale6 in Höhe von Euro . . . zur Deckung aller damit verbundenen Kosten oder die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Kosten bis zur Höhe von Euro . . . 4. Telefonspesen Für betrieblich geführte Telefongespräche eine monatliche Pauschale in Höhe von Euro . . . oder die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Kosten bis zur Höhe von Euro . . . 5. Umzugskosten a) Die Gesellschaft verpflichtet sich, die Umzugskosten von . . . nach . . . gegen Vorlage der Belege bis zur Höhe von Euro . . . zu erstatten. b) Die Erteilung des Umzugsauftrages darf nur im Einverständnis mit der Gesellschaft erfolgen. Vorher sind die Angebote von mindestens . . . Möbelspediteuren beizubringen. c) Scheidet Herr/Frau . . . vor Ablauf von drei Jahren nach dem Umzugstermin auf Grund einer Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis aus, ohne dass er/sie für die Kündigung einen wichtigen Grund hat, oder beruht eine Kündigung der Gesellschaft innerhalb dieses Zeitraums auf Gründen, die Herr/Frau . . . zu vertreten hat,7 so ist Herr/Frau . . . verpflichtet, die Umzugskosten zurückzuzahlen, wobei pro Monat der Betriebszugehörigkeit seit dem Umzug 1/36 der Umzugskosten als getilgt gelten.8 6. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln Herr/Frau . . . erhält zusätzlich zur Vergütung einen Zuschuss zu seinen/ihren Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrs6 Das pauschale Übernachtungsgeld, das der Arbeitgeber steuerfrei zuwenden darf, beträgt Euro 20,– (R 9.7 Abs. 3 LStR 2011). 7 In Formularverträgen sollte klargestellt werden, dass in Fällen, in denen der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Sphäre des Arbeitgebers liegt (zB bei betriebsbedingter Kündigung), die Rückzahlungspflicht entfällt; andernfalls hält die Klausel der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wohl nicht stand (vgl. BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042 sowie die Hinweise in Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Bindungsklauseln, Rz. 100 ff.). 8 Der Arbeitnehmer ist nur zur Rückzahlung verpflichtet, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. Rückzahlungsvereinbarungen unterliegen einer strengen Wirksamkeitskontrolle, da sie zu einer übermäßigen Einschränkung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers führen können (BAG v. 23.2.1983, DB 1983, 1210). Daher darf der zu ersetzende Betrag idR ein Monatsgehalt nicht überschreiten (BAG v. 24.2.1975, BB 1975, 702) und muss sich mit fortschreitender Dauer des Arbeitsverhältnisses angemessen vermindern (hier um 1/36 pro Monat, möglich ist auch 1/3 pro Jahr, BAG v. 23.4.1986, DB 1986, 2135). Es dürften hier die vom BAG zur Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten entwickelten Grundsätze gelten (BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 666; v. 5.6.2007, NZA-RR 2008, 107; v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042; Lingemann/Kiecza, ArbR Aktuell 2009, 156). Die höchstmögliche zeitliche Bindung beträgt danach drei Jahre (BAG v. 23.2.1983, DB 1983, 1210), im Einzelfall kann sie jedoch auch auf fünf Jahre ausgedehnt werden (BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 666, 668), wobei allerdings erhebliche Zweifel bestehen, ob dies auch für die Umzugsregelung gilt. Zudem muss der Umzug zumindest auch im Interesse des Arbeitnehmers erfolgt sein (BAG v. 24.2.1975, BB 1975, 702).

Lingemann 569

Kap. 12

Vergütung

M 12.21

mitteln im Linienverkehr bis zur Höhe von Euro . . . pro Monat, sofern er/sie entsprechende Aufwendungen nachweist.9 Die Erstattung der Aufwendungen setzt tatsächlich entstandene Aufwendungen voraus. Während Urlaubs, Krankheit oder sonstiger Freistellung von der Arbeitsleistung besteht daher kein Anspruch auf Aufwendungsersatz.10 2. Alternative Herr/Frau . . . erhält Aufwendungsersatz bis zu den jeweiligen steuerlichen Höchstsätzen. oder Herr/Frau . . . erhält Aufwendungsersatz für . . . (zB Übernachtungskosten) in Höhe der jeweiligen steuerlichen Pauschbeträge. oder Herr/Frau . . . erhält Aufwendungsersatz nach den11 Reisekostenrichtlinien des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber behält sich vor, die Reisekostenrichtlinie bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen.12 Sachliche Gründe sind13

9 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind Teil der privaten Lebensführung und daher vom Arbeitnehmer zu tragen (BAG v. 28.8.1991, DB 1991, 2594). Gewährt der Arbeitgeber freiwillig Fahrtkostenzuschüsse, so hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, zwar nicht bei der Frage, ob ein solcher Zuschuss eingeführt wird, wohl aber bei der Verteilung (BAG v. 9.7.1985, DB 1986, 230). Ein Initiativrecht des Betriebsrates besteht allerdings nicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist zu beachten. Steuerfrei sind nach Maßgabe von § 3 Nr. 32 EStG auch Kosten der Sammelbeförderung. Soweit Fahrtkostenersatz nicht steuerbefreit ist, kommt noch eine Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG in Betracht. 10 Ob ohne eine solche Regelung ein Anspruch auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung entstehen könnte, ist eine Frage der Auslegung (vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 557). Bei der Entgeltfortzahlung ist Aufwendungsersatz im Zweifel nicht zu berücksichtigen (vgl. Bauer/Röder/Lingemann, S. 57 f.). 11 Eine dynamische Bezugnahme auf die „jeweiligen“ Reisekostenrichtlinien wäre wahrscheinlich unwirksam, wenn keine Gründe für eine etwaige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen genannt oder erkennbar sind. BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428; vgl. auch Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 99c. Will man die Klausel daher flexibilisieren, muss man wohl einen Widerrufsvorbehalt aufnehmen, wie in Satz 2 ff. vorgesehen. 12 Eine Klausel, die das Recht des Arbeitgebers begründen soll, bereits entstandene Ansprüche einseitig zu ändern, muss sich an § 308 Nr. 4 BGB messen lassen, vgl. Einf. Rz. 7. Diese Grundsätze gelten auch für arbeitsvertragliche Klauseln, bei denen auf eine bestimmte Fassung eines einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenen Regelwerks Bezug genommen und gleichzeitig die jeweilige Fassung dieses Regelwerks für anwendbar erklärt wird (BAG v. 11.2.2009, NZA 2009, 428). Ein solcher Vorbehalt ist gemäß § 308 Nr. 4 BGB nur wirksam, wenn konkrete Gründe für eine mögliche Verschlechterung genannt sind, vgl. Gaul/Ludwig, BB 2010, 55 mit weiteren Formulierungsbeispielen. 13 Der bloße Hinweis, dass eine Leistung aus „wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen werden kann, reicht nicht mehr aus, vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 459 f. Der Arbeitgeber sollte daher entscheiden, was „wirtschaftliche Gründe“ sind und diese in der Widerrufsklausel benennen, vgl. hierzu im Einzelnen Einf. Rz. 7 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 139.

570 Lingemann

M 12.22

Vergütung

Kap. 12

– wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere14 ein Umsatzrückgang von mehr als . . . % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als . . . im letzten Geschäftsjahr), – eine Änderung der Tätigkeit von Herrn/Frau . . ., – die Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen, – veränderte Vorgaben zur Nutzung von Verkehrsmitteln oder Übernachtungsmöglichkeiten. 14 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.).

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Dienstwagenüberlassungsvertrag

12.22

§1 (1) Die Gesellschaft überlässt ihr Kraftfahrzeug Marke . . ., polizeiliches Kennzeichen . . ., Fahrgestellnummer . . . Herrn/Frau . . . zur Benutzung.1 (2) Die Gesellschaft ist berechtigt, das Fahrzeug durch ein gleichwertiges Modell zu ersetzen. In diesem Fall gilt dieser Vertrag entsprechend. §2 (1) Das Kraftfahrzeug darf ausschließlich von Herrn/Frau . . . gefahren werden.2 (2) Herr/Frau . . . ist berechtigt, das Kraftfahrzeug auch zu Privatfahrten zu benutzen.3 Der private Anteil der Verbrauchskosten für solche Privatfahrten ist von Herrn/Frau . . . selbst zu tragen und bei der Reisekostenabrechnung abzusetzen. Des Weiteren sind die Privatkilometer im Fahrtenbuch und in der Reisekostenabrechnung zu vermerken. (3) Privatfahrten ins Ausland müssen in jedem Einzelfall vorher schriftlich von der Gesellschaft genehmigt werden. Vor jeder Auslandsfahrt ist eine ADAC-Auslandsschutzbrief-Versicherung abzuschließen. 1 Dem Betriebsrat steht bei der Auswahl des Dienstwagens kein Mitbestimmungsrecht zu, vgl. Moll/Roebers, DB 2010, 2672; allgemein zur Mitbestimmung des Betriebsrates bei Dienstwagenregelungen Insam/Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 535 f. 2 Vgl. Insam/Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 526 f. 3 Das dem Arbeitnehmer eingeräumte Recht zur privaten Nutzung eines Kraftfahrzeugs stellt regelmäßig einen Sachbezug dar und ist Teil der Vergütung. Im Fall der Erkrankung des Arbeitnehmers endet das Recht zur Privatnutzung – vorbehaltlich einer abweichenden Parteivereinbarung – mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums, vgl. BAG v. 14.12.2010, NZA 2011, 569 mit Anm. Bauer, ArbR Aktuell 2011, 245; LAG BW v. 27.7.2009, ZTR 2009, 547; LAG Köln v. 29.11.1995, NZA 1996, 986; aA LAG Berlin-Brandenburg v. 19.2.2007 – 10 Sa 2171/06, AE 2007, 223.

Lingemann 571

Kap. 12

Vergütung

M 12.22

§3 (1) Die Gesellschaft trägt die Kosten des Betriebes sowie für Reparaturen und Wartung des Fahrzeuges. Sie unterhält eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von Euro . . . und eine Teilkaskoversicherung/Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von Herrn/Frau . . . von Euro . . . pro Schadensfall, eine Insassenunfallversicherung und eine Rechtsschutzversicherung. (2) Aufwendungen aus Verwarnungs-, Ordnungs- und Bußgeldern trägt Herr/Frau . . . Dies gilt insbesondere bei Verstößen gegen die Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO). Diese Pflichten bestehen auch unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber. oder – bei Leasingfahrzeugen im Vollleasing (1) Die Gesellschaft trägt die Kosten des Betriebes sowie die Miete des Fahrzeuges. Kosten für Reparaturen und Wartung des Fahrzeuges trägt die Leasingfirma. Rechnungen sind auf ihren Namen auszustellen. (2) Treibstoffkosten werden gegen Vorlage der Belege ersetzt. Treibstoffkosten für Privatfahrten trägt Herr/Frau . . . selbst. (3) Aufwendungen aus Verwarnungs-, Ordnungs- und Bußgeldern trägt Herr/Frau . . . Dies gilt insbesondere bei Verstößen gegen die Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO). Diese Pflichten bestehen auch unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber. §4 (1) Herr/Frau . . . ist verpflichtet, a) die aus dem Betrieb und der Haltung des Fahrzeugs folgenden gesetzlichen Vorgaben des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) einzuhalten. Diese Verpflichtungen gelten auch gegenüber dem Arbeitgeber.4 b) den Kfz-Schein und die grüne Versicherungskarte bei Fahrten mitzuführen und ansonsten sorgfältig zu verwahren; c) ein Fahrtenbuch zu führen; d) für rechtzeitige und ordnungsgemäße Pflege und Wartung des Fahrzeuges zu sorgen und die Wartungsintervalle nach dem Kundendienstheft einzuhalten; sämtliche Arbeiten sind ausschließlich in Vertragswerkstätten des Herstellers durchzuführen; e) den Wagen stets sorgfältig zu fahren. (2) Er/Sie verpflichtet sich auch gegenüber der Gesellschaft, die Verkehrsvorschriften einzuhalten. Nach Alkoholgenuss ist die Benutzung des Wagens, auch zu Privatfahrten, nicht gestattet.

4 Der Arbeitnehmer wird hierdurch gegenüber dem Arbeitgeber schuldrechtlich zur Einhaltung der entsprechenden Vorgaben verpflichtet.

572 Lingemann

M 12.22

Kap. 12

Vergütung

§5 (1) Unfälle, Verluste und Beschädigungen des Kraftfahrzeuges hat Herr/Frau . . . unverzüglich der Gesellschaft zu melden. Reparaturen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschaft. oder – bei Leasingfahrzeugen nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 und 2 (1) Unfälle, Verluste und Beschädigungen des Kraftfahrzeuges hat Herr/Frau . . . unverzüglich der Leasingfirma zu melden. Reparaturen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Leasingfirma. (2) Bei Kraftfahrzeugunfällen, bei denen der Schaden voraussichtlich mehr als Euro . . . beträgt, sowie bei Unfällen mit Personenschaden ist in jedem Fall die Polizei hinzuzuziehen, auch wenn der Unfall von Herrn/Frau . . . selbst verschuldet worden ist. Herr/Frau . . . wird der Gesellschaft nach jedem Unfall unverzüglich einen schriftlichen Bericht über den Unfallablauf und etwaige Erklärungen der Beteiligten nach dem Unfall übergeben. §6 (1) Herr/Frau . . . haftet im Rahmen betrieblich veranlasster Tätigkeiten für alle vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Beschädigungen und Wertminderungen des Kraftfahrzeuges sowie für Schädigungen Dritter auf vollen Schadensersatz.5 Bei anderen fahrlässig verursachten Schäden ist er/sie verpflichtet, sich nach dem Grad seines/ihres Verschuldens am Schaden zu beteiligen. (2) Für auf Privatfahrten entstehende Schäden und darauf beruhende Wertminderungen des Fahrzeugs oder Schädigungen Dritter haftet Herr/Frau . . . in jedem Fall und unabhängig vom Grad seines/ihres Verschuldens uneingeschränkt.6 (3) Für Schäden oder Wertminderungen, die durch Verstoß gegen § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 Satz 2 sowie § 10 entstehen, haftet Herr/Frau . . . für jedes Verschulden uneingeschränkt. (4) Herr/Frau . . . haftet nicht, soweit der Schaden durch eine Versicherung abgedeckt wird und die Versicherung hierfür auch nicht beim Arbeitgeber Rückgriff nimmt. Soweit eine Vollkaskoversicherung besteht und eintrittspflichtig ist, haftet er/sie in Höhe der Selbstbeteiligung. Auch trägt er/sie den Verlust von einem Schadensfreiheitsrabatt. (5) Herr/Frau . . . stellt im Rahmen seiner/ihrer Haftung nach den Absätzen 1 bis 3 die Gesellschaft von allen Haftpflichtansprüchen Dritter frei, soweit diese nicht durch die Haftpflichtversicherung gedeckt sind. 5 Die Abstufung nach dem Grad des Verschuldens entspricht den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, die auch bei einer betrieblich veranlassten Beschädigung eines Dienstwagens Anwendung finden, vgl. BAG v. 5.2.2004, NZA 2004, 649 mwN. Gemäß BAG v. 18.4.2002, NZA 2003, 37 führt ein vorsätzlicher Pflichtverstoß allerdings nur dann zur vollen Haftung des Arbeitnehmers, wenn auch der Schaden vom Vorsatz erfasst ist. Fehlt es an diesem Vorsatz, so führt dies zur Schadensquotelung. Auch bei grober Fahrlässigkeit ist eine Haftungserleichterung nicht generell ausgeschlossen. Eine Quotelung des Schadens kommt insbesondere bei deutlichem Missverhältnis zwischen Verdienst und Höhe des Schadens in Betracht, so etwa wenn die Existenz des Arbeitnehmers bei voller Inanspruchnahme bedroht wäre (BAG v. 23.1.1997, NZA 1998, 140 mwN; v. 28.10.2010, NZA 2011, 345, 348). 6 Vgl. Insam/Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 539.

Lingemann 573

Kap. 12

Vergütung

M 12.22

§7 (1) Die Gesellschaft behält sich vor, die Überlassung des Dienstwagens zu widerrufen, wenn und solange der Pkw für dienstliche Zwecke seitens des Arbeitnehmers nicht benötigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Im Falle der Ausübung des Widerrufs durch den Arbeitgeber ist der Arbeitnehmer nicht berechtigt, eine Nutzungsentschädigung oder Schadensersatz zu verlangen.7 Das Widerrufsrecht gilt nur, sofern der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % der Gesamtvergütung von Herrn/Frau . . . ausmacht.8 (2) Verlangt die Gesellschaft die Rückgabe, so ist das Fahrzeug am darauffolgenden Arbeitstag am Sitz der Gesellschaft mit allen Papieren und Schlüsseln an einen Bevollmächtigten der Gesellschaft zu übergeben.9 (3) Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – insbesondere durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung, Aufhebung, Ablauf der Befristung, Anfechtung oder gerichtliche Entscheidung – ist Herr/Frau . . . verpflichtet, das Fahrzeug spätestens zum Beendigungsdatum an den Arbeitgeber zurückzugeben. Dies gilt auch dann, wenn bezüglich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Rechtsstreit anhängig ist. (4) Ein Zurückbehaltungsrecht von Herrn/Frau . . . ist ausgeschlossen.10 7 Diese Widerrufsklausel hat das BAG ausdrücklich gebilligt (BAG v. 12.3.2012, NZA 2012, 616), obwohl die Widerrufsgründe hier auch nur in sehr allgemeiner Form angegeben sind. Auch einer Ankündigungsfrist bedarf es nicht, sie ist aber ggf. im Rahmen der Ausübungskontrolle zu beachten. 8 Zu den Anforderungen, die die Rechtsprechung nach Geltung der AGB-Kontrolle für die Dienstwagenrückforderung aufstellt, vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457; v. 19.12.2006, DB 2007, 1253; LAG Berlin-Brandenburg v. 24.11.2008, LAGE § 308 BGB 2002 Nr. 5; LAG Niedersachsen v. 17.1.2006, NZA-RR 2006, 289, ferner Einf. Rz. 43 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.). Nur wenn der Wert der Nutzung des Dienstwagens im Verhältnis zur Gesamtvergütung des Arbeitnehmers vollkommen unbedeutend ist, kann möglicherweise auf die strengen Voraussetzungen verzichtet werden (LAG Hessen v. 20.7.2004, MDR 2005, 495). Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung kann hingegen nach Auffassung des LAG BW nicht unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, weil es sich hierbei idR um einen laufend erbrachten Entgeltbestandteil handelt (LAG BW v. 27.7.2009, ZTR 2009, 547; vgl. allgemein BAG v. 25.4.2007, DB 2007, 1757 sowie Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2309 f.; Hunold, NZA 2010, 1276). 9 Wenn eine Widerrufsklausel fehlt oder unwirksam ist und der Dienstwagen widerrechtlich entzogen bzw. vorenthalten wird, kann der Arbeitnehmer unter Umständen die Herausgabe des Fahrzeugs mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung erreichen. Auch Schadensersatzansprüche kommen in Betracht (LAG Köln v. 5.11.2002, NZA-RR 2003, 300, 301). Wenn dabei von dem steuerlichen Sachbezugswert ausgegangen wird, ist dies nicht zu beanstanden (BAG v. 27.5.1999, BB 1999, 1660, 1661). Möglicherweise entfällt der Anspruch, wenn der Arbeitnehmer während der Zeit, für die Schadensersatz zu leisten ist, seinen gleichwertigen privaten Pkw statt des auch zu privaten Zwecken überlassenen Dienstwagens für seine Privatfahrten benutzt hat (BAG v. 16.11.1995, NZA 1996, 415). 10 Der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts ist wegen § 309 Nr. 2b BGB in Formulararbeitsverträgen nicht wirksam, näher dazu Einf. Rz. 57. Ein Zurückbehaltungsrecht kann dem Arbeitnehmer allerdings ohnehin nur dann zustehen, wenn er nicht lediglich Besitzdiener (§ 855 BGB), sondern selbst Besitzer des Dienstwagens ist. Das ist nur der Fall, wenn er, wie im vorliegenden Muster, vertraglich auch zur Privatnutzung des Wagens berechtigt ist (Becker-Schaffner, DB 1993, 2078).

574 Lingemann

M 12.22

Kap. 12

Vergütung

§8 Herr/Frau . . . wird den Führerschein vor Übernahme des Fahrzeuges und danach in jährlichem Abstand der Gesellschaft vorlegen. Er/Sie ist verpflichtet, bei Entzug der Fahrerlaubnis oder einem Fahrverbot unverzüglich die Gesellschaft zu unterrichten. §9 11

(1) Lohnsteuerrechtlich wird die Privatnutzung nach den jeweils maßgeblichen steuerlichen Vorschriften pauschal versteuert. Danach sind zurzeit (R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 LStR 2011) zu versteuern monatlich 1 % vom Brutto-Listenpreis sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zusätzlich 0,03 % des Bruttolistenpreises pro Entfernungskilometer.12 oder (1) Lohnsteuerrechtlich13 wird die Privatnutzung nach den jeweils maßgeblichen steuerlichen Vorschriften auf Einzelnachweis versteuert. Danach ist zurzeit (R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 LStR 2011) die gesamte Nutzung des Fahrzeuges durch Fahrtenbuch an jedem Abend fest zu halten nach – Datum, – km-Stand, – zurückgelegter Strecke – getrennt nach beruflichen und privaten Fahrten, – Reiseziel, – Reiseroute, – Zweck der Reise, so dass dienstliche und private Veranlassung genau zu unterscheiden sind, – aufgesuchtem Geschäftspartner; ferner – Auslagen für Betriebskosten wie Treibstoff, Öl, Reparaturen, Wartungsarbeiten etc. jeweils mit Belegen. (2) Die Steuer für den geldwerten Vorteil der Privatnutzung trägt Herr/Frau . . .

11 Die lohnsteuerliche Behandlung aus der Gestellung von Kraftfahrzeugen wegen Sachbezugs ist in R 8.1 Abs. 9 LStR 2011 geregelt. Hinsichtlich des geldwerten Vorteils, der zum steuerlichen Einkommen gehört und damit steuerpflichtig ist, gibt es zwei Bewertungsmöglichkeiten, und zwar den Einzelnachweis anhand eines Fahrtenbuchs (R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 LStR 2011) oder die Nutzungspauschale von 1 % des Bruttokaufpreises (R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 LStR 2011). Die 1 %-Pauschalregelung ist die in der betrieblichen Praxis am meisten verbreitete Methode (vgl. Insam/Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 524 f.). Zum Anscheinsbeweis bei Unklarheiten bezüglich des Umfangs der privaten Nutzung bzw. bei Verbot der privaten Nutzung vgl. BFH v. 6.10.2011, DStR 2012, 29 m. Anm. Intemann, NZA 2012, 492; Geserich, NWB 2012, 114. 12 Dadurch soll die Einzelnachweismethode ausgeschlossen werden, die bei der Lohnsteuerabführung einen erheblichen Mehraufwand verursachen würde, vgl. auch Insam/Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 526. 13 Vgl. die Anm. zu Var. 1.

Lingemann 575

Kap. 12

Vergütung

M 12.23

§ 10 Herrn/Frau . . . ist die Mitnahme Dritter in dem Fahrzeug nicht gestattet, es sei denn, dass hierfür ein geschäftliches Interesse besteht. In häuslicher Gemeinschaft lebende Familienangehörige oder Lebenspartner dürfen mitgenommen werden, soweit sie jeweils eine Haftungsausschlusserklärung zu Gunsten der Gesellschaft nach anliegendem Muster unterzeichnen.14 Dritten darf die Führung des Fahrzeuges nicht überlassen werden. § 1115 Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen. § 12 Sind einzelne Bestimmungen des Vertrages unwirksam, so wird hiervon die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt.16 Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.17 14 Vorformulierte Ausschlusserklärungen müssen den Vorgaben des § 309 Nr. 7 BGB entsprechen. Gegenüber Verbrauchern kann danach die persönliche Haftung des Verwenders in AGB für Tötung und Körperverletzung durch den Verwender nicht mehr (§ 309 Nr. 7a BGB) und für andere Fälle nur noch für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden (§ 309 Nr. 7b BGB). Eine Muster des ADAC kann im Internet abgerufen werden unter der Adresse: http://www.drive2day.de/hb.pdf. 15 Vgl. hierzu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 17 ff., 124 ff. mwN sowie M 2.1a Ziff. 14 m. Anm. 16 Die Regelung in Satz 1 entspricht der gesetzlichen Regelung in § 306 Abs. 1 BGB. 17 Vgl. dazu die Hinweise bei M 3.1 § 26.

12.23

u

Dienstwohnung

(1) Die Gesellschaft stellt dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin eine Werkdienstwohnung zur Verfügung. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, die ihm/ihr zugewiesene Werkdienstwohnung für die Dauer dieses Vertrages1 zu beziehen. 1 Besteht eine Verpflichtung zur Nutzung der Wohnung aus betrieblichen Gründen, kann dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ein Anspruch auf Erstattung der Umzugskosten zustehen. Grundlage ist dann der Aufwendungsersatzanspruch des § 670 BGB oder eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag (vgl. M 12.21). Zum Begriff der Werkdienstwohnung und der Abgrenzung zur Werkmietwohnung vgl. BAG v. 27.11.2007, NZA 2008, 843, 844; LAG Köln v. 4.3.2008, ZMR 2008, 963.

576 Lingemann

M 12.24

Kap. 12

Vergütung

(2) Für die Überlassung der Werkdienstwohnung gelten die gesetzlichen Bestimmungen.2 (3) Über die Berechnung der Miete sowie der mit ihr zusammenhängenden Nebenleistungen, zB Heizung und Strom, erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin eine besondere Mitteilung mit näherer Angabe der Wohnräume und ihrer Größe, desgleichen bei allen späteren Änderungen. Die Bewertung der Werkdienstwohnung wird in den Vergütungsrichtlinien geregelt.3 (4) Die Untervermietung (mit oder ohne Entgelt) ist nicht gestattet. (5) Während der letzten sechs Dienstmonate vor Beginn des Rentenfalls verzichtet die Gesellschaft auf Antrag des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin auf die Berechnung der Miete für die Werkdienstwohnung. Voraussetzung ist der Nachweis, dass dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin während dieser sechs Monate bereits Mietkosten bzw. Mietausfall für eine zukünftige eigene Wohnung entstehen. 2 Dies ist in erster Linie § 576b BGB mit dem Verweis auf die Vorschriften über die Kündigung funktionsgebundener Werkmietwohnungen (§ 576 BGB). 3 Da die Überlassung der Wohnung Vergütungsbestandteil ist, führt eine Erhöhung des zugrunde liegenden Wertes der Nutzung zugleich zu einer Änderung des Arbeitsentgelts. Dies setzt nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen einen einvernehmlichen Änderungsvertrag oder eine Änderungskündigung voraus (ArbG Hannover v. 14.11.1990, BB 1991, 554).

u

Arbeitgeberdarlehen

12.24

Zwischen der Gesellschaft und dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin wird mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis Folgendes vereinbart:1 (1) Die Gesellschaft gewährt dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin ein Darlehen2 in Höhe von Euro . . ., das mit . . . % ab dem . . . zu verzinsen ist.3 Die Zinsen werden kalenderjährlich berechnet. 1

Wichtig: Bei einem Anspruch aus einem Darlehen kann durchaus umstritten sein, ob es sich um einen „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“ handelt. Sollen deshalb solche Ansprüche auch im Rahmen einer allgemeinen Ausgleichsklausel mit erledigt werden, sollten sie ausdrücklich aufgenommen werden (vgl. BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 1159). 2 Vgl. auch Meyer, AR-Blattei, D Darlehen; Kleinebrink, ArbRB 2010, 382. 3 Dem Arbeitgeber bleibt es natürlich unbenommen, auch ein zinsloses Darlehen zu gewähren. Jedenfalls bei einer Gewährung von Zinsen, die unter den marktüblichen Sätzen liegen, finden gemäß § 491 Abs. 2 Nr. 4 BGB die Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge keine Anwendung. Die Gewährung eines zinslosen oder zinsverbilligten Darlehens kann jedoch zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen. Danach sind Zinsvorteile als Sachbezüge zu versteuern, wenn die Summe der noch nicht getilgten Darlehen am Ende des Lohnzahlungszeitraumes Euro 2 600,– übersteigt (vgl. Nr. 2 des BMF-Schreibens v. 1.10.2008 – IV C 5 S 2334/07/0009). Zinsvorteile sind anzunehmen, soweit der Effektivzins für ein Darlehen den jeweiligen von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Effektivzinssatz unterschreitet (vgl. zur Berechnung Nr. 2.1.1 des BMF-Schreibens v. 1.10.2008 – IV C 5 - S 2334/07/0009 mit Rechenbeispielen). Werden zinsgünstige Darlehen vergeben, handelt es sich zudem um eine

Lingemann 577

Kap. 12

Vergütung

M 12.24

(2) Das Darlehen ist in monatlichen Raten in Höhe von . . . ab dem . . . zurückzuzahlen. Die kalendervierteljährlich errechneten Zinsen sind in dem auf die Errechnung folgenden Monat neben den Rückzahlungsraten zu zahlen. Die Gesellschaft ist berechtigt, an den Fälligkeitstagen gewährte Vergütungsansprüche mit den Rückzahlungsverpflichtungen zu verrechnen.4 (3) Endet das Arbeitsverhältnis, so wird der noch offen stehende Restbetrag des Darlehens sofort und auf einmal fällig. Dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus dringenden betrieblichen Gründen gekündigt oder ein entsprechender Aufhebungsvertrag geschlossen worden ist oder wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen Grund iSv. § 626 BGB kündigt, den der Arbeitgeber zu vertreten hat.5 (4) Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses tritt der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin seine/ihre jeweils pfändbaren Vergütungsansprüche gegen etwaige spätere Arbeitgeber an die Gesellschaft ab. Die Gesellschaft wird die Abtretung nur offen legen, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin seinen/ihren etwa beim Ausscheiden eingeräumten Ratenzahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Von der Abtretung wird nur bis zur Höhe des Restdarlehens Gebrauch gemacht. (5) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, jede Änderung seiner/ihrer Anschrift unverzüglich anzuzeigen, es sei denn, das Arbeitsverhältnis wäre beendet und sämtliche Schulden aus dieser Vereinbarung wären getilgt. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, eine Pfändung, Verpfändung oder Abtretung seiner/ ihrer Vergütungsansprüche unverzüglich anzuzeigen.6 Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jede Anschriftenänderung sowie Name und Anschrift seines/ihres jeweiligen Arbeitgebers unverzüglich anzuzeigen, es sei denn, sämtliche Schulden aus der vorliegenden Vereinbarung wären getilgt. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erklärt, dass seine/ihre Vergütungsansprüche wie folgt gepfändet, verpfändet oder abgetreten sind . . . evtl.7 (6) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin übereignet dem Arbeitgeber zur Sicherung des Darlehens den Pkw Marke . . . Fahrgestellnummer . . . Motornummer . . . mit dem polizeilichen Kennzeichen . . . und übergibt den Kraftfahrzeugbrief. Der Arbeitgeber überlässt den Pkw dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin zur Leihe. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, Steuern und Haftpflichtversicherung sowie die Unterhaltskosten zu bezahlen und ferner das Kraftfahrzeug Teilkasko/Voll-

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Frage der betrieblichen Lohngestaltung, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist (BAG v. 9.12.1980, DB 1981, 996). Es handelt sich um eine Aufrechnung, so dass die Pfändungsgrenze des § 394 BGB zu beachten ist. Die Klausel dient der Sicherung gegenüber Vorpfändungen und etwaigen früheren Lohnabtretungen (vgl. BAG v. 10.10.1966, BB 1967, 35; Kleinebrink, ArbRB 2010, 382 f.). Diese Klausel hält auch nach Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 70 Rz. 21, der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand. Unwirksam dürfte die Klausel dagegen sein, wenn sie nicht danach differenziert, in wessen Sphäre der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt (vgl. BAG v. 11.4.2006, NZA 2006, 1042). Möglich wäre es auch, dem Arbeitgeber im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Kündigungsmöglichkeit einzuräumen, vgl. Kleinebrink, ArbRB 2010, 382, 384. Alternative: M 12.26. Bei größeren Darlehen könnte an weitere Sicherungen (Hypotheken, Grundschulden, Bürgschaften usw.) gedacht werden.

578 Lingemann

M 12.26.1

Kap. 12

Vergütung

kasko zu versichern und die Versicherungsprämien zu bezahlen. Nach vollständiger Tilgung des Darlehens wird der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin das Kraftfahrzeug wieder übereignen und den Kraftfahrzeugbrief herausgeben. (7) Wird das Darlehen bei Fälligkeit und Nachfristsetzung von mindestens einem Monat nicht getilgt, so ist der Arbeitgeber berechtigt, das Kraftfahrzeug freihändig zu verkaufen, wobei der Preis, den ein vereidigter Sachverständiger festgesetzt hat, nicht unterschritten werden darf. Die Tax- oder Schätzkosten trägt der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, den Kraftwagen zur Schätzung und zum Verkauf auf Verlangen herauszugeben.

u

Pfändung/Abtretung

12.25

(1) Ansprüche auf Arbeitsentgelt können nicht abgetreten oder verpfändet werden. Für die Bearbeitung jeder Pfändung werden Euro 2,50 Bearbeitungskosten, ferner Euro 2,50 für jedes zusätzliche Schreiben sowie Euro 1,– je Überweisung vom Lohn einbehalten.1 (2) Dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin bleibt der Nachweis gestattet, dass ein Schaden oder eine Wertminderung überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger sei als die vorstehend genannten Bearbeitungskosten. 1 Vgl. M 2.1a Ziff. 5 Abs. 5 mit Anm. Die mit der Bearbeitung von Lohn- oder Gehaltspfändungen verbundenen Kosten des Arbeitgebers fallen ohne eine entsprechende Vereinbarung diesem selbst zur Last. Er hat weder einen gesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer noch kann ein solcher Anspruch durch (freiwillige) Betriebsvereinbarung begründet werden (BAG v. 18.7.2006, DB 2007, 227).

12.26 Ausschluss der Aufrechnung/Zurückbehaltung

u

Ausschluss der Aufrechnung

12.26.1

Die Aufrechnung gegenüber Ansprüchen des Arbeitgebers/Arbeitnehmers ist ausgeschlossen. Das gilt nicht für die Aufrechnung mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung.1, 2 1 Der Zusatz ist in Formulararbeitsverträgen wegen § 309 Nr. 3 BGB erforderlich. 2 Die Regelung entspricht § 309 Nr. 3 BGB.

Lingemann 579

Kap. 12

u

12.26.2

Vergütung

M 12.26.2

Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts1

beidseitig Zurückbehaltungsrechte zwischen den Parteien sind ausgeschlossen.2 oder einseitig Zurückbehaltungsrechte gegenüber Ansprüchen des Arbeitgebers/Arbeitnehmers sind ausgeschlossen.3 oder konkret im Zusammenhang mit entsprechenden Herausgabeklauseln Ein Zurückbehaltungsrecht an den Schlüsseln/dem Dienstwagen/dem Laptop besteht nicht.4 1 Der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts ist in Formulararbeitsverträgen wegen § 309 Nr. 2b BGB problematisch, näher Einf. Rz. 55. Er sollte nach Möglichkeit individualvertraglich vereinbart werden. 2 Möglicherweise ist der beiderseitige Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechtes noch mit § 309 Nr. 2b BGB vereinbar. Auch bei einem Zurückbehaltungsrecht ist die Pfändungsfreigrenze zu beachten, § 394 BGB analog. 3 Ein einseitiger Ausschluss dürfte wegen § 309 Nr. 2b BGB in Formulararbeitsverträgen wohl nicht mehr zu Lasten des Arbeitnehmers wirksam sein. 4 Möglicherweise rechtfertigen Besonderheiten des Arbeitsrechtes iSv. § 310 Satz 4 BGB den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechtes an diesen besonders wesentlichen Gegenständen, bei deren Zurückbehaltung im Arbeitsverhältnis ein besonders hoher Schaden droht; die Rechtslage ist jedoch offen, vgl. Einf. Rz. 57.

12.27

u

Rahmenvereinbarung für eine Zielvereinbarung1 § 1 Gegenstand der Zielvereinbarung

(1) Der Zielerfolg bestimmt sich aus einer auf das Ergebnis aus laufender Geschäftstätigkeit bezogenen Komponente (ergebnisabhängiger Teil) und einer individuellen Komponente (individueller Teil). (2) Die Prämie wird zu mindestens 50 % durch die ergebnisabhängige Komponente bestimmt. Die Gewichtung der beiden Komponenten ist in der jährlichen Zielvereinbarung jeweils festzulegen. (3) Maßgeblich für den ergebnisabhängigen Teil ist der Unternehmensbereich, für den der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin überwiegend tätig ist. Dieser Unternehmensbereich wird in jeder Zielvereinbarung bestimmt. 1 Die Zielvorgabe selbst und die Höhe der Zielprämie sind regelmäßig einer alljährlich neu zu treffenden Vereinbarung vorbehalten, da sie sich nach der jeweiligen Sachlage ausrichten. Daher empfiehlt es sich, für die grundsätzliche Handhabung der Zielvereinbarung eine entsprechende Rahmenvereinbarung zu treffen, die durch die Zielvereinbarungen dann jeweils ausgefüllt wird. Dazu dient M 12.27.

580 Lingemann

M 12.27

Vergütung

Kap. 12

(4) Die individuelle Komponente kann quantitative und qualitative Ziele enthalten. Diese und ihre Gewichtung sind in der Zielvereinbarung zu definieren. § 2 Ermittlung der Höhe der Prämie (1) Bei 100%iger Zielerreichung beträgt die Prämie 100 % der Zielprämie, bei zufriedenstellender Zielerreichung 2/3 davon. Die Prämie verändert sich im gleichen prozentualen Verhältnis, in dem das festgestellte Ergebnis vom Zielergebnis abweicht. (2) Soweit der individuelle Teil nicht messbar ist, wird der Erfüllungsgrad nach pflichtgemäßem Ermessen durch den zuständigen Geschäftsführer ermittelt und festgelegt. (3) Der ergebnisabhängige Teil kann höchstens 200 % der anteiligen Zielprämie betragen, der individuelle Teil höchstens 150 %. (4) Die Prämie beträgt mindestens 0,3 Jahresgehälter, es sei denn, der zuständige Geschäftsführer stellt eine unzureichende Zielerfüllung bei der ergebnisabhängigen Komponente iVm. persönlicher Minderleistung bei der individuellen Komponente fest. §3

Verfahren zur Zielvereinbarung

(1) Die Zielvereinbarung zwischen dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin und der Unternehmensleitung wird unverzüglich nach Fertigstellung der Jahresplanung für die nächste Abrechnungsperiode getroffen. (2) Die Unternehmensleitung und der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin sind gleichermaßen berechtigt, die Verhandlungen über die Zielvereinbarungen einzuleiten. oder (2) Die Unternehmensleitung wird dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin bis spätestens 30.11. des jeweiligen Kalenderjahres einen Vorschlag für eine Zielvereinbarung für die nächste Abrechnungsperiode unterbreiten und den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin zur Verhandlung über diesen Vorschlag auffordern. (3) Wird aus Gründen, die der Arbeitgeber zu vertreten hat, bis zum 31.12. eine Zielvereinbarung für die nächste Abrechnungsperiode nicht getroffen, so gilt die zuletzt geschlossene Zielvereinbarung fort, bis eine neue Zielvereinbarung getroffen wird.2 § 4 Fälligkeit3 Die Prämie ist innerhalb von drei Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres auf Basis der Zielvereinbarung abzurechnen und über die Gehaltsabrechnung auszuzahlen. 2 Hängt die Vergütung von dem Erreichen zu vereinbarender Ziele ab und versäumt der Arbeitgeber, die Vereinbarung zu treffen, kann er verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadensersatz zu leisten (BAG v. 12.12.2007, NZA 2008, 409; v. 10.12.2008, NZA 2009, 256; v. 12.5.2010, NZA 2010, 1009). Entscheidend ist hierbei, wer nach den vertraglichen Abreden die Initiative zur Führung eines Gesprächs über eine Zielvereinbarung zu ergreifen hat; vgl. hierzu Einf. Rz. 59 sowie Lembke, NJW 2010, 321, 325, der eine ausdrückliche Regelung des Initiativrechts empfiehlt, sowie Mues, ArbRB 2012, 87. 3 Nicht möglich ist es nach der neuesten Rechtsprechung des BAG, die Auszahlung der Prämie vom Bestand des Arbeitsverhältnisses im folgenden Jahr abhängig zu machen; auch Sonderzahlungen mit Mischcharakter dienen der Vergütung bereits erbrachter Leistung, die nicht nachträglich entzogen werden darf, BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbR Aktuell 2012, 249. Solche Bindungsklauseln sind aber wohl noch bei Sonderzahlungen möglich, die allein der Honorierung von Betriebstreue bzw. der Belohnung künftiger Betriebs-

Lingemann 581

Kap. 12

Vergütung

M 12.28

§ 5 Vorzeitiges Ausscheiden Scheidet der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin unterjährig aus, so wird die Prämie pro rata temporis gezahlt.4 § 6 Widerruflichkeit Der Arbeitgeber behält sich vor, die Prämie bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen. Sachliche Gründe sind5 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere6 ein Umsatzrückgang von mehr als . . . % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als . . . im letzten Geschäftsjahr), – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin. Die Prämie kann nur widerrufen werden, soweit sie weniger als 25 % der Gesamtvergütung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin ausmacht.7

4 5 6

7

12.28

treue dienen. Einzelheiten Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff. Ob bei Sonderzahlungen, die ausschließlich bereits erbrachte Leistungen zusätzlich vergüten sollen, ein Anspruch auf Pro-rata-temporis-Zahlung auch ohne die ausdrückliche vertragliche Regelung besteht, ist uE zweifelhaft, vgl. Rz. 29. Der bloße Hinweis, dass eine Leistung aus „wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen werden kann, reicht nicht mehr aus, vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 460 sowie Einf. Rz. 7. Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81, 82 f.). Vgl. zu den Anforderungen an einen Widerrufsvorbehalt Einf. Rz. 7 sowie Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang auch zur begrenzten Zulässigkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts Einf. Rz. 60; Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509, 511 und DB 2008, 2307, 2310.

u

Aktienoptionen Optionsrechtsvereinbarung1

zwischen . . . Aktiengesellschaft (im Folgenden: AG) 1 Vgl. Bredow, DStR 1998, 380; Harrer/Janssen, Mitarbeiterbeteiligungen und Stock-OptionPläne, 2. Aufl. 2004, S. 200 ff.; Lembke, BB 2001, 1469; Reim, ZIP 2006, 1075; Fröhlich, ArbRB 2006, 246; Kutsch/Kersting, BB 2011, 373, 378 ff.; zur Mitbestimmung des Betriebsrats vgl. Otto/Mückl, DB 2009, 1594; in der Praxis wird häufig nicht eine ausführliche Optionsrechtsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer geschlossen, sondern der Arbeitnehmer wird durch eine kurze Vereinbarung in den Aktienoptionsplan einbezogen, der dann die detaillierten Bedingungen enthält. M 12.28 enthält eine umfangreichere Optionsrechtsvereinbarung mit dem Mitarbeiter.

582 Lingemann

M 12.28

Vergütung

Kap. 12

und Herrn/Frau . . . Präambel Die Hauptversammlung hat unter dem . . . die Schaffung von bedingtem Kapital gemäß § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG/Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG zur Bedienung eines Aktienoptionsprogramms beschlossen. Der Beschluss ist als Anlage 1 beigefügt und Inhalt dieses Vertrages. Herr/Frau . . . gehört zu der dort genannten Personengruppe möglicher Bezugsberechtigter. §1

Einräumung der Optionsrechte

(1) Herr/Frau . . . erhält das Recht, . . . Stück auf den Namen lautender Aktien der AG im Nennbetrag von jeweils Euro . . . (im Folgenden: Aktien) zum jeweiligen Ausübungspreis zu erwerben (im Folgenden: Optionsrechte). (2) Der Ausübungspreis ist die Summe aus dem Referenzpreis und dem Aufschlag. Er bestimmt sich wie folgt: a) Referenzpreis ist der Durchschnittswert des Eröffnungskurses und des Schlussauktionspreises der Aktien der AG im Xetra-Handel an der Wertpapierbörse Frankfurt/Main an dem Tag, der vor der im ersten Quartal eines jeden Jahres stattfindenden Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der AG liegt, in der über den aktienpreisgebundenen Teil der Vergütung der Mitglieder des Vorstandes der AG entschieden wird, mindestens aber der auf eine Aktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals; b) der Aufschlag beträgt 20 % auf den Referenzpreis als Erfolgsziel.2 oder (2) Ausübungspreis ist der Börsenkurs der Aktie am Tag der heutigen Vertragsunterzeichnung in Höhe von Euro . . . oder – bei Indexierung3 (2) Der Ausübungspreis ist das Produkt aus dem Referenzpreis und dem Faktor. a) Referenzpreis ist der Börsenkurs der Aktie am Tag der heutigen Vertragsunterzeichnung in Höhe von Euro . . . b) Faktor ist der Quotient aus dem Stand des Deutschen Aktienindex DAX zum Zeitpunkt der Ausübung der Option und dem Stand des Deutschen Aktienindex DAX zum Zeitpunkt der Einräumung der Option. oder b) Faktor ist der Quotient aus dem Stand des Branchenindex . . . zum Zeitpunkt der Ausübung der Option und dem Stand des Branchenindex . . . zum Zeitpunkt der Einräumung der Option. 2 Das Erfolgsziel führt zu einem erhöhten Erfolgsanreiz, da die Aktienoption sinnvollerweise nur ausgeübt werden kann, wenn das Management eine nennenswerte Kurssteigerung bewirkt. 3 Die Indexierung dient dazu, nur solche Wertsteigerungen der Aktie zu honorieren, die über die allgemeine konjunkturelle Steigerung gemäß dem Aktienindex (bzw. – wie in der 3. Alt. – die branchenübliche Steigerung bei Verwendung des Branchenindex) hinausgeht.

Lingemann 583

Kap. 12

Vergütung

M 12.28

(3) Die Vertragsparteien schließen hiermit einen Kaufvertrag über . . . Aktien gemäß § 1 Abs. 1 zum Ausübungspreis. Der Kaufvertrag steht unter der aufschiebenden Bedingung der Ausübung der Optionsrechte durch Herrn/Frau . . . (4) Herr/Frau . . . darf die Optionsrechte ganz oder in Teilen nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften ausüben. § 2 Unentgeltlichkeit Die Einräumung der Optionsrechte erfolgt unentgeltlich.4 § 3 Wartezeiten und Ausübungszeiträume5 (1) Herr/Frau . . . kann die Optionsrechte wie folgt ausüben: a) . . . % der Optionsrechte frühestens am . . ., b) weitere . . . % der Optionsrechte frühestens am . . ., c) die verbleibenden . . . % der Optionsrechte frühestens am . . . (2) Auch nach Ablauf dieser Wartezeiten können die Optionsrechte nicht innerhalb folgender Zeiträume ausgeübt werden: a) vom 15.12. bis 31.12. eines jeden Jahres, b) in der Zeit ab dem letzten Tag, an dem sich Aktionäre zur Teilnahme an der Hauptversammlung der AG anmelden können, bis zum dritten Bankarbeitstag in Frankfurt/Main nach dieser Hauptversammlung, c) in der Zeit ab dem Tag der Veröffentlichung eines Bezugsangebotes auf neue Aktien oder auf Schuldverschreibungen mit Wandel- und/oder Optionsrechten auf Aktien der AG in einem Pflichtblatt der Wertpapierbörse Frankfurt/Main bis zum Tage, an dem die Bezugsfrist endet. Bei einer entsprechenden Ad-hoc-Mitteilung beginnt der Zeitraum mit dieser. §4

Ausübungserklärung

(1) Die Ausübung erfolgt durch schriftliche Erklärung gegenüber der AG auf dem von der AG vorgegebenen Formular. Sie kann nur durch den Optionsberechtigten selbst ausgeübt werden. (2) Die Erklärung hat anzugeben, für wie viele Aktien Optionsrechte ausgeübt werden. (3) Mit wirksamer Ausübung entfällt im Umfang der ausgeübten Optionsrechte die aufschiebende Bedingung des Kaufvertrages gemäß § 1 Abs. 3. (4) Binnen . . . Wochen nach Zugang der Ausübungserklärung wird die AG Herrn/Frau . . . die der ausgeübten Zahl an Optionsrechten entsprechende Zahl an Aktien Zugum-Zug gegen die Zahlung des Kaufpreises übertragen.

4 Ein geldwerter Vorteil entsteht erst im Zeitpunkt der Ausübung in Höhe der Differenz zwischen dem Ausübungspreis und dem aktuellen Aktienkurs. Die Steuerpflicht bei Verkauf der Aktien richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, vgl. Einf. Rz. 67. 5 Die Zeiträume, in denen die Optionen nicht ausgeübt werden können, dienen insbesondere auch dazu, schon den ersten Anschein von Insiderhandel zu vermeiden. § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG regelt für Optionen auf Grund von Beschlüssen nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG eine Mindestwartezeit von nunmehr vier Jahren.

584 Lingemann

M 12.28

Vergütung

Kap. 12

(5) Die AG ist berechtigt, an Stelle der Aktien einen Barausgleich zu leisten. Ein Anspruch von Herrn/Frau . . . auf Zahlung eines Barausgleichs besteht jedoch nicht. §5

Veräußerungsbeschränkungen

Herr/Frau . . . darf die in Ausübung des Optionsrechtes erworbenen Aktien frühestens . . . Monate nach Ausübung der Option weiter veräußern.6 § 6 Unübertragbarkeit (1) Die unter § 1 gewährten Optionsrechte sind zu Lebzeiten des Optionsberechtigten nicht übertragbar. (2) Auch jegliche anderweitige Verfügung über die Optionsrechte, die Gewährung einer Unterbeteiligung oder die Errichtung einer Treuhand daran sind unzulässig. Auch die Eingehung von Short-Positionen durch Einräumung von den nach § 1 Abs. 1 eingeräumten Optionsrechten an Dritte sowie vergleichbare Glattstellungsgeschäfte, die wirtschaftlich zu einer Veräußerung der Optionsrechte führen, sind Herrn/Frau . . . nicht gestattet. Verstöße gegen diese Vorschriften führen zum Verfall der Optionsrechte. (3) Die unter § 1 gewährten Optionsrechte sind vererblich. Im Falle des Todes von Herrn/Frau . . . endet das Recht zur Ausübung der Option jedoch spätestens achtundvierzig (48) Monate nach dem Zeitpunkt des Todes. § 10 bleibt unberührt. oder (3) Die unter § 1 gewährten Optionsrechte sind unvererblich. §7

Verfall

(1) Die Optionsrechte verfallen, wenn das Anstellungsverhältnis mit der AG endet.7 (2) Tritt Herr/Frau . . . in den Ruhestand, so endet das Optionsrecht spätestens mit Ablauf von zwölf (12) Monaten nach seinem/ihrem Ausscheiden bei der AG. (3) § 10 bleibt unberührt. § 8 Anpassung der Optionsrechte (1) Im Falle einer Verschmelzung der AG auf eine andere Gesellschaft, deren Umwandlung, einer Kapitalerhöhung aus Eigenmitteln (Gratisaktien), einer Veränderung des Nennbetrages der Aktien oder vergleichbarer Maßnahmen, die die Rechte von 6 Die Beschränkung der Übertragbarkeit hat nur schuldrechtliche Wirkung, vgl. Einf. Rz. 64. Die Wirksamkeit der Veräußerung richtet sich nach § 68 AktG. 7 Eine Bindungsdauer von bis zu fünf Jahren ist entsprechend § 624 BGB wohl zulässig, da durch § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG (Mindestwartezeit von vier Jahren) eine langfristige Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen bereits gesetzlich vorgeschrieben ist. Das BAG hat den Verfall der Bezugsrechte bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch gemessen an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB für wirksam erklärt (BAG v. 23.5.2008, AP BGB § 305 Nr. 12 m. zust. Anm. Lingemann/Gotham; vgl. auch Einf. Rz. 65). Der Verfall stellt keine unangemessene Benachteiligung dar. Er kann sowohl bei Beendigung oder Erklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Wartezeit als auch nach Ablauf der Wartezeit angeordnet werden. Es ist auch nicht danach zu differenzieren, ob nach Ablauf der Wartezeit eine Ausübungsmöglichkeit bestanden hat oder nicht. Das gilt auch im Fall der betriebsbedingten Kündigung.

Lingemann 585

Kap. 12

Vergütung

M 12.28

Herrn/Frau . . . durch Untergang oder Veränderung der Aktien nach diesem Vertrag beeinträchtigen, wird nach Wahl der Gesellschaft der Ausübungspreis entsprechend der aus der Maßnahme resultierenden Wertveränderung angepasst, und/oder es tritt an die Stelle des Rechts nach § 1 Abs. 1 das Recht, zum – ggf. zusätzlich angepassten – Ausübungspreis jeweils diejenige Anzahl von Aktien, Geschäftsanteilen oder sonst an die Stelle der Aktien der AG tretenden Beteiligungsrechten an der AG oder deren Rechtsnachfolgerin zu erwerben, deren Wert dem Kurswert einer Aktie der Gesellschaft im Zeitpunkt einer solchen Maßnahme entspricht. Im Übrigen finden die Vorschriften dieser Vereinbarung Anwendung. (2) Im Übrigen sind Anpassungen oder Änderungen dieser Bedingungen, insbesondere der Erfolgsziele, ausgeschlossen.8 (3) Bis zur Ausübung der Optionsrechte stehen Herrn/Frau . . . keine Rechte auf Dividenden oder sonstige Ausschüttungen aus den Optionsrechten unterliegenden Aktien zu. §9

Besteuerung9

(1) Herrn/Frau . . . ist bekannt, dass die Gewährung der Optionsrechte an Herrn/ Frau . . . sowie deren Ausübung zu steuerpflichtigen geldwerten Vorteilen bei Herrn/ Frau . . . führen kann. (2) Die AG wird die hierauf entfallende Lohnsteuer einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag an das Finanzamt sowie evtl. hierauf entfallende Sozialversicherungsabgaben entsprechend den gesetzlichen Vorschriften abführen. Herr/Frau . . . ist jedoch verpflichtet, der AG diese zu erstatten. Der jeweilige Arbeitgeber von Herrn/ Frau . . . ist berechtigt, hierzu entsprechende Beträge vom Gehalt des/der Herrn/Frau . . . einzubehalten. Der einbehaltene Betrag darf jedoch . . . % der Festvergütung des/der Herrn/Frau . . . nicht überschreiten. (3) Die Vertragsparteien werden im Übrigen geeignete Vereinbarungen über eine Stundung oder anderweitige Finanzierung der Lohnsteuer-Erstattungsverpflichtung des/der Herrn/Frau . . . treffen, soweit dieser/diese nicht im Stande ist, den Erstattungsbetrag im Wege einer Einmalzahlung an die AG abzuführen. § 10 Dauer; Kündigung10 (1) Diese Vereinbarung gilt bis zum . . . (2) Werden die Optionsrechte von Herrn/Frau . . . nicht bis zu diesem Zeitpunkt ausgeübt, verfallen sie. (3) Die Gesellschaft kann diese Vereinbarung mit einer Frist von einem Monat kündigen: a) wenn von einem Gläubiger des/der Herrn/Frau . . . die Zwangsvollstreckung in seine/ihre Rechte nach diesem Vertrag betrieben wird; b) wenn über das Vermögen des/der Herrn/Frau . . . ein Insolvenzverfahren eröffnet wird oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird; 8 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex idF v. 26.5.2010, Ziff. 4.2.3. 9 Vgl. dazu Einf. Rz. 67. 10 Eine Kündigung ist möglich, soweit es sich bei den gewährten Optionen um Gratifikationen handelt, Lembke, BB 2001, 1469, 1475.

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M 12.29

Vergütung

Kap. 12

c) wenn Herr/Frau . . . wesentliche Pflichten nach dem Gesetz, der Satzung, seinem/ ihrem Anstellungsvertrag oder dieser Vereinbarung verletzt. (4) Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Mit Zugang der Kündigungserklärung erlöschen die nach diesem Vertrag gewährten Optionsrechte. § 11

Schriftform11

Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Dies bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen. § 12 Salvatorische Klausel Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise nicht wirksam sein, so wird dadurch die Gültigkeit der übrigen Vertragsbestimmungen nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.12 ...

...

(Herr/Frau . . .)

(AG)

11 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268, Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 17 ff., 124 ff. mwN sowie M 2.1a Ziff. 14 m. Anm. 12 Vgl. dazu die Hinweise bei M 3.1 § 26.

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Klage auf künftige Vergütung1, 2

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An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)3 1

Praxistipp: Die Zulässigkeit von Klagen auf zukünftige Gehaltszahlung war lange umstritten. In einer älteren Entscheidung v. 18.12.1974 (DB 1975, 892) hatte das BAG eine Klage auf Lohnzahlung für die nächsten 30 Jahre (!) als unzulässig angesehen, weil die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers Voraussetzung des Zahlungsanspruchs sei (§ 320 BGB), aber nicht für alle Zeit feststehe. Demgegenüber hielt die untergerichtliche Judikatur Klagen auf zukünftige Gehaltszahlung überwiegend für zulässig (zB LAG Köln v. 27.11.1996, AE 1997, Nr. 33; ausführlich Heimann, ArbuR 2002, 441). Nach der Grundsatzentscheidung des BAG v. 13.3.2002 (NZA 2002, 1232) sollten jedoch Klagen auf künftige Gehaltszahlungen uneingeschränkt zulässig sein. Allerdings ist nach Auffassung des BAG erforderlich, dass nahe liegende Fälle, in denen der Vergütungsanspruch

Lingemann/Diller

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Kap. 12

Vergütung

M 12.29

vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz4 seit dem 1.6. . . . an den Kläger zu zahlen. 2. Die Beklagte wird verurteilt, künftig an jedem Monatsersten, beginnend mit dem 1.7. . . ., Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an den Kläger zu zahlen, soweit der Kläger arbeitsfähig ist, die Gehaltsansprüche nicht wegen längerer Krankheit entfallen, der Kläger nicht unbezahlten Urlaub hat, er leistungswillig bleibt und auch tatsächlich arbeitet und das Arbeitsverhältnis nicht endet. Begründung: Die Bekl. ist ein metallverarbeitendes Industrieunternehmen mit 500 Beschäftigten. Der Kl. ist seit mehr als 30 Jahren als Lagerarbeiter bei der Bekl. beschäftigt und auf Grund der einschlägigen Tarifverträge altersgesichert. Am 15.5. . . . kam es zum Streit zwischen dem Kl. und seinem Vorgesetzten. Daraufhin erklärte der Vorgesetzte des Kl., der Kl. sei ab sofort freigestellt und werde auch keine Vergütung mehr bekommen. Man werde bei der Bekl. noch sorgfältig überlegen, was weiter geschehen solle. Tatsächlich hat die Bekl. seit dem 1.6. . . . dem Kl. kein Gehalt mehr gezahlt. Ausweislich der letzten Gehaltsabrechnung vom Mai . . . verdiente der Kl. zuletzt Euro . . . Beweis: Gehaltsabrechnung Mai . . ., Anlage K 1 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 wird zunächst die rückständige Vergütung für den Monat Juni . . . geltend gemacht. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 begehrt der Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung der künftig an jedem Monatsersten fällig werdenden Gehälter. Der Kl. ist arbeitsfähig und arbeitswillig und hat in der Zeit nach dem 15.5. . . . seine Arbeitskraft auch mehrfach der Bekl. angeboten. Beweis: Angebotsschreiben des Kl. vom 18.5., 25.5. und 3.6. . . . Anlagen K 2 bis K 4

entfällt, als Einschränkung in den Klageantrag mitaufgenommen werden. Dies betrifft beispielsweise die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, längere Krankheit, unbezahlten Urlaub oder unentschuldigte Fehlzeiten. Diese Linie hat das BAG mittlerweile in zwei weiteren Entscheidungen (v. 9.4.2008, NZA 2008, 1257 und v. 28.1.2009, NZA 2009, 445) zwar im Grundsatz bestätigt, gleichzeitig jedoch die Anforderungen an die in den Klagantrag aufzunehmenden Ausnahmen derart nach oben geschraubt, dass es kaum noch möglich erscheint, eine zulässige Klage zu formulieren. So hat das BAG beispielsweise in der Entscheidung v. 9.4.2008 gefordert, auch den Nichtwegfall des Vergütungsanspruchs durch Mutterschutz (bei Frauen) sowie bei Elternzeit und Pflegezeit in den Antrag aufzunehmen. Überdies hat das BAG in der Entscheidung v. 9.4.2008 erwogen, bei reinen Eingruppierungsstreitigkeiten grundsätzlich einen Vorrang der Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO (s. M 12.3) vor der Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 BGB anzunehmen. 2 Praxistipp: Wegen der extrem hohen Anforderungen an den Klagantrag (s. Fn. 1) sowie die praktisch unmögliche Vollstreckung (Fn. 7) kann die Erhebung einer Klage auf künftige Vergütung in der Praxis regelmäßig nicht mehr empfohlen werden. 3 S. M 101.1 und M 101.2. 4 Zur Verzinsung vgl. M 101.3 Fn. 5–7.

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Vergütung

Kap. 12

Die Klage auf zukünftige Leistung ist gemäß §§ 257, 259 ZPO zulässig (wird ausgeführt).5, 6, 7 ... (Unterschrift)8 5 Ist der Arbeitnehmer nach erfolgter Verurteilung nicht mehr leistungsfähig oder leistungswillig oder endet das Arbeitsverhältnis, muss der Arbeitgeber dies durch Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend machen (ausführlich Heimann, ArbuR 2002, 441). 6 Die Klage setzt die Besorgnis voraus, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird. Das ist in Kündigungssachen immer gegeben, da praktisch kein Arbeitgeber auf ein Feststellungsurteil nach §§ 4, 7 KSchG hin sofort die Vergütung nachzahlt; in aller Regel geht der Arbeitgeber in Berufung. 7 Schwierig ist die Vollstreckung. Gemäß § 726 Abs. 1 ZPO ist vor Erteilung der Vollstreckungsklausel zu prüfen, ob die für die künftigen Vergütungsansprüche maßgeblichen Bedingungen (noch) vorliegen. Das kann regelmäßig nicht urkundlich nachgewiesen werden, so dass gemäß § 731 ZPO beim Prozessgericht des ersten Rechtszugs auf Erteilung der Vollstreckungsklausel geklagt werden muss, wenn der Arbeitgeber den Eintritt der Bedingungen bestreitet. In diesem Fall hat der Kläger mit der zunächst erfolgreichen Klage nach § 259 ZPO nichts gewonnen, sondern er muss vor der Vollstreckung doch wieder zurück in ein Erkenntnisverfahren. Plastisch hat das BAG in seiner Entscheidung v. 9.4.2008 (NZA 2008, 1257) davon gesprochen, dass die Vollstreckung aus einem Urteil nach § 259 ZPO „im praktischen Ergebnis letztlich unmöglich“ ist (Berkowsky, RdA 2006, 77). 8 Streitig ist, wie die Klage auf künftige Gehaltszahlung beim Streitwert zu berücksichtigen ist. Das LAG Nürnberg (v. 27.11.2003 – 9 Ta 190/03) will den Wert entsprechend § 42 GKG auf einen Vierteljahresbezug begrenzen.

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Klage des Arbeitnehmers auf Gehaltserhöhung

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An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz2 seit dem 1.6. . . .3 an den Kläger zu zahlen. 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Zur Verzinsung vgl. M 101.3 Fn. 5–7. 3 Bei Klagen auf Gehaltserhöhung fehlt es meist an einem Verschulden des Arbeitgebers, so dass Verzugszinsen nicht geltend gemacht werden können und nur die Zinsen seit Rechtshängigkeit zugesprochen werden. Wegen des fehlenden Kostenrisikos (s. M 101.3 Fn. 7) schadet es aber nichts, Verzugszinsen geltend zu machen (BAG v. 11.6.1997 – 10 AZR 613/96, DB 1998, 86; Diller, FA 2004, 300).

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2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger ein Gehalt von monatlich Euro . . . zu zahlen hat.4 Begründung: Die Bekl. ist ein metallverarbeitendes Industrieunternehmen mit 500 Beschäftigten. Der Kl. ist seit mehr als zehn Jahren als Abteilungsleiter beschäftigt. Seine letzte Vergütung betrug Euro . . . Die Bekl. hat per . . . das Gehalt aller Abteilungsleiter um 3 % erhöht. Von der Erhöhung ausgenommen war lediglich der Kl. Gegenüber allen Abteilungsleitern hat die Bekl. die Gehaltserhöhung mit der Steigerung der Lebenshaltungskosten begründet. Beweis: Schreiben der Bekl. an den Abteilungsleiter X vom . . ., Anlage K 1 Der Kl. ist der einzige Abteilungsleiter des Unternehmens, der ein solches Schreiben nicht erhalten hat. Der Kl. hat Anspruch auf Gehaltserhöhung bereits auf der Grundlage des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Nach der Rechtsprechung des BAG (v. 11.9.1985 – 7 AZR 371/83, NZA 1987, 156) spricht eine Vermutung dafür, dass in flächendeckenden Gehaltserhöhungen zumindest ein Grundbetrag zum Zwecke des Kaufkraftausgleichs enthalten ist. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz darf der Arbeitgeber dann nicht einen einzelnen Arbeitnehmer von einem solchen Kaufkraftausgleich ohne sachlichen Grund herausnehmen (wird ausgeführt). Im Übrigen ergibt sich ein Anspruch des Kl. auf Gehaltserhöhung auch schon aus § 315 BGB. Der Kl. verkennt nicht, dass es ohne entsprechende Vertragsgrundlage keine Pflicht des Arbeitgebers gibt, in regelmäßigen Abständen gemäß § 315 BGB über Vergütungserhöhungen zu entscheiden (BAG v. 4.9.1985 – 7 AZR 262/83, NZA 1986, 521). Im vorliegenden Fall heißt es in § 7 des Anstellungsvertrages des Kl. jedoch ausdrücklich: „Das Unternehmen wird in regelmäßigen Abständen, spätestens jeweils nach Ablauf von zwei Kalenderjahren, nach billigem Ermessen über eine Anpassung der Vergütung entscheiden“. Die letzte Gehaltserhöhung des Kl. liegt jedoch mehr als zwei Jahre zurück (wird ausgeführt). Im Übrigen ergibt sich der Anspruch des Kl. auch aus § 612a BGB (Maßregelungsverbot). Der Kl. hat nämlich 14 Tage vor der Entscheidung der Bekl. über die Gehaltserhöhung und die Herausnahme des Kl. aus dieser Gehaltserhöhung durch Rundschreiben an seine Kollegen versucht, Mitstreiter für die Errichtung eines Betriebsrats zu gewinnen. Beweis: Schreiben des Kl. vom . . ., Anlage K 2 Offenbar war die Herausnahme des Kl. von der allgemeinen Gehaltserhöhung eine Maßregelung als Reaktion auf diesen Vorstoß.

4 Entsprechend der herrschenden Auffassung zur Eingruppierungsfeststellungsklage ist der Feststellungsantrag (hier Ziff. 2) ausreichend, so dass auf einen gesonderten Zahlungsantrag (hier Klagantrag Ziff. 1) an sich verzichtet werden kann. Das besondere Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung auch in der Privatwirtschaft mittlerweile grundlegend bejaht (BAG v. 20.6.1984 – 4 AZR 208/82, BB 1985, 54). Die Kombination mit einem Zahlungsantrag hat allerdings den Vorteil, dass nach einem stattgegebenen Urteil erster Instanz für die Zeit bis dahin vollstreckt werden kann.

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Vergütung

Kap. 12

... (Unterschrift)5 5 Hinsichtlich des Streitwerts gilt § 42 Abs. 3 Satz 2 GKG, der dreijährige Betrag der begehrten Gehaltserhöhung ist anzusetzen. Gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge in Streitigkeiten von den Arbeitsgerichten (anders beim Landgericht!) dem Streitwert nicht hinzugerechnet.

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Klage des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütung

12.31

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen: Der Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz2 seit dem 1.6.3 . . . an die Klägerin zu zahlen. Begründung: Die Kl. ist ein metallverarbeitendes Industrieunternehmen mit 500 Beschäftigten. Der Bekl. war bei der Kl. bis 30.6. . . . als Lagerarbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung. Wie sich herausgesellt hat, hat die Personalbuchhaltung der Kl. dem Bekl. irrtümlich das Gehalt für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses (Juni) doppelt überwiesen. Der zu viel überwiesene Bruttobetrag wird mit der Klage geltend gemacht.4, 5 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Zur Verzinsung vgl. M 101.3 Fn. 5–7. 3 Nach der Entscheidung des BAG v. 19.2.2004 – 6 AZR 664/02, NZA 2004, 1120 wird der Anspruch nur dann bereits mit der Überzahlung fällig, wenn der Arbeitgeber die Umstände kennt oder hätte kennen müssen, aus denen sich die Überzahlung ergab. Werden die Umstände dagegen erst später für den Arbeitgeber erkennbar, entsteht der Rückzahlungsanspruch erst zu diesem Zeitpunkt. Die genaue Bestimmung der Anspruchsentstehung ist insbesondere für das Eingreifen einzelvertraglicher oder tariflicher Ausschlussfristen wichtig. Auf Arbeitgeberseite wird häufig verkannt, dass Ausschlussfristen beidseitig gelten, also auch für Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers. 4 Der Anspruch ergibt sich aus § 812 BGB. Der Anspruch kann jedoch wegen Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) entfallen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liegt beim Arbeitnehmer, wobei allerdings bei einer nur geringfügigen Überzahlung die Grundsätze des Anscheinsbeweises in Betracht kommen (BAG v. 23.5.2001, DB 2001, 2251). In der Falschberechnung des Arbeitgebers kann eine Verletzung der Fürsorgepflicht liegen, die zu Schadensersatzansprüchen führt (BAG v. 8.2.1964, DB 1964, 662). Allein die Tatsache der Rück-

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

... (Unterschrift)6 zahlungspflicht ist allerdings kein Schaden des Arbeitnehmers, mit dem dieser gegen den Rückzahlungsanspruch aufrechnen könnte. 5 Das zentrale Problem des Rückforderungsanspruchs ist die Frage, ob der Bruttobetrag oder nur der Nettobetrag zurückgefordert werden kann, wenn der Arbeitgeber bereits Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat. Nach der Entscheidung des BAG v. 19.2.2004 (6 AZR 664/02, NZA 2004, 1120) richtet sich der Rückzahlungsanspruch grundsätzlich auf den Bruttobetrag, da der Arbeitnehmer nicht nur den ihm netto zugeflossenen Geldbetrag erlangt hat, sondern auch Befreiung von einer Steuerschuld sowie einen sozialversicherungsrechtlichen Erstattungsanspruch (§ 26 SGB IV). Deshalb kann mit der Klage je nach Sachverhalt die Abtretung des Erstattungsanspruchs nach § 26 SGB IV oder – falls dieser bereits realisiert ist – unmittelbar Zahlung geltend gemacht werden. 6 Der Streitwert entspricht dem geltend gemachten Bruttobetrag.

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Kapitel 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Literaturübersicht:

Zum Fehlverhalten des Arbeitnehmers: Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, 2. Aufl. 2000, S. 99 ff.; Beckerle, Die Abmahnung, 11. Aufl. 2012; Berkowsky, Was ändert die Reform im Arbeitsrecht?, AuA 2002, 11; Bissels/Lützeler/Wisskirchen, Facebook, Twitter & Co.: Das Web 2.0 als arbeitsrechtliches Problem, BB 2010, 2433; Bissels/Schumacher/Wisskirchen, „Vorweggenommene Abmahnung“ – statt des Mantras der unentbehrlichen Abmahnung, BB 2012, 1473; Braun, Abmahnung im Arbeitsrecht, AuA 2006, 88; Byers/Mößner, Die Nutzung des Web 2.0 am Arbeitsplatz: Fluch und Segen für den Arbeitgeber, BB 2012, 1665; Göpfert/Siegrist, Stalking – Nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch ein Problem für Arbeitgeber?, NZA 2007, 473; Grassl, Wofür muss der Mitarbeiter gerade stehen? Die endlich geklärte Frage der Arbeitnehmerhaftung, Personal 1994, 450; Gross/Wesch, Änderungen des Haftungsrechts im Arbeitsverhältnis?, NZA 2008, 849; Herbert/Oberrath, Der Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung der Kosten für die Überwachung des Arbeitnehmers, BB 2011, 2936; Hoppe, Arbeitnehmerhaftung und ihre Auswirkung auf die Nutzung betrieblicher Kommunikationsmittel, ArbR Aktuell 2010, 388; Kleinebrink, Abmahnung und Datenschutz, DB 2012, 1508; Kleinebrink, Die Abmahnung schwerbehinderter Menschen, FA 2012, 194; Kleinebrink, Die Klage des Arbeitnehmers gegen eine schriftliche Abmahnung, FA 2006, 196; Kratz/Gubbels, Beweisverwertungsverbote bei privater Internetnutzung am Arbeitsplatz, NZA 2009, 652; Krause, Geklärte und ungeklärte Probleme der Arbeitnehmerhaftung, NZA 2003, 577; Novara/Knierim, Die arbeitsrechtliche Abmahnung nach der „Emmely“-Entscheidung, NJW 2011, 1175; Oberthür, Stalking im Arbeitsverhältnis – Schutzpflichten des Arbeitgebers und deren Grenzen, ArbRB 2012, 180; Oetker, Neues zur Arbeitnehmerhaftung durch § 619a BGB?, BB 2002, 43; Reich, Die Abmahnung und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, PersV 2006, 452; Ritter, Das Abmahnungsrecht ist ein unselbstständiger Teil des Kündigungsrechts!, DB 2013, 344; Rudkowski, Die Aufklärung von Compliance-Verstößen durch „Interviews“, NZA 2011, 612; Salamon/Rogge, Funktionen der Abmahnung und Entfernungsanspruch nach „Emmely“, NZA 2013, 363; Schaub, Die Haftungsbegrenzung des Arbeitnehmers, WiB 1994, 227; Schiefer, Die Abmahnung – Aktuelle Brennpunkte, DB 2013, 1785; Schielke, Grundsätze und Rechtsentwicklung der Arbeitnehmerhaftung, ZMV 2009, 61; Schierbaum, Videoüberwachung am Arbeitsplatz, PersR 2008, 180; Schnuppenhauer, Die Haftung des EDV-Leiters, CR 1994, 369; Schwab, Die Haftung des Arbeitnehmers, AiB 2007, 85; Schwab, Die Schadenshaftung im Arbeitsverhältnis – Eine Übersicht,

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

... (Unterschrift)6 zahlungspflicht ist allerdings kein Schaden des Arbeitnehmers, mit dem dieser gegen den Rückzahlungsanspruch aufrechnen könnte. 5 Das zentrale Problem des Rückforderungsanspruchs ist die Frage, ob der Bruttobetrag oder nur der Nettobetrag zurückgefordert werden kann, wenn der Arbeitgeber bereits Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat. Nach der Entscheidung des BAG v. 19.2.2004 (6 AZR 664/02, NZA 2004, 1120) richtet sich der Rückzahlungsanspruch grundsätzlich auf den Bruttobetrag, da der Arbeitnehmer nicht nur den ihm netto zugeflossenen Geldbetrag erlangt hat, sondern auch Befreiung von einer Steuerschuld sowie einen sozialversicherungsrechtlichen Erstattungsanspruch (§ 26 SGB IV). Deshalb kann mit der Klage je nach Sachverhalt die Abtretung des Erstattungsanspruchs nach § 26 SGB IV oder – falls dieser bereits realisiert ist – unmittelbar Zahlung geltend gemacht werden. 6 Der Streitwert entspricht dem geltend gemachten Bruttobetrag.

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Kapitel 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Literaturübersicht:

Zum Fehlverhalten des Arbeitnehmers: Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, 2. Aufl. 2000, S. 99 ff.; Beckerle, Die Abmahnung, 11. Aufl. 2012; Berkowsky, Was ändert die Reform im Arbeitsrecht?, AuA 2002, 11; Bissels/Lützeler/Wisskirchen, Facebook, Twitter & Co.: Das Web 2.0 als arbeitsrechtliches Problem, BB 2010, 2433; Bissels/Schumacher/Wisskirchen, „Vorweggenommene Abmahnung“ – statt des Mantras der unentbehrlichen Abmahnung, BB 2012, 1473; Braun, Abmahnung im Arbeitsrecht, AuA 2006, 88; Byers/Mößner, Die Nutzung des Web 2.0 am Arbeitsplatz: Fluch und Segen für den Arbeitgeber, BB 2012, 1665; Göpfert/Siegrist, Stalking – Nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch ein Problem für Arbeitgeber?, NZA 2007, 473; Grassl, Wofür muss der Mitarbeiter gerade stehen? Die endlich geklärte Frage der Arbeitnehmerhaftung, Personal 1994, 450; Gross/Wesch, Änderungen des Haftungsrechts im Arbeitsverhältnis?, NZA 2008, 849; Herbert/Oberrath, Der Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung der Kosten für die Überwachung des Arbeitnehmers, BB 2011, 2936; Hoppe, Arbeitnehmerhaftung und ihre Auswirkung auf die Nutzung betrieblicher Kommunikationsmittel, ArbR Aktuell 2010, 388; Kleinebrink, Abmahnung und Datenschutz, DB 2012, 1508; Kleinebrink, Die Abmahnung schwerbehinderter Menschen, FA 2012, 194; Kleinebrink, Die Klage des Arbeitnehmers gegen eine schriftliche Abmahnung, FA 2006, 196; Kratz/Gubbels, Beweisverwertungsverbote bei privater Internetnutzung am Arbeitsplatz, NZA 2009, 652; Krause, Geklärte und ungeklärte Probleme der Arbeitnehmerhaftung, NZA 2003, 577; Novara/Knierim, Die arbeitsrechtliche Abmahnung nach der „Emmely“-Entscheidung, NJW 2011, 1175; Oberthür, Stalking im Arbeitsverhältnis – Schutzpflichten des Arbeitgebers und deren Grenzen, ArbRB 2012, 180; Oetker, Neues zur Arbeitnehmerhaftung durch § 619a BGB?, BB 2002, 43; Reich, Die Abmahnung und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, PersV 2006, 452; Ritter, Das Abmahnungsrecht ist ein unselbstständiger Teil des Kündigungsrechts!, DB 2013, 344; Rudkowski, Die Aufklärung von Compliance-Verstößen durch „Interviews“, NZA 2011, 612; Salamon/Rogge, Funktionen der Abmahnung und Entfernungsanspruch nach „Emmely“, NZA 2013, 363; Schaub, Die Haftungsbegrenzung des Arbeitnehmers, WiB 1994, 227; Schiefer, Die Abmahnung – Aktuelle Brennpunkte, DB 2013, 1785; Schielke, Grundsätze und Rechtsentwicklung der Arbeitnehmerhaftung, ZMV 2009, 61; Schierbaum, Videoüberwachung am Arbeitsplatz, PersR 2008, 180; Schnuppenhauer, Die Haftung des EDV-Leiters, CR 1994, 369; Schwab, Die Haftung des Arbeitnehmers, AiB 2007, 85; Schwab, Die Schadenshaftung im Arbeitsverhältnis – Eine Übersicht,

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NZA-RR 2006, 449 und 505; Schwirtzek, Neue Perspektiven für Mankoabreden? Arbeitnehmerhaftung für Fehlbeträge und Fehlbestände, AuA 2003, 20; Waltermann, Risikozuweisung nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung, RdA 2005, 98; Wisskirchen/Glaser, Unternehmensinterne Untersuchungen, DB 2011, 1392 (Teil I), 1447 (Teil II); Wolf/Mulert, Die Zulässigkeit der Überwachung von E-Mail-Korrespondenz am Arbeitsplatz, BB 2008, 442; Wortmann, Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis, ArbRB 2012, 279. Zum Fehlverhalten des Arbeitgebers: Bergwitz, Das betriebliche Rauchverbot, NZA-RR 2004, 169; Brock, Sicher durch den Paragrafen-Dschungel – Verantwortung für Arbeits- und Gesundheitsschutz, AuA 2009, 416; Göpfert/Wilke, Nutzung privater Smartphones für dienstliche Zwecke, NZA 2012, 765; Herschel, Haupt- und Nebenpflichten im Arbeitsverhältnis, BB 1978, 569; Krieger/Herzberg, Haftungsrisiken des Arbeitgebers bei der Entsendung von Arbeitnehmern in Kriesengebiete, BB 2012, 1089; Legerlotz, (Arbeits-)Unfälle bei betrieblich organisierter Freizeit, ArbRB 2011, 350; Mayer/Maly, Die Risikohaftung des Arbeitgebers für Eigenschäden des Arbeitnehmers, NZA Beilage 3/1991, 1; Molkentin, Das Recht auf Arbeitsverweigerung bei Gesundheitsgefährdung des Arbeitnehmers, NZA 1997, 849; Rolfs, Die Neuregelung der Arbeitgeberund Arbeitnehmerhaftung bei Arbeitsunfällen durch das SGB VII, NJW 1996, 3177; Salamon/ Koch, Die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers bei der Gefährdungshaftung des Arbeitgebers, NZA 2012, 658; Schliemann, Fürsorgepflicht und Haftung des Arbeitgebers beim Einsatz von Arbeitnehmern im Ausland, BB 2001, 1302; Schwab, Die Haftung des Arbeitgebers, AiB 2007, 233; Vogl, Das neue Arbeitsschutzgesetz, NJW 1996, 2753. Zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG): s. Literaturübersicht Kap. 1 „AGG“. Zum Mobbing: Abeln/Gaudernack, Mobbing in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte, LAGReport 2005, 225; Aigner, Rechtsschutz gegen Mobbing verstärkt, BB 2001, 1354; Benecke, „Mobbing“ im Arbeitsrecht, NZA-RR 2003, 225; Brams, Mobbing am Arbeitsplatz: Ein Fall für die Krankentagegeldversicherung, VersR 2009, 744; Hohmann, Rechtliche Voraussetzungen des Mobbingvorwurfs und gerichtlicher Prüfungsumfang, NZA 2006, 530; Jansen/Hartmann, Straining und Mobbing im Lichte des Persönlichkeitsschutzes, NJW 2012, 1540; Kerst-Würkner, Das schleichende Gift „Mobbing“ und die Gegenarznei, ArbuR 2001, 251; Kleinsorge, Mobbing am Arbeitsplatz, NWB 2010, 2390; Rieble/Klumpp, Mobbing und die Folgen, ZIP 2002, 369; Rieble/Klumpp, Die „Mobbing-Klage“, FA 2002, 307; Sasse, Rechtsprechungsübersicht zum Mobbing, BB 2008, 1450; Schrader, Mobbing am Arbeitsplatz, AiB 2008, 470; Wickler, Wertorientierungen in Unternehmen und gerichtlicher Mobbing-Schutz, DB 2002, 477.

I. Einführung 1. Fehlverhalten des Arbeitnehmers1 Verstößt der Arbeitnehmer gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten, stehen dem Arbeitgeber zwei Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung: Er kann eine Ermah-

1 Eng mit der Frage des Fehlverhaltens verknüpft ist die Frage arbeitgeberseitiger Überwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Dabei hat stets eine Güterabwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers andererseits stattzufinden. Zudem sind bei Einführung von Kontrollmaßnahmen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Zu den Besonderheiten der Videoüberwachung am Arbeitsplatz vgl. etwa Schierbaum, PersR 2008, 180; Wortmann, ArbB 2012, 279; zur Überwachung der E-Mail-Korrespondenz vgl. Kratz/Gubbels, NZA 2009, 652; Wolf/Mulert, BB 2008, 442; zur Erstattung der Kosten BAG v. 28.10.2010, NZA-RR 2011, 231; Herbert/Oberrath, BB 2011, 2936; zum Themenkomplex Whistleblowing vgl. Becker, DB 2011, 2202; Klasen/Schaefer, BB 2012, 641; Mahnhold, NZA 2008, 737; Rudkowski, NZA 2011, 612. Zur privaten Nutzung betrieblicher elektronischer Kommunikationsmittel s. Hoppe, ArbR Aktuell 2010, 388; Koch, NZA 2008, 911 sowie Kap. 70.

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nung aussprechen (Rz. 3 f.) oder den Arbeitnehmer abmahnen (Rz. 5 ff.).2 Dabei bestehen Unterschiede in der Funktion und der Intensität dieser Mittel. 2

Führt der Verstoß zu einem Schaden des Arbeitgebers, können Ersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer bestehen (Rz. 18 ff.). a) Ermahnung

3

Die schwächere Sanktion ist die Ermahnung. Mit ihr besteht der Arbeitgeber ohne Androhung von künftigen Rechtsfolgen auf der Einhaltung der vertraglichen Pflichten.3 Sie ist kündigungsrechtlich irrelevant. Ihre Wirkung besteht nur darin, durch Rüge eine Verhaltensänderung herbeizuführen und eine stillschweigende Vertragsänderung durch Duldung des Verhaltens zu verhindern.

4

Wichtig: Wird ein Vertragsverstoß längere Zeit hingenommen, kann dies zu einer konkludenten Änderung des Vertragsinhalts führen. Dies kann durch eine Rüge verhindert werden. Der Arbeitgeber muss zum Ausdruck bringen, dass er das Fehlverhalten nicht duldet. b) Abmahnung aa) Funktionen der Abmahnung

5

Auch die Abmahnung dient dazu, den Arbeitnehmer zur Vertragserfüllung anzuhalten und eine stillschweigende Vertragsänderung zu verhindern. Darüber hinaus dient sie jedoch hauptsächlich dazu, den Arbeitnehmer vor einer im Wiederholungsfall drohenden verhaltensbedingten Kündigung4 zu warnen. Nach § 314 Abs. 2 BGB5 ist eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung nur nach vorheriger erfolgloser Abmahnung zulässig. Eine Abmahnung kann jedoch dann entbehrlich sein, wenn eine Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigt6 (§§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, 2 In Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber auch direkt zur Kündigung greifen, vgl. Einf. Kap. 22 Rz. 44 ff. Auf Betriebsbußen (Verwarnung, Verweis, Geldbuße) soll hier nicht eingegangen werden, da diese nicht individualvertragliche, sondern nur Verstöße gegen die kollektivrechtliche Betriebsordnung betreffen. Das Verhalten des Arbeitnehmers kann aber zugleich einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten und eine Störung der betrieblichen Ordnung darstellen. Der Arbeitgeber kann dann mit der Abmahnung eine Verwarnung aussprechen, was allerdings eine Beteiligung des Betriebsrats erfordert. Wichtig: Unbedingt zu beachten ist in einem solchen Fall, dass aus dem Text deutlich hervorgehen muss, dass der Arbeitnehmer auch mit Nachdruck die Arbeitsvertragsverletzung rügt, da die Abmahnung gegenüber der Verwarnung die weiter reichenden Konsequenzen zur Vorbereitung einer späteren Kündigung hat. 3 Schaub, ArbR-Hdb., § 61 Rz. 6 ff. 4 In Betracht kommt aber auch eine Änderungskündigung oder Versetzung. In diesem Fall gelten die Ausführungen zur Kündigung entsprechend. 5 § 314 Abs. 1 BGB wird durch § 626 Abs. 1 BGB als lex specialis für Dienst- und Arbeitsverhältnisse verdrängt. Weil jedoch eine § 314 Abs. 2 BGB entsprechende Regelung im Dienstvertragsrecht fehlt, ist diese anzuwenden. 6 Dies ist ua. der Fall bei schwerwiegenden Vertrauensverletzungen; BAG v. 5.10.2012, NZA 2013, 319; v. 1.7.1999, NZA 1999, 1270 ff. Anders ist die Lage, wenn es sich um steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann, BAG v. 4.6.1997, NZA 1997, 1281.

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sich vertragsgemäß zu verhalten7 (§§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Vorschrift ist entsprechend auch auf die ordentliche Kündigung anzuwenden, denn wenn eine Abmahnung bei besonders schweren Pflichtverletzungen erforderlich ist, dann gilt dies umso mehr bei einfachen.8 Das Abmahnerfordernis ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips, nach dem die Kündigung nur äußerstes Mittel sein darf (Ultima-Ratio-Prinzip). Erst nach einem gleichartigen Wiederholungsfall darf die Kündigung erfolgen.9 Wichtig: Eine ohne vorherige vergebliche Abmahnung ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung ist in der Regel unwirksam.10

6

Zum Verhältnis von Abmahnung und Kündigung gilt Folgendes: Spricht der Arbeitgeber eine Abmahnung aus, so verzichtet er konkludent auf ein Kündigungsrecht wegen der Gründe, die Gegenstand der Abmahnung waren.11 Eine Kündigung kann dann nur auf gleich gelagerte Pflichtverletzungen nach Erhalt der Abmahnung gestützt werden oder auf solche, die nachträglich bekannt geworden sind.12 Diese nachträglich bekannt gewordenen Gründe können eine Kündigung jedoch nur eingeschränkt stützen, denn der Arbeitnehmer hat keine Gelegenheit, sein diesbezügliches Verhalten im Nachhinein zu ändern. Sie müssen daher ein gänzlich neues Gewicht haben, was nicht der Fall ist, wenn sich nach Ausspruch der Abmahnung lediglich herausstellt, dass dem Arbeitnehmer nur zahlenmäßig umfangreichere, der Sache nach aber identische Fehlleistungen vorzuhalten sind und sich dadurch nicht eine neue Qualität der Kündigungsgründe ergibt.13

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bb) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Abmahnung Form und Inhalt der Abmahnung sind im Gesetz nicht geregelt. Sie ist daher grds. formfrei, sofern nicht tarifvertraglich Schriftform vorgeschrieben ist. Allerdings empfiehlt sich dringend die Schriftform zur Dokumentation. Die inhaltlichen Voraussetzungen ergeben sich aus der Funktion der Abmahnung als Vorstufe der Kündigung oder ähnlicher Maßnahmen.

7 BAG v. 12.7.1984, NZA 1985, 96; v. 18.5.1994, NZA 1995, 65. Eine Abmahnung ist auch dann entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer zu erkennen gibt, dass er sich nur bei einer Kündigung von einem bestimmten Verhalten abbringen lässt, BAG v. 12.1.2006, NZA 2006, 980. 8 Berkowsky, AuA 2002, 11, 14. 9 Gleichartig ist ein Wiederholungsfall, wenn er in einem engen Zusammenhang mit der Abmahnung steht. Die Abmahnung muss denselben Bereich wie die Pflichtwidrigkeit betreffen, derentwegen gekündigt wird (BAG v. 16.1.1992, NZA 1992, 1023; v. 16.9.2004, NZA 2005, 459). 10 So schon BAG v. 21.11.1985, DB 1986, 2188: Die unwirksame Kündigung hat lediglich die Wirkung einer Abmahnung, sofern die behauptete Pflichtverletzung tatsächlich vorliegt. Zur vorweggenommenen Abmahnung: Bissels/Schumacher/Wisskirchen, BB 2012, 1473, zum Datenschutz vgl. Kleinebrink, DB 2012, 1508. 11 BAG v. 13.12.2007, NZA 2008, 404; v. 6.3.2003, NZA 2003, 1388. Vgl. zur Ausnahme LAG Schl.-Holst. v. 19.10.2004, DB 2005, 340: Dies gilt nicht, wenn der Abmahnung nach dem Empfängerhorizont zu entnehmen ist, dass sich der Kündigungsberechtigte das Recht zur Kündigung wegen des gerügten Fehlverhaltens unter bestimmten Voraussetzungen doch noch vorbehält. 12 BAG v. 10.12.1992, NZA 1993, 501. 13 LAG Berlin v. 16.2.2006, LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 4.

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Aus der Abmahnung muss zweifelsfrei hervorgehen, welche Pflichtwidrigkeit dem Arbeitnehmer genau vorgeworfen wird14 (Dokumentationsfunktion) und welches Verhalten künftig von ihm erwartet wird (Hinweisfunktion). Zudem muss klar zum Ausdruck kommen, dass im Wiederholungsfall mit einer Kündigung zu rechnen ist (Warnfunktion)15.

10

Die Abmahnung selbst muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.16 Bei lediglich vereinzelten Bagatellverstößen darf sie nicht ausgesprochen werden.

11

Eine Regelausschlussfrist für die Erklärung der Abmahnung gibt es nicht. Es wäre auch praktisch unmöglich, sich häufende, über einen längeren Zeitraum verteilte Bagatellverstöße innerhalb einer bestimmten Frist zu rügen.17 Gleichwohl kann der Arbeitgeber das Recht zur Abmahnung verwirken, wenn sich der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum vertragstreu verhalten hat und der Arbeitgeber durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass die Verfehlung nicht mehr geahndet werden soll.18

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Abmahnungsberechtigt ist jeder weisungsbefugte Vorgesetzte.19

13

Die Abmahnung muss zur Erfüllung ihres Zwecks dem betroffenen Arbeitnehmer zugehen. Die Regeln zum Zugang von Willenserklärungen gelten entsprechend (§ 130 Abs. 1 BGB).20

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Die Abmahnung ist als arbeitsvertragliches Rügerecht mitbestimmungsfrei,21 allerdings sehen mitunter Tarifverträge oder (freiwillige) Betriebsvereinbarungen die Mitbestimmungspflicht vor.

15

Die Wirkung der Abmahnung ist zeitlich begrenzt. Es gibt jedoch auch insoweit keine Regelfrist. In der Praxis war es üblich, die Abmahnung nach zwei bis drei Jahren aus der Personalakte zu entfernen.22 Der Arbeitnehmer kann die Entfernung aber nur verlangen, wenn das gerügte Verhalten bedeutungslos geworden ist.23 Im Hinblick auf die „Emmely“-Entscheidung des BAG24, in der u.a. das in 30 Jahren beanstandungsfreier Betriebszugehörigkeit aufgebaute „Vertrauenskapital“ der verhaltensbedingten Kündigung entgegenstand, ist jedoch fraglich, ob eine Abmahnung

14 Dies erfordert eine detaillierte Angabe des Vorfalls mit Datum und uU Uhrzeit; ausf. Schiefer, DB 2013, 1785. 15 Dazu soll auch die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ genügen können, BAG v. 19.4.2012, NZA-RR 2012, 567. Ratsamer ist es jedoch, ausdrücklich eine Kündigung anzudrohen. 16 BAG v. 12.1.2006, NZA 2006, 980; 13.11.1991, DB 1992, 843. 17 BAG v. 14.12.1994, NZA 1995, 677; v. 15.1.1986, DB 1986, 1075. 18 BAG v. 13.10.1988, NZA 1989, 716. 19 BAG v. 18.1.1980, DB 1980, 1351; RA als Bevollmächtigter: BAG v. 15.7.1992, NZA 1993, 221. 20 Bei der deutschen Sprache nicht mächtigen Arbeitnehmern geht die Abmahnung erst nach einer angemessenen Zeitspanne zu, die der Arbeitnehmer benötigt, um die Abmahnung zu übersetzen (LAG Hamm v. 5.1.1979, EzA § 130 BGB Nr. 9; aA aber Schaub, ArbR-Hdb., § 61 Rz. 39; LAG Köln v. 24.3.1988, NJW 1988, 1870). 21 BAG v. 17.10.1989, NZA 1990, 193. 22 Vgl. LAG Hamm v. 12.7.2007, AuA 2008, 505; krit. Schrader, NJW 2012, 342. 23 BAG v. 19.7.2012, NZA 2013, 91. 24 BAG v. 10.6.2010, NZA 2010, 1227.

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überhaupt noch bedeutungslos werden kann.25 Denn sie dient dem Nachweis, dass das Arbeitsverhältnis nicht beanstandungsfrei verlaufen ist und somit kein „Vertrauenskapital“ aufgebaut wurde. Das BAG gesteht Arbeitgebern daher ein berechtigtes Interesse auch an länger zurückliegenden Abmahnungen im Hinblick auf eine spätere Interessenabwägung zu.26 Danach sollen nicht unerhebliche Verletzungen im Vertrauensbereich für eine erhebliche Zeit von Bedeutung sein, wobei noch nicht konkretisiert wurde, was eine nicht unerhebliche Verletzung oder eine erhebliche Zeit ist. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. Zahlreiche Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen, denen keine weiteren Konsequenzen folgen, können allerdings die Warnfunktion der Abmahnungen abschwächen. Der Arbeitgeber muss dann die letzte Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass weitere derartige Pflichtverletzungen nunmehr tatsächlich zum Ausspruch einer Kündigung führen werden.27

16

Vor der Übernahme der Abmahnung in die Personalakte28 ist im Geltungsbereich des TVöD der Arbeitnehmer anzuhören. § 3 Abs. 5 TVöD regelt dies zwar nicht mehr ausdrücklich,29 jedoch haben die Tarifvertragsparteien vereinbart, dass weiterhin so zu verfahren ist.30 Unterlässt der Arbeitgeber dies, ist die Abmahnung formell unwirksam. Zur Vorbereitung einer Kündigung reicht sie jedoch aus, da sie die erforderliche Warnfunktion aufweist und ja auch mündlich hätte ausgesprochen werden können.31

17

Eine vorweggenommene Abmahnung hat die Rechtsprechung bisher nicht anerkannt. Sie wird für besonders schwerwiegende Verstöße gegen Kardinalpflichten des Arbeitsverhältnisses vorgeschlagen.32 In solchen Fällen muss es dem Arbeitgeber möglich sein, bereits nach dem ersten Verstoß ohne weitere Abmahnung zu kündigen, wenn er dies bereits zuvor angedroht hatte. Sie ist auf Kardinalpflichten beschränkt, da sonst die Gefahr besteht, dass die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung durch eine solche vorweggenommene Abmahnung unterlaufen werden. Die Voraussetzungen einer vorweggenommenen Abmahnung entsprechen im Wesentlichen denen einer nachträglichen Abmahnung (dazu oben Rz. 8 ff.). Da die vorweggenommene Abmahnung aber nicht bereits auf einen konkret eingetretenen Verstoß Bezug nehmen kann, muss die befürchtete Pflichtverletzung so genau wie möglich umschrieben werden, um dem Arbeitnehmer das sanktionierte Verhalten genau vor Augen zu führen. Die vorweggenommene Abmahnung kann als einseitige Erklärung, aber auch in einem Aushang, als Richtlinie oder als persönliche, vom Arbeitnehmer unterschriebene Verpflichtungserklärung ausgestaltet sein.33 Durchgesetzt hat sich das Instrument in der Praxis bisher allerdings nicht.

17a

25 Dazu Salamon/Rogge, NZA 2013, 363; Ritter, DB 2013, 344; Novara/Knierim, NJW 2011, 1175; Schiefer, DB 2013, 1785. 26 BAG v. 19.7.2012, NZA 2013, 91. 27 BAG v. 15.11.2001, NZA 2002, 968; v. 16.9.2004, NZA 2005, 459. 28 Zu datenschutzrechtlichen Bedenken Kleinebrink, DB 2012, 1508. 29 So noch die Vorgängerregelung § 13 Abs. 2 BAT. 30 Vgl. RdSchr. des BMI in Vorbem. 6.1, Nr. 5. 31 BAG v. 21.5.1992, DB 1992, 2143. 32 Wisskirchen/Schumacher/Bissels, BB 2012, 1473. 33 Vgl. Wisskirchen/Schumacher/Bissels, BB 2012, 1473, 1476.

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c) Schadensersatz 18

Dem Arbeitgeber steht bei einem Pflichtverstoß des Arbeitnehmers, der zu einem Schaden geführt hat, uU ein Anspruch auf Schadensersatz zu.34 Dies kann nach § 823 BGB der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig ein absolutes Recht des Arbeitgebers widerrechtlich verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB) oder gegen ein Schutzgesetz verstößt (§ 823 Abs. 2 BGB). Als Anspruchsgrundlage kommen aber auch die §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 619a, 241 Abs. 2 BGB (positive Vertragsverletzung) in Betracht, wenn der Arbeitnehmer eine vertragliche Nebenpflicht verletzt oder eine Schlechtleistung erbringt, dies vertreten muss (§ 276 BGB) und dies zu einem Schaden des Arbeitgebers führt.35

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Die Eigenart des Arbeitsverhältnisses bringt es mit sich, dass auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer im Laufe der Zeit ein Fehler unterlaufen kann. Die Haftungsrisiken in der industriellen Fertigung stehen dabei häufig in keinem äquivalenten Verhältnis zu dem Arbeitsentgelt. Zudem bestimmt der Arbeitgeber die Risikofaktoren innerhalb des Betriebes durch seine Organisationsgewalt und sein Weisungsrecht, während der Arbeitnehmer darauf keinen Einfluss hat. Im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs haben sich daher Grundsätze herausgebildet, die die Haftung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten36 angemessen mildern.37, 38

20

Danach haftet39 der Arbeitnehmer – bei leichtester Fahrlässigkeit40 überhaupt nicht; 34 Theoretisch kommen auch Schadensersatzansprüche zwischen Arbeitnehmern in Betracht. Das BAG ist hier jedoch zurückhaltend, kündigt daher zB ein Arbeitnehmer wegen Beleidigungen oder Nötigungen durch einen Kollegen das Arbeitsverhältnis, so hat er gegen diesen keinen Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls, der infolge der Eigenkündigung eintritt, BAG v. 18.1.2007, AP Nr. 17 zu § 823 BGB. 35 Zur Haftung des Arbeitnehmers bei Schäden durch die Nutzung betrieblicher Informationsund Kommunikationstechnik s. Hoppe, ArbR Aktuell 2010, 388. 36 Dies sind alle Tätigkeiten, die der Arbeitnehmer auf Grund seines Arbeitsvertrags schuldet oder von dem Arbeitgeber zugewiesen bekommt. 37 Nach der früheren Rechtsprechung wird eine Haftungsmilderung durch entsprechende Anwendung des § 254 BGB herbeigeführt. Nach der Rechtslage seit dem 1.1.2002 und dem Willen des Gesetzgebers soll sich eine mildere Haftung auch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses (§ 276 Abs. 1 Halbs. 2 BGB) ergeben können (BT-Drucks. 14/6857, S. 48). Eine Änderung der Rechtsprechung ist jedoch nicht zu erwarten, da ein Abstellen auf § 276 BGB zur Folge hätte, dass der Arbeitnehmer entweder voll oder gar nicht haftet. Auch in späteren Entscheidungen hat das BAG ohne nähere Begründung weiterhin § 254 BGB herangezogen, vgl. BAG v. 18.1.2007, DB 2007, 973. 38 Schädigt der Arbeitnehmer bei der Arbeitsleistung hingegen außenstehende Dritte, ist er im Außenverhältnis zum Schadensersatz verpflichtet. Soweit jedoch im Innenverhältnis zum Arbeitgeber eine Haftungsprivilegierung nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs eingreifen würde, steht dem Arbeitnehmer ein Freistellungsanspruch gegen diesen zu. Dieser Anspruch wird jedenfalls dann fällig, wenn der Arbeitnehmer im Außenverhältnis die Rechtsverteidigung gegen die Verurteilung zum Schadensersatz einstellt, BAG v. 25.6.2009, DB 2009, 2493. 39 Von Bedeutung ist auch das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 SGB VII im Verhältnis der Arbeitnehmer zueinander. Vgl. hierzu BAG v. 22.4.2004, DB 2004, 1784; v. 28.10.2004, EzA § 106 SGB VII Nr. 2 sowie Gabke, FA 2006, 293. 40 Leichteste Fahrlässigkeit liegt vor bei geringfügigen und leicht entschuldbaren Pflichtverletzungen, die jedem Arbeitnehmer unterlaufen können.

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– bei mittlerer Fahrlässigkeit anteilig;41 – bei grober Fahrlässigkeit42 und Vorsatz43 unbeschränkt.44 Allerdings muss sich das Verschulden jeweils auch auf den Schaden beziehen.45 Bei grober Fahrlässigkeit ist auch eine Schadensteilung nicht ausgeschlossen,46 wobei das BAG sich zumindest in der früheren Rechtsprechung zur Vermeidung einer existenziellen Bedrohung des Arbeitnehmers an einer fünfjährigen Schadenstilgungsdauer gemäß §§ 286 ff. InsO orientiert hat.47 Diese Grundsätze über die Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten sind einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht.48 Eine Abweichung zu Lasten des Arbeitnehmers ist weder einzel- noch kollektivvertraglich zulässig.49 Eine Haftungsverschärfung ist nur zulässig, wenn ihr ein finanzieller Risikoausgleich gegenübersteht, und dieser eine ausreichende Kompensation darstellt.50 Die Beweislast im Prozess richtet sich nach § 619a BGB.51 Dieser enthält eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Arbeitnehmers in Abweichung zu § 280 Abs. 1 BGB.52 Der Arbeitgeber muss danach ein Vertretenmüssen des Arbeitnehmers beweisen. Dies gilt auch für Berufsausbildungsverhältnisse, nicht jedoch für arbeitneh-

41 Bei der mittleren Fahrlässigkeit bestimmt sich der Haftungsanteil des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch nach der Versicherbarkeit durch den Arbeitgeber, nach der Höhe des Verdienstes, dem Vorverhalten des Arbeitnehmers sowie seiner sozialen Verhältnisse, BAG v. 24.11.1987, DB 1988, 1603. Darf ein Arbeitnehmer ein Dienstfahrzeug auch zu privaten Zwecken nutzen und verursacht er hierbei fahrlässig einen Unfall, so ist die Haftung begrenzt auf die Höhe der verkehrsüblichen Selbstbeteiligung einer Vollkaskoversicherung, auch wenn der Arbeitgeber es versäumt hat, eine solche abzuschließen. Eine Unterscheidung zwischen privater Fahrt und Dienstfahrt ist dabei nach – zweifelhafter – Auffassung des LAG Köln nicht geboten, LAG Köln v. 22.12.2004, LAGE § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 1. 42 Grob fahrlässig handelt der Arbeitnehmer, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem eingeleuchtet hätte. 43 Vorsatz setzt das Wissen und Wollen, mindestens aber die billigende Inkaufnahme des Schädigungserfolgs voraus. 44 Die Reform des Versicherungsvertragsrechts zum 1.1.2008 lässt diese Grundsätze unberührt, BAG v. 15.11.2012 – 8 AZR 705/11, DB 2013, 705; aA Gross/Wesch, NZA 2008, 849. 45 BAG v. 18.4.2002, NZA 2003, 37; v. 18.1.2007, DB 2007, 973. 46 BAG v. 28.10.2010, NZA 2011, 345 zur Haftungsbegrenzung auf ein Bruttojahresgehalt einer „Mini-Jobberin“ bei grober Fahrlässigkeit. 47 BAG v. 23.1.1997, NZA 1998, 140, 141; in diesem Sinne auch BAG v. 18.4.2002, NZA 2003, 37, 41. 48 Eine Berufung leitender Angestellter auf die Grundsätze der privilegierten Arbeitnehmerhaftung soll zumindest bei der Schädigung anderer Mitarbeiter durch Weisungen, die deren Persönlichkeitsrecht verletzen, nicht möglich sein, BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223, 227. Kritisch hierzu Bieder, DB 2008, 638. 49 BAG v. 5.2.2004, NZA 2004, 649. 50 LAG Hessen v. 5.9.1969, BB 1970, 888. Dies ist allein bei der privaten Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens nicht der Fall, BAG v. 5.2.2004, NZA 2004, 649. 51 Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 619a BGB Rz. 1 ff. 52 Der Anwendungsbereich der Norm ist jedoch auf Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB und auf den Bereich der Arbeitnehmerhaftung beschränkt, für den auch die Grundsätze der Haftungsbeschränkung gelten, also auf betrieblich veranlasste Tätigkeiten (Oetker, BB 2002, 43, 44).

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merähnliche Personen, da für diese auch die beschränkte Arbeitnehmerhaftung nicht zur Anwendung kommt.53

2. Fehlverhalten des Arbeitgebers 22

Neben der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht zur Zahlung der vereinbarten Vergütung54 treffen den Arbeitgeber diverse Nebenpflichten. Diese können sich ergeben aus Gesetz (BUrlG, EFZG, ArbSchG, ArbZG, SGB IX, § 612a BGB, etc.), Kollektivverträgen, einzelvertraglichen Vereinbarungen oder aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Diese Nebenpflichten werden regelmäßig unter dem Begriff der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zusammengefasst.55, 56 Der Arbeitgeber hat u.a. für den Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers,57, 58 von dessen Persönlichkeitsbelangen,59 der von ihm eingebrachten Sachen sowie seiner Vermögensinteressen Sorge zu tragen.

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Bei Verstößen gegen arbeitgeberseitige Nebenpflichten stehen dem Arbeitnehmer neben Erfüllungs- und Unterlassungsansprüchen auch Zurückbehaltungsrechte sowie Schadensersatzansprüche zur Seite. In Ausnahmefällen kommt auch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung in Betracht, wenn ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist.

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Dabei können sich Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung (§ 280 BGB) und der Deliktshaftung (§§ 823 ff. BGB) ergeben. Hierbei ist jedoch auf arbeitsrechtliche Besonderheiten zu achten: Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist die Haftung des Arbeitgebers für Personenschäden ausgeschlossen, soweit diese auf einem Versicherungsfall iSd. § 7 SGB VII beruhen, der Arbeitgeber den Unfall nicht vorsätzlich herbeigeführt hat60 und der Unfall nicht auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg61 eingetre53 BAG v. 1.2.1963, AP Nr. 28 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 54 Vgl. hierzu Kap. 12. 55 Einen Überblick über wichtige staatliche Regelungen im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes findet sich bei Brock, AuA 2009, 416 ff. 56 Zu den Haftungsrisiken des Arbeitgebers bei der Entsendung von Arbeitnehmern in Krisengebiete s. Krieger/Herzberg, BB 2012, 1089. 57 Dabei steht dem Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 ArbSchG iVm. § 618 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Beurteilung der mit der Beschäftigung verbundenen Gefährdung zu. Ein Anspruch auf Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach bestimmten, vom Arbeitnehmer vorgegebenen Kriterien und Methoden besteht hingegen nicht; insoweit räumt § 5 Abs. 1 ArbSchG dem Arbeitgeber einen weiten Beurteilungs- und Handlungsspielraum ein (BAG v. 12.8.2008, DB 2008, 2030). 58 Der Arbeitnehmer hat unter den Voraussetzungen des § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 5 Abs. 1 ArbStättV regelmäßig dann einen Anspruch auf Zuweisung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes, wenn der Arbeitgeber auf Grund gesetzlicher Bestimmungen zum Nichtraucherschutz verpflichtet ist (BAG v. 19.5.2009, NZA 2009, 775). 59 Vgl. auch die Ausführungen zum Mobbing Einf. Rz. 55 ff. 60 Der Vorsatz muss sich sowohl auf die Verletzungshandlung als auch den Verletzungserfolg beziehen, BAG v. 10.10.2002, NZA 2003, 436; die billigende Inkaufnahme des Schadenseintritts genügt: BAG v. 28.4.2011, AP SGB VII § 104 Nr. 6. 61 Organisiert der Arbeitgeber Rücktransporte mit betriebseigenen Fahrzeugen von der Betriebsstätte, handelt es sich nach der Rechtsprechung des BAG um Betriebswege iSd. § 8 Abs. 1 SGB VII; die Haftungsfreistellung des § 104 SGB VII greift mithin ein, BAG v. 19.8.2004, ArbRB 2005, 6.

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ten ist.62 Für Sachschäden tritt neben die Verschuldenshaftung aus § 280 Abs. 1 BGB und §§ 823 ff. BGB eine verschuldensunabhängige Haftung unter dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes aus § 670 BGB, soweit sich dabei ein besonderes, vom Arbeitgeber zu tragendes und nicht abgegoltenes Risiko realisiert hat.63 Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer Ersatz für den an seinem Privatfahrzeug entstandenen Unfallschaden verlangt, sofern das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers für berufliche Zwecke eingesetzt worden ist. Der Arbeitnehmer hat dann jedoch darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er den Unfall nicht grob fahrlässig verursacht hat.64 Der Arbeitgeber ist auch dann zum Ersatz eines Unfallschadens des Arbeitnehmers verpflichtet, wenn dieser als Arzt im Rahmen der Rufbereitschaft den Einsatz seines Privatfahrzeugs für erforderlich halten durfte, um rechtzeitig am Arbeitsort zu erscheinen.65 Das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verbietet die Benachteiligung von Arbeitnehmern durch Vereinbarungen und Maßnahmen, soweit sie ihre Rechte in zulässiger Weise ausüben.66 Im Ergebnis soll der Arbeitnehmer so gestellt werden, als sei die Benachteiligung nicht erfolgt.67, 68 Auch Schadensersatzansprüche ua. nach § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB69 sind denkbar. Bei Wiederholungsgefahr besteht ein Unterlassungsanspruch.70

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3. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist am 18.8.2006 in Kraft getreten.71 Insbesondere der Arbeitgeber wird in die Pflicht genommen.

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a) Struktur und Geltungsbereich Ziel des Gesetzes ist gemäß § 1 AGG, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Welt62 Vgl. zur Verfassungskonformität dieser Vorschrift im Hinblick auf den Ausschluss des Schmerzensgeldanspruchs und die insoweit mangelnde Kompensation durch die gesetzliche Unfallversicherung LAG Hessen v. 14.7.2009, DB 2009, 2085. 63 LAG Sachsen-Anhalt v. 8.12.2010 – 6 Sa 350/10: analoge Anwendung; LAG Nürnberg v. 24.9.1997, NZA-RR 1998, 199; zur Ersatzpflicht des Arbeitgebers bei Beschädigung/Verlust von dienstlich genutzten privaten Smartphones s. Göpfert/Wilke, NZA 2012, 765, 768. 64 BAG v. 28.10.2010, NZA 2011, 406. 65 BAG v. 22.6.2011, NZA 2012, 91. 66 Das Vorhaben einer Neufassung des § 612a BGB unter Aufnahme eines Anzeigerechts des Arbeitnehmers wurde für die laufende Legislaturperiode aufgegeben. Zum bisherigen Entwurf des § 612a BGB nF vgl. Sasse, NZA 2008, 990. 67 Das Maßregelungsverbot des § 612a BGB setzt voraus, dass eine zulässige Rechtsausübung wesentliches Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Hierfür ist der klagende Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig. Das zufällige und unbemerkte Mithören eines Telefonats durch Dritte ohne Beitrag des Beweispflichtigen hat in diesem Zusammenhang kein Beweisverwertungsverbot zur Folge, BAG v. 23.4.2009, DB 2009, 1936, 1937. 68 Aus dem Maßregelungsverbot des § 612a BGB kann nach § 15 Abs. 6 AGG analog kein Anspruch auf Vertragsabschluss hergeleitet werden, BAG v. 21.9.2011, DB 2012, 524. 69 § 612a BGB ist Schutzgesetz iSd. Vorschrift, LAG Hamburg v. 19.3.2002 – 3 Sa 76/00. 70 S. im Einzelnen PWW/Lingemann, § 612a BGB Rz. 1 ff. 71 BGBl. I 2006, 1897. Umgesetzt wurden damit die Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2000/73/EG und 2004/113/EG.

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anschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. 28

Geschützt sind alle Beschäftigten, das sind nach § 6 Abs. 1 AGG Arbeitnehmer, Auszubildende und Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, somit auch in Heimarbeit Beschäftigte und ihnen Gleichgestellte.72 Als Beschäftigte gelten weiter Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis und die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Bei Leiharbeitnehmern müssen Verleiher und Entleiher das Benachteiligungsverbot des AGG beachten, § 6 Abs. 2 AGG. Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften des 2. Abschnitts des AGG auch für Selbständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer73 und Vorstandsmitglieder, entsprechend. ZT wird aufgrund der „Danosa“-Entscheidung des EuGH74 vertreten75, dass das AGG für Geschäftsführer auch über § 6 Abs. 3 AGG hinaus gilt, die Frage ist jedoch offen.76 Für Entscheidungen über die Beendigung des Anstellungsvertrages gilt das AGG nicht, jedoch gilt es bei Entscheidungen über die Neubestellung und Verlängerung des Anstellungsvertrages.77

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Gegenstand des Diskriminierungsschutzes sind gemäß § 2 Abs. 1 AGG insbesondere die Zugangsbedingungen zur Erwerbstätigkeit, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, der berufliche Aufstieg, das Arbeitsentgelt78 und die Entlassungsbedingungen. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt zwar gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG weiterhin das Betriebsrentengesetz. Diese Regelung enthält nach Ansicht des BAG jedoch keine Bereichsausnahme, stellt stattdessen vielmehr eine Kollisionsregel dar. Trifft das BetrAVG daher Aussagen hinsichtlich bestimmter Unterscheidungen, die einen Bezug zu den in § 1 AGG angeführten Merkmalen haben, genießt es Vorrang vor dem AGG.79 Auch hat das BAG die bestehenden Zweifel an der Europarechtskonformität des § 2 Abs. 4 AGG80 zum ausschließlichen Geltungsvorrang des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes nicht aufgegriffen und stattdessen eine Verzahnung der Vorschriften dahingehend vorgenommen, dass die Diskriminie-

72 Zur Anwendbarkeit des AGG auf Franchiseverträge s. Giesler/Güntzel, ZIP 2008, 11. AGGProbleme im Zusammenhang mit vertretungsberechtigten Organmitgliedern behandeln Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993. 73 Zur Anwendbarkeit des AGG auf Geschäftsführer BGH v. 23.4.2012, NZA 2012, 797; Lingemann/Weingarth DB 2012, 2325. 74 EuGH v. 11.11.2010, NZA 2011, 143 – Danosa. 75 Lunk, RdA 2013, 111, 112 mwN. 76 Offengelassen in BGH v. 23.4.2012, NZA 2012, 797; gegen die umfassende Anwendung Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325 mwN. 77 BGH v. 23.4.2012, NZA 2012, 797. 78 Daneben ist der Entgeltgleichheitsgrundsatz des Art. 157 AEUV zu beachten, der als primäres Gemeinschaftsrecht Vorrang gegenüber nationalen Vorschriften genießt. Erfasst sind auch hier neben unmittelbaren ebenso mittelbare Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts, zB im Rahmen von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen, vgl. etwa EuGH v. 6.12.2007, NZA 2008, 31, 32. 79 BAG v. 17.4.2012, NZA 2012, 929; v. 19.7.2011, NZA 2012, 155; v. 11.12.2007, NZA 2008, 532, 534 f. 80 Gaul/Naumann, ArbRB 2006, 225; zu Einzelheiten Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, 887, 888; Löwisch, BB 2006, 2189, 2190.

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rungsverbote des AGG bei der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes als Konkretisierung des Begriffs der Sozialwidrigkeit herangezogen werden.81 b) Benachteiligungsverbot Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten acht Gründe benachteiligt werden. Neben dem Verbot der Geschlechterdiskriminierung bereitet der Praxis vor allem das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters Probleme.82

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Gemäß § 3 AGG sind mittelbare und unmittelbare Benachteiligungen verboten. Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung dann vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

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Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können (§ 3 Abs. 2 AGG). Klassisches Beispiel ist die Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten, da es sich bei Teilzeitbeschäftigten überwiegend um Frauen handelt.83 Denkbar ist jedoch auch, dass ein Abstellen auf das Kriterium der „Berufserfahrung“ mittelbar wegen des Alters diskriminiert,84 die Voraussetzung „guter Deutschkenntnisse“ eine mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft darstellt85 und Feiertagsregelungen und Kleidungsvorschriften Beschäftigte mit einer bestimmten Religionszugehörigkeit mittelbar benachteiligen.86

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Nach § 3 Abs. 3 und 4 AGG sind auch Belästigungen, insbesondere sexuelle Belästigungen, Benachteiligungen iSd. AGG und damit verboten.87

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81 BAG v. 6.11.2008, NZA 2009, 361, 364. Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 2 AGG Rz. 16 ff. Demnach sind die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgesehene Berücksichtigung des Lebensalters als Sozialdatum sowie die Bildung von Altersgruppen an den Diskriminierungsverboten des AGG zu messen. Diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters findet ihre Rechtfertigung jedoch in § 10 Satz 1, 2 AGG. Dies ist bei Altersgruppenbildungen jedenfalls regelmäßig dann der Fall, wenn sie bei Massenkündigungen auf Grund einer Betriebsänderung erfolgen (BAG v. 28.6.2012, NZA 2012, 1090; v. 18.3.2010, NZA 2010, 1059, 457; v. 6.11.2008, NZA 2009, 361, 365 ff.). 82 Dazu unten Rz. 51 f.; Tempelmann/Stenslik, DStR 2011, 1183; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663. 83 Vgl. etwa die Entscheidung des EuGH v. 6.12.2007, NZA 2008, 31 – Voß, zur mittelbaren Diskriminierung teilzeitbeschäftigter beamteter Lehrerinnen bei Mehrarbeit; BGH v. 15.2.2011 – 9 AZR 584/09, AP TVG zu § 1 Vorruhestand Nr. 36, zur mittelbaren Diskriminierung bei Inanspruchnahme eines Übergangsgeldes. 84 BAG 24.1.2013, NZA 2013, 498; Bauer, ArbR Aktuell 2013, 75. 85 Anders jedoch ArbG Berlin v. 26.9.2007, BB 2008, 115 mit Anm. Greßlin. 86 EGMR v. 15.1.2013, ECHR 012 (2013). 87 Diese Belästigungen müssen, um für das Umfeld kennzeichnend zu sein, eine für das Arbeitsverhältnis prägende Bedeutung entfalten. Einmalige Tathandlungen rechtfertigen, selbst wenn sie fortwirken, regelmäßig nicht die Annahme einer solchen prägenden Bedeutung, BAG v. 24.9.2009, NZA 2010, 387, im Anschluss an LAG Düsseldorf v. 18.6.2008 – 7 Sa 383/08, nv. Anders zum „Straining“ Jansen/Hartmann, NJW 2012, 1540.

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Nicht jede Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmals ist jedoch eine unzulässige Benachteiligung. Gemäß § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung schon dann nicht vor, wenn sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind. Die §§ 8–10 AGG regeln Tatbestände, bei denen auch eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann.

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§ 8 AGG erlaubt als ein allgemeiner Ausnahmetatbestand die unterschiedliche Behandlung wegen eines Diskriminierungsmerkmals, wenn es sich bei dem Merkmal um eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung handelt. Daher ist eine Ungleichbehandlung behinderter Menschen dann möglich, wenn das Fehlen dieser Behinderung eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist.

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Gemäß der Religionsklausel des § 9 AGG gilt das Verbot der unterschiedlichen Behandlung wegen der Religion nicht, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Auf der Grundlage dieser Regelung können Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen wohl auch künftig eine Auswahl ihrer Beschäftigten nach dem Kriterium der Religion durchführen.

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Schließlich ist nach § 10 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.88 Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Hier besteht große Rechtsunsicherheit.89 § 10 Satz 3 Nr. 1–6 AGG enthält Beispielsfälle, bei denen eine unterschiedliche Behandlung zulässig sein soll. Dies gilt insbesondere für die Festsetzung von Altersgrenzen in Pensionssystemen (§ 10 Satz 3 Nr. 4 AGG),90 die Befristung des Arbeitsvertrages auf den Zeitpunkt der Rentenberechtigung (§ 10 Satz 3 Nr. 5 AGG)91 und Differenzierung von Leistungen in Sozialplänen nach Alter oder Betriebszugehörigkeit, sofern dabei die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplanes ausgeschlossen werden, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind (§ 10 Satz 3 Nr. 6 AGG).92 c) Organisationspflichten des Arbeitgebers

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Der Arbeitgeber haftet für eigene Verstöße, ferner nach § 31 BGB für Verstöße seiner Organmitglieder und nach § 278 BGB seiner Erfüllungsgehilfen, das sind Mit88 Vgl. zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG EuGH v. 13.9.2011, NJW 2011, 3209 – Prigge; v. 5.3.2009, NZA 2009, 305 – Age Concern. 89 Grundsätzlich verfügen die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessenspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, EuGH v. 18.6.2009, NZA 2009, 891 – Hütter; eine Übersicht zur uneinheitlichen Rechtsprechung des BAG findet sich bei Brors, RdA 2012, 346; Straube/Hilgenstock, ArbR Aktuell 2010, 567. 90 Dazu BAG v. 12.2.2013, NZA 2013, 733. 91 BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, PM 14/13 zur Befristung in Betriebsvereinbarungen. 92 BAG v. 12.4.2011 mit Anm. Lingemann, ArbR 2011, 250.

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arbeiter mit Vorgesetztenfunktion.93 Für letztere haftet er uE jedoch nur für Pflichtverletzungen in Ausübung dieser Funktion und nicht nur bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit.94 Auch in den Fällen, in denen das Handeln des Mitarbeiters dem Arbeitnehmer nicht unmittelbar zugerechnet werden kann, kommt jedoch eine Haftung aus Organisationsverschulden in Betracht. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber die Reaktions- und Schulungspflichten nach § 12 Abs. 1–4 AGG nicht erfüllt (dazu sogleich). Kommt es zu Eingriffen in absolute Rechte, so haftet der Arbeitgeber auch deliktisch nach § 823 Abs. 1 BGB oder bei Verstößen gegen Schutzgesetze nach § 823 Abs. 2 BGB.95 Gemäß § 11 AGG darf der Arbeitgeber Stellen nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausschreiben.96 Stellenausschreibungen sind daher so zu formulieren, dass sie sich ausschließlich auf die Tätigkeit selbst beziehen und nur solche Anforderungskriterien darstellen, die für die ausgeschriebene Stelle erforderlich sind.97

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Nach § 12 AGG muss der Arbeitgeber zudem die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes treffen. Dazu sollen auch vorbeugende Maßnahmen gehören. Welche Maßnahmen im Einzelfall erforderlich sind, richtet sich nach der Gesetzesbegründung nach objektiven Gesichtspunkten und kann je nach der Größe des Betriebes unterschiedlich zu beurteilen sein. Der Arbeitgeber kann diese in § 12 AGG genannte Pflicht wohl insbesondere durch eine Schulung seiner Arbeitnehmer erfüllen. Angesichts der Gesetzesbegründung spricht viel dafür, dass je nach Größe des Betriebes die Anforderungen an Art, Umfang und Häufigkeit der Schulung variieren und von Großunternehmen weiter gehende Maßnahmen verlangt werden können als von Kleinbetrieben.98 Auch Führungsrichtlinien99 und Ethikkodizes100 können zur Haftungsentlastung vorteilhaft sein. Rechtsprechung dazu liegt jedoch noch nicht vor.

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Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot, so muss der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen (zB Abmahnung, Kündigung, Umsetzung oder Versetzung) zur Unterbindung der Benachteiligung ergreifen, § 12 Abs. 3 AGG.101 Er muss zudem dafür Sorge tragen, dass die Beschäftigten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit vor der Benachteiligung durch Dritte (zB Kunden oder Lieferanten) geschützt sind, § 12 Abs. 4 AGG.

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93 BAG v. 17.12.1968, DB 1969, 446. 94 BGK, § 15 AGG Rz. 21; PWW/Lingemann, § 15 AGG Rz. 2. 95 Die Schutzgesetzqualität von §§ 7, 11, 16, 19 AGG ist umstritten; ablehnend BGK, § 7 AGG Rz. 7; PWW/Lingemann, § 7 AGG Rz. 2; aA Maier-Reimer, NJW 2006, 2577, 2582; NollertBorasio/Perreng, § 15 AGG Rz. 34. 96 So kann etwa die Begrenzung einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr eine nach § 3 Abs. 2 AGG unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters sein, BAG v. 18.8.2009, DB 2010, 284; zu Trainee-Stellen für Berufsanfänger BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11. Ausführlich Burkard-Pötter, NJW-Spezial 2012, 242 f. 97 Einzelheiten Einf. Kap. 1 Rz. 5 ff. 98 Einzelheiten zur Schulung bei BGK, § 12 AGG Rz. 16 ff.; PWW/Lingemann, § 12 AGG Rz. 3 ff.; Grobys, NJW 2006, 2950, 2952; Wisskirchen, DB 2006, 1491, 1497. 99 Grobys, NJW 2006, 2950, 2952. 100 Schneider/Sittard, NZA 2007, 654. 101 Oberthür, ArbRB 2012, 180, 181.

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d) Beweislastverteilung102 42

§ 22 AGG kehrt die Beweislast zu Lasten des Arbeitgebers um, sobald der Arbeitnehmer Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Indizien können sein eine nicht § 7 Abs. 1 AGG entsprechende Ausschreibung oder Stellenanzeige,103 eine nicht unverzügliche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung entgegen § 81 Abs. 1, Satz 4 und 6 SGB IX104 bei der Auswahl der Bewerber oder der Besetzung von Arbeitsplätzen,105 eine unterlassene Einschaltung der Bundesagentur für Arbeit entgegen § 81 Abs. 1 Satz 2, § 82 SGB IX,106 ggf. auch, wenn der Arbeitgeber die Behinderteneigenschaft gar nicht kannte,107 die Erteilung einer Falschauskunft oder wechselnde Begründungen108 oder die Frage nach Diskriminierungsmerkmalen (§ 1 AGG) im Bewerbungsgespräch oder Einstellungsfragebogen.109 Auch eine öffentliche Äußerung des Arbeitgebers kann ein Indiz für eine unmittelbare Diskriminierung sein.110 Eine Kündigung wegen häufiger Krankheit ist kein Indiz für eine Diskriminierung wegen Behinderung.111 Statistische Daten können grundsätzlich Indizien für eine geschlechtsbezogene Diskriminierung sein. Eine Vermutung für ein diskriminierendes Verhalten des Arbeitgebers kann sich aus statistischen Daten aber nur dann ergeben, wenn sie sich konkret auf den betreffenden Arbeitgeber beziehen und im Hinblick auf dessen Verhalten aussagekräftig sind. Allein das Verhältnis zwischen dem Frauenanteil der Gesamtbelegschaft und dem in oberen Führungspositionen lässt einen Rückschluss 102 Einzelheiten bei BGK, § 22 AGG Rz. 6 ff.; PWW/Lingemann, § 22 AGG Rz. 2 ff.; Palandt/ Grüneberg, § 22 AGG Rz. 1 ff.; Grobys, NZA 2006, 902 ff.; Windel, ZGS 2007, 60 ff. 103 BAG v. 5.2.2004, NZA 2004, 540, 543. Eine Stellenausschreibung mit den Anforderungen „flexibel und belastbar“ stellt für sich genommen aber noch kein Indiz für eine Benachteiligung behinderter Bewerber dar (BAG v. 19.2.2008, NZA 2009, 148, 1499). 104 Zur Rechtslage bei Benachteiligungen wegen Behinderung, die vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossen waren, vgl. BAG v. 16.9.2008, NZA 2009, 79. 105 BAG v. 15.2.2005, DB 2005, 2816; v. 21.2.2013, NZA 2013, 840. Die Prüfpflicht besteht auch bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern, BAG v. 23.6.2010, NZA 2010, 1361. 106 BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, AP Nr. 9 zu § 15 AGG: Die Verletzung der Prüf- und Meldepflichten gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX ist ein Indiz für die Benachteiligung, auch wenn der Arbeitgeber erst nach der Ablehnung des Bewerbers von dessen Schwerbehinderung erfährt; zur Indizwirkung ferner BAG v. 12.9.2006, DB 2007, 747; LAG München v. 19.11.2008 – 5 Sa 556/08. Dieser Grundsatz lässt sich jedoch nicht auf Fälle übertragen, in denen eine ausgeschriebene Stelle bereits vor der Bewerbung eines Schwerbehinderten besetzt ist und damit ein Arbeitsplatz, der mit dem schwerbehinderten Menschen besetzt werden könnte, nicht mehr zur Verfügung steht (BAG v. 19.8.2010, NZA 2011, 200). Ein öffentlicher Arbeitgeber ist im Übrigen stets gehalten, schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Pflicht besteht nur dann nicht, wenn der Bewerber offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Unterbleibt die erforderliche Einladung, ist eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung zu vermuten (BAG v. 16.2.2012, NZA 2012, 667; BVerwG v. 3.3.2011 – BVerwG 5 C 16/10, NJW 2011, 2452). 107 BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, AP Nr. 9 zu § 15 AGG. Auch eine Einschränkungen mit sich bringende Krankheit kann uU einer Behinderung gleichzustellen sein, EuGH v. 11.4.2013 – C-335/11 u. C-337/11. 108 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 364/11; evtl. auch das Unterlassen jeder Auskunft, EuGH v. 19.4.2012, NZA 2012, 493 – Meister. Vgl. dazu Gola, NZA 2013, 360. 109 Dazu Einf. Kap. 1 Rz. 3 ff., 10 ff. 110 EuGH v. 25.4.2013 – C-81/12; v. 10.7.2008, NZA 2008, 929; BGH v. 23.4.2012, NZA 2012, 797; krit. Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325. 111 BAG v. 28.4.2011, NJW 2011, 2458.

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Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

auf die Ungleichbehandlung von Frauen beim beruflichen Aufstieg in bestimmte Hierarchieebenen eines Unternehmens nicht zu.112 Die bloße Unterrepräsentation einer Gruppe von Beschäftigten ist nicht zwingend ein Indiz für eine diskriminierende Personalpolitik.113 Im Allgemeinen ist an die Vermutungswirkung der Indizien kein zu strenger Maßstab anzulegen.114 Vielmehr genügt es, wenn auf Grund der dargelegten und ggf. bewiesenen Hilfstatsachen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung spricht.115 Es liegt dabei zunächst in der Verantwortung des Arbeitnehmers, das Gericht von dieser überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu überzeugen. Erst dann trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass eine diskriminierende Benachteiligung nicht vorlag. Um diesen Beweis führen zu können, sollte der Arbeitgeber eine hinreichende Dokumentation vorweisen können. e) Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht Die Beschäftigten haben gemäß § 13 AGG das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebes, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt fühlen (Beschwerderecht).116

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Bei einer Belästigung am Arbeitsplatz kann der Beschäftigte, wenn der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz ergreift, die Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgeltes einstellen, § 14 AGG (Leistungsverweigerungsrecht).

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f) Rechtsfolgen Gemäß § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, unwirksam. Inzwischen hat das BAG entschieden, dass dies im Regelfall zu einer „Anpassung nach oben“ führt.117 112 BAG v. 22.7.2010, NZA 2011, 93; ausführlich zu rechtlichen Aspekten der „gläsernen Decke“: Benecke, DB 2011, 934. 113 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 364/11. 114 Es müssen aber zumindest irgendwelche Indizien bewiesen werden, BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, PM 13/13. 115 So BAG v. 24.4.2008, NZA 2008, 1351, 1352 zu § 611a BGB aF. Mit Inkrafttreten des AGG hat der Gesetzgeber die bestehende Rechtslage übernommen, BGK, § 22 AGG Rz. 3; ausf. von Roltteken, NZA-RR 2013, 337, 342. 116 Dem zuständigen Betriebsrat steht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Ausgestaltung eines Beschwerdeverfahrens zu. Dieses umfasst jedoch nicht die organisatorischen Entscheidungen hinsichtlich des Ortes und der personellen Besetzung der Beschwerdestelle (BAG v. 21.7.2009, NZA 2009, 1045). Zur Erforderlichkeit von Betriebsratsschulungen im Zusammenhang mit dem AGG vgl. LAG Hessen v. 25.10.2007, AuA 2008, 442. 117 BAG v. 10.11.2011, NZA-RR 2012, 100 in Umsetzung der Entscheidung des EuGH v. 8.9.2011, NZA 2011, 1100 – Hennigs; VG Frankfurt am Main v. 20.8.2012 – 9 K 1175/11, nv.; Zur umstrittenen Rechtslage zuvor: Vorlagebeschluss des BAG v. 20.5.2010 – 6 AZR 319/09 (A), PM 39/10; LAG Hessen v. 22.4.2009, NZA 2009, 799; LAG Berlin-Brandenburg v. 11.9.2008, NZA-RR 2009, 378; speziell zu kollektivrechtlichen Vereinbarungen Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 666 ff.

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Da das AGG keine Übergangsregelungen enthält, ist es seit dem 18.8.2006 auf die bestehenden individual- und kollektivrechtlichen Regelungen anwendbar. Aus diesem Grund sollten alle für das Unternehmen geltenden Arbeitsverträge118 und Kollektivvereinbarungen119 auf unzulässige Benachteiligungen hin überprüft werden. 46

§ 15 Abs. 6 AGG stellt klar, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg begründet. Insoweit entsteht also kein Kontrahierungszwang für den Arbeitgeber.120

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Gemäß § 15 Abs. 1 AGG ist der Arbeitgeber jedoch verpflichtet, dem Beschäftigten den durch einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entstandenen Schaden zu ersetzen. § 15 Abs. 1 AGG betrifft nur den Ersatz des materiellen Schadens. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zu vertreten hat.

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Gemäß § 15 Abs. 2 AGG besteht ein Anspruch auf Entschädigung wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist.121 Eine Obergrenze für die Entschädigung regelt das AGG nicht.122 Nach § 15 Abs. 2 AGG ist die Entschädigung nur dann auf drei Monatsgehälter begrenzt, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Enthält eine Stellenausschreibung den Hinweis, dass Mitarbeiter eines bestimmten Alters gesucht werden, so scheitert der Anspruch eines nicht eingestellten älteren Bewerbers auf eine Entschädigung nicht allein daran, dass der Arbeitgeber keinen anderen neuen Mitarbeiter eingestellt hat.123 § 15 Abs. 2 AGG ist damit zT an die Stelle der früheren Entschädigungsregelungen in § 611a BGB aF und § 81 SGB IX getreten (s. die Entschädigungsklage M 1.10).

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Schadensersatz und Entschädigung müssen innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden,124 sofern tarifvertraglich nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Zweimonatsfrist gilt auch für deliktische Ansprüche, die auf den gleichen Lebenssachverhalt wie § 15 Abs. 4 AGG gestützt werden.125 Die Frist beginnt gemäß § 15 Abs. 4 AGG im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der (auch konkludenten)126 Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Ab Geltendmachung läuft zudem für alle Ansprüche wegen verbotener Benachteiligung iSv. § 7 Abs. 1 AGG127 gemäß § 61b ArbGG die weitere Frist von drei Monaten für die Klageerhebung. 118 Lingemann/Müller, BB 2007, 2006. 119 Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663. 120 Zum Kontrahierungszwang im zivilrechtlichen Teil des AGG vgl. ua. Thüsing/von Hoff, NJW 2007, 21, sowie Armbrüster, NJW 2007, 1494. 121 Vgl. ausführlich Walker, NZA 2009, 5. 122 Für eine Obergrenze BGK, § 15 AGG Rz. 27 ff.; PWW/Lingemann, § 15 AGG Rz. 5. 123 BAG v. 23.8.2012, NZA 2013, 37. 124 Die Frist ist europarechtskonform, vgl. EuGH v. 8.7.2010, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 – Bulicke; BAG v. 21.6.2012, NZA 2012, 1211; v. 15.3.2012, ArbR Aktuell 2012, 167; aA LAG Hamburg v. 3.6.2009, LAGE § 15 AGG Nr. 9; Jacobs, RdA 2009, 201. 125 BAG v. 21.6.2012, NJW 2013, 555. 126 BAG v. 15.3.2012, AP AGG § 15 Nr. 10; LAG Hessen v. 19.6.2012 – 12 Sa 1454/11. 127 BGK, § 15 AGG Rz. 57.

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Bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen ist der Arbeitgeber gemäß § 15 Abs. 3 AGG nur zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.128 Dieses Haftungsprivileg gilt wohl auch gegenüber Ansprüchen auf Schadensersatz129 – die höhere Richtigkeitsgewähr kollektiver Regelungen gilt hier gleichermaßen. Es kann insoweit für den Arbeitgeber von erheblichem Vorteil sein, wenn er zB Einstellungsfragebögen eine entsprechende Betriebsvereinbarung zugrunde legt.130

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g) Folgen für die betriebliche Praxis Um eine Benachteiligung und entsprechende Ansprüche zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber die weisungsbefugten Beschäftigten sowie Mitarbeiter der Personalabteilungen über das AGG informieren und schulen. Im Anschluss daran sollten alle anderen Beschäftigten geschult und ihre Teilnahme dokumentiert werden.

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Weiterhin sollte das gesamte Bewerbungsverfahren auf eventuelle Benachteiligungen untersucht werden. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass Stellenanzeigen benachteiligungsfreie Anforderungsprofile enthalten und die Bewerberauslese sorgfältig dokumentiert wird, um später nachweisen zu können, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG vorlag.131

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h) Folgen für die Vertragsgestaltung132 Zum AGG sind noch viele Rechtsfragen offen. Bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen und kollektiven Regelungen ist insbesondere auf Folgendes zu achten: – Bei Entgeltregelungen war bisher die Vereinbarung von Alterstufen durchaus üblich. Derartige Altersentgeltregelungen stellen jedoch eine nicht durch § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG gerechtfertigte Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer dar,133 so dass stattdessen eine Anbindung der Vergütung an das Dienstalter vorgenommen werden sollte.134 – Vorsicht ist auch bei der Vereinbarung von Abfindungsregelungen geboten. Oft werden im Rahmen solcher Regelungen Mindestaltersgrenzen vorgegeben und die Abfindungshöhe in Abhängigkeit vom Alter berechnet. Für den Arbeitgeber besteht das Risiko, dass diese Regelungen unwirksam sind und Mitarbeiter unab128 129 130 131

Einzelheiten bei Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 666 ff. Vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 38. Vgl. Einf. Kap. 1 Rz. 13, 17 ff. sowie Erläuterungen zu M 1.3.1 und M 1.3.2. Der abgelehnte Bewerber hat keinen Anspruch auf Auskunft darüber, ob der Arbeitgeber einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist, EuGH v. 19.4.2012, NZA 2012, 493 – Meister; BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 287/08. Eine unterlassene Auskunft kann aber ein Indiz für eine Benachteiligung gemäß § 22 AGG sein, vgl. Rz. 42. 132 Einzelheiten bei Lingemann/Müller, BB 2007, 2006 ff. 133 Vgl. EuGH v. 8.9.2011, NZA 2011, 1100 – Hennings und Mai; BAG v. 10.11.2011, NZA-RR 2012, 100; LAG Hessen v. 22.4.2009, NZA 2009, 799, 802; LAG Berlin-Brandenburg v. 11.9.2008, NZA-RR 2009, 378, 381. 134 BAG v. 8.12.2011, NZA 2012, 275; BGK, § 10 AGG Rz. 30; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 666 zu kollektiven Regelungen; Lingemann/Müller, BB 2007, 2006, 2007 zu Arbeitsverträgen; Löwisch, DB 2006, 1729, 1730; vgl. auch EuGH v. 3.10.2006, DB 2006, 2350 – Cadman.

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hängig vom Alter den vollen Abfindungsanspruch erwerben. Entsprechende Regelungen müssen daher künftig mehr als bisher der tatsächlichen Lage am Arbeitsmarkt Rechnung tragen.135 Für Sozialpläne sieht § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG136 ausdrücklich die Möglichkeit einer nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelten Abfindungsregelung vor. Die bisher übliche Staffelung der Sozialplanabfindung nach Alter ist daher weiter zulässig.137 Auch die lineare Steigerung nach Betriebszugehörigkeit oder Alter ist zulässig,138 ebenso die lineare Steigerung nach Alter und Betriebszugehörigkeit (reine Divisorformel: Alter × Betriebszugehörigkeit × Bruttomonatsgehalt / Divisor).139 Auch die Bildung einzelner Altersgruppen ist zulässig.140 Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG kann auch weiterhin eine Verringerung der Abfindungshöhe bei der Inanspruchnahmemöglichkeit vorzeitiger Altersrente vereinbart werden.141 Die Verringerung der Rente wegen der Möglichkeit des Bezugs einer vorzeitigen Rente wegen Schwerbehinderung ist aber eine unzulässige Diskriminierung Behinderter.142 – Weiterhin zulässig ist die Vereinbarung von Altersgrenzen auf den Bezug von Regelaltersrente im Arbeitsvertrag, § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG.143 Der EuGH hat eine tarifvertragliche Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr gebilligt, sofern die Regelung objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, das in Beziehung zur Beschäftigungspolitik und zum Arbeitsmarkt steht, gerechtfertigt ist und die Mittel, die zur Erreichung dieses im Allgemeininteresse liegenden Ziels eingesetzt werden, nicht als dafür unangemessen und nicht erforderlich erscheinen,144 wobei der EuGH den Mitgliedstaaten im Rah135 Einzelheiten bei BGK, § 10 AGG Rz. 51 ff.; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 16 ff.; Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583, 2587; Annuß, BB 2006, 1629, 1634; zu kollektiven Regelungen Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 664; zu Arbeits- und Aufhebungsverträgen Lingemann/Müller, BB 2007, 2006, 2008. 136 Zur Gemeinschaftsrechtskonformität der Vorschrift vgl. BAG v. 26.5.2009, NZA 2009, 849, 852. 137 BAG v. 12.4.2011, NZA 2011, 988; v. 26.5.2009, NZA 2009, 849. 138 BAG v. 26.5.2009, NZA 2009, 849. 139 BAG v. 12.4.2011, NZA 2011, 988; BGK, § 10 AGG Rz. 45l; krit. Lingemann/Gotham, NZA 2007, 664. 140 BAG v. 26.5.2009, NZA 2009, 849. Zu Einschränkungen vgl. BAG v. 19.7.2012, NZA 2013, 86. 141 Die diesbezüglichen Stichtagsregelungen sind im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen, wenn sich die Grenzziehung am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist (BAG v. 26.5.2009, NZA 2009, 849, 855; v. 11.11.2008, NZA 2009, 210, 213; v. 30.9.2008, NZA 2009, 386, 390). Ebenso findet die Kürzung von Sozialplanabfindungen rentennaher Jahrgänge durch die Aussicht auf geringere wirtschaftliche Nachteile gegenüber jüngeren Arbeitnehmern ihre sachliche Rechtfertigung (so BAG v. 20.1.2009, DB 2009, 1023, 1024 jedoch zur Rechtslage außerhalb des Anwendungsbereichs des AGG). S. zur Zulässigkeit des Ausschlusses älterer Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen auch Krieger/ Arnold, NZA 2008, 1153. 142 EuGH v. 6.12.2012, NZA 2012, 1435 – Odar. 143 BAG v. 21.9.2011, NZA 2012, 271; LAG Hamburg v. 22.2.2011 – 4 Sa 76/10; BGK, § 10 AGG Rz. 40; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 15; zu kollektiven Regelungen BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, PM 14/13; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 666; zu Arbeitsverträgen Lingemann/Müller, BB 2007, 2006; krit. ErfK/Schlachter, § 10 AGG Rz. 7 ff.; aA Kamanabrou, NZA Beilage 3/2006, 138, 140; Däubler/Bertzbach/Brors, § 10 AGG Rz. 83 ff. 144 EuGH v. 16.10.2007, NJW 2007, 3339 – Felix Palacios de La Villa gegen Cortefiel Servicios SA; nicht akzeptiert hat der EuGH eine Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten (EuGH v. 13.9.2011, NZA 2011, 1039 – Prigge), da nicht bewiesen sei, dass in dem Alter die erforderlichen körperlichen Fähigkeiten nicht mehr vorlägen.

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men der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich einen weiten Ermessensspielraum zugebilligt hat. Zu bejahen ist die Zulässigkeit von Altersgrenzen auch, wenn sich der Zweck der Beschäftigungsförderung nicht aus konkreten Regelungen ergibt und wenn sie nur individualvertraglich geregelt sind. – Unkündbarkeitsregelungen sind mit dem AGG nicht vereinbar, soweit sie ausschließlich auf das Alter abstellen. Zulässig dürften jedoch Regelungen sein, die in angemessenem Verhältnis sowohl das Alter als auch die Betriebszugehörigkeit berücksichtigen.145 – Zusätzliche Vergütungs- oder Abfindungsleistungen, speziell für verheiratete Mitarbeiter, könnten mittelbar eine Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung darstellen. UE ist das nicht der Fall.146 Wie bei den Mindestaltersregelungen für Abfindungen bestünde indes nach aA auch hier die Gefahr, dass die Regelung unwirksam ist und alle Mitarbeiter einen Anspruch auf die zusätzlichen Vergütungsbestandteile haben. Mit Beschluss v. 20.9.2007147 hat das BVerfG mangels Verstoßes gegen den Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine Verfassungsbeschwerde gegen die Gewährung eines Verheiratetenzuschlags nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG nicht zur Entscheidung angenommen und die Auffassung des BVerwG, es liege auch kein Verstoß gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG vor, ausdrücklich als vertretbar bezeichnet.148 Mittlerweile gibt es aber eine recht starke Tendenz gegen die Beschränkung zusätzlicher Leistungen auf verheiratete Mitarbeiter. So haben eingetragene Lebenspartner in vergleichbarer Situation gleichermaßen wie Ehegatten Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung.149 – Eine Diskriminierung wegen der Religion könnte in solchen Regelungen gesehen werden, die bestimmten Bekleidungs- oder Feiertagsregelungen entgegengehalten werden. Es spricht viel dafür, dass beispielsweise das Untersagen des Tragens eines Kopftuches gemäß § 8 Abs. 1 AGG nur zulässig ist, wenn der Verzicht auf das Kopftuch eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.150 145 Das BAG hält tarifliche Unkündbarkeitsregelungen grds. für zulässig, zieht in Anlehnung an § 10 Nr. 7 AGG aF jedoch dort eine Grenze, wo die Fehlgewichtung infolge des eingeschränkten Auswahlpools zu einer grob fehlerhaften Auswahl führen würde, BAG v. 5.6.2008, NZA 2008, 1120, 1124; in diesem Sinne wohl auch Wendeling-Schröder, NZA 2007, 1399, 1404; Schleusener/Suckow/Voigt, § 10 AGG Rz. 54; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 665 zu tarifvertraglichen Regelungen; Lingemann/Müller, BB 2007, 2006 zu Arbeitsverträgen. 146 Ebenso: BGK, Einleitung AGG Rz. 27; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rz. 354; aA Däubler/Bertzbach/Mahlmann, § 24 AGG Rz. 50; wohl auch Wisskirchen, AGG, S. 38. Eine solche Differenzierung hält jedenfalls für zulässig auch BGH v. 14.2.2007, BGH Report 2007, 602. 147 BVerfG v. 20.9.2007, NJW 2008, 209. 148 In diesem Sinne hat das LAG München den Anspruch auf einen Auslandszuschlag gemäß § 55 Abs. 2 BBesG aF eines in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft lebenden Angestellten abgelehnt, LAG München v. 10.5.2008 – 2 Sa 1253/06. 149 EuGH v. 1.4.2008, NZA 2008, 459 – Maruko; BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 489; auch BVerfG v. 7.7.2009, DB 2009, 2441. 150 Einzelheiten Lingemann/Müller, BB 2007, 2006; Nicolai, AGG, Rz. 381 ff.; PWW/Lingemann, § 3 AGGRz. 28;. vgl. auch ArbG Köln v. 6.3.2008 – 19 Ca 7222/07 sowie BAG v. 10.12.2009, NZA-RR 2010, 383 und v. 20.8.2009, BB 2009, 1917 zum religiösen Bekundungsverbot im Schuldienst. Zur Anweisung zum Verdecken religiöser Symbole EGMR v. 15.1.2013, ECHR 012 (2013).

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Fehlverhalten, AGG und Mobbing

– Umstritten ist auch die Zulässigkeit der in Arbeitsverträgen zT noch enthaltenen „Scientology-Klausel“, durch die Arbeitnehmer erklären, dass sie nicht der Lehre von L. Ron Hubbard anhängen. Zwar haben deutsche Gerichte zT Scientology nicht als Religionsgemeinschaft eingeordnet,151 jedoch erkennen französische und amerikanische Gerichte152 sowie der EGMR153 Scientology zT den Religionsstatus zu. Es ist daher durchaus möglich, dass der Europäische Gerichtshof dieser weiten Auslegung des Religionsbegriffes folgt. i) Missbräuchliche Klagen154 54

Bereits vor Inkrafttreten des AGG hatten die Arbeitsgerichte mit missbräuchlichen Entschädigungsklagen zu kämpfen. So bewarben sich beispielsweise Männer gezielt auf Stellen, die entgegen § 611a BGB ausschließlich für Frauen ausgeschrieben waren. Dabei ging es ihnen nicht um die Einstellung, sondern lediglich darum, eine Entschädigung zu erhalten. Diese professionellen Kläger versuchen auch weiterhin, nun unter dem Regime des § 15 Abs. 2 AGG, Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Wie schon im Rahmen des § 611a BGB aF stehen derartige Ansprüche jedoch nur subjektiv ernsthaften Stellenbewerbern offen, die auch objektiv für die zu besetzende Stelle geeignet sind.155 „AGG-Hopper“, die sich nur zum Schein auf eine Stellenausschreibung bewerben, kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegengehalten werden.156 So kann aus Indizien im Zusammenhang mit der Bewerbung geschlossen werden, dass eine ernsthafte Bewerbung nicht gewollt war. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Bewerber zu als wesentlich erkennbaren Einstellungsvoraussetzungen keine Angaben macht157 oder ein Bewerbungsschreiben weitgehend aus Textbausteinen zusammenfügt, ohne aussagekräftige Ausführungen zum Interesse an der ausgeschriebenen Stelle und dem bisherigen beruflichen Werdegang zu machen,158 oder in den Unterlagen abstruse und für die Bewerbung schädliche Thesen vertritt.159 Hierfür ist jedoch der Arbeitgeber darlegungsund beweisbelastet.160

151 BAG v. 22.3.1995, NZA 1995, 823; ebenso Palandt/Ellenberger, § 1 AGG Rz. 4; im Ergebnis offen BVerwG v. 15.12.2005, NJW 2006, 1303; Wiedemann/Thüsing, DB 2002, 463, 466; aA wohl OVG Berlin-Brandenburg v. 9.7.2009 – OVG 5 S 5.09. 152 Nachweise insbesondere bei Wiedemann/Thüsing, DB 2002, 463, 466. 153 EGMR v. 5.4.2007, NJW 2008, 495. 154 Eine Sammlung von Gerichtsurteilen und Materialien zum Themenkreis findet sich im Internet unter www.agg-hopping.de. 155 BAG v. 23.8.2012, NZA 2013, 37; v. 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, AP Nr. 9 zu § 15 AGG; LAG Schl.-Holst. v. 9.12.2008 – 5 Sa 286/08; LAG Hamburg v. 29.10.2008 – 3 Sa 15/08. Zu § 611a BGB aF vgl. BAG v. 12.11.1998, AP Nr. 16 zu § 611a BGB; LAG Berlin v. 30.3.2006, NZA-RR 2006, 513. 156 BAG v. 23.8.2012, NZA 2013, 37, Rz. 18. 157 LAG Berlin v. 30.3.2006, NZA-RR 2006, 513, 514. 158 LAG Hamburg v. 12.1.2008 – 3 Ta 26/08. Zu möglichen weiteren Indizien vgl. Bissels/Lützeler, BB 2009, 833, 834; Diller, BB 2006, 1968; PWW/Lingemann, § 3 AGG Rz. 8; zum AGG-Hopping durch Schwerbehinderte s. Diller, NZA 2007, 1321. 159 LAG BW v. 13.8.2007, FA 2007, 313. 160 BAG v. 23.8.2012, NZA 2013, 37; 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, AP Nr. 9 zu § 15 AGG.

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4. Mobbing „Mobbing“ ist kein eigenständiger juristischer Tatbestand,161 sondern schlicht die Beschreibung eines in der Praxis nicht selten vorkommenden Phänomens. Mobbing lässt sich beschreiben als fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen am Arbeitsplatz gegenüber einzelnen Mitarbeitern zur Erreichung von Zielen, die von der Rechtsordnung nicht gedeckt sind und die jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen.162 Zum Wesen des Mobbing gehört, dass es nicht um im Einzelnen isolierbare Vorfälle geht, die meist für sich allein keine Anspruchs-, Gestaltungs- oder Abwehrrechte auslösen, sondern um eine Gesamtheit von aneinander gereihten Maßnahmen über einen langen Zeitraum hinweg, die erst in dieser Gesamtheit die Fülle dessen überschreiten, was am Arbeitsplatz tolerierbar ist.163 Erforderlich ist also ein „übergreifendes systematisches Vorgehen“.164, 165 Davon ist auszugehen, wenn die unerwünschten Verhaltensweisen bezwecken, die Würde des Arbeitnehmers zu verletzen und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld zu schaffen. Die Mobbinghandlungen müssen demnach zumindest der Definition des Begriffs der Belästigung nach § 3 Abs. 3 AGG entsprechen.166 Zudem bedarf es in jedem Fall einer Täter-Opfer-Konstellation, so dass Fälle gegenseitigen Anfeindens oder wechselseitiger Eskalation ausscheiden. Eine solche fehlt aber nicht bereits dann, wenn vereinzelte affekthaft begangene sozialinadäquate Verhaltensweisen des Mobbing-Opfers vorliegen, welche auf Provokationen des Mobbing-Täters beruhen.167

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Mobbing wirft schwierige Rechtsfragen auf. Dies gilt einerseits hinsichtlich der wechselseitigen Darlegungs- und Beweislast, welche nach der wohl überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung den allgemeinen Grundsätzen folgt,168 und der Ver-

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161 Vgl. BAG v. 23.1.2007, DB 2007, 1420: Der Begriff ist so unbestimmt, dass er nicht Gegenstand eines gerichtlichen Feststellungsantrags sein kann; Jansen/Hartmann, NJW 2012, 1540, 1541. 162 BAG v. 28.10.2010, NZA-RR 2011, 378; v. 24.4.2008, NJW 2009, 251. 163 Wo diese Grenze liegt, lässt sich nicht allgemein bestimmen. So hat das LAG Nürnberg aber festgestellt, dass der Arbeitgeber davon ausgehen könne, dass ein Arbeitnehmer ein gewisses Maß an deutlicher Kritik verträgt, solange er ihm nicht deutlich macht, dass er solche Kritik als Angriff auf seine Ehre oder Persönlichkeit empfindet, LAG Nürnberg v. 5.9.2006, LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 13. 164 BAG 24.4.2008, NJW 2009, 251; v. 16.5.2007, AP Nr. 5 zu § 611 BGB (Mobbing); vgl. auch LAG Köln v. 9.3.2009 – 5 Sa 1405/08; LAG Rh.-Pf. v. 16.8.2001, NZA-RR 2002, 121; vgl. LAG Bremen v. 17.10.2002, LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 5: neun Vorfälle innerhalb von 3 1/2 Jahren reichen nicht aus. 165 An dieser für das Mobbing typischen, verschiedene einzelne Handlungen zusammenfassenden Systematik kann es fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinander folgen, kritisiert oder schlecht beurteilt wird (BAG v. 16.5.2007, NZA 2007, 1155). 166 BAG v. 24.4.2008, NJW 2009, 251. 167 LAG Thüringen v. 28.6.2005, ArbuR 2006, 31. 168 Es ist also trotz der Schwierigkeiten für das Mobbing-Opfer nicht von einer Änderung der Darlegungs- und Beweislast auszugehen, BAG v. 16.5.2007, NZA 2007, 1155; LAG Düsseldorf v. 16.3.2013 – 17 Sa 602/12; LAG Köln v. 21.4.2006, PflR 2006, 515. Auch eine Beweiserleichterung ist regelmäßig nicht angebracht, LAG Schl.-Holst. v. 29.3.2002, NZA-RR 2002, 457; aA LAG Thüringen v. 14.4.2001, NZA-RR 2001, 347; Wickler, DB 2002, 477. Der

Lingemann 613

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

antwortung des Arbeitgebers für das Handeln einzelner Mitarbeiter gegenüber dem Geschädigten. In der Rechtsprechung wird angenommen, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht den Arbeitnehmer auch vor Gefahren psychischer Art schützen muss. Der Arbeitnehmer hat danach einen Anspruch auf Schutz vor systematischen Anfeindungen und vor schikanösem Verhalten durch Kollegen oder Vorgesetzte.169 Dem Arbeitnehmer stehen weiterhin vor allem Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche (§§ 823, 831, 280, 628 Abs. 2 BGB) zu. Hierbei kommt gemäß § 253 Abs. 2 BGB auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Betracht, wobei dessen Höhe nach Ausmaß des Verschuldens, Art und Intensität der Beeinträchtigung zu beurteilen ist.170 Erforderlich für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitgeber ist aber immer ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers oder ihm zurechenbarer Mitarbeiter. Jedenfalls soweit es sich um Mitarbeiter in Leitungsfunktionen handelt, wird deren Verschulden über § 278 BGB dem Arbeitgeber zugerechnet.171 Dieses Verschulden muss sich nicht nur auf die einzelnen Handlungen beziehen, sondern auch auf die hierdurch verursachte Erkrankung des Mobbing-Opfers.172 Soweit Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche einer vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist unterliegen, gilt diese auch für Ansprüche aus mobbingbedingten Verletzungshandlungen. Jedoch ist eine Gesamtschau vorzunehmen dahingehend, dass auch länger zurückliegende Vorfälle zu berücksichtigen sind, soweit sie in einem Zusammenhang mit den späteren Mobbing-Handlungen stehen.173 Das Mobbing-Opfer kann die Entlassung derjenigen Führungskraft, die MobbingHandlungen vornimmt, in aller Regel nicht verlangen.174 Die Zuweisung eines Arbeitsplatzes, an dem es Mobbing-Handlungen nicht mehr ausgesetzt ist, kann es nur dann verlangen, wenn ein solcher Arbeitsplatz im Betrieb vorhanden ist.175 Schließlich ist zu beachten, dass den Arbeitnehmer eine Schadensminderungspflicht trifft, in deren Rahmen auch zu prüfen ist, ob es ihm zumutbar war, sich beim Arbeitgeber über Mobbing-Handlungen zu beschweren und entsprechende Abhilfe zu fordern.176 Wer sich als Arbeitnehmer gemobbt fühlt und kündigt, muss möglicherweise nicht

169 170 171 172 173 174 175 176

Arbeitnehmer muss im Prozess die beanstandeten Verhaltensweisen des Arbeitgebers so konkret darlegen und beweisen, dass in jedem Einzelfall beurteilt werden kann, ob der Arbeitgeber sich rechtswidrig und schuldhaft verhalten hat und ob er mit einer Erkrankung des Arbeitnehmers zu rechnen hatte, LAG Berlin v. 15.7.2004, NZA-RR 2005, 13; ausf. zur Beweislast Pauken/Biester, ArbR Aktuell 2013, 350. LAG Niedersachsen v. 3.5.2000, AuA 2001, 46; LAG Rh.-Pf. v. 19.2.2004, NZA-RR 2004, 232. In diesem Zusammenhang kann auch eine bereits gezahlte besonders hohe Abfindung Berücksichtigung finden, LAG Köln v. 13.1.2005, NZA-RR 2005, 575. BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223, 228. BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223, 227; LAG Schl.-Holst. v. 28.3.2006, NZA-RR 2006, 402. BAG v. 16.5.2007, NZA 2007, 1154, 1159 f.; aA die Vorinstanz LAG Hamm v. 23.3.2006 – 8 Sa 949/05. BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223, 226. BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223, 226 f. In der Entscheidung hat das BAG auf das betreffende Klinikum abgestellt und somit wohl den Betrieb als Maßstab herangezogen. LAG Schl.-Holst. v. 28.3.2006, NZA-RR 2006, 402.

614 Lingemann

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

mit einer Sperrzeit rechnen, sofern sein Entschluss, das Arbeitsverhältnis von sich aus zu kündigen, „verständlich und entschuldbar“ ist.177

5. Ersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 628 Abs. 2 BGB § 628 Abs. 2 BGB bestimmt, dass der Kündigende selbst einen Anspruch auf Ersatz des durch die Vertragsbeendigung entstandenen Schadens hat, wenn seine Kündigung durch ein vertragswidriges Verhalten des anderen Teils veranlasst wurde.178 Schadensersatzansprüche können sich dabei auch gegen Arbeitnehmer richten, die zB zu Unrecht einen Verdacht auf den betroffenen Arbeitnehmer gelenkt und dies nicht unverzüglich richtig gestellt haben.179 § 628 Abs. 2 BGB gilt sowohl für das freie Dienstverhältnis als auch das Arbeitsverhältnis.180 Voraussetzung ist ein Auflösungsverschulden des Arbeitgebers; er muss kausal durch sein vertragswidriges schuldhaftes Verhalten den Anlass für die Vertragsbeendigung gegeben haben.181 Als Auflösungsverschulden kommt auch Mobbing in Betracht.182 Nicht erforderlich ist eine bestimmte Form der Vertragsbeendigung, zB eine fristlose Kündigung, solange nur das Auflösungsverschulden das Gewicht eines wichtigen Grundes hat.183 Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB für die Kündigung ist einzuhalten.184 Auch der Arbeitnehmer ist gehalten, bevor er wegen wiederholt verspäteter Lohnzahlungen fristlos kündigt, den Arbeitgeber abzumahnen.185 Als Rechtsfolge ist der Arbeitnehmer so zu stellen, wie er bei Fortbestand des Vertragsverhältnisses stünde.186 Die ordentliche Kündigungsfrist oder das Vertragsende bei befristeten Verträgen bildet die zeitliche Grenze des Schadensersatzanspruchs; es wird nur der Verfrühungsschaden ersetzt. Besteht für ein Arbeitsverhältnis Kündigungsschutz, so kann entsprechend §§ 9, 10 KSchG eine angemessene Entschädigung für den Verlust des Bestandsschutzes kumulativ hinzutreten.187 Ein Bestandsschutzinteresse und damit jeglicher Schadensersatzanspruch kann auch vollständig entfallen, wenn auch dem Arbeitgeber im Einzelfall ein Recht zur so177 LSG Rheinland-Pfalz v. 28.2.2003, EzA-SD 5/2003, 20. 178 Vergleichbare Regelungen enthalten § 89a Abs. 2 HGB für den Handelsvertreter und § 23 Abs. 1 Satz 1 BBiG für das Berufsausbildungsverhältnis. 179 BAG v. 23.1.2003, BB 2003, 854. 180 BAG v. 8.8.2002, NZA 2002, 1323, 1324. 181 Ein Entschädigungsanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB scheidet aus, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Arbeitnehmerkündigung das Arbeitsverhältnis seinerseits hätte kündigen dürfen, BAG v. 21.5.2008, ArbRB 2008, 298. 182 LAG Thüringen v. 15.2.2001, NZA-RR 2001, 577, 580. 183 BAG, 14.12.2011, NJW 2012, 1900; v. 8.8.2002, NZA 2002, 1323, 1325. 184 BAG v. 8.8.2002, NZA 2002, 1323, 1327. 185 BAG v. 17.1.2002, AuA 2003, 51; LAG Köln v. 21.7.2006, NZA-RR 2007, 134. Diese ist entbehrlich, wenn keine Aussicht auf Rückkehr des Vertragspartners zu vertragskonformen Verhalten besteht, BAG v. 26.7.2007, NZA 2007, 1419, 1420. 186 BAG v. 8.8.2002, NZA 2002, 1323, 1328; zu einzelnen Schadenspositionen s. KR/Weigand, § 628 BGB Rz. 37 ff. 187 Für Kündigungsschutz nach dem KSchG: BAG v. 26.7.2007, NZA 2007, 1419, 1421; v. 26.7.2001, NZA 2002, 325, 326; KR/Weigand, § 628 BGB Rz. 35. Dabei kommt es nicht darauf an, ob unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG gezahlt worden wäre, sondern einzig, ob der Arbeitnehmer in einem durch das Kündigungsschutzgesetz bestandsgeschützten Arbeitsverhältnis gestanden hat.

Lingemann 615

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.1

fortigen Beendigung des Vertrages zusteht.188 Im Übrigen ist § 254 BGB anwendbar, wenn das Auflösungsverschulden provoziert war.189 188 BAG v. 12.5.1966, AP Nr. 9 zu § 70 HGB. 189 Vgl. BAG v. 29.9.1958, AP Nr. 17 zu § 64 ArbGG 1953.

II. Muster 13.1

u

Abmahnung

Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., leider sehen wir uns gezwungen, Sie aus folgenden Gründen abzumahnen:1 Sie haben am . . . zu Ihrem Kollegen . . . gesagt: „du dummer . . .“. oder2 Sie sind am . . . zum wiederholten Male ohne triftigen Grund zu spät zur Arbeit erschienen, nämlich erst um . . . Uhr statt um . . . Uhr. oder Sie haben wiederholt wegen mangelnder Sorgfalt fehlerhafte Arbeit geleistet. Am . . . und am . . . waren von den von Ihnen zu bearbeitenden Produktionsteilen3 . . . Teile unbrauchbar. Dadurch haben Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt. Wir fordern Sie auf, künftig Pflichtverletzungen wie oben angeführt oder ähnlicher Art zu unterlassen/pünktlich zur Arbeit zu erscheinen/Ihre Arbeit sorgfältig zu leisten. Sollte sich eine vergleichbare Pflichtverletzung wiederholen, müssen Sie mit einer Kündigung rechnen.4 Mit freundlichen Grüßen ...

...

(Ort, Datum)

(Unterschrift des Arbeitgebers)

1 Der Begriff Abmahnung muss nicht verwendet werden; dies empfiehlt sich aber zur Klarheit. 2 Möglich sind auch sog. Sammelabmahnungen, in denen mehrere Verstöße zusammen gerügt werden. Davon ist jedoch dringend abzuraten, denn Sammelabmahnungen sind insgesamt ungerechtfertigt, wenn nur ein Verstoß nicht zutrifft. Eine teilweise Aufrechterhaltung der Abmahnung ist nicht möglich. Der Arbeitgeber kann nur eine neue Abmahnung aussprechen, die sich auf die zutreffende Pflichtverletzung beschränkt, soweit sie dann noch verhältnismäßig ist (BAG v. 13.3.1991, DB 1991, 1527; Schiefer, DB 2013, 1785). 3 Auch diese sind detailliert anzugeben bzw. zu beschreiben. 4 Nach neuerer Rechtsprechung des BAG ist allerdings auch die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ bereits eine hinreichende Warnung, BAG v. 19.4.2012, NZA-RR 2012, 567. Wir halten es jedoch für sicherer, nach wie vor die Androhung einer Kündigung aufzunehmen, um der Warnfunktion zu genügen.

616 Lingemann

M 13.2

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Bestätigung des Arbeitnehmers Ich habe die Abmahnung vom . . . erhalten.5 ...

...

(Ort, Datum)

(Unterschrift des Arbeitnehmers)

5 Der Arbeitnehmer kann die Beseitigung und Rücknahme einer ungerechtfertigten Abmahnung bzw. ihre Entfernung aus der Personalakte verlangen (Einzelheiten Einf. Rz. 15 [s. M 13.4]). Sie wird damit wirkungslos (BAG v. 5.8.1992, DB 1993, 1677). Ungerechtfertigt ist die Abmahnung dann, wenn sie (a) auf unzutreffenden oder vor Gericht nicht nachweisbaren Tatsachen beruht oder (b) unverhältnismäßig ist oder (c) verwirkt ist oder (d) nicht zu billigende Überreaktionen, Ehrverletzungen oder unsachliche Werturteile enthält oder (e) der Arbeitgeber vermeintliche Verstöße rechtlich fehlerhaft gewertet hat oder (f) der Arbeitgeber kein schutzwürdiges Interesse am Fortbestand der Abmahnung mehr hat (BAG v. 30.5.1996, DB 1997, 233).

u

Vorweggenommene Abmahnung1, 2 als Erklärung an den Arbeitnehmer3 Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . .,

Sie haben mit Schreiben am . . . Urlaub vom . . . bis . . . beantragt. Wir haben Ihren Urlaubsantrag mit Schreiben vom . . . abgelehnt, weil . . . Trotzdem haben Sie mit Schreiben vom . . . angekündigt, Ihren Urlaub wie geplant antreten zu wollen. Aus diesem Grund teilen wir Ihnen mit, dass eine Selbstbeurlaubung, wie von Ihnen geplant, nicht zulässig ist und in erheblichem Maß gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt. Wir fordern Sie daher auf, am . . . wie üblich zur Arbeit zu erscheinen. 1 Ob und in welcher Form eine vorweggenommene Abmahnung zulässig ist, ist bisher von der Rechtsprechung nicht ausdrücklich entschieden worden. Bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen Kardinalpflichten des Arbeitsverhältnisses muss es dem Arbeitgeber uE aber möglich sein, bereits nach dem ersten Verstoß ohne weitere Abmahnung zu kündigen, wenn er dies bereits zuvor angedroht hat, vgl. Wisskirchen/Schumacher/Bissels, BB 2012, 1473. 2 Die Voraussetzungen einer vorweggenommenen Abmahnung entsprechen im Wesentlichen denen einer nachträglichen Abmahnung, dazu Rz. 8 ff. Da die vorweggenommene Abmahnung aber nicht bereits auf einen konkret eingetretenen Verstoß Bezug nehmen kann, muss die befürchtete Pflichtverletzung so genau wie möglich umschrieben werden, um dem Arbeitnehmer das sanktionierte Verhalten genau vor Augen zu führen. Wie die vorweggenommene Abmahnung ausgestaltet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie kann in einem Aushang, als Richtlinie oder als persönliche, vom Arbeitnehmer unterschriebene Verpflichtungserklärung ausgestaltet sein. Wisskirchen/Schumacher/Bissels, BB 2012, 1473, 1476 weisen darauf hin, dass die Abmahnung regelmäßig wiederholt werden sollte, um ihre Nachhaltigkeit zu sichern. 3 Nachgebildet nach LAG Berlin-Brandenburg v. 26.11.2010 – 10 Sa 1823/10. Vgl. auch LAG Hamm v. 12.9.1996 – 4 Sa 486/96.

Lingemann 617

13.2

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.3

Anderenfalls müssen Sie mit einer Kündigung rechnen.4 Mit freundlichen Grüßen ...

...

(Ort, Datum) Bestätigung des Arbeitnehmers

(Unterschrift des Arbeitgebers)

Ich habe das Schreiben vom . . . erhalten.5 ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift des Arbeitnehmers)

4 Nach neuerer Rechtsprechung des BAG ist allerdings auch die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ bereits eine hinreichende Warnung, BAG v. 19.4.2012, NZA-RR 2012, 567, wobei es auch insoweit Entscheidungen speziell zu einer vorweggenommenen Abmahnung nicht gibt. Wir halten es insbesondere in diesem Kontext für sicherer, nach wie vor die Androhung einer Kündigung aufzunehmen, um der Warnfunktion zu genügen. 5 Eine an den Arbeitnehmer direkt adressierte und von ihm unterschriebene Erklärung des Arbeitgebers hat den höchsten Grad an Nachweisbarkeit für den Arbeitgeber in einem etwaigen Prozess und Verbindlichkeit für den Arbeitnehmer.

13.3

u

Vorweggenommene Abmahnung als Aushang1

Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,2 am . . . und am . . . wurde in der . . .-Abteilung unberechtigt . . . vom Betriebsgelände mitgenommen. Aus gegebenem Anlass sehen wir uns daher gezwungen darauf hinzuweisen, dass . . . keine unberechtigten Warenentnahmen toleriert werden. Dies stellt eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar.3 Zuwiderhandlungen gegen . . . werden als Diebstahl geahndet. . . . behält sich vor, bei solchen Zuwiderhandlungen entsprechende personelle Maßnahmen bis hin zur Kündigung zu ergreifen.4 ...

...

(Ort, Datum)

(Unterschrift des Arbeitgebers)

1 Nachgebildet nach LAG Köln v. 6.8.1999, NZA-RR 2000, 24. 2 Es ist umstritten, ob ein Aushang, der nicht persönlich adressiert ist, die nötige Dokumentationsfunktion einer Abmahnung erfüllt. Das LAG Köln hat dies im hier nachgebildeten Fall als sog. „Abmahnung an den, den es angeht“ angesehen; soweit der Aushang bestimmt genug sei, sei die Dokumentationsfunktion gewahrt. 3 Die Beschreibung der möglichen Pflichtverletzung sollte so genau wie möglich erfolgen. Es muss ein bestimmtes, hypothetisches Verhalten der Arbeitnehmer gerügt werden. 4 Das LAG Köln hat die Androhung „personeller Maßnahmen“ als ausreichend bestimmt angesehen, da der Arbeitgeber bei der vorweggenommenen Abmahnung nicht wissen könne, ob in dem antizipierten Einzelfall eine Kündigung zulässig wäre und er dies zunächst prüfen müsse; vgl. außerdem bereits Einf. Fn. 15.

618 Lingemann

M 13.4

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

u

Klage gegen eine Abmahnung und auf Widerruf An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom . . . aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.2, 3, 4 2. Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber den Mitarbeitern der Abteilung . . .5 die in der Abmahnung vom . . . aufgestellte Behauptung zu widerrufen, der Kläger habe aus der Kaffeekasse der Abteilung Euro . . . entwendet. Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. in der Abteilung . . . beschäftigt, sein letztes Monatsgehalt betrug Euro . . . Die Mitarbeiter der Abteilung führen eine so genannte „Kaffeekasse“. Jeder Mitarbeiter zahlt auf freiwilliger Basis monatlich einen Betrag von Euro 5,– bis Euro 10,– in die Kasse ein. Aus der Kasse werden aus besonderen Anlässen (Geburtstage, Familienfeste, Trauerfälle) Zuwendungen an einzelne Mitarbeiter der Abteilung gemacht. Am . . . machte der Kl., der die Kasse verwaltet, turnusgemäß Kassensturz. Dabei stellte er fest, dass in der Kasse Euro . . . fehlten. Der Abteilungsleiter warf daraufhin dem Kl. vor, er habe das Geld selbst entwendet. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Kl. den einzigen Schlüssel für die Kasse verwalte. Die Behauptung, der Kl. habe das Geld entwendet, hat der Abteilungsleiter in einer eigens einberufe1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Der Anspruch auf Entfernung einer inhaltlich unrichtigen Abmahnung aus der Personalakte ist inzwischen in ständiger Rechtsprechung anerkannt (BAG v. 30.1.1979, DB 1979, 1511 und v. 7.11.1979, DB 1980, 550). Der in der Praxis häufig gestellte Antrag auf „Rücknahme“ der Abmahnung ist wenig sinnvoll, da unklar bleibt, was der Arbeitnehmer genau will. Es kann die Entfernung aus der Personalakte gemeint sein, aber auch ein Widerruf. Der Antrag auf „Rücknahme“ der Abmahnung ist deshalb – ggf. nach richterlicher Befragung – auszulegen. 3 Der Begriff der „Personalakte“ ist nicht körperlich zu verstehen. Deshalb darf selbstverständlich die aus der Personalakte entfernte Abmahnung nicht an anderer Stelle aufgehoben werden. 4 Eine Frist zur Geltendmachung des Entfernungsanspruchs besteht nicht. Allerdings greifen tarifvertragliche Verfallklauseln (BAG v. 25.4.1972, DB 1972, 1783 zu § 70 BAT; LAG Hamm v. 21.10.1980, EzA § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 27). Im Übrigen kommt schon nach kurzer Zeit eine Verwirkung des Entfernungsanspruchs in Betracht (str., dazu BAG v. 13.3.1987, NZA 1987, 518). Allerdings bedeutet die Verwirkung des Entfernungsanspruchs keineswegs, dass der Arbeitnehmer sich in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess nicht mehr darauf berufen könnte, die Abmahnung sei zu Unrecht erfolgt. 5 Ein Antrag auf Widerruf muss den Adressatenkreis klar bezeichnen, gegenüber dem widerrufen werden soll. Der Antrag ist begründet, wenn die unwahre Tatsachenbehauptung nicht nur in der Abmahnung enthalten ist, sondern auch noch gegenüber anderen Personen kundgegeben worden und dadurch das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters verletzt worden ist. Der Widerruf von bloßen Werturteilen und Meinungsäußerungen kann grundsätzlich nicht durchgesetzt werden.

Diller

619

13.4

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.4

nen Abteilungsversammlung am . . . vor allen Mitarbeitern der . . .-abteilung wiederholt. Am nächsten Tag wurde der Kl. wegen des angeblichen Diebstahls schriftlich abgemahnt, die Abmahnung wurde zu den Personalakten genommen. Beweis: Abmahnung vom . . ., Anlage K 1. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Vorwürfe gegenüber dem Kl. unrichtig waren. Ein anderer Mitarbeiter der Abteilung, der über einen Zweitschlüssel verfügte, hat inzwischen gegenüber der Geschäftsleitung den Diebstahl zugegeben. Beweis:6 Zeugnis des Personalleiters, zu laden über die Bekl. Der Kl. hat daraufhin die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte und einen Widerruf der ehrverletzenden Äußerungen gegenüber den anderen Mitarbeitern der Abteilung verlangt. Der Personalleiter der Bekl. hat dies jedoch mit der Begründung verweigert, man könne Schriftstücke, die einmal zu den Personalakten gelangt seien, nicht einfach wieder daraus entfernen. Man habe aber eine Gegendarstellung des Kl. ebenfalls zur Personalakte genommen. Einen Widerruf irgendwelcher Behauptungen gegenüber anderen Mitarbeitern könne der Kl. nicht verlangen. Die Auffassung der Bekl. ist unrichtig. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Arbeitnehmer sich bei einer inhaltlich falschen Abmahnung nicht damit begnügen, eine Gegendarstellung zu den Akten zu erreichen (BAG v. 13.10.1988, NZA 1989, 716). Auf Grund der im besonderen Maß ehrverletzenden Behauptungen steht dem Kl. ausnahmsweise auch ein Anspruch auf Widerruf zu.7 ... (Unterschrift)8 6 Der Arbeitgeber trägt die Beweislast dafür, dass die abgemahnten Vorwürfe zutreffen. Umfasst die Abmahnung mehrere Vorwürfe, so ist der Entfernungsanspruch schon dann begründet, wenn auch nur einer der Vorwürfe falsch ist. Allerdings ist der Arbeitgeber nicht daran gehindert, die zutreffenden Vorwürfe erneut abzumahnen (statt aller LAG Düsseldorf v. 18.11.1986, NZA 1987, 354; LAG Köln v. 12.3.1986, LAGE § 611 BGB Abmahnung Nr. 3). Im Übrigen kann eine Abmahnung auch dann wegen Unverhältnismäßigkeit aus der Personalakte zu entfernen sein, wenn zwar die Vorwürfe sachlich zutreffen, aber durch abwertende Beurteilungen („Trunkenbold“, „Versager“ etc.) in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen wurde (LAG Schl.-Holst. v. 31.7.1986, DB 1987, 236). 7 Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO, da die Entfernung aus der Personalakte eine unvertretbare Handlung ist. Theoretisch wäre zwar denkbar, die Abmahnung durch den Gerichtsvollzieher aus der Akte entnehmen zu lassen. Allerdings enthält das stattgebende Urteil zugleich die Verpflichtung des Arbeitgebers, keine gleichartige neue Abmahnung auszusprechen. Deshalb erscheint die Vollstreckung nach § 888 ZPO zweckmäßiger. Ggf. kann der Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG gestellt werden (s. M 108.2). Der im Muster mit Antrag Ziff. 2 geltend gemachte Anspruch auf Widerruf ist auf jeden Fall nur nach § 888 ZPO vollstreckbar. 8 Die Rechtsprechung der Instanzgerichte zum Streitwert ist unterschiedlich. Angesetzt werden üblicherweise zwischen einem halben (LAG Rh.-Pf. v. 2.7.1982, DB 1982, 2091) und einem vollen Monatsgehalt (LAG Hamm v. 5.7.1984, NZA 1984, 236; LAG Berlin v. 7.2.2006 – 17 Ta (Kost) 6003/06). Treten – wie im Muster – neben dem standardmäßig geltend gemachten Verlangen auf Entfernung der Abmahnung noch zusätzliche Klageanträge hinzu, zB auf Widerruf, kommt eine Erhöhung des Streitwerts um ein weiteres halbes Bruttomonatsgehalt in Betracht (LAG Schl.-Holst. v. 13.12.2000 – 6 Ta 168/00, NZA-RR 2001, 496; Arb Düsseldorf v. 17.10.2000 – 11 Ca 2411/00, AE 2000, Nr. 558). Bei zahlreichen kurz aufeinander folgenden Abmahnungen ist es angemessen, nur für die erste einen Wert von einem Monatsgehalt anzusetzen, für die weiteren nur noch je ein Drittel davon (LAG Rh.-Pf. v. 23.4.2009, AE 2009, Nr. 347 und v. 20.4.2007, AE 2007, Nr. 427).

620 Diller

M 13.5

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

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Klage des Arbeitgebers auf Schadensersatz1, 2 An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)3 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen:

Der Beklagte wird verurteilt, Euro 8000,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz4 seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen. 1 Der Fall ist der BAG-Entscheidung v. 12.11.1998 (DB 1999, 288) nachgebildet. 2 Viele Tätigkeiten, die von Arbeitnehmern ausgeführt werden, sind typischerweise schadensund haftungsanfällig. Paradebeispiel ist der Berufskraftfahrer. Auch bei Anspannung aller Sorgfalt gelingt es nur wenigen Berufskraftfahrern, ein ganzes Berufsleben ohne verschuldeten Unfall zu überstehen. Schon seit den Zeiten des Reichsgerichts ist anerkannt, dass das Haftungsrecht des BGB auf die Arbeitnehmerhaftung nicht ohne weiteres angewendet werden kann. Die Einzelheiten waren jedoch immer umstritten. Kaum eine arbeitsrechtliche Materie hat so viele Kehrtwendungen der Rechtsprechung erlebt wie die Arbeitnehmerhaftung, teilweise bedingt durch einen häufigen Wechsel der Zuständigkeiten der BAG-Senate. Zuletzt hat der Große Senat des BAG mit Entscheidung v. 27.9.1994 (NZA 1994, 1083) den Weg für ein völlig neues Haftungskonzept freigemacht. Bis dahin hatte die Rechtsprechung Haftungserleichterungen grundsätzlich davon abhängig gemacht, dass der Schaden anlässlich einer so genannten „gefahrgeneigten Tätigkeit“ entstanden war. Als gefahrgeneigt wurde insbesondere das Autofahren angesehen. Die Beschränkungen der Haftungserleichterungen auf gefahrgeneigte Tätigkeiten führte allerdings zu schweren Unbilligkeiten in solchen Fällen, in denen bei nicht-gefahrgeneigten Tätigkeiten außerordentlich hohe Schäden entstanden (zB BAG v. 12.2.1985, AP Nr. 86 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers: Fallenlassen eines Säuglings durch eine Kinderkrankenschwester). Nach der nunmehr maßgeblichen Entscheidung des Großen Senats des BAG v. 27.9.1994 (NZA 1994, 1083) haftet der Arbeitnehmer bei jeder betrieblich veranlassten Tätigkeit ohne Rücksicht auf eine Gefahrgeneigtheit bei Vorsatz grundsätzlich voll und bei leichter Fahrlässigkeit überhaupt nicht. Bei mittlerer Fahrlässigkeit besteht eine anteilige Haftung, die von den meisten Instanzgerichten auf ein halbes bis ein Monatsgehalt begrenzt wird (zB LAG Nürnberg v. 18.4.1990, LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 14). Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer im Regelfall voll. Allerdings sind Haftungserleichterungen auch bei grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen, wenn der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko steht (BAG v. 12.11.1998, DB 1999, 288; v. 12.10.1998, DB 1999, 48). Eine Haftungserleichterung soll nach verbreiteter Auffassung (BAG v. 12.11.1998, DB 1999, 288) insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Schaden drei Bruttomonatsverdienste deutlich übersteigt. Die Schadensverteilung erfolgt unter Würdigung der Gesamtumstände von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Bei der Abwägung zu berücksichtigen sind der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahren der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes und durch Versicherung abdeckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb sowie die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Ferner gehören hierzu die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten (zusammenfassend BAG v. 17.9.1998, DB 1998, 2610). Alle Einzelheiten sind streitig (vgl. nur MünchArbR/Reichold, §§ 51–53). 3 S. M 101.1 und M 101.2. 4 Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7.

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

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Begründung: Der Bekl. ist seit ca. fünf Jahren bei der Kl. als Kraftfahrer mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von Euro 2 500,– angestellt. Die Kl. betreibt eine internationale Spedition. Am . . . war der Bekl. mit einem LKW der Kl. in . . . unterwegs. Der LKW ist mit einem Mobilfunktelefon mit Freisprechanlage ausgerüstet. Während der Fahrt hatte der Bekl., der allein fuhr, neben sich auf dem Beifahrersitz wie üblich einen Ordner mit Kundenunterlagen liegen. Gegen 10.10 Uhr befuhr der Kl. mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h in . . . die . . . Straße, eine zweispurige Ausfallstraße. Als er noch ca. 500m von der Ampelanlage an der Kreuzung . . . Straße entfernt war, klingelte im Fahrzeug das Mobiltelefon. Der Kl. nahm das Telefonat an. Der Anruf kam von einem Arbeitskollegen im Betrieb, der den Bekl. nach bestimmten Kundeninformationen fragte. Um die Frage beantworten zu können, beugte sich der Bekl. bei voller Fahrt zum Beifahrersitz herunter und blätterte in dem dort liegenden Ordner mit Kundenunterlagen. Deshalb übersah der Bekl. das Rotlicht an der Kreuzung . . ./. . . Straße. Auf der Kreuzung kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem der LKW erheblich beschädigt wurde. Beweis5 für alles Vorstehende: 1. Polizeibericht, Anlage K 1 2. Schriftliche Einlassung des Bekl., Anlage K 2 An dem LKW entstand ein Schaden von Euro 8 000,–. Beweis: Rechnung der Werkstatt, Anlage K 3 Der Bekl. hat den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Man mag darüber streiten, ob schon die Entgegennahme des Telefonanrufs bei voller Fahrt grob fahrlässig war. Grob fahrlässig war aber jedenfalls das Blättern in den auf dem Beifahrersitz liegenden Unterlagen. Es leuchtet jedem ein, dass man dem Verkehrsgeschehen nicht mehr folgen kann, wenn man Unterlagen studiert. Der Kl. hätte entweder den Anruf von vornherein nicht annehmen dürfen oder seinem anrufenden Arbeitskollegen mitteilen müssen, dass er im Moment nicht in der Lage sei, die Frage zu beantworten. Er hätte ohne weiteres zunächst anhalten und dann zurückrufen können. Ein Mitverschulden6 der Kl. liegt nicht vor. Der anrufende Mitarbeiter konnte nicht wissen, ob der LKW zur Zeit des Anrufs stand oder fuhr. Ihm (und nach § 278 BGB damit 5 Problematisch ist die wechselseitige Darlegungs- und Beweislast. Nach § 619a BGB ist der Arbeitgeber im Haftungsprozess hinsichtlich des Verschuldens des Arbeitnehmers und insbesondere hinsichtlich des Verschuldensgrads vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig. Allerdings muss der Arbeitnehmer sich im Sinne einer gestuften Darlegungslast substantiiert zu den schadensverursachenden Umständen einlassen, wenn er darüber informiert ist. Insbesondere wenn der Schaden in der Sphäre des Arbeitnehmers eingetreten ist (zB bei Kraftfahrern oder Kassenpersonal), muss der Arbeitnehmer sich zu den konkreten Umständen des Schadensfalles erklären. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, können daraus „entsprechende Schlüsse gezogen werden“. Kommt jedoch der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast nach und bleibt der Sachverhalt streitig, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers. 6 Liegt ein Mitverschulden des Arbeitgebers vor, ist der Schaden kumulativ zu der ohnehin bestehenden Haftungserleichterung für Arbeitnehmer noch nach § 254 BGB anteilig zu verringern (BAG v. 3.11.1970, AP Nr. 61 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers).

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Fehlverhalten, AGG und Mobbing

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auch der Kl.) kann nicht vorgeworfen werden, dass der Kl. während der Fahrt angerufen wurde. Auch die Installation des Mobilfunktelefons im LKW für sich allein begründet noch kein Mitverschulden. Die Haftung des Bekl. ist auch nicht nach den Grundsätzen der eingeschränkten Haftung des Arbeitnehmers gemindert. Bei grob fahrlässig verursachten Schäden haftet der Arbeitnehmer in aller Regel selbst voll. Über eine Haftungsteilung bei grober Fahrlässigkeit könnte man allenfalls dann nachdenken, wenn die Haftungssumme einen Betrag von drei Bruttomonatsgehältern deutlich übersteigen würde. Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Der Schaden liegt nur ganz knapp über einem Betrag von drei Bruttomonatsgehältern. ... (Unterschrift)7 7 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Betrag.

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Klage des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Mankohaftung1 An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)2 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen:

Die Beklagte wird verurteilt, Euro 615,38 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz3 seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen. 1 Ebenso wie die Rechtsprechung zur allgemeinen Arbeitnehmerhaftung (s. M 13.5) hat sich auch die Rechtsprechung zur Mankohaftung für Kassenfehlbestände im Laufe der Zeit mehrfach geändert (ausf. Schwirtzek, NZA 2005, 437). Das BAG hat mit Urteil v. 17.9.1998 (DB 1998, 2610) seine Rechtsprechung systematisiert und teilweise auch modifiziert. Nach dieser Entscheidung gelten die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auch im Zusammenhang mit der Verwahrung und Verwaltung eines dem Arbeitnehmer überlassenen Waren- oder Kassenbestandes. Zwar lässt ein entstandener Fehlbestand darauf schließen, dass eine Pflichtverletzung vorliegt. Auf einen bestimmten Grad des Verschuldens lässt der Eintritt eines Fehlbestandes dagegen nicht schließen. Wenn der Arbeitnehmer – wie im vorliegenden Fall – seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nachgekommen ist oder mangels Kenntnis über den Schadenseintritt nicht nachkommen kann, und sich daraus keine Anhaltspunkte für eine mehr als nur leichte oder mittlere Fahrlässigkeit ergeben, haftet der Arbeitnehmer folglich nicht. Die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt nach § 619a BGB im Arbeitsrecht grundsätzlich nicht (vgl. M 13.5 Fn. 5). 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7.

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

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Begründung: Die Kl. betreibt einen Lebensmittel-Supermarkt. Die Bekl. ist seit ca. fünf Jahren als Kassiererin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Bekl. enthielt – wie die Arbeitsverträge aller Kassiererinnen der Kl. – in § . . . eine Mankoabrede. Danach erhielt die Bekl. ein monatliches Mankogeld von Euro 60,–. Zugleich war vereinbart, dass die Bekl. für Kassenfehlbestände in Höhe von maximal Euro 700,– pro Jahr haften sollte (ausgenommen bei Vorsatz).4 Beweis: Arbeitsvertrag vom . . ., Anlage K 1 Am . . . übernahm die Bekl. morgens um 9.00 Uhr eine Kasse mit einem Wechselgeldbestand von Euro 1 000,–. Als die Bekl. abends um 17.00 Uhr ihre Schicht beendete und abrechnete, ergab sich unstreitig ein Kassenfehlbetrag von Euro 615,38. Wie ebenfalls unstreitig ist, hatte während des gesamten Tages ausschließlich die Bekl. Zugang zur Kasse. Soweit die Bekl. an dem Tag Pausen machte oder die Arbeit aus sonstigen Gründen kurzfristig unterbrach, schloss sie die Kasse ab und nahm den Schlüssel mit. Die Bekl. hat außergerichtlich die Zahlung des Mankobetrages mit der Begründung verweigert, an dem Fehlbestand treffe sie keine Schuld. Sie habe den ganzen Tag voll konzentriert und aufmerksam die Kasse bedient. Den Fehlbetrag könne sie sich nicht erklären. Möglicherweise sei sie das Opfer eines Trickbetrügers geworden. Im Übrigen könne sie nicht ausschließen, dass während der Pausen ein anderer Mitarbeiter mit seinem Schlüssel die Kasse bedient oder geöffnet habe. Beide Einwände schlagen nicht durch. Auf Grund der Mankoabrede im Arbeitsvertrag hat die Bekl. die volle Haftung ohne Rücksicht auf Verschulden übernommen. Dass während der Abwesenheitszeiten der Bekl. kein anderer Mitarbeiter die Kasse mit seinem Schlüssel geöffnet hat, lässt sich auf Grund der elektronischen Aufzeichnungen des Kassenautomaten belegen. Beweis: Sachverständigengutachten, zu erstatten von . . .

4 Die vom BAG geschaffenen Regeln über die Haftungsverteilung im Arbeitsrecht sind grundsätzlich zwingendes Recht. Von diesen Regeln kann weder einzel- noch kollektivvertraglich zu Lasten der Arbeitnehmer abgewichen werden (BAG v. 17.9.1998, DB 1998, 2610). Gleichwohl sind nach dieser Rechtsprechung Mankoabreden, nach denen der Arbeitnehmer für einen aufgetretenen Waren- oder Kassenfehlbestand ohne Rücksicht auf Verschulden haften soll, nicht schlechthin unzulässig. Allerdings setzen solche Mankoabreden zunächst voraus, dass sie sich auf Bereiche beschränken, die der Arbeitnehmer unter Ausschluss anderer Arbeitnehmer kontrollieren kann. Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Mankoabrede ist, dass der Arbeitnehmer die Chance erhalten muss, durch Aufmerksamkeit einen finanziellen Überschuss zu erzielen. Da eine Mankoabrede notwendigerweise auch Sachverhalte erfasst, in denen der Arbeitnehmer nach allgemeinen Grundsätzen überhaupt nicht (kein Verschulden oder leichte Fahrlässigkeit) oder nur anteilig (mittlere Fahrlässigkeit) haften würde, darf eine Haftung auf Grund einer Mankoabrede die Summe der gezahlten Mankogelder nicht übersteigen. Der Arbeitgeber muss also entweder ein gesondertes Mankogeld oder eine angemessene Gehaltserhöhung gewähren, und zugleich, bezogen auf einen bestimmten Ausgleichszeitraum (zB ein Kalenderjahr), die Mankohaftung des Arbeitnehmers auf einen geringeren Betrag begrenzen. Haftungsfälle wegen vorsätzlichen Verhaltens des Arbeitnehmers können allerdings von der Mankoabrede ausgenommen werden. Im vorliegenden Fall liegt die Haftungshöchstgrenze (Euro 700,–) unterhalb der Jahres-Summe der Mankogelder (Euro 720,–), so dass gegen die Wirksamkeit der Mankoabrede keine Bedenken bestanden.

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Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

Die Klage ist erforderlich, da eine Aufrechnung des Fehlbetrages mit Gehaltsansprüchen der Bekl. nicht mehr möglich ist. Die Bekl. ist inzwischen bei der Kl. ausgeschieden, Lohn und Gehalt sind vollständig abgerechnet. ... (Unterschrift)5 5 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Betrag.

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Arrest und Arrestpfändung wegen Unterschlagung1, 2 An das Arbeitsgericht3 In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)4

vertreten wir die Antragstellerin. Eine Vollmacht ist als Anlage AS 1 beigefügt. Namens und im Auftrag der Antragstellerin beantragen wir – wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – den Erlass folgenden Arrestbefehls und Arrestpfändungsbeschlusses: 1. Wegen einer Forderung der Antragstellerin in Höhe von Euro 428 611,32 wird der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen des Antragsgegners angeordnet. 2. Die Vollziehung des Arrests wird durch Hinterlegung durch den Antragsgegner in Höhe von Euro 428 611,32 gehemmt. 1

Praxistipp: Es empfiehlt sich, den Antrag persönlich beim Arbeitsgericht abzugeben, sich dort sofort das Aktenzeichen geben zu lassen und dann den Antrag zusammen mit dem Geschäftsstellenbeamten persönlich zu dem zuständigen Richter zu bringen. Mit diesem kann dann sofort das weitere zeitliche Vorgehen erörtert werden. Das ist wichtig, um Vollstreckungsmaßnahmen (insbesondere Zustellung durch den Gerichtsvollzieher) koordinieren zu können. 2 Gibt das Arbeitsgericht dem Arrestantrag statt, kann der Antragsgegner Widerspruch nach §§ 936, 924 ZPO einlegen. Über die Rechtmäßigkeit des erlassenen Arrestes ist dann nach mündlicher Verhandlung durch Endurteil zu entscheiden (§§ 936, 924 Abs. 2 Satz 2, 925 Abs. 1 ZPO). Gegen das Endurteil kann die unterliegende Partei nach den allgemeinen Regeln Berufung einlegen. Hat das Arbeitsgericht dagegen den Arrestantrag ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen, kann der Antragsteller Beschwerde zum LAG einlegen (§ 78 Abs. 1 ArbGG). Der Antragsteller sollte sich mit der Einlegung von Rechtsbehelfen nach Möglichkeit beeilen. Bei vielen Arbeitsrichtern entstehen massive Zweifel an der Eilbedürftigkeit einer Angelegenheit, wenn der Antragsteller Rechtsmittelfristen voll ausschöpft oder gar verlängern lässt. 3 Streitig ist, ob wahlweise auch das Amtsgericht als Arrestgericht zuständig sein kann (bejahend Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 1; aA Koch, NJW 1991, 1858). Es ist jedoch nicht ersichtlich, welche Vorteile es haben sollte, den Antrag beim Amtsgericht statt beim Arbeitsgericht zu stellen. 4 S. M 101.1 und M 101.2.

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

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3. In Vollziehung des Arrestes werden die Forderungen des Antragsgegners auf Zahlung und Leistung jeglicher Art aus seiner gesamten Geschäftsverbindung mit der Kreissparkasse . . . (Adresse), vertreten durch den Vorstand . . ., insbesondere aus dem Konto Nr. . . ., bis zum Höchstbetrag von Euro 428 611,32 gepfändet.5 Der Antragsgegner hat sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten. Der Drittschuldner darf an den Antragsgegner nicht mehr leisten. Begründung: 1. Sachverhalt Der AGg. war bis zum . . . kaufmännischer Leiter der ASt. Ihm oblag unter anderem die Prüfung eingehender Rechnungen. Wurden eingehende Rechnungen von ihm als „sachlich und rechnerisch i. O.“ abgezeichnet, wies die Buchhaltung entsprechende Überweisungen an. Zusammen mit seiner Ehefrau hat der AGg. eine Briefkastenfirma mit Namen „XY Technical Services Ltd.“ mit Sitz auf Jersey (Kanalinseln) gegründet. Diese Firma stellte der ASt. in der Zeit zwischen November . . . und Januar . . . insgesamt fünf Rechnungen über einen Gesamtbetrag von Euro 428 611,32. Diesen Rechnungen lagen keinerlei Leistungen zugrunde. Der AGg. zeichnete die Rechnungen ab und veranlasste deren Überweisung. Die Einzelheiten ergeben sich aus einem umfassenden Geständnis, das der AGg. inzwischen gegenüber der Staatsanwaltschaft abgelegt hat. Beweis: Geständnis des AGg., Anlage AS 2 Den Inhalt des Geständnisses machen wir zum Inhalt unseres Vortrags. Das Anstellungsverhältnis mit dem AGg. wurde unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorfälle fristlos gekündigt. Zugleich hat die ASt. den AGg. zur Wiedergutmachung des Schadens aufgefordert. Der AGg. hat jedoch erklärt, das unterschlagene Geld sei nicht mehr vorhanden, er habe es „in diversen Spielbanken durchgebracht“. Die ASt. hat jedoch große Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben. Gerüchten zufolge soll der AGg. insbesondere ein größeres Wertpapierdepot bei der Kreissparkasse . . . haben, dessen Pfändung im Wege des Arrestes hiermit beantragt wird. Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende überreichen wir als Anlage AS 3 eine eidesstattliche Versicherung des Prokuristen der ASt . . . . 2. Rechtslage6 Der Arrestanspruch ergibt sich aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. §§ 263, 266 StGB. Der AGg. hat veranlasst, dass die ASt. die mit dem Arrestantrag geltend gemachten Beträge auf Luftrechnungen einer Scheinfirma gezahlt hat. 5 Die Verbindung von Arrestantrag und Pfändungsantrag ist nach einhelliger Auffassung ohne Weiteres zulässig (Dunkl in Dunkl/Moeller, Rz. A 414; Zöller/Vollkommer, § 930 ZPO Rz. 3). 6 Praxistipp: Arrestverfahren vor dem Arbeitsgericht kommen nur recht selten vor. Deshalb fehlt es insoweit bei vielen, insbesondere jüngeren Arbeitsrichtern an jeglicher Erfahrung. Es empfiehlt sich deshalb, in der Antragsschrift ausführlich nicht nur zum Sachverhalt vorzutragen, sondern vor allem auch zu den prozessualen Einzelheiten (mündliche Verhandlung, Gerichtsstand, Besetzung der Kammer, Verbindung mit Vollstreckungsanträgen etc.). Das erspart zum einen dem Richter unnötige Recherche, zum anderen verringert sich die Wahrscheinlichkeit prozessualer Fehler. Vor allem aber wird ein Richter, der vom Antragsteller „an die Hand genommen“ wird, nicht nach Möglichkeiten suchen, den Antrag wegen irgendwelcher Formalitäten zurückzuweisen und sich dadurch Arbeit zu ersparen.

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M 13.7

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

Ein Arrestgrund ist regelmäßig dann gegeben, wenn der Arrestanspruch – wie im vorliegenden Fall – aus einer gegen den Gläubiger (hier: die ASt.) gerichteten Straftat stammt (BGH v. 24.3.1983, WM 1983, 614; LAG Hessen v. 12.1.1965, NJW 1965, 989). Hinsichtlich der mit dem Antrag Ziff. 3 beantragten Pfändung ergibt sich der Gerichtsstand aus § 930 Abs. 1 Satz 3 ZPO, wonach für die Pfändung einer Forderung das Arrestgericht als Vollstreckungsgericht zuständig ist. Gemäß § 922 Abs. 1 ZPO ist eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung möglich und auch dringend geboten. Gerade die zu arrestierenden Kontoguthaben ließen sich bei Erhalt einer Ladung zu einer mündlichen Verhandlung binnen weniger Minuten in bar abheben oder unerreichbar ins Ausland transferieren. Das Arrestverfahren wäre damit weitgehend sinnlos. Eine Sicherheitsleistung ist gemäß § 921 ZPO nicht anzuordnen. Arrestanspruch und Arrestgrund sind glaubhaft gemacht. Von der bloßen Pfändung des Kontos drohen dem AGg. keine nennenswerten Nachteile. Es wird darum gebeten, drei Ausfertigungen des beantragten Beschlusses zu erteilen, um neben der Zustellung bei der Drittschuldnerin7 auch die Zustellung beim AGg. innerhalb der Wochenfrist des § 929 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu gewährleisten. Im Übrigen wird darum gebeten, mit dem Unterzeichner oder seinem Vertreter Rechtsanwalt . . . unter der Tel.-Nr. . . . Kontakt aufzunehmen,8 falls das Gericht Bedenken gegen den Antrag haben sollte. Dies gilt insbesondere, wenn das Gericht Arrestanspruch und Arrestgrund für nicht ausreichend halten sollte, Bedenken hinsichtlich der ausreichenden Glaubhaftmachung hat oder sonstige Zweifel an Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags bestehen. Gleiches gilt, falls das Gericht beabsichtigen sollte, Sicherheitsleistungen anzuordnen. ... (Unterschrift)9 7 Erlässt das Arbeitsgericht den beantragten Arrest nebst Arrestpfändung, so ist es zweckmäßig, zunächst den Pfändungsbeschluss beim Drittschuldner zuzustellen und erst danach den Arrestbeschluss beim Antragsgegner. Gerade bei Bankkonten reichen sonst wenige Minuten, um die Vollstreckung zu vereiteln. Hier ist sorgfältige Koordination der beteiligten Gerichtsvollzieher durch den Anwalt erforderlich. Zwischen Zustellung beim Drittschuldner und Zustellung beim Antragsgegner darf allerdings nicht mehr als eine Woche liegen (§ 929 Abs. 3 ZPO). Nach Ablauf eines Monats ist die Vollstreckung des Arrestbefehls nicht mehr zulässig (§ 929 Abs. 2 ZPO). Werden nach Ablauf eines Monats neue Vollstreckungsobjekte bekannt, kann jedoch ohne Weiteres ein neuer Arrest beantragt und dann aus diesem vollstreckt werden. 8 Praxistipp: Die Bitte um telefonische Kontaktaufnahme zur Behebung von Zweifeln an der Begründetheit des Antrags sollte bei einem Arrestantrag nie fehlen. Zum einen ergibt sich dadurch die Möglichkeit, kurzfristig nachzubessern, falls Kleinigkeiten fehlen (zB Glaubhaftmachung, vergessene Anlagen etc.). Zum anderen ergibt sich so die Möglichkeit, den Antrag ggf. zurückzunehmen, wenn der Richter erkennen lässt, dass er ihm nicht stattgeben wird. Die Rücknahme hat den Vorteil, dass keine Kosten anfallen und der Gegner nicht aufgeschreckt wird. 9 Hinsichtlich des Streitwerts ist das Interesse des Antragstellers an der Sicherung seiner Forderung maßgeblich (§ 3 ZPO). Ausgangspunkt ist der Wert der Hauptsache. In der Rechtsprechung wird das Sicherungsinteresse je nach den Umständen des Einzelfalls mit einem Bruchteil zwischen einem Viertel und der Hälfte des Werts der zu sichernden Forderung angesetzt (OLG Frankfurt v. 9.11.1983, AnwBl 1984, 94). Der Streitwert für das Arrestverfahren wird durch die Vollziehung (Pfändung einer Forderung) nicht erhöht. Neben dem Streitwert für das Arrestverfahren hat dann aber die Vollziehung zusätzlich ihren eigenen Wert (§ 25 RVG), der

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Fehlverhalten, AGG und Mobbing

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allerdings den Wert der Anordnung nicht übersteigen kann (OLG Köln v. 31.3.1993, JurBüro 1994, 113; ausf. Schneider, JurBüro 1977, 1516).

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Klage des Arbeitnehmers wegen Mobbing

An das Arbeitsgericht . . . In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage2 und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Schadensersatz von Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz3 seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen. 2. Die Beklagte wird verurteilt, ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch Euro . . . nicht unterschreiten sollte,4 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz5 seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen. 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz aller weiteren Schäden und Nachteile verpflichtet ist, die dem Kläger durch die in der nachfolgenden Klagebegründung dargelegten Mobbingaktivitäten der Mitarbeiter der Beklagten X, Y und Z entstanden sind.6 4. Die Beklagte wird verpflichtet, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Mobbinghandlungen der Kollegen X, Y und Z, insbesondere solche, wie sie in der nachfolgenden Klageschrift beschrieben sind, künftig zu verhindern. 5. Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, solange die Beklagte ihren Verpflichtungen gemäß Klageantrag Ziff. 4 nicht nachkommt. 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Unter bestimmten (sehr eingeschränkten) Voraussetzungen kann auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht kommen (dazu Wickler, DB 2002, 477, 483; LAG Thüringen v. 10.4.2001, BB 2001, 1358, LS 7–9). 3 Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7. 4 Wichtig: Es ist ein Kunstfehler, Schmerzensgeld in unbestimmter Höhe einzuklagen, ohne eine Mindesthöhe anzugeben. Denn dann fehlt die für eine Berufung erforderliche Beschwer, wenn das Gericht nur einen niedrigen Betrag zuerkennt. 5 S. M 101.3 Fn. 5–7. 6 Eine Feststellungsklage auf weiteren Schadensersatz muss präzise umschreiben, aus welchen Handlungen sich der Ersatzanspruch ergeben soll. Dies kann durch Verweis auf ausführliche Darlegungen in der Klageschrift geschehen. Nicht ausreichend ist beispielsweise der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht „wegen Mobbingaktionen in den Jahren 1998 bis 2000“ (LAG Rh.-Pf. v. 28.8.2001 – 5 Sa 521/01, nv.).

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Fehlverhalten, AGG und Mobbing

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I. Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. seit mehr als zehn Jahren als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Im Februar letzten Jahres erhielt er eine verhaltensbedingte Kündigung wegen angeblich mangelhafter Leistungen. Gegen diese Kündigung erhob der Kl. Kündigungsschutzklage. Im Kammertermin im Juli letzten Jahres nahm die Bekl. die Kündigung zurück, nachdem das Arbeitsgericht erläutert hatte, dass es die Kündigung aus verschiedenen Gründen für unwirksam halte. Eine von der Bekl. angebotene Abfindung in Höhe von Euro 50 000,– nahm der Kl. nicht an, vielmehr bestand er auf Weiterbeschäftigung. Offenbar versucht die Bekl. nunmehr, den Kläger durch gezieltes „Mobbing“ aus dem Betrieb herauszuekeln, nachdem sie dies mit der Kündigung nicht erreicht hat. Auf jeden Fall ist festzustellen, dass der Kl. seit Juli vergangenen Jahres ständigen unethischen Angriffen seines Vorgesetzten X sowie seiner beiden Abteilungskollegen Y und Z ausgesetzt ist. Aus der Vielzahl ähnlicher Vorfälle seien nur Folgende herausgegriffen:7 a) Am 17.6. vergangenen Jahres kam der Vorgesetzte X in das Zimmer des Kl. und . . . (wird ausgeführt). b) Am 19.6. bemerkte der „Kollege“ Y während des mittäglichen Kantinenessens im Vorbeigehen zum Kl.: „. . .“ (wörtliches Zitat). c) . . . ... Trotz mehrmaliger mündlicher und schriftlicher Aufforderungen hat die Bekl. nichts getan, um das Verhalten des Vorgesetzten X sowie der Mitarbeiter Y und Z abzustellen (wird ausgeführt). II. Rechtslage 1. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 begehrt der Kl. Schadensersatz wegen Verdienstausfalls. Auf Grund der fortgesetzten Mobbing-Attacken ist er seit dem 15.3. dieses Jahres krankgeschrieben. Nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung gemäß EFZG erhält er Krankengeld von der zuständigen Krankenkasse. Dieses Krankengeld liegt pro Monat um Euro . . . unter den letzten vertragsgemäßen Bezügen. Der Differenzbetrag wird mit der Klage für die Monate seit März geltend gemacht, dies ergibt insgesamt den eingeklagten Betrag. Die Bekl. ist insoweit ersatzpflichtig aus dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung (§§ 278, 280 BGB) sowie aus Delikt (§§ 831, 823 BGB). Die oben dargestellten Vorfälle zeigen deutlich, dass X, Y und Z nach einem gemeinsamen Plan mit einem gemeinsamen Ziel vorgehen, welches von der Unternehmensleitung der Bekl. gebilligt wird (wird ausgeführt). Die Voraussetzungen der §§ 278, 831 BGB sind damit gegeben.8 7 Ein großes Problem bei Mobbingklagen ist die Darlegung des Sachverhalts durch den Kläger. Da Mobbing begrifflich ein fortgesetztes Verhalten voraussetzt, welches sich aus vielen kleinen Einzelaktionen zusammensetzt, muss der Kläger sich die Mühe machen, zumindest so viele einzelne Vorfälle substantiiert vorzutragen, dass sich daraus das erforderliche Gesamtgeschehen ergibt (dazu instruktiv LAG Bremen v. 17.10.2002, LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 5: Kein Prima-facie-Beweis, wenn der Kläger nur neun Vorfälle innerhalb der letzten 3 1/ 2 Jahre vorträgt). 8 Für eine Haftung des Arbeitgebers nach § 831 BGB reicht nicht aus, dass das Mobbing durch Arbeitskollegen im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stattgefunden hat. Vielmehr setzt § 831 BGB voraus, dass das Handeln der angeblich mobbenden Kollegen

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Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.8

2. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 begehrt der Kl. Schmerzensgeld9 wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts, aber auch wegen der durch die Mobbingattacken erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen. Ob diese Beeinträchtigungen nur schuldrechtlich als Vertragsverletzung (§§ 278, 280 BGB) oder auch als deliktisch (§§ 831, 823 BGB) anzusehen sind, spielt nach der Reform des Schadensrechts im Jahr 2002 keine Rolle mehr, da gemäß § 253 Abs. 2 BGB nunmehr auch im Fall der Vertragsverletzung Schmerzensgeldansprüche bestehen. 3. Mit dem Klageantrag Ziff. 3 begehrt der Kl. vorsorglich die Feststellung, dass die Bekl. ihm auch alle weiteren Schäden zu ersetzen hat, die er möglicherweise in Zukunft noch durch die Mobbing-Attacken erleidet.10 4. Der Klageantrag Ziff. 4 ist begründet, weil die Bekl. auf Grund ihrer allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzpflichten verpflichtet ist, die Mobbing-Aktivitäten des Vorgesetzen X sowie der Kollegen Y und Z abzustellen (wird ausgeführt).11 5. Der Klageantrag Ziff. 5 ist begründet, weil dem Kl. ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zusteht. Dass Zurückbehaltungsrechte nach § 273 BGB in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt, ist unstreitig. Allerdings muss es sich stets um die Nichterfüllung von Pflichten handeln, denen einiges Gewicht zukommt; die Nichterfüllung von Bagatellverpflichtungen löst noch kein Zurückbehaltungsrecht aus. Nach den obigen Darlegungen bedarf es aber keiner weiteren Erläuterungen, dass die Handlungen des Vorgesetzten X sowie der Kollegen Y und Z den Kläger massiv körperlich und seelisch beeinträchtigen, so dass die Verpflichtung der Bekl., solche Übergriffe abzuin dem ihnen übertragenen Aufgabenkreis nach Zweck und Art objektiv in einem engen oder unmittelbaren inneren (sachlichen) Zusammenhang steht (LAG Rh.-Pf. v. 28.8.2001 – 5 Sa 521/01, nv.); dazu auch Kerst-Würkner, ArbuR 2001, 258 f. Im Rahmen des § 278 BGB gelten ohnehin andere Maßstäbe. Macht der Kläger geltend, dass er wegen eines nach § 1 AGG verbotenen Diskriminierungsmerkmals gemobbt worden sei, ist das AGG einschlägig. Dies kann zu einer erweiterten Haftung des Arbeitgebers für Mobbinghandlungen durch Arbeitskollegen führen, insbesondere wenn dem Arbeitgeber ein Organisationsverschulden anzulasten ist, weil er seinen Schulungspflichten nach § 12 AGG nicht nachgekommen ist. 9 Zum Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Mobbings und insbesondere zu dessen Berechnung vgl. LAG Thüringen v. 15.2.2001, BB 2001, 1358 einerseits, LAG Rh.-Pf. v. 16.8.2001, NZA-RR 2002, 121 andererseits. Nach zutreffender Auffassung des LAG Rh.-Pf. orientiert sich die Höhe eines eventuellen Schmerzensgeldes nicht am Monatseinkommen des Geschädigten, sondern an dem Gewicht der Handlungen und den Folgen, insbesondere den eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen. Unter Würdigung aller Umstände hielt das LAG Rh.-Pf. im entschiedenen Fall eine Entschädigung von DM 15 000,– für angemessen. Es hielt zwar die Mobbinghandlungen für außerordentlich schwerwiegend, verneinte aber eine nennenswerte Gesundheitsbeeinträchtigung und hielt im Übrigen eine Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes deshalb nur eingeschränkt für berücksichtigenswert, weil eine gewisse Genugtuung auch schon dadurch eingetreten sei, dass der Kläger diverse Prozesse gegen den Arbeitgeber gewonnen hatte. Beruht das Mobbing auf einem in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmal, ist das AGG einschlägig. Statt Schmerzensgeld ist dann Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG einzuklagen. Die Höhe des Anspruchs ist aber typischerweise unabhängig davon, ob diskriminierungsbedingtes Mobbing vorliegt oder nicht. 10 Für solche Feststellungsanträge besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn ernsthaft in Betracht kommt, dass über die bereits konkret bekannten Schäden hinaus noch weitere eintreten. Das ist bei Gesundheitsverletzungen regelmäßig der Fall. 11 Zum Anspruch des Arbeitnehmers auf Abhilfe statt aller Kerst-Würkner, ArbuR 2001, 258 f.; Wickler, DB 2002, 477. Beruht das Mobbing auf einem nach § 1 AGG verbotenen Diskriminierungsmerkmal, ergibt sich der Abhilfeanspruch unmittelbar aus § 12 Abs. 3 und 4 AGG.

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M 13.10

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

stellen, von außerordentlich großer Bedeutung ist. Die Verletzung dieser Verpflichtung löst deshalb Zurückbehaltungsrechte nach § 273 BGB aus.12 ... (Unterschrift)13 12 Vgl. LAG Thüringen v. 15.2.2001, BB 2001, 1358 (LS 4). 13 Der Streitwert der Anträge Ziff. 1 und 2 entspricht den eingeklagten Bruttobeträgen. Der Streitwert des Antrags Ziff. 3 richtet sich nach der Höhe des zu erwartenden (weiteren) Schadens und der Schadenswahrscheinlichkeit (BGH v. 28.11.1990, MDR 1991, 526). Den Antrag Ziff. 4 wird man mit dem Schmerzensgeld ansetzen müssen, das bei Nichtabstellen des Mobbings für die Zukunft geltend gemacht werden könnte, der Antrag Ziff. 5 ist inhaltlich auf das Gleiche gerichtet und dürfte deshalb keinen eigenen Wert haben.

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13.9

Klage des Arbeitgebers wegen Vertragsbruchs auf Schadensersatz und Vertragsstrafe

Hier kann in vollem Umfang auf das Muster M 1.11 verwiesen werden. Bei Ausscheiden des Arbeitnehmers unter Nichteinhaltung der Kündigungsfrist gilt bezüglich Antragstellung, Schadensberechnung und Rechtslage das Gleiche wie bei Nichtantritt der Arbeitsstelle.

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Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Wettbewerbshandlungen

13.10

Insoweit kann auf das Muster M 25.11 verwiesen werden. Die Durchsetzung der Unterlassungsansprüche bei Verletzung des Wettbewerbsverbots während der Dauer des Arbeitsverhältnisses (egal ob aus § 60 HGB, § 241 BGB oder aus entsprechenden Vertragsklauseln resultierend) richtet sich nach denselben Grundsätzen wie beim Anspruch auf Unterlassung der Verletzung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nach § 110 GewO, §§ 74 ff. HGB.

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Kap. 13

13.11

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Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.11

Klage wegen berechtigter Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers

An das Arbeitsgericht . . . In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage2 und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, seine Arbeitsleistung so lange zurückzuhalten, bis die Beklagte die sexuellen Belästigungen des Klägers seitens seiner Kollegen, insbesondere seitens der Kollegen X und Y, wirksam unterbunden hat.3 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz4 seit dem . . . zu zahlen.5 3. Die Beklagte wird verurteilt, künftig an jedem Monatsersten, beginnend mit dem . . ., Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an den Kläger zu zahlen, soweit der Kläger arbeitsfähig ist, die Gehaltsansprüche nicht wegen längerer Krankheit entfallen, der Kläger nicht unbezahlten Urlaub hat, er leistungswillig bleibt und auch tatsächlich arbeitet und das Arbeitsverhältnis nicht endet.6 Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl., einem Autozulieferer mit 500 Arbeitnehmern, als Lagerarbeiter beschäftigt. Der Kl. bekennt sich offen zu seiner Homosexualität. Er ist deshalb im Betrieb vielfältigen Anfeindungen ausgesetzt, insbesondere seitens seiner Kollegen X 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Unter bestimmten (sehr eingeschränkten) Voraussetzungen kann auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht kommen (dazu Wickler, DB 2002, 477, 483; LAG Thüringen v. 10.4.2001, BB 2001, 1358, LS 7–9). 3 Praxistipp: Es muss sorgfältig überlegt werden, ob eine solche Feststellungsklage taktisch zweckmäßig ist. Sie hat keinen vollstreckbaren Inhalt. Zwar klärt ihre rechtskräftige Entscheidung, ob tatsächlich ein Zurückbehaltungsrecht bestand. Erfahrungsgemäß warten die Parteien aber so lange nicht, sondern entweder der Arbeitnehmer kündigt und macht Schadensersatz nach § 628 BGB geltend oder (häufiger) der Arbeitgeber stellt die Lohnzahlung ein und/oder kündigt außerordentlich wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung. In diesen Fällen werden dann – schon wegen der Vollstreckbarkeit – rasch Leistungsklagen erhoben und das Bestehen/Nichtbestehen eines Leistungsverweigerungsrechts wird dann inzidenter geprüft. Sinnvoll kann die Feststellungsklage allerdings sein, wenn sie – wie im Muster – mit einer Leistungsklage verbunden wird. Diese Berechtigung der Leistungsverweigerung wird zwar inzidenter auch im Rahmen der Zahlungsklage geprüft, die diesbezügliche Feststellung erwächst aber nicht in Rechtskraft. Zur Herbeiführung von Rechtskraft bedarf es einer separaten Feststellungsklage. 4 Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7. 5 Mit diesem Antrag werden die bis zum Kammertermin rückständigen Gehälter eingeklagt. S. dazu allgemein M 101.3. 6 Zur Problematik der Klage auf künftige Vergütung s. ausführlich M 12.29.

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M 13.11

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

und Y (wird ausgeführt). Der Kl. hat von der Bekl. wiederholt, nämlich schriftlich am . . ., am . . . und am . . . verlangt, dass diese wirksam gegen die Belästigungen des Kl. vorgeht. Beweis: Schreiben des Kl. vom . . ., vom . . . und vom . . ., Anlagenkonvolut K 1 Auch der Betriebsratsvorsitzende A hat sich mehrfach, nämlich mit Schreiben vom . . . und . . . für einen wirksamen Schutz des Kl. eingesetzt. Geschehen ist jedoch nichts. Ganz im Gegenteil hat der Kl. den Eindruck, dass der Geschäftsführer der Bekl., Herr B, die Vorurteile gegen den Kl. teilt und die Kollegen des Kl. geradezu ermuntert, diesen weiter wegen seiner Homosexualität zu belästigen. Da die Bekl. trotz Mahnungen beharrlich ihren Schutzpflichten nach § 12 AGG nicht nachkommt, hat der Kl. nach § 14 AGG ein Zurückbehaltungsrecht. Der Kl. hat mit Schreiben vom . . . gegenüber dem Geschäftsführer B angekündigt, von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, sofern die Bekl. nicht bis spätestens . . . wirksame Abwehrmaßnahmen zu Gunsten des Kl. ergriffen hat. Beweis: Schreiben des Kl. vom . . ., Anlage K 2 Da nichts geschehen ist, hat der Kl. mit Schreiben vom . . . dem Geschäftsführer B mitgeteilt, dass er ab Montag, den . . . nicht mehr zur Arbeit erscheine, solange keine wirksamen Abwehrmaßnahmen getroffen sind. Beweis: Schreiben des Kl. vom . . ., Anlage K 3 Auf dieses Schreiben hat der Geschäftsführer B mit Schreiben vom . . . geantwortet, dass der Kl. offensichtlich eine „Mimose“ sei und die Konsequenzen selbst zu tragen habe, wenn er sich offen zu seiner Homosexualität bekenne. Die Bekl. beabsichtige nicht, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere mit den Hänseleien von X und Y müsse der Kl. „halt leben“. Falls der Kl. wie angekündigt von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch mache, werde die Bekl. die Lohnzahlung sofort einstellen. Beweis: Schreiben des B vom . . ., Anlage K 4 Der Kl. hat daraufhin mit Wirkung ab Montag, den . . . seine Tätigkeit für die Bekl. eingestellt. Daraufhin hat die Bekl. sofort die Lohnzahlung an den Kl. gestoppt. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 begehrt die Kl. die Feststellung, dass er zur Verweigerung der Arbeitsleistung nach §§ 320, 273 BGB7 berechtigt ist. Zwar ist die Berechtigung der Leistungsverweigerung auch Voraussetzung für die mit den Klaganträgen Ziff. 2 und 3 geltend gemachten Zahlungsansprüche. Der Kl. hat jedoch ein Interesse daran, unabhängig davon die Berechtigung seiner Leistungsverweigerung feststellen zu lassen. Denn daraus können sich weitere Rechtsfolgen ergeben, beispielsweise ein Anspruch auf Entfernung der ihm erteilten Abmahnungen aus der Personalakte etc. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 werden die bis zum Kammertermin rückständigen Lohnzahlungen geltend gemacht, mit dem Klageantrag Ziff. 3 begehrt der Kl. die Verpflichtung der Bekl. zur Lohnzahlung auch über den Kammertermin hinaus.

7 Es ist unklar, ob die Schutzpflichten des Arbeitgebers aus dem AGG in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Pflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung seiner Arbeitskraft stehen. Je nachdem folgt das Recht auf Zurückbehaltung bzw. Leistungsverweigerung aus § 273 BGB oder aus § 320 BGB. Im Ergebnis ergibt sich hinsichtlich der Rechtsfolgen kein Unterschied.

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.12

... (Unterschrift)8 8 Hinsichtlich des Streitwerts ist der Wert der Zahlungsansprüche (für Antrag Ziff. 2 der Bruttobetrag, bei Antrag Ziff. 3 s. M 12.29) zu addieren mit dem Wert der Feststellungsklage. Es erscheint sachgerecht, deren Wert mit maximal einem Bruttomonatsgehalt anzusetzen.

13.12

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Klage des Arbeitnehmers auf Freistellung von Ansprüchen Dritter

An das Arbeitsgericht1 In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen Schadensersatzansprüchen freizustellen, die gegen ihn im Zusammenhang mit der Entbindung der Frau . . . und der Geburt des Kindes . . . am . . . erhoben werden.3, 4, 5, 6, 7 1 Allgemein zu Klagen des Arbeitnehmers im Urteilsverfahren s. Kap. 101. 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Da auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer im Laufe seiner Berufstätigkeit Fehler unterlaufen können, begrenzt die Rechtsprechung und inzwischen auch § 619a BGB die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer nur fahrlässig gehandelt hat (ausf. M 13.5). Führt ein fahrlässiges Verhalten des Arbeitnehmers dazu, dass dieser Schadensersatzansprüchen Dritter ausgesetzt ist (insbesondere aus Delikt, § 823 BGB), setzt sich die beschränkte Haftung des Arbeitnehmers insoweit fort, als ihm nach den gleichen Grundsätzen ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Freistellung zusteht. Dabei deckt sich der Umfang des Freistellungsanspruchs mit dem Umfang der Haftungsbeschränkung: bei leichter Fahrlässigkeit kann der Arbeitnehmer in der Regel volle Freistellung von den Ansprüchen Dritter verlangen, bei mittlerer und grober Fahrlässigkeit dagegen nur eingeschränkt (zB BAG v. 16.3.1995, BAGE 79, 285; v. 27.10.2005, AP Nr. 5 zu § 310 BGB; v. 1.12.1988, AP Nr. 2 zu § 840 BGB). 4 Steht der Schaden, von dem der Arbeitnehmer freigestellt werden will, bereits summenmäßig fest, muss der Freistellungsanspruch beziffert werden, ansonsten ist die Klage wegen mangelnder Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig. Steht dagegen – wie im vorliegenden Fall – die Höhe der Forderung noch nicht fest, kann nur ein Feststellungsantrag gestellt werden, für den das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO gegeben ist (BAG v. 25.6.2009, ZTR 2009, 649, insoweit dort nicht abgedruckt). 5 Nach herrschender Auffassung entsteht der Befreiungsanspruch nicht schon mit der Geltendmachung der Ansprüche, sondern erst wenn feststeht, dass der schädigende Arbeitnehmer von dem Geschädigten mit Erfolg in Anspruch genommen werden kann (BAG v. 27.10.2005, AP Nr. 5 zu § 310 BGB; v. 25.6.2009, ZTR 2009, 649). Macht der Arbeitnehmer daher die

634 Diller

M 13.13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

Begründung: Der Kl. ist Oberarzt am Krankenhaus der Bekl. in . . . Am . . . betreute er als verantwortlicher Arzt die Entbindung der Frau . . . von ihrem Sohn . . . Der Sohn ist seit der Geburt geistig behindert. Mit Urteil des Landgerichts . . . wurde dem Grunde nach festgestellt, dass der Kl. Frau . . . sowie deren Sohn Schadensersatz zu leisten hat, da der Kl. bei der Entbindung einen Kunstfehler begangen habe (wird ausgeführt). Nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen der Haftungserleichterung (vgl. § 619a BGB) hat der Kl. gegenüber der Bekl. als seiner Arbeitgeberin einen Anspruch auf Freistellung von allen Ansprüchen, die auf Grund der Behandlung von . . . gegen ihn erhoben werden (wird ausgeführt). Die Bekl. hat jedoch eine Freistellung des Kl. sowie eine Zahlung der Schmerzensgeldansprüche abgelehnt, da der Kl. die fragliche Entbindung nicht als Angestellter der Bekl. ärztlich betreut habe, sondern diese im Rahmen der ihm erlaubten privatärztlichen Tätigkeit vorgenommen habe. Die Auffassung der Bekl. ist jedoch unrichtig. Der Kl. hat die fragliche Entbindung in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer der Bekl. betreut (wird ausgeführt). ... (Unterschrift) Klage auf Freistellung zu einem Zeitpunkt anhängig, in dem seine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Dritten noch nicht feststeht, riskiert er die Abweisung der Klage als zurzeit unbegründet. 6 Praxistipp: Oft übersehen wird, dass der Freistellungsanspruch wie jeder andere Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen kann. Da der Freistellungsanspruch bereits in dem Moment entsteht, in dem die Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem geschädigten Dritten feststeht (s. Fn. 5), läuft eine tarifliche Ausschlussfrist ab diesem Moment (BAG v. 25.6.2009, ZTR 2009, 649). 7 Sobald der Arbeitnehmer an den Dritten gezahlt hat oder dieser seinen Schadensersatzanspruch vollstreckt hat, wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch, die Klage muss dann entsprechend umgestellt werden (BGH v. 15.12.1976, VersR 1977, 174). Das Gleiche gilt, wenn der Geschädigte im Wege der Zwangsvollstreckung den Freistellungsanspruch pfändet und sich überweisen lässt (BGH v. 23.9.1965, BGHZ 44, 166; v. 12.12.1963, VersR 1964, 156) oder wenn der Arbeitnehmer den Freistellungsanspruch an den geschädigten Dritten abtritt (BGH v. 13.2.1980, VersR 1980, 522).

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Gehaltsklage wegen Ungleichbehandlung/Diskriminierung

13.13

S. M 12.5.

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Kap. 14

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Kapitel 14

Urlaub

Urlaub

Literaturübersicht: Bauer, „Spielregeln“ für die Freistellung von Arbeitnehmern, NZA 2007, 409; Bauer/Arnold, Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit, AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG, 2010; Bauer/Arnold, EuGH kippt deutsches Urlaubsrecht, NJW 2009, 631; Bauer/Kern, Wechselwirkung zwischen Kurzarbeit und Urlaub, NZA 2009, 925; Bauer/von Medem, Von Schultz-Hoff zu Schulte – der EuGH erweist sich als lernfähig, NZA 2012, 113; Bayreuther, Kurzarbeit, Urlaub und der EuGH, DB 2012, 2748; Bufalica, Urlaubsansprüche als Kündigungsgrund? – Auswirkungen der „Schultz-Hoff“-Entscheidung auf die personenbedingte Kündigung bei Langzeiterkrankungen, ArbR 2010, 133; Dornbusch/Ahner, Urlaubsanspruch und Urlaubsabgeltung bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, NZA 2009, 180; Düwell/Pulz, Urlaubsansprüche in der Insolvenz, NZA 2008, 786; Fenski, Urlaubsrecht im Umbruch?, DB 2007, 686; Fieberg, Urlaubsanspruch bei ruhendem Arbeitsverhältnis, NZA 2009, 929; Gaul/Bonanni/Ludwig, Urlaubsanspruch trotz Langzeiterkrankung – Handlungsbedarf für die betriebliche Praxis!, DB 2009, 1013; Gaul/Josten/Strauf, Urlaubsanspruch trotz Dauerkrankheit, BB 2009, 497; Glaser/Lüders, § 7 BUrlG auf dem Prüfstand des EuGH, BB 2006, 2690; Grobys, Urlaub und Krankheit – Die Karten sind neu gemischt, NJW 2009, 2177; Groeger, Kurzarbeit und Urlaubsansprüche, ArbRB 2010, 119; Hohmeister, Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaubsrecht in den Jahren 2007/2008, BB 2009, 494; Kamanabrou, Urlaubsabgeltung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nach der Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH, SAE 2009, 233; Kamanabrou, Urlaubsanspruch nach Langzeiterkrankung – ein Gebot des Gemeinschaftsrechts?, SAE 2009, 121; Kleinebrink, Erholungsurlaub in Zeiten der Wirtschaftskrise, ArbRB 2009, 107; Kortmann, Kurzarbeit und Urlaubsansprüche, ArbR 2010, 29; Krieger/Arnold, Urlaub 1.+2. Klasse – Das BAG folgt der Schultz-Hoff-Entscheidung, NZA 2009, 530; Leinemann, Die Deformierung der Urlaubsabgeltung durch den Europäischen Gerichtshof, DB 2009, Nr. 8, I; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht Kommentar, 2. Aufl. 2001; Lingemann/Sy, Das geänderte Urlaubsrecht, KrV 2012, 106; Lunk, Kurzarbeit und Urlaub, BB 2009, 1984; Neumann/ Fenski, Bundesurlaubsgesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2011; Niemann, Urlaubsabgeltung – (vermuteter) Stand der Rechtsprechung, ArbR 2012, 495; Oberthür, Vertraglicher Zusatzurlaub – Gestaltungsspielräume sinnvoll nutzen, ArbRB 2009, 278; Pötters/Stiebert, Fallstricke im Urlaubsrecht – Weiterhin keine Rechtssicherheit für die Praxis, NJW 2012, 1034; Rehwald, Abgeltung für bei Vertragsende wegen Krankheit nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub, AiB 2009, 242; Rehwald, Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit, AiB 2010, 59; Rummel, Konsequenzen aus der EuGH-Entscheidung Schultz-Hoff für die Urlaubsrechtsprechung in Deutschland, ArbuR 2009, 160; Rummel, Die Urlaubsrechtsprechung des BAG nach der EuGHEntscheidung Schultz-Hoff, DB 2010, 225; Rummel, Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit, ArbuR 2009, 217; Schell/Nieroba, Übertragung von Resturlaub, AuA 2007, 146; Schipper/Polzer, Die Vererblichkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs – Die Rechtsprechung im Wandel?, NZA 2011, 80; Schrader, Der EuGH und das deutsche Urlaubsrecht – Folgen für Abgeltung, Übertragung und Vergütung des Urlaubsanspruchs, ArbR 2009, 55; Stahlhacke/Bachmann/Bleistein/ Berscheid, Gemeinschaftskommentar zum Bundesurlaubsgesetz, 5. Aufl. 1992; Subatzus, Übertragung von Urlaubsansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit, DB 2009, 510; Thüsing/Pötters/ Stiebert, Neues aus Luxemburg: Aktuelle Rechtsprechung des EuGH zu den Diskriminierungsverboten und zum Urlaubsrecht, RdA 2012, 281; Walker, Verhältnis zwischen Kurzarbeit und Urlaub, SAE 2010, 70; Wulfers, Urlaubsabgeltung und tarifliche Ausschlussfrist, ZTR 2010, 180.

I. Einführung 1

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf die jährliche Gewährung von Urlaub.1 Der Arbeitgeber hat ihn zeitweilig von seinen vertraglichen Arbeitspflichten unter Fortzahlung 1 Ein solcher Anspruch steht gemäß § 2 BUrlG auch arbeitnehmerähnlichen Personen zu; vgl. auch BAG v. 15.11.2005, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arbeitnehmerähnlichkeit.

636 Lingemann

Urlaub

Kap. 14

der Vergütung freizustellen. Maßgeblich ist das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt 24 Werktage (§ 3 Abs. 1 BUrlG), bei sechs Werktagen/Woche somit vier Wochen. Bei der Umrechnung auf Arbeitstage ist die Zahl der Urlaubswerktage durch sechs zu teilen und mit der Zahl der Arbeitstage (bei Vollzeittätigkeit regelmäßig fünf, bei Teilzeittätigkeit entsprechend weniger) zu multiplizieren.2 Beträgt der Urlaub bei einer regelmäßig auf fünf Arbeitstage verteilten Arbeitszeit 30 Arbeitstage, ist für die Umrechnung des Urlaubs eines Teilzeitbeschäftigten, der mit dem Arbeitgeber eine Jahresarbeitszeit vereinbart hat, auf die im Kalenderjahr möglichen Arbeitstage abzustellen. Der Urlaub des Teilzeitbeschäftigten verringert sich entsprechend.3 Abweichende einzel- oder tarifvertragliche Regelungen sind nur in den Grenzen des § 13 BUrlG möglich. Ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub, ein negatives Schuldanerkenntnis etc. wäre nicht wirksam.4 Nur Tatsachenvergleiche, nach denen Urlaub in natura gewährt wurde, sind zulässig. Arbeitsleistung und Urlaubsanspruch stehen nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, so dass der Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf Urlaubsgewährung hat, wenn er in dem Kalenderjahr und im Übertragungszeitraum nach § 7 Abs. 3 BUrlG arbeitsunfähig war (im Einzelnen dazu unten Rz. 4).5 Das Urlaubsverlangen ist in diesem Fall nicht rechtsmissbräuchlich.6 Der Urlaubsanspruch ist höchstpersönlich und kann daher weder vererbt noch verpfändet oder abgetreten werden.7 Zweck des Urlaubs ist zum einen die Erholung des Arbeitnehmers und zum anderen, dem Arbeitnehmer einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu gewähren.8 Er darf daher im Urlaub keine diesem Zweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten (§ 8 BUrlG). Ein Verstoß hiergegen stellt eine Pflichtverletzung dar, die eine verhaltensbedingte Kündigung im Rahmen des KSchG rechtfertigen könnte. Dem Arbeitgeber steht ferner ein Anspruch auf Schadensersatz und Unterlassung der Erwerbstätigkeit zu.

2

Der Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts bleibt von der verbotswidrigen Erwerbstätigkeit allerdings unberührt.9 Der Anspruch auf Urlaubsgewährung entsteht gemäß § 4 BUrlG erstmalig nach Ablauf einer Wartezeit von sechs Monaten, die mit dem Tag der Arbeitsaufnahme beginnt. Es kommt nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses, nicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung an. Scheidet der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte des Kalenderjahres oder vor erfüllter Wartezeit aus, so hat er nur einen Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, § 5 Abs. 1 lit. b und c BUrlG. Das Gleiche gilt für Zeiten eines Kalenderjahres, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem 2 BAG v. 14.1.1992, DB 1992, 1889. 3 BAG v. 5.9.2002, NZA 2003, 726; zur Umrechnung vgl. auch BAG v. 30.10.2001, NZA 2002, 815. 4 Auch die vertragliche Vereinbarung von Ausschlussfristen zur Geltendmachung des gesetzlichen Mindesturlaubs ist mit § 13 Abs. 1 BUrlG unvereinbar, BAG v. 18.11.2003, DB 2004, 1267. 5 EuGH v. 20.1.2009, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff; BAG v. 24.3.2009, NZA 2009, 538. 6 EuGH v. 20.1.2009, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff; BAG v. 24.3.2009, NZA 2009, 538. St. Rspr. seit BAG v. 28.1.1982, DB 1982, 1065; v. 18.3.2003, AP Nr. 17 zu § 3 BUrlG Rechtsmissbrauch. 7 BAG v. 13.11.1985, NZA 1986, 437; v. 20.9.2011, NJW 2012, 634. 8 EuGH v. 20.1.2009, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff; BAG v. 24.3.2009, NZA 2009, 538. 9 BAG v. 25.2.1988, NZA 1988, 607.

Lingemann 637

3

Kap. 14

Urlaub

Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt, § 5 Abs. 1 lit. a BUrlG. Scheidet er jedoch nach Erfüllung der Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte aus, so hat er Anspruch auf den vollen gesetzlichen Jahresurlaub.10 4

Der Urlaubsanspruch ist grundsätzlich an das Kalenderjahr gebunden, § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG.11 Er erlischt daher mit dem Ende des Urlaubsjahres, sofern er nicht vom Arbeitnehmer so rechtzeitig geltend gemacht wird, dass er noch vorher vom Arbeitgeber erfüllt werden kann.12 Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG ist eine Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Betriebliche Gründe sind Umstände wie die Auftragslage, vorrangige Urlaubswünsche (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG) oder krankheitsbedingte Fehlzeiten anderer Arbeitnehmer, Betriebsorganisation, Arbeitsablauf etc. Ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund ist in erster Linie die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Liegt einer der genannten Gründe vor, wird der Urlaubsanspruch kraft Gesetzes, also ohne eine Erklärung der Beteiligten, auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen, § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG.13 Für den Fall, dass der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Arbeitunfähigkeit den Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres nicht nehmen konnte, widerspricht das Fristenregime des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG jedoch europarechtlichen Grundsätzen, sodass jedenfalls der gesetzlich garantierte Urlaubsanspruch entgegen dem Wortlaut auch über den 31.3. des Folgejahres hinaus nicht verfällt.14 Dies entschied das BAG im Jahre 2009 unter Aufgabe seiner ständigen Rechtsprechung.15 Möglich wäre demnach eine unbegrenzte Kumulation von Urlaubsansprüchen gewesen. Dies wird wiederum dem Zweck des Urlaubs als Erholungszeit nicht gerecht.16 Entsprechend hält der EuGH nationale Verfallsregelungen für wirksam, solange der „Übertragungszeitraum [. . .] die Dauer des Bezugszeitraum[s]“ wesentlich überschreitet.17 Da der EuGH auf dieser Grundlage eine 15-monatige tarifvertragliche Verfallsfrist für europarechtlich zulässig hielt, interpretiert das BAG § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG nunmehr europarechtskonform dahin, dass bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern der Urlaubsanspruch nicht drei, sondern 15 Monate nach dem Kalenderjahr verfällt,18 also auch der langzeiterkrankte Arbeitnehmer Urlaubsansprüche nicht unbegrenzt ansammeln 10 BAG v. 20.1.2009, AP BUrlG Abgeltung Nr. 91; v. 14.3.1989, DB 1989, 1730. 11 Eine Urlaubsgewährung im Vorgriff auf das nächste Urlaubsjahr ist daher ebenso unzulässig wie eine Anrechnung zu viel gewährter Freizeit des Vorjahres auf den Urlaubsanspruch des nächsten Jahres, BAG v. 11.7.2006, AuA 2007, 52. 12 BAG v. 18.9.2001, NZA 2002, 895. 13 Die Arbeitsvertragsparteien können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer Urlaub ohne Rücksicht auf das Bestehen gesetzlicher oder tariflicher Übertragungsgründe auch während des gesamten Folgejahres beanspruchen kann. Eine derartige Übertragungsregelung kann auch Gegenstand einer betrieblichen Übung sein (BAG v. 21.6.2005, NZA 2006, 232). 14 EuGH v. 20.1.2009, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff, auf Vorlage des LAG Düsseldorf v. 2.8.2006, NZA-RR 2006, 628. Im Hinblick auf übergesetzlich gewährten Urlaub kann der Arbeitgeber abweichende Regelungen treffen, vgl. unten Rz. 12. 15 BAG v. 24.3.2009, NZA 2009, 583. 16 EuGH v. 22.11.2011, NZA 2011, 1333 – KHS. 17 EuGH v. 22.11.2011, NZA 2011, 1333 – KHS. 18 BAG v. 7.8.2012, NZA 2012, 1216. Dazu Thüsing/Pötters/Stiebert, RdA 2012, 281, 286; ErfK/ Gallner, § 7 BUrlG Rz. 34. Siehe auch Lingemann/Sy, KrV 2012, 106, 108; Bauer/von Medem, NZA 2012, 113, 115. Vgl. auch BAG v. 16.10.2012, NZA 2013, 326.

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kann. Rechtsprechung des EuGH zu dieser Auffassung des BAG gibt es noch nicht, uE trägt die Begründung der Entscheidung des EuGH vom 22.11.2011 jedoch auch die Entscheidung des BAG vom 7.8.2012. Bei Wiedergenesung muss der Arbeitnehmer seine (uU kumulierten) Urlaubsansprüche soweit möglich im laufenden Kalenderjahr geltend machen. Anderenfalls verfallen diese nach den allgemeinen Regeln des § 7 Abs. 3 BUrlG. Auch während des gesetzlichen Mutterschutzes (vgl. § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG) kann der Urlaubsanspruch nicht erfüllt werden. Gemäß § 17 Satz 2 MuSchG wird der Urlaubsanspruch vollständig in das Folgejahr übertragen. Dies gilt auch bei individuellen ärztlichen Beschäftigungsverboten (§ 3 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 MuSchG) und arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsverboten (§ 4 MuSchG).19 Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung lässt das BAG auch eine Übertragung des Urlaubs über mehrere Elternzeiten hinweg zu.20 Erkrankt der Arbeitnehmer während des Urlaubs, muss er dies mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweisen, wenn er sich den Anspruch auf die ausgefallenen Urlaubstage erhalten möchte (§ 9 BUrlG).21 Voraussetzung für die Urlaubsbewilligung durch den Arbeitgeber ist der Urlaubsantrag und damit ein Leistungsverlangen des Arbeitnehmers.22 Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen (§ 7 Abs. 1 BUrlG). Urlaub wird meist auf Formularen beantragt und bewilligt (M 14.1, M 14.2), auch individuelle Schreiben kommen jedoch vor. Entspricht der Arbeitgeber dem Verlangen nicht, kommt eine einstweilige Verfügung und/oder Leistungsklage in Betracht23 (M 14.5). Eine Selbstbeurlaubung hingegen gibt – jedenfalls nach Abmahnung – dem Arbeitgeber ein Recht zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 BGB.

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Im gekündigten Arbeitsverhältnis ist der Urlaub bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu beantragen und zu gewähren, es sei denn, überwiegende Interessen des Arbeitnehmers stehen – ausnahmsweise – entgegen.24

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19 LAG Rh.-Pf. v. 29.1.2009 – 11 Sa 547/08. 20 BAG v. 20.5.2008, NZA 2008, 1237: Übertragung des Urlaubsanspruchs bei zweiter Elternzeit gemäß § 17 Abs. 2 BErzGG (jetzt: BEEG) in das Folgejahr. 21 Die Arbeitsvertragsparteien können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer Urlaub ohne Rücksicht auf das Bestehen gesetzlicher oder tariflicher Übertragungsgründe auch während des gesamten Folgejahres beanspruchen kann. Eine derartige Übertragungsregelung kann auch Gegenstand einer betrieblichen Übung sein, BAG v. 21.6.2005, NZA 2006, 232. 22 BAG v. 28.11.1990, NZA 1991, 423. 23 Vgl. Corts, NZA 1998, 357. 24 Der Arbeitgeber kann den Urlaubsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers durch Freistellung von der Arbeitspflicht erfüllen. Seine Erklärung muss dazu aber hinreichend deutlich erkennen lassen, dass durch die Freistellung der Urlaubsanspruch erfüllt werden soll, BAG v. 17.5.2011, NZA 2011, 1032. Die Erklärung muss sich auf einen künftigen Zeitraum beziehen, eine nachträgliche Festlegung von Zeiten, während denen der Arbeitnehmer schon aus anderen Gründen freigestellt war, ist nicht möglich, BAG v. 14.8.2007, NZA 2008, 473; ebenso bereits BAG v. 1.10.1991, AP Nr.12 zu § 7 BUrlG.

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Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage hat regelmäßig nicht die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers zum Inhalt.25 Die Ungewissheit, ob das Arbeitsverhältnis im Urlaubsjahr fortbestanden hat, ist kein gesetzlicher Übertragungsgrund iSv § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG. Der Arbeitnehmer sollte Urlaubsansprüche daher auch im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses rechtzeitig geltend machen, um einen möglichen Verfall gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG abzuwenden.26 Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ungerechtfertigt, resultieren aus dem Verfall von Urlaubsansprüchen nach bisheriger Rechtsprechung keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gemäß §§ 280 Abs. 1, 283 Satz 1, 286 Abs. 1 Satz 1, 287 Satz 2 BGB, da eine Kündigung keine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung des Arbeitgebers im Hinblick auf die Erfüllung von Urlaubsansprüchen sei.27 Hier deutet sich jedoch eine Rechtsprechungsänderung an, sodass zukünftig damit zu rechnen sein wird, dass Schadensersatzansprüche entstehen können.28 Will er dies vermeiden, sollte der Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung dem Arbeitnehmer vorsorglich Urlaub gewähren.

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Ein Anspruch auf Urlaub besteht allerdings nicht, soweit dem Arbeitnehmer bereits für das laufende Kalenderjahr von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt wurde, § 6 Abs. 1 BUrlG. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer daher eine Urlaubsbescheinigung (M 14.3) auszustellen, die über bereits gewährten oder abgegoltenen Urlaub Rechenschaft gibt, § 6 Abs. 2 BUrlG. Zweck der Bescheinigung ist es sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer den ihm im Kalenderjahr zustehenden Urlaub nicht doppelt beansprucht. Kürzen kann den Urlaubsanspruch allerdings nur der neue Arbeitgeber, nicht der alte.29 Der neue Arbeitgeber kann den Urlaub so lange verweigern, bis ihm der Arbeitnehmer die Urlaubsbescheinigung vorlegt. Der Arbeitnehmer kann die Urlaubsbescheinigung gegen seinen alten Arbeitgeber daher auch gerichtlich durchsetzen. Ist der alte Arbeitgeber mit der Erteilung im Verzug, schuldet er ggf. Schadensersatz.30 In einem vom Arbeitgeber unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis bleiben die Urlaubsansprüche während des Kündigungsschutzprozesses bestehen und der Arbeitnehmer muss sie geltend machen, damit sie nicht verfallen (s. Rz. 7). Die Urlaubsansprüche verfallen auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist. In entsprechender Anwendung von § 11 KSchG und § 615 BGB muss der Arbeitnehmer sich jedoch die Urlaubszeiten anrechnen lassen, die ihm bereits vom neuen Arbeitgeber gewährt wurden.31 Dies soll zumindest dann gelten, wenn der Arbeitnehmer nicht gleichzeitig seine arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber dem alten und neuen Arbeitgeber hätte erfüllen können, da der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozes-

25 26 27 28 29 30

BAG v. 18.9.2001 – 9 AZR 571/00; zuletzt BAG v. 13.12.2011, AP BUrlG § 7 Nr. 57. BAG v. 18.9.2001, NZA 2002, 895. BAG v. 13.12.2011, AP BUrlG § 7 Nr. 57. Vgl. BAG v. 13.12.2011, AP BUrlG § 7 Nr. 57. BAG v. 28.2.1991, DB 1991, 1987. Geht ein Betrieb in die Insolvenz über, so hat der Erwerber für die Erfüllung der bestehenden Urlaubsansprüche einzutreten, wobei diese Verpflichtung auch übertragene Urlaubsansprüche sowie Ansprüche auf Ersatz für verfallenen Urlaub umfasst, BAG v. 18.11.2003, NZA 2004, 651. 31 BAG v. 21.2.2012, NZA 2012, 793.

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ses nicht besser oder schlechter gestellt werden soll, als wenn keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden hätte.32 Als finanzielle Leistungen während des Urlaubs kommen Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld in Betracht, und an Stelle des Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Urlaubsabgeltung:

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Während des Urlaubs ist als Vergütung das Urlaubsentgelt zu zahlen. Es bemisst sich gemäß § 11 Abs. 1 BUrlG nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat.33 Der Arbeitnehmer ist also aufgrund einer hypothetischen Betrachungsweise so zu stellen, wie er für gewöhnlich bei tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung stünde.34 Nach Vorgaben des EuGH müssen als Urlaubsentgelt solche Lohnbestandteile gewährt werden, die untrennbar mit der Arbeitsleistung verbunden sind.35 Die Berechnungsformel bei einer Sechs-Tage-Woche lautet: Arbeitsverdienst der letzten dreizehn Wochen vor Urlaubsbeginn (abzüglich Mehrarbeitsvergütung), geteilt durch 78 Arbeitstage = Urlaubsentgelt je Urlaubstag. Bei der Fünf-Tage-Woche ist der Divisor 65. Bei Teilzeittätigkeit empfiehlt sich eine Berechnung auf Stundenbasis; das gilt auch bei flexibel variabler Arbeitszeit, wobei sich das Urlaubsentgelt dort nach den tatsächlich infolge der Urlaubsgewährung ausgefallenen Stunden bestimmt.36 Ist eine tarifliche Mehrarbeitszulage vom tatsächlich geleisteten Monatssoll abhängig, so steht die Urlaubszeit nicht der tatsächlichen Arbeitsleistung gleich.37 Eine solche Mehrarbeitszulage wird somit im Urlaub nicht gezahlt.

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Die Tarifvertragsparteien dürfen gemäß § 13 Abs. 1 BurlG auch zum Nachteil der Arbeitnehmer von den Bemessungsregelungen des § 11 Abs. 1 BUrlG abweichen. Es muss jedoch sicher gestellt bleiben, dass der Arbeitnehmer während des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 3 Abs. 1 BurlG) so viel Entgelt erhält, wie er bei Weiterarbeit ohne Urlaubsgewährung erhalten hätte. Entgegenstehende tarifliche Regelungen sind unwirksam.38 Fällig ist das Urlaubsentgelt vor Antritt des Urlaubs, § 11 Abs. 2 BUrlG.

32 BAG v. 21.2.2012, NZA 2012, 793. 33 Die Tarifvertragsparteien dürfen für die Bemessung des Urlaubsentgeltes allerdings auch den konkreten Lohnausfall heranziehen. Ebenso dürfen sie regeln, dass Urlaubsentgelt nach dem Durchschnitt der letzten vor der Urlaubsgewährung abgerechneten zwölf Kalendermonate zu bemessen ist. Das gilt auch für den gesetzlichen Mindesturlaub. Die Tarifparteien dürfen dem Arbeitgeber auch die Auswahl zwischen beiden Berechnungsmethoden überlassen. Bei der Ausübung dieses Wahlrechts hat der Betriebsrat dann allerdings ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, BAG v. 3.12.2002, NZA 2003, 1219. 34 Pötters/Stiebert, NJW 2012, 1034, 1036. 35 EuGH v. 15.9.2011, NZA 2011, 1167 – Williams. Der EuGH argumentiert, dass finanzielle Leistungen, die in einem „inneren Zusammenhang“ mit der arbeitsvertraglich zu erfüllenden Tätigkeit stehen, Teil der regelmäßigen Vergütung sind. Daraus lässt sich schließen, dass solche Zuschläge für Arbeitsleistungen, zu denen sich der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet hat (wie Flugzeitzulagen, Schichtzulagen oder Prämien), als Teil des Urlaubsentgelts zu vergüten sind, Zuschläge für zusätzlich erbrachte Leistungen wie idR Überstunden hingegen nicht, Pötters/Stiebert, NJW 2012, 1034, 1036. 36 BAG v. 7.7.1988, DB 1988, 1498, 2315. 37 BAG v. 11.6.2009, AP Nr. 19 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bewachungsgewerbe. 38 BAG v. 15.12.2009, AuR 2010, 48.

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Davon zu unterscheiden ist das Urlaubsgeld, das eine Sonderleistung des Arbeitgebers aus Anlass des Urlaubs darstellt39 (dazu Einf. Kap. 12 Rz. 26 ff.). Wenn Urlaub nicht verfällt, weil er krankheitsbedingt nicht genommen werden kann (s. Rz. 4), wird auch der Anspruch auf Urlaubsgeld für die zurückliegenden Jahre nicht fällig. Das Urlaubsgeld ist erst zu zahlen, wenn Urlaub nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit gewährt wird oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaub abgegolten wird.40

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Urlaubsabgeltung (M 14.6) ist nur zu leisten, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, § 7 Abs. 4 BUrlG.41 Die bisherige Rechtsprechung des BAG sah den Urlaubsabgeltungsanspruch als ein Surrogat des Urlaubsanspruchs und nicht als einen Abfindungsanspruch an und lehnte in der Folge einen Urlaubsabgeltungsanspruch ab, wenn der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und danach bis zum Ende des Übertragungszeitraumes arbeitsunfähig krank war.42 Denn aufgrund der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit sei der Urlaubsanspruch auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllbar und damit nicht durchsetzbar, er gehe somit am Ende des Übertragungszeitraumes unter. Der EuGH hält demgegenüber Regelungen im nationalen Recht für europarechtswidrig, „nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte“.43 Das BAG folgt dem EuGH unter Aufgabe der Surrogationstheorie, sodass die Fristen des § 7 Abs. 3 Satz 1, 3 und 4 BUrlG für den Abgeltungsanspruch nicht mehr gelten.44 Der Anspruch wird mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig (vgl. § 271 Abs. 1 BGB) und unterliegt, da es sich um einen reinen Geldanspruch handelt, tariflichen und vertraglichen Ausschlussfristen.45 Auf den bereits entstandenen Abgeltungsanspruch kann der Arbeitnehmer auch verzichten.46 Auch der Urlaubsabgeltungsanspruch kann jedoch nur in dem Umfang geltend gemacht werden, wie auch ein Urlaubsanspruch bestanden hätte.47 Dieser verfällt zum Ende des Übertragungs39 Verweist ein Arbeitsvertrag für den Urlaub auf die Geltung einer tariflichen Regelung, so umfasst dies regelmäßig eine Bezugnahme auf den gesamten Regelungskomplex „Urlaub“, wozu dann ggf. auch ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld gehört, BAG v. 17.1.2006, NZA 2006, 923. 40 BAG v. 19.5.2009, DB 2009, 2051. 41 Vgl. auch BAG v. 14.3.2006, DB 2007, 465. Beginnt für den Arbeitnehmer in Altersteilzeit die Blockfreizeit, so bedeutet dies nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, BAG v. 15.3.2005, DB 2005, 1858. 42 BAG v. 21.6.2005, EzA § 7 BUrlG Nr. 114; v. 10.5.2005, EzA § 7 BUrlG Abgeltung Nr. 13; v. 13.5.1982, BAGE 39, 53 (Rz. 46). 43 EuGH v. 20.1.2009, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff, auf Vorlage des LAG Düsseldorf v. 2.8.2006, NZA-RR 2006, 628. 44 BAG v. 19.6.2012, NZA 2012, 1087. Dazu Niemann, ArbR 2012, 495. Kritisch ErfK/Gallner, § 7 BUrlG Rz. 79 f. 45 BAG v. 18.9.2012, NZA 2013, 216; v. 13.12.2011, NZA 2012, 514; v. 9.8.2011, NZA 2011, 1421. 46 BAG v. 14.5.2013 – 9 AZR 844/11, Pressemitteilung. 47 BAG v. 7.8.2012, NZA 2012, 1216. War der Arbeitnehmer beispielsweise über das gesamte Kalenderjahr 2010 und 2011 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am

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zeitraumes (s. Rz. 4); danach kommt nur noch ein Schadensersatzanspruch in Betracht, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber wegen des Urlaubsanspruchs rechtzeitig in Verzug gesetzt hatte.48 Bei der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit beträgt der Übertragungszeitraum nunmehr 15 Monate (s. Rz. 4).49 Dies gilt jedoch nur für den gesetzlichen Mindesturlaub.50 Für übergesetzlichen Urlaub können die Parteien andere Verfallsregelungen vereinbaren. Es muss allerdings ein klarer Regelungswille der Parteien dahingehend erkennbar sein, zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheiden zu wollen.51 Für den Arbeitgeber ist es daher ratsam sein, zukünftig eine Unterscheidung von gesetzlichem Mindesturlaub und übergesetzlichem Urlaub vorzunehmen und eine entsprechende Verfallsregelung für übergesetzlichen Urlaub zu treffen (M 2.1a Ziff. 7 m. Anm.). Vertrauensschutz besteht seit Bekanntwerden des Vorlagebeschlusses des LAG Düsseldorf nicht mehr.52 Der Tod eines Arbeitnehmers hat regelmäßig zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis endet.53 Die gegenseitigen Leistungspflichten erlöschen und bereits entstandene Urlaubsansprüche gehen unter. Auch ein Abgeltungsanspruch der Erben gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG kommt nicht in Betracht, da dieser nur für Urlaubsansprüche entsteht, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits bestanden, was bei dem durch den Tod des Arbeitnehmers untergegangenen Urlaubsanspruch nicht der Fall ist.54 Anderes gilt, wenn das Arbeitsverhältnis unter Entstehung eines Abgeltungsanspruchs beendet wird und der Arbeitnehmer erst im Anschluss verstirbt. Dann be-

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31.3.2012 arbeitsunfähig erkrankt, bestünde ein Abgeltungsanspruch für den nicht genommenen Urlaub aus dem Jahr 2010, 2011 und anteilig 2012. Scheidet er hingegen erst zum 31.7.2012 aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist eine Abgeltung für das Kalenderjahr 2010 nicht mehr möglich, da auch der Urlaubsanspruch aufgrund der richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG nach 15 Monaten verfallen gewesen wäre. Vgl. BAG 19.1.1993, DB 1993, 1724. Beantragt der Arbeitnehmer zusammen mit dem Urlaub für das laufende Kalenderjahr auch den sich unmittelbar anschließenden Urlaub für das darauf folgende Urlaubsjahr, so hat er den Urlaub für das Folgejahr bereits vor dessen Entstehung in Verzug begründender Weise geltend gemacht, BAG v. 11.4.2006, DB 2006, 1961. BAG v. 7.8.2012, NZA 2012, 1216. War der Arbeitnehmer beispielsweise über das gesamte Kalenderjahr 2010 und 2011 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 31.3.2012 arbeitsunfähig erkrankt, bestünde ein Abgeltungsanspruch für den nicht genommenen Urlaub aus dem Jahr 2010, 2011 und anteilig 2012. Scheidet er hingegen erst zum 31.7.2012 aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist eine Abgeltung für das Kalenderjahr 2010 nicht mehr möglich, da auch der Urlaubsanspruch aufgrund der richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG nach 15 Monaten verfallen gewesen wäre. Vgl. BAG v. 12.3.2013, ZTR 2013, 316; v. 24.3.2009, NZA 2009, 538; dazu Bauer/Arnold, NJW 2009, 631; Grobys, NJW 2009, 2177 mit Hinweis auf die sozialrechtlichen Folgen. Der Anspruch auf Abgeltung des Schwerbehinderten-Zusatzurlaubs besteht bei Arbeitsunfähigkeit ebenso wie der Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs weiter. Die Tarifvertragsparteien können bestimmen, dass der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende tarifliche Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn der Urlaubsanspruch wegen der Krankheit des Arbeitnehmers nicht erfüllt werden kann (vgl. BAG v. 12.3.2013, ZTR 2013, 316; v. 23.3.2010, NZA 2010, 810). BAG v. 23.3.2010, NZA 2010, 810; v. 12.4.2011, NZA 2011, 1050. LAG Düsseldorf v. 2.8.2006, NZA-RR 2006, 628. BAG v. 20.9.2011, NZA 2012, 326. BAG v. 12.3.2013, NZA 2013, 678; v. 20.9.2011, NZA 2012, 326; aA Schipper/Polzer, NZA 2011, 80.

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stand in der Person des Erblassers bereits ein fälliger und durchsetzbarer Abgeltungsanspruch, der als Teil der Erbmasse auf die Erben übergehen kann.55 In der Praxis kann sich die Frage stellen, ob vorrangig der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch oder der zusätzlich gewährte Urlaub abgegolten wird, wenn der Arbeitgeber insofern keine Tilgungsbestimmung getroffen hat. Von Bedeutung ist dies vor allem dann, wenn hinsichtlich des zusätzlich gewährten Urlaubs eine kürzere Verfallsfrist vereinbart wurde (s.o.). Nach der Rechtsprechung soll dann mangels Leistungsbestimmung des Arbeitgebers zunächst der gesetzliche Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers abgegolten sein.56 Denn § 366 Abs. 2 BGB enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken dahin, dass die Tilgungsreihenfolge nach einem vernünftigen Parteiwillen zu erfolgen habe. Aufgrund seiner Unabdingbarkeit sei der gesetzliche Mindesturlaub daher vorrangig abzugelten.57 Es empfiehlt sich aber, vorsorglich entweder schon arbeitsvertraglich oder bei Bewilligung des Urlaubs deutlich zu machen, auf welchen Teil des Urlaubsanspruchs geleistet werden soll (M 2.1a Ziff. 7 m. Anm.). 13

Die Höhe der Abgeltung entspricht dem Urlaubsentgelt, das im Falle der Urlaubsgewährung hätte gezahlt werden müssen. Auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs (§§ 1, 3 BUrlG) unabdingbar (§ 13 Abs. 1 BUrlG). Bruchteile von Arbeitstagen werden ab einem halben Urlaubstag aufgerundet und vollständig (§ 5 Abs. 2 BUrlG), Bruchteile unterhalb einem halben Arbeitstag anteilsmäßig abgegolten.58

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Bei der Urlaubsgewährung ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG zu beachten, soweit allgemeine Urlaubsgrundsätze festgelegt oder Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Gewährung des Urlaubs bestehen. Obwohl es sich bei dem Urlaubsanspruch um einen Individualanspruch des einzelnen Arbeitnehmers handelt, entscheidet bei Streitigkeiten über die Lage des Urlaubs die Einigungsstelle, § 87 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 BetrVG. Vereinbart der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung, Betriebsferien einzuführen, so steht diese individuellen Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer entgegen.59 In einem betriebsratslosen Betrieb kann der Arbeitgeber Betriebsferien kraft des ihm obliegenden Direktionsrechtes einführen; erst dann treten individuelle Urlaubswünsche gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG zurück.60 Mindestens die Hälfte des Urlaubsanspruchs muss den Arbeitnehmern jedoch zur freien Verfügung stehen.61 Den Urlaub des kommenden Jahres können die Parteien nicht im Vorgriff für Betriebsferien nutzen. 55 ErfK/Gallner, § 7 BUrlG Rz. 23; offengelassen noch von BAG v. 20.9.2011, NZA 2012, 326. 56 BAG v. 12.1.1989, NZA 1989, 758; v. 22.1.2002, NZA 2002, 1041; ArbG Berlin v. 22.4.2009, NZA-RR 2009, 441. 57 So auch Leinemann/Linck, § 7 BUrlG Rz. 15; HWK/Schinz, § 7 BUrlG Rz. 14; Krieger/Arnold, NZA 2009, 530, 533. 58 BAG v. 26.1.1989, NZA 1989, 756. 59 BAG v. 28.7.1981, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 – Urlaub. 60 LAG Düsseldorf v. 20.6.2002, BB 2003, 156; zweifelnd: HWK/Schinz, § 7 BUrlG Rz. 28: Mangels Verhandlungsparität der Parteien oder der Vermittlung eines unparteiischen Einigungsstellenvorsitzenden gebe es keine Vermutung für die betriebliche Notwendigkeit iSd. § 7 Abs. 1 BUrlG; Ablehnung eines Direktionsrechtes: MünchArbR/Düwell, § 78 Rz. 46. 61 HWK/Schinz, § 7 BUrlG Rz. 28.

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Kap. 14

Ist ein Arbeitnehmer während der Betriebsferien krank, so kann er den Urlaub später nachholen. Entgegenstehende Regelungen sind unwirksam.62 Das Verhältnis zwischen Kurzarbeit und Urlaub ist noch nicht vollständig geklärt. Wird in einem Betrieb durch eine Betriebsvereinbarung „Kurzarbeit null“ eingeführt, ruht das Arbeitsverhältnis und die gegenseitigen Leistungspflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden suspendiert. Das BAG hat entschieden, dass auch in ruhenden Arbeitsverhältnissen Urlaubsansprüche entstehen.63 Dabei wird unter anderem auf die Rechtsprechung des EuGH zur arbeitsunfähigen Erkrankung verwiesen.64 Nach dem EuGH ist jedoch zumindest „Kurzarbeit null“ nicht mit Zeiten arbeitsunfähiger Erkrankung vergleichbar, da sich der Arbeitnehmer hierbei ausruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen kann.65 Die Einführung von Kurzarbeit sei vielmehr mit einem Wechsel von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis vergleichbar, sodass die Verringerung der Wochenarbeitstage auf null eine entsprechende vollständige Reduzierung der Urlaubstage mit sich brächte.66 Danach wäre zumindest in Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis aufgrund von „Kurzarbeit null“ ruht, eine Kürzung des Urlaubsanspruches auf null zulässig.67 Eine Entscheidung des BAG dazu steht noch aus. Sollen Arbeitnehmer, denen Urlaub gewährt wurde, von der Kurzarbeit ausgenommen werden, um den Urlaubsanspruch zu erfüllen, so empfiehlt es sich, dies in der Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit ausdrücklich festzulegen. In der Betriebsvereinbarung kann auch bestimmt werden, dass der Jahresurlaub auf Tage der Kurzarbeit angerechnet werden soll.68 Dann ist für die angerechnete Zeit das Urlaubsentgelt zu leisten.

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Im Fall der Insolvenz wird der Insolvenzverwalter Schuldner des Freistellungsanspruchs. Für die mit dem Urlaub zusammenhängenden Zahlungsansprüche, also Urlaubsgeld, Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung, gelten die §§ 35 ff. InsO. Urlaubsabgeltungsansprüche sind wie Urlaubsansprüche zu behandeln.69

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62 EuGH v. 10.9.2009, NZA 2009, 1133 – Vicente Perdeda; vorher schon LAG Niedersachsen v. 21.11.2008 – 10 Sa 289/08. 63 BAG v. 7.8.2012, NZA 2012, 1216. 64 BAG v. 7.8.2012, NZA 2012, 1216. 65 EuGH v. 8.11.2012, NZA 2012, 1273 – Heimann/Toltschin, auf Vorlage des ArbG Passau v. 13.4.2011, NZA-RR 2012, 76. 66 EuGH v. 8.11.2012, NZA 2012, 1273 – Heimann/Toltschin. 67 So auch das ArbG Passau v. 13.4.2011, NZA-RR 2012, 76; ErfK/Gallner, § 3 BUrlG Rz. 23; Leinemann/Linck, § 3 BUrlG Rz. 62; aA Groeger, ArbRB 2010, 119, 120 mwN, wonach die Einführung von Kurzarbeit keine Auswirkungen auf die Berechnung des Anspruchs auf Erholungsurlaub haben soll. 68 BAG v. 16.12.2008, NZA 2009, 689. 69 Damit wird von den Betriebsparteien ein Urlaubsplan gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG aufgestellt, BAG v. 15.2.2005, NZA 2005, 1124.

Lingemann 645

Kap. 14

Urlaub

M 14.1

II. Muster 14.1

u

Urlaubsantrag und -bewilligung (Formular)

Name: . . . Vorname: . . . Anschrift: . . . Personalnummer: . . . Antrag auf Bewilligung von Urlaub von . . . bis . . . Urlaubsanschrift:1 . . . Zur Kenntnisnahme von Meister/Abteilungsleiter Betriebsleiter Urlaub bewilligt von . . . bis . . .2 abgelehnt, weil3 . . . 1 Abgesehen von § 5 Abs. 2 EFZG (Erkrankung im Ausland) ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, seine Urlaubsanschrift mitzuteilen, BAG v. 16.12.1980, DB 1981, 999. Während der Urlaubsabwesenheit an die Heimatadresse geschickte Willenserklärungen des Arbeitgebers (zB eine Kündigung) gehen dem Arbeitnehmer dennoch grundsätzlich wirksam zu, vgl. BAG v. 24.6.2004, AP Nr. 22 zu § 620 BGB Kündigungserklärung. Jedoch besteht in diesen Fällen die Möglichkeit einer nachträglichen Zulassung der Klage gemäß § 5 KSchG. 2 Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nur durch eine unwiderrufliche Befreiung von der Arbeitspflicht. Hierzu genügt es, wenn der Arbeitgeber hinreichend deutlich erklärt, dass die Arbeitsbefreiung zur Erfüllung des noch offenen Urlaubsanspruchs erfolgt, BAG v. 14.3.2006, ArbRB 2006, 291. 3 Der Arbeitgeber kann nicht beliebig oder nach billigem Ermessen, sondern nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Halbs. 2 BUrlG den Urlaub auf einen anderen als den vom Arbeitnehmer gewünschten Termin legen. Zuvor muss er sich aber nach alternativen Wünschen des Arbeitnehmers erkundigen. Verweigert der Arbeitgeber den Urlaub ohne ausreichenden Grund, kann der Arbeitnehmer Leistungsklage auf „Gewährung von Urlaub vom . . . bis . . .“ erheben. In Betracht kommt auch eine einstweilige Verfügung, wenn sonst der Urlaubsanspruch wegen Zeitablaufs nicht durchgesetzt werden kann. Dies gilt, obwohl die einstweilige Verfügung zur Vorwegnahme der Hauptsache führt, da der Anspruch endgültig erfüllt wird (im Einzelnen M 14.5).

14.2

u

Ausführliche Bewilligung von bezahltem und unbezahltem Urlaub (Brief)1

Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., auf Ihren Antrag vom . . . wird Ihnen Erholungsurlaub für die Zeit vom . . . bis . . . bewilligt.2 [Evtl.: Dabei handelt es sich in der Zeit vom . . . bis . . . um gesetzlichen Ur646 Lingemann

M 14.3

Urlaub

Kap. 14

laub und in der Zeit vom . . . bis . . . um darüber hinaus gehenden übergesetzlichen Urlaub.]3 Ferner wird Ihnen unbezahlter Urlaub für die Zeit vom . . . bis . . . bewilligt. Es besteht Einigkeit darüber, dass der unbezahlte Urlaub anderen als Erholungszwecken dient. Für den Zeitraum des unbezahlten Urlaubs ruht das Arbeitsverhältnis. Ihr erster Arbeitstag nach dem Urlaub ist am . . . Erkranken Sie während des Urlaubs, so müssen Sie die Erkrankung unverzüglich unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung der Firma anzeigen. Dauert die Erkrankung länger als in der ärztlichen Bescheinigung angegeben, so ist eine neue zu übersenden. Der Urlaub verlängert sich nicht um die in der ärztlichen Bescheinigung angegebenen Tage. Vielmehr wird der Urlaub durch eine Erkrankung unterbrochen. Der Resturlaub muss neu beantragt und erteilt werden. Mit freundlichen Grüßen ... 1 Im Zusammenhang mit dem Urlaub ausländischer Arbeitnehmer finden sich gelegentlich Klauseln, dass das Arbeitsverhältnis als beendet gilt, wenn der Arbeitnehmer nicht pünktlich aus dem Urlaub zurückkehren sollte. Solche Bedingungen sind unwirksam (BAG v. 25.6.1987, NZA 1988, 391). 2 Der Arbeitgeber kann das Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers auch dadurch erfüllen, dass er ihm das Recht einräumt, die konkrete Lage des Urlaubs innerhalb eines bestimmten Zeitraums, namentlich der Kündigungsfrist, selbst zu bestimmen. Widerspricht der Arbeitnehmer nicht unverzüglich, so kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer die Urlaubszeit innerhalb dieser Frist selbst festlegt. Ein späteres Urlaubsabgeltungsverlangen wäre dann rechtsmissbräuchlich (vgl. BAG v. 6.9.2006, DB 2006, 2583). 3 Die Differenzierung ist sinnvoll, wenn der Arbeitgeber vermeiden will, dass bei Langzeiterkrankung Resturlaubsansprüche über den 31.3. des Folgejahres hinaus bis zum 31.3. des übernächsten Jahres geltend gemacht werden können, denn dieser erweiterte Zeitraum gilt nur für den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub, vgl. Einf. Rz. 12.

u

Urlaubsbescheinigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Herr/Frau . . .

war im Urlaubsjahr . . . von . . . bis . . . bei uns beschäftigt. Gemäß Tarifvertrag . . ./Arbeitsvertrag beträgt der gesamte Jahresurlaub . . . Arbeitstage. Für das Urlaubsjahr . . . wurden . . . Tage gewährt und . . . Arbeitstage abgegolten. Das sind . . ./12 des gesamten Jahresurlaubs. ... (Unterschrift)

Lingemann 647

14.3

Kap. 14

14.4

u

Urlaub

M 14.4

Antrag auf Übertragung des Teilurlaubs vor Erfüllung der Wartezeit in das Folgejahr

Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., am . . . habe ich mein Arbeitsverhältnis bei Ihnen begonnen. Ich beantrage, meinen Anspruch auf Teilurlaub gemäß § 5 Abs. 1 lit. a BUrlG in das Folgejahr zu übertragen. Mit freundlichen Grüßen ... Mit der Übertragung sind wir einverstanden. ... (Unterschrift)

14.5

u

Einstweilige Verfügung1 auf Gewährung von Urlaub

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)2 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen wir: Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung3 – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein, 1 Allgemein zur einstweiligen Verfügung vor dem Arbeitsgericht s. Kap. 107. 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 An die Durchsetzung des Urlaubsanspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung stellen die Gerichte außerordentlich hohe Anforderungen, da regelmäßig die Hauptsache vorweggenommen wird. Die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO sind in aller Regel nur dann gegeben, wenn die Urlaubsgewährung für einen im Antrag genannten bestimmten Zeitraum begehrt wird. Ein Verfügungsgrund liegt nicht schon dann vor, wenn wegen des Ablaufs des Urlaubsjahres (31.12.) oder des Übertragungszeitraums (31.3. des Folgejahres) der Verfall der Urlaubsansprüche droht. Denn bei unbegründeter Weigerung des Arbeitgebers, beantragten Urlaub vor Ablauf der Verfallfristen zu gewähren, tritt an die Stelle des Urlaubsanspruchs ein Schadensersatzanspruch, der sich gemäß § 249 BGB wiederum auf Freizeitgewährung richtet (BAG v. 7.11.1985, DB 1986, 973 und v. 7.11.1985, DB 1986, 757). Ein endgültiger Verlust von Rechten tritt beim Arbeitnehmer also nicht ein, so dass kein Anlass für den Erlass einer einstweiligen Verfügung besteht (LAG Hamm v. 2.1.1990, MDR 1990, 657; Baur in Dunkl/ Moeller, S. 243). Für einen ausreichenden Verfügungsgrund müssen also weitere Umstände (zB Buchung einer teuren Urlaubsreise) hinzukommen. Aber selbst in solchen Fällen wird das Arbeitsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung ablehnen, wenn der Arbeitgeber sich auf betriebliche Belange berufen kann, die der Urlaubsgewährung zu dem begehrten Zeitpunkt entgegenstehen, und er sich auch zur Übernahme der Stornierungskosten für die Ur-

648 Lingemann/Diller

M 14.5

Kap. 14

Urlaub

ansonsten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen – aufgegeben, dem Antragsteller in der Zeit vom . . . bis zum 31.3. . . . Urlaub zu gewähren.4, 5 Begründung: Der ASt. ist bei der AGg. seit . . . als Buchhalter tätig. Gemäß § 7 seines Anstellungsvertrages hat er Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen auf der Basis einer Fünf-Tage-Woche. Zur Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage AS 1 Der ASt. hat im Jahr . . . lediglich sieben Tage Urlaub genommen. Zur Glaubhaftmachung: Vorlage der Urlaubskarte für . . ., Anlage AS 2 Ende November . . . beantragte der ASt. bei der Personalabteilung, ihm den restlichen Urlaub von 23 Arbeitstagen bis zum 31.12. . . . zu gewähren. Dies wurde jedoch abgelehnt, da unbedingt Arbeiten zum Jahresabschluss gemacht werden müssten, für die der ASt. unverzichtbar sei. Mit Einverständnis des ASt. wurde daraufhin die Übertragung des Resturlaubsanspruchs in das erste Quartal . . . vereinbart. Die Vereinbarung wurde von der Personalabteilung am . . . auf Drängen des ASt. schriftlich bestätigt. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben der Personalabteilung vom . . ., Anlage AS 3 Im Februar . . . beantragte der ASt. daraufhin bei der Personalabteilung, ihm seinen restlichen Urlaubsanspruch von 23 Tagen in der Zeit vom . . . bis 31.3. . . . zu gewähren. Die Personalabteilung lehnte dies jedoch ab mit der Begründung, ein anderer Kollege des ASt. sei überraschend ausgefallen. Der Quartalsabschluss per 31.3. . . . sei nur dann ordnungsgemäß fertig zu stellen, wenn der ASt. auf seinen Urlaubsanspruch verzichte. Stattdessen sei die AGg. bereit, per 31.3. . . . alle verfallenden Urlaubstage auszuzahlen. Zur Glaubhaftmachung: Vermerk der Personalabteilung vom . . ., Anlage AS 4 laubsreise bereit erklärt. Dass wegen Überarbeitung oder sonstiger körperlicher Erschöpfung der Urlaub dringend erforderlich ist, mag einen ausreichenden Verfügungsgrund darstellen, wird sich aber nur selten darlegen lassen. 4 Nach herrschender Auffassung muss der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch im Wege der Leistungsklage durchsetzen (BAG v. 11.3.1971, AP Nr. 10 zu § 10 BUrlG Schonzeit), nicht durch Gestaltungsklage. Macht der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch im ordentlichen Verfahren geltend, muss er keinen bestimmten Zeitraum nennen, sondern kann abstrakt die Verurteilung des Arbeitgebers zur Gewährung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen beantragen. Corts (NZA 1998, 358) schlägt vor, statt des Antrags im Muster den Antrag darauf zu richten, dass dem Arbeitnehmer „gestattet wird, von . . . bis . . . seiner Tätigkeit fernzubleiben“. Diese Antragstellung bedarf (außer der Zustellung) keiner weiteren Vollstreckung, hat aber den Nachteil, dass die Frage der Vergütungspflicht ebenso offen bleibt wie die Anrechnung der Freistellung auf den Jahresurlaub, so dass Folgeverfahren programmiert sind. 5 Umstritten ist, auf welche Weise die Vollstreckung eines Titels auf Urlaubsgewährung erfolgt. Nach früherer Auffassung sollte die Vollstreckung nach § 894 ZPO erfolgen (BAG v. 12.10.1961 und v. 19.1.1962, AP Nr. 83, 86 zu § 611 BGB Urlaubsrecht). Dementsprechend galt der Urlaub erst mit Rechtskraft der einstweiligen Verfügung gemäß § 894 ZPO als „erteilt“. Nach neuerer Auffassung des BAG (v. 18.12.1986, AP Nr. 10 zu § 7 BUrlG) ist die Gewährung des Urlaubs durch den Arbeitgeber dagegen eine einseitige Erklärung, so dass nur die Vollstreckung nach § 888 ZPO in Betracht kommt (Baur in Dunkl/Moeller, S. 245; ausf. Corts, NZA 1998, 358).

Diller

649

Kap. 14

Urlaub

M 14.6

Dem ASt. ist im Januar . . . mündlich vom Personalleiter zugesichert worden, er könne den Resturlaub im März . . . nehmen. Zur Glaubhaftmachung: Zeugnis des Personalleiters der AGg., zu laden über diese Der ASt. hat daraufhin für die Zeit vom . . . bis 31.3. . . . mit seiner Familie eine Urlaubsreise in die Karibik zum Preis von insgesamt Euro 11 000,– fest gebucht. Müsste er jetzt von der Reise zurücktreten, wäre nach den Bedingungen des Reiseveranstalters der volle Reisepreis verfallen. Zur Glaubhaftmachung: Vorlage der Reisedokumente, Anlagenkonvolut AS 5 ... (Unterschrift)6 6 Als Streitwert ist die Höhe der Urlaubsvergütung (Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld) für die Zahl der begehrten Urlaubstage anzusetzen (LAG Bremen v. 22.10.2008, AE 2009, Nr. 232). Der ansonsten bei einstweiligen Verfügungen übliche Abschlag vom Wert der Hauptforderung erscheint nicht angemessen, wenn das Verfügungsverfahren die Hauptsache vorwegnimmt und erledigt.

14.6

u

Klage auf Urlaubsabgeltung

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz2 seit dem 31.3. . . . an den Kläger zu zahlen. Begründung: Der Kl. war seit . . . bei der Bekl. als . . . tätig. Gemäß § 3 seines Arbeitsvertrages hatte er einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen/Kalenderjahr. Beweis: Arbeitsvertrag vom . . ., Anlage K 1 Am 27.4. . . . erlitt der Kl. einen schweren Verkehrsunfall, bei dem er sich lebensgefährliche Verletzungen zuzog. Das Arbeitsverhältnis endete am 30.9. . . . durch Aufhebungsvertrag. In der Zeit zwischen dem Verkehrsunfall und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Kl. durchgehend als arbeitsunfähig krankgeschrieben. Als der Kl. den Unfall erlitt, hatte er für das Jahr . . . noch keinen Tag Urlaub genommen. 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7.

650 Diller

Kap. 15

Krankheit

Mit Schreiben vom . . . forderte der Kl. die Bekl. zur Zahlung von Urlaubsabgeltung auf. Die Bekl. lehnte jedoch jegliche Zahlung ab. Beweis: Ablehnungsschreiben der Bekl. vom . . ., Anlage K 2 Dem Kl. steht eine Urlaubsabgeltung für 30 Urlaubstage zu. Der Urlaubsanspruch für das Jahr . . . ist unstreitig entstanden, und zwar trotz der Vertragsbeendigung zum 30.9. . . . in Höhe der vollen 30 Urlaubstage. § 5 BUrlG sieht nur bei Ausscheiden in den ersten sechs Monaten des Kalenderjahres eine anteilige Kürzung des GesamtUrlaubsanspruchs vor, nicht aber bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte. Dass der Kl. fast ein halbes Jahr lang arbeitsunfähig war, hatte auf den Urlaubsanspruch keine Auswirkungen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG besteht der Urlaubsanspruch für ein Kalenderjahr sogar dann, wenn der Arbeitnehmer in diesem Jahr keinen einzigen Tag gearbeitet hat. Der Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen hat sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.9. . . . gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt. Der Anspruch beträgt rechnerisch Euro . . . (wird ausgeführt . . .). Die Bekl. hat außergerichtlich eingewendet, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei deshalb nicht gegeben, weil der Kl. durchgehend bis zum 31.3. des Folgejahres arbeitsunfähig gewesen sei, also auch bei Verbleiben im Unternehmen den Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres nicht hätte nehmen können. Folglich sei der Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen. Die Bekl. übersieht jedoch, dass nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (v. 20.1.2009 – C-350/06 – Schultz-Hoff, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff) und des BAG (v. 24.3.2009, NZA 2009, 538) der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unabhängig davon ist, ob und wann der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Dadurch ist die frühere Rechtsprechung des BAG überholt, nach der nur dann ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestand, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls bis zum 31.3. des Folgejahres wieder arbeitsfähig geworden war. Folglich ist der Urlaubsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. ... (Unterschrift)3 3 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

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Kapitel 15

Krankheit

Literaturübersicht: Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl. 2006; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 4. Aufl. 2005; Butz/Preedy, Boni trotz Fehlzeiten?, AuA 2010, 578; Feichtinger, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, AR-Blattei SD 1000.1; Feichtinger/Malkmus, Entgeltfortzahlungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2010; Franzen, Zeitliche Begrenzung der Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer, NZA 2011, 1403; Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Loseblatt; Glatzel, Fallen im Pflegezeitgesetz – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, NJW 2009, 1377; Greiner, Krankengeld und Entgeltfortzahlung bei Organ- oder Gewebespende, NZS 2013, 241; Gut-

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Kap. 15

Krankheit

Mit Schreiben vom . . . forderte der Kl. die Bekl. zur Zahlung von Urlaubsabgeltung auf. Die Bekl. lehnte jedoch jegliche Zahlung ab. Beweis: Ablehnungsschreiben der Bekl. vom . . ., Anlage K 2 Dem Kl. steht eine Urlaubsabgeltung für 30 Urlaubstage zu. Der Urlaubsanspruch für das Jahr . . . ist unstreitig entstanden, und zwar trotz der Vertragsbeendigung zum 30.9. . . . in Höhe der vollen 30 Urlaubstage. § 5 BUrlG sieht nur bei Ausscheiden in den ersten sechs Monaten des Kalenderjahres eine anteilige Kürzung des GesamtUrlaubsanspruchs vor, nicht aber bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte. Dass der Kl. fast ein halbes Jahr lang arbeitsunfähig war, hatte auf den Urlaubsanspruch keine Auswirkungen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG besteht der Urlaubsanspruch für ein Kalenderjahr sogar dann, wenn der Arbeitnehmer in diesem Jahr keinen einzigen Tag gearbeitet hat. Der Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen hat sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.9. . . . gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt. Der Anspruch beträgt rechnerisch Euro . . . (wird ausgeführt . . .). Die Bekl. hat außergerichtlich eingewendet, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei deshalb nicht gegeben, weil der Kl. durchgehend bis zum 31.3. des Folgejahres arbeitsunfähig gewesen sei, also auch bei Verbleiben im Unternehmen den Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres nicht hätte nehmen können. Folglich sei der Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen. Die Bekl. übersieht jedoch, dass nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (v. 20.1.2009 – C-350/06 – Schultz-Hoff, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff) und des BAG (v. 24.3.2009, NZA 2009, 538) der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unabhängig davon ist, ob und wann der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Dadurch ist die frühere Rechtsprechung des BAG überholt, nach der nur dann ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestand, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls bis zum 31.3. des Folgejahres wieder arbeitsfähig geworden war. Folglich ist der Urlaubsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. ... (Unterschrift)3 3 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

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Kapitel 15

Krankheit

Literaturübersicht: Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl. 2006; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 4. Aufl. 2005; Butz/Preedy, Boni trotz Fehlzeiten?, AuA 2010, 578; Feichtinger, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, AR-Blattei SD 1000.1; Feichtinger/Malkmus, Entgeltfortzahlungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2010; Franzen, Zeitliche Begrenzung der Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer, NZA 2011, 1403; Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Loseblatt; Glatzel, Fallen im Pflegezeitgesetz – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, NJW 2009, 1377; Greiner, Krankengeld und Entgeltfortzahlung bei Organ- oder Gewebespende, NZS 2013, 241; Gut-

Diller/Lingemann

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Kap. 15

Krankheit

zeit, Die schwangere Kranke vor dem BAG – monokausale Wirrungen, NZA 2003, 81; Höser, Die Dienstwagennutzung bei Arbeitsunfähigkeit, BB 2012, 573; Joussen, Neues zur Beweislast bei Fortsetzungserkrankungen, SAE 2006, 147; Joussen – Streitfragen aus dem Pflegezeitgesetz, NZA 2009, 69; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, Entgeltfortzahlungsgesetz, 5. Aufl. 2000; Kleinebrink, Vertragliche Regelungen im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, ArbRB 2007, 186; Kleinebrink, Betriebsvereinbarungen zur Regelung des Verhaltens bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, ArbRB 2012, 247; Knorr, Organlebendspende und Entgeltfortzahlung, NZA 2012, 1132; Kühn, Die Vermeidung prozessualer Risiken bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit, NZA 2012, 1249; Kunz/Wedde, Entgeltfortzahlungsrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2005; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 14. Aufl. 2012; Lepke, Hepatitis-Infektion des Arbeitnehmers als Grund für eine fristgerechte Kündigung durch den Arbeitgeber, DB 2008, 467; Lingemann/Ludwig, Die krankheitsbedingte Kündigung, ArbR Aktuell 2010, 385, 409; Lorenz/Kissel, Mindestanforderungen eines ordnungsgemäßen betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX, ArbRB 2008, 382; Marienhagen/Künzl, Entgeltfortzahlung, Loseblatt; Müller/Berenz, Entgeltfortzahlungsgesetz mit Ausgleichsverfahren für Kleinbetriebe, Kommentar, 2007; Müller-Glöge, Aktuelle Rechtsprechung zum Recht der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, RdA 2006, 105; Nebe, (Re-)Integration von Arbeitnehmern: Stufenweise Wiedereingliederung und Betriebliches Eingliederungsmanagement – ein neues Kooperationsverhältnis, DB 2008, 1801; Niedermayer, Arbeitsunfähigkeit, AuA 2006, 100; Schulte/Karlsfeld, Anzeige- und Nachweispflichten bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, ArbRB 2011, 341; Schulz, Die Entgeltfortzahlung heute, ZRP 2005, 227; Subatzus, Melde- und Nachweispflichten bei Arbeitsunfähigkeit, DB 2013, 578; Willemsem/Fritzsche, Krankheitsbedingte Kündigung – (zumeist) hoffnungslos bei „Blaumachern“, DB 2012, 860; Worzalla/Süllwald, Entgeltfortzahlung, Kommentar für die Praxis, 2. Aufl. 1999; Zimmermann/Olbrich, Entgeltfortzahlung während eines Arbeitskampfes, juris-PRArbR 2/2013, Anm. 3.

I. Einführung 1

Bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers steht die Frage der Entgeltfortzahlung im Zentrum. Ist das Austauschverhältnis durch die Erkrankung nachhaltig gestört, so kommt auch eine personenbedingte Kündigung in Betracht (dazu im Einzelnen Einf. Kap. 22 Rz. 53 ff.). Eine Krankheit ist grundsätzlich nicht gleichzusetzen mit einer Behinderung iSd. Antidiskriminierungsrichtlinie und damit iSv. § 1 AGG.1 In der Entscheidung vom 11.4.2013 hat der EuGH jedoch ausgeführt, dass eine Einschränkungen mit sich bringende Krankheit einer Behinderung gleichzustellen sein kann.2 Auch ist nicht auszuschließen, dass besonders schwerwiegende Krankheiten oder Krankheiten von sehr langer Dauer als Behinderung iSd. § 1 AGG anzusehen sind.3

2

Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung gehindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG.4

1 EuGH v. 11.7.2006, NZA 2006, 839 – Chacón Navas; dazu Bauer/Röder/Lingemann, S. 109; Kock, ArbRB 2006, 343; BAG v. 22.9.2009, NZA 2010, 280. 2 EuGH v. 11.4.2013 – C-335/11 u. C-337/11. 3 Thüsing, NZA 2006, 777; Kock, ZIP 2006, 1551; Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 172; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 26 Rz. 23. 4 Sechs Wochen entsprechen 42 Tagen, an denen Arbeitsunfähigkeit besteht, BAG v. 22.8.2001, BB 2002, 943.

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Krankheit

Kap. 15

Krankheit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes insoweit jeder „regelwidrige körperliche oder geistige Zustand“.5 Die Arbeitsunfähigkeit muss auf der Krankheit beruhen, der Arbeitnehmer also infolge der Krankheit seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen können.6 Darüber hinaus muss die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sein (Monokausalität).7 Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt also voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte.8 Daran fehlt es beispielsweise, wenn streikbedingt der Betrieb zu völligem Stillstand kommt,9 bei Elternzeit10 oder auch bei fehlender Arbeitserlaubnis, sofern diese nicht bei Antragstellung sofort antragsgemäß erteilt worden wäre.11 Bei einer Freistellung des Arbeitnehmers nach krankheitsbedingter Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung bedarf es einer ausdrücklichen Regelung, wenn über die gesetzlichen Regeln hinaus Entgeltansprüche begründet werden sollen.12 Von dem in § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG angelegten Grundsatz, dass für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung die Arbeit allein auf Grund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ausgefallen sein muss, kann durch Tarifvertrag abgewichen werden, beispielsweise indem für die Entgeltfortzahlung nicht die krankheitsbedingten Ausfalltage, sondern die Kalendertage der Arbeitsunfähigkeit zugrunde gelegt werden.13 Nur die unverschuldete Krankheit führt zur Entgeltfortzahlung. Schuldhaft iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt der Arbeitnehmer, der gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt.14 Das ist zB der Fall bei grob fahrlässiger Missachtung von Unfallverhütungs- oder betrieblichen Sicherheitsvorschriften15 oder Überfahren einer Rotlicht zeigenden Ampel.16 Nicht verschuldet sind Krankheitszeiten infolge einer künstlichen Befruchtung17 oder der Behandlung einer Unfruchtbarkeit mit Hormonen.18 Bei suchtbedingter Arbeitsunfähigkeit kommt es maßgeblich darauf an, welche Ursachen zu der Suchterkrankung geführt haben, die Beweislast trägt insoweit der Arbeitgeber.19 Nach Organ- oder Gewebespende 5 BAG v. 7.8.1991, NZA 1992, 69. Insofern stellt zB eine Schwangerschaft, die ohne Komplikationen verläuft, keine Krankheit dar, Alkohol- und Drogenabhängigkeit hingegen schon. 6 BAG v. 7.8.1991, NZA 1992, 69; ErfK/Dörner, § 3 EFZG Rz. 9 mwN. 7 Dies ist nicht der Fall, wenn die Arbeitspflicht bereits aus einem anderen Grunde aufgehoben ist, etwa auf Grund der Vereinbarung einer Betriebsruhe, BAG v. 28.1.2004, AP Nr. 21 zu § 3 EFZG. Ebenso entfällt der Anspruch, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung verweigert und lediglich eine Krankmeldung nachschiebt, LAG Rh.-Pf. v. 20.3.2009, BB 2009, 1581. 8 Zuletzt BAG v. 13.12.2011, NZA 2012, 995; v. 4.12.2002, NZA 2003, 632 zur Entgeltfortzahlung nach Widerspruch gegen einen Betriebsübergang. 9 Bei teilweisem Stillstand vgl. BAG v. 1.10.1991, NZA 1992, 163; LAG Rh. Pf. v. 26.7.2012 – 10 Sa 137/12; Zimmermann/Olbrich, juris-PRArbR 2/2013, Anm. 3. 10 BAG v. 22.6.1988, NZA 1989, 13. 11 BAG v. 26.6.1996, DB 1996, 2133. 12 BAG v. 23.1.2008, NZA 2008, 595. 13 BAG v. 9.10.2002, NZA-RR 2003, 978. 14 Zuletzt LAG Hamm v. 7.3.2007 – 18 Sa 1839/06. 15 LAG Berlin v. 31.3.1981, DB 1982, 707. 16 BGH v. 8.7.1992, NJW 1992, 2418; zahlreiche weitere Beispiele bei Bauer/Röder/Lingemann, S. 13 ff. 17 LAG Düsseldorf v. 13.6.2008 – 10 Sa 449/08. 18 LAG Hessen v. 26.11.2008 – 6/18 Sa 740/08. 19 BAG v. 7.8.1991, NZA 1992, 69.

Lingemann 653

3

Kap. 15

Krankheit

hat der Arbeitnehmer seit dem 1.8.2012 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3a EFZG.20 4

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses, § 3 Abs. 3 EFZG. Besteht zwischen einem beendeten und einem neu begründeten Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang, so gilt dies nicht als Unterbrechung.21

5

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht mit jeder neuen Erkrankung neu bis zur Dauer von sechs Wochen, bei Folgeerkrankungen hingegen nur, wenn die engeren Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG vorliegen. Der Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EFZG setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der Zwölf-Monats-Frist erneut arbeitsunfähig wird. Der Anspruch besteht nicht, wenn der Arbeitnehmer schon vorher erneut arbeitsunfähig wird und die Arbeitsunfähigkeit über den Ablauf der Zwölf-Monats-Frist hinaus bestehen bleibt.22 Den Arbeitgeber trifft zwar die objektive Beweislast für das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung, der Arbeitnehmer muss aber die anspruchsbegründenden Tatsachen eines Entgeltfortzahlungsanspruches darlegen und beweisen.23 Der Arbeitnehmer muss also insbesondere darlegen und unter Beweis stellen, dass es sich nicht um eine Fortsetzungserkrankung handelt, und dazu den Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Erst wenn danach nicht geklärt werden kann, ob es sich um eine Fortsetzungserkrankung handelt, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers.24

6

Die Höhe der Entgeltfortzahlung25 richtet sich nach der für den Arbeitnehmer maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit, § 4 Abs. 1 EFZG. Bei Leistungsvergütung kommt es auf den für den Arbeitnehmer in dieser Zeit erzielbaren Durchschnittsverdienst an, § 4 Abs. 1a Satz 2 EFZG. Danach ist auch beim Leistungslohn das Entgeltausfallprinzip maßgebend. Beim Akkordlohn muss somit der Lohn weitergezahlt werden, den der Akkordarbeiter erzielt hätte, wenn er nicht krank geworden wäre.26 Beim Gruppenakkord ist demgegenüber auf den Verdienst der weiterarbeitenden Akkordgruppenmitglieder abzustellen.27 Im Schichtdienst sind Freischichten im Referenzzeitraum im Divisor zu berücksichtigen, dh. sie reduzieren die rechnerisch pro Tag geleisteten Arbeitsstunden.28 § 4 Abs. 1 EFZG legt der Entgeltfortzahlung allerdings ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Bei Schwankungen der individuellen Arbeitszeit ist zur Bestimmung der „regelmäßigen“ Arbeitszeit eine vergangenheitsbezogene Betrachtung zulässig und geboten. Maßgebend ist der Durchschnitt der

20 Das BAG hatte diesen Anspruch vor Einfügung des § 3a EFZG abgelehnt, BAG v. 6.8.1986, NZA 1987, 487. Zum neuen Recht Greiner, NZS 2013, 241; Knorr, NZA 2012, 1132. 21 BAG v. 22.8.2001, BB 2002, 943. 22 BAG v. 14.3.2007, DB 2007, 1360. 23 Vgl. BAG v. 13.7.2005, BB 2005, 2642; LAG Hamm v. 18.1.2006, AuA 2006, 496; Joussen, SAE 2006, 147; ebenso LAG Hessen v. 20.2.2008 – 6 Sa 859/06; LAG Rh.-Pf. v. 30.1.2008 – 8 Sa 586/07. 24 Vgl. BAG v. 13.7.2005, BB 2005, 2642; LAG Hamm v. 18.1.2006, AuA 2006, 496; Joussen, SAE 2006, 147; Bauer/Röder/Lingemann, S. 33 f.; Müller-Glöge, RdA 2006, 105, 116. 25 Vgl. auch Müller-Glöge, RdA 2006, 105, 110. 26 BAG v. 26.2.2003, NZA 2003, 992. 27 BAG v. 26.2.2003, NZA 2003, 992. 28 BAG v. 10.7.1996, BB 1997, 48.

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Krankheit

Kap. 15

vergangenen zwölf Monate.29 Wenn ein Arbeitnehmer ein festes Monatsentgelt erhält, das auch die Vergütung für eine bestimmte, arbeitsvertraglich vereinbarte Zahl von Mehrarbeitsstunden einschließlich tariflicher Überstundenzuschläge umfasst, ist bei der Entgeltfortzahlung der Überstundenzuschlag für die vereinbarten Mehrarbeitsstunden aus dem Monatsentgelt herauszurechnen.30 Einzubeziehen sind jedoch Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, wenn der Arbeitnehmer eingeteilt war und die Arbeit ausschließlich wegen Krankheit nicht erbracht wurde.31 Nicht einzubeziehen sind Überstundenvergütungen und Aufwendungsersatz, soweit er die Entstehung der konkreten Aufwendungen voraussetzt. Gegenstand eines Entgeltfortzahlungsanspruchs kann auch ein Anspruch auf Zeitgutschrift sein, da ein Arbeitszeitkonto ebenfalls einen Entgeltanspruch des Arbeitnehmers darstellt.32 Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 1–11 EFZG über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind – mit Ausnahme des § 4 Abs. 4 iVm. § 4 Abs. 1–3 EFZG, also der Regelung über die Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts – grundsätzlich unabdingbar, § 12 EFZG. Nur durch Tarifvertrag kann eine von § 4 Abs. 1, 1a und 3 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden.33 Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags kann auch zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall vereinbart werden, § 4 Abs. 4 EFZG. Gemäß § 5 EFZG hat der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliches Ende unverzüglich mitzuteilen. Die Dauer hat er nach seinem subjektiven Kenntnisstand zu erklären. Eine Anzeige durch beauftragte Familienangehörige oder Arbeitskollegen reicht aus. Eine briefliche Anzeige wird wegen der Postverzögerung im Regelfall zu spät kommen,34 eine mündliche oder telefonische Anzeige oder eine Anzeige per Telefax oder E-Mail ist erforderlich, aber auch ausreichend. „Unverzüglich“, dh. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) ist die Mitteilung nur, wenn sie dem Arbeitgeber in den ersten Arbeitsstunden am ersten Tag der Erkrankung zugeht.35 Auch eine Anzeige gegenüber üblicherweise dazu berechtigten Personen, also dem Personalleiter oder Dienstvorgesetzten, reicht aus. Unterlässt der Arbeitnehmer die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit jedoch ganz, stellt dies eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung dar, die grundsätzlich geeignet ist, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.36 Unter den Voraussetzungen des § 7 EFZG kann der Arbeitgeber zudem die Fortzahlung des Arbeitsentgelts verweigern, bis der Arbeitnehmer den Anzeige- und Nachweispflichten aus § 5 EFZG nachkommt. Schließen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, nach dem der Arbeitnehmer verpflichtet ist, Unterlagen vorzulegen, die seine Arbeitunfähigkeit belegen, so begrün29 BAG v. 21.11.2001, DB 2002, 845; v. 26.6.2002, DB 2002, 2439; zu Zahlungen von vereinbarten Boni Butz/Preedy, AuA 2010, 578. 30 BAG v. 21.11.2001, AP Nr. 56 zu § 4 EFZG; v. 26.6.2002, BB 2003, 55. Eine im monatlichen Rhythmus des laufenden Arbeitsentgelts geleistete Anwesenheitsprämie ist idR als nicht kürzbares Entgelt anzusehen, LAG München v. 11.8.2009, EzA-SD 2009, Nr. 20, 8. 31 St. Rspr., zuletzt BAG v. 14.1.2009, DB 2009, 909. 32 BAG v. 28.1.2004, AP Nr. 21 zu § 3 EFZG. 33 BAG v. 18.11.2009, AP Nr. 70 zu § 4 EFZG. 34 BAG v. 31.8.1989, NZA 1990, 433. 35 BAG v. 31.8.1989, NZA 1990, 433. 36 BAG v. 31.8.1989, NZA 1990, 433; LAG Köln v. 26.11.2009 – 7 Sa 714/09.

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7

Kap. 15

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det der Vergleich einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer die Unterlagen tatsächlich vorlegt.37 8

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, so hat der Arbeitnehmer überdies eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen, § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG. Diese Nachweispflicht besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat oder nicht. Für die Berechnung der drei Krankheitstage gilt § 187 Abs. 1 BGB nicht. Die Vorlagepflicht setzt somit am vierten Tag ein. Eine kürzere Frist kann durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbart werden. Auch kann der Arbeitgeber gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG den Arbeitnehmer anweisen, schon vor Ablauf der Drei-Tages-Frist eine entsprechende Bescheinigung vorzulegen. Eine solche Anweisung bedarf in den Grenzen der Willkür und des Rechtsmissbrauchs keines besonderen Grundes (vgl. M 15.3).38 Für die ärztlichen Bescheinigungen werden zumeist Formblätter verwendet (vgl. §§ 31, 34 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte iVm. Anlage 2, Stand Januar 2013). Die an den Arbeitgeber gerichtete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss die voraussichtliche Dauer und den Vermerk enthalten, dass den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung eine weitere Bescheinigung mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird, § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG. Nur die Bescheinigung an die gesetzliche Krankenkasse enthält Angaben über den Krankheitsbefund. Eine Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nur nach einer gewissenhaften Untersuchung und höchstens für zwei Tage zulässig. Der grundsätzlich sehr hohe Beweiswert39 eines nicht näher begründeten ärztlichen Beschäftigungsverbotes (§ 3 Abs. 1 MuSchG) wird erschüttert, wenn trotz Aufforderung durch den Arbeitgeber keine Bescheinigung vorgelegt wird, aus der hervorgeht, von welchen konkreten Arbeitsbedingungen der Arzt ausgegangen ist.40

9

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der ersten ärztlichen Bescheinigung angegeben, so muss unverzüglich eine neue ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden, § 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG. Auch hier gilt die Drei-Tages-Frist. Auch die Folgebescheinigung ist unabhängig davon vorzulegen, ob der Arbeitnehmer noch Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat oder nicht.41

9a

Grundsätzlich gelten die Anzeige- und Nachweispflichten gleichermaßen bei Auslandsaufenthalten. Gemäß § 5 Abs. 2 EFZG muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitteilen. Das EFZG verlangt die Mitteilung der Adresse, damit der Arbeitgeber notfalls eine Untersuchung 37 LAG BW v. 26.5.2008 – 5 Sa 134/08, nv. 38 BAG v. 14.11.2012, DB 2013, 464; dazu Subatzus, DB 2013, 578; nach HWK/Schliemann, § 5 EFZG Rz. 36 und MünchArbR/Schlachter, § 75 Rz. 20 muss sich eine solche Weisung des Arbeitgebers hingegen in den Grenzen billigen Ermessens halten. 39 LAG Rh.-Pf. v. 15.1.2009 – 10 Sa 552/08: Arbeitsunfähigkeit ist nicht mit Bettlägerigkeit gleichzusetzen; das Antreffen eines Maurers mit offensichtlich verschmutzter Hose erschüttert nicht den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung; LAG Hamm v. 11.6.2008, AuA 2008, 689: Nähe zu begehrtem Urlaub erschüttert nicht den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung; vgl. auch LAG Hamm v. 9.4.2008 – 18 Sa 1938/07. 40 BAG v. 7.11.2007, DB 2008, 303. 41 LAG Sachsen-Anhalt v. 24.4.1996, BB 1996, 2307.

656 Lingemann

Krankheit

Kap. 15

des Arbeitnehmers am Aufenthaltsort durch einen Arzt veranlassen kann, der das Vertrauen des Arbeitgebers genießt.42 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit trägt zwar grundsätzlich der Arbeitnehmer. Eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Bescheinigung begründet jedoch idR den Beweis dafür, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist.43 Der Arbeitgeber muss dann Tatsachen vortragen, die geeignet sind, ernstliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu begründen, um den hohen Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung zu erschüttern.44 Gelingt ihm das, ist es nunmehr Aufgabe des Arbeitnehmers, seine Erkrankung unter Beweis zu stellen. Anhaltspunkte, die gegen eine tatsächliche Erkrankung des Arbeitnehmers sprechen, können eine fehlende ärztliche Untersuchung sein, eine Rückdatierung der Bescheinigung, körperliche Tätigkeiten des Arbeitnehmers während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit oder auch die Ankündigung einer Krankheit.45

10

Bescheinigungen ausländischer Ärzte innerhalb der EU haben grundsätzlich den gleichen Beweiswert wie solche, die im Inland ausgestellt wurden.46 Anders als bei Inlandssachverhalten genügen ernstliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers jedoch nicht, um der ausländischen Bescheinigung die Beweiskraft absprechen zu können.47 Der Arbeitgeber muss vielmehr den vollen Gegenbeweis antreten, hat also „Nachweise zu erbringen, anhand deren das nationale Gericht gegebenenfalls feststellen kann, dass der Arbeitnehmer missbräuchlich oder betrügerisch eine (. . .) Arbeitsunfähigkeit gemeldet hat, ohne krank gewesen zu sein“.48

10a

Kann der Arbeitnehmer auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls beanspruchen, der ihm durch die Arbeitsunfähigkeit entstanden ist, so geht dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung geleistet hat, § 6 Abs. 1 EFZG. Einer gesonderten Abtretungserklärung bedarf es daher nicht mehr.

11

Die Krankheit eines Arbeitnehmers lässt den Urlaubsanspruch grundsätzlich unberührt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr keine oder nur geringfügige Arbeitsleistungen erbracht hat. Bleibt der Arbeitnehmer über das Kalenderjahr hinweg arbeitsunfähig krank, so gilt nach neuer Rechtsprechung des BAG aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten ab dem Ende des Kalenderjahres. Danach erlischt der gesetzliche Urlaubsanspruch.49 Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs,

12

42 43 44 45 46 47 48 49

Vgl. EuGH v. 3.6.1992, NZA 1992, 735 – Paletta I; BAG v. 19.2.1997, BB 1997, 522. Vgl. BAG v. 15.7.1992, NZA 1993, 24; Müller-Glöge, RdA 2006, 105, 114 f. BAG v. 19.2.1997, NZA 1997, 652; dazu Kühn, NZA 2012, 1249. Vgl. auch oben Rz. 8 zum Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Zahlreiche weitere Beispiele bei Bauer/Röder/Lingemann, S. 79 ff. Vgl. EuGH v. 2.5.1996, NZA 1996, 635 – Paletta II. Allerdings muss auch der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unterscheiden können, also mit den Begriffen des deutschen Urlaubsrechts vertraut sein. EuGH v. 3.6.1992, NZA 1992, 735 – Paletta I. EuGH v. 2.5.1996, NZA 1996, 635, s. auch Schlussurteil in dieser Sache („Paletta“), LAG BW v. 9.5.2000, NZA-RR 2000, 514. EuGH v. 22.11.2011, NZA 2011, 1333 – KHS; BAG v. 7.8.2012, NZA 2012, 1216; EuGH v. 20.1.2009, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff; BAG v. 24.3.2009, NZA 2009, 538; dazu Franzen, NZA 2011, 1403; s. dazu ausführlich Einf. Kap. 14 Rz. 12.

Lingemann 657

Kap. 15

Krankheit

so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet, § 9 BUrlG. Das Gleiche gilt für Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation, § 10 BUrlG. 13

Mit dem am 1.7.2008 in Kraft getretenen Pflegezeitgesetz (PflegeZG) wurde für Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht für zehn Tage zur Pflege naher Angehöriger geschaffen.50 Eine eigene Entgeltfortzahlungspflicht begründet das Gesetz allerdings nicht. Es verweist in § 2 Abs. 3 auf andere gesetzliche Vorschriften und Vereinbarungen. Diese (meist § 616 BGB) begründen jedoch in aller Regel Entgeltfortzahlung nur für wenige Tage.51

14

Schwerbehinderte Menschen haben einen Anspruch auf stufenweise Wiedereingliederung52 gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX. Während der Wiedereingliederungsphase ist der Arbeitnehmer weiterhin arbeitsunfähig krank. Das Arbeitsverhältnis ruht wegen einer Leistungsstörung (§ 275 BGB). Eine teilweise Arbeitsunfähigkeit kennt das deutsche Recht nicht. Daher besteht zwar kein Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den Arbeitgeber, häufig jedoch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse. Eine Pflicht des Arbeitgebers zur Mitwirkung an einer stufenweisen Wiedereingliederung bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern besteht nicht.53

15

Gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX muss der Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sind – nicht nur für schwerbehinderte54 Menschen – ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen, sofern die betroffene Person zustimmt. Ein entsprechendes Aufforderungsschreiben ist das Muster M 15.5. Mit dem BEM sollen die Möglichkeiten geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Bei der Ausgestaltung besteht ein großer Spielraum.55 Das BEM setzt auch nicht die Aufstellung einer Verfahrensordnung voraus.56 Der Betriebsrat kann gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG iVm. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX verlangen, dass ihm der Arbeitgeber quartalsweise die Namen der Arbeitnehmer mitteilt, die vom BEM betroffen sind.57 Formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine personenbedingte Kündigung ist die Durchführung des BEM zwar nicht, es stellt vielmehr nur eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar.58 Das BAG verschärft im Ergebnis aber die Darlegungs- und Beweislast für eine krankheitsbedingte Kündigung erheblich, 50 Ausführlich dazu Einf. Kap. 17 Rz. 28 ff. 51 Näher dazu Glatzel, NJW 2009, 1377; Jacob, NZA 2009, 69; PWW/Lingemann § 616 BGB Rz. 1. 52 BAG v. 13.6.2006, NZA 2007, 91. 53 Nebe, DB 2008, 1801. 54 BAG v. 12.7.2007, NZA 2008, 173. 55 Ausführlich dazu B. Schmidt, AE 2012, 202 ff.; Lorenz/Kissel, ArbRB 2008, 382; Nebe, DB 2008, 1801. 56 BAG v. 10.12.2009, NZA 2010, 639. 57 Dieser Auskunftsanspruch besteht unabhängig von einer Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer, da einem solchen Verlangen keine datenschutzrechtlichen Bedenken oder Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer entgegenstehen, BAG v. 7.2.2012, NZA 2012, 744. 58 BAG v. 10.12.2009, NZA 2010, 639.

658 Lingemann

M 15.2

Kap. 15

Krankheit

wenn das BEM nicht oder fehlerhaft durchgeführt wurde.59 Insbesondere muss der Arbeitgeber dann das Fehlen einer alternativen Einsatzmöglichkeit durch umfassenden Sachvortrag untermauern (Einzelheiten bei Kap. 22 Rz. 55).60 Hat der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung kein BEM durchgeführt, muss er von sich aus darlegen, weshalb denkbare Alternativen zu den bestehenden Beschäftigungsbedingungen mit der Aussicht auf eine Reduzierung der Ausfallzeiten nicht in Betracht kommen. Hat das ordnungsgemäß durchgeführte BEM zu einem negativen Ergebnis geführt, genügt er seiner Darlegungslast, wenn er auf diesen Umstand hinweist und vorträgt, es bestünden keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten. Hat ein BEM zu einem positiven Ergebnis geführt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, die betreffende Empfehlung umzusetzen.61 59 Keine kündigungsrelevanten Auswirkungen hat die fehlende Durchführung eines BEM jedoch, wenn der Arbeitnehmer einem solchen trotz ordnungsgemäßer Aufklärung nicht zugestimmt hat, BAG v. 24.3.2011, NZA 2011, 992. 60 BAG v. 12.7.2007, NZA 2008, 173. 61 BAG v. 10.12.2009, NZA 2010, 398.

II. Muster

u

Anzeige der Arbeitsunfähigkeit

15.1

An die Firma . . . Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., auf Grund einer Erkrankung kann ich heute bis voraussichtlich zum . . . nicht zur Arbeit erscheinen. Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reiche ich fristgemäß nach. ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift des Arbeitnehmers)

u

Ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Herr/Frau . . . (Name des Arbeitnehmers) ist vom . . . bis . . . arbeitsunfähig krank.1 Der Krankenkasse . . . wird unverzüglich die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt.2 ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift des Arztes)

1 Die Bescheinigung für den Arbeitgeber enthält keinen Befund. 2 Fehlt dieser gemäß § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG bei versicherten Arbeitnehmern erforderliche Vermerk, liegt keine gültige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor.

Lingemann 659

15.2

Kap. 15

15.3

u

Krankheit

M 15.3

Weisung zum Nachweis einer ärztlichen Bescheinigung

Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., in den letzten Monaten/Jahren waren Sie vermehrt arbeitsunfähig erkrankt, sodass Sie Ihre Arbeitsleistung nicht erbringen konnten. Entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes fordern wir Sie auf, zukünftig bei jeder Neuerkrankung, gleich welcher Dauer, eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Bitte reichen Sie die ärztliche Bescheinigung am ersten Arbeitstag Ihrer Erkrankung bei unserer Personalabteilung ein. Sie soll Angaben über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit enthalten. Sollte Ihre Erkrankung wider Erwarten länger dauern als in der ärztlichen Bescheinigung angegeben, so legen Sie bitte unverzüglich eine neue Bescheinigung Ihres behandelnden Arztes vor. evtl. Der Betriebsrat wurde über unser Vorgehen informiert.1 ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift)

1 Grundsätzlich besteht keine Pflicht, den Betriebsrat bezüglich derartiger Maßnahmen zu beteiligen. Werden allerdings betriebliche Maßnahmen darüber getroffen, dass Arbeitnehmer im Betrieb generell eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG vorzulegen haben, können Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entstehen, BAG v. 25.1.2000, NZA 2000, 665.

15.4

u

Klage auf Entgeltfortzahlung

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz2 seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.3 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7. 3 Praxistipp: Unrichtig ist der mitunter anzutreffende Antrag auf Zahlung des fortzuzahlenden Entgelts „abzüglich des erhaltenen Krankengeldes“. Erhält der erkrankte Arbeitnehmer Krankengeld der gesetzlichen oder privaten Krankenkasse, so geht dadurch der Lohnanspruch nicht unter. Vielmehr findet allenfalls ein Forderungsübergang statt, der jedoch (mangels Anzeige gegenüber dem Arbeitgeber) die Geltendmachung des vollen Fortzahlungsanspruchs durch den Arbeitnehmer nicht hindert.

660 Lingemann/Diller

M 15.4

Krankheit

Kap. 15

Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. seit mehr als zehn Jahren4 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Beide Parteien sind nicht tarifgebunden. Ab Sonntag, dem 15.2. . . ., litt der Kl. an einer schweren Grippe. Am Montag, dem 16.2. . . ., informierte er morgens bei Dienstbeginn telefonisch seinen Vorgesetzten, den Abteilungsleiter . . ., von seiner Erkrankung und der daraus folgenden Arbeitsunfähigkeit. Beweis: Zeugnis des Herrn . . ., zu laden über die Bekl. Nachdem sich der Gesundheitszustand des Kl. am Montag und Dienstag nicht gebessert hatte, ging er am Mittwoch, dem 18.2. . . ., zu seinem Hausarzt. Dieser schrieb ihn bis einschließlich 25.2. . . . krank. Beweis: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. med. . . . vom 18.2. . . ., Anlage K 1 Noch am gleichen Tag bat der Kl. seine Ehefrau, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Bekl. abzugeben. Aus unerfindlichen Gründen vergaß sie dies jedoch. Erst nachdem das Versehen am darauf folgenden Wochenende aufgefallen war, brachte die Ehefrau des Kl. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am Montag, dem 23.2. . . ., bei der Bekl. vorbei. Beweis: Zeugnis der Ehefrau des Kl., zu laden über diesen Die Bekl. hat die Fortzahlung des Gehalts für die Zeit vom 16. bis zum 23.2. . . . abgelehnt. Sie hat behauptet, der Kl. sei gar nicht krank gewesen, sondern habe „blau gemacht“. Dies lasse sich schon daraus schließen, dass der Kl. nicht rechtzeitig ein ärztliches Attest vorgelegt habe. Für die Zeit vom 18. bis 23.2. . . . habe der Kl. auch schon wegen § 5 EFZG keine Ansprüche, weil er entgegen dieser Vorschrift nicht rechtzeitig ein ärztliches Attest eingereicht habe. Die Auffassung der Bekl. ist unrichtig. Wenn sich der Arbeitgeber mit der Vorlage eines Attestes am dritten Arbeitstag begnügt und nicht schon gemäß § 5 EFZG am ersten Arbeitstag die Attestvorlage verlangt, dann muss er sich in den ersten drei Krankheitstagen mit der mündlichen Auskunft des Arbeitnehmers über dessen Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich zufrieden geben. Nur wenn der Arbeitgeber konkrete Tatsachen vorbringen kann, die gravierende Zweifel an der Richtigkeit der angezeigten Arbeitsunfähigkeit begründen, obliegt es dem Arbeitnehmer, weiteren Beweis für die Erkrankung anzutreten. Die Bekl. hat keine Gründe vorgebracht, die geeignet wären, Zweifel an der Richtigkeit der mitgeteilten Arbeitsunfähigkeit zu wecken. Die bloße Tatsache, dass das am dritten Tag beizubringende Attest verspätet eingereicht wurde, begründet noch keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit der angezeigten Arbeitsunfähigkeit. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil es plausible Gründe für die verspätete Attesteinreichung gab. Die Bekl. ist auch nicht für die Zeit vom 18. bis zum 23.2. . . . von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung befreit. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 7 EFZG lässt die verspätete Einreichung des ärztlichen Attests den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht entfallen, sondern begründet nur ein Leistungsverweigerungsrecht. Reicht der Arbeit4 Da der Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach der vierwöchigen Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG entsteht, gehört die Darlegung der Betriebszugehörigkeit zur Schlüssigkeit der Klage.

Diller

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Kap. 15

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nehmer die Bescheinigung nach, ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung fällig. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich aus der nachgereichten ärztlichen Bescheinigung zweifelsfrei ergibt, dass die Krankheit schon in der Zeit davor vorlag. Das steht im vorliegenden Fall auf Grund der am 18.2. . . . ausgestellten ärztlichen Bescheinigung fest. Auf Grund der nicht anerkannten Krankheitszeiten hat die Bekl. das monatliche Entgelt des Kl. von normalerweise Euro . . . um Euro . . . gekürzt. Beweis: Schreiben der Bekl. vom . . ., Anlage K 2 Dieser Betrag wird mit der Klage geltend gemacht. ... (Unterschrift)5 5 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

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Aufforderung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX

An Herrn/Frau . . . Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., in dem vergangenen Jahr waren Sie länger als sechs Wochen arbeitsunfähig. Der Gesetzgeber sieht in § 84 Abs. 2 SGB IX ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) vor. Damit sollen die Möglichkeiten erörtert werden, wie Ihre Arbeitsunfähigkeit möglichst zu überwinden ist und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Aufgrund Ihrer Erkrankungen in letzter Zeit gehören Sie zu dem Personenkreis, für den ein solches betriebliches Eingliederungsmanagement vorgesehen ist. Wir bitten Sie, uns auf anliegender Durchschrift dieses Schreibens zu bestätigen, dass Sie mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie der Teilnahme von Herrn/Frau . . . als Vertreter/in der Schwerbehindertenvertretung und Herrn/Frau . . . als Vertreter/in des Betriebsrates einverstanden sind. Wir werden dann mit den Beteiligten zunächst einen Termin für ein erstes Eingliederungsgespräch abstimmen. Ob darüber hinaus die Hinzuziehung des Betriebsarztes erforderlich ist, sollten wir gemeinsam klären. Bitte lassen Sie uns auch wissen, ob nach Ihrer Ansicht Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben gemäß §§ 84 Abs. 2 Satz 4, 33 Abs. 1 SGB IX in Betracht kommen. In diesem Fall würden wir – Ihr Einverständnis vorausgesetzt – das Integrationsamt zu den Terminen hinzuziehen. Gemäß § 33 Abs. 1 SGB IX werden die erforderlichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit (wieder-)herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. 662 Diller/Lingemann

M 15.5

Kap. 15

Krankheit

Hinweis Das Gesetz sieht in § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX vor, dass Sie auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen sind. Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist es, unter Einbeziehung aller Beteiligten die Möglichkeiten zu klären, wie Ihre Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Zum Zweck des betrieblichen Eingliederungsmanagements werden die Angaben, die im Rahmen des Eingliederungsmanagements erhoben werden, den am Prozess Beteiligten bekannt gemacht. Ärztliche Angaben zu Krankheitsdiagnosen werden nicht in die Personalakte übernommen. Die am Prozess Beteiligten sind zur Wahrung des Sozialgeheimnisses verpflichtet. Diagnosen, Prognosen sowie damit eng zusammenhängende Daten (zB ärztliche Gutachten, soweit sie über das arbeitsbezogene Ergebnis hinausgehen) dürfen nicht an die Unternehmensleitung oder einen ihrer Vertreter/ innen übermittelt werden. Im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements werden u.a. folgende Informationen erhoben und genutzt: – Dokumentation über Verläufe/Ergebnisse von Arbeitsversuchen, – Dokumentation über Verläufe/Ergebnisse von Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung, – Dokumentationen über innerbetriebliche Umsetzungen, – Anpassung des Arbeitsplatzes. Daten, die im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements erhoben wurden, dürfen nur nach Ihrer vorherigen Zustimmung an Dritte (zB Rehabilitationsträger) weitergegeben werden. Die Angaben sind freiwillig. Sie können alle Ihre Person betreffenden Dokumente einsehen. Ihrer Nachricht sehen wir gerne entgegen. Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift) l Mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements und der Teilnahme eines Vertreters des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung bin ich einverstanden. l Mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements und der Teilnahme eines Vertreters des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung bin ich nicht einverstanden. l Leistungen zur Teilhabe im Arbeitsleben kommen nicht in Betracht. l Leistungen zur Teilhabe im Arbeitsleben kommen in Betracht. Daher bitte ich, eine/n Vertreter/in des Integrationsamtes zu den Gesprächen hinzuziehen. l Ich bin damit einverstanden, dass Sie dem/der Vertreter/in des Integrationsamtes die im Hinweis genannten Daten weitergeben. ... Ort, Datum

... Name

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Schwerbehinderte Menschen

Antwort des Arbeitnehmers auf die Aufforderung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX

Mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements bin ich einverstanden. Ihrem Anruf zur Vereinbarung eines Termins für ein erstes Eingliederungsgespräch sehe ich gerne entgegen. Ich bin auch damit einverstanden, wenn – Frau . . . als Vertreterin des Betriebsrates und – Herr . . . als Vertreter der Schwerbehindertenvertretung an diesem Gespräch teilnehmen. Leistungen zur Teilhabe im Arbeitsleben kommen nicht in Betracht/kommen in Betracht. Daher bitte ich, eine/n Vertreter/in des Integrationsamtes zu den Gesprächen hinzuzuziehen. Ich bin damit einverstanden, dass Sie dem/der Vertreter/in des Integrationsamtes die in Ihrem Schreiben vom . . . genannten Daten weitergeben. oder Ich halte die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht für erforderlich und stimme Ihrem Vorschlag daher nicht zu. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift)

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Schwerbehinderte Menschen

Literaturübersicht: Arnold/Fischinger, Kündigungsschutz und § 84 SGB IX – Der Nebel lichtet sich!, BB 2007, 1894; Balders/Lepping, Das betriebliche Eingliederungsmanagement nach dem SGB IX, NZA 2005, 855; Brock/Windeln, Die Mitteilung der Schwerbehinderung an den Arbeitgeber, ArbRB 2006, 272; Cramer, Schwerbehindertenrecht – SGB IX Teil 2, 6. Aufl. 2003; Cramer, Die Schwerbehindertenvertretung, 1990; Deinert, Kündigungsprävention und betriebliches Eingliederugsmanagement, NZA 2010, 969; Düwell, Der Kündigungsschutz schwerbehinderter Beschäftigter nach der Novelle vom 23.4.2004, BB 2004, 2811; Düwell, Die Neuregelung des Verbots der Benachteiligung wegen Behinderung im AGG, BB 2006, 1741; Düwell, Neu geregelt: Die Stellung der Schwerbehinderten im Arbeitsrecht, BB 2001, 1527; Feldes/Fraunhoffer u.a., Schwerbehindertenrecht, Basiskommentar, 11. Aufl. 2012; Fenski, Außerordentliche Kündigung von Schwerbehinderten, BB 2001, 570; Gehlhaar, Neue Regeln für die Anzeige der Schwerbehinderung nach einer Kündigung, NZA 2011, 673; Göttling/Neumann, Leicht verständlicher Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen, NZA-RR 2007, 281; Gröninger/Thomas, Schwerbehindertengesetz, Loseblatt; Großmann ua., Gemeinschaftskommentar zum SGB IX, Loseblatt; Kayser, Das betriebliche Eingliederungsmanagement, AuA 2007, 206; Kleinebrink, Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung: Was bei der Begründung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses zu beachten ist, ArbRB 2012, 161, Kohte, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Bestandsschutz, DB 2008, 582; Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, Kommentar, 3. Aufl. 2009; Lorenz, Bekanntes und Neues vom Sonderkündigungsschutz Schwerbehinderter, FA 2007, 198; Mrozynski/Müller-Wenner/Schorn, Kommentar

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Schwerbehinderte Menschen

Antwort des Arbeitnehmers auf die Aufforderung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX

Mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements bin ich einverstanden. Ihrem Anruf zur Vereinbarung eines Termins für ein erstes Eingliederungsgespräch sehe ich gerne entgegen. Ich bin auch damit einverstanden, wenn – Frau . . . als Vertreterin des Betriebsrates und – Herr . . . als Vertreter der Schwerbehindertenvertretung an diesem Gespräch teilnehmen. Leistungen zur Teilhabe im Arbeitsleben kommen nicht in Betracht/kommen in Betracht. Daher bitte ich, eine/n Vertreter/in des Integrationsamtes zu den Gesprächen hinzuzuziehen. Ich bin damit einverstanden, dass Sie dem/der Vertreter/in des Integrationsamtes die in Ihrem Schreiben vom . . . genannten Daten weitergeben. oder Ich halte die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht für erforderlich und stimme Ihrem Vorschlag daher nicht zu. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift)

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Schwerbehinderte Menschen

Literaturübersicht: Arnold/Fischinger, Kündigungsschutz und § 84 SGB IX – Der Nebel lichtet sich!, BB 2007, 1894; Balders/Lepping, Das betriebliche Eingliederungsmanagement nach dem SGB IX, NZA 2005, 855; Brock/Windeln, Die Mitteilung der Schwerbehinderung an den Arbeitgeber, ArbRB 2006, 272; Cramer, Schwerbehindertenrecht – SGB IX Teil 2, 6. Aufl. 2003; Cramer, Die Schwerbehindertenvertretung, 1990; Deinert, Kündigungsprävention und betriebliches Eingliederugsmanagement, NZA 2010, 969; Düwell, Der Kündigungsschutz schwerbehinderter Beschäftigter nach der Novelle vom 23.4.2004, BB 2004, 2811; Düwell, Die Neuregelung des Verbots der Benachteiligung wegen Behinderung im AGG, BB 2006, 1741; Düwell, Neu geregelt: Die Stellung der Schwerbehinderten im Arbeitsrecht, BB 2001, 1527; Feldes/Fraunhoffer u.a., Schwerbehindertenrecht, Basiskommentar, 11. Aufl. 2012; Fenski, Außerordentliche Kündigung von Schwerbehinderten, BB 2001, 570; Gehlhaar, Neue Regeln für die Anzeige der Schwerbehinderung nach einer Kündigung, NZA 2011, 673; Göttling/Neumann, Leicht verständlicher Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen, NZA-RR 2007, 281; Gröninger/Thomas, Schwerbehindertengesetz, Loseblatt; Großmann ua., Gemeinschaftskommentar zum SGB IX, Loseblatt; Kayser, Das betriebliche Eingliederungsmanagement, AuA 2007, 206; Kleinebrink, Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung: Was bei der Begründung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses zu beachten ist, ArbRB 2012, 161, Kohte, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Bestandsschutz, DB 2008, 582; Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, Kommentar, 3. Aufl. 2009; Lorenz, Bekanntes und Neues vom Sonderkündigungsschutz Schwerbehinderter, FA 2007, 198; Mrozynski/Müller-Wenner/Schorn, Kommentar

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SGB IX Teil 1, 2002; Neumann, Kündigungsschutz Schwerbehinderter, AR-Blattei Schwerbehinderte II und SD 1440.2; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Sozialgesetzbuch IX, Kommentar, 12. Aufl. 2010; Pahlen, Schwerbehindertengesetz, AR-Blattei SD 1440.1; Powietzka, Aktuelle Rechtsprechung zum Kündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer, BB 2007, 2118; Rose/Gilberger, Wiedereingliederung: Schrankenloser Anspruch schwerbehinderter Menschen?, DB 2009, 1986; Sartorius/Bubeck, Das Schwerbehindertenrecht in der anwaltlichen Praxis, ZAP Fach 18, 949; Schmidt, Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – § 84 Abs. 2 SGB IX – aktueller Überblick, AE 2012, 202; Schwarz-Seeberger, Benachteiligung wegen Schwerbehinderung, ZMV 2007, 209; Seel, Rechtsfragen bei Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer, MDR 2007, 499; Stück, Der leidens-/behinderungsgerechte Arbeitsplatz, AuA 2007, 200; Waas, Annahmeverzug und Schadensersatz bei Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, SAE 2007, 72; Wiedemann/Kunz, Schwerbehindertenrecht, 9. Aufl. 2006.

I. Einführung 1. Schwerbehinderung §§ 68 ff. SGB IX regeln das Schwerbehindertenrecht. Sie gelten für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen, § 68 Abs. 1 SGB IX, nicht für von Behinderung bedrohte Menschen. Behinderung liegt gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.1 Menschen sind im Sinne dieser Regelung jedoch nur schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz iSd. § 73 SGB IX rechtmäßig im Bundesgebiet haben, § 2 Abs. 2 SGB IX. Es reicht aus, wenn die Behinderung tatsächlich vorliegt. Auf die behördliche Anerkennung kommt es nicht an. Da der Arbeitnehmer jedoch darlegungsund beweispflichtig ist, wenn er sich auf die Schwerbehinderteneigenschaft beruft, stellt das zuständige Versorgungsamt am Wohnsitz des Behinderten auf seinen Antrag hin (der Arbeitgeber ist nicht antragsberechtigt) die Behinderung und den GdB fest, § 69 SGB IX. Gleichgestellt sind nach § 2 Abs. 3 SGB IX Personen mit einem GdB zwischen 30 und 49, wenn die Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit festgestellt wird. Dies erfolgt, wenn die Person infolge einer durch das Versorgungsamt festgestellten Behinderung des genannten Grads (§ 69 SGB IX) einen geeigneten Arbeitsplatz iSv. § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten kann.

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2. Pflichten des Arbeitgebers Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen haben auf wenigstens 5 % der Stellen schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. In die Berechnung sind grundsätzlich alle Arbeitsplätze einzubeziehen, auf denen Arbeiter, Angestellte, Beamte, Richter sowie Auszubildende und zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden, § 73 Abs. 1 SGB IX. Die Stellen, die nicht als Arbeitsplätze gelten, sind in § 73 Abs. 2 und 3 SGB IX aufgeführt. Stellen der Auszubildenden sind von der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen ausgenommen, § 74 SGB IX. Dafür 1 Der Begriff der „Behinderung“ in § 2 Abs. 1 SGB IX ist nicht identisch mit dem Begriff der „Behinderung“ gemäß § 1 AGG, LAG Düsseldorf v. 14.5.2008 – 12 Sa 256/08; vgl. auch BAG v. 22.10.2009, ArbR 2010, 143 m. Anm. Lingemann; s. dazu Rz. 5.

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Schwerbehinderte Menschen

wird ein schwerbehinderter Mensch, der zur Ausbildung beschäftigt wird, auf zwei Pflichtplätze angerechnet, § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Maximal ist nach § 76 Abs. 1 SGB IX eine Anrechnung auf drei Pflichtplätze möglich. Kommt der Arbeitgeber seiner Beschäftigungspflicht nicht in vollem Umfang nach, muss er gemäß § 77 SGB IX für jeden unbesetzten Pflichtplatz eine monatliche Ausgleichsabgabe entrichten.2 Die genaue Höhe richtet sich danach, in welchem Umfang die in § 71 Abs. 1 und 2 SGB IX bestimmte Pflichtquote unterschritten wird, § 77 Abs. 1 und 2 SGB IX. Die Ausgleichsabgabe erhöht sich gemäß § 77 Abs. 3 SGB IX in Anlehnung an die Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Der Arbeitgeber hat der für seinen Sitz zuständigen Arbeitsagentur jeweils bis zum 31. März des Folgejahres die Zahl der Arbeitsplätze im Betrieb, der dort beschäftigten schwerbehinderten Menschen und gleichgestellten behinderten Menschen sowie der sonstigen anrechnungsfähigen Personen und der Mehrfachanrechnungen sowie den Gesamtbetrag der geschuldeten Ausgleichsabgabe mitzuteilen, § 80 Abs. 2 SGB IX. Zudem hat er ein Verzeichnis der bei ihm beschäftigten schwerbehinderten Menschen, gleichgestellten behinderten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen zu führen und dies auf Verlangen des Integrationsamtes und der Agentur für Arbeit vorzulegen, § 80 Abs. 1 SGB IX. 3

Bei der Besetzung freier Arbeitsplätze hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob sie mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen sind. Dazu hat er frühzeitig mit der Agentur für Arbeit Kontakt aufzunehmen und die Schwerbehindertenvertretung über Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen zu unterrichten. Verletzt ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes diese Pflichten, so soll dies die Vermutung für eine Benachteiligung schwerbehinderter Beschäftigter wegen ihrer Behinderung gemäß §§ 1, 7, 22 AGG begründen.3 Ggf. besteht die Verpflichtung zur Erörterung mit der Schwerbehindertenvertretung und zur Anhörung des Bewerbers.4 Einzelheiten des Verfahrens regelt § 81 Abs. 1 SGB IX. Besonders zu erwähnen ist das Einsichtsrecht der Schwerbehindertenvertretung in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen aller Bewerber sowie das Recht auf Teilnahme an den Vorstellungsgesprächen, soweit eine Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen auf eine Stelle vorliegt, §§ 81 Abs. 1 Satz 6, 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX.5 Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX sind alle Beteiligten zudem vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten. Auch die fehlende Unterrichtung des Arbeitnehmers über die Gründe für die Absage kann eine Vermutungstatsache gemäß § 22 AGG für eine Benachteiligung gemäß §§ 1, 7 AGG sein.6 Außerdem kann der Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG seine Zustimmung verweigern, wenn der Arbeitgeber im Rahmen seiner Prüfpflicht die Schwerbe2 Die Pflichten des Arbeitgebers zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen und zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe sind mit der Verfassung vereinbar, BVerfG v. 1.10.2004, NZA 2005, 102. 3 BAG v. 21.7.2009, NZA 2009, 1087. Unerheblich soll dabei sein, ob der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers hatte, BAG v. 13.10.2011, EzA § 15 AGG Nr. 16. Zum AGG im Einzelnen ferner Einf. Kap. 13 Rz. 26 ff., insb. 30 ff., 42. 4 BAG v. 16.9.2008, NZA 2009, 79. 5 Die Schwerbehindertenvertretung ist auch zuständig für die Vertretung der Rehabilitanden in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, obwohl diese keine Arbeitnehmer iSd. Betriebsverfassungsgesetzes sind, BAG v. 16.4.2003, NZA 2003, 1105. 6 Vgl. EuGH v. 19.4.2012, NZA 2012, 493 – Meister; LAG Hessen v. 7.11.2005, NZA-RR 2006, 312; im Einzelnen unten Rz. 5.

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hindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt hat und ein nicht behinderter Bewerber eingestellt werden soll.7 § 81 Abs. 3 SGB IX enthält eine Verpflichtung des Arbeitgebers, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden kann. Die Reichweite und Durchsetzbarkeit dieser Verpflichtung ist jedoch unklar; keinesfalls entsteht dadurch eine Verpflichtung, bestimmte Bewerber einzustellen.8 § 81 Abs. 4 SGB IX enthält die Kernpflichten des Arbeitgebers gegenüber schwerbehinderten Menschen im bestehenden Arbeitsverhältnis. Danach haben die schwerbehinderten Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf (1) Beschäftigung,9 bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können,10 (2) bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens, (3) Erleichterungen in zumutbarem Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung, (4) behinderungsgerechte Einrichtungen und Unterhaltungen der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr, (5) Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen, jeweils unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung. Der unter (1) genannte schwerbehindertenrechtliche Beschäftigungsanspruch lässt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG unberührt. Soweit für die Erfüllung dieses Anspruchs eine Versetzung erforderlich ist, hat der schwerbehinderte Mensch einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber die Zustimmung nach 7 BAG v. 17.6.2008, NZA 2008, 1139; Kleinebrink, ArbRB 2012, 161, 162. Möglich wäre somit auch der Widerspruch des Betriebsrats gegen die Einstellung eines Leiharbeitnehmers, gestützt auf die Verletzung der Prüf- und Konsultationspflicht des § 81 Abs. 1 SGB IX, BAG v. 23.6.2010, NZA 2010, 1361. 8 Ein einklagbarer individueller Anspruch ergibt sich hieraus somit nicht. Solche Ansprüche finden sich in § 81 Abs. 4 und 5 SGB IX, die insoweit Abs. 3 konkretisieren. 9 Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche Tätigkeit wegen der Behinderung nicht mehr wahrnehmen, so kann er Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben, wobei, soweit erforderlich, auch ein Anspruch auf Vertragsänderung (auch durch eine Änderungskündigung) in Betracht kommt, LAG Kiel v. 21.4.2009 – 1 Sa 305/08; BAG v. 21.9.2006, NZA 2007, 431; v. 14.3.2006, NZA 2006, 1214. Dabei hat der Arbeitnehmer die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX darzulegen, BAG v. 13.6.2006, NZA 2007, 91; v. 10.5.2005, NZA 2006, 155. Der Arbeitgeber hingegen hat die anspruchshindernden Umstände (v.a. Unzumutbarkeit der Beschäftigung) vorzutragen, BAG v. 14.3.2006, NZA 2006, 1214. Der Arbeitgeber ist aber weder verpflichtet, einen leidensgerechten Arbeitsplatz einzurichten, noch „frei“ zu kündigen, LAG Schl.-Holst. v. 7.6.2005, NZA-RR 2005, 514. 10 Ebenfalls aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX ergibt sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf stufenweise Wiedereingliederung iSd. § 74 SGB V. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht jedoch eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, die auch einen Wiedereingliederungsplan über die aus ärztlicher Sicht zulässige Arbeit enthält, sowie eine Prognose, ob und wann mit einer Wiederherstellung der vollen oder teilweisen Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist, BAG v. 13.6.2006, NZA 2007, 91; diskutiert wird, ob es sich bei der Wiedereingliederung um eine Einstellung bzw. Versetzung iSv. § 99 BetrVG handelt. Dies ist jedoch abzulehnen, Rose/Gilberger, DB 2009, 1986.

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Schwerbehinderte Menschen

§ 99 BetrVG beim Betriebsrat einholt. Wird diese verweigert und steht nicht fest, dass dem Betriebsrat objektiv Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG zustehen, hat der schwerbehinderte Mensch auch einen Anspruch auf Durchführung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Führt der Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren schuldhaft unzureichend durch, kann das einen Schadensersatzanspruch begründen.11 Gemäß § 81 Abs. 5 SGB IX hat der Arbeitgeber die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen zu fördern; schwerbehinderte Menschen haben gemäß § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX auch einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist.12 Gemäß § 124 SGB IX sind schwerbehinderte Menschen auf ihr Verlangen auch von Mehrarbeit freizustellen. Da Mehrarbeit lediglich die Arbeit ist, die die gesetzliche werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden gemäß § 3 Satz 1 ArbZG überschreitet, begründet dies jedoch – vorbehaltlich § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX – keinen Anspruch auf Einhaltung der Fünf-Tage-Woche und/oder Befreiung von Nachtarbeit.13 Schwerbehinderte Menschen haben gemäß § 125 SGB IX Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen/Urlaubsjahr.14 § 83 SGB IX regelt ferner die Möglichkeit einer Integrationsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung, die Regelungen im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen enthält, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Durchführung in den Betrieben und Dienststellen.15 Gleichzeitig kann die Bundesagentur für Arbeit Integrationsfachdienste gemäß §§ 109 ff. SGB IX einrichten, die die Eingliederung Schwerbehinderter durch Beratung, Betreuung und Fortbildung erleichtern sollen. Hinzu kommen nach Maßgabe von §§ 132 ff. SGB IX Integrationsprojekte. 5

§ 81 Abs. 2 SGB IX verweist zur Klarstellung auf das Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen in Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnissen im AGG. Zum AGG wird insbesondere verwiesen auf Einf. Kap. 13 Rz. 26 ff. Dem Arbeitgeber ist nach dem AGG sowohl die mittelbare wie die unmittelbare Diskriminierung aus Gründen einer Behinderung verboten, § 7 Abs. 1 AGG. Nach dem AGG geschützt sind allerdings nicht nur Schwerbehinderte und Gleichgestellte iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX,16 sondern weitergehend behinderte Menschen iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. 11 BAG v. 3.12.2002, DB 2003, 1230. 12 Im Einzelnen Einf. Kap. 6 Rz. 65. 13 BAG v. 3.12.2002, AP Nr. 1 zu § 124 SGB IX. Seit dem 1.1.2004 gilt auch der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit. Diese ist somit auf die gesetzliche Höchstarbeitszeit iSd. § 3 Satz 1 ArbZG anzurechnen, BAG v. 21.11.2005, NZA 2007, 446. 14 Dabei erhöht sich nicht nur der gesetzliche Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG, sondern auch ein höherer vertraglicher Urlaub, BAG v. 24.10.2006, NZA 2007, 330. 15 Arbeitshilfen zur Vorbereitung einer solchen Vereinbarung finden sich unter www.integrations aemter.de. 16 Vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 31; BAG v. 18.11.2008, NZA 2009, 728: ab einem GdB von 30 % kommen Entschädigungsansprüche in Betracht. Der Arbeitgeber muss eine Behinderung nicht berücksichtigen, wenn sie nach Ablauf der Bewerbungsfrist mitgeteilt wird und zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung bereits getroffen ist.

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Schwerbehinderte Menschen

Kap. 16

Der vom EuGH gemäß der Richtlinie 2000/87/EG geprägte Begriff der Behinderung17 wurde als enger und für das AGG als nicht maßgeblich angesehen.18 Inzwischen hat der EuGH seine Antidiskriminierungsrechtsprechung wieder ausgedehnt und klargestellt, dass dem Urteil „Navas“19 keine restriktive Auslegung der Antidiskriminierungsrichtlinie zu entnehmen sei.20 Es bleibt abzuwarten, ob sich die Begriffe nun weiter annähern. Jedenfalls aber gelten die Regelungen des AGG erst recht für schwerbehinderte Menschen gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX und diesen Gleichgestellte gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX.21 Geschützt sind insoweit nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Einstellungsbewerber, § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht zwar nicht, § 15 Abs. 6 AGG, jedoch hat der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG, § 280 BGB Ersatz des Vermögensschadens zu leisten, es sei denn er hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Daneben kommt ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG in Betracht. Die Ansprüche sind vorbehaltlich abweichender tariflicher Regelungen nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung schriftlich beim Arbeitgeber geltend zu machen. Nach § 61b Abs. 1 ArbGG gilt zusätzlich eine dreimonatige Klagefrist nach schriftlicher Geltendmachung des Anspruchs. Im Streitfall genügt es, wenn die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen.22 Dann trifft den Anspruchsgegner die volle Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Kausalität eines Benachteiligungsgrundes, das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes oder das fehlende Vertretenmüssen, § 22 AGG. Vermutungstatsache23 kann insbesondere sein24 die Absage gegenüber einem schwerbehinderten Bewerber ohne Einhaltung der Pflichten zur Beteiligung der Agentur für Arbeit gemäß §§ 81 Abs. 1 Satz 2, 82 SGB IX,25 eine nicht unverzügliche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung entgegen § 81 Abs. 1 Satz 4 und 6 SGB IX bei der Bewerberauswahl oder Besetzung von Arbeitsplätzen26 oder auch die Nichtangabe von Gründen im Absageschreiben entgegen § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX gegenüber behinderten Bewerbern.27 Im Regelfall keine verbotene Diskriminierung ist die Frage des 17 „Eine Einschränkung (. . .), die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die über einen langen Zeitraum ein Hindernis für die Teilnahme des Betreffenden am Berufsleben bildet“, EuGH v. 11.7.2006, NZA 2006, 839 – Navas. 18 BGK, § 1 AGG Rz. 38 f.; vgl. PWW/Lingemann, § 1 AGG Rz. 7; aA Palandt/Ellenberger, § 1 AGG Rz. 6. 19 EuGH v. 11.7.2006, NZA 2006, 839 – Navas. 20 EuGH v. 17.7.2008, NZA 2008, 932 Rz. 44 ff. – Coleman: Unwirksamkeit einer Kündigung der Mutter, die auf die Behinderung ihres Kindes zurückzuführen war. 21 Vgl. oben Rz. 1 ff. 22 BAG v. 7.7.2011, NZA 2012, 34. 23 S. dazu auch Rz. 3. 24 Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 22 AGG Rz. 1 ff., 5 f. 25 BAG v. 24.1.2013, NZA 2013, 896; v. 12.9.2006, EzA § 81 SGB IX Nr. 14. Die Indizwirkung soll nach der Rechtsprechung des BAG selbst dann greifen, wenn der Bewerber seinen Behindertenstatus bei der Bewerbung nicht offenbart hat, BAG v. 13.10.2011, EzA § 15 AGG Nr. 16. 26 BAG v. 15.2.2005, BB 2005, 2816. 27 LAG Hessen v. 7.11.2005, NZA-RR 2006, 312. Dagegen greift die Vermutungswirkung des § 22 AGG dann nicht, wenn der Arbeitgeber den Bewerber zwar nicht über die Gründe sei-

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Arbeitgebers nach der Schwerbehinderteneigenschaft seines Beschäftigten, jedenfalls nachdem dieser gemäß § 85 ff. SGB IX Sonderkündigungsschutz erhalten hat.28 Denn die Frage nach der Schwerbehinderung dient dann dem berechtigten Ziel, den gesetzlich angeordneten besonderen Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer verwirklichen zu können. 6

Nach § 95 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber in allen Angelegenheiten, die einen schwerbehinderten Menschen oder schwerbehinderte Menschen als Gruppe berühren, die Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Dies umfasst personelle Einzelmaßnahmen wie Einstellungen, Versetzungen, Ein- bzw. Umgruppierungen, Abmahnungen oder Kündigungen. Keine Entscheidung iSd. Norm ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrages.29 Die Pflicht entfällt ausnahmsweise, wenn die Angelegenheit behinderte wie nicht behinderte Arbeitnehmer in gleicher Weise berührt.30 Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nach, ist die jeweilige Maßnahme auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auszusetzen, sofern sie noch nicht vollzogen wurde.31 Gemäß § 84 Abs. 1 SGB IX schaltet der Arbeitgeber bei Eintreten von personen-, verhaltensoder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis, die zur Gefährdung des Arbeitsverhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 SGB IX genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. Die Durchführung des allgemeinen Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung bei der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, stellt jedoch eine Konkretisierung des kündigungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das Unterlassen des Verfahrens findet aber nur dann bei der Bewertung des Kündigungsgrundes zu Lasten des Arbeitgebers Berücksichtigung, wenn es erfolgversprechend ist, im Arbeitsverhältnis des Schwerbehinderten auftretende Schwierigkeiten zu beseitigen.32

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§ 84 Abs. 2 SGB IX sieht darüber hinaus ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) vor.33 Wenn – auch nicht behinderte – Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX, bei

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ner Auswahlentscheidung unterrichtet hat, er jedoch die Beschäftigungsquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX erfüllt. Dann besteht nämlich keine Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung gemäß § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX (BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, NZA 2013, 840). BAG v. 16.2.2012, NZA 2012, 555. BAG v. 14.3.2012, EzA § 95 SGB IX Nr. 4. BAG v. 17.8.2010, NZA 2010, 1431. Ohne Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen bedarf die Besetzung einer Führungsposition demnach nur dann der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, wenn die Führungskraft besondere schwerbehindertenspezifische Aufgaben bewältigen muss wie zB die behindertengerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen. Vollzieht der Arbeitgeber Maßnahmen des § 95 Abs. 2 SGB IX ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 156 Abs. 1 Nr. 9 SGB IX dar. BAG v. 7.12.2006, NZA 2007, 617. Das Fehlen eines ordnungsgemäß durchgeführten BEM hat allerdings keine Indizwirkung für eine Diskriminierung nach dem AGG, BAG v. 28.4.2011, NJW 2010, 2458.

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schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Personen die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Das BEM ist allgemein im Rahmen der krankheitsbedingten Kündigung und damit auch bei der krankheitsbedingten Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer zu beachten. Auch § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert das dem Kündigungsschutz immanente Ultima-RatioPrinzip, mit der Folge, dass den Arbeitgeber im Falle der Nichtdurchführung eine deutlich erhöhte Darlegungs- und Beweislast für die fehlende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit trifft.34 Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ist jedoch nicht erforderlich und steht einer Kündigung nicht entgegen, wenn das BEM die Kündigung ohnehin nicht hätte verhindern können.35 Zwingend einzuschalten ist bei schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen jedoch das Integrationsamt (dazu sogleich Rz. 9 f.). Blieb ein ordnungsgemäß durchgeführtes BEM ohne Erfolg, kann der Arbeitgeber darauf im Prozess verweisen. Der gekündigte Arbeitnehmer kann sich dann nicht mehr auf solche alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten berufen, die schon im BEM behandelt und verworfen wurden.36 Praxistipp: Es ist ratsam, im Falle des Einverständnisses des Mitarbeiters die in § 84 Abs. 2 SGB IX geforderten Schritte zu unternehmen. Erteilt er seine Zustimmung nicht, kann auf die Durchführung des BEM verzichtet werden. Es empfiehlt sich, dies schriftlich festzuhalten.

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3. Sonderkündigungsschutz Jede Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, auch die außerordentliche oder die Änderungskündigung, kann nach § 85 SGB IX wirksam erst ausgesprochen werden, nachdem das zuständige Integrationsamt der beabsichtigten Kündigung zugestimmt hat.37 Eigenkündigungen des Arbeitnehmers und eine einvernehmliche Beendigung bedürfen hingegen keiner Zustimmung des Integrationsamtes. Dasselbe gilt für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen, die noch nicht länger als sechs Monate bestehen,38 und für die weiteren in § 73 Abs. 2 Nr. 2–5 SGB IX genannten Arbeitnehmergruppen. Zur Einholung der Zustimmung muss der Arbeitgeber einen Antrag an das für seinen Sitz zuständige Integrationsamt richten (M 16.1). Das 34 BAG v. 10.12.2009, NZA 2010, 398; v. 12.7.2007, NZA 2008, 173; LAG Niedersachsen v. 25.10.2006, BB 2007, 719; LAG Berlin v. 27.10.2005, BB 2006, 560; vgl. auch LAG Schl.Holst. v. 17.11.2005, Behindertenrecht 2006, 170 sowie Kap. 15 Rz. 15; Kap. 22 Rz. 55; Einzelheiten zum betrieblichen Eingliederungsmanagement bei Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 100 ff.; Kohte, DB 2008, 582; B. Schmidt, AE 2012, 202 ff. 35 BAG v. 23.4.2008, NZA-RR 2008, 515. 36 BAG v. 10.12.2009, NZA 2010, 265; kritisch Deinert, NZA 2010, 969, 974. 37 Kommt es zwischen Antragsstellung und Entscheidung des Integrationsamtes zu einem Betriebsübergang, ist der Zustimmungsbescheid an den Erwerber als neuen Arbeitgeber zu richten. Eine Mitteilung gegenüber dem alten Arbeitgeber geht demgegenüber ins Leere (BAG v. 15.11.2012, NZA 2013, 504). 38 Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber sind jedoch anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis steht. Maßgeblich für die Beurteilung ist insbesondere der Anlass und die Dauer der Unterbrechung sowie die Art der Weiterbeschäftigung; BAG v. 10.6.2007, NZA 2007, 1103; v. 19.6.2007, ArbuR 2007, 270.

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Integrationsamt prüft allerdings nicht die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Kündigung, sondern nur die Notwendigkeit der Gewährung von Sonderkündigungsschutz.39 Bei der außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber gemäß § 91 Abs. 2 SGB IX die Zustimmung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntniserlangung der für die Kündigung maßgeblichen Gründe beantragen.40 Stimmt das Integrationsamt der Kündigung zu, kann der Arbeitgeber die ordentliche Kündigung nur innerhalb eines Monats41 (§ 88 Abs. 3 SGB IX), die außerordentliche nur unverzüglich42 (§ 91 Abs. 5 SGB IX) nach Zustellung erklären.43 Die Kündigung muss dem Arbeitnehmer innerhalb der Frist zugehen.44 Ein Arbeitnehmer, der aus dem Verfahren vor dem Integrationsamt weiß, dass ihm eine fristlose Kündigung zugehen wird, kann sich je nach den Umständen nach Treu und Glauben auf einen verspäteten Zugang des Kündigungsschreibens allerdings nicht berufen, wenn er dieses nicht oder nicht zeitnah bei der Postdienststelle abgeholt hat, obwohl ihm ein Benachrichtigungsschreiben der Post zugegangen ist.45 Die Kündigungsfrist beträgt nach § 86 SGB IX mindestens vier Wochen. 10

Der Arbeitnehmer kann den Sonderkündigungsschutz des § 85 SGB IX nur in Anspruch nehmen, wenn er im Zeitpunkt der Kündigung bereits als Schwerbehinderter anerkannt ist oder den Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt hat, § 90 Abs. 2a SGB IX.46 Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind.47 Hatte der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung weder Kenntnis noch fahrlässige Unkenntis von der Schwerbehinderung, kann sich der Arbeitnehmer innerhalb 39 Vgl. VGH BW v. 4.3.2002, DB 2002, 1784. 40 § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verdrängt jedoch nicht die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Mit der bestandskräftigen Zustimmung durch das Integrationsamt steht auch nur fest, dass die Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX eingehalten ist, nicht aber auch, dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB eingehalten wurde. Vielmehr haben die Arbeitsgerichte die Einhaltung dieser Frist eigenständig zu prüfen, BAG v. 2.3.2006, NZA 2006, 1211. 41 Soweit die Zustimmung des Integrationsamtes dem Arbeitgeber zugestellt wird, liegt Zugang nach dem maßgeblichen VwZG des Landes frühestens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vor. Eine Kündigung, welche der Arbeitgeber vor Ablauf dieser Drei-Tages-Frist ausspricht, ist unwirksam, LAG BW v. 22.9.2006, DÖD 2007, 96; mehrere Kündigungen innerhalb der Monatsfrist, wegen formeller Bedenken, führen nicht zum Verbrauch des Kündigungsrechts, BAG v. 8.11.2007, NZA 2008, 471. 42 Liegt die Zustimmung des Integrationsamts allerdings bereits vor Ablauf der Zwei-WochenFrist des § 626 Abs. 2 BGB vor, so kann der Arbeitgeber diese Kündigungserklärungsfrist voll ausschöpfen und muss nicht unverzüglich kündigen, BAG v. 15.11.2001, NZA 2002, 971. Bei der unverzüglichen Erklärung der außerordentlichen Kündigung nach Erteilung der Zustimmung gemäß § 91 Abs. 5 SGB IX beginnt die Frist bereits mit sicherer Kenntnis des Arbeitgebers von der Zustimmung, wofür auch die mündliche Bekanntgabe ausreicht. Dies gilt auch für die Zustimmung durch den Widerspruchsausschuss, BAG v. 21.4.2005, DB 2005, 2028. 43 Dazu näher ab Rz. 20. 44 BAG v. 16.10.1991, NZA 1992, 503. 45 BAG v. 7.11.2002, DB 2003, 833. 46 Zuletzt BAG v. 9.6.2011, NZA 2012, 56. 47 BAG v. 1.3.2007, DB 2007, 1702. Anders noch LAG Düsseldorf v. 29.3.2006, DB 2006, 2244 (aufgehoben durch BAG v. 29.11.2007, NZA 2008, 361), ebenso BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, 407: Die frühere Rechtsprechung des BAG zur treuwidrigen Kündigung nach Ankündigung der Antragstellung beim Integrationsamt, BAG v. 7.3.2002, NZA 2002, 1145, ist damit überholt.

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von drei Wochen bzw. nach neuer Rechtsprechung durch fristgerechte Erhebung einer Kündigungsschutzklage unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung auf den Sonderkündigungsschutz berufen, ohne dass dies rechtsmissbräuchlich wäre.48 Hat der Arbeitgeber jedoch während des Arbeitsverhältnisses berechtigterweise nach der Schwerbehinderteneigenschaft seines Arbeitnehmers gefragt49 und hat dieser die Frage wahrheitswidrig verneint, kann sich der schwerbehinderte Arbeitnehmer in einem nachfolgenden Prozess nicht mehr auf den Sonderkündigungsschutz des § 85 Abs. 1 SGB IX berufen.50 Beim Betriebsübergang muss sich der Erwerber die Kenntnis des Betriebsveräußerers von der Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers zurechnen lassen.51 Wenn der Arbeitgeber innerhalb der Frist von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers erfährt, muss er zur Vorbereitung einer neuen Kündigung zunächst die Zustimmung des Integrationsamtes einholen und kann die weitere Kündigung erst nach der Zustimmung aussprechen. Bei der außerordentlichen Kündigung beginnt die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ab dem Zugang der Mitteilung des Arbeitnehmers von seiner Schwerbehinderung erneut zu laufen, so dass also noch einmal außerordentlich gekündigt werden kann.

4. Antragstellung und Verfahren beim Integrationsamt (M 16.1) a) Formerfordernisse Für den Antrag gibt es keine behördlichen Formulare. Es gibt auch keinen zwingenden Mindestinhalt des Antrags. Benötigt das Integrationsamt weitere Informationen, werden diese üblicherweise formlos angefordert. Die Beifügung von Stellungnahmen des Betriebsrats/Personalrats sowie der Schwerbehindertenvertretung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung des Antrags, diese Unterlagen werden ggf. vom Integrationsamt selbst angefordert, § 87 Abs. 2 SGB IX.

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b) Rechtsfolgen eines fehlenden Antrages Nach §§ 85 ff. SGB IX ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen unwirksam, wenn das Integrationsamt nicht vorher zugestimmt hat. Ist eine Kündigung also ohne Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochen worden, ist sie nichtig und kann durch nachträgliche Zustimmung des Integrationsamtes nicht mehr geheilt werden. Die Präklusionsfrist des § 4 Abs. 4 KSchG beginnt in diesem Fall nicht zu laufen.52 Dies gilt zumindest für den Fall, dass der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers hatte oder hätte haben müssen.53 Über 48 BAG v. 9.6.2011, NZA 2012, 56; v. 23.2.2010, NZA 2011, 411. Nach bisheriger Rechtsprechung musste der Arbeitnehmer in Anlehnung an § 4 KSchG seine Schwerbehinderteneigenschaft innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung mitteilen. Die neue Rechtsprechung kritisiert Gehlhaar, NZA 2011, 673. 49 Vgl. dazu schon oben Rz. 5 aE. 50 BAG v. 16.2.2012, NZA 2012, 555. 51 BAG v. 11.12.2008, NZA 2009, 556. 52 BAG v. 13.2.2008, NZA 2008, 1055. 53 BAG v. 13.2.2008, NZA 2008, 1055.

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§ 2 Abs. 3 SGB IX gelten die §§ 85 ff. SGB IX auch für gleichgestellte behinderte Menschen (oben Rz. 1). c) Antragsfrist 13

Der Zustimmungsantrag nach §§ 85 ff. SGB IX ist bei der ordentlichen Kündigung nicht fristgebunden, bei der außerordentlichen Kündigung muss er innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis vom Kündigungssachverhalt gestellt werden, § 91 Abs. 2 SGB IX. Die Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX verdrängt nicht die Zwei-WochenFrist des § 626 Abs. 2 BGB. Läuft während des Zustimmungsverfahrens die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ab, ist dies aber nicht schädlich, wenn die Kündigung dann unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt erklärt wird, § 91 Abs. 5 SGB IX.54 d) Entscheidungsfrist

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Die Entscheidung des Integrationsamtes über eine ordentliche Kündigung ist nicht fristgebunden. Ist die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung beantragt, soll das Integrationsamt die Entscheidung „innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrags treffen“, § 88 Abs. 1 SGB IX. Eine Überschreitung dieser Frist hat jedoch keine Auswirkungen. Nicht selten ziehen sich die Verfahren über Monate hin. Insbesondere wenn die beabsichtigte Kündigung mit gesundheitlichen Leistungseinschränkungen begründet wird, prüfen die Integrationsämter nicht selten in zeitraubenden Ermittlungen, ob anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb (ggf. mit finanzieller oder sonstiger Unterstützung des Integrationsamtes) bestehen oder geschaffen werden können.

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Fristgebunden ist allerdings die Entscheidung des Integrationsamtes, soweit es um eine außerordentliche Kündigung geht. Das Integrationsamt hat hier binnen zwei Wochen zu entscheiden; die Zustimmung gilt mit Fristablauf als erteilt, sofern sie nicht vorher abgelehnt wurde. Das Zustimmungsverfahren bei ordentlichen Kündigungen lässt sich mitunter dadurch beschleunigen, dass in erster Linie die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung und nur hilfsweise zu einer ordentlichen Kündigung beantragt wird. Viele Integrationsämter bemühen sich dann, innerhalb der 14-Tages-Frist des § 91 Abs. 3 SGB IX nicht nur über die außerordentliche, sondern auch gleich über die ordentliche Kündigung zu entscheiden. Allerdings ist das Integrationsamt nicht gehindert, zunächst nur über die außerordentliche Kündigung zu entscheiden und sich mit der Entscheidung über die ordentliche Kündigung Zeit zu lassen. e) Prüfung des Integrationsamtes

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Nach § 91 Abs. 4 SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung erteilen, wenn die Kündigungsgründe mit der Behinderung nicht in Zusammenhang stehen. Viele Integrationsämter wenden richtigerweise diesen Grundsatz auch auf ordentliche Kündigungen an. Trotz Zustimmung des Integrationsamtes ist der Arbeitnehmer in solchen Fällen ja nicht gehindert, die 54 Siehe dazu auch Rz. 21.

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Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen geltend zu machen und Kündigungsschutzklage zu erheben, §§ 4, 13 KSchG. f) Anhörung des Betriebsrates und Beteiligung des Integrationsamtes Schwierige Fragen wirft das Verhältnis von Betriebsratsanhörung, § 102 BetrVG, und Zustimmungsverfahren nach § 85 SGB IX auf. Im Normalfall hat der Arbeitgeber die Wahl, welche Instanz er zuerst anhört. Die Anhörung kann auch zeitgleich erfolgen.55 Bei einer außerordentlichen Kündigung kann allerdings nur dringend geraten werden, den Betriebsrat zuerst oder zumindest zeitgleich mit dem Integrationsamt anzuhören. Denn es ist äußerst fraglich, ob die Kündigung „unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung“ des Integrationsamtes, § 91 Abs. 5 SGB IX, ausgesprochen wird, wenn sich an die Zustimmung noch das Verfahren nach § 102 BetrVG anschließt.

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g) Einvernehmliche Beendigung vor dem Integrationsamt Nach § 87 Abs. 3 SGB IX hat das Integrationsamt in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Viele Zustimmungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX enden deshalb mit einem Abfindungsvergleich. In vielen Arbeitsagenturbezirken bestehen informelle Absprachen zwischen den Arbeitsagenturen und den Integrationsämtern, wonach die Arbeitsagenturen keine Sperrfristen (§ 159 SGB III) verhängen, wenn das Integrationsamt den Vergleich befürwortet hat. Sind sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über einen Abfindungsvergleich einig, empfiehlt es sich also, den Vergleich in der mündlichen Verhandlung vor dem Integrationsamt (§ 88 Abs. 1 SGB IX) abzuschließen und in dem Vergleich zu vermerken, dass dieser auf Anraten oder jedenfalls mit Zustimmung des Integrationsamtes zustande gekommen ist. Auf den Lauf der Fristen der §§ 88, 91 Abs. 2 SGB IX haben Vergleichsverhandlungen keine Auswirkung.

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h) Gebühren Der Antrag ist nach § 64 SGB X gebührenfrei. Die im Widerspruchsverfahren entstehenden Kosten sind nach § 63 SGB X erstattungsfähig. Zum Widerspruchsverfahren s. M 16.2.

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i) Kündigungserklärungsfrist Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung, so kann sie der Arbeitgeber nur binnen einem Monat nach Zustellung der Zustimmungsentscheidung erklären, § 88 Abs. 3 SGB IX. Versäumt er diese Frist, muss er einen erneuten Antrag stellen. Eine Ausnahme besteht, wenn die ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen noch weiterer behördlicher Erlaubnisse bedarf. Hat der Arbeitgeber diese rechtzeitig, dh. bis zum Ablauf der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX, beantragt, so ist eine verspätet erklärte Kündigung nicht unwirk55 Vgl. BAG v. 5.9.1979 und v. 30.4.1984, AP Nr. 6 zu § 12 SchwbG, AP Nr. 23 zu § 112 BetrVG.

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sam, wenn die weitere Erlaubnis bei Fristablauf nicht vorlag.56 Der Arbeitgeber muss dann aber die Kündigung unverzüglich nach Erhalt der Zulässigkeitserklärung aussprechen.57 21

Bei Erteilung der Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung muss diese gemäß § 91 Abs. 5 SGB IX „unverzüglich“ ausgesprochen werden. Dabei braucht (und darf!) der Arbeitgeber – anders als bei der Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung – nicht die förmliche Zustellung der Entscheidung abzuwarten. Vielmehr reicht hier die formlose Mitteilung (telefonisch, per Fax etc.). Der Arbeitgeber muss also sehr schnell handeln, sobald er sichere Kenntnis von der Zustimmung hat, beispielsweise auch durch mündliche Bekanntgabe im Rahmen eines Erörterungstermins vor dem Integrationsamt oder dem Widerspruchsausschuss.58 Hier ist dringend zu empfehlen, die Kündigung innerhalb von 2–3 Tagen nach Kenntnis zuzustellen.59 Umgekehrt muss der Arbeitgeber den Ablauf der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX abwarten, wenn das Integrationsamt nur ankündigt, es sei beabsichtigt, diese Frist verstreichen zu lassen.60

5. Anfechtung des Vertrages 22

Die unrichtige Beantwortung einer zulässigen Frage bei der Einstellung kann die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB rechtfertigen, sofern die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrages ursächlich war.61 Ob eine tätigkeitsneutrale Frage des Arbeitgebers nach einer Behinderung des Bewerbers zulässig ist, war lange Zeit heftig umstritten. Nach der früheren Rechtsprechung des BAG war sie zulässig.62 Jedoch spätestens mit Inkrafttreten des Benachteiligungsverbots in § 81 Abs. 2 SGB IX iVm. dem AGG dürfte diese Rechtsprechung überholt sein.63 So ist eine Frage wohl nur dann zulässig, wenn sie eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die vorgesehene Tätigkeit betrifft64 oder einen Fall der positiven Maßnahme nach § 5 AGG darstellt.65 Für die Anfechtung ist weder die Beteiligung des Integrationsamtes noch eine Betriebsratanhörung erforderlich (M 16.3).66

56 57 58 59 60 61 62

63 64 65 66

BAG v. 24.11.2011, NZA 2012, 610. BAG v. 24.11.2011, NZA 2012, 610. BAG v. 21.4.2005, AP Nr. 4 zu § 91 SGB IX. Powietzka, DB 2007, 2118, 2125. BAG v. 19.6.2007, DB 2007, 2268. BAG v. 7.7.2011, NZA 2012, 34. Einzelheiten zur Anfechtung unten Kap. 21. Diese Rechtsprechung ist noch nicht offiziell aufgeben, vgl. zuletzt BAG v. 18.10.2000, NZA 2001, 315; es wird jedoch allgemein damit gerechnet, dass das BAG jedenfalls auf Grund des Inkrafttretens des AGG diese Rechtsprechung modifiziert, vgl. auch Düwell, BB 2006, 1741 ff. Vgl. M 1.3.1 Fn. 7; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 274 mwN; aA Schaub, NZA 2033, 299, 300; offen gelassen in BAG v. 7.7.2011, NZA 2012, 34. Düwell, BB 2006, 1741, 1743; Wisskirchen, DB 2006, 1491, 1494; vgl. auch Einf. Kap. 1 Rz. 12 sowie M 1.3.1 Fn. 7 unter (4). Vgl. Düwell, BB 2006, 1741, 1743; s. auch die Ausführungen in M 1.3.1 Fn. 5. BAG v. 3.12.1998, NZA 1999, 584.

676 Lingemann

M 16.1

Schwerbehinderte Menschen

II. Muster

Kap. 16

u

Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen/gleichgestellten behinderten Menschen An das Integrationsamt Sehr geehrte Damen und Herren,

wir vertreten die Firma . . . Eine Vollmacht ist als Anlage AS 1 beigefügt. Namens und im Auftrag der . . . (im Folgenden: ASt.) beantragen wir Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Mitarbeiters . . ., geboren am . . . Nach unserer Kenntnis ist Herr . . . verheiratet und hat vier minderjährige unterhaltsberechtigte Kinder. Herr . . . ist seit dem 1.1.1995 bei der ASt. als Schlosser beschäftigt.1 Vor ca. einem Jahr hat Herr . . . der ASt. mitgeteilt, er sei mit einem Behinderungsgrad von 30 % als schwerbehindert anerkannt. Einen Schwerbehindertenausweis hat er nicht vorgelegt.2 Beabsichtigt ist eine Verdachtskündigung. Es besteht der dringende Verdacht, dass Herr . . . am . . . versucht hat, einen Diament-Trennschleifer im Wert von ca. Euro 500,– bei der ASt. zu entwenden. Bei einer routinemäßigen Torkontrolle durch den Werkschutz der ASt., die mit dem Betriebsrat abgestimmt war, wurde Herr . . . beim Verlassen des Werksgeländes nach Schichtende aufgefordert, seine Tasche zu öffnen. Darin fand sich der Trennschleifer. Herr . . . hat in der Anhörung vom . . . angegeben, er habe sich den Trennschleifer nur für einige Tage ausleihen wollen, um an seinem Haus Reparaturen vorzunehmen. Diese Einlassung ist jedoch nicht glaubhaft. Es ist bei der ASt. seit Jahren üblich und mit dem Betriebsrat abgesprochen, dass Werkzeuge kurzfristig an die Mitarbeiter ausgeliehen werden können, wenn Eigenbedarf besteht. Dazu muss ein schriftlicher Antrag eingereicht und vom Vorgesetzten abgezeichnet werden. Hätte Herr . . . das Gerät wirklich nur ausleihen wollen, hätte er das dafür vorgeschriebene Verfahren einhalten können. Dass er es nicht getan hat, begründet zumindest den massiven Verdacht dafür, dass er das Gerät entwenden wollte. Der Betriebsrat ist am 18.2. . . . gemäß § 102 BetrVG zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung von Herrn . . . angehört worden. Die Stellungnahme des Betriebsrats ging gestern bei der ASt. ein (Anlage AS 2). Der Betriebsrat hat der beabsichtigten Kündigung nicht zugestimmt, und zwar mit der Begründung, die Verdachtsmomente reichten für eine Verdachtskündigung nicht aus. Zugleich hat der Be-

1 Während der ersten sechs Monate des Anstellungsverhältnisses gilt der besondere Kündigungsschutz der §§ 85 ff. SGB IX nicht (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX), vgl. im Einzelnen Einf. Rz. 9. 2 Es ist nicht abschließend geklärt, ob die Schwerbehinderung iSv. § 90 Abs. 2a Alt. 1 SGB IX bereits „nachgewiesen“ ist, wenn sie nur objektiv vorliegt (dafür Lorenz, FA 2007, 198, in diese Richtung wohl auch BAG v. 1.3.2007, DB 2007, 1702; aA Bauer/Powietzka, NZA-RR 2004, 505, 507 sowie Powietzka, DB 2007, 2118, 2123 mwN). Als nachgewiesen gilt die Behinderung jedenfalls, wenn sie offenkundig ist (BAG v. 13.2.2008, NZA 2008, 1055).

Lingemann 677

16.1

Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

M 16.2

triebsrat mitgeteilt, dass Herr . . . ihm gegenüber erklärt habe, er habe vor wenigen Tagen einen Antrag auf Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX gestellt.3 Da die ASt. weder weiß, ob Herr . . . tatsächlich einen Gleichstellungsantrag gestellt hat, noch, ob dieser erfolgreich sein wird, wurde Herrn . . . gestern eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Vorsorglich4 bittet die ASt. jedoch um Zustimmung zu einer vorsorglichen erneuten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Die ordentliche Kündigung soll mit der vertraglich vereinbarten Frist von drei Monaten zum Monatsende zum nächstmöglichen Zeitpunkt erfolgen. Die ASt. beschäftigt insgesamt 250 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, davon sind 20 als schwerbehindert anerkannt. Die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung ist als Anlage AS 3 beigefügt. ... (Unterschrift) 3 Nach ständiger Rechtsprechung setzt der besondere Kündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX nicht voraus, dass der schwerbehinderte Mensch/gleichgestellte behinderte Menschen bereits bei Ausspruch der Kündigung anerkannt war. Erforderlich ist jedoch, dass der Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt wurde (BAG v. 1.3.2007, DB 2007, 1702). Allerdings verliert der Arbeitnehmer den Schutz der §§ 85 ff. SGB IX, wenn er dem Arbeitgeber nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung bzw. spätestens durch Erhebung der Kündigungsschutzklage seine Schwerbehinderteneigenschaft mitteilt, sofern dieser keine Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis davon hatte (BAG v. 23.2.2010, NZA 2011, 411; v. 13.2.2008, NZA 2008, 1055; v. 12.1.2006, NZA 2006, 1035). Wichtig: Mitunter weigert sich das Integrationsamt, vorsorgliche Zustimmungsanträge zu bearbeiten, solange die Anerkennung des schwerbehinderten Menschen noch nicht erfolgt ist. Diese Praxis führt zu unvertretbaren Härten für den Arbeitgeber, da die Anerkennungsverfahren häufig außerordentlich lange dauern. Der Arbeitgeber sollte hier auf rasche Entscheidung drängen und gegen eine eventuelle Ablehnung des Antrags Widerspruch einlegen. 4 Der besondere Kündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX gilt grds. unabhängig davon, ob dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft/Gleichstellung bekannt war. Erfährt der Arbeitgeber erst nach Ausspruch der Kündigung von der Schwerbehinderteneigenschaft (dazu Einf. Rz. 10), ist die Kündigung also mangels Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam. Der Arbeitgeber muss dann ein Zustimmungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX einleiten und noch einmal kündigen. Die zweiwöchige Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB für die außerordentliche Kündigung beginnt in solchen Fällen mit der Kenntniserlangung von der Schwerbehinderteneigenschaft erneut zu laufen, so dass der Arbeitgeber für die Stellung des Antrages in jedem Fall zwei Wochen Zeit hat, § 91 Abs. 2 SGB IX.

16.2

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Widerspruch1 gegen die Zustimmung des Integrationsamtes2, 3

An das Integrationsamt – Widerspruchsstelle – 1 Gegen eine (zustimmende oder ablehnende) Entscheidung des Integrationsamtes über einen Zustimmungsantrag nach §§ 85 ff. SGB IX kann binnen einem Monat Widerspruch eingelegt werden. Eingelegt wird der Widerspruch beim Integrationsamt selbst. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren kann Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden.

678 Lingemann

M 16.2

Schwerbehinderte Menschen

Kap. 16

In Sachen . . ./. . . (Az. . . .) legen wir gegen den Bescheid des Integrationsamtes vom . . . Widerspruch4 ein. Die Entscheidung ist uns am . . . zugestellt worden. Eine Kopie der Entscheidung ist beigefügt. Begründung:5 Das Integrationsamt hat dem Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung unter Hinweis auf § 91 Abs. 4 SGB IX stattgegeben.

2 Nach § 88 Abs. 4 SGB IX haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes keine aufschiebende Wirkung. Hat das Integrationsamt zugestimmt, kann der Arbeitgeber die Kündigung also aussprechen, auch wenn der Arbeitnehmer bereits Widerspruch eingelegt hat oder später Widerspruch einlegt. Die Kündigung bleibt wirksam, wenn Widerspruchs- und Klageverfahren erfolglos bleiben. Wird allerdings der Zustimmungsbescheid im Widerspruchs- oder Klageverfahren aufgehoben, wird die Kündigung rückwirkend unwirksam. Praxistipp: Der Arbeitnehmer ist gut beraten, im Falle der Zustimmung durch das Integrationsamt parallel zum Widerspruchsverfahren auch noch Kündigungsschutzklage nach §§ 4, 13 KSchG zu erheben. Denn die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG wird durch ein Widerspruchsverfahren gegen den Zustimmungsbescheid nicht gehemmt. Weit verbreitet ist die unselige Praxis von Arbeitsgerichten, anhängige Kündigungsschutzverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Widerspruchs-/Klageverfahrens gegen den Zustimmungsbescheid auszusetzen. Diese Aussetzung führt dazu, dass die Verfahren sich jahrelang hinziehen können. Richtigerweise kommt die Aussetzung nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass die Kündigung ansonsten wirksam ist und ein erfolgreiches Widerspruchs-/ Klageverfahren gegen den Zustimmungsbescheid der einzige Grund ist, der die Kündigung noch zu Fall bringen könnte. Diese Feststellung setzt voraus, dass das Arbeitsgericht den Sachverhalt zunächst umfassend aufklärt und sich ein vorläufiges Urteil über die Wirksamkeit/ Unwirksamkeit der Kündigung bildet. Ist die Kündigung schon unabhängig vom Erfolg des Widerspruchs-/Anfechtungsverfahrens gegen den Zustimmungsbescheid unwirksam (zB wegen mangelhafter Betriebsratsanhörung, fehlender Kündigungsgründe), so muss das Arbeitsgericht der Klage ohne Aussetzung des Verfahrens stattgeben (zur Beschwerde gegen gleichwohl ergangene Aussetzungsbeschlüsse s. M 101.9). 3 Hat das Integrationsamt den Zustimmungsantrag abgelehnt, kann der Arbeitgeber Widerspruch einlegen und nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Verpflichtungsklage erheben. Ändert der Widerspruchsausschuss die Entscheidung des Integrationsamts und stimmt der Kündigung zu, muss sie binnen einem Monat ausgesprochen werden, § 88 Abs. 3 SGB IX. Der Arbeitnehmer kann dann zwar Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erheben, diese hat dann aber nach § 88 Abs. 4 SGB IX keine aufschiebende Wirkung. Lehnt dagegen auch die Widerspruchsstelle die Zustimmung ab und erhebt der Arbeitgeber daraufhin Verpflichtungsklage, muss er mit dem Ausspruch der Kündigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens warten. 4 Die Widerspruchsschrift muss keinen bestimmten Antrag enthalten, selbst das Wort „Widerspruch“ muss nicht verwendet werden. Es reicht aus, wenn klar ersichtlich ist, dass sich die Beschwerdepartei mit der Entscheidung nicht abfinden wird. 5 Eine Begründung des Widerspruchs ist nicht erforderlich, aber zweckmäßig. Im Widerspruchsverfahren können beide Parteien sich auch auf Umstände berufen, die im Ausgangsverfahren nicht zur Sprache gekommen waren. Eine Zurückweisung neuen Vortrags als verspätet gibt es nicht.

Lingemann 679

Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

M 16.3

Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kündigungsgrund stehe nicht im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung. Die Prüfung, ob die Kündigungsgründe für eine außerordentliche/ordentliche Kündigung ausreichen, müsse dem Arbeitsgericht vorbehalten sein. Das Integrationsamt hat übersehen, dass die beabsichtigte Kündigung sehr wohl im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht. Als Anlage AG 1 legen wir eine eidesstattliche Versicherung des Mitarbeiters der ASt., Herrn X, vor. Herr X schildert darin ein Gespräch mit dem Personalleiter . . . der ASt. In diesem Gespräch hat der Personalleiter . . . Herrn X gegenüber geäußert, man sei es leid, den Schwerbehinderten . . . mit seinen mangelhaften Leistungen weiter „mit durchzuschleppen“. Die Firma sei sich darüber im Klaren, dass man Herrn . . . wegen seiner Schwerbehinderung auf normalem Wege nicht „losbekomme“. Es gebe aber Mittel und Wege, kurzfristig hieb- und stichfeste Kündigungsgründe zu „produzieren“. Das Problem „. . .“ werde in den nächsten zehn Tagen gelöst. Das Gespräch zwischen dem Personalleiter . . . und Herrn X fand sechs Tage vor der Torkontrolle statt, bei der man den Trennschleifer in der Aktentasche des Antragsgegners fand. Offensichtlich ist dem Antragsgegner eine Falle gestellt worden. Der Antragsgegner hat sowohl bei der Anhörung durch den Betriebsrat als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Integrationsamt erklärt, er wisse nicht, wie der Trennschleifer in seine Aktentasche gekommen sei. Die Aktentasche habe an dem Tag stundenlang unbeobachtet in einem Pausenraum gestanden. ... (Unterschrift)

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Klage des Arbeitgebers gegen die Versagung der Zustimmung des Integrationsamtes

An das Verwaltungsgericht1 In Sachen . . ./Land . . . vertreten durch das Integrationsamt . . . vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen, das beklagte Land unter Aufhebung2 des Bescheides vom . . . in der Gestalt des Widerspruchsbescheides3 zu verpflichten, die beantragte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers . . . zu erteilen.4 1 Obwohl das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen im SGB IX geregelt ist, gilt für Widerspruch und Klage gegen die Bescheide des Integrationsamts nicht das SGG, sondern die VwGO (vgl. § 118 SGB IX). 2 Dieser Aufhebungsantrag ist üblich, aber nicht erforderlich, da im Zweifel stillschweigend in dem Verpflichtungsurteil mit enthalten (BVerwG v. 28.11.1989, NVwZ 1990, 985).

680 Lingemann/Diller

M 16.3

Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

Begründung: Die Kl. hat mit Antrag vom . . . beim Integrationsamt in . . . die Zustimmung zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des Mitarbeiters . . . gemäß §§ 85, 87 SGB IX beantragt. Der Mitarbeiter . . . ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Behinderungsgrad von 80 % anerkannt. Das Integrationsamt hat mit Bescheid vom . . . die Erteilung der Zustimmung abgelehnt. Beweis: Bescheid vom . . ., Anlage K 1 Gegen den Bescheid hat die Kl. fristgerecht am . . . gemäß § 88 Abs. 4 SGB IX Widerspruch eingelegt. Der Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom . . . zurückgewiesen worden. Beweis: Vorlage des Widerspruchsbescheids vom . . ., Anlage K 2 Die Klage ist begründet, da der Kl. ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Zustimmung zusteht5 und die Ablehnung der Zustimmung die Kl. deshalb in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO (wird ausgeführt).6, 7 ... (Unterschrift)8 3 Das Widerspruchsverfahren richtet sich gem. § 118 SGB IX nach den Vorschriften der VwGO, die zuständige Widerspruchsbehörde ist der Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt (§ 119 SGB IX). Eine Klage ohne vorhergegangenes Widerspruchsverfahren ist nach den allgemeinen Regeln der VwGO unzulässig. 4 Es handelt sich um eine Verpflichtungsklage auf Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Verpflichtungsklage ist eine Unterart der Leistungsklage und auf Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes gerichtet, § 42 Abs. 1 VwGO. 5 Zu beachten ist, dass Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht die Frage ist, ob die Behörde zum damaligen Zeitpunkt richtig entschieden hat. Vielmehr prüft das Verwaltungsgericht, wie zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist. Haben sich also die Umstände, die den Arbeitgeber zu seinem Kündigungsentschluss bewogen haben, mittlerweile geändert, sind die geänderten Umstände vom Verwaltungsgericht der Entscheidung zugrunde zu legen. 6 Hat die Klage Erfolg, so gilt nicht nach § 894 ZPO der Verwaltungsakt als erteilt, vielmehr muss der Kläger ggf. nach § 172 VwGO vollstrecken. 7 Das Problem einer solchen Verpflichtungsklage ist, dass der klagende Arbeitgeber bis zur Rechtskraft im Verwaltungsgerichtsverfahren mit der Kündigung warten muss. Weder kann er nach Obsiegen im erstinstanzlichen Verfahren die Kündigung aussprechen, wenn die Behörde in Berufung geht, noch kann er Anträge im einstweiligen Rechtsschutz stellen, um die Kündigung vorläufig aussprechen zu können. 8 Der Streitwert richtet sich gem. § 52 Abs. 1 GKG nach der wirtschaftlichen Bedeutung des begehrten Verwaltungsakts für die Klägerin. Da es um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht, erscheint die analoge Anwendung von § 42 GKG (Vierteljahresbezug) geboten (AG Bingen v. 23.10.2007, AE 2008, Nr. 59).

Diller

681

Kap. 16

16.4

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Schwerbehinderte Menschen

M 16.4

Anfechtung des Arbeitsvertrages

Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., wir fechten hiermit den mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag an. Begründung: Sie haben uns über Ihre Schwerbehinderteneigenschaft getäuscht. In dem Einstellungsfragebogen vom . . . haben Sie mitgeteilt, nicht schwerbehindert zu sein. Tatsächlich waren Sie zu diesem Zeitpunkt einem Schwerbehinderten gleichgestellt mit einem Grad der Behinderung von 30 % auf Grund einer stark eingeschränkten Beweglichkeit des linken Armes. Hätten wir dies gewusst, hätten wir Sie nicht eingestellt, denn die uneingeschränkte Beweglichkeit beider Arme ist wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die vorgesehene Tätigkeit als begleitender Personenschützer.1 Für die Ihnen übertragene Tätigkeit waren Sie auf Grund der Schwerbehinderung nicht einsetzbar, was für Sie auch erkennbar war. Hilfsweise und vorsorglich kündigen wir den Vertrag mit Ihnen auch fristlos. Das Integrationsamt hat der fristlosen Kündigung mit Bescheid vom . . . zugestimmt. oder Das Integrationsamt hat innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX keine Entscheidung getroffen. Damit gilt gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX die Zustimmung als erteilt. Auch der Betriebsrat wurde zu der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt und hat zugestimmt. oder Der Betriebsrat wurde zu der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt und hat nicht widersprochen. oder Der Betriebsrat wurde zu der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt und hat die Bedenken gemäß Anlage geltend gemacht; wir halten die Bedenken jedoch nicht für berechtigt. Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Zur Wahrung der Frist reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob 1 Die Anfechtung auf Grund arglistiger Täuschung über das Bestehen einer Behinderung ist nach der Einführung des § 81 Abs. 2 SGB IX wohl nur noch zulässig, wenn das Fehlen der Behinderung wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die Tätigkeit ist; bei der Konstellation im Muster dürfte dies der Fall sein, dazu näher oben M 1.3.1 Fn. 7 unter (4). Die Anfechtung kann allerdings nur Erfolg haben, wenn die fehlende Beweglichkeit des linken Armes nicht offensichtlich war.

682 Lingemann

M 16.5

Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen. ... (Unterschrift Firma)

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Klage des Arbeitnehmers auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bei unveränderter Vergütung als Sachbearbeiter in der Poststelle zu beschäftigen. Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl., einem Autozulieferer mit 1 200 Beschäftigten, als Lagerarbeiter beschäftigt. Bei seiner Tätigkeit hat er ständig schwere Lasten zu heben, zu transportieren und abzusenken. Der Kl. ist wegen eines Rücken-/Bandscheibenschadens mit einem Grad der Behinderung von 80 % als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Die Tätigkeit als Lagerarbeiter bereitet dem Kl. auf Grund seiner gesundheitlichen Einschränkungen zunehmend Probleme. Im vergangenen Jahr war der Kl. insbesondere wegen Rückenproblemen an mehr als 50 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, in den Jahren davor war die Krankheitsquote ähnlich. Bei der Bekl. ist aktuell ein Arbeitsplatz in der Poststelle frei.2 Die Arbeiten dort erfordern – wie die Arbeit im Lager – keine nennenswerten Vorkenntnisse, sondern nur gründliche Einarbeitung, die nicht länger als drei Wochen dauern dürfte. Der Kl. könnte diese Tätigkeit, die genauso eingruppiert3 ist wie seine derzeitige Tätigkeit im 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Beim Anspruch auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes muss der Arbeitnehmer zunächst Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigen, die seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen. Der Arbeitgeber hat dann substantiiert darzulegen, warum die Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen auf der gewünschten Stelle nicht in Betracht kommt (ausf. BAG v. 10.5.2005, NZA 2006, 155). 3 Einen allgemeinen Beförderungsanspruch schwerbehinderter Menschen gibt es nicht, ein solcher ergibt sich auch nicht aus § 81 Abs. 4 SGB IX (BAG v. 28.3.1973, AP Nr. 2 zu § 319 BGB; dazu LAG Hamm v. 23.3.2009 – 8 Sa 313/08.

Lingemann/Diller

683

16.5

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Lager, also ohne Weiteres ausfüllen. Die Bekl. hat den freien Arbeitsplatz in der Poststelle mit Aushang vom . . . betriebsintern ausgeschrieben. Beweis: Aushang vom . . ., Anlage K 1 Der Kl. hat sich mit Schreiben vom . . . auf die Stelle beworben. Beweis: Bewerbungsschreiben des Kl. vom . . ., Anlage K 2 Die Bekl. hat dem Kl. jedoch mit Schreiben vom . . . mitgeteilt, dass er für die ausgeschriebene Stelle in der Poststelle nicht in Betracht komme. Denn auf Grund der vielen Korrespondenz mit ausländischen Kunden und ausländischen Konzerngesellschaften sei für die Arbeit in der Poststelle die ausreichende Beherrschung der englischen Sprache Voraussetzung. Dabei hat die Bekl. jedoch übersehen, dass der Kl. vielleicht nicht fließend Englisch spricht, aber doch so gut, dass er ohne Weiteres englische Korrespondenz zuordnen kann. So hat der Kl. beispielsweise in seinem Schulabgangszeugnis der mittleren Reife im Fach Englisch die Note „sehr gut“ erzielt. Überdies ist der Kl., was er der Bekl. auch mitgeteilt hat, gerne bereit, auf eigene Kosten4 in Volkshochschulkursen sein Englisch aufzubessern. Der Kl. hält dies allerdings nicht für erforderlich, da bei der Arbeit in der Poststelle Englisch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Gemäß § 81 Abs. 4 SGB IX hat der Kl. Anspruch auf Zuweisung des Arbeitsplatzes in der Poststelle. Es ist bereits jetzt absehbar, dass der Kl. seinen aktuellen Arbeitsplatz im Lager nicht auf Dauer behalten kann, da seine gesundheitlichen Einschränkungen auf Grund seiner Wirbelsäulenerkrankung zunehmen werden. Wenn der Kl. jetzt nicht leidensgerecht auf dem freien Arbeitsplatz in der Poststelle beschäftigt wird, droht ihm langfristig der Verlust des Arbeitsplatzes und damit die Arbeitslosigkeit. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer Anspruch auf Zuweisung eines „leidensgerechten Arbeitsplatzes“ hat (wird ausgeführt). ... (Unterschrift)5, 6 4 Grundsätzlich ergibt sich aus § 81 Abs. 4 SGB IX kein Anspruch des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen bezahlt. Gemäß § 81 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX besteht lediglich ein Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen. 5 Der Streitwert wird ähnlich zu bemessen sein wie bei einer Klage auf tatsächliche Beschäftigung, dh. mit ein bis maximal zwei Bruttomonatsgehältern. 6 Der Antrag ist gem. § 888 ZPO zu vollstrecken (BAG v. 19.9.1997, AP Nr. 2 zu § 11 SchwbG aF).

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Kapitel 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Literaturübersicht:

Zum Mutterschutz: Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2008; Düwell, Arbeitsrechtlich bedeutsame Gesetze des 16. Bundestages, FA 2006, 44; Glatzel, Mutterschutz, AR-Blattei SD 1220; Graue, Mutterschutz-

684 Diller/Lingemann

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Lager, also ohne Weiteres ausfüllen. Die Bekl. hat den freien Arbeitsplatz in der Poststelle mit Aushang vom . . . betriebsintern ausgeschrieben. Beweis: Aushang vom . . ., Anlage K 1 Der Kl. hat sich mit Schreiben vom . . . auf die Stelle beworben. Beweis: Bewerbungsschreiben des Kl. vom . . ., Anlage K 2 Die Bekl. hat dem Kl. jedoch mit Schreiben vom . . . mitgeteilt, dass er für die ausgeschriebene Stelle in der Poststelle nicht in Betracht komme. Denn auf Grund der vielen Korrespondenz mit ausländischen Kunden und ausländischen Konzerngesellschaften sei für die Arbeit in der Poststelle die ausreichende Beherrschung der englischen Sprache Voraussetzung. Dabei hat die Bekl. jedoch übersehen, dass der Kl. vielleicht nicht fließend Englisch spricht, aber doch so gut, dass er ohne Weiteres englische Korrespondenz zuordnen kann. So hat der Kl. beispielsweise in seinem Schulabgangszeugnis der mittleren Reife im Fach Englisch die Note „sehr gut“ erzielt. Überdies ist der Kl., was er der Bekl. auch mitgeteilt hat, gerne bereit, auf eigene Kosten4 in Volkshochschulkursen sein Englisch aufzubessern. Der Kl. hält dies allerdings nicht für erforderlich, da bei der Arbeit in der Poststelle Englisch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Gemäß § 81 Abs. 4 SGB IX hat der Kl. Anspruch auf Zuweisung des Arbeitsplatzes in der Poststelle. Es ist bereits jetzt absehbar, dass der Kl. seinen aktuellen Arbeitsplatz im Lager nicht auf Dauer behalten kann, da seine gesundheitlichen Einschränkungen auf Grund seiner Wirbelsäulenerkrankung zunehmen werden. Wenn der Kl. jetzt nicht leidensgerecht auf dem freien Arbeitsplatz in der Poststelle beschäftigt wird, droht ihm langfristig der Verlust des Arbeitsplatzes und damit die Arbeitslosigkeit. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer Anspruch auf Zuweisung eines „leidensgerechten Arbeitsplatzes“ hat (wird ausgeführt). ... (Unterschrift)5, 6 4 Grundsätzlich ergibt sich aus § 81 Abs. 4 SGB IX kein Anspruch des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen bezahlt. Gemäß § 81 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX besteht lediglich ein Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen. 5 Der Streitwert wird ähnlich zu bemessen sein wie bei einer Klage auf tatsächliche Beschäftigung, dh. mit ein bis maximal zwei Bruttomonatsgehältern. 6 Der Antrag ist gem. § 888 ZPO zu vollstrecken (BAG v. 19.9.1997, AP Nr. 2 zu § 11 SchwbG aF).

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Kapitel 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Literaturübersicht:

Zum Mutterschutz: Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2008; Düwell, Arbeitsrechtlich bedeutsame Gesetze des 16. Bundestages, FA 2006, 44; Glatzel, Mutterschutz, AR-Blattei SD 1220; Graue, Mutterschutz-

684 Diller/Lingemann

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

gesetz, 2. Aufl. 2009; Grönert, Erziehungsgeld, Mutterschutz, Elternzeit, 2005; Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz, Loseblatt; Howald, Der arbeitsrechtliche Schutz Schwangerer, FA 2012, 263; Kaiser, Handbuch zum Mutterschutzgesetz, 17. Aufl. 2005; Lenz, Mutterschutzgesetz Kommentar, 2004; Springer/Kamppeter, Schwanger – und jetzt? Ein Leitfaden für Arbeitgeber, BB 2010, 2960; Will, Änderung des Mutterschutzgesetzes, FA 2002, 268; Zeising/Kröpelin, Die Geltung der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG bei behördlichen Zustimmungserfordernissen – Realität oder bloße Fiktion?, DB 2005, 1626; Zetl, Krankenbezüge und Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz, ZMV 2007, 62; Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß, Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen: mit Mutterschutzverordnung, Kommentar, 9. Aufl. 2006. Zur Elternzeit: Ballof, Das neue Elterngeld, EStB 2007, 115; Beyer-Petz, 2 Jahre Elterngeld – eine Zwischenbilanz– Bundestag verabschiedet Erstes Elterngeld-Änderungsgesetz, DStR 2008, 2326; Brose, Das erkrankte Kind des Arbeitnehmers im Arbeits- und Sozialrecht, NZA 2011, 719; Brosius-Gersdorf, Elterngeld nach dem BEEG – Rechtsnatur, Anspruchsvoraussetzungen, Leistungsumfang, FPR 2007, 334; Bruns, Altes und Neues zur Elternzeit im BEEG, FamRZ 2007, 251; Bruns, Zweifelsfragen zum Recht der Elternzeit, BB 2008, 330 und 386; Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2008; Büttner, Zum Elterngeld, FF 2007, 86; Düwell, Das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes, FA 2007, 44; Fiedler, Die Elternzeit, FPR 2007, 338; Fröhlich, Das neue Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit, ArbRB 2007, 54; Genenger, Änderungen des BEEG: Kritische Begutachtung von Flexibilisierung und Großelternzeit, ZRP 2008, 180; Glatzel, Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub, AR-Blattei SD 680; Grönert, Erziehungsgeld, Mutterschutz, Elternzeit, 2005; Kolmhuber, Die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 Abs. 7 BErzGG, FA 2006, 357; Nebe, Das neue Elterngeld, Streit 2007, 74; Niklas, Vorzeitige Beendigung und Verlängerung der Elternzeit nach dem BEEG, BB 2013, 951; Peters-Lange/ Rolfs, Reformbedarf und Reformgesetzgebung im Mutterschutz- und Erziehungsgeldrecht, NZA 2000, 682; Reinecke, Teilzeitarbeit während der Elternzeit, FA 2007, 98; Röhl, Zwischenbilanz und erste Rechtsprechung zum Elterngeld und BEEG. Der Gesetzgeber als „Sozialingenieur“, NJW 2010, 1418; Sartorius/Bubeck, Das neue Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG, ZAP Fach 18, 973; Schmidt, Elterngeld in der Beratungspraxis, NWB 2011, 1866; Scholz, Das neue Elterngeld, FamRZ 2007, 7; Schramm, Kombinationsmöglichkeiten bei Inanspruchnahme von Elterngeld durch beide Eltern, FPR 2007, 342; Sowka, Novellierung des Bundeselterngeldund Elternzeitgesetzes, DB 2012, 2936; Wiebauer, Elternzeit und beabsichtigte Betriebsstilllegung, NZA 2011, 177; Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß, Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen: mit Mutterschutzverordnung, Kommentar, 9. Aufl. 2006. Zur Pflegezeit: Freihube/Sasse, Was bringt das neue Pflegezeitgesetz!?, DB 2008, 1320; Joussen, Streitfragen aus dem Pflegezeitgesetz, NZA 2009, 69; Liebscher, Rechte und Pflichten aus dem Pflegezeitgesetz, ArbR Aktuell 2011, 189; Linck, Offene Fragen des Pflegezeitgesetzes, BB 2008, 2738; Müller, Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und seine Folgen für die arbeitsrechtliche Praxis, BB 2008, 1058; Oberthür/Becker, Streitfall „Pflege“ – Ausgewählte Problemstellungen des Pflegezeitgesetzes, ArbRB 2009, 77; Preis/Nehring, Das Pflegezeitgesetz, NZA 2008, 729; Preis/Weber, Der Regierungsentwurf eines Pflegezeitgesetzes, NZA 2008, 82; Rose/ Dörstling, Flucht in die Pflege – Kündigungsschutz allein durch Ankündigung sinnvoll?, DB 2008, 2137. Zur Familienpflegezeit: Barkow von Creytz, Das Familienpflegezeitgesetz, DStR 2012, 191; Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Das neue Familienpflegezeitgesetz – Hinweise für die Praxis, BDA März 2012, 1; Glatzel, Das neue Familienpflegezeitgesetz, NJW 2012, 1175; Göttling/Neumann, Das neue Familienpflegezeitgesetz, NZA 2012, 119; Oelkers/Rosenau, Das Familienpflegezeitgesetz, NJW-Spezial 2011, 754; Sandmaier, Familienpflegezeitgesetz (1) – Arbeitsrechtliche Grundlagen, schnellbrief Arbeitsrecht 6/2012, 5; Sasse, Familienpflegezeit – Darstellung der neuen gesetzlichen Regelungen, DB 2011, 2660; Schiefer/ Worzalla, Familienpflegezeitgesetz, DB 2012, 516.

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I. Einführung 1. Mutterschutz 1

Werdende Mütter unterliegen dem besonderen Schutz des Mutterschutzgesetzes (MuSchG). Dieses diente der Umsetzung der Richtlinie 92/85/EWG.1 Gemäß § 3 MuSchG dürfen sie nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. Insbesondere in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung dürfen sie nicht beschäftigt werden, es sei denn, dass sie sich zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklären; diese Erklärung kann indes jederzeit widerrufen werden, § 3 Abs. 2 MuSchG.2 Daneben gibt es zahlreiche ausdrückliche Beschäftigungsverbote nach Maßgabe von § 4 MuSchG. Der Beweiswert einer ärztlichen Bescheinigung, aus der sich ein allgemein gehaltenes Beschäftigungsverbot ergibt, ist jedoch erschüttert, wenn die Arbeitnehmerin trotz Aufforderung des Arbeitgebers keinen Nachweis vorlegt, der angibt, welche konkreten Arbeitseinschränkungen für die Schwangere bestehen, denn nur dann kann der Arbeitgeber die Zuweisung anderer Arbeiten prüfen, die einem Beschäftigungsverbot nicht entgegenstehen.3

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Gemäß § 5 MuSchG sollen werdende Mütter dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Niederkunft mitteilen, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist (M 17.1). Der Arbeitgeber hat die Aufsichtsbehörde unverzüglich von der Mitteilung der werdenden Mutter zu benachrichtigen. Unbefugte Mitteilungen an Dritte müssen jedoch unterbleiben, § 5 Abs. 1 MuSchG. Nach der Entbindung darf die junge Mutter (Wöchnerin) bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden, bei Früh- und Mehrlingsgeburten verlängert sich die Frist auf zwölf Wochen, § 6 Abs. 1 MuSchG. Bei Frühgeburten und sonstigen vorzeitigen Entbindungen verlängert sich der Zeitraum zusätzlich um das nicht nach § 3 Abs. 2 MuSchG in Anspruch genommene Beschäftigungsverbot. Bei Tod des Kindes kann die Mutter auch auf ihr Verlangen hin nicht sofort wieder beschäftigt werden, sondern eine zweiwöchige Schutzfrist ist zwingend einzuhalten, § 6 Abs. 1 Satz 3 MuSchG. Auch bestehen spezielle Beschäftigungsverbote für stillende Mütter, § 6 Abs. 3 MuSchG, und besondere Verpflichtungen des Arbeitgebers, stillenden Müttern auf ihr Verlangen die zum Stillen erforderliche Zeit freizugeben, § 7 MuSchG. Werdende und stillende Mütter dürfen überdies nicht mit Mehrarbeit,4 nicht in der Nacht zwischen 20.00 und 6.00 Uhr und nicht an Sonn- und Feiertagen nach Maßgabe von § 8 MuSchG beschäftigt werden.

1 Ein Reformvorschlage der Kommission, abrufbar unter eur-lex. europa. eu, der u.a. eine Verlängerung der Mutterschutzfristen, einen erweiterten Kündigungsschutz und eine Beweislastumkehr bei Diskriminierungen der Schwangeren regelt, wurde in der bisherigen Form vom Europäischen Parlament abgelehnt. 2 Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beschäftigung wird hierdurch aber nicht begründet, ErfK/Schlachter § 3 MuSchG Rz. 12. AA LAG Schl.-Holst. v. 15.12.2005, NZA-RR 2006, 178. 3 BAG v. 7.11.2007, NZA 2008, 551. 4 Mehrarbeit ist dabei jede Arbeit, die von Frauen unter 18 Jahren über 8 Stunden täglich oder 80 Stunden in der Doppelwoche und von sonstigen Frauen über 8 1/ 2 Stunden täglich oder 90 Stunden in der Doppelwoche geleistet wird, § 8 Abs. 2 MuSchG.

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Daneben besteht Sonderkündigungsschutz für werdende Mütter. Während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung5 darf der Arbeitgeber nicht kündigen, wenn ihm zurzeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird, § 9 Abs. 1 MuSchG.6 Das Überschreiten dieser Frist ist allerdings unschädlich, wenn dies auf einem von der Schwangeren nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird, § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. „Zu vertreten“ wäre nur ein gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse billigerweise zu erwartende Verhalten („Verschulden gegen sich selbst“); daher ist es unschädlich, wenn die Schwangere die Bescheinigung über die Schwangerschaft mit normaler Post an den Arbeitgeber versendet und der Brief dann aus ungeklärter Ursache verloren geht.7 „Unverzüglich“ bedeutet dabei regelmäßig nicht mehr als eine Woche.8 Nur „in besonderen Fällen“ kann der Arbeitgeber gleichwohl mit Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde kündigen. Ein solcher besonderer Fall wird bei personenbedingten Gründen erst bejaht, wenn die wirtschaftliche Belastung den Arbeitgeber in die Nähe der Existenzgefährdung rückt. Verhaltensbedingte Gründe werden nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen anerkannt. Als betriebliche Gründe sind namentlich die Betriebsverlegung oder -stilllegung bei Wegfall jeglicher Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu nennen. Gegen den ablehnenden Bescheid kann der Arbeitgeber, gegen den zustimmenden die Arbeitnehmerin Widerspruch bzw. Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht erheben.9 Unabhängig von der Richtigkeit des Bescheides kann die Arbeitnehmerin beim Arbeitsgericht die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Kündigung (zB soziale Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG) prüfen lassen. Die Kündigung des Arbeitgebers bedarf gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG der Schriftform und der schriftlichen Begründung.

3

Wichtig: Die Arbeitnehmerin kann ohne Einhaltung einer Frist zum Ende der Schutzfrist kündigen, § 10 iVm. § 9 Abs. 2 MuSchG.10

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5 Eine Entbindung liegt dann vor, wenn sich das Kind bereits bis zu einem Stadium entwickelt hat, in dem es zu einem selbständigen Leben grds. fähig ist. Dabei steht eine medizinisch indizierte vorzeitige Einleitung der Geburt der Annahme einer Entbindung iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht entgegen, wenn die Voraussetzungen nach § 29 Abs. 2 PStV gegeben sind, BAG v. 15.12.2005, NZA 2006, 994. 6 Der Sonderkündigungsschutz bezieht sich nicht nur auf die Mitteilung der Kündigungsentscheidung selbst, sondern verbietet auch Maßnahmen, die in Vorbereitung der Kündigung während der Schutzzeit getroffen werden, insbesondere die Suche nach einer endgültigen Ersatzarbeitskraft, EuGH v. 11.10.2007, NZA 2007, 1271 zur Schaltung einer Stellenanzeige zur endgültigen Neubesetzung der Position der Schwangeren schon während der Schutzzeit. 7 BAG v. 16.5.2002, NZA 2003, 217. 8 Vgl. BAG v. 26.9.2002, DB 2003, 1448. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles kann es jedoch noch als unverzüglich angesehen werden, wenn zwischen Kenntniserlangung der Arbeitnehmerin von der Schwangerschaft und Mitteilung an den Arbeitgeber 13 Kalendertage liegen, LAG Hamm v. 17.10.2006, LAGE § 9 MuSchG Nr. 26. 9 Die Zustimmungserklärung der zuständigen Behörde zur Kündigung nach § 9 Abs. 3 MuSchG muss im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorliegen. Bestandskraft ist jedoch nicht erforderlich, BAG v. 25.3.2004, AP MuSchG 1968 § 9 Nr. 36, Rz. 17 ff.; v. 17.6.2003, NZA 2003, 1329. 10 Kritisch zu diesem Kündigungsrecht Boemke, jurisPR-ArbR 48/2010, Anm. 3, der die Regelung für gleichheitswidrig hält.

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Das Merkmal der Schwangerschaft iSd. § 9 MuSchG erfasst zwar nicht den Fall einer künstlichen Befruchtung, bei der die befruchtete Eizelle noch nicht in die Gebärmutter eingesetzt wurde; eine Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin im vorgerückten Stadium einer In-vitro-Fertilisation ist dennoch unwirksam, da sie gegen das in der Richtlinie 76/207/EWG verankerte Gebot der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung verstößt.11

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Die Leistungen der Sozialversicherungsträger, des Bundes und des Arbeitgebers an die Mutter während der Beschäftigungsverbote richten sich nach §§ 11–17 MuSchG. Der Arbeitgeber hat nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG Mutterschutzlohn zu zahlen, soweit die Mutter nicht nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung Mutterschaftsgeld beziehen kann.12 Der Anspruch besteht nur, wenn die Mutter wegen eines Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG nicht arbeiten konnte. Dies ist nicht der Fall, wenn lediglich die Fahrt zum Arbeitsplatz eine Gefahr für die Schwangere darstellt, nicht jedoch die Arbeitstätigkeit selbst.13 Das Beschäftigungsverbot entsteht erst mit der Ausstellung eines ärztlichen Attestes.14 Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit schließt den Anspruch aus § 11 MuSchG grundsätzlich aus.15 Dies gilt nicht, wenn bei einer bestehenden Krankheit eine Verschlechterung, die bei Fortführung der Beschäftigung zur Arbeitsunfähigkeit führt, ihre Ursache ausschließlich in der Schwangerschaft hat.16 Im Rahmen billigen Ermessens kann der Arbeitgeber der Mutter eine andere zumutbare und nicht verbotene Tätigkeit zuweisen und den Anspruch so entfallen lassen.17 Zumutbar sind dabei unter Umständen auch Tätigkeiten, die im Übrigen nicht mit dem Direktionsrecht des Arbeitsgebers zugewiesen werden könnten.

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Praxistipp: Die Zuweisung muss möglichst konkret sein. Eine Beurteilung von Direktionsmaßnahmen, die gar nicht ausgesprochen oder nicht konkret genug sind, wird im Rechtsstreit stets zu Lasten des Arbeitgebers ausfallen.

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Die Höhe des Mutterschutzlohns richtet sich nach dem Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist.18 Gemäß § 11 Abs. 2 MuSchG sind während 11 EuGH v. 26.2.2008, NZA 2008, 345. 12 Die Anspruchsberechtigung knüpft dabei nach § 13 Abs. 1 MuSchG an die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse an. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn die Arbeitnehmerin bei bestehendem Arbeitsverhältnis wegen des Beschäftigungsverbots ihre Arbeitsleistung zunächst nicht erbringen kann, vgl. auch BSG v. 28.2.2008, NZA-RR 2009, 30. 13 LAG Hessen v.14.4.2008 – 17 Sa 1855/07 für den Einsatz einer schwangeren Flugbegleiterin als Bodenmitarbeiterin unter Hinweis darauf, dass auch ein kranker Arbeitnehmer, bei dem die Krankheit nicht zur Arbeitsunfähigkeit führt, das Wegerisiko zum Arbeitsplatz zu tragen habe. 14 BAG v. 21.3.2002, NZA 2001, 1017, 1018. Jedoch kann ein solches Attest in seinem Beweiswert erschüttert werden. 15 BAG v. 9.10.2002, AP Nr. 17 zu § 3 MuSchG 1968. 16 BAG v. 13.2.2002, NZA 2002, 738, 739. Vgl. auch LSG Hessen v. 20.8.2007 – L 9 AL 35/04: bei Vorliegen einer Risikoschwangerschaft ist ebenfalls danach zu differenzieren, ob das Risiko tatsächlich auf einer Erkrankung beruht oder seinen Grund in der Schwangerschaft selbst hat. 17 BAG v. 15.11.2000, NZA 2001, 386. 18 Ist die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines halben Jahres zu erbringen, so ist diese vereinbarte Durchschnittsarbeitszeit auch für die Berechnung des Mutterschutzlohnes maßgeblich. Auf die konkrete Berechnung der letzten 13 Wochen kommt es dann nicht an,

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dieses Berechnungszeitraums oder des anschließenden Mutterschutzes sowohl dauernde Erhöhungen als auch Verringerungen des Verdienstes zu berücksichtigen, sofern diese Veränderung nicht durch ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot veranlasst sind.19 Sind im Mutterschutzlohn Zuschläge für tatsächlich nicht geleistete Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit enthalten, so sind diese nicht nach § 3b EStG steuerfrei, da nach Sinn und Zweck der Vorschrift Steuerfreiheit nur bei tatsächlichen Erschwernissen gewährt werden soll.20 Soweit nach § 13 MuSchG ein Anspruch gegen die Sozialversicherungsträger auf Mutterschaftsgeld besteht, muss der Arbeitgeber gemäß § 14 MuSchG21 für die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG sowie für den Entbindungstag einen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen Euro 13,– und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt zum Mutterschaftsgeld zahlen.22 Der Anspruch entfällt jedoch nach § 14 Abs. 4 MuSchG für die Zeit, in der Frauen Elternzeit in Anspruch nehmen, soweit sie nicht eine zulässige Teilzeitarbeit leisten.23 Ruhte das Arbeitsverhältnis nur zu Beginn der Schutzfrist wegen Elternzeit, schließt dies den Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht für den gesamten Zeitraum der Schutzfrist aus.24 § 17 Satz 1 MuSchG bestimmt, dass die mutterschutzrechtlichen Ausfallzeiten bei der Berechnung des Urlaubs wie Beschäftigungszeiten zählen. § 17 Satz 2 MuSchG gestattet darüber hinaus eine Übertragung des Erholungsurlaubs in das nächste Urlaubsjahr unabhängig von § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BUrlG. Gemäß § 17 Satz 2 MuSchG kann eine Arbeitnehmerin, die ihren Erholungsurlaub vor Beginn der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsquote nicht oder nicht vollständig erhalten hat, den verbleibenden Erholungsurlaub nach Ablauf der Schutzfristen noch im laufenden oder nächsten Kalenderjahr beanspruchen.25 Die Regelung ist insoweit an § 17 Abs. 2 BEEG angepasst und geht über die Übertragungsmöglichkeiten des § 7 Abs. 3 BUrlG hinaus.26 Soweit Ansprüche auf Gratifikation vertraglich davon abhän-

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LAG Hamm v. 31.10.2006, NZA-RR 2007, 188. Provisionen sind (ggf. anteilig) zu berücksichtigen, wenn sie im Bemessungszeitraum entstanden sind (BAG v. 14.12.2011, NJW 2012, 1900, Rz. 21). BAG v. 20.9.2000, NZA 2001, 657. BFH v. 27.5.2009 – VI B 69/08. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regelung zum Arbeitgeberzuschuss als mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar erklärt, BVerfG v. 18.11.2003, NJW 2004, 146, und dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31.12.2005 zur Änderung aufgegeben. Dem ist der Gesetzgeber mit dem „Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze“ nachgekommen, welches eine Neuregelung der Umlageverfahren und eine Einbeziehung sämtlicher Arbeitgeber in das Umlageverfahren für Mutterschaftsleistungen des Arbeitgebers vorsieht. Vgl. hierzu ausführlich Düwell, FA 2006, 44. Für den Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld kommt es nicht auf die tatsächliche Zahlung von Mutterschutzgeld durch die Krankenkasse, sondern auf das Bestehen des sozialrechtlichen Anspruchs auf Mutterschaftsgeld an, BAG v. 25.2.2004, NZA 2004, 537. BAG v. 29.1.2003, NZA 2003, 1055. BAG v. 22.8.2012, NZA 2012, 1277, Rz. 17 ff. Dies gilt sowohl für Urlaubsansprüche, die während der gesetzlichen Mutterschutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG entstanden sind, als auch für Urlaubsansprüche, die während der Zeiten eines individuellen arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsverbots erworben wurden, LAG Rh.-Pf. v. 29.1.2009 – 11 Sa 547/08. Zu den Änderungen durch das zweite Gesetz der Änderung des Mutterschutzrechts v. 20.6.2002, BGBl. I 2002, 2318 ff. vgl. insbesondere Will, FA 2002, 268.

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gig gemacht werden, dass sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Gewährung im aktiven Beschäftigungsverhältnis befindet, kann der Anspruch für Zeiten des Mutterschutzes gleichwohl nicht ausgeschlossen werden, da dies gegen Art. 157 AEUV27 und gegen die in Art. 6 Abs. 4 GG festgelegte Schutzpflicht28 verstieße.

2. Elternzeit29 9

Seit dem 1.1.2007 ist das Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) in Kraft. Soweit die Regelungen zur Elternzeit und zur Elternteilzeit aus §§ 15 ff. BErzGG im Wesentlichen inhaltsgleich übernommen wurden, kann weitestgehend auf die Rechtsprechung und Literatur zum BErzGG zurückgegriffen werden.

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Die Elternzeit soll berufstätigen Eltern die Betreuung und Erziehung ihres Kindes ermöglichen und erleichtern. Der Anspruch auf Elternzeit ist privatrechtlicher Art und unabdingbar, § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG. Anspruchsgegner ist der Arbeitgeber, Anspruchsinhalt die unbezahlte Freistellung für den in § 15 Abs. 2 und 3 BEEG bestimmten Zeitraum. Ergänzend gelten die allgemeinen Urlaubsvorschriften entsprechend. Das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG bleibt unberührt.

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Anspruchsberechtigt sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (§ 15 Abs. 1 BEEG), zur Berufsausbildung Beschäftigte (§ 20 Abs. 1 BEEG) sowie Heimarbeiter und Gleichgestellte, soweit sie am Stück mitarbeiten (§ 20 Abs. 2 BEEG). Erforderlich ist eine enge personale Beziehung zu dem Kind. Sie liegt ua. vor, wenn die Anspruchsberechtigten (vgl. § 15 Abs. 1 BEEG) 1. a) mit ihrem Kind, b) mit einem Kind, für das sie die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 3 oder 4 BEEG erfüllen, oder c) mit einem Kind, das sie in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII aufgenommen haben, in einem Haushalt leben und 2. dieses Kind selbst betreuen und erziehen.30

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Auch für Großeltern, die Arbeitnehmer sind, besteht in gleichem Umfang wie für die Eltern die Möglichkeit zur Elternzeit; dies setzt allerdings voraus, dass sie mit dem zu betreuenden Enkelkind in einem Haushalt leben und zudem ein Elternteil minderjährig ist oder sich noch in einer schon vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnenen Ausbildung befindet (§ 15 Abs. 1a BEEG). Der Anspruch besteht allerdings nur subsidiär zu einer bereits durch die Eltern genommenen Elternzeit (§ 15 Abs. 1a Satz 2 BEEG) und richtet sich nicht auf die Gewährung von Elterngeld, das weiterhin an die 27 EuGH v. 21.10.1999 – Rs. C-333/97, EuGHE I-1999, 7266; BAG v. 4.12.2002, AP BGB § 611 Nr. 245 Gratifikation. 28 BAG v. 20.8.2002, DB 2003, 342. 29 Die Neuregelungen zur Elternzeit, die zum 1.1.2007 in Kraft getreten sind, gelten – anders als die Regelungen zum Elterngeld (dazu unten Rz. 20 ff.) – nicht erst für Geburten ab dem 1.1.2007, sondern auch für Eltern, deren Kinder vor dem 1.1.2007 geboren wurden oder die sich am 1.1.2007 bereits in Elternzeit befinden. Allein die Vorschriften zum Elterngeld gelten erst für Geburten ab dem 1.1.2007. 30 Die Betreuung wird durch vorübergehende Abwesenheit oder Verhinderung nicht unterbrochen.

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Eltern ausgezahlt wird.31 Sonderkündigungsschutz besteht daher für den Großelternteil nur nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BEEG. Der Anspruch auf Elternzeit besteht bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes,32 § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG.33 Die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 6 Abs. 1 MuSchG wird auf die Begrenzung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG angerechnet. Ein Anteil von zwölf Monaten ist auf die Zeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres übertragbar;34 diese Übertragung bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers, § 15 Abs. 2 BEEG. Bei seiner Entscheidung über die Zustimmung ist der Arbeitgeber an billiges Ermessen iSd. § 315 BGB gebunden.35

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Die Elternzeit kann, auch anteilig, von jedem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen gemeinsam genommen werden. Der Arbeitnehmer hat zweimal während der Elternzeit einen Anspruch auf Verringerung seiner Arbeitszeit für jeweils mindestens zwei Monate auf 15 bis 30 Wochenstunden, § 15 Abs. 6 iVm. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG, außer in Kleinunternehmen und während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses, § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 BEEG.36 Einvernehmliche Regelungen über eine Verminderung sind darauf jedoch nicht anzurechnen.37 Dem Arbeitnehmer steht ein Wahlrecht zwischen § 15 Abs. 7 BEEG und dem allgemeinen Teilzeitanspruch aus § 8 Abs. 4 TzBfG zu.38 Jedoch ist regelmäßig der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach dem BEEG günstiger für den Arbeitnehmer, schon weil er einen befristeten Teilzeitanspruch gewährt und nur wegen dringender betrieblicher Gründe abgelehnt werden kann (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG).39 Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 Abs. 5–7 BEEG auch dann zulässig, wenn zunächst nur die völlige Freistellung von der vertraglichen Arbeit in Anspruch genommen wurde und keine bloße Verringerung der Arbeitszeit beantragt worden war.40

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31 Auch ein in der Ausbildung befindlicher Elternteil hat Anspruch auf Elterngeld, § 1 Abs. 6 BEEG. 32 Eltern können die Elternzeit von vornherein bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes nehmen. Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer nach § 16 Abs. 1 BEEG gleichzeitig zu erklären hat, für welchen Zeitraum „innerhalb von zwei Jahren“ er Elternzeit nehmen will, denn diese Vorschrift beschränkt nicht die Möglichkeit, den darüber hinausgehenden materiellrechtlichen Anspruch sofort geltend zu machen. BAG v. 27.4.2004, NZA 2004, 1039. 33 Nicht erforderlich ist daher, dass das Kind bereits etwa während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses geboren wurde. 34 Der Kündigungsschutz des § 18 BEEG besteht allerdings während der mehrjährigen Arbeitsphase zwischen den Urlaubszeiträumen nicht, Peters-Lange/Rolfs, NZA 2000, 682, 685. 35 BAG v. 21.4.2009, NJW 2010, 695 zu einer Zustimmungsverweigerung bei Geburt eines weiteren Kindes, § 15 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 BEEG, nachdem der Arbeitgeber zuvor die vorzeitige Beendigung der Elternzeit nicht wegen dringender betrieblicher Gründe nach § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG abgelehnt hatte. 36 Vgl. zum Anspruch auf Elternteilzeit BAG v. 5.6.2007, NZA 2007, 1352; v. 9.5.2006, AP BErzGG § 15 Nr. 47 und Bruns, BB 2008, 330, 332. Vgl. auch Einf. Kap. 6 Rz. 61 ff. 37 BAG v. 19.2.2013 – 9 AZR 461/11 mit Anm. Bauer, ArbR Aktuell 2013, 127. Damit wird letztlich der Arbeitgeber prämiiert, der sich einer einvernehmlichen Regelung verschließt. 38 BAG v. 8.5.2007, NJW 2007, 3661. 39 Vgl. Bruns, BB 2008, 330, 333. 40 BAG v. 5.6.2007, NZA 2007, 1352; zur Vorgängerregelung des § 15 Abs. 5 – 7 BErzGG schon BAG v. 19.4.2005, NZA 2005, 1354; v. 9.5.2006, NZA 2006, 1413; Düwell, FA 2007, 44, 46.

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Der Antrag auf Verringerung kann allerdings erst gestellt werden, wenn die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer verbindlich festgelegt hat, für welche Zeiträume Elternzeit verlangt wird, § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG.41 Der schriftliche Antrag (M 17.3) muss sieben Wochen vor Beginn der Teilzeittätigkeit mitgeteilt werden (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG) und den Beginn und den Umfang der verringerten Arbeitszeit enthalten. Die gewünschte Verteilung der verringerten Arbeitszeit soll im Antrag angegeben werden (§ 15 Abs. 7 Satz 2, 3 BEEG). Auch im BEEG fehlt ebenso wie in der Vorgängervorschrift ein Gleichlauf von Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit. Jedoch geht das BAG davon aus, dass der Arbeitgeber die Verteilung der Arbeitszeit nur nach billigem Ermessen festlegen kann, wobei eine Abweichung vom Wunsch des Arbeitnehmers nur bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe möglich sein soll.42 Dringende betriebliche Gründe iSd. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG stehen dem Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers entgegen, wenn keine freie Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb des Arbeitgebers besteht;43 oder wenn die Elternteilzeit unvereinbar ist mit einem Organisationskonzept des Arbeitgebers, welches sich allerdings nicht allein darin erschöpfen darf, dass der Arbeitgeber die Aufgaben nach seiner unternehmerischen Zielsetzung von einer Vollzeitkraft erledigen lassen will.44 Es sind insofern höhere Anforderungen als für die Ablehnung des allgemeinen Teilzeitanspruchs nach TzBfG zu stellen, der auch nicht dringende entgegenstehende betriebliche Gründe ausreichen lässt. Die dringenden betrieblichen Gründe müssen keine unüberwindbaren, aber doch besonders gewichtige Hindernisse für die beantragte Verkürzung und Umverteilung der Arbeitszeit sein.45 Während der Elternzeit darf keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt werden. Erlaubt ist lediglich eine Erwerbstätigkeit, bei der die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit auf 30 Stunden beschränkt ist (§ 15 Abs. 4 BEEG). Die Teilzeittätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber oder als Selbständiger bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers, § 15 Abs. 4 Satz 3 BEEG,46 die er nur aus dringenden betrieblichen Gründen und nur binnen vier Wochen schriftlich verweigern kann, § 15 Abs. 4 Satz 4 BEEG. 14

Nach § 16 BEEG gilt eine einheitliche Frist für die Anmeldung der Elternzeit. Wer Elternzeit beanspruchen will, muss dies spätestens sieben Wochen vor deren Beginn schriftlich verlangen, und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll. Die Einhaltung der Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Elternzeit und für die Auslösung des Sonderkündigungsschutzes.47 Die Frist kann bei dringenden Gründen verkürzt werden, § 16 Abs. 1 Satz 2 BEEG; nach § 16 Abs. 2 BEEG kann die Erklärung innerhalb einer Woche nach Wegfall eines nicht zu vertretenden Hinderungsgrundes nachgeholt werden. Die Zeit der Mutterschutzfrist wird auf die Elternzeit ange41 BAG v. 5.6.2007, NZA 2007, 1352. 42 BAG v. 8.5.2007, NJW 2007, 3661; zur alten Rechtslage nach BErzGG schon BAG v. 9.5.2006, NZA 2006, 1413. 43 Nur freie Arbeitsplätze sind zu berücksichtigen, BAG v. 15.4.2008, NZA 2008, 998. 44 BAG v. 15.12.2009, NZA 2010, 447. 45 BAG v. 15.12.2009, NZA 2010, 447. 46 Vgl. BAG v. 26.6.1997, NZA 1997, 1156. 47 Die Berufung des Arbeitgebers auf die Nichteinhaltung der Schriftform kann jedoch im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, vgl. BAG v. 26.6.2008, DB 2008, 2368: die klagende Arbeitnehmerin war nach mündlicher Geltendmachung der Elternzeit tatsächlich nicht zur Arbeit erschienen, was der Arbeitgeber auch widerspruchslos hingenommen hatte.

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rechnet, wenn die Mutter die Elternzeit im Anschluss an die gesetzliche Mutterschutzfrist beantragt, § 16 Abs. 1 Satz 3 BEEG. Die Elternzeit darf auf bis zu zwei Zeitabschnitte verteilt werden, § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG. Eine Verteilung auf weitere Zeitabschnitte ist nur mit der Zustimmung des Arbeitgebers möglich, § 16 Abs. 1 Satz 6 BEEG. Dies muss jedoch im Voraus verbindlich für den gesamten Zeitraum festgelegt werden. Der Antrag muss schriftlich gestellt werden, § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Es handelt sich um eine einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung, die bereits mit Zugang beim Arbeitgeber wirksam ist. Der Arbeitnehmer kann und muss ab dem in dem ordnungsgemäßen Antrag genannten Zeitpunkt der Arbeit fernbleiben.48 Das Verlangen ist nicht widerruflich. Nachträgliche Änderungen der Planung der Elternzeit sind nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich, § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG. Die vorzeitige Beendigung wegen der Geburt eines weiteren Kindes oder wegen eines besonderen Härtefalles kann der Arbeitgeber nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen, § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 BEEG kann die Mutter nicht zur Inanspruchnahme von Mutterschutzfristen wegen der Geburt eines weiteren Kindes die Elternzeit vorzeitig beenden; das gilt nicht für während der Elternzeit Teilzeit arbeitende Mütter.49 Eine Verlängerung kann verlangt werden, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus wichtigem Grund nicht erfolgen kann, § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG. Im Übrigen bedürfen Verlängerungen der Zustimmung des Arbeitgebers, § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG. Der Arbeitgeber hat über die Verlängerung nach billigem Ermessen zu entscheiden.50 Die siebenwöchige Anmeldefrist nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG gilt nicht für das Verlängerungsbegehren nach § 16 Abs. 3 BEEG.51 Während der Elternzeit sind die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert. Nebenleistungen sind nur dann fortzuzahlen, wenn sich durch Auslegung der Vereinbarung ergibt, dass diese vom Ruhen des Arbeitsverhältnisses unabhängig sein sollen. Ein Anspruch auf Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall besteht nicht. Den Anspruch auf Urlaub kann der Arbeitgeber für jeden vollen Kalendermonat, für den der Arbeitnehmer Elternzeit nimmt, um ein Zwölftel des Jahresurlaubs kürzen,52 es sei denn, der Arbeitnehmer leistet während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber Teilzeitarbeit, § 17 Abs. 1 BEEG.53 Abgrenzungsfragen zum Urlaub beim Übergang in die oder aus der Elternzeit und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln § 17 Abs. 2–4 BEEG. Der vor Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig genommene Urlaub ist übertragbar auf das laufende oder nächste Urlaubsjahr, das der Elternzeit nachfolgt; dies gilt auch dann, wenn sich an die erste eine weitere Elternzeit unmittelbar anschließt. In diesem Fall besteht der vor der ersten Elternzeit entstandene Urlaubsanspruch auch nach der zweiten Elternzeit fort.54 Für Ansprüche auf 48 BAG v. 19.4.2005, NZA 2005, 1354. 49 Vgl. aber EuGH v. 20.9.2007, NZA 2007, 1274, wonach eine Arbeitnehmerin den Zeitraum ihres Erziehungsurlaubs auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers ändern kann, um bei einer erneuten Schwangerschaft ihre Rechte auf Mutterschaftsurlaub wahrzunehmen. 50 BAG v. 18.10.2011, NZA 2012, 262, Rz. 29. Vgl. zur vorzeitigen Beendigung und Verlängerung der Elternzeit auch Niklas, BB 2013, 951. 51 BAG v. 18.10.2011, NZA 2012, 262, Rz. 27. 52 BAG v. 17.5.2011, DB 2012, 182. 53 Dazu, ob die Kürzung auch das Urlaubsentgelt erfasst, Bruns, BB 2008, 386, 387. 54 BAG v. 20.5.2008, NZA 2008, 1237 noch zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 17 Abs. 2, 3 BErzGG.

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Gratifikation kann, soweit sie auf die tatsächliche Beschäftigung abstellen, anders als für Zeiten des Mutterschutzes55 vereinbart werden, dass sie für Zeiten der Elternzeit nicht bestehen.56 Demgegenüber sind bei Sozialplanregelungen, die für die Höhe der Abfindung auch auf die Dauer der Beschäftigung abstellen, keine Abzüge wegen Elternzeit zulässig.57 Auch Zulagen, die als Entgeltbestandteil gewährt werden, stehen Arbeitnehmern in Elternzeit in gleichem Umfang zu.58 16

Während der Elternzeit besteht Sonderkündigungsschutz, § 18 BEEG. Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt wurde, höchstens aber acht Wochen vor Beginn der Elternzeit, und während deren Dauer nicht kündigen, § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Der Kündigungsschutz bezieht sich auf das Arbeitsverhältnis, das zu Beginn der Elternzeit bestanden hat, und auf das durch Vereinbarung von Teilzeitarbeit umgestaltete, § 18 Abs. 2 Nr. 1 BEEG. § 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG enthält gegenüber der Vorgängervorschrift eine wichtige Abweichung: Während die frühere Fassung den Sonderkündigungsschutz denjenigen Arbeitnehmern versagte, die bei einem anderen Arbeitgeber während der Elternzeit einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen,59 besteht nach der Neufassung Sonderkündigungsschutz, wenn der Arbeitnehmer, ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen, Teilzeitarbeit leistet und Anspruch auf Elterngeld nach § 1 BEEG während des Bezugszeitraums nach § 4 Abs. 1 BEEG hat. Möglicherweise hat damit auch der Arbeitnehmer Sonderkündigungsschutz, der bei einem anderen Arbeitgeber während der Elternzeit Teilzeitarbeit verrichtet.60 In „besonderen Fällen“ kann der Arbeitgeber mit Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde kündigen, § 18 Abs. 1 Satz 2–4 BEEG (M 17.5). Auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung in § 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG bestehen „Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum Kündigungsschutz bei Elternzeit“ vom 3.1.2007.61 Gemäß deren Ziff. 2.1.1 und 2.1.3 gilt insbesondere die Betriebsverlegung oder -stilllegung bei Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit als ein „besonderer Fall“.62 Diese Verwaltungsvorschrift bindet die Gerichte zwar formal nicht, ist aber für die Praxis gleichwohl der zentrale Leitfaden. Die Zustimmung wegen Betriebsstilllegung kann auch wirksam erteilt werden „für den Fall, dass kein Betriebsübergang stattgefunden hat“.63 Eine erteilte Zustimmung löst keine Frist aus, innerhalb derer die Kündigung 55 Vgl. oben Rz. 8. 56 BAG v. 4.12.2002, AP BGB § 611 Nr. 245 Gratifikation für den zulässigen Ausschluss des Anspruchs auf Weihnachtsgeld. Bestimmt der Arbeitsvertrag, dass ein Anspruch auf die Gratifikation nicht besteht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so gilt der Anspruchsausschluss nicht bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit, BAG v. 10.12.2008, NZA 2009, 258. 57 BAG v. 12.11.2002, NZA 2003, 1287; vgl. auch EuGH v. 22.10.2009, ArbR 2009, 159 – Meerts/Proost m. Anm. Lingemann. 58 Ein Ausschluss der Arbeitnehmer in Elternzeit von einer tariflichen Zulage ist eine gegen Art. 3 Abs.1 und Art. 6 GG verstoßende unzulässige Gruppenbildung, BAG v. 18.12.2008, NZA 2009, 391. 59 So auch die Entscheidung des BAG v. 2.2.2006, NZA 2006, 678. 60 Bruns, BB 2008, 386, 388; Fröhlich, ArbRB 2007, 54, 57. 61 Abgedruckt bei Nipperdey, Textsammlung Arbeitsrecht, Nr. 401b. 62 Vgl. auch Wiebauer, NZA 2011, 177 zur bedingten Zulässigkeitserklärung bei nur beabsichtigter Stilllegung und einem etwaigen Wiedereinstellungsanspruch aufgrund nicht durchgeführter Stilllegung. 63 BAG v. 22.6.2011, NZA-RR 2012, 119 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2011, 538.

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erklärt werden muss.64 Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen, § 19 BEEG, oder zu einem anderen Zeitpunkt mit der gesetzlichen bzw. vertraglichen Kündigungsfrist. Wird zur Vertretung des Arbeitnehmers in Elternzeit ein anderer Arbeitnehmer befristet bzw. auflösend bedingt eingestellt, so ist die Befristung bzw. auflösende Bedingung für die Dauer der Vertretung und einer angemessenen Einarbeitung sachlich gerechtfertigt, § 21 BEEG. Dasselbe gilt für Zeiten eines Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG. Allerdings muss die Befristung entweder kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar oder dem Vertretungszweck zu entnehmen sein (Zweckbefristung), vgl. § 21 Abs. 3 BEEG.

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Praxistipp: Da der Elternteil in Elternzeit jederzeit die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung nach § 15 Abs. 6 und 7 BEEG verlangen kann, sollte für eine befristet einzustellende Vertretung stets die Zweckbefristung gewählt oder eine Kündigungsmöglichkeit vereinbart werden. Eine Kündigung ist bei einem zeitbefristeten Vertrag nicht nach § 21 Abs. 4 BEEG möglich, da die Elternzeit durch die Ausübung einer zulässigen Teilzeit nicht vorzeitig endet.

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Bei einer Zweckbefristung besteht auch keine strenge Bindung an den Umfang der angemeldeten Elternzeit, so dass der Befristungsgrund „Wegfall des Bedarfs“ auch mehrere ununterbrochen aufeinander folgende Elternzeiten deckt.65 Bei arbeitsrechtlichen Bestimmungen, die auf die Zahl der Beschäftigten abstellen, sind die in Elternzeit befindlichem Arbeitnehmer nicht mitzuzählen, sofern für sie ein Vertreter befristet eingestellt wurde, § 21 Abs. 7 BEEG. Endet die Elternzeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig oder kann der Arbeitnehmer die vorzeitige Beendigung wegen § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG nicht ablehnen, und hat der Arbeitnehmer die Beendigung auch mitgeteilt, so kann der Arbeitgeber das Vertretungsarbeitsverhältnis mit einer Frist von drei Wochen frühestens zum Ende der Elternzeit kündigen, § 21 Abs. 4 BEEG.66 Für diese Kündigung gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht, § 21 Abs. 5 BEEG.

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3. Elterngeld Für Eltern von seit dem 1.1.2007 geborenen oder zur Adoption angenommenen Kinder besteht nach Maßgabe der §§ 1 ff. BEEG Anspruch auf Elterngeld.67 Für die vor dem Stichtag geborenen oder zur Adoption angenommenen Kinder bleiben der Erste und der Dritte Abschnitt des BErzGG anwendbar.68

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Anspruch auf Elterngeld haben nach § 1 Abs. 1 BEEG grundsätzlich Mütter und Väter, die ihre Kinder nach der Geburt selbst betreuen und erziehen, mit ihren Kindern in einem Haushalt leben, nicht mehr als 30 Stunden in der Woche erwerbstätig sind

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64 BAG v. 22.6.2011, NZA-RR 2012, 119 m. Anm. Arnold, ArbR Aktuell 2011, 538. 65 LAG Nürnberg v. 2.8.2007, BB 2007, 2076. 66 Nach der Gesetzesbegründung gilt das Kündigungsrecht auch für eine Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer, vgl. Bruns, BB 2008, 386, 387, der dies jedoch ablehnt. 67 Hierzu ausführlich Röhl, NJW 2010, 1418; Brosius-Gersdorf, FPR 2007, 334 und Schramm, FPR 2007, 342. 68 Die Stichtagsregelung ist verfassungsgemäß, BSG v. 23.1.2008, NJOZ 2008, 4267.

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und einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Daneben kommen auch andere Personen unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 bis 4 BEEG als Anspruchsberechtigte in Betracht. 22

Anders als das frühere Erziehungsgeld ist das Elterngeld als Entgeltersatzleistung konzipiert und richtet sich daher gemäß § 2 BEEG nach dem bisherigen Einkommen. Es beträgt 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Nettoeinkommens, höchstens jedoch Euro 1 800,–/Monat. Die Ermittlung des zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens erfolgt für Eltern seit dem 1.1.2013 geborener Kinder pauschal und richtet sich nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 Satz 3 sowie §§ 2c–2f BEEG.69 Ein während der Schwangerschaft erfolgter Wechsel der Steuerklasse ist bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen und nicht rechtsmissbräuchlich,70 allerdings zählt für Eltern seit dem 1.1.2013 geborener Kinder nur die Lohnsteuerklasse, die am längsten vor dem Elterngeldbezug Bestand hatte, § 2c Abs. 3 BEEG. Ein Wechsel der Lohnsteuerklasse muss also mindestens sieben Monate vor Geburt des Kindes erfolgen, um relevant zu sein. Die wechselseitige Anrechnung anderer Leistungen (Mutterschaftsgeld, Sozialleitungen) auf das Elterngeld regeln § 3 und § 10 BEEG.

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Das Elterngeld beträgt auch für nicht erwerbstätige Elternteile mindestens Euro 300,– monatlich, § 2 Abs. 4 BEEG. Zugleich werden Berechtigte mit niedrigem Einkommen besser gestellt, indem der prozentuale Anteil bei zu berücksichtigendem Einkommen unter Euro 1 000,– stufenweise erhöht wird, § 2 Abs. 2 BEEG.

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Teilzeitarbeit steht dem Anspruch auf Elterngeld nicht entgegen, solange sie nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt eines Monats beträgt. Das Einkommen der Teilzeitarbeit ist jedoch in die Berechnung des Elterngeldes mit einzubeziehen. Der Anspruchsberechtigte erhält 67 % der Differenz zwischen dem vor und dem nach der Geburt zu berücksichtigenden Einkommen, § 2 Abs. 3 Satz 1 BEEG. Als bereinigtes Nettoeinkommen vor der Geburt gilt höchstens ein Betrag von Euro 2 700,–, § 2 Abs. 3 Satz 2 BEEG.

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Bei Mehrlingsgeburten erhöht sich das zu berücksichtigende Einkommen um je Euro 300,– für das zweite und jedes weitere Kind, § 2a Abs. 4 BEEG. Bei Familien mit mehr als einem Kind erhöht sich das nach den allgemeinen Regeln zustehende Elterngeld um 10 %, mindestens aber Euro 75,– im Monat bei einem Geschwisterkind unter drei Jahren oder bei zwei Geschwisterkindern unter sechs Jahren, § 2a Abs. 1 BEEG.

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Der Bezugszeitraum beträgt maximal 14 Monate vom Tag der Geburt des Kindes, wobei ein Elternteil höchstens zwölf Monate Elterngeld beziehen kann. Eine Ausnahme besteht, wenn ein Elternteil allein sorgeberechtigt ist, § 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG. Ein Anspruch auf bis zu zwei zusätzliche Monatsbeträge besteht, wenn beide Elternteile vom Angebot des Elterngeldes Gebrauch machen möchten, § 4 BEEG (sog. Partnermonate). Nach Festlegung einer Mindestbezugsdauer von zwei Monaten je 69 Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldbezugs, BGBl. I 2012, S. 1878; unberücksichtigt bei der Bemessung bleiben dabei u.a. Zeiten, in denen Mutterschaftsgeld bezogen wurde, sowie Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes, § 2b BEEG. 70 BSG v. 25.6.2009 – B 10 EG 3/08 R und B 10 EG 4/08 R unter Hinweis darauf, dass im BEEG bewusst keine Regelung zum Steuerklassenwechsel aufgenommen worden sei und eine solche Regelung auch nicht dem Schutzzweck des BEEG widerspreche.

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Elternteil muss jetzt auch der zweite Elternteil – meist ist dies der Vater – mindestens zwei Monate Elternzeit nehmen, § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG.71 Ein Anspruchswechsel zwischen den Elternteilen, die beide jeweils die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, ist nunmehr erstmalig ohne Angabe von Gründen möglich; eine nochmalige Änderung des Bezugszeitraums ist jedoch nur in besonderen Härtefällen zulässig, § 7 Abs. 2 BEEG.72 Das Elterngeld ist schriftlich zu beantragen und kann rückwirkend nur für die letzten drei Monate vor Beginn des Monats geleistet werden, in dem der Antrag auf Elterngeld eingegangen ist, § 7 Abs. 1 BEEG. In dem Antrag ist anzugeben, für welche Monate Elterngeld beantragt wird. Der Antrag ist von beiden Anspruchsberechtigten zu unterzeichnen, § 7 Abs. 3 BEEG.

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4. Pflegezeit Das zum 1.7.2008 in Kraft getretene PflegeZG verbessert die rechtliche Situation für Arbeitnehmer bei der Pflege eines nahen Angehörigen durch die Gewährung eines Leistungsverweigerungsrechtes bzw. Freistellungsanspruches sowie Sonderkündigungsschutz. Hierdurch werden die früher allein aus § 616 BGB und individual- bzw. tarifvertraglichen Bestimmungen ableitbaren Ansprüche auf Freistellung von der Arbeitspflicht erheblich erweitert. Gesetzgeberische Intention war es, einerseits den Wünschen der Pflegebedürftigen nach einer möglichst langen Pflegeperiode in vertrauter Umgebung Rechnung zu tragen, andererseits die Pflegeversicherung durch Stärkung der ambulanten Pflege durch Angehörige zu entlasten, vgl. § 1 PflegeZG.

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§ 7 Abs. 3 PflegeZG fasst den Begriff des nahen Angehörigen dabei bewusst weit: nahe Angehörige iSd. PflegeZG sind sowohl Großeltern, Eltern, Kinder als auch Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, Geschwister als auch leibliche, Adoptiv- und Pflegekinder (auch des Ehegatten oder Lebenspartners, nicht jedoch des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft), Schwieger- und Enkelkinder.73 Pflegebedürftigkeit iSd. § 7 Abs. 4 PflegeZG liegt bei einer Einstufung in die Pflegestufen I–III nach §§ 14, 15 SGB XI vor. Auch zur Berufsbildung Beschäftigte74 sowie arbeitnehmerähnliche Personen75 gelten gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 und 3 PflegeZG als Arbeitnehmer iSd. PflegeZG, so dass nicht nur §§ 2 und 3 PflegeZG für sie Anwendung finden, sondern sie ebenfalls den Kündigungsschutz nach § 5 PflegeZG genießen.

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Das Gesetz unterscheidet zwischen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG und der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG. Nach § 2 PflegeZG können Arbeit-

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71 Hierzu Schramm, FPR 2007, 342. 72 Nach der Vorgängervorschrift des § 5 Abs. 1 BEEG aF war lediglich eine einmalige Änderung in Fällen besonderer Härte zulässig. 73 Die Aufzählung im PflegeZG soll nach der Gesetzesbegründung abschließend sein; eine Analogie scheidet damit aus, Liebscher, ArbR Aktuell 2011, 189. 74 Der Begriff der Berufsbildung umfasst nicht nur Berufsausbildungsverhältnisse nach § 1 Abs. 3 BBiG, sondern auch andere der Erlernung beruflicher Fertigkeiten dienende Vertragsverhältnisse gemäß § 26 BBiG, vgl. Einf. Kap. 8 Rz. 1 ff. 75 Die für die arbeitnehmerähnliche Person kennzeichnende wirtschaftliche Unselbständigkeit setzt voraus, dass der Beschäftigte seiner gesamten sozialen Stellung nach genauso schutzbedürftig wie ein Arbeitnehmer ist, vgl. Linck, BB 2008, 2738 für die Heranziehung der vom BAG entwickelten Grundsätze auch im Rahmen des PflegeZG.

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nehmer unabhängig von der Größe des Unternehmens bei einer akut auftretenden Pflegesituation bis zu zehn Tage der Arbeit fernbleiben, dh. die Arbeitsleistung verweigern, wenn dies erforderlich ist, um für einen nahen Angehörigen eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Der akut auftretende Pflegefall setzt eine Plötzlichkeit voraus, dh. der Pflegefall darf weder schon bestanden haben noch absehbar gewesen sein. Letzteres ist zB der Fall, wenn schon längere Zeit vor Beendigung eines Krankenhausaufenthaltes feststeht, dass Pflegebedürftigkeit eintreten wird.76 Ein akut auftretender Pflegefall kann auch dann vorkommen, wenn bei häuslicher Pflege die Pflegekraft vorübergehend ausfällt. Die vorausgesetzte Erforderlichkeit bezieht sich nicht nur auf das „ob“ der Freistellung, sondern auch auf die jeweilige Dauer.77 Die Pflegezeit nach § 3 PflegeZG kann nur einmal pro Angehörigem in Anspruch genommen werden.78 Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Arbeitsverhinderung und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich (auch formlos)79 mitzuteilen sowie auf Verlangen eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit und die Erforderlichkeit von Pflegemaßnahmen vorzulegen, § 2 Abs. 2 PflegeZG.80 Verletzt er diese Pflichten, behält er zwar sein Leistungsverweigerungsrecht, riskiert aber Schadensersatzansprüche bzw. eine Abmahnung; auch der Sonderkündigungsschutz besteht erst ab diesem Zeitpunkt.81 Das zeitlich unbegrenzte Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB tritt neben die Regelung des § 2 PflegeZG; soweit jedoch die Voraussetzungen gemäß § 2 PflegeZG vorliegen, besteht für eine Anwendbarkeit des § 275 Abs. 3 BGB regelmäßig kein Bedarf mehr.82 31

Gemäß §§ 3, 4 PflegeZG besteht in Unternehmen mit mehr als fünfzehn Beschäftigten83 für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen ein einmaliger84 Anspruch auf Pflegezeit von bis zu sechs Monaten, wobei auch die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung eröffnet wird. Anders als bei der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung 76 77 78 79 80

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Zu dieser Voraussetzung Glatzel, NJW 2009, 1377, 1378. ErfK/Gallner, § 2 PflegeZG Rz. 2. BAG v. 15.11.2011, NZA 2012, 323, Rz. 31. Wegen der Möglichkeit der formlosen Mitteilung wurde auf die Aufnahme eines Musterformulars verzichtet. Hinsichtlich des Beweiswertes dieser ärztlichen Bescheinigung dürfte dasselbe gelten wie für den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die einen Anscheinsbeweis begründet, vgl. Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 730. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dieser Beweiswert nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Arzt den Pflegedürftigen untersucht hat und genau über die familiären Verhältnisse des Beschäftigten unterrichtet ist, um die Pflegedürftigkeit und Erforderlichkeit der Pflege zu beurteilen, denn anderenfalls gibt die Bescheinigung nur die Schilderung der pflegenden Person wieder, Linck, BB 2008, 2738, 2740. Müller, BB 2008, 1058, 1060. Zutreffend Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 731 mit dem Hinweis, dass § 275 Abs. 3 BGB einerseits eine Interessenabwägung verlangt, die nicht unbedingt zu Gunsten des Angehörigen eines Pflegebedürftigen ausfallen muss, jedoch andererseits keine Höchstdauer der Verhinderung vorsieht und auch nicht auf Fälle der Pflegebedürftigkeit iSd. § 7 Abs. 4 PflegeZG beschränkt ist, so dass sich an ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 2 PflegeZG ein Weigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB anschließen kann. Ein Vergleich mit der Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG ergibt, dass bei der Ermittlung der Zahl der Beschäftigten auch Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Beschäftigte mitzuzählen sind und eine Zählung nach Köpfen erfolgt, vgl. Glatzel, NJW 2009, 1377 sowie Liebscher, ArbR Aktuell 2011, 189. BAG v. 15.11.2011, NZA 2012, 323, Rz. 31.

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nach § 2 PflegeZG muss die Pflegezeit beanspruchende Person den nahen Angehörigen selbst pflegen bzw. zukünftig eine ernsthafte Pflegeabsicht für die Zukunft besitzen, und zwar in häuslicher Umgebung, dh. entweder im eigenen Haushalt, dem der pflegebedürftigen Person oder auch im Haushalt eines anderen Privaten.85 Eine Mindestpflegedauer pro Tag sieht das PflegeZG nicht vor, dh. bei vorliegender Pflegebedürftigkeit kann der Pflegebedürftige auch gleichzeitig ambulante Pflegeleistungen in Anspruch nehmen. Auch ist die Freistellung von der Arbeitspflicht nicht gestaffelt an die Eingruppierung in eine bestimmte Pflegestufe gebunden; auch wer einen Angehörigen in Pflegestufe I pflegt, kann vollständig von der Arbeit freigestellt werden, ohne dass es einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. Die geplante Pflegezeit sowie deren Dauer muss dem Arbeitgeber spätestens zehn Tage im Voraus schriftlich mitgeteilt werden; § 3 Abs. 3 PflegeZG. Die Ankündigung muss sowohl den Umfang der Freistellung als auch bei nur teilweiser Befreiung die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben (M 17.9). Bei Versäumung dieser Ankündigungsfrist verschiebt sich der Beginn der Pflegezeit entsprechend nach hinten; wird die erforderliche Form nicht gewahrt, so ist die Pflegezeit nicht wirksam beantragt.86 Die Pflegebedürftigkeit muss zwingend durch eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des medizinischen Dienstes der Krankenkasse bzw. einer privaten Pflegeversicherung nachgewiesen werden, § 3 Abs. 2 PflegeZG. Auch wenn der Gesetzgeber für die Vorlage des Nachweises keine Frist vorgesehen hat, so liegt es im eigenen Interesse des Arbeitnehmers, die Pflegebedürftigkeit möglichst frühzeitig nachzuweisen.87

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Anders als etwa § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG für die Elternzeit sieht das PflegeZG keine Aufteilung der Pflegezeit auf zwei Zeitabschnitte vor. Dies spricht dafür, dass die Pflegezeit einheitlich zu nehmen ist, es besteht lediglich die Möglichkeit einer Verlängerung bis zur Höchstdauer nach § 4 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG.88

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Möglich ist auch, dass mehrere Angehörige nacheinander dieselbe Person pflegen. Für die gleichzeitige Pflege einer Person durch verschiedene Angehörige trifft das PflegeZG keine Regelung. Nach der geltenden Rechtslage dürfte wohl auch diese Konstellation vom PflegeZG erfasst sein.89 Auch vor dem Hintergrund, dass die durchschnittliche Pflegedauer mindestens drei Jahre beträgt, erscheint dies gesetzgeberisch gewollt.90

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Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer an den von ihm angekündigten Pflegezeitraum gebunden. Eine spätere Verlängerung bis zur Höchstdauer von sechs Monaten ist

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85 Joussen, NZA 2009, 69, 72. 86 Müller, BB 2008, 1058, 1061; Liebscher, ArbR Aktuell 2011, 189, der zufolge diese Frage noch streitig ist. Repräsentative Rechtsprechung steht in jedem Fall noch aus. 87 Der Nachweis ist keine Anspruchsvoraussetzung; bei Verletzung dieser Nachweispflicht riskiert der Arbeitnehmer aber ebenso wie bei § 2 Abs. 2 PflegeZG Schadensersatzansprüche oder kündigungsrechtliche Konsequenzen, Müller, BB 2008, 1058, 1063. 88 In diesem Sinne auch Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 734 sowie Glatzel, NJW 2009, 1377, 1379; anders Joussen, NZA 2009, 69, 72, der eine Aufteilungsmöglichkeit in den Grenzen der Zumutbarkeit für den Arbeitgeber gewähren will; offengelassen von BAG v. 15.11.2011, NZA 2012, 323, Rz. 31. 89 Müller, BB 2008, 1058, 1061; ebenso Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 734 mit dem zutreffenden Hinweis darauf, dass dies zwar Missbrauchsmöglichkeiten im Hinblick auf die Erlangung des umfangreichen Kündigungsschutzes gemäß § 5 PflegeZG eröffnet, jedoch § 3 PflegeZG anders als § 2 PflegeZG eine Erforderlichkeit der Pflege gerade nicht verlangt. 90 Glatzel, NJW 2009, 1377, 1378.

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Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

zulässig bei Zustimmung des Arbeitgebers oder wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus wichtigem Grund nicht erfolgen kann, § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 PflegeZG. Die Pflegezeit endet ausnahmsweise gemäß § 4 Abs. 2 PflegeZG vorzeitig, wenn der Angehörige nicht mehr pflegebedürftig ist oder der Pflegeperson die Pflege unmöglich oder unzumutbar ist, worüber der Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten ist. Im Übrigen kann die Pflegezeit vorzeitig nur mit Zustimmung des Arbeitgebers beendet werden. 36

Will der pflegende Angehörige während der Pflegezeit nur Teilzeit arbeiten, so muss er dies mit dem Arbeitgeber schriftlich vereinbaren, § 3 Abs. 4 PflegeZG. Ähnlich wie bei § 8 Abs. 3 TzBfG hat eine Verhandlungslösung Vorrang; eine Fiktionswirkung wie § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG kennt das PflegeZG jedoch nicht. Es besteht keine Obliegenheit des Arbeitgebers, die gewünschte Reduzierung sowie Verteilung der Arbeitszeit innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich abzulehnen.91 Der Arbeitgeber hat dem Teilzeitwunsch des Beschäftigten zu entsprechen, sofern er nicht der Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit entgegenstehende dringende betriebliche Gründe darlegt. Da das PflegeZG selbst die dringenden betrieblichen Gründe nicht definiert, kann auf die zu § 15 Abs. 7 Nr. 4 BEEG entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden, zumal sich nur der Rechtsgrund für den Teilzeitanspruch unterscheidet.92 Allerdings sieht das PflegeZG auch keine Möglichkeit des Arbeitgebers vor, bei überwiegenden betrieblichen Gründen die einmal vorgenommene Verteilung wieder nachträglich zu ändern. Kommt eine Einigung nicht zustande, so hat der Arbeitnehmer ein einklagbares Recht auf die Teilzeitbeschäftigung, wenn seinem Wunsch keine vom Arbeitgeber darzulegenden dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Ggf. kann er dieses Recht auch im Wege einer einstweiligen Verfügung nach § 940 ZPO durchsetzen, wenn er auf die Teilzeitbeschäftigung dringend angewiesen ist.93 Ob mit der erforderlichen Schriftlichkeit in § 3 Abs. 4 PflegeZG wirklich auf das Schriftformerfordernis des § 126 BGB und die Nichtigkeitsfolge des § 125 BGB Bezug genommen werden sollte oder ob ggf. auch die Textform des § 126b BGB ausreicht, ist fraglich.94 Im Zweifelsfall sollte ein entsprechendes Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers stets schriftlich angebracht werden. Anders als beim Teilzeitanspruch nach dem TzBfG setzt der Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit nach dem PflegeZG weder einen § 8 Abs. 1 TzBfG vergleichbaren rechtlichen Mindestbestand des Arbeitsverhältnisses noch eine dem § 8 Abs. 2 TzBfG entsprechende gesonderte Frist für die Geltendmachung voraus. Er besteht daher unter erleichterten Voraussetzungen.

37

Der Anspruch auf unbezahlte Freistellung im Umfang von zehn Tagen bei Erkrankung eines Kindes nach § 45 Abs. 3 bzw. 5 SGB V, den der Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber unabhängig vom Anspruch auf Krankengeld – ein solcher besteht 91 Als M 17.10 ist ein Muster für eine Ablehnung vorgesehen, rechtlich bedarf es einer solchen ausdrücklichen Ablehnung jedoch nicht. Da die Vereinbarung spätestens bei Beginn der Pflegezeit vorliegen muss, bleibt dem Arbeitnehmer im Zweifel nur die Möglichkeit, seinen Teilzeitwunsch mittels einer einstweiligen Verfügung (s. M 17.11) durchzusetzen. 92 Der Arbeitgeber muss daher zunächst alle Möglichkeiten einer betrieblichen Umorganisation prüfen, Joussen, NZA 2009, 69, 73 und oben Rz. 13. 93 Vgl. Einf. Kap. 6 Rz. 58 und M 6.2.7 sowie zur Klage auf Zustimmung zur Reduzierung der Arbeitszeit und Feststellung der reduzierten Arbeitszeit M 6.2.5 und M 6.2.6. 94 Offen gelassen von Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 735; gegen das konstitutive Schriftformerfordernis im Hinblick auf die Gesetzesbegründung Joussen, NZA 2009, 69, 73.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

nur bei gesetzlich Krankenversicherten – hat, tritt alternativ neben die Freistellung nach dem PflegeZG. Es gilt hierfür aber die engere Voraussetzung, dass das Kind im Haushalt des Versicherten leben muss und keine andere in diesem Haushalt lebende Person das Kind pflegen kann. Einen Entgeltschutz sieht das PflegeZG nicht vor, dh. es besteht während der Kurzoder Langzeitpflege kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sofern sich ein solcher Anspruch nicht aus anderen gesetzlichen Vorschriften (insbesondere § 616 BGB und § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG) oder einer Vereinbarung ergibt, vgl. § 2 Abs. 3 PflegeZG. § 616 BGB gewährt Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung verhindert ist.95 Die Pflege naher Angehöriger ist als ein solcher Verhinderungsgrund anerkannt.96 Bei längerer Verhinderung entfällt der Vergütungsanspruch ganz, da die verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit auch Tatbestandsvoraussetzung ist.97 Da die Pflegezeit nach § 3 PflegeZG über eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit hinausgeht, hat § 616 BGB nur Relevanz für die kurzfristige Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG. Ob die Rechtsprechung ihre bisher eher restriktive Judikatur angesichts der Neuregelungen des PflegeZG im Hinblick auf den Kreis der pflegebedürftigen Personen und den Entgeltfortzahlungszeitraum erweitert, bleibt abzuwarten und erscheint auf Grund des Ausnahmecharakters des § 616 BGB und der Tatsache, dass § 2 Abs. 3 PflegeZG als Rechtsgrundverweisung ausgestaltet ist, fraglich.98 Bislang galt ein Zeitraum bis zu fünf Tagen als Grenze, sofern es sich nicht um die Pflege eines kranken Kindes handelte.99

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Praxistipp: Um entsprechenden Unsicherheiten vorzubeugen, kann es sinnvoll sein, § 616 BGB individual- oder tarifvertraglich zulässigerweise abzubedingen durch Festlegung des maximalen Zeitraums der bezahlten Arbeitsfreistellung.100

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Eine Kürzung des Urlaubsanspruches für die Dauer der Freistellung während der Pflegezeit sieht das PflegeZG anders als § 17 Abs. 1 BEEG nicht vor; andererseits fehlt auch eine § 17 Abs. 2 und 3 BEEG entsprechende Möglichkeit zur Übertragung bzw. Abgeltung des Urlaubs, der infolge der Pflegezeit nicht genommen werden konnte. Geht man allerdings mit der EuGH-Rechtsprechung davon aus, dass der Anspruch auf Mindestjahresurlaub zu den völkerrechtlich anerkannten Grundrechten gehört und auch nicht zum 31.3. des Folgejahres verfällt, wenn er wegen lang andauernder Krankheit nicht genommen werden konnte,101 so deutet dies darauf hin, dass der Urlaub bei Inanspruchnahme von Pflegezeit ebenfalls nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfällt.102

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Ein besonderer Kündigungsschutz besteht nach § 5 PflegeZG für die sich in kurzfristiger Arbeitsverhinderung oder Pflegezeit befindlichen Arbeitnehmer und sogar für arbeitnehmerähnliche Personen, die nach der Systematik des deutschen Arbeits-

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95 96 97 98 99 100

PWW/Lingemann, § 616 BGB Rz. 1 ff. ErfK/Dörner, § 616 BGB Rz. 8. ErfK/Dörner, § 616 BGB Rz. 10. Freihube/Sasse, DB 2008, 1320, 1321. Linck, BB 2008, 2738, 2741; PWW/Lingemann, § 616 BGB Rz. 1. Ob ein solcher Ausschluss auch im Formularvertrag zulässig ist, ist noch nicht abschließend geklärt, vgl. Freihube/Sasse, DB 2008, 1320, 1321. 101 EuGH v. 20.1.2009, NZA 2009, 135. 102 Linck, BB 2008, 2738, 2742.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

rechts sonst keinen Kündigungsschutz genießen.103 Dieser Sonderkündigungsschutz gilt nach dem Gesetzeswortlaut allein ab Ankündigung der kurzfristigen Arbeitsverhinderung oder Inanspruchnahme der Pflegezeit. Da keine Frist für die Ankündigung oder das Einsetzen des Kündigungsschutzes entsprechend § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG existiert, kann insbesondere die Pflegezeit schon Monate vorher angekündigt werden, wenn ein Abbau von Arbeitsplätzen im betreffenden Unternehmen absehbar ist, um sich den begehrten Kündigungsschutz zu sichern.104 Voraussetzung ist lediglich, dass ein naher Angehöriger pflegebedürftig iSd. PflegeZG ist. Ob wirklich eine Pflegeabsicht besteht, ist kaum feststellbar. Eine Wartezeit im Sinne einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses kennt § 5 PflegeZG ebenfalls nicht, so dass der Sonderkündigungsschutz schon während der Probezeit greift. Somit besteht die Gefahr erheblichen Missbrauchs, dem ein Arbeitgeber auch nicht durch Vereinbarung einer Ankündigungsfrist für die Inanspruchnahme der Pflegezeit begegnen kann, da die Bestimmungen des PflegeZG unabdingbar sind, § 8 PflegeZG. Ausnahmsweise kann die für Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde die Kündigung für zulässig erklären, § 5 Abs. 2 PflegeZG. 42

Zudem stellt die Vertretung eines Arbeitnehmers während dessen kurzzeitiger Arbeitsverhinderung oder Pflegezeit einen speziellen Sachgrund für eine Befristung gemäß § 6 PflegeZG dar.105 Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Verlängerung der Vertretungsbefristung für Zwecke der Einarbeitung, § 6 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG. Im Fall der vorzeitigen Beendigung der Pflegezeit hat der Arbeitgeber ein Sonderkündigungsrecht gegenüber der Vertretungskraft, § 6 Abs. 3 PflegeZG.

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Der pflegende Angehörige ist Pflegeperson iSd. § 19 SGB XI. Sozialversicherungsrechtlich bestehen Besonderheiten, da die Pflegeperson während der Pflegezeit kein Entgelt erhält und auch eine Beschäftigung nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 SGB IV als fortbestehend fingiert wird. In der Kranken- und Pflegeversicherung muss sich der Arbeitnehmer daher freiwillig versichern, wobei § 44a SGB XI Beitragszuschüsse regelt, deren Höhe den Mindestbeiträgen freiwillig gesetzlich Kranken- und Pflegversicherter entspricht. Versicherungspflicht besteht in der Arbeitslosenversicherung nach § 26 Abs. 2b SGB III. Rentenversicherungspflichtig ist nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI, wer einen Pflegebedürftigen mindestens 14 Stunden in der Woche in häuslicher Umgebung pflegt. In diesem Fall werden die Beiträge zur Rentenversicherung von den Pflegekassen gemäß § 44 SGB XI übernommen. Wenn die pflegende Person neben der Pflege noch regelmäßig mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig ist, richtet sich die Versicherungspflicht nach den allgemeinen Vorschriften, § 3 Satz 3 SGB VI. Unfallversicherungsschutz besteht nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII.

5. Familienpflegezeit 44

Zum 1. Januar 2012 ist das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) in Kraft getreten. Es soll flexible Arbeitszeitmodelle fördern, die eine gleichzeitige Ausübung von Erwerbs103 Hierzu ausführlich Rose/Dörstling, DB 2008, 2137. 104 Nur in Extremfällen wird man einer entsprechenden Ankündigung des Arbeitnehmers den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegensetzen können, vgl. Glatzel, NJW 2009, 1377, 1379. 105 Diese Bestimmung orientiert sich an § 21 BEEG, vgl. oben Einf. Rz. 17; daher sind die zu § 21 BEEG entwickelten Grundsätze übertragbar, Müller, BB 2008, 1058, 1064.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

tätigkeit und Pflege ermöglichen, um die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern (§ 1 FPfZG) und dadurch pflegebedingte Erwerbsunterbrechungen vermeiden. Denn angesichts der demografischen Entwicklung und der stetig wachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen ist ein erheblicher Bedarf nach Vereinbarkeit von Beruf und häuslicher Pflege entstanden.106 Zu diesem Zweck erweitert das FPfZG die bereits in §§ 2, 3 und 4 PflegeZG (s. Rz. 28 ff.) vorgesehenen Möglichkeiten, die arbeitsvertraglichen Pflichten im Zusammenhang mit einem Pflegefall unter nahen Angehörigen der Pflegesituation anzupassen.107 Während nach dem PflegeZG nur eine maximal sechsmonatige Pflegezeit für Akutphasen in Anspruch genommen werden kann, räumt das FPfZG den Beschäftigten nunmehr die Möglichkeit ein, für maximal zwei Jahre ihre Arbeitszeit zu reduzieren. So können die Beschäftigten dem häuslichen Pflegebedarf angemessen Rechnung tragen und zugleich im Beruf bleiben – bei Aufstockung des Arbeitsentgelts, § 2 FPfZG. Der Arbeitgeber kann hierfür eine staatliche Förderung durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BFzA) erhalten, § 3 Abs. 1 FPfZG. Dabei kann nach wie vor auf die Freistellungsmöglichkeiten des PflegeZG zurückgegriffen werden. So besteht die Option, die im FPfZG und PflegeZG vorgesehenen Freistellungsmöglichkeiten zu kombinieren. Es kann beispielsweise im Anschluss an eine 24-monatige Familienpflegezeit bei Vorliegen der Voraussetzungen eine sechsmonatige Pflegezeit nach dem PflegeZG genommen werden.108 Anders als das PflegeZG hat das FPfZG allerdings keine Anspruchslösung gewählt, der Arbeitnehmer hat also keinerlei Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit.109 Im Einzelnen gilt Folgendes:

45

Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Familienpflegezeit ist eine entsprechende schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten, der einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen möchte (M 17.13).110 Bezüglich der Begriffe Arbeitgeber, Beschäftigter, naher Angehöriger und pflegebedürftig verweist § 1 Abs. 2 FPfZG auf § 7 PflegeZG.111 Ob Teilzeitbeschäftigte von vornherein aus dem Anwendungsbereich fallen, ist noch offen.112

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Inhaltlich kann sich die Familienpflegezeit gemäß § 2 Abs. 1 FPfZG auf eine Dauer von längstens 24 Monaten erstrecken.113 Die verringerte Arbeitszeit muss wöchentlich mindestens 15 Stunden betragen; bei unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten oder einer unterschiedlichen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit darf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Zeitraum von bis zu einem Jahr

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106 107 108 109

110 111 112 113

Siehe Sandmaier, schnellbrief Arbeitsrecht 6/2012, 5. Siehe Sandmaier, schnellbrief Arbeitsrecht 6/2012, 5. Siehe Sandmaier, schnellbrief Arbeitsrecht 6/2012, 5; Göttling/Neumann, NZA 2012, 119. Unklar ist jedoch, ob der Arbeitgeber über einen Antrag auf Gewährung von Familienpflegezeit bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs frei entscheiden kann oder billiges Ermessen nach § 315 Abs. 3 BGB zu wahren hat (so Meinel/Heyn/Herms, § 23 TzBfG Rz. 21 unter Hinweis auf BAG v. 18.10.2011, NZA 2012, 262, wonach der Arbeitgeber bei einem Antrag auf Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit ebenfalls billiges Ermessen wahren muss; aA: Schiefer/Worzalla, DB 2012, 516). Die notwendigen Bestandteile dieser Vereinbarung sind in § 3 Abs. 1 Nr. 1 FPfZG genannt. Siehe oben Rz. 29; die Unternehmensgröße ist dabei für das FPfZG irrelevant, da es keine § 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG entsprechende Norm oder Verweisung gibt. BeckOK/Joussen, § 1 FPfZG Rz. 10. Die Berechnung erfolgt taggenau und nicht nach Kalendermonaten (BeckOK/Joussen, § 2 FPfZG Rz. 4).

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Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

15 Stunden nicht unterschreiten, § 2 Abs. 1 FPfZG.114 Bei befristet Beschäftigten und bei Auszubildenden ist darauf zu achten, dass die Familienpflegezeit höchstens die Hälfte der restlichen Laufzeit der Beschäftigung ausmacht.115 48

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1b FPfZG wird das monatliche Entgelt während der Familienpflegezeit um die Hälfte des Produkts aus monatlicher Arbeitszeitverringerung in Stunden und dem durchschnittlichen Entgelt pro Arbeitsstunde aufgestockt.116 Zur Bemessung des bisherigen monatlichen Arbeitsentgelts117 wird das durchschnittliche Einkommen der letzten zwölf Monate vor Beginn der Familienpflegezeit herangezogen.118 Mit dieser Regelung sollen zum einen die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Beschäftigten erhalten werden und zum anderen soll dem Anliegen Rechnung getragen werden, sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern.119 Durch die Entgeltaufstockung während der Familienpflegezeit mindert sich der Einkommens- und Rentenverlust aufgrund der Teilzeitbeschäftigung in der Pflegephase.120

49

Die Arbeitsleistung für die Entgeltaufstockung in der Familienpflegezeit wird in der Nachpflegephase dadurch erbracht, dass der Beschäftigte bei weiterhin reduziertem Gehalt zu der vor der Pflegephase geschuldeten Arbeitszeit zurückkehrt.121 Um den Aufstockungsbetrag zu erhöhen, können die Parteien auch eine höhere als die vor Vereinbarung der Familienpflegezeit geltende Arbeitszeit zugrunde legen, 114 Nach dem Wortlaut problematisch ist der Fall, wenn sich die Familienpflegezeit unmittelbar an eine Pflegezeit mit teilweiser Freistellung anschließt. In diesem Fall liegt schon keine Verringerung im Verhältnis zu der bereits vorher reduzierten Arbeitszeit vor. Ebenso verringert sich das Entgelt nicht unmittelbar. Allerdings zielt das FPfZG auf eine Verringerung hinsichtlich der ursprünglich arbeitsvertraglich geregelten Arbeitszeit, sodass das Wort „Verringerung“ nur in Bezug auf die ursprüngliche Arbeitszeit von Bedeutung sein dürfte (MünchArbR/Moll, § 28, Rn. 57). Weiterhin wird vorgeschlagen, in Ausnahmefällen das Gesetz dahin auszulegen, dass auf die letzten 12 Monate vor der Inanspruchnahme der Familienpflegezeit und eventuell vorangehender Pflegezeit abzustellen ist (Sasse, DB 2011, 2660). In jedem Fall sollte sich der Arbeitgeber in solchen Ausnahmefällen vor Abschluss der Vereinbarung die Förderfähigkeit vorab vom zuständigen Bundesamt bestätigen lassen (Sasse, DB 2011, 2660). Weiterhin kann man diesen Problemfällen begegnen, indem man gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1b dd als Ausgangswert für die Aufstockung eine höhere Arbeitszeit vereinbart, welche dann jedoch auch in der Nachpflegephase gearbeitet werden muss. 115 Oelkers/Rosenau, NJW-Spezial 2011, 754. 116 Bei 50 % Teilzeit für Familienpflege würde ein Beschäftigter also 75 % seines bisherigen Entgelts erhalten. 117 Nicht zum regelmäßigen Arbeitsentgelt gehören nicht ständig in demselben Umfang anfallende Prämien, Zulagen und Einmalzahlungen, Entgelte für Mehrarbeitsstunden beziehungsweise Zuschläge und unregelmäßig anfallende Entgeltbestandteile. Zulagen hingegen zählen zum regelmäßigen Arbeitsentgelt, wenn sie für bestimmte Arbeiten gewährt werden, die nach dem Arbeitsvertrag regelmäßig (monatlich) zu leisten sind und künftig durch den Arbeitgeber abgefordert werden sollen. Hierzu können z.B. Schmutzzulagen, Leistungs- und Erschwerniszulagen sowie Zulagen für Rufbereitschaft gehören. Durch die Beschränkung des für die Aufstockung berücksichtigungsfähigen Entgelts soll im Hinblick auf die in der Nachpflegephase bestehende Verpflichtung zum Ausgleich des „negativen“ Wertguthabens (siehe unter Rz. 50) sichergestellt werden, dass sich die Aufstockung nur auf solche Entgeltbestandteile bezieht, deren Bezug auch in der Nachpflegephase zu erwarten ist. Zum Ganzen Göttling/Neumann, NZA 2012, 119, 121. 118 Siehe Sandmaier, schnellbrief Arbeitsrecht 6/2012, 6. 119 Göttling/Neumann, NZA 2012, 119, 120. 120 Göttling/Neumann, NZA 2012, 119, 120. 121 Göttling/Neumann, NZA 2012, 119, 121.

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Kap. 17

wenn diese erhöhte Arbeitszeit auch für die Nachpflegephase gilt, § 3 Abs. 1 Nr. 1b dd FPfZG. Um die mit der Verringerung der Stundenzahl verbundene Einkommenseinbuße abzufedern, können Wertguthaben iSd. § 7b SGB IV zur Entgeltaufstockung genutzt werden.122 Grundlagen dazu finden sich in dem „Flexi II-Gesetz“ vom 21.12.2008. Dabei kann das Konto unmittelbar vor oder nach einer Freistellungsphase mit dem für die Finanzierung notwendigen Guthaben ausgestattet werden. Die Wertguthaben werden in der Regel im Vorfeld der Freistellung erarbeitet, und damit für die nötige Finanzausstattung in der Freistellungsphase gesorgt.123 Das ist rechtlich zulässig gemäß § 7b SGB IV. Die zeitliche Struktur sieht dann wie folgt aus:124 – In der Vorpflegephase wird zunächst ein ausreichendes Wertguthaben bzw. Arbeitszeitguthaben aufgebaut. – Während der Pflegephase wird nun eine Arbeitsleistung von 50 % erbracht, jedoch ein weiterer Anteil der Vergütung ausbezahlt nach der bereits unter Rz. 48 genannten Formel. Dies wird finanziert durch den Abbau des Wertguthabens bzw. des Arbeitszeitguthabens. – Im Anschluss an die Pflegephase erhält der Arbeitnehmer 100 % Vergütung bei 100 % Arbeit, sofern das Wert- bzw. Arbeitszeitguthaben zur Deckung ausreichend war. Da aber die Entgeltaufstockung im Vorfeld der Pflegephase häufig aus einem finanziell noch nicht aufgebauten Wertguthaben geleistet wird, ist es möglich, dass sich das Wertguthaben zunächst „ins Minus“ entwickelt. Es handelt sich dabei um ein neu für die geförderte Familienpflegezeit vereinbartes Wertguthaben ohne vorherige Ansparphase. Das „negative“ Wertguthaben muss dann unmittelbar im Anschluss an die (Teilzeit-) Pflegephase ausgeglichen werden. In dieser Nachpflegephase (§ 3 Abs. 1 Nr. 1c FPfZG) wird trotz Wiederaufnahme des bisherigen Beschäftigungsumfangs vor Beginn der (Teilzeit-) Pflegephase weiterhin nur ein im Umfang der Entgeltaufstockung reduziertes Entgelt gewährt. Bis zum Ausgleich des Wertguthabens wird bei jeder Entgeltabrechnung derjenige Betrag einbehalten, um den das Entgelt in dem entsprechenden Zeitraum während der (Teilzeit-)Pflegephase aufgestockt wurde. Ferner besteht die Möglichkeit, auch solche Wertguthaben zu verwenden, die vor der (Teilzeit-)Pflegephase im Rahmen eines sonstigen flexiblen Arbeitszeitmodells125 erarbeitetet wurden, also nach einer vorherigen Ansparphase (vergleichbar mit dem in Altersteilzeit verwendeten Blockmodell, vgl. Einf. Kap. 7 Rz. 10 ff.). Eine Familienpflegezeit iSd. § 2 FPfZG, die den Ausgleich des Wertguthabens in der Nachpflegephase voraussetzt, liegt bei dieser Fallgestaltung nur insoweit vor, als das zuvor eingerichtete Wertguthaben nicht zur Deckung der Entgeltaufstockung ausreicht. Die Verwendung von Wertguthaben zur Aufstockung des Entgelts in der (Teilzeit-)Pflegephase soll damit zu einer gleichmäßigen Verteilung des Entgelts über alle Phasen der Familienpflegezeit führen.126

122 123 124 125

Barkow von Creytz, DStR 2012, 191, 192. Barkow von Creytz, DStR 2012, 191, 192. Nach Barkow von Creytz, DStR 2012, 191, 193. Nach § 7b Nr. 2 SGB IV können jedoch keine Arbeitszeitkonten genutzt werden, die das Ziel der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder den Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen verfolgen. 126 BMI Rundschreiben v. 16.12.2011.

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Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

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Das Ausfallrisiko des Arbeitgebers, dass ein dem Beschäftigten eingeräumtes „negatives“ Wertguthaben zB wegen Berufsunfähigkeit oder Tod nicht ausgeglichen werden kann, muss der Beschäftigte durch eine Familienpflegezeitversicherung abfangen, § 3 Abs. 1 Nr. 3 iVm. § 4 Abs. 5 FPfZG. Diese ist vom Beschäftigten zu Beginn seiner Familienpflegezeit mit einem zertifizierten Versicherungsunternehmen iSd. § 11 FPfZG abzuschließen. Dazu reicht es aus, wenn der Arbeitgeber einen entsprechenden Antrag auf Aufnahme des Beschäftigten in eine vom BFzA abgeschlossene Gruppenversicherung stellt, § 3 Abs. 1 Nr. 3 FPfZG.127 Die Versicherung wird von dem Beschäftigten oder dem Arbeitgeber auf die Person des Beschäftigten für die Dauer der Familienpflegezeit und der Nachpflegephase geschlossen.128 Der Beschäftigte allein ist dann der Versicherungsnehmer und sein Arbeitgeber unwiderruflich bezugsberechtigt, § 4 Abs. 1 Satz 2 FPfZG.129 Die Versicherungsprämie wird unabhängig vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des versicherten Beschäftigten berechnet, § 4 Abs. 1 Satz 3 FPfZG. Eine Risikoprüfung findet nicht statt, § 4 Abs. 1 Satz 4 FPfZG.130

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Soweit der Arbeitgeber eine Entgeltaufstockung gewährt, die über den in § 3 Abs. 1 FPfZG beschriebenen Umfang hinausgeht, kann er keine Leistungen des BFzA beanspruchen. Die über das in § 3 Abs. 1 FPfZG bestimmte Maß hinausgehenden Aufstockungsbeträge dürfen den Negativsaldo des Wertguthabens nicht erhöhen. Dadurch wird die Verpflichtung der Beschäftigten in der Nachpflegephase begrenzt.

53

Übernimmt das BFzA bei Zahlungsverzug der Beschäftigten die Prämienzahlungen an die Familienpflegezeitversicherung, so verringert sich der Förderanspruch des Arbeitgebers in eben dieser Höhe, § 3 Abs. 3 FPfZG. Der Arbeitgeber kann sich in der Vereinbarung mit dem Beschäftigten das Recht auf entsprechende Kürzung des Aufstockungsbetrages vorbehalten.131

54

Gemäß § 3 Abs. 4 FPfZG muss der Arbeitgeber das BfzA über jede für die Leistungen des BFzA relevante Änderung in den Verhältnissen unterrichten.

55

Bei einem Betriebsübergang tritt gemäß § 3 Abs. 5 FPfZG der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus dem Darlehensvertrag ein.

56

Zu beachten ist aber, dass die Familienpflegezeitversicherung nur gegen Tod und Berufsunfähigkeit des Beschäftigten absichert. Kommt es aus anderen Gründen nicht zu einem Ausgleich des „negativen“ Wertguthabens, weil das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wurde (zB durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag), so bleibt zu Gunsten des Arbeitgebers ein Ausgleichsanspruch in Geld bestehen, § 9 Abs. 2 FPfZG,132 der mit Ende des Beschäftigungsverhältnisses fällig wird.133 Der Arbeitgeber kann insoweit mit Ansprüchen des Arbeitnehmers aufrechnen. Ist eine Aufrechnung nicht möglich, so hat der Beschäftigte den Ausgleichsanspruch in Raten abzuzahlen. Kommt der Beschäftigte dem trotz entsprechender Mahnung und einer Fristsetzung von zwei Wochen nicht nach, so hat der Arbeitgeber gegen das BFzA einen 127 128 129 130 131 132 133

Göttling/Neumann, NZA 2012, 119, 121. Sandmaier, schnellbrief Arbeitsrecht 6/2012, 6. Göttling/Neumann, NZA 2012, 119, 121. Barkow von Creytz, DStR 2012, 191, 193. Göttling/Neumann, NZA 2012, 119, 122. Sandmaier, schnellbrief Arbeitsrecht 6/2012, 7. Schwerdle, ZTR 2012, 3, 12.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

Anspruch auf Erlass der Rückzahlungsforderung aus einem ihm ggf. gewährten Darlehen, § 8 Abs. 1 FPfZG (s. sogleich Rz. 57).134 Ebenso besteht ein Ausgleichsanspruch nach § 9 Abs. 4 FPfZG, wenn der Beschäftigte in der Nachpflegephase beispielsweise auf der Grundlage des PflegeZG freigestellt wird. Der Arbeitgeber kann sich ferner durch ein gemäß § 3 Abs. 1 FPfZG zu beantragendes Bundesdarlehen absichern. Das BFzA gewährt dem Arbeitgeber auf schriftlichen Antrag nach § 3 Abs. 1 FPfZG ein zinsloses Bundesdarlehen zur Finanzierung der Entgeltvorauszahlungen in der Familienpflegezeit. Die Rückzahlung erfolgt monatlich in der Nachpflegephase, § 6 Abs. 1 FPfZG, sobald der Beschäftigte wieder in Vollzeit tätig ist, aber nur ein wie in der Familienpflegephase reduziertes Arbeitsentgelt bekommt.135 Nach § 6 Abs 2 FPfZG beginnt die Rückzahlung in dem Monat, der auf das Ende der Förderfähigkeit der Familienpflegezeit folgt. Die monatlichen Raten erhöhen sich gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 FPfZG um die vom BFzA für die Einbeziehung in den Gruppenversicherungsvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 FPfZG an den Versicherer zu zahlenden Versicherungsprämien.136 Für Zeiten, in denen der Beschäftigte Krankengeld oder Kurzarbeitergeld bezieht, kann das BFzA auf Antrag des Arbeitgebers die Rückzahlung ganz oder teilweise aussetzen, sobald mit der Rückzahlung begonnen wurde, § 6 Abs. 3 FPfZG.

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Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis während der Familienpflegezeit und auch in der Nachpflegezeit grundsätzlich nicht kündigen, § 9 Abs. 3 FPfZG. Anders als im Pflegezeitgesetz gibt es bei der Familienpflegezeit jedoch keinen Schutz bereits von der Ankündigung an.137 In einzelnen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden (M 17.14).138 Die Zulässigkeitserklärung wird durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle erteilt, § 9 Abs. 3 FPfZG. Ferner gelten die im Pflegezeitgesetz getroffenen Regelungen zu den aus Vertretungsgründen geschlossenen befristeten Verträgen entsprechend für die Familienpflegezeit, § 9 Abs. 5 FPfZG iVm. § 6 PflegeZG. Zur Vertretung eines Arbeitnehmers während der Familienpflegezeit kann zulässigerweise ein befristetes Arbeitsverhältnis geschlossen werden. Dieses ist unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist kündbar, wenn die Pflegezeit vorzeitig endet.139

58

134 135 136 137

Sandmaier, schnellbrief Arbeitsrecht 6/2012, 7. Göttling/Neumann, NZA 2012, 119, 121. Göttling/Neumann, NZA 2012, 119, 121. BeckOK/Joussen, § 9 FPfZG Rz. 13; vgl. oben Rz. 41 zum Sonderkündigungsschutz in der Pflegezeit. 138 In welchen Fällen dies möglich ist, ist bislang nicht geklärt. Das Gesetz spricht nur vom Vorliegen eines „besonderen Falles“. Hiervon ist wohl auszugehen bei einer Betriebsstilllegung oder bei besonders schweren Pflichtverstößen des Arbeitnehmers (BeckOK/Joussen, § 9 FPfZG Rz. 14). Da eine Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der Inanspruchnahme der Familienpflegezeit in der Nachpflegephase nicht zu erwarten ist, und der Ausspruch der Kündigung wegen nicht verhaltensbedingter Gründe möglicherweise zu einem Verlust der Rückzahlungsansprüche führt, dürften in der Nachpflegephase die Interessen des Arbeitnehmers nicht prinzipiell als vorrangig anzusehen sein. Ob dies aber tatsächlich von der Praxis umgesetzt wird, bleibt abzuwarten (Sasse, DB 2011, 2660). 139 Barkow von Creytz, DStR 2012, 191, 192.

Lingemann 707

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.1

II. Muster 17.1

u

Mitteilung der Schwangerschaft nach § 5 MuSchG

An die Firma ... Sehr geehrte Damen und Herren, wie mir mein Arzt am . . . mitteilte, bin ich im . . . Monat schwanger. Tag der Entbindung wird voraussichtlich der . . . sein. Ein ärztliches Zeugnis füge ich bei. Mit freundlichen Grüßen ...

17.2

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Informationsschreiben des Arbeitgebers an die schwangere Mitarbeiterin

An Frau . . . Sehr geehrte Frau . . ., vielen Dank für Ihre Mitteilung vom . . . Wir wünschen Ihnen und Ihrem Baby für die noch vor Ihnen liegende Zeit der Schwangerschaft alles Gute. Wir freuen uns, wenn Sie uns nach Ihrer Niederkunft möglichst bald unterrichten. Sie haben Anspruch auf Arbeitsbefreiung für die Dauer von sechs Wochen vor dem von Ihrem Arzt errechneten Geburtstermin. Nach der Geburt besteht eine weitere Schutzfrist von acht Wochen, die sich bei Früh- und Mehrlingsgeburten auf zwölf Wochen erhöht. Während dieser Zeit erhalten Sie weiterhin Ihre Bezüge, können sich jedoch voll um ihr Baby kümmern. Bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres Ihres Kindes können Sie und/oder der Vater des Kindes Elternzeit in Anspruch nehmen. Bitte teilen Sie uns sieben Wochen vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Elternzeit schriftlich mit, wie lange Sie und/oder der Vater Elternzeit nehmen möchten. Sofern Sie wünschen, dass ein Anteil von bis zu zwölf Monaten auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes übertragen werden soll, müssten wir dazu eine einvernehmliche Lösung suchen. Sie können während der Elternzeit bis zu 30 Wochenstunden entgeltlich arbeiten. Bitte teilen Sie mit, ob Sie an einer entsprechenden Tätigkeit in unserem Hause interessiert sind. Sofern Sie während der Elternzeit nicht bei uns im Hause tätig werden möchten, würden wir eine Vertretung einstellen. Wir sind Ihnen dankbar, wenn Sie uns innerhalb von drei Wochen nach der Niederkunft wissen lassen, ob Sie nach der Inanspruchnahme der Elternzeit das Arbeitsverhältnis fortsetzen möchten. Wir würden dies bei der Einstellung der Ersatzkraft dann selbstverständlich berücksichtigen. 708 Lingemann

M 17.4

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

u

Antrag auf Elternzeit1

17.3

An die Firma ... Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin am . . . von einem Kind entbunden worden. Die Schutzfrist nach § 6 MuSchG endet am . . .2 Ich beantrage gemäß § 16 BEEG fristgemäß sieben Wochen im Voraus die Gewährung von Elternzeit unmittelbar im Anschluss an die Mutterschutzfrist für die Zeit vom . . . bis . . . Ich beabsichtige, das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit fortzusetzen/zu kündigen. oder – vor der Entbindung ich werde voraussichtlich am . . . von meinem Kind entbunden werden. Die Schutzfrist nach § 6 MuSchG endet dann am . . .3 Ich beantrage gemäß § 16 BEEG fristgemäß sieben Wochen im Voraus die Gewährung von Elternzeit, beginnend mit dem Ende der Mutterschutzfrist bis zu dem Zeitpunkt, an dem mein Kind zwei Jahre alt wird.4 Ich beabsichtige, das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit fortzusetzen/zu kündigen. 1 Die Einhaltung der Schriftform gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Elternzeit, vgl. oben Rz. 14. Hält dagegen der Elternzeitberechtigte lediglich die Ankündigungsfrist von sieben Wochen nicht ein, so verschiebt sich der Beginn der Teilzeitbeschäftigung nach hinten, vgl. Bruns, BB 2008, 331, 334. 2 Die Frist beträgt acht Wochen bzw. bei Früh- und Mehrlingsgeburten zwölf Wochen ab der Geburt, § 6 Abs. 1 MuSchG. 3 S. Fn. 2. 4 Eltern können die Elternzeit von vornherein bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes nehmen. Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer nach § 16 Abs. 1 BEEG gleichzeitig zu erklären hat, für welchen Zeitraum „innerhalb von zwei Jahren“ er Elternzeit nehmen will, denn diese Vorschrift beschränkt nicht die Möglichkeit, den darüber hinausgehenden materiellrechtlichen Anspruch sofort geltend zu machen, BAG v. 27.4.2004, NZA 2004, 1039.

u

Antwortschreiben des Arbeitgebers Sehr geehrte Frau . . .,

zu der Geburt Ihrer Tochter . . ./Ihres Sohnes . . . gratulieren wir Ihnen ganz herzlich. Sie teilten uns mit, dass Sie bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres Ihres Kindes Elternzeit nehmen. Während der Elternzeit können sie einer Teilzeittätigkeit von nicht mehr als 30 Wochenstunden gegen Entgelt nachgehen. Wenn Sie an einer solchen Tätigkeit in unserem Hause interessiert sind, bitten wir Sie, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Mit freundlichen Grüßen ... Lingemann 709

17.4

Kap. 17

17.5

u

M 17.5

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Antrag auf Zustimmung zur Kündigung in der Elternzeit1

An das Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit2 Ort, Datum . . . Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des/der . . . (Name, Vorname, Geburtsdatum, Familienstand, Anschrift) Sehr geehrte Damen und Herren, wir beabsichtigen, Herrn/Frau . . . ordentlich zu kündigen. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 und 3 BEEG. Dies begründen wir wie folgt: Herr/Frau . . . ist bei uns als . . . seit . . . beschäftigt. Er/sie verdient zurzeit Euro . . . brutto/monatlich. Die Kündigung ist vorgesehen am . . . Die gesetzliche/vertragliche/ tarifvertragliche Kündigungsfrist beträgt . . . Herr/Frau . . . ist seit dem . . . und noch bis zum . . . in Elternzeit. Die Kündigung ist aus folgenden Gründen beabsichtigt: Unsere Gesellschaft hat nur den Betrieb in . . . Der Betrieb wird zum . . . stillgelegt, die Gesellschaft wird liquidiert. Alle Arbeitnehmer werden spätestens zu diesem Zeitpunkt entlassen. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht nicht. Daher liegt nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit ein „besonderer Fall“ iSv. § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG vor. Wir bitten daher, der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. Die Stellungnahmen des Betriebsrates3 sowie den mit dem Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleich und Sozialplan fügen wir bei. Mit freundlichen Grüßen ... 1 Der Antrag kann in gleicher Weise auch während des Mutterschutzes nach § 9 Abs. 3 MuSchG gestellt werden. Zuständig ist allerdings nicht überall dieselbe Behörde. Eine aktuelle Liste der je nach Bundesland zuständigen Behörde findet sich im Internet unter www.bmfsfj.de unter dem Suchbegriff „Aufsichtsbehörden“. Jedenfalls bei einer Betriebsstilllegung dürfte die Zustimmung zu erteilen sein. 2 Zu den Zuständigkeiten in den Bundesländern vgl. auch KR/Bader, § 18 BEEG Rz. 32a. 3 Der Betriebsrat kann nach § 102 BetrVG schon vor Einholung der Zustimmung der Behörde angehört werden. In der Anhörung muss aber klar zum Ausdruck kommen, dass die Kündigung erst nach Zustimmung der Behörde ausgesprochen werden soll.

17.6

u

Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit

An die Firma ... Sehr geehrte Damen und Herren, 710 Lingemann/Diller

M 17.7

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

wie Sie wissen, habe ich nach der Geburt meines Kindes am . . . Elternzeit in Anspruch genommen. Die Elternzeit wird noch bis . . . dauern. Ich beantrage hiermit, meine Arbeitszeit von bisher 40 Stunden pro Woche ab dem . . .1 um . . . Stunden pro Woche auf . . . Stunden pro Woche herabzusetzen. Die Herabsetzung soll bis zum Ende meiner Elternzeit dauern.2 Als Verteilung der reduzierten Arbeitszeit bevorzuge ich Montags bis Donnerstags von . . . bis . . . und Freitags von . . . bis . . .3 Einer Verringerung meiner Arbeitszeit stimme ich nur unter der Bedingung zu, dass es zu der von mir gewünschten Arbeitszeitverteilung kommt.4 Ich hoffe auf Ihre Zustimmung zu der verkürzten Arbeitszeit und deren Verteilung. Zu Gesprächen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) 1 Gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG muss eine Ankündigungsfrist von mindestens sieben Wochen eingehalten werden. Nach § 15 Abs. 7 Satz 2 BEEG muss nicht nur der Umfang der verringerten Arbeitszeit angegeben werden, sondern auch der Beginn. 2 Gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG muss die Herabsetzung für mindestens zwei Monate erfolgen und die Arbeitszeit muss auf einen Umfang zwischen 15 und 30 Wochenstunden verringert werden. Anträge, die diesen Anforderungen nicht genügen, kann der Arbeitgeber freiwillig annehmen, eine Pflicht dazu gem. § 15 BEEG besteht aber nicht. 3 Die Angabe der gewünschten Verteilung der verringerten Arbeitszeit ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung, der Verteilwunsch soll lediglich angegeben werden (§ 15 Abs. 7 Satz 3 BEEG). 4 Eine solche Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) dürfte zulässig sein.

u

Ablehnung des Antrags auf Teilzeit während Elternzeit (Ort, Datum) . . . Herrn/Frau ihr Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit vom . . . Sehr geehrte/r Herr/Frau . . .,

ich nehme Bezug auf ihr Schreiben vom . . . Sie beantragen darin die Herabsetzung Ihrer Arbeitszeit während der Elternzeit. Wir haben zwischenzeitlich diesen Wunsch mit Ihnen mit dem Ziel erörtert, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Es konnte jedoch innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 15 Abs. 5 Satz 2 BEEG kein Einvernehmen erzielt werden. Zur Fristwahrung1 teilen wir Ihnen hiermit mit, dass wir Ihrem Anspruch

1 Der Arbeitgeber kann die beanspruchte Verringerung gem. § 15 Abs. 7 Satz 4 BEEG nur binnen vier Wochen und nur mit schriftlicher Begründung ablehnen.

Diller

711

17.7

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.8

nicht zustimmen können, da dringende betriebliche Gründe (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG) entgegenstehen (wird ausgeführt).2 Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) 2 Die Erläuterung der Ablehnungsgründe sollte so detailliert wie möglich erfolgen, da insbesondere einzelne Instanzgerichte von einer Präklusion ausgehen, dh. den Arbeitgeber in einem nachfolgenden Klageverfahren auf diejenigen dringenden betrieblichen Gründe iSv. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG beschränken, die er im Ablehnungsschreiben vorgebracht hat. Für eine solche Präklusion gibt das Gesetz jedoch nichts her.

17.8

u

Einstweilige Verfügung auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir die ASt. Namens und im Auftrag der ASt. beantragen wir: Die AGg. wird im Wege der einstweiligen Verfügung2 verpflichtet, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die ASt. mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf Montag bis Freitag, jeweils vier Stunden von 8.00 bis 12.00 Uhr, zu beschäftigen.3 Begründung: Die ASt. ist bei der AGg. seit dem . . . beschäftigt.4 Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom . . . Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage AS 1 1 Zum Rubrum s. M 101.1 und 101.2, allgemein zur einstweiligen Verfügung s. Kap. 107, insbesondere M 107.1. 2 Der sonst bei Verfügungsanträgen übliche (s. M 107.1) Antrag auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist bei Anträgen auf Arbeitszeitreduzierung fehl am Platze und sollte gleich weggelassen werden; schon wegen § 616 BGB kann die Sache nie so eilbedürftig sein, dass keine Zeit für eine mündliche Verhandlung wäre. 3 Das Bedürfnis für eine einstweilige Regelung besteht auch über eine erstinstanzliche Entscheidung hinaus, da die in der Hauptsache begehrte Abgabe einer Willenserklärung erst mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt. 4 Der Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit besteht nur, wenn das Anstellungsverhältnis seit mehr als sechs Monaten besteht (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 BEEG).

712 Diller

M 17.8

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

Die AGg. beschäftigt regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer ausschließlich der zur Berufsausbildung Beschäftigten.5 Glaubhaftmachung: Geschäftsbericht der AGg. vom . . ., Anlage AS 2 Am . . . beantragte die ASt. schriftlich bei der AGg. die Reduzierung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden zum . . . Gleichzeitig bat sie um die Festlegung ihrer Arbeitszeit entsprechend dem Antrag. Glaubhaftmachung: Schreiben der ASt. vom . . ., Anlage AS 3; eidesstattliche Versicherung der ASt., Anlage AS 4 Mit Schreiben vom . . . lehnte die AGg. den Antrag mit der Begründung ab, es lägen dringende betriebliche Gründe für die Ablehnung vor. Dies wurde jedoch nicht näher begründet. Glaubhaftmachung: Schreiben der AGg. vom . . ., Anlage AS 5 Die ASt. ist auf die beantragte Reduzierung ihrer Arbeitszeit existenziell angewiesen. Sie ist allein erziehend. Trotz aller Anstrengungen war es ihr nicht möglich, einen Ganztags-Kindergartenplatz für ihr Kind zu bekommen. Sie hat lediglich einen Kindergartenplatz für das Kind in der Zeit von 7.00 bis 13.00 Uhr. Bislang war die Betreuung des Kindes so geregelt, dass es vormittags im Kindergarten war und nachmittags von der Mutter der ASt. betreut wurde. Die Mutter der ASt. ist jedoch vor zehn Tagen überraschend verstorben. Die ASt. hat keine anderen Verwandten, die sich nachmittags um das Kind kümmern könnten. Glaubhaftmachung: eidesstattliche Versicherung der ASt., Anlage AS 4 Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 15 Abs. 7 BEEG. Dringende betriebliche Gründe iSd. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG, die dem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit entgegenstehen könnten, sind weder von der AGg. vorgetragen noch ersichtlich. Der Verfügungsgrund ergibt sich aus der prekären familiären Situation der ASt. Könnte sie nicht in Teilzeit arbeiten, müsste sie die Arbeitsstelle aufgeben, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten, und dann von Leistungen nach „Hartz IV“ leben. Glaubhaftmachung: eidesstattliche Versicherung der ASt., Anlage AS 4 ... (Unterschrift)6 5 Diese Mindestgröße des Betriebes ist Anspruchsvoraussetzung (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BEEG), dazu muss deshalb vorgetragen werden. 6 Zum Streitwert gibt es höchst unterschiedliche Rechtsprechung. Einige Gerichte setzen den Streitwert mit zwei Monatsgehältern an (zB LAG Baden-Württemberg v. 14.9.2010, ArbRB 2011, 48; LAG Düsseldorf v. 12.11.2001, NZA-RR 2002, 103; LAG Berlin v. 24.11.2000, MDR 2001, 636), andere Gerichte gehen dagegen grundsätzlich von § 42 Abs. 3 GKG aus (Vierteljahresbezug), machen aber einen Abschlag von 50 % (zB LAG Rh.-Pf. v. 26.10.2007 – 1 Ta 242/07, nv.).

Diller

713

Kap. 17

17.9

u

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.9

Antrag auf Pflegezeit1

An die Firma (Ort, Datum) . . . ... Sehr geehrte Damen und Herren, ich beabsichtige, gemäß § 3 PflegeZG ab dem . . . eine Pflegezeit bis zum . . . zur Pflege eines nahen Angehörigen, nämlich2 . . ., in Anspruch zu nehmen. Hierfür beantrage ich Pflegezeit unter vollständiger Freistellung von meinen arbeitsvertraglichen Pflichten. oder – bei beabsichtigter Teilzeittätigkeit:3 Ich beantrage für den Zeitraum der Pflegezeit eine teilweise Freistellung von meinen arbeitsvertraglichen Pflichten und eine Reduzierung meiner wöchentlichen Arbeitszeit von . . . auf . . . Stunden. Als Verteilung der reduzierten Arbeitszeit bevorzuge ich montags von . . . bis . . ., dienstags von . . . bis . . ., mittwochs von . . . bis . . ., donnerstags von . . . bis . . . und freitags von . . . bis . . .4 Alternativ schlage ich eine Verteilung auf . . . vor. Ich hoffe auf Ihre Zustimmung zu der verkürzten Arbeitszeit und ihrer Verteilung. Zu Gesprächen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung. Eine Bescheinigung der Pflegekasse/des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung5 über die Einstufung in Pflegestufe I/II/III füge ich als Anlage bei.6 Mit freundlichen Grüßen ... 1 Die Inanspruchnahme der Pflegezeit erfordert strenggenommen keinen Antrag, sondern nur eine Ankündigung. Der Arbeitgeber muss nicht reagieren. Anders ist das bei Pflegeteilzeit, wo § 3 Abs. 4 PflegeZG eine entsprechende Vereinbarung verlangt, so dass der Arbeitnehmer strenggenommen ein Angebot unterbreitet. Gleichwohl dürfte der Begriff „Antrag“ auf Pflegezeit sich im Sprachgebrauch wohl eher durchsetzen. Die schriftliche Ankündigung der Pflegezeit mindestens zehn Tage vor deren Beginn ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 PflegeZG erforderlich. In der Ankündigung muss gleichzeitig die zu beanspruchende Pflegezeit hinsichtlich Dauer und Umfang der Freistellung konkretisiert werden, vgl. Einf. Rz. 32. 2 Zum Kreis der nahen Angehörigen vgl. § 7 Abs. 3 PflegeZG sowie Einf. Rz. 29. 3 Vgl. auch den Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit M 6.2.2. Ggf. kann der Arbeitnehmer seinen Antrag auf Arbeitszeitverringerung unter die Bedingung stellen, dass es zu der von ihm gewünschten Verteilung der Arbeitszeit kommt. 4 Bei nur teilweise gewünschter Freistellung von der Arbeitsleistung soll auch die gewünschte Verteilung angegeben werden, § 3 Abs. 3 Satz 2 PflegeZG. 5 § 3 Abs. 2 PflegeZG bestimmt keine Frist für die Vorlage der Bescheinigung. Diese kann daher sowohl nach der Ankündigung als auch nach Beginn der Pflegezeit noch nachgereicht werden. Auch ist die Erfüllung der Nachweispflicht keine Anspruchsvoraussetzung, vgl. Einf. Rz. 32. 6 Pflegebedürftig iSd. § 3 PflegeZG sind nach § 7 Abs. 4 PflegeZG Personen, die die Voraussetzungen gemäß §§ 14 und 15 SGB XI erfüllen, vgl. Einf. Rz. 29.

714 Lingemann

M 17.11

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

u

Ablehnung des Antrags auf Pflegezeit1

17.10

Herrn/Frau . . . (Ort, Datum) . . . Ihre Mitteilung über die Inanspruchnahme der Pflegezeit vom . . . Sehr geehrter Herr/Frau . . ., ich nehme Bezug auf Ihre Mitteilung vom . . . Sie beantragen darin die Inanspruchnahme von Pflegezeit und für den Zeitraum der Pflegezeit eine teilweise Freistellung von Ihren arbeitsvertraglichen Pflichten mit einer Reduzierung und Neuverteilung Ihrer Arbeitszeit. Wir können wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe Ihren Wünschen nicht entsprechen. Die betrieblichen Gründe liegen darin, dass . . . (zB: die ganztägige Erreichbarkeit in Ihrer Funktion für Kunden zwingend notwendig ist, und wir trotz entsprechender Stellenanzeigen und Anfragen bei der zuständigen Agentur für Arbeit keinen Mitarbeiter finden konnten, der die verbleibende Arbeitszeit abdecken würde/ dass auf Grund der projektgebundenen Art der Tätigkeit die Übergabe an einen anderen Arbeitnehmer, der Ihre Funktion in der verbleibenden Zeit übernehmen könnte, mehr als 40 % der Gesamtarbeitszeit ausmachen würde). Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) 1 Vgl. Einf. Rz. 36. Anders als nach § 15 BEEG besteht keine Obliegenheit des Arbeitgebers, innerhalb einer bestimmten Frist den Antrag auf Pflegeteilzeit abzulehnen. Eine solche Erklärung muss daher nicht aus rechtlichen Gründen erfolgen. Da die Vereinbarung über die Pflegeteilzeit jedoch spätestens bei Beginn der Pflegezeit vorliegen muss, bleibt dem Arbeitnehmer im Zweifel nur die Möglichkeit, seinen Teilzeitwunsch mittels einer einstweiligen Verfügung (M 17.11) durchzusetzen. Gleichwohl ist aus personalpolitischen Gründen natürlich dazu zu raten, den Arbeitnehmer hier nicht im Unklaren zu lassen.

u

Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Pflegezeit

17.11

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den ASt. Namens und im Auftrag des ASt. beantragen wir: 1 Zum Rubrum s. M 101.1 und M 101.2, allgemein zur einstweiligen Verfügung s. Kap. 107, insbesondere M 107.1.

Lingemann/Diller

715

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.11

Die AGg. wird im Wege der einstweiligen Verfügung2 verpflichtet, dem ASt. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache für die drei Wochen vom . . . bis . . . von der Arbeit freizustellen und in den drei Monaten danach den ASt. mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf Montag bis Freitag, dh. vier Stunden täglich, zu beschäftigen.3 Begründung: Der ASt. ist bei der AGg. seit dem . . . beschäftigt.4 Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom . . . Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage AS 1 Die AGg. beschäftigt regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer ausschließlich der zur Berufsausbildung Beschäftigten.5 Glaubhaftmachung: Geschäftsbericht der AGg. vom . . ., Anlage AS 2 Ambeantragte der ASt. schriftlich bei der AGg., ihn für drei Wochen ab dem . . . von der Arbeit freizustellen und in den drei Monaten danach nur mit 20 Stunden pro Woche bei gleichmäßiger Verteilung auf die Wochentage zu beschäftigen. Hintergrund war, dass der Vater des ASt. einen Schlaganfall erlitten hatte und ein Pflegefall geworden ist. Glaubhaftmachung: Schreiben des ASt. vom . . ., Anlage AS 3; Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse über die Pflegebedürftigkeit, Anlage AS 4; eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 5 Mit Schreiben vom . . . lehnte die AGg. die Freistellung aus betrieblichen Gründen ab, ohne diese näher zu bezeichnen. Glaubhaftmachung: Schreiben der AGg. vom . . ., Anlage AS 6 Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 3 PflegeZG. Es ist kein anderer Angehöriger vorhanden, der den Vater des Antragstellers pflegen könnte. Die Pflege kann auch nicht über einen mobilen Pflegedienst abgedeckt werden (wird ausgeführt). Ein Ablehnungsrecht des Arbeitgebers (wie bei § 8 TzBfG oder § 15 BEEG) sieht das PflegeZG nicht vor, es liegen aber ohnehin keine entgegenstehenden betrieblichen Gründe vor (wird ausgeführt).6 2 Der sonst bei Verfügungsanträgen übliche (s. M 107.1) Antrag auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist bei Anträgen auf Arbeitszeitreduzierung fehl am Platze und sollte gleich weggelassen werden; schon wegen § 616 BGB kann die Sache nie so eilbedürftig sein, dass keine Zeit für eine mündliche Verhandlung wäre. 3 Das Bedürfnis für eine einstweilige Regelung besteht auch über eine erstinstanzliche Entscheidung hinaus, da die in der Hauptsache begehrte Abgabe einer Willenserklärung erst mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt. 4 Anders als beim Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG oder § 15 BEEG ist nach dem PflegeZG eine Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses nicht Anspruchsvoraussetzung, es schadet aber nicht, dazu vorzutragen. 5 Freistellungsansprüche nach dem PflegeZG bestehen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG nur in Unternehmen (nicht: Betrieben!) mit mehr als 15 Arbeitnehmern. 6 Solche Ausführungen sind im Rahmen eines Verfügungsverfahrens immer sinnvoll, obwohl sie rechtlich keine Rolle spielen.

716 Diller

M 17.12

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Die Ankündigungsfrist nach § 3 Abs. 3 Satz 1 PflegeZG ist eingehalten (wird ausgeführt). Die Höchstdauer der Pflegezeit nach § 4 PflegeZG ist nicht überschritten (wird ausgeführt). Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass es dem ASt. nicht gelungen ist, eine anderweitige Pflege zu organisieren. Alle Bemühungen sind vergeblich geblieben. Die Entlassung des Vaters des ASt. aus dem Krankenhaus lässt sich auch nicht weiter hinausschieben (wird ausgeführt). Glaubhaftmachung: eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 5 ... (Unterschrift)7 7 Zum Streitwert gibt es höchst unterschiedliche Rechtsprechung. Einige Gerichte setzen den Streitwert mit zwei Monatsgehältern an (zB LAG Düsseldorf v. 12.11.2001, NZA-RR 2002, 103; LAG Berlin v. 24.11.2000, MDR 2001, 636), andere Gerichte gehen dagegen grundsätzlich von § 42 Abs. 3 GKG aus (Vierteljahresbezug), machen aber einen Abschlag von 50 % (zB LAG Rh.-Pf. v. 26.10.2007 – 1 Ta 242/07, nv.).

u

Vereinbarung über eine Teilzeittätigkeit während der Pflegezeit1, 2

17.12

Zwischen der Firma . . . und Herrn/Frau . . . wird Folgendes vereinbart: Vorbemerkung Herr/Frau hat bei der Firma am . . . um die Reduzierung seiner/ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und deren Neuverteilung während der Pflegezeit gebeten. Nach Erörterung dieses Wunsches vereinbaren die Parteien die folgenden Änderungen zum Arbeitsvertrag vom . . .: § 1 Arbeitszeit (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ab . . . Stunden wöchentlich.

1 Gemäß § 3 Abs. 4 PflegeZG ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit zu treffen, vgl. Einf. Rz. 36. 2 Vgl. hierzu auch M 6.2.8.

Diller/Lingemann

717

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.12

(2) Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit wird ab . . . folgendermaßen gestaltet: montags von . . . bis . . ., dienstags von . . . bis . . ., mittwochs von . . . bis . . ., donnerstags von . . . bis . . . und freitags von . . . bis . . . §2

Vergütung

(1) Herr/Frau . . . erhält ab . . . eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von Euro . . . (2) Herr/Frau . . . erhält ab . . . Urlaubs- und Weihnachtsgratifikation in Höhe von Euro . . . bzw. Euro . . . (3) Die betriebliche Altersversorgung wird beibehalten, wobei die Zuführungen pro rata gemäß dem Verhältnis der bisherigen zur neu vereinbarten Arbeitszeit gekürzt werden. (4) Die Regelungen über vermögenswirksame Leistungen bleiben unverändert bestehen. (5) Alle übrigen geldwerten Vorteile und Leistungen der Gesellschaft werden ab . . . pro rata gemäß dem Verhältnis der bisherigen zur neu vereinbarten Arbeitszeit gekürzt.3 §3

Laufzeit der Vereinbarung

Diese Vereinbarung beginnt zu dem in § 1 Abs. 1 genannten Zeitpunkt und endet am . . . Die gesetzlichen Regelungen zur Verlängerung und Verkürzung der Pflegezeit (§ 4 PflegeZG) bleiben unberührt.4 §4

Fortgeltung Arbeitsvertrag

Im Übrigen gelten die Regelungen des Arbeitsvertrags vom . . . fort. ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

3 Mit dieser Generalklausel lassen sich evtl. leicht zu übersehende Ansprüche aus betrieblicher Übung uÄ erfassen. 4 § 4 PflegeZG dürfte dieser Befristung vorgehen; will man daher die Gefahr einer Intransparenz in AGB vermindern, sollte man nach den Grundsätzen der Entscheidung des BAG zur doppelten Schriftformklausel (v. 20.5.2008, NZA 2008, 1233; dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268) – die ausdrücklich die Aufnahme eines Vorbehaltes verlangt, der sich aus dem Gesetz ergibt – diesen Vorbehalt anfügen. § 4 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 PflegeZG gilt auch für die einseitige Verlängerung bzw. Verkürzung der vereinbarten Pflegeteilzeitdauer durch den Arbeitnehmer. Im Übrigen setzt die Vorschrift für jede Veränderung der Dauer der Pflegeteilzeit die Zustimmung des Arbeitgebers voraus, vgl. AG Stuttgart v. 24.9.2009 – 12 Ca 1792/09; Kossens, PersR 2009, 195, 198.

718 Lingemann

M 17.13

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

u

Vereinbarung zur Familienpflegezeit1, 2

17.13

Zwischen der Firma . . . – nachfolgend Arbeitgeber genannt – und Herrn/Frau . . . – nachfolgend Beschäftigte(r) genannt – wird zur Gewährung der Familienpflegezeit Folgendes vereinbart: §1

Familienpflegezeit

1. Arbeitszeit vor und während der Familienpflegezeit und Dauer der Familienpflegezeit (1) In der Zeit vom . . . bis . . . wird der/dem Beschäftigten Familienpflegezeit3 gemäß § 2 Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) für die häusliche Pflege des folgenden nahen Angehörigen gewährt: a) Name: . . . b) Geburtsdatum: . . . c) Anschrift: . . . d) Angehörigenstatus4 der gepflegten Person: . . . (2) Die Pflegebedürftigkeit der/des nahen Angehörigen wird durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse nachgewiesen. oder (2) Die Pflegebedürftigkeit der/des nahen Angehörigen wird durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung der privaten Pflege-Pflichtversicherung5 nachgewiesen. (3) Die vereinbarte Dauer der Familienpflegezeit (Pflegephase) beträgt . . . Monate.6 1 Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 FPfZG ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu treffen, vgl. Einf. Rz. 46. 2 Das nachfolgende Muster basiert auf dem vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben unter www.familien-pflege-zeit.de bereitgestellten Muster. 3 Die Familienpflegezeit umfasst den Zeitraum, in dem ein naher Angehöriger/eine nahe Angehörige gepflegt wird. An die Familienpflegezeit schließt sich die Nachpflegephase an, in der der Entgeltvorschuss zurückgezahlt wird. 4 In Betracht kommen: Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, eigene Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Enkelkinder. 5 Derzeit nimmt die MEDICPROOF GmbH als Tochterunternehmen des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. die Aufgaben eines medizinischen Dienstes für die Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherungen wahr. 6 Maximal 24 Monate; bei Auszubildenden und befristet Beschäftigten ist darauf zu achten, dass die Familienpflegezeit höchstens die Hälfte der restlichen Laufzeit der Beschäftigung ausmacht, vgl. Rz. 47.

Lingemann 719

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.13

(4) Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt vor der Familienpflegezeit . . . Stunden. Diese soll Basis der Berechnung des Aufstockungsbetrags sein. oder (4) Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt vor der Familienpflegezeit . . . Stunden. Die/der Beschäftigte macht von der Möglichkeit Gebrauch, der Berechnung des Aufstockungsbetrages eine höhere als die tatsächlich vor Beginn der Familienpflegezeit geleistete Arbeitszeit, und zwar . . . Wochenstunden zugrunde zu legen. Dies bewirkt eine Erhöhung des Aufstockungsbetrages. Für die Nachpflegephase bis zur vollständigen Rückzahlung des Gehaltsvorschusses wird ebenfalls diese erhöhte Arbeitszeit vereinbart. (5) Während der Familienpflegezeit (Pflegephase) beträgt die wöchentliche Arbeitszeit . . . Stunden.7 (6) Nach dem Ende der Familienpflegezeit kehrt die/der Beschäftigte zu der vor Eintritt in die Familienpflegezeit gültigen wöchentlichen Arbeitszeit von . . . Stunden zurück. oder (6) Nach dem Ende der Familienpflegezeit arbeitet die/der Beschäftigte mit der vereinbarten höheren wöchentlichen Arbeitszeit von . . . Stunden. (7) Für dieselbe pflegebedürftige Person kann eine weitere Familienpflegezeit erst nach dem Ende der Nachpflegephase gefördert werden. 2. Entgeltaufstockung (1) Während der Familienpflegezeit wird das sich aus der verringerten Arbeitszeit ergebende Entgelt um einen monatlichen Bruttobetrag in Höhe von Euro . . . aufgestockt.8 (2) Für die/den Beschäftigten wird ein Wertguthaben geführt. Durch die Aufstockung des Arbeitsentgelts entsteht während der Familienpflegezeit ein Negativsaldo auf dem Wertguthaben. Dieser umfasst neben dem Aufstockungsbetrag auch den hierauf entfallenden Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. In der Nachpflegephase wird das negative Wertguthaben durch die Beschäftigte/den Beschäftigten nach Maßgabe des § 3 dieser Vereinbarung wieder ausgeglichen. oder9 7 Die verringerte Arbeitszeit muss mindestens 15 Wochenstunden betragen. Bei unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten oder einer unterschiedlichen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit darf die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines Zeitraums von bis zu einem Jahr 15 Stunden nicht unterschreiten. 8 Die Ermittlung dieses Aufstockungsbetrages erfolgt gemäß § 3 FPfZG nach folgender Formel: (Wochenstunden vor FPfZ – Wochenstunden während FPfZ) × Gesamteinkommen der letzten 12 Monate / Gesamtstunden in den letzten 12 Monaten × 52/12 × 1/2. Es handelt sich um die Hälfte des Produkts aus monatlicher Arbeitszeitverringerung in Stunden (Differenz zwischen Arbeitszeit vor- und während der Pflegephase) und dem durchschnittlichen sozialpflichtigen Entgelt (12-Monats-Betrachtung) pro Arbeitsstunde. Nicht laufend gezahlte und nicht regelmäßig anfallende Entgeltbestandteile sowie Sachbezüge werden nicht berücksichtigt, wohl aber Jahressonderzahlungen (vgl. Einf. Rz. 48). Mutterschutzfristen bleiben für die Berechnung außer Betracht. Ein Monat wird mit 52/12 Wochen zugrunde gelegt. 9 Die Variante deckt die Konstellation ab, dass bereits eine Wertguthabenvereinbarung besteht, aus der ein Guthaben für die Familienpflegezeit eingebracht werden soll. Diese Fallkonstellation wird im Formular des BFzA unter www.familien-pflege-zeit.de nicht erfasst. Ggf. ist das Muster an Besonderheiten der bestehenden Wertguthabenvereinbarung anzupassen.

720 Lingemann

M 17.13

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

(2) Ein bestehendes Wertguthaben für die/den Beschäftigten wird von dem/der Beschäftigten zur Aufstockung eingebracht. Während der Familienpflegezeit wird das Wertguthabenkonto weitergeführt. Durch die Aufstockung des Arbeitsentgelts kann während der Familienpflegezeit ein Negativsaldo auf dem Wertguthaben entstehen. Dieser umfasst neben dem Aufstockungsbetrag auch den hierauf entfallenden Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. In der Nachpflegephase wird das negative Wertguthaben durch die Beschäftigte/den Beschäftigten nach Maßgabe des § 3 dieser Vereinbarung wieder ausgeglichen. § 2 Ende der Familienpflegezeit (Ende der Pflegephase) (1) Die Familienpflegezeit endet zu dem unter § 1 Ziff. 1 vereinbarten Termin (spätestens nach 24 Monaten). Bei vorzeitiger Beendigung der Pflege, zB durch den Tod oder den Wegfall der Pflegebedürftigkeit der pflegebedürftigen Person, oder bei Unterschreiten der wöchentlichen Mindestarbeitszeit von 15 Stunden endet die Familienpflegezeit mit dem Ablauf des zweiten Monats, der auf die Beendigung der Pflege oder das Unterschreiten der wöchentlichen Mindestarbeitszeit folgt. Dies gilt auch für die Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf unter 15 Stunden aufgrund gesetzlicher oder tarifvertraglicher Bestimmungen. Die Unterschreitung der wöchentlichen Mindestarbeitszeit auf Grund von Kurzarbeit ist unschädlich. (2) Die/der Beschäftigte verpflichtet sich, dem Arbeitgeber die Beendigung der häuslichen Pflege unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Der/dem Beschäftigten ist bekannt, dass ein Verstoß gegen diese Mitteilungspflicht ordnungsrechtlich mit einer Geldbuße bis zu Euro 1 000,– geahndet werden kann. (3) Die Aufstockung des Arbeitsentgelts endet mit der Familienpflegezeit (Pflegephase). § 3 Nachpflegephase (1) Mit dem Ende der Familienpflegezeit (Pflegephase) beginnt die Nachpflegephase, in der das infolge der Aufstockung des Arbeitsentgelts mit einem negativen Saldo belastete Wertguthaben der/des Beschäftigten ausgeglichen wird. Zu diesem Zweck wird mit jeder monatlichen Entgeltabrechnung derjenige Betrag vom Arbeitsentgelt einbehalten, um den während der Familienpflegezeit gemäß § 1 dieser Vereinbarung aufgestockt wurde. (2) Nach § 9 Abs. 1 FPfZG kann der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt zum Ausgleich des Negativsaldos wie geplant einbehalten, selbst wenn die/der Beschäftigte in der Nachpflegephase ihre/seine Arbeitszeit aufgrund gesetzlicher oder kollektivrechtlicher Bestimmungen oder individueller Vereinbarungen verringert. Im Falle der Kurzarbeit dagegen vermindert sich der Anspruch auf Einbehalt vom Arbeitsentgelt um den Anteil, um den die Arbeitszeit durch die Kurzarbeit vermindert ist; die Nachpflegephase verlängert sich in diesem Fall entsprechend. §4

Vorzeitige Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses/Freistellung von der Arbeitsleistung während der Nachpflegephase

(1) Sofern das Beschäftigungsverhältnis zu einem Zeitpunkt beendet wird, in dem noch ein Negativsaldo besteht und der Ausgleich des Wertguthabens nicht durch die Familienpflegezeitversicherung erfolgt, ist die/der Beschäftigte nach § 9 Abs. 2 FPfZG zum Ausgleich des Wertguthabens verpflichtet. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die nicht im Verhalten der/des Beschäftigten liegen, Lingemann 721

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.13

erlischt sein Ausgleichsanspruch insoweit, als mangels entsprechender Gegenforderungen keine Aufrechnung möglich ist. (2) Die Kündigung durch den Arbeitgeber ist nach § 9 Abs. 3 FPfZG nur zulässig, wenn die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle zustimmt. (3) Wird die/der Beschäftigte von der Arbeitsleistung freigestellt (beispielsweise wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit oder Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz), so dass ein Einbehalt von Arbeitsentgelt nicht erfolgen kann, kann der Arbeitgeber nach § 9 Abs. 4 FPfZG von der/dem Beschäftigten einen Ausgleich in Geld verlangen. § 5 Versicherungspflicht (1) Für die Beschäftigte/den Beschäftigten ist für die Dauer der Familienpflegezeit und der Nachpflegephase eine vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zertifizierte Familienpflegezeitversicherung gemäß § 4 FPfZG abzuschließen. Durch diese wird sichergestellt, dass im Falle des Todes oder einer während der Familienpflegezeit oder der Nachpflegephase eintretenden Berufsunfähigkeit der/des Beschäftigten der zu diesem Zeitpunkt bestehende Negativsaldo des Wertguthabens ausgeglichen wird. (2) Die Versicherung wird von der/dem Beschäftigten abgeschlossen. Dem Arbeitgeber wird ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt. Die/der Beschäftigte legt eine entsprechende Bescheinigung des Versicherers vor. Gerät die/der Beschäftigte mit den Prämienzahlungen für die Familienpflegezeitversicherung in Verzug, ist der Arbeitgeber berechtigt, den Aufstockungsbetrag in Höhe einer Prämienzahlung zu kürzen.10 oder (2) Die Versicherung wird im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrags vom Arbeitgeber auf die Person der/des Beschäftigten abgeschlossen. Die monatlichen Prämien für den Gruppenversicherungsvertrag werden vom Arbeitgeber übernommen. oder (2) Die Versicherung wird im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrags vom Arbeitgeber auf die Person der/des Beschäftigten abgeschlossen. Die monatlichen Prämien für den Gruppenversicherungsvertrag werden der/dem Beschäftigten vom monatlichen Arbeitsentgelt abgezogen. oder (2) Die Versicherung wird im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrags vom Arbeitgeber auf die Person der/des Beschäftigten abgeschlossen. Die monatlichen Prämien für den Gruppenversicherungsvertrag werden zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem/Beschäftigter im Verhältnis . . . geteilt. Der Anteil der/des Beschäftigten wird vom monatlichen Arbeitsentgelt abgezogen. oder 10 Wenn der Beschäftigte mit der Prämienzahlung in Verzug gerät, übernimmt das BFzA die Prämienzahlung an den Versicherungsgeber; der Förderanspruch des Arbeitgebers verringert sich in Höhe des Zahlungsverzugs, so dass eine entsprechende Kürzungsmöglichkeit für den Arbeitgeber sinnvoll ist.

722 Lingemann

M 17.14

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

(2) Die Versicherung wird im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrags vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) auf die Person der/des Beschäftigten abgeschlossen. Der Arbeitgeber beantragt für die Beschäftigte/den Beschäftigten die Aufnahme in den Gruppenversicherungsvertrag des BFzA. Die monatlichen Prämien für den Gruppenversicherungsvertrag werden vom Arbeitgeber übernommen. oder (2) Die Versicherung wird im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrags vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BFzA) auf die Person der/des Beschäftigten abgeschlossen. Der Arbeitgeber beantragt für die Beschäftigte/den Beschäftigten die Aufnahme in den Gruppenversicherungsvertrag des BFzA. Die monatlichen Prämien für den Gruppenversicherungsvertrag werden der/dem Beschäftigten vom monatlichen Arbeitsentgelt abgezogen. oder (2) Die Versicherung wird im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrags vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BFzA) auf die Person der/des Beschäftigten abgeschlossen. Der Arbeitgeber beantragt für die Beschäftigte/den Beschäftigten die Aufnahme in den Gruppenversicherungsvertrag des BFzA. Die monatlichen Prämien für den Gruppenversicherungsvertrag werden zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem/Beschäftigter im Verhältnis . . . geteilt. Der Anteil der/des Beschäftigten wird vom monatlichen Arbeitsentgelt abgezogen. §6

Bewilligungsvorbehalt

Der Arbeitgeber beabsichtigt, zur Refinanzierung der Entgeltaufstockung ein zinsloses Darlehen des BFzA in Anspruch zu nehmen; er wird einen diesbezüglichen Antrag unverzüglich nach Unterzeichnung dieser Vereinbarung und der Vorlage des Nachweises über die Pflegebedürftigkeit der/des nahen Angehörigen stellen. Die vorstehende Vereinbarung zur Familienpflegezeit steht daher unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Darlehensbewilligung durch das BFzA. ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften)

u

Antrag auf Zustimmung zur Kündigung in der Familienpflegezeit1

17.14

An das Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit2 Ort, Datum . . . 1 Vgl. Einf. Rz. 58. 2 Die Zulässigkeitserklärung wird von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stellte erteilt, § 9 Abs. 3 FPfZG.

Lingemann 723

Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des/der . . . (Name, Vorname, Geburtsdatum, Familienstand, Anschrift) Sehr geehrte Damen und Herren, wir beabsichtigen, Herrn/Frau . . . ordentlich zu kündigen. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 und 3 FPfZG. Dies begründen wir wie folgt: Herr/Frau . . . ist bei uns als . . . seit . . . beschäftigt. Er/sie verdient zurzeit Euro . . . brutto/monatlich. Die Kündigung ist vorgesehen am . . . Die gesetzliche/vertragliche/ tarifvertragliche Kündigungsfrist beträgt . . . Herr/Frau . . . ist seit dem . . . und noch bis zum . . . in Familienpflegezeit. Die Pflegephase dauert bis zum . . . Die Nachpflegephase dauert bis zum . . . Die Kündigung ist aus folgenden Gründen beabsichtigt: Unsere Gesellschaft hat nur den Betrieb in . . . Der Betrieb wird zum . . . stillgelegt, die Gesellschaft wird liquidiert. Alle Arbeitnehmer werden spätestens zu diesem Zeitpunkt entlassen. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht nicht. Daher liegt ein „besonderer Fall“ iSv. § 9 Abs. 3 Satz 2 FPfZG vor.3 Wir bitten daher, der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. Die Stellungnahmen des Betriebsrates4 sowie den mit dem Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleich und Sozialplan fügen wir bei. Mit freundlichen Grüßen ... 3 Näheres Fallmaterial zur Auslegung des Kriteriums „in besonderen Fällen“ liegt bislang nicht vor. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei einer Betriebsstilllegung oder bei besonders schweren Pflichtverstößen des Arbeitnehmers eine Kündigung zulässig ist (BeckOK/Joussen, § 9 FPfZG Rz. 14). Von einem prinzipiellen Vorrang der Interessen des Arbeitnehmers dürfte nicht auszugehen sein, da eine Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der einvernehmlichen Vereinbarung der Familienpflegezeit nicht zu erwarten ist und eine verhaltensbedingte Kündigung möglicherweise zum Verlust der Rückzahlungsansprüche führt. Ob dies in der Praxis so umgesetzt werden wird, bleibt aber abzuwarten (Sasse, DB 2011, 2660). 4 Der Betriebsrat kann nach § 102 BetrVG schon vor Einholung der Zustimmung der Behörde angehört werden. In der Anhörung muss aber klar zum Ausdruck kommen, dass die Kündigung erst nach Zustimmung der Behörde ausgesprochen werden soll.

N N Q NNNN

Kapitel 18

Betriebliche Altersversorgung

Literaturübersicht: Ahrend/Förster/Rühmann, Die abändernde und ablösende Betriebsvereinbarung, BB Beilage 7/1987; Ahrend/Förster/Rössler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt; Ahrend/Förster/Rössler, Zur Insolvenzsicherung von Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer, GmbHR 1980, 229; Arteaga, Unternehmerpensionszusagen im Unternehmenskonkurs, ZIP 1996, 2008; Bauer/Diller, Wechselwirkungen zwischen Wettbewerbstätigkeit, Ruhestand und betrieblicher Altersversorgung, BB 1997, 990; Blomeyer/Rolfs/ Otto, Betriebsrentengesetz, 5. Aufl. 2010; Doetsch/Hagemann/Oecking/Reichenbach, Betriebliche Altersversorgung, 4. Aufl. 2013; Förster/Cisch/Karst, Betriebsrentengesetz, 13. Aufl. 2012;

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des/der . . . (Name, Vorname, Geburtsdatum, Familienstand, Anschrift) Sehr geehrte Damen und Herren, wir beabsichtigen, Herrn/Frau . . . ordentlich zu kündigen. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 und 3 FPfZG. Dies begründen wir wie folgt: Herr/Frau . . . ist bei uns als . . . seit . . . beschäftigt. Er/sie verdient zurzeit Euro . . . brutto/monatlich. Die Kündigung ist vorgesehen am . . . Die gesetzliche/vertragliche/ tarifvertragliche Kündigungsfrist beträgt . . . Herr/Frau . . . ist seit dem . . . und noch bis zum . . . in Familienpflegezeit. Die Pflegephase dauert bis zum . . . Die Nachpflegephase dauert bis zum . . . Die Kündigung ist aus folgenden Gründen beabsichtigt: Unsere Gesellschaft hat nur den Betrieb in . . . Der Betrieb wird zum . . . stillgelegt, die Gesellschaft wird liquidiert. Alle Arbeitnehmer werden spätestens zu diesem Zeitpunkt entlassen. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht nicht. Daher liegt ein „besonderer Fall“ iSv. § 9 Abs. 3 Satz 2 FPfZG vor.3 Wir bitten daher, der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. Die Stellungnahmen des Betriebsrates4 sowie den mit dem Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleich und Sozialplan fügen wir bei. Mit freundlichen Grüßen ... 3 Näheres Fallmaterial zur Auslegung des Kriteriums „in besonderen Fällen“ liegt bislang nicht vor. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei einer Betriebsstilllegung oder bei besonders schweren Pflichtverstößen des Arbeitnehmers eine Kündigung zulässig ist (BeckOK/Joussen, § 9 FPfZG Rz. 14). Von einem prinzipiellen Vorrang der Interessen des Arbeitnehmers dürfte nicht auszugehen sein, da eine Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der einvernehmlichen Vereinbarung der Familienpflegezeit nicht zu erwarten ist und eine verhaltensbedingte Kündigung möglicherweise zum Verlust der Rückzahlungsansprüche führt. Ob dies in der Praxis so umgesetzt werden wird, bleibt aber abzuwarten (Sasse, DB 2011, 2660). 4 Der Betriebsrat kann nach § 102 BetrVG schon vor Einholung der Zustimmung der Behörde angehört werden. In der Anhörung muss aber klar zum Ausdruck kommen, dass die Kündigung erst nach Zustimmung der Behörde ausgesprochen werden soll.

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Kapitel 18

Betriebliche Altersversorgung

Literaturübersicht: Ahrend/Förster/Rühmann, Die abändernde und ablösende Betriebsvereinbarung, BB Beilage 7/1987; Ahrend/Förster/Rössler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt; Ahrend/Förster/Rössler, Zur Insolvenzsicherung von Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer, GmbHR 1980, 229; Arteaga, Unternehmerpensionszusagen im Unternehmenskonkurs, ZIP 1996, 2008; Bauer/Diller, Wechselwirkungen zwischen Wettbewerbstätigkeit, Ruhestand und betrieblicher Altersversorgung, BB 1997, 990; Blomeyer/Rolfs/ Otto, Betriebsrentengesetz, 5. Aufl. 2010; Doetsch/Hagemann/Oecking/Reichenbach, Betriebliche Altersversorgung, 4. Aufl. 2013; Förster/Cisch/Karst, Betriebsrentengesetz, 13. Aufl. 2012;

724 Lingemann/Diller

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, 2. Aufl. 2003; Hanau/Arteaga/Rieble/Veit, Entgeltumwandlung, 2. Aufl. 2006; Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, Kommentar zum Betriebsrentengesetz, Bd. 1, 2. Aufl. 1982; Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG, Loseblatt; Keil, Pensions- und Unterstützungskassenzusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, 2. Aufl. 2010; Kemper/Kisters-Kölkes, Arbeitsrechtliche Grundzüge der betrieblichen Altersversorgung, 7. Aufl. 2013; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, BetrAVG, 5. Aufl. 2013; Klemm/ Hamisch, Betriebliche Altersversorgung, 3. Aufl. 2009; Kolvenbach/Sartoris, Bilanzielle Auslagerung von Pensionsverpflichtungen, 2. Aufl. 2009; Langohr-Plato, Betriebliche Altersversorgung, 5. Aufl. 2010; Laßmann/Röhricht, Betriebliche Altersversorgung, 2010; Lucht, Nachfolgende Betriebsvereinbarungen über Direktzusagen einer betrieblichen Altersversorgung, 2009; Paulsdorff, Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Aufl. 1996; Reichel, Betriebliche Altersversorgung bei Unternehmenskauf und Umstrukturierung, 2006; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung und Arbeitsverhältnis, 2. Aufl. 2003.

I. Einführung 1. Allgemeines Arbeitgeber sind grundsätzlich nicht verpflichtet, eine betriebliche Altersversorgung einzuführen. Tun sie dies freiwillig, gilt jedoch zwingend das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung („Betriebsrentengesetz“, BetrAVG). Das BetrAVG beschreibt in § 1b Abs. 1–4 die verschiedenen Formen der betrieblichen Altersversorgung. Die klassische Form ist die „Direktzusage“ (unmittelbare Versorgung), bei der der Arbeitgeber die späteren Versorgungsleistungen unmittelbar aus dem Unternehmensvermögen zahlt und dafür gemäß § 6a EStG Rückstellungen bildet. Beim zweiten Durchführungsweg, der „Direktversicherung“, richtet der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Lebensversicherung bei einem Versicherungsunternehmen ein (§ 1b Abs. 2 BetrAVG). Früher weit verbreitet waren so genannte „mittelbare“ Versorgungszusagen, bei denen der Arbeitgeber rechtlich selbständige „Pensionskassen“ (§ 1b Abs. 3 BetrAVG) oder „Unterstützungskassen“ (§ 1b Abs. 4 BetrAVG) errichtete, meist in der Rechtsform einer GmbH, eines eingetragenen Vereins oder eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Die Unterstützungskasse gewährt den Arbeitnehmern rechtlich keinen Anspruch auf die Versorgungsleistungen (de facto entstehen nach der Rechtsprechung allerdings sehr wohl durchsetzbare Zahlungspflichten) und fungiert daher als bloße „Zahlstelle“ des Unternehmens. Die Pensionskasse dagegen gewährt den Arbeitnehmern vollwertige durchsetzbare Versorgungsansprüche, weshalb sie der Versicherungsaufsicht unterliegt und eine ausreichende Dotierung haben muss. Als neue Form der mittelbaren Versorgungszusage ist seit 2001 der Pensionsfonds (§ 1b Abs. 3 BetrAVG) hinzugetreten. Der Pensionsfonds gibt einen Rechtsanspruch auf Versorgung, die Leistungshöhe ist aber nicht versicherungsförmig garantiert.

1

§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG stellt klar, dass eine betriebliche Altersversorgung iSd. BetrAVG auch dann vorliegt, wenn im Wege der Entgeltumwandlung künftige Entgeltansprüche in wertgleiche Versorgungsanwartschaften umgewandelt werden (s. M 18.4). Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG gilt das Gesetz auch dann, wenn – wie zunehmend üblich – der Arbeitgeber nicht eine spätere bestimmte Leistungshöhe verspricht, sondern nur die Abführung bestimmter Beiträge zu einem Versorgungswerk (vor allem Lebensversicherung), wobei dann offen bleibt, welche Leistungen aus diesem Versorgungswerk der Arbeitnehmer später erhält (sog. „beitragsorientierte Versorgung“).

2

Diller

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Kap. 18 3

Betriebliche Altersversorgung

Gemäß § 17 Abs. 1, 3 BetrAVG gilt das BetrAVG zwingend nicht nur zu Gunsten von Arbeitnehmern, sondern auch zu Gunsten von Organmitgliedern wie GmbH-Geschäftsführern oder AG-Vorständen. Im Rahmen des § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG ist das Gesetz jedoch für Organmitglieder abdingbar.1

2. Unverfallbarkeit/ratierliche Kürzung 4

Bis zum Inkrafttreten des BetrAVG im Jahre 1974 war es üblich, Arbeitnehmern Versorgungszusagen nur unter der Bedingung zu machen, dass sie bis zum Eintritt des Versorgungsfalls (Altersgrenze, Invalidität) im Unternehmen blieben. Nachdem bereits die Rechtsprechung solche Klauseln richterrechtlich für unzulässig gehalten hatte, regelt nun § 1b Abs. 1 BetrAVG ausdrücklich, dass Versorgungszusagen unverfallbar werden, wenn die Zusage mindestens fünf Jahre (nach dem 1.1.2001, vgl. die Übergangsvorschrift § 30f BetrAVG) bestanden hat und der Arbeitnehmer mindestens 25 Jahre alt ist. Bis 2001 war hingegen nach dem früheren § 1 BetrAVG Voraussetzung der Unverfallbarkeit, dass das Arbeitsverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hatte oder aber bei mindestens dreijährigem Bestand der Zusage das Arbeitsverhältnis mindestens zwölf Jahre gedauert hatte.

5

Ist eine Versorgungszusage bei vorzeitigem Ausscheiden nach § 1b Abs. 1 BetrAVG unverfallbar, so berechnet sich ihre Höhe nach § 2 BetrAVG (sog. „ratierliche Kürzung“). Danach ist zunächst die maximale Versorgung zu berechnen, die der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er bis zur vorgesehenen Altersgrenze im Betrieb verblieben wäre. Der theoretisch mögliche Maximalanspruch ist dabei zu ermitteln anhand der Bemessungsfaktoren (zB Gehaltshöhe etc.) im Zeitpunkt des Ausscheidens und erhöht sich später nicht. Dieser Maximalanspruch ist sodann zu multiplizieren mit dem „Unverfallbarkeitsquotienten“, der dem Verhältnis von tatsächlich zurückgelegter zu maximal möglicher Dienstzeit entspricht.2 Der Arbeitnehmer kann bei Vorliegen eines berechtigten Interesses, insbesondere bei seinem Ausscheiden, gemäß § 4a BetrAVG eine schriftliche Bescheinigung über die Höhe der aufrechtzuerhaltenden Ansprüche verlangen (sog. „Unverfallbarkeitsbescheinigung“, s. M 18.5).

3. Abfindung von Anwartschaften 6

Enge Grenzen setzt das BetrAVG in seinem – in den letzten Jahren mehrfach geänderten! – § 3 der Abfindung von aufrechtzuerhaltenden Anwartschaften.3 Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und danach ist eine Abfindung grundsätzlich ausgeschlossen, selbst wenn der Arbeitnehmer zustimmt. Sinn dieser Regelung ist, dass der Arbeitnehmer nicht leichtfertig auf seine Alterssicherung verzichten soll. Nur bei Bagatell-Anwartschaften von weniger als 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV kann der Arbeitgeber (anders als früher dagegen nicht der Arbeitnehmer!) die Anwartschaft durch eine einmalige Kapitalzahlung ablösen, auch gegen den Willen des Arbeitnehmers (s. M 18.6). Der Arbeitnehmer kann die Abfindung dadurch abwehren, dass er von seinem Recht auf Übertragung der Anwartschaft auf einen neuen Arbeitgeber nach § 4 Abs. 3 BetrAVG Gebrauch macht 1 BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 285/07, NZA-RR 2010, 168. 2 Rechenbeispiele bei Diller, NZA 2011, 725. 3 Ausf. Diller, NZA 2011, 1021.

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Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

(s. M 18.7). Seit 2005 unzulässig ist die – früher verbreitete – Abfindung laufender Rentenzahlungen.

4. Übertragung der Versorgungsansprüche Ähnliche Erschwerungen wie für die Abfindung von Anwartschaften enthält das BetrAVG in seinem – ebenfalls in den letzten Jahren ständig geänderten – § 4 für deren Übertragung auf andere Schuldner. Selbst wenn der Arbeitnehmer zustimmt, können die Versorgungsansprüche nicht von einem beliebigen Dritten übernommen werden, da dies Manipulationen zu Lasten des Pensions-Sicherungs-Vereins als Träger der Insolvenzsicherung ermöglichen würde. Zulässig ist nach § 4 BetrAVG nur die Übernahme durch den neuen Arbeitgeber durch freiwillige Übertragungsvereinbarung (M 18.8 und M 18.9). Auch gegen den Willen des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach seinem Ausscheiden die Übertragung der Versorgungsansprüche auf seinen neuen Arbeitgeber verlangen, wenn der Wert unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt und die Versorgung über eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Direktversicherung läuft (M 18.7). Die Beschränkung der Übertragbarkeit („Portabilität“) auf bestimmte Durchführungswege dient der Schonung der Liquidität des Arbeitgebers: Übertragbar sollen nur solche Versorgungsanwartschaften sein, für die die Liquidität beim Arbeitgeber bereits abgeflossen ist. Die einvernehmliche Übertragung von Versorgungsansprüchen ausgeschiedener Arbeitnehmer auf eine Lebensversicherung (vgl. 2. Aufl. Muster M 18.8) ist seit 2005 nicht mehr zulässig. Erleichterungen gelten gemäß § 4 Abs. 4 BetrAVG im Falle der Liquidation.

7

5. Insolvenzsicherung Nach §§ 7 ff. BetrAVG sind sowohl laufende Renten als auch nach § 1b BetrAVG aufrechtzuerhaltende Anwartschaften zwangsweise beim Pensions-Sicherungs-Verein gegen die Insolvenz des Arbeitgebers abzusichern. In der Praxis stellt sich häufig das Problem, dass die Parteien einen Insolvenzschutz auch für solche Ansprüche herbeiführen wollen, die nicht der gesetzlichen Insolvenzsicherung unterliegen. Das gilt beispielsweise für Anwartschaften, die auf Grund besonderer vertraglicher Vereinbarung aufrechtzuerhalten sind, obwohl die gesetzliche Unverfallbarkeitsfrist von fünf Jahren (§ 1b Abs. 1 BetrAVG) noch nicht erfüllt ist. Ein anderes Problem sind Ansprüche, die der Höhe nach die Höchstgrenze der Insolvenzsicherung gemäß § 7 Abs. 3 BetrAVG (Dreifaches der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV) übersteigen. Nicht vom gesetzlichen Insolvenzschutz erfasst sind auch die Renten der GesellschafterGeschäftsführer, soweit sie als „Unternehmer“ anzusehen sind. In allen genannten Fällen kann der Insolvenzschutz durch Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung (s. M 18.10) oder durch Errichtung eines sog. CTA4 erreicht werden.

8

6. Teuerungsanpassung Gemäß § 16 BetrAVG sind laufende Renten (aber nicht aufrechtzuerhaltende Anwartschaften!) alle drei Jahre an die gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen, soweit die Anpassung für das Unternehmen aus den Erträgen finanzierbar ist. Seit 1999 muss eine in der Vergangenheit zu Recht unterlassene Anpassung später nicht mehr 4 Dazu zB Küppers/Louven, BB 2004, 337.

Diller

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.1

nachgeholt werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens später verbessert. Ein Nachholen der Anpassung scheidet auch dann aus, wenn zwar die Anpassung zu Unrecht unterblieben war, das Unternehmen jedoch den Arbeitnehmer unter Einhaltung bestimmter Formalien über die Verweigerung der Anpassung informiert und dieser nicht widersprochen hat (s. M 18.13).

7. Streitigkeiten 10

Besteht Streit über das Bestehen von Rentenansprüchen, kann der Arbeitnehmer bis zum Erreichen der Altersgrenze warten und dann Leistungsklage erheben (M 18.11). Möglich ist aber auch bereits vorher die Erhebung einer Feststellungsklage (M 18.12). Ähnliche Alternativen stellen sich beim Streit um eine Anpassung der Rente nach § 16 BetrAVG (M 18.14).

II. Muster

u

18.1

Einzelzusage auf betriebliche Altersversorgung für einen Geschäftsführer

Sehr geehrter Herr . . ., in Ergänzung Ihres Anstellungsvertrages erhalten Sie die nachstehend beschriebene Zusage auf folgende Versorgungsleistungen: Alterspension Pension wegen vollständiger Erwerbsminderung Witwenpension Waisengeld 1.

Grundvoraussetzungen

1.1

Die Entstehung und Höhe des jeweiligen Anspruchs ist abhängig von der im Unternehmen anerkannten Dienstzeit und dem pensionsfähigen Einkommen. Maßgeblich für die Berechnung der Dienstzeit ist die tatsächliche erstmalige Dienstaufnahme; die Berechnung erfolgt monatsgenau. Als pensionsfähiges Einkommen gilt das zuletzt bezogene Jahresgrundgehalt gemäß § 3 Ihres Dienstvertrages vom . . . zuzüglich 50 % der im Durchschnitt der letzten drei vollen Kalenderjahre vor der Beendigung des Dienstverhältnisses gezahlten Tantiemen.

1.2

Voraussetzung für die Gewährung einer Versorgungsleistung ist grundsätzlich eine unmittelbar vor dem Versorgungsfall liegende Dienstzeit von drei Jahren (Wartezeit).1

1 Durch eine Wartezeit darf die gesetzliche Unverfallbarkeit nach § 1b BetrAVG nicht umgangen werden. Deshalb können Wartezeiten von mehr als fünf Jahren nicht wirksam vereinbart werden. Belässt es das Unternehmen hinsichtlich der Unverfallbarkeit bei den gesetzlichen Vorschriften (§ 1b BetrAVG), so wirkt sich eine kürzere Wartezeit (zB von drei Jahren) auf die Ansprüche auf Alterspension nicht aus, da diese ohnehin die Erfüllung der fünfjährigen Unverfallbarkeitsfrist voraussetzt. Bedeutung hat eine Wartefrist dann allerdings für eine Inva-

728 Diller

M 18.1 2.

Leistungsarten

2.1

Alterspension

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

2.1.1 Nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung2 wird die Alterspension gezahlt. Sie errechnet sich nach folgender Formel: 35,0 % für die ersten 5 Dienstjahre 1,5 % für jedes Jahr ab 6. bis 10. Dienstjahr 0,5 % für jedes nachfolgende Dienstjahr Eine ratierliche Kürzung bei vorzeitigem Ausscheiden gemäß § 2 BetrAVG findet [nicht] statt.3 2.1.2 Die Pensionszahlung beginnt in dem der letzten Gehaltszahlung folgenden Monat. 2.2

Vorgezogene Alterspension bei flexibler gesetzlicher Altersrente4

lidenrente, da es bei Invaliditätseintritt noch während des Anstellungsverhältnisses keine Verfallbarkeit gibt. Hier wird durch eine Wartezeit der Anspruch auf Invaliditätsrente ausgeschlossen, wenn die Invalidität noch innerhalb der Wartezeit (hier: drei Jahre) eintritt. Hat dagegen das Unternehmen auf die Erfüllung der Unverfallbarkeitsfristen des § 1b BetrAVG verzichtet und wie im vorliegenden Muster die Versorgungsansprüche für sofort unverfallbar erklärt, wirkt sich die Wartezeit auch auf mögliche Ansprüche auf Alterspension aus. 2 In der Vergangenheit war es üblich, als Beginn der Alterspension auf die „Vollendung des 65. Lebensjahrs“ abzustellen (s. Vorauflagen). Durch Gesetz v. 20.4.2007 (BGBl. I 2007, 554) wurde jedoch, beginnend mit dem Jahr 2012, die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung schrittweise von 65 Jahren (ab Geburtsjahrgang 1947) auf 67 Jahre (ab Geburtsjahr 1964) angehoben (§§ 35, 235 SGB VI). Nach der Rechtsprechung des BAG (v. 15.5.2012 – 3 AZR 11/10, DB 2012, 1756) ist bei Versorgungsordnungen, die aus der Zeit vor 2007 stammen und als Altersgrenze die Vollendung des 65. Lebensjahrs vorsehen, im Zweifel zu vermuten, dass die Parteien dynamisch auf die jeweils individuell geltende Regelaltersgrenze der gesetzlichen Sozialversicherung abstellen wollten, was zur Folge hat, dass der Arbeitnehmer, der erst nach Vollendung des 65. Lebensjahrs in Rente gehen kann, auch erst dann seine Betriebsrente bezieht (ausf. zu den damit verbundenen Problemen Diller/Beck, DB 2012, 2398). Wichtig: Es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass in neuen Versorgungsordnungen als Betriebsrentenbeginn nicht mehr die Vollendung des 65. Lebensjahrs vorgesehen wird, sondern auf das jeweilige individuelle Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Sozialversicherung abgestellt wird. Denn bei Neuregelungen aus der Zeit nach 2007, also in Kenntnis der schrittweisen Einführung der „Rente mit 67“, wird im Zweifel nicht zu vermuten sein, dass hier dynamisch auf die jeweilige Regelaltersgrenze abgestellt werden sollte. Folge ist, dass der Arbeitnehmer weiterhin mit 65 seine Betriebsrente beanspruchen kann, auch wenn er noch keinen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat. Insbesondere bei Gesamtversorgungssystemen (Zusage einer Betriebsrente unter Anrechnung der gesetzlichen Rente) kann dies für das Unternehmen katastrophale Folgen haben, weil aus einer betrieblichen Zusatzversorgung plötzlich eine Vollversorgung wird. 3 Wichtig: In Versorgungszusagen mit leitenden Angestellten sollte immer klargestellt werden, ob die gesetzlich vorgesehene ratierliche Kürzung (§ 2 BetrAVG) stattfinden soll oder nicht. Fehlt dazu eine ausdrückliche Regelung, entsteht häufig Streit. Nach der Rechtsprechung soll im Zweifel eine ratierliche Kürzung gewollt sein (BAG v. 4.10.1994, AP Nr. 22 zu § 2 BetrAVG; LAG Hamm v. 3.3.1998, DB 1998, 1622). Je nach Formulierung der Versorgungszusage kann jedoch auch ein Verzicht auf ratierliche Kürzung anzunehmen sein. 4 Der Anspruch auf vorgezogene Pension bei Inanspruchnahme von gesetzlicher Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich aus § 6 BetrAVG. Üblicherweise wird in der Zusage vorgesehen, dass sich die Rente wegen des früheren Zahlungsbeginns um einen bestimmten Prozentsatz kürzt. Eine Kürzung um 0,5 %/Monat = 6 %/Jahr gleicht nach einhelliger Auffassung die finanzielle Mehrbelastung des Unternehmens auf Grund des vorzeitigen Zahlungsbeginns recht gut aus. Fehlt eine aus-

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2.2.1 Bei Inanspruchnahme von gesetzlicher Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung können Sie ab deren Zahlung eine vorgezogene Pension beanspruchen. Als Nachweis ist der Rentenbescheid vorzulegen. Das Dienstverhältnis muss beendet sein. 2.2.2 Die Höhe der vorgezogenen Pension errechnet sich nach Ziff. 2.1.1. Für jeden bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung fehlenden Monat werden 0,5 % abgezogen. 2.3

Pensionszahlung bei Nichtverlängerung der Amtszeit5

2.3.1 Unabhängig vom Lebensalter wird eine Pension bezahlt, wenn Sie als Geschäftsführer der Gesellschaft nach Ablauf einer mindestens fünfjährigen Amtszeit nicht wiederbestellt werden. Das gilt nicht, wenn in Ihrer Person ein wichtiger Grund gegeben ist, der den Aufsichtsrat zur Kündigung des Dienstverhältnisses nach § 626 BGB berechtigt, oder wenn Sie eine Verlängerung Ihrer Amtszeit bzw. eine Wiederbestellung zu den bisherigen oder besseren Konditionen ablehnen. 2.3.2 Die Berechnung der Pension erfolgt nach der unter Ziff. 2.1.1 genannten Formel. Eine ratierliche Kürzung nach § 2 BetrAVG findet [nicht] statt. Auf die Pension müssen Sie sich jedoch in der Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung anrechnen lassen, was Sie durch anderweitige Verwertung Ihrer Arbeitskraft erwerben oder böswillig zu erwerben unterlassen.6 2.4

Pension wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit

2.4.1 Ab Eintritt einer vollständigen Erwerbsminderung iSv. § 43 SGB VI7 wird eine Pension wegen Erwerbsminderung gezahlt. Voraussetzung ist die Vorlage eines drückliche Kürzungsregel, kommt nach der Rechtsprechung des BAG eine doppelte ratierliche Kürzung in Betracht (BAG v. 28.3.1995, DB 1995, 1853; v. 23.3.2004, NZA 2005, 375). 5 Wird die Zahlung der Pension unabhängig von einem biologischen Ereignis lediglich von der Beendigung des Dienstverhältnisses abhängig gemacht, so liegt keine betriebliche Altersversorgung iSd. BetrAVG vor, sondern ein „Übergangsgeld“ oder „Überbrückungsgeld“ Gesetzliche Vorschriften für solche Zusagen gibt es nicht. Deshalb müssen Voraussetzungen und Höhe unbedingt möglichst präzise in der Zusage festgelegt werden. Ansonsten entstehen erfahrungsgemäß hässliche Streitigkeiten, insbesondere hinsichtlich Verfallbarkeit, ratierlicher Kürzung und Anrechnung anderweitiger Vergütung. 6 Wichtig: Fehlt eine solche Klausel, kann die ausgeschiedene Führungskraft ungehindert doppelt verdienen. Da dies nicht der Sinn eines Übergangsgeldes ist, sollte eine Anrechnung unbedingt vorgesehen werden. Fehlt sie, kommt eine Anrechenbarkeit anderweitiger Bezüge nach den Grundsätzen von Treu und Glauben etc. nicht in Betracht. Es ist Sache des Unternehmens, Versorgungszusagen eindeutig zu formulieren. Eine andere Variante ist, das Übergangsgeld nur für eine gewisse Zeit (ein oder zwei Jahre nach Dienstende) vorzusehen oder zu regeln, dass der Anspruch auf Übergangsgeld bei Antritt einer neuen Stelle entfällt. 7 Wichtig: Es war jahrzehntelang üblich, in Versorgungszusagen auf die Begriffe der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 SGB VI aF zu verweisen. Nach der Reform des Rechts der Erwerbsminderung gibt es diese Begriffe im Rentenrecht seit 2001 nicht mehr, SGB VI kennt nur noch die teilweise oder vollständige Erwerbsminderung. Die vollständige Erwerbsminderung weist eine gewisse Ähnlichkeit zur früheren Erwerbsunfähigkeit auf, wogegen die teilweise Erwerbsminderung mit der früheren Berufsunfähigkeit wegen einer gänzlich anderen gesetzlichen Systematik nichts mehr zu tun hat (ausführlich Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 173 ff.). Verwendet eine Versorgungszusage noch die alten Begriffe, so sind diese fiktiv auf der Basis des vor 2001 geltenden Rechts festzustellen (Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 175). Werden statt dessen die neuen

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fachärztlichen Gutachtens. Die Pension errechnet sich nach Ziff. 2.1.1. Eine Kürzung entsprechend Ziff. 2.2.2 findet nicht statt. 2.4.2 Mit Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung wird diese Pension nicht geändert. 2.5

Witwenpension bei Ableben des Vertragsinhabers im aktiven Dienst

2.5.1 Bei Ihrem Ableben während der aktiven Dienstzeit wird an Ihre Witwe – nicht an eine evtl. noch lebende frühere Ehefrau – eine Witwenpension gezahlt. 2.5.2 Die Witwenpension beträgt 60 % der Alters- oder Invalidenpension, die Sie im Zeitpunkt Ihres Ablebens bezogen haben oder die Sie erhalten hätten, wenn Sie in diesem Zeitpunkt erwerbsunfähig geworden wären. 2.5.3 Die Pensionszahlung beginnt ab dem der letzten Gehaltszahlung folgenden Monat. 2.5.4 Bei einer Wiederverheiratung entfällt die Witwenpension ab dem darauf folgenden Monat. 2.6

Witwenpension bei Ableben des Vertragsinhabers nach Pensionierung

2.6.1 Bei Ihrem Ableben nach Ihrer Pensionierung wird an Ihre Witwe – nicht an eine evtl. noch lebende frühere Ehefrau – eine Witwenpension gezahlt, sofern die Ehe vor der Pensionierung geschlossen wurde. 2.6.2 Die Witwenpension beträgt 60 % der zuletzt an Sie gezahlten Pension. Ist nach der Erteilung der Pensionszusage eine evtl. frühere Ehe des Vertragsinhabers aufgelöst worden, so darf der Barwert der Witwenpension nicht höher sein als der Barwert für die frühere Ehefrau gewesen wäre; gegebenenfalls wird die Witwenpension entsprechend gekürzt. 2.6.3 Die Zahlung der Pension beginnt in dem Monat, der dem Sterbemonat folgt. 2.6.4 Bei einer Wiederverheiratung entfällt die Witwenpension ab dem darauf folgenden Monat. 2.7

Waisengeld

2.7.1 Nach Ihrem Ableben während der aktiven Dienstzeit oder nach Ihrer Pensionierung wird an jedes unterhaltsberechtigte eheliche oder adoptierte Kind ein monatliches Waisengeld gezahlt. 2.7.2 Das Waisengeld beträgt für jede Halbwaise monatlich Euro 350,–, jedoch insgesamt monatlich höchstens Euro 1400,–. Für Vollwaisen verdoppeln sich Begriffe „vollständige Erwerbsminderung“ oder „teilweise Erwerbsminderung“ verwendet, stellt sich das Problem, dass die neuen gesetzlichen Erwerbsminderungsrenten grundsätzlich nur befristet geleistet werden dürfen, und zwar für längstens drei Jahre. Erst nach einer Gesamtbezugsdauer von neun Jahren werden die Renten unbefristet zuerkannt (§ 102 Abs. 2 SGB VI). Nach herrschender Auffassung kann der Arbeitgeber, der die neuen Begriffe verwendet, mit der Rentenzahlung jedoch nicht neun Jahre lang warten, sondern er muss eine unbefristete Betriebsrente wegen vollständiger oder teilweiser Erwerbsminderung auch dann gewähren, wenn die gesetzliche Rentenversicherung (zunächst) nur zeitlich befristet leistet (BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 23/09, NZA 2012, 566 und v. 9.10.2012 – 3 AZR 539/10, DB 2013, 942; Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 178; Höfer, ART Rz. 864; zu den Auslegungsproblemen zB LAG Niedersachsen v. 17.4.2009, BeckRS 2010, 66440). Deshalb ist es sinnvoll, den Beginn der Betriebsrente von der Leistungsgewährung der gesetzlichen Rentenversicherung abzukoppeln und nur auf das Vorliegen (durch Gutachten abgesichert) der Anspruchsvoraussetzungen abzustellen.

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diese Beträge. Ist an mehr als vier Waisen Waisengeld zu zahlen, so wird der jeweilige Höchstbetrag zu gleichen Bruchteilen auf die Waisen verteilt. 2.7.3 Die Zahlung des Waisengeldes wird eingestellt bei Tod der Waise, mit Eintritt der Waise in das Berufsleben, spätestens jedoch mit der Vollendung des 18. Lebensjahres; im Falle einer länger andauernden Schul- oder Berufsausbildung mit deren Beendigung, spätestens jedoch mit Vollendung des 25. Lebensjahres. Bei Halbwaisen wird das Waisengeld bei Wiederverheiratung der Mutter weitergezahlt. 2.7.4 Die Zahlung des Waisengeldes beginnt bei Ihrem Ableben während der aktiven Dienstzeit ab dem der letzten Gehaltszahlung folgenden Monat; bei Ableben nach der Pensionierung ab dem Monat, der dem Sterbemonat folgt. 3. Rückdeckungsversicherung8 Zur Rückdeckung der Versorgungsleistung aus dieser Zusage sind wir berechtigt, eine Lebensversicherung auf Ihr Leben abzuschließen. Sämtliche Rechte und Ansprüche aus diesem Versicherungsvertrag stehen ausschließlich uns zu. 4. Abtretung Die Abtretung von Anwartschaftsrechten sowie von Zahlungsansprüchen aus dem vorliegenden Vertrag ist ausgeschlossen. 5. Auszahlung Die Auszahlung von Versorgungsleistungen erfolgt durch bargeldlose Überweisung am Ende jedes Monats. 6. Versteuerung Sämtliche Versorgungsleistungen sind Brutto-Beträge, die nach Abzug gesetzlicher Steuern und Abgaben als Netto-Bezüge ausgezahlt werden. 7. Erklärungen und Nachweise Jeder Empfänger von Versorgungsleistungen aus dem vorliegenden Vertrag ist verpflichtet, dem Unternehmen die für die Errechnung und Auszahlung erforderlichen Erklärungen abzugeben und Nachweise vorzulegen. Wesentliche Änderungen des Personenstandes sind unaufgefordert mitzuteilen. 8. Vorbehalte9 Das Unternehmen behält sich vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn Sie Handlungen begehen, die in grober Weise gegen Treu 8 Rückdeckungsversicherungen werden häufig zur Refinanzierung abgeschlossen. Sie haben mit betrieblicher Altersversorgung iSd. BetrAVG nichts zu tun. Sofern Versorgungsansprüche nicht gesetzlich insolvenzgesichert sind (§ 7 BetrAVG), kann ein vertraglicher Insolvenzschutz durch die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung erreicht werden (s. M 18.10). Die Zustimmung des Mitarbeiters zum Abschluss der Rückdeckungsversicherung ist seit 2008 nach § 150 Abs. 2 VVG nicht mehr erforderlich. Wichtig: In Aufhebungsverträgen mit Führungskräften wird nicht selten vereinbart, dass das Unternehmen den Mitarbeitern die Rechte aus der Rückdeckungsversicherung abtritt und im Gegenzug sämtliche Ansprüche aus der Versorgungszusage erledigt sein sollen. Vor dieser auf den ersten Blick bestechend einfach erscheinenden Lösung kann nur gewarnt werden, da sich schwierige versicherungsmathematische, versicherungsrechtliche und steuerrechtliche Probleme stellen (insbesondere ist der volle Versicherungswert auf einen Schlag einkommensteuerpflichtig). 9 Dieser Vorbehalt ist rein deklaratorisch. Nach der Rechtsprechung ist selbst bei Fehlen eines solchen Vorbehalts der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung nach Treu und Glauben

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und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden. 9.

Vertragliche Unverfallbarkeit10 Besteht das Dienstverhältnis drei Jahre, so tritt vertragliche Unverfallbarkeit des Pensionsanspruchs ein.

... (Ort, Datum) verwirkt, wenn der Versorgungsberechtigte das Unternehmen schwer geschädigt hat oder arglistig den Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen erreicht hat. Die Einzelheiten sind höchst streitig (ausführlich dazu: Höfer, ART Rz. 435 ff.). Es ist nicht möglich, durch entsprechende Vertragsklauseln das Widerrufsrecht des Unternehmens zu erweitern und insbesondere auf weniger gravierende Pflichtverletzungen des Mitarbeiters zu erstrecken. 10 Wichtig: Ebenso wie die ratierliche Kürzung (s. Fn. 3) sollte die Frage der Verfallbarkeit/ Unverfallbarkeit in Versorgungszusagen mit Führungskräften immer ausdrücklich geregelt werden, um Streitigkeiten zu vermeiden. Enthält die Versorgungszusage keine ausdrückliche Regelung, ist im Zweifel von der Geltung der gesetzlichen Unverfallbarkeitsbestimmungen (§ 1b BetrAVG) auszugehen. Allerdings kann je nach Formulierung der Zusage auch ein Verzicht auf die Erfüllung der Unverfallbarkeitsfristen anzunehmen sein (LAG Hessen v. 21.8.1996, NZA-RR 1997, 218).

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Betriebliche Versorgungsordnung (Gesamtzusage)1, 2 §1

(1) Angehörige unseres Unternehmens, die der Belegschaft fünf Jahre angehören (Wartezeit), erhalten eine zusätzliche Alters-, Invaliden- und Witwenversorgung nach Maßgabe dieser Versorgungsordnung. Dadurch sollen unsere Mitarbeiter über die Leistungen der sozialen Rentenversicherung hinaus bei Invalidität und im Alter nach Möglichkeit vor wirtschaftlicher Sorge geschützt werden. (2) Es bleibt in das Ermessen der Geschäftsleitung gestellt, ob im Einzelfall von der Bestimmung des Abs. 1 zu Gunsten eines Betriebsangehörigen abgewichen wird. (3) Jeweils im Monat Dezember eines Geschäftsjahres wird die Geschäftsleitung denjenigen Betriebszugehörigen, die die fünfjährige Wartezeit erfüllt haben, eine entsprechende Mitteilung machen. §2 Die Versorgungsleistungen bestehen: 1 Vgl. auch die Anmerkungen zu M 18.1. 2 Besteht ein Betriebsrat, bedarf die Einführung einer Versorgungsordnung seiner Zustimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Die Zustimmung kann notfalls über die Einigungsstelle erzwungen werden (§ 87 Abs. 2 iVm. § 76 BetrVG). Wegen der erleichterten Kündbarkeit (Drei-Monats-Frist, keine Kündigungsgründe erforderlich) ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung der für den Arbeitgeber sicherste Weg der Einführung einer Versorgungsordnung.

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(1) In der Gewährung eines Altersruhegeldes – das Ruhegeld wird den Berechtigten in der Regel nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung3 auf Lebenszeit gewährt. Nimmt der Arbeitnehmer, nachdem er die Voraussetzungen dieser Versorgungsordnung erfüllt hat, das vorgezogene Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch, so kann er zum gleichen Zeitpunkt auch die betriebliche Versorgungsleistung verlangen. In diesem Fall kürzen sich die Leistungen um 0,5 % für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens. (2) In der Gewährung einer Invalidenrente – die Invalidenrente wird gewährt, wenn der Berechtigte im Dienste des Unternehmens vorzeitig vollständig erwerbsgemindert wird.4 (3) In der Gewährung einer Witwenrente/Witwerrente5 in Höhe von 50 % des Ruhegeldes 3 In der Vergangenheit war es üblich, als Beginn der Alterspension auf die „Vollendung des 65. Lebensjahrs“ abzustellen (s. Vorauflagen). Durch Gesetz v. 20.4.2007 (BGBl. I 2007, 554) wurde jedoch, beginnend mit dem Jahr 2012, die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung schrittweise von 65 Jahren (ab Geburtsjahrgang 1947) auf 67 Jahre (ab Geburtsjahr 1964) angehoben (§§ 35, 235 SGB VI). Nach der Rechtsprechung des BAG (v. 15.5.2012 – 3 AZR 11/10, DB 2012, 1756) ist bei Versorgungsordnungen, die aus der Zeit vor 2007 stammen und als Altersgrenze die Vollendung des 65. Lebensjahrs vorsehen, im Zweifel zu vermuten, dass die Parteien dynamisch auf die jeweils individuell geltende Regelaltersgrenze der gesetzlichen Sozialversicherung abstellen wollten, was zur Folge hat, dass der Arbeitnehmer, der erst nach Vollendung des 65. Lebensjahrs in Rente gehen kann, auch erst dann seine Betriebsrente bezieht (ausf. zu den damit verbundenen Problemen Diller/Beck, DB 2012, 2398). 4 Wichtig: Es war jahrzehntelang üblich, in Versorgungszusagen auf die Begriffe der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 SGB VI zu verweisen. Nach der Reform des Rechts der Erwerbsminderung gibt es diese Begriffe im Rentenrecht seit 2001 nicht mehr, SGB VI kennt nur noch die teilweise oder vollständige Erwerbsminderung. Die vollständige Erwerbsminderung weist eine gewisse Ähnlichkeit zur früheren Erwerbsunfähigkeit auf, wogegen die teilweise Erwerbsminderung mit der früheren Berufsunfähigkeit wegen einer gänzlich anderen gesetzlichen Systematik nichts mehr zu tun hat (ausführlich Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 173 ff.). Verwendet eine Versorgungszusage noch die alten Begriffe, so sind diese fiktiv auf der Basis des vor 2001 geltenden Rechts festzustellen (Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 175). Werden statt dessen die neuen Begriffe „vollständige Erwerbsminderung“ oder „teilweise Erwerbsminderung“ verwendet, stellt sich das Problem, dass die neuen gesetzlichen Erwerbsminderungsrenten grundsätzlich nur befristet geleistet werden dürfen, und zwar für längstens drei Jahre. Erst nach einer Gesamtbezugsdauer von neun Jahren werden die Renten unbefristet zuerkannt (§ 102 Abs. 2 SGB VI). Nach herrschender Auffassung kann der Arbeitgeber, der die neuen Begriffe verwendet, mit der Rentenzahlung jedoch nicht neun Jahre lang warten, sondern er muss eine unbefristete Betriebsrente wegen vollständiger oder teilweiser Erwerbsminderung auch dann gewähren, wenn die gesetzliche Rentenversicherung (zunächst) nur zeitlich befristet leistet (BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 83/09, NZA 2012, 566 und v. 9.10.2012 – 3 AZR 539/10, DB 2013, 942; Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 178; Höfer, ART Rz. 864; zu den Auslegungsproblemen zB LAG Niedersachsen v. 17.4.2009 – 3 Sa 113/08). Deshalb ist es sinnvoll, den Beginn der Betriebsrente von der Leistungsgewährung der gesetzlichen Rentenversicherung abzukoppeln und nur auf das Vorliegen (durch Gutachten abgesichert) der Anspruchsvoraussetzungen abzustellen. 5 Gegen Art. 3 Abs. 2 GG, § 1 AGG und Art. 157 AEUV verstoßen Versorgungsregelungen, die zwischen Männern und Frauen in ihren Anspruchsvoraussetzungen unterscheiden, etwa hinsichtlich des Eintrittsalters, anrechnungsfähiger Dienstzeiten, unterschiedlicher Wartezeiten oder unterschiedlicher fester Altersgrenzen. Hierzu gehören auch Hinterbliebenenversor-

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– die Witwenrente/Witwerrente wird erstmals für denjenigen Monat gezahlt, der auf das Ableben des Mannes/der Frau als aktives Betriebsmitglied oder im Ruhestand folgt, letztmals für denjenigen Monat, in dem die Witwe/der Witwer stirbt oder wieder heiratet. Ein Anspruch auf Witwenrente/Witwerrente besteht nicht, a) wenn die Ehe bei Rentenbeginn des Betriebsangehörigen oder bei Versterben im aktiven Dienst zum Todeszeitpunkt nicht mindestens zwei Jahre bestanden hat,6 b) wenn die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Ehemannes/der Ehefrau oder erst nach Eintritt des Versorgungsfalles geschlossen wurde.7 §3 (1) Als Richtsätze für die Bemessung des Ruhegeldes gelten folgende Monatsgrundbeträge: Ganztagsbeschäftigte für8 Arbeiter und Angestellte allgemein Meister Handlungsbevollmächtigte

Euro 50 75 125

Teilzeitbeschäftigte erhalten den entsprechenden Anteil des Grundbetrages.9 (2) Zu diesem Grundbetrag kommt ein monatlicher Steigerungsbetrag von 5 % des Grundbetrages für jedes nach der Wartezeit zurückgelegte volle weitere anrechnungsfähige Dienstjahr. Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis wegen Elternzeit ruht, sind nicht anrechnungsfähig.10 (3) Auf die Bestimmung des § 1 Abs. 2 wird verwiesen. §4 (1) Das Ruhegeld wird als Alters- oder Invalidenrente erst von demjenigen Zeitpunkt an gezahlt, an dem der/die Berechtigte infolge Alters oder Invalidität aus den Diensten der Firma ausscheidet. Scheidet ein Betriebsangehöriger wegen Invalidität aus, so ist der Nachweis durch amtsärztliches Zeugnis zu erbringen. (2) Ruhegeld wird nicht gewährt, wenn die Invalidität vorsätzlich herbeigeführt wurde.

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gungsbestimmungen, die nur eine Witwen-, nicht jedoch eine Witwerrente vorsehen (BAG v. 5.9.1989, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG – Hinterbliebenenversorgung). Zulässig, BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 509/08, NZA 2011, 1092. Kein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung (BAG v. 28.7.2005, DB 2006, 2018; EuGH v. 23.9.2008, NZA 2008, 1119). Der Gleichbehandlungsgrundsatz beinhaltet nur das Verbot, Arbeitnehmer willkürlich zu benachteiligen. Sachlich gerechtfertigte Differenzierungen verletzen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht. Möglich ist die Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung nur für einen beschränkten Personenkreis, der sich nach abstrakten Kriterien abgrenzen lässt, etwa für Arbeitnehmer in gehobenen Positionen, die der Arbeitgeber wegen ihrer Bedeutung für das Unternehmen in besonderem Maße entlohnen und an das Unternehmen binden will (BAG v. 12.6.1990, NZA 1990, 973). Der allgemeine Ausschluss Teilzeitbeschäftigter von den Versorgungsleistungen ist idR wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unzulässig (§ 4 TzBfG). Zulässig, BAG v. 20.4.2010, NZA 2010, 1188.

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(3) Der Empfänger einer Versorgungsleistung ist verpflichtet, der Firma von jeder Änderung der Feststellung einer Erwerbsminderung durch den Träger der Sozialversicherung umgehend und unaufgefordert Kenntnis zu geben. Die Firma kann die Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses verlangen. Versorgungsleistungen, die unberechtigt bezogen worden sind, müssen zurückgezahlt werden. §5 (1) Die Versorgungsleistungen werden in monatlichen Raten vorschüssig gezahlt. (2) Auf die Versorgungsleistungen werden andere Renten, die der Berechtigte bezieht, nicht angerechnet. (3) Die Versorgungsleistungen gemäß dieser Versorgungsordnung können von dem Bezugsberechtigten weder verpfändet noch abgetreten werden. Derartige Abmachungen sind der Firma gegenüber nichtig. Im Falle der Pfändung erlöschen die Versorgungsansprüche in Höhe des gepfändeten Betrages für den von der Pfändung betroffenen Zeitraum. Dies gilt nicht bei Pfändungen wegen Unterhaltsansprüchen, die Verwandten, früheren Ehegatten oder nichtehelichen Kindern kraft Gesetzes gegen den Berechtigten zustehen. (4) Versorgungsleistungen werden nicht gezahlt und die Zahlung bereits laufender Renten wird eingestellt, wenn der Bezieher ein Verhalten zeigt, das zur fristlosen Kündigung11 des Arbeitsverhältnisses berechtigt hätte. §6 (1) Die Firma behält sich vor, diese Versorgungsordnung jederzeit zu ändern oder einzuschränken, sofern sachliche Gründe dafür vorliegen. Insbesondere steht diese Versorgungsordnung unter Vorbehalt der nachträglichen Änderung, Einschränkung oder Aufhebung durch eine Betriebsvereinbarung.12 (2) Die Firma behält sich insbesondere vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Versorgungszusage maßgeblichen Verhältnisse sich nach11 Nach Auffassung des BAG (v. 3.4.1990, NZA 1990, 808 und v. 8.5.1990, BB 1990, 1910; vgl. auch BGH v. 19.12.1983, AG 1984, 150 und v. 18.12.1980, BB 1981, 1971) ist der Widerruf nur zulässig, wenn die Treupflichtverletzung so schwer wiegt, dass sich die erbrachte Betriebszugehörigkeit im Nachhinein als wertlos herausstellt. Ein Arbeitnehmer handelt aber arglistig, wenn er sich auf die Unverfallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaft beruft, obwohl er die erforderliche Betriebszugehörigkeitsdauer nur durch das Vertuschen schwerer Verfehlungen erreichen konnte; in einem solchen Fall kann der Arbeitgeber die Versorgungszusage widerrufen, sobald die Verfehlungen zu seiner Gewissheit festgestellt sind (BAG v. 8.2.1983, BB 1983, 1100). Kommt ein Widerruf wegen grober Treuwidrigkeit trotz der sehr restriktiven Rechtsprechung ausnahmsweise in Betracht, so wird er im Allgemeinen nur unverzüglich nach Bekanntwerden der Widerrufsgründe ausgeübt werden können. In entsprechender Anwendung von § 626 Abs. 2 BGB sollte der Widerruf innerhalb von zwei Wochen erfolgen. 12 Wichtig: Durch diese Klausel wird erreicht, dass die Versorgungsordnung „betriebsvereinbarungsoffen“ ist, also durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung eingeschränkt werden kann. Fehlt ein entsprechender Vorbehalt und ist eine als Gesamtzusage wirkende Versorgungsordnung deshalb nicht „betriebsvereinbarungsoffen“, so kann die Versorgungsordnung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung nur in den Grenzen des „kollektiven Günstigkeitsprinzips“ modifiziert werden; die neue Versorgungsregelung darf insgesamt nicht finanziell geringer dotiert sein als die alte (BAG GS v. 16.9.1986, BAGE 53, 42, 76).

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haltig so wesentlich verschlechtert haben, dass der Firma die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange der Versorgungsberechtigten nicht mehr zumutbar ist.13 §7 Jeder Betriebsangehörige, dem die in § 1 Abs. 3 vorgesehene Mitteilung zugeht, hat durch Unterschrift sein Einverständnis mit der Versorgungsordnung zu erklären. §8 (1) Diese Versorgungsordnung tritt am . . . in Kraft. Sie gilt nur für diejenigen Arbeitnehmer, die nach diesem Zeitpunkt in das Unternehmen eintreten. Für diejenigen Betriebsangehörigen, die vor dem . . . eingetreten sind, gilt die Pensionsordnung vom . . . weiter. (2) Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. Die Firma ist vor allem verpflichtet, die Versorgungsansprüche beim Pensions-Sicherungs-Verein gegen Fälle der Insolvenz der Firma abzusichern. 13 Dieser allgemeine Vorbehalt, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert, dass dem Unternehmen eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann, enthält nur den Hinweis auf Kürzungs- oder Widerrufsmöglichkeiten wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (BAG v. 22.4.1988, DB 1988, 2311). Der Widerruf zur Durchsetzung einer neuen Leistungsordnung ist im Übrigen nur wirksam, wenn der Arbeitgeber zuvor das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beachtet hat (BAG v. 22.4.1988, DB 1988, 2311).

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Satzung einer Unterstützungskasse in der Rechtsform eines e.V.1 Satzung der X-Hilfe e.V. in . . .

1 Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der betrieblichen Altersversorgung (umfassend Höfer, ART Rz. 749 ff.) können bei Unterstützungskassen auf zwei verschiedene Arten gewahrt werden. Bei der so genannten „zweistufigen“ Lösung muss der Arbeitgeber zunächst mit dem Betriebsrat Einigkeit über alle mitbestimmungspflichtigen Fragen erzielen. Ist die Einigung erzielt, hat der Arbeitgeber sodann mit Hilfe seines Einflusses auf die Organe der Unterstützungskasse dafür zu sorgen, dass die Unterstützungskasse die mit dem Betriebsrat vereinbarte Regelung übernimmt. Bei der zweistufigen Lösung wird der Arbeitgeber deshalb die Satzung der Unterstützungskasse so ausgestalten, dass er dort problemlos seinen (bzw. den vorab mit dem Betriebsrat abgestimmten) Willen durchsetzen kann. Dies geschieht beispielsweise durch ein Alleinentscheidungsrecht des Vorstands der Kasse, der wiederum allein von der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens bestimmt wird. Praktikabler als die zweistufige Lösung ist dagegen die einstufige Lösung (ausführlich dazu BAG v. 13.7.1978, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG Altersversorgung). Bei der einstufigen Lösung

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I. Name, Sitz und Zweck des Vereins § 1 Name, Sitz, Eintragung Der Verein führt den Namen „X-Hilfe eingetragener Verein“. Der Verein hat seinen Sitz in . . . und ist in das Vereinsregister des Amtsgerichts . . . eingetragen. § 2 Vereinszweck Der Verein ist eine soziale Einrichtung der X und Söhne GmbH mit Sitz in . . . (Trägerunternehmen). Er hat den ausschließlichen Zweck, den nach Abs. 2 Begünstigten in Fällen der Not, des Alters, der Erwerbsunfähigkeit oder des Todes einmalige, wiederholte oder laufende Unterstützungen zu gewähren, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Personen Vereinsmitglieder sind oder nicht. Als Begünstigte kommen in Betracht: 1. Betriebsangehörige des Trägerunternehmens, 2. frühere Betriebsangehörige, 3. Angehörige der in Nr. 1 und 2 genannten Personenkreise. Begünstigt nach Nr. 1 und 2 sind in allen Fällen jedoch nur diejenigen Betriebsangehörigen, die bis spätestens . . . in die Dienste des Trägerunternehmens eingetreten sind. Nach dem . . . neu eintretende Betriebsangehörige sind nicht mehr begünstigt. II. Mitgliedschaft § 3 Kreis der Mitglieder Dem Verein können als Mitglieder angehören, a) das Trägerunternehmen, b) Betriebsangehörige des Trägerunternehmens, die seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen im Dienst des Trägerunternehmens stehen. Die Mehrzahl aller Vereinsmitglieder muss aus dem Kreis der Betriebsangehörigen stammen. Die Zahl der Vereinsmitglieder soll zehn nicht übersteigen.2 § 4 Erwerb der Mitgliedschaft Die Aufnahme von Vereinsmitgliedern erfolgt durch den Vorstand im Einvernehmen mit dem Ausschuss auf Grund eines schriftlichen Antrages. wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats dadurch erreicht, dass diesem ein paritätischer Einfluss in den Organen der Unterstützungskasse eingeräumt wird. Die Mitbestimmung wird dann unmittelbar dadurch verwirklicht, dass sich die vom Betriebsrat bestimmten oder entsandten Vertreter in den Kassengremien mit den übrigen Gremienvertretern einigen müssen (notfalls entscheidet die Einigungsstelle). Das vorliegende Muster ist nach der einstufigen Lösung strukturiert. Der Ausschuss wird allein vom Betriebsrat besetzt, und ohne Zustimmung des Ausschusses können die Leistungsrichtlinien nicht festgelegt oder geändert werden. 2 Es ist weder erforderlich noch sinnvoll, dass alle rentenberechtigten Mitarbeiter Vereinsmitglied werden.

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§ 5 Beitragspflicht Die Vereinsmitglieder haben keine Beiträge zu entrichten. §6

Verlust der Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft erlischt durch a) Tod des Vereinsmitglieds; b) Austritt aus dem Verein. Der Austritt ist jederzeit zulässig; er ist schriftlich gegenüber dem Verein zu erklären; c) Ausscheiden aus dem in § 3 Abs. 1 lit. b bestimmten Personenkreis; d) Ausschluss aus dem Verein. Der Ausschluss ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein grober Verstoß gegen die Interessen oder die Betriebsordnung des Trägerunternehmens, Erstattung unrichtiger Angaben zur Erlangung einer Unterstützung, missbräuchliche Verwendung einer Unterstützung. III. Vereinsorgane §7

Organe

Vereinsorgane sind: a) der Vorstand, b) der Ausschuss, c) die Mitgliederversammlung. 1. Vorstand §8

Zusammensetzung, Bestellung und Beendigung des Amts des Vorstands

Der Vorstand besteht aus zwei Personen, die von der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens bestellt und abberufen werden. Außer durch Abberufung endet das Amt eines Vorstandsmitglieds durch Tod, durch Amtsniederlegung, die jederzeit zulässig ist, sowie durch Ausscheiden aus den Diensten des Trägerunternehmens. § 9 Aufgaben des Vorstands Der Vorstand führt die Geschäfte des Vereins. Er verwaltet das Vereinsvermögen und verwendet es entsprechend dem Vereinszweck. Er beschließt in allen Fällen, in denen die Mitgliederversammlung nicht ausdrücklich zur Entscheidung berufen ist, insbesondere über die Gewährung und Festsetzung der Höhe einer Zuwendung. Er hat seine Entscheidungen schriftlich niederzulegen und zu unterzeichnen. Zu Entscheidungen über die Aufnahme und den Ausschluss von Vereinsmitgliedern sowie zu allen Maßnahmen, die die Verwaltung des Vereins, insbesondere die Anlage des Vereinsvermögens und die Gewährung von Unterstützungen betreffen, bedarf er der Zustimmung des Ausschusses. Der Vorstand übt seine Tätigkeit ehrenamtlich aus. Diller

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§ 10

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Vertretung des Vereins

Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich, und zwar ist jedes Vorstandsmitglied zur alleinigen Vertretung des Vereins berechtigt. 2. Ausschuss § 11

Zusammensetzung des Ausschusses, Bestellung und Beendigung des Amts der Ausschussmitglieder

Der Ausschuss besteht aus drei Mitgliedern des Betriebsrates des Trägerunternehmens, die vom Betriebsrat bestellt und abberufen werden. Außer durch Abberufung endet das Amt eines Ausschussmitgliedes durch Amtsniederlegung, die jederzeit zulässig ist, sowie durch Ausscheiden aus dem Betriebsrat des Trägerunternehmens. Die Ausschussmitglieder brauchen nicht zugleich Vereinsmitglieder zu sein. § 12 Aufgaben des Ausschusses Der Ausschuss hat die Aufgabe, den Vorstand zu unterstützen und bei allen Maßnahmen des Vorstandes, die die Verwaltung des Vereins sowie die Aufnahme und den Ausschluss von Vereinsmitgliedern betreffen, mitzubestimmen. Zur Vertretung des Vereins ist der Ausschuss nicht berechtigt. Der Ausschuss beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit. Die Beschlüsse sind schriftlich niederzulegen und von den Ausschussmitgliedern zu unterzeichnen. Die Ausschussmitglieder üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. 3. Mitgliederversammlung § 13

Aufgaben der Mitgliederversammlung

Der Mitgliederversammlung sind vorbehalten a) Satzungsänderungen, b) Entlastung des Vorstandes und des Ausschusses, c) Auflösung des Vereins. § 14

Einberufung

Mitgliederversammlungen sind einzuberufen a) alljährlich innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres zur Entgegennahme von Erklärungen des Vorstands und des Ausschusses, insbesondere des Jahresberichts und der Jahresabrechnung sowie zur Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands und des Ausschusses; b) wenn das Interesse des Vereins es erfordert; c) wenn der Ausschuss oder mindestens 40 % der Vereinsmitglieder die Einberufung unter Angabe des Zwecks beantragt. Die Einberufung der Mitgliederversammlung erfolgt durch ein Vorstandsmitglied.

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§ 15

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Vorsitz und Beschlussfassung

Den Vorsitz in der Mitgliederversammlung führt ein Vorstandsmitglied. Die Beschlüsse bedürfen grundsätzlich der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Beschlüsse über Satzungsänderungen und Änderungen des Vereinszwecks bedürfen einer Mehrheit von 3/ 4 der erschienenen Mitglieder und werden nur wirksam, wenn vom zuständigen Finanzamt bestätigt wird, dass durch diese Beschlüsse die Steuerbefreiung des Vereins nicht berührt wird. Beschlüsse über die Auflösung des Vereins bedürfen der Mehrheit von 3/ 4 der erschienenen Mitglieder und außerdem der Zustimmung des Trägerunternehmens. Die Beschlüsse sind schriftlich niederzulegen und von dem Vorsitzenden zu unterzeichnen. IV. Vereinsvermögen und Leistungen des Vereins § 16

Vereinsvermögen3

Die zur Erfüllung des Vereinszwecks notwendigen Mittel werden ausschließlich aus freiwilligen Zuwendungen des Trägerunternehmens und den Erträgnissen dieser Zuwendungen aufgebracht. Die Betriebsangehörigen des Trägerunternehmens dürfen zu Leistungen irgendwelcher Art nicht herangezogen werden. Das Vereinsvermögen und die Einkünfte hieraus dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke des Vereins verwendet werden. Auf Verlangen des Trägerunternehmens hat jedoch der Verein vom Wert des Vereinsvermögens den Teilbetrag an das Trägerunternehmen abzuführen, mit dem der Verein im laufenden Geschäftsjahr steuerpflichtig ist oder würde. Das Vereinsvermögen ist nach Maßgabe der für steuerbegünstigte Unterstützungseinrichtungen geltenden Vorschriften anzulegen. Soweit es hiernach zulässig ist, ist das Vereinsvermögen in erster Linie dem Trägerunternehmen als Darlehen zur Verfügung zu stellen. § 17

Leistungen des Vereins

Der Verein kann folgende Leistungen gewähren a) einmalige oder wiederholte Unterstützungen an Betriebsangehörige, wenn der Betriebsangehörige durch Erkrankung, Betriebsunfall, Arbeitslosigkeit, Geburts-, Krankheits- oder Sterbefälle in seiner Familie in unverschuldete Not geraten ist; 3 Die finanzielle Ausstattung der Unterstützungskasse erfolgt überwiegend durch Zuwendungen des Trägerunternehmens, durch Vermögenserträge und ggf. auch durch Leistungen Dritter (Höfer, ART Rz. 170). Reichen die Mittel der Unterstützungskasse nicht aus, um die laufenden Zuwendungen an die Begünstigten zu erbringen, so haftet das Trägerunternehmen den Begünstigten unmittelbar (Höfer, ART Rz. 75). Wird das Trägerunternehmen zahlungsunfähig und liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 BetrAVG vor, hat zunächst die Unterstützungskasse, soweit diese noch Vermögen hat, die ihr aus dem Rechtsverhältnis zu den Arbeitnehmern obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen. Hat die Unterstützungskasse infolge der Zahlungsunfähigkeit des Trägerunternehmens auch kein Vermögen mehr, greift unter den Voraussetzungen des § 7 BetrAVG der Insolvenzschutz ein. Bei Eintreten des Versicherungsfalls gehen das Vermögen der Unterstützungskasse und die Forderungen der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber nach § 9 Abs. 3 BetrAVG auf den Pensions-Sicherungs-Verein über.

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M 18.3

b) ein einmaliges Sterbegeld an die Angehörigen eines verstorbenen Betriebsangehörigen; c) Altersrente nach dem Ausscheiden aus den Diensten des Trägerunternehmens nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung oder Invalidenrente im Falle dauernder, vollständiger Erwerbsminderung.4 Voraussetzung der Gewährung einer Rente ist eine Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren. d) Witwenrente, wenn der verstorbene Betriebsangehörige zur Zeit seines Todes Altersoder Erwerbsunfähigkeitsrente bezog oder die Voraussetzungen hierfür erfüllt hätte; e) Waisenrente an eheliche oder an Kindes statt angenommene Kinder eines verstorbenen Betriebsangehörigen, der zur Zeit seines Todes Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente bezog oder die Voraussetzungen hierfür erfüllt hätte. Begünstigt sind ausschließlich die in § 2 genannten Personen. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen ist, dass die Betriebsangehörigen, die früheren Betriebsangehörigen oder deren Angehörige begünstigt iSd. § 2 Abs. 2 sind. Die durch die einschlägigen steuerlichen Bestimmungen gezogenen Grenzen hinsichtlich der Höhe der Leistungen dürfen nicht überschritten werden. Die Mehrzahl der Leistungsempfänger darf sich nicht aus den Gesellschaftern des Trägerunternehmens sowie deren Angehörigen zusammensetzen. Die Entscheidung über die Gewährung und die Höhe einer Zuwendung trifft der Vorstand im Einvernehmen mit dem Ausschuss nach billigem Ermessen. Vorstand und Ausschuss können Richtlinien aufstellen. Der Vorstand kann im Einzelfall, wenn besondere Umstände vorliegen, von den Richtlinien abweichen (insbesondere bei der Dienstzeitanrechnung) und wiederkehrende Leistungen erhöhen, herabsetzen oder einstellen. Eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen kommt insbesondere im Fall einer wirtschaftlichen Notlage des Trägerunternehmens in Betracht. Das Trä4

Wichtig: Es war jahrzehntelang üblich, in Versorgungszusagen auf die Begriffe der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 SGB VI zu verweisen. Nach der Reform des Rechts der Erwerbsminderung gibt es diese Begriffe im Rentenrecht seit 2001 nicht mehr, SGB VI kennt nur noch die teilweise oder vollständige Erwerbsminderung. Die vollständige Erwerbsminderung weist eine gewisse Ähnlichkeit zur früheren Erwerbsunfähigkeit auf, wogegen die teilweise Erwerbsminderung mit der früheren Berufsunfähigkeit wegen einer gänzlich anderen gesetzlichen Systematik nichts mehr zu tun hat (ausführlich Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 173 ff.). Verwendet eine Versorgungszusage noch die alten Begriffe, so sind diese fiktiv auf der Basis des vor 2001 geltenden Rechts festzustellen (Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 175). Werden statt dessen die neuen Begriffe „vollständige Erwerbsminderung“ oder „teilweise Erwerbsminderung“ verwendet, stellt sich das Problem, dass die neuen gesetzlichen Erwerbsminderungsrenten grundsätzlich nur befristet geleistet werden dürfen, und zwar für längstens drei Jahre. Erst nach einer Gesamtbezugsdauer von neun Jahren werden die Renten unbefristet zuerkannt (§ 102 Abs. 2 SGB VI). Nach herrschender Auffassung kann der Arbeitgeber, der die neuen Begriffe verwendet, mit der Rentenzahlung jedoch nicht neun Jahre lang warten, sondern er muss eine unbefristete Betriebsrente wegen vollständiger oder teilweiser Erwerbsminderung auch dann gewähren, wenn die gesetzliche Rentenversicherung (zunächst) nur zeitlich befristet leistet (BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 83/09, NZA 2012, 566 und v. 9.10.2012 – 3 AZR 539/10, DB 2013, 942; Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 178; Höfer, ART Rz. 864; zu den Auslegungsproblemen zB LAG Niedersachsen v. 17.4.2009 – 3 Sa 113/08). Deshalb ist es sinnvoll, den Beginn der Betriebsrente von der Leistungsgewährung der gesetzlichen Rentenversicherung abzukoppeln und nur auf das Vorliegen (durch Gutachten abgesichert) der Anspruchsvoraussetzungen abzustellen.

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M 18.3

Kap. 18

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gerunternehmen kann die Richtlinien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten auf das Ende eines jeden Geschäftsjahres des Vereins kündigen. § 18

Ausschluss und Kürzung von Leistungen

Leistungen werden nicht, nicht mehr oder nur noch teilweise gewährt, wenn der Begünstigte gegen die Interessen des Trägerunternehmens oder des Vereins handelt. Dies gilt zB auch im Falle vorsätzlicher Herbeiführung der Erwerbsminderung. § 19

Ausschluss des Rechtsanspruchs

Die Leistungsempfänger haben keinen Rechtsanspruch auf Leistungen des Vereins. Auch durch wiederholte oder regelmäßige Zahlungen von Unterstützungen wird kein Rechtsanspruch begründet. Alle Zahlungen erfolgen freiwillig und mit der Möglichkeit jederzeitigen Widerrufs. Jeder Leistungsempfänger von einmaligen Zuwendungen hat bei der Entgegennahme des Betrags, jeder Leistungsempfänger von laufenden Leistungen hat bei der erstmaligen Auszahlung folgende Erklärung zu unterschreiben: „Es ist mir bekannt, dass alle Leistungen aus der X-Hilfe e.V. in . . . freiwillig gewährt werden und dass mir auch durch wiederholte oder regelmäßig wiederkehrende Leistungen weder ein Anspruch gegen die X-Hilfe e.V. noch gegen die X und Söhne GmbH in . . . erwächst. Mit dieser Regelung bin ich einverstanden. ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift)“

V. Geschäftsjahr und Rechnungslegung § 20 Geschäftsjahr Das Geschäftsjahr des Vereins ist das jeweilige Geschäftsjahr des Trägerunternehmens. § 21

Rechnungslegung

Der Vorstand hat für jedes abgelaufene Geschäftsjahr eine Rechnungslegung zu erstellen und diese mit dem Geschäftsbericht dem Ausschuss und der Mitgliederversammlung vorzulegen. VI. Vermögensanfall und Liquidation im Falle der Auflösung des Vereins § 22 Vermögensanfall Im Falle der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit verfällt das Vereinsvermögen an die Leistungsempfänger. Leistungsempfänger iSd. Abs. 1 sind a) Betriebsangehörige, bei denen im Zeitpunkt der Auflösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit die Voraussetzungen für die Gewährung einmaliger oder laufender Unterstützungen erfüllt sind, b) frühere Betriebsangehörige oder deren Hinterbliebene, die im maßgeblichen Zeitpunkt laufende Unterstützungen beziehen.

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Kap. 18

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M 18.4

Die Verteilung erfolgt durch die Liquidatoren im Einvernehmen mit dem Ausschuss unter Zugrundelegung eines nach sozialen Gesichtspunkten aufzustellenden Verteilungsplans. § 23

Liquidation

Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand im Einvernehmen mit dem Ausschuss. Die §§ 8 bis 12 gelten während der Liquidation entsprechend. VII. Sonstiges § 24

Öffentliche Bekanntmachungen

Soweit öffentliche Bekanntmachungen zu erfolgen haben, geschehen sie in dem für Veröffentlichungen des zuständigen Registergerichts bestimmten Blatt.

18.4

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Gehaltsumwandlungs-Vereinbarung

Zwischen . . . (Gesellschaft) und Herrn/Frau . . . (Mitarbeiter) wird in Ergänzung und Änderung des Arbeitsvertrages vom . . . mit Wirkung ab . . . Folgendes vereinbart: §1

Versorgungszusage

Die Gesellschaft gewährt dem Mitarbeiter eine Versorgungszusage gemäß Anlage 1 zu dieser Vereinbarung.1 §2

Gehaltsverzicht

Im Gegenzug zu der gemäß § 1 erteilten Versorgungszusage verzichtet der Mitarbeiter auf Gehaltsansprüche in Höhe von Euro . . . monatlich.2, 3 1 Die Versorgung wird üblicherweise als Direktzusage (vgl. M 18.1) gewährt, verbreitet ist auch der Abschluss einer Direktversicherung. 2 Um die steuerlichen Vorteile der Gehaltsumwandlung sicherzustellen, muss der Arbeitnehmer auf Entgeltansprüche verzichten, für die bereits eine Rechtsgrundlage besteht, die aber noch nicht erdient sind. Dafür reicht es zum einen nicht aus, wenn die Versorgung lediglich „Gegenleistung“ für besonderen Einsatz oder freiwillig geleistete Überstunden ist, weil es dann noch an einer Rechtsgrundlage fehlt (BAG v. 14.1.2009, NZA 2010, 226). Andererseits darf der Anspruch noch nicht zugeflossen sein. 3 Gemäß § 1a BetrAVG hat der Arbeitnehmer Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Errichtung einer Gehaltsumwandlungsversorgung in Höhe von max. 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung.

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Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Der Gehaltsverzicht bleibt für Gehaltserhöhungen sowie gehaltsabhängige Leistungen wie zB Zuschläge, Gratifikationen, Jubiläumsgelder, arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusagen etc. außer Betracht. Die Gesellschaft zahlt dem Mitarbeiter [ab dem . . .] einen monatlichen Zuschuss zur Entgeltumwandlung von Euro . . .4 Dieser Zuschuss kann mit eventuellen zukünftigen tarifvertraglichen oder per Betriebsvereinbarung festgelegten Zuschüssen verrechnet werden. § 3 Insolvenzsicherung Die Gesellschaft sichert die Versorgungsleistungen durch Zahlung der Beiträge zum Pensionssicherungsverein.5 §4

Neuverhandlung

Sollten sich die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die bei Abschluss dieser Vereinbarung galten, wesentlich ändern, werden die Parteien mit dem Ziel einer sachgerechten Neuregelung verhandeln.6 § 5 Sonstiges Im Übrigen bleibt der Anstellungsvertrag unverändert. ... (Unterschriften) 4 Häufig zahlen Arbeitgeber einen – freiwilligen – Zuschuss, zB von 20 % der jeweiligen Entgeltumwandlung, weil sie in gleicher Höhe Sozialabgaben sparen. Dabei wird häufig vorgesehen, dass der Zuschuss erst nach einer gewissen Wartezeit gezahlt wird, zB ab Beendigung der Probezeit. 5 Die Regelung ist deklaratorisch, da die Beitragspflicht des Arbeitgebers nach § 10 BetrAVG bereits kraft Gesetzes besteht. 6 Der Vorteil der Gehaltsumwandlungs-Versorgung liegt darin, dass die verzichteten Gehaltsbestandteile steuer- und sozialversicherungsfrei sind. Zwar muss der Arbeitnehmer später die Versorgungsleistungen versteuern, dies aber regelmäßig mit einem niedrigeren Steuersatz. Die Beitragsfreiheit ist auf 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung begrenzt.

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Unverfallbarkeitsbescheinigung nach § 4a BetrAVG für unmittelbare Versorgungszusage1, 2 Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . .,

1 Die Versorgungszusage kann auch im Rahmen einer Versorgungsordnung bzw. Ruhegeld-Betriebsvereinbarung erfolgt sein. 2 Im Muster ist der Rechenweg sehr ausführlich dargestellt. Nach dem Gesetz ist eine derart detaillierte Auskunft nicht erforderlich; es reicht die Mitteilung des Endbetrags der Rente.

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18.5

Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.5

wir bescheinigen Ihnen hiermit gemäß § 4a des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 (BetrAVG), dass Sie auf Grund der Versorgungszusage vom . . . einen unverfallbaren Anspruch erworben haben. Der Anspruch wird mit Vollendung des 67. Lebensjahres3 fällig. Seine Höhe bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes. Danach haben Sie einen Anspruch in Höhe des Teils der Leistung, die Sie bekommen würden, wenn Sie bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres in unserem Betrieb geblieben wären, der dem Verhältnis der Dauer Ihrer tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zu der Dauer Ihrer bis zur Vollendung Ihres 67. Lebensjahres rechnerisch möglichen Betriebszugehörigkeit entspricht.4 1. Da Sie bei uns am . . . eingetreten und am . . . ausgeschieden sind und am . . . das 67. Lebensjahr vollenden, entspricht das Verhältnis Ihrer tatsächlichen Betriebszugehörigkeit von . . . Jahren und . . . Monaten (= . . . Monaten) zu Ihrer bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres möglichen Betriebszugehörigkeit von . . . Jahren und . . . Monaten (= . . . Monaten) einem Verhältnis von . . . zu . . . = . . . %. 2. Wären Sie bis zur Vollendung Ihres 67. Lebensjahres bei uns geblieben, hätten Sie auf Grund der Versorgungszusage vom . . . einen Anspruch auf Altersruhegeld in Höhe von Euro . . . gehabt. Darauf steht Ihnen ein Teilanspruch, herabgesetzt auf . . . % (nach dem Verhältnis der Betriebszugehörigkeit gemäß Nr. 1) zu. Ihr bei Vollendung des 67. Lebensjahres fällig werdender Teilanspruch auf Altersruhegeld beträgt somit . . . % von Euro . . . = Euro . . . 3. Sollten Sie vorzeitiges Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen und daraufhin nach § 6 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung auch das betriebliche Altersruhegeld vorzeitig beziehen wollen, müsste der Teilanspruch neu berechnet werden, da dann nach § . . . unserer Versorgungszusage Abschläge vorzunehmen sind, die pro Monat . . . % der Leistung betragen. 4. Der Betrag für das Altersruhegeld ist auch Grundlage für nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung fällig werdende Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung. 5. Ihr unverfallbarer Anspruch auf Invaliden- und vorzeitige Hinterbliebenenleistungen nach §§ . . . unserer Versorgungszusage bestimmt sich nach dem grundsätzlich gleichen Rechenverfahren, das für das Altersruhegeld gilt, vorausgesetzt, dass bei Eintritt des Versorgungsfalles die Wartezeit erfüllt ist. Ihr Teilanspruch bzw. der Teilanspruch Ihrer Hinterbliebenen darauf beträgt ebenfalls . . . ./. . . . = . . . % der Leistung, die Sie oder Ihre Hinterbliebenen erhalten würden, wenn Sie nicht vorzeitig ausgeschieden wären. Der gegenwärtig erreichte unverfallbare Anspruch auf eine Invalidenrente beträgt (nach Vollendung der Wartezeit) Euro . . . Wir bitten Sie, sich zu gegebener Zeit wegen des Altersruhegeldes an uns zu wenden. Das Gleiche gilt entsprechend für einen etwaigen Anspruch auf Invaliden- und Hinterbliebenenleistungen.

3 Sieht die Versorgungszusage eine andere Altersgrenze vor, so ist diese einzusetzen. 4 Sog. „m/n-Verfahren“. Dabei wäre ggf. auch eine andere Altersgrenze zu berücksichtigen.

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M 18.6

Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

Den Empfang dieser Auskunft bitten wir auf der beigefügten Zweitschrift zu bestätigen. Irrtümer bleiben vorbehalten.5 ... (Ort/Datum)

... (Unterschrift des Arbeitgebers)

Zusatz für Duplikat: Ich bestätige, diese Auskunft nach § 4a BetrAVG erhalten zu haben. ... (Ort/Datum) 5

... (Unterschrift des Arbeitnehmers)

Wichtig: Die Auskunft dient grundsätzlich nur der Information des Mitarbeiters. Mit der Auskunft wird zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber kein selbständiges Schuldverhältnis begründet. Die Auskunft ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG auch weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis (BAG v. 9.12.1997, DB 1998, 2331). Es schadet aber nichts, dies zur Klarstellung in der Auskunft ausdrücklich zu vermerken. Aus der Unverbindlichkeit der Auskunft ergibt sich im Übrigen, dass es bei Streit über die Höhe der aufrechtzuerhaltenden Anwartschaft keinen Sinn macht, auf Änderung der Auskunft zu klagen (so aber noch das Muster bei Schaub, Beck’sches Prozessformularbuch, 9. Aufl. 2002, IV A 14, S. 1436). Ein Obsiegen im Prozess nützt nämlich dem Arbeitnehmer gar nichts, da die erstrittene geänderte Auskunft nach § 4a BetrAVG nicht konstitutiv wäre. Abgesehen davon darf nach der Rechtsprechung des BAG (v. 9.12.1997, DB 1998, 2331) der Arbeitgeber bei der Auskunft so lange von den seiner Ansicht nach geltenden Regelungen ausgehen, wie nicht der Inhalt der Versorgungsansprüche durch Einigung der Parteien oder rechtskräftige gerichtliche Entscheidung in der Sache anders festgestellt ist.

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Abfindungsverlangen des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 2 BetrAVG1, 2 Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . .,

1 Nach der seit 1999 geltenden Neuregelung des § 3 BetrAVG ist die Abfindung von Kleinstanwartschaften, bei denen der laufende Monatsbetrag 1 % der Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV nicht übersteigt, auch gegen den Willen des Arbeitnehmers zulässig. Die Abfindung kann schon beim Ausscheiden, während des Anwartschaftszeitraums oder erst mit Rentenbeginn erfolgen. Maßgeblich für die Berechnung des Abfindungsbetrages ist § 3 Abs. 2 BetrAVG; entgegen dem Wortlaut von § 3 Abs. 2 BetrAVG kommt es für die Bemessung auf den Barwert im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis an (Höfer, § 3 Rz. 2139; Blomeyer/Rolfs/ Otto, § 3 Rz. 83; Doetsch/Förster/Rühmann, DB 1998, 260). Unklar ist noch, auf welche Weise der Arbeitgeber das Abfindungsverlangen durchsetzen muss. Unseres Erachtens ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer notfalls auf Zustimmung zu einem Abfindungsvertrag verklagt mit der Folge, dass erst mit Rechtskraft des Urteils gemäß § 894 ZPO die Abfindungsvereinbarung zustande kommt. Das wäre insbesondere misslich, wenn der Arbeitgeber erst bei Erreichen der Altersgrenze mit dem Abfindungsverlangen an den Arbeitgeber herantritt, da dann während des Prozesses die laufenden Renten weiter gezahlt werden müssten, was dann ggf. eine Rückabwicklung erfordern würde. Vorzugswürdig ist deshalb die Auffassung, dass § 3 Abs. 2 BetrAVG dem Arbeitgeber ein einseitiges Gestaltungsrecht einräumt. 2 Bei Kapitalleistungen beträgt die Abfindungsgrenze 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV.

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wie Sie aus unserer Bescheinigung vom . . . nach § 4a des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) über die Höhe Ihrer unverfallbaren Ansprüche aus unserer betrieblichen Altersversorgung ersehen, beträgt Ihr unverfallbarer Anspruch auf eine Altersrente, die im Alter . . . einsetzt, Euro . . . monatlich. Der Gesetzgeber hat in § 3 Abs. 2 BetrAVG vorgesehen, dass so genannte „Kleinrenten“ auf Verlangen des Arbeitgebers durch Zahlung einer einmaligen Abfindung abgelöst werden können, wenn die monatliche Rente geringer ist als 1 % der Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV. Diese Grenze liegt derzeit bei Euro . . . Da Ihre Rente niedriger ist,3 machen wir zur Reduzierung unseres Verwaltungsaufwandes von dieser Abfindungsmöglichkeit Gebrauch. Der gemäß § 4 Abs. 5 BetrAVG versicherungsmathematisch ermittelte Abfindungsbetrag Ihrer Anwartschaft beträgt Euro . . . Diesen Betrag werden wir innerhalb der nächsten zwei Wochen nach Abzug der anfallenden Steuern4 auf das uns bekannte frühere Gehaltskonto überweisen. Bitte teilen Sie uns mit, wenn dieses Konto nicht mehr besteht. Mit der Auszahlung des Abfindungsbetrages sind Ihre Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung gegen unser Unternehmen endgültig erledigt. Sie können die Abfindung Ihrer Anwartschaft vermeiden, wenn Sie von Ihrem Recht auf Übertragung der Anwartschaft nach § 4 Abs. 3 BetrAVG auf Ihren neuen Arbeitgeber Gebrauch machen. Bitte teilen Sie uns innerhalb der nächsten zwei Wochen mit, ob Sie dies wollen.5 Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) 3 Für die Frage, ob die Abfindungsgrenzen erreicht sind, ist auf den Abfindungszeitpunkt abzustellen, nicht auf den Ausscheidenszeitpunkt (Doetsch/Förster/Rühmann, DB 1998, 260). 4 Für den Abfindungsbetrag dürfte der besondere Steuersatz nach §§ 24 Nr. 1, 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG (Fünftelung) zum Zuge kommen (Doetsch/Förster/Rühmann, DB 1998, 259). 5 Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Abwendungsmöglichkeit ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Es ist Sache des Arbeitnehmers, sich über seine Rechte zu informieren. Der Hinweis auf § 4 Abs. 3 BetrAVG ist entbehrlich, wenn dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, also der Übertragungswert der Anwartschaft höher ist als die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (Nr. 2) oder die betriebliche Altersversorgung in einer anderen Form als über Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung durchgeführt worden ist (Nr. 1).

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Verlangen auf Übertragung von Versorgungsansprüchen ausgeschiedener Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 3 BetrAVG auf den neuen Arbeitgeber

Sehr geehrte Damen und Herren, das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 (BetrAVG) sieht in § 4 Abs. 3 die Möglichkeit vor, die Versorgungsverpflichtung auf den neuen Arbeitgeber zu übertragen. Von dieser Möglichkeit mache ich hiermit Gebrauch. 748 Diller

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Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Bitte berechnen Sie den Übertragungswert gemäß § 4 Abs. 5 BetrAVG und setzen Sie sich mit meinem neuen Arbeitgeber, der Firma . . . AG, in Verbindung, um die Einzelheiten der Übertragung zu vereinbaren.1 1 Der Anspruch auf Übertragung („Portabilität“) setzt voraus, dass der Übertragungswert der Anwartschaft die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung nicht übersteigt und die betriebliche Altersversorgung über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt wurde (§ 4 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BetrAVG). Die Zustimmung des neuen Arbeitgebers ist nicht erforderlich, dieser muss auf Wunsch des Arbeitnehmers die übertragene Versorgung seinerseits über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchführen und dem Arbeitnehmer eine dem Übertragungswert wertgleiche Zusage erteilen (§ 4 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG).

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Dreiseitige Vereinbarung zur Übertragung des Anwartschaftsbarwerts auf den neuen Arbeitgeber Vereinbarung zwischen . . . (Arbeitnehmer) und . . . (bisheriger Arbeitgeber)1 sowie . . . (neuer Arbeitgeber) Präambel

Der Arbeitnehmer hat beim (bisherigen Arbeitgeber) eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der Versorgungszusage vom . . . erworben. Der Anwartschaftsbarwert beträgt zum Ausscheidenstermin Euro . . .2 Eine Kopie der Berechnung des Anwartschaftsbarwerts durch das Pensionsgutachterbüro . . . ist als Anlage 1 beigefügt.3 Die Parteien vereinbaren, dass dieser Barwert gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG vom (neuen Arbeitgeber) übernommen wird. Dafür wird Folgendes vereinbart: 1. Der (bisherige Arbeitgeber) zahlt binnen 14 Tagen nach Unterzeichnung dieser Vereinbarung den Betrag von Euro . . . (Anwartschaftsbarwert gemäß § 4 Abs. 5 BetrAVG) an den (neuen Arbeitgeber), die Zahlung erfolgt netto auf das Konto Nr. . . . bei der . . .-Bank. 1

Wichtig: Die dreiseitige Vereinbarung hat nur dann zugunsten des bisherigen Arbeitgebers befreiende Wirkung, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Die schuldbefreiende Übertragung der Versorgungsansprüche auf den künftigen Arbeitgeber ist deshalb nicht möglich, wenn das Arbeitsverhältnis noch läuft, insbesondere in einem Aufhebungsvertrag (BAG v. 24.2.2011, NZA-RR 2012, 148). 2 Diese Berechnungsgrundlage schreibt § 4 Abs. 5 BetrAVG ausdrücklich vor. 3 Die Beifügung ist nicht erforderlich, aber zur Vermeidung ärgerlicher Rechtsstreitigkeiten sinnvoll.

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Betriebliche Altersversorgung

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2. Der (neue Arbeitgeber) erteilt dem Arbeitnehmer eine Versorgungszusage nach Maßgabe der Anlage 2 dieser Vereinbarung. Der Wert der sich aus dieser Zusage ergebenden Anwartschaft entspricht dem Übertragungswert nach § 4 Abs. 5 BetrAVG.4 Die Versorgungsanwartschaft ist sofort unverfallbar.5 3. Mit der Zahlung des Betrages nach Ziff. 1 sind sämtliche Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den (bisherigen Arbeitgeber) auf betriebliche Altersversorgung erledigt. Der (bisherige Arbeitgeber) erteilt dem Arbeitnehmer bzw. dem (neuen Arbeitgeber) sämtliche Auskünfte und stellt Kopien sämtlicher Unterlagen zur Verfügung, die für die Abwicklung der Versorgung von Bedeutung sind.6 4 Die Übertragungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG ist nur davon abhängig, dass die Zusage des neuen Arbeitgebers wertgleich ist. Weder muss die Versorgungszusage identisch sein, noch muss der neue Arbeitnehmer sich des gleichen Durchführungsweges bedienen wie der alte Arbeitgeber. Der Übertragung steht also beispielsweise nicht entgegen, wenn der alte Arbeitgeber betriebliche Altersversorgung in Form von Direktzusagen erbracht hat, während der neue Arbeitgeber dies über eine Unterstützungskasse oder eine Lebensversicherung tut. 5 Die Regelung ist deklaratorisch, aber gleichwohl sinnvoll. Auf Grund der Verweisung in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG auf die Regelung über die Entgeltumwandlung gilt ohnehin § 1b Abs. 5 BetrAVG, wonach bei Altersversorgung durch Entgeltumwandlung sofortige Unverfallbarkeit besteht. 6 Das Muster betrifft den Fall der einvernehmlichen Übernahme der Versorgungslasten durch den neuen Arbeitgeber bei inhaltlicher Änderung der Zusage nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG. Davon zu unterscheiden ist die Übernahme der inhaltlich unveränderten Zusage durch den neuen Arbeitgeber nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG (s. M 18.9). Bei bestimmten Formen der mittelbaren Versorgungszusage (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) hat der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch gegen den bisherigen Arbeitgeber auf Übertragung (§ 4 Abs. 3 BetrAVG), s. M 18.7.

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Dreiseitige Vereinbarung zur Übernahme der Versorgungszusage durch den neuen Arbeitgeber1

Vereinbarung zwischen . . . (Arbeitnehmer) und . . . (bisheriger Arbeitgeber) sowie . . . (neuer Arbeitgeber) 1 Die Übernahme der Zusage gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nach vorliegendem Muster ist zu unterscheiden von der Übertragung des Werts der beim alten Arbeitgeber erworbenen Anwartschaft auf den neuen Arbeitgeber nebst Erteilung einer neuen Zusage nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG (s. M 18.8). Der unveränderte Eintritt des neuen Arbeitgebers in die bisherige Versorgungszusage nach Nr. 1 kommt praktisch nur in Konzernen vor. Deshalb hat der Gesetzgeber auch offen gelassen, ob und in welchem Umfang bei Übernahmen nach Nr. 1 ein interner finanzieller Ausgleich zwischen altem Arbeitgeber und neuem Arbeitgeber erfolgt. Die besonderen Regelungen des § 4 Abs. 3 bis 6 BetrAVG gelten nur für die Übertragung des Anwartschaftsbarwerts nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG (M 18.8).

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Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Präambel Der Arbeitnehmer hat beim (bisheriger Arbeitgeber) eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der Versorgungszusage vom . . . erworben. Das Arbeitsverhältnis mit dem (bisheriger Arbeitgeber) endet am 31.12. . . . Per 1.1. . . . wechselt der Arbeitnehmer zur konzernangehörigen Gesellschaft (neuer Arbeitgeber) zu unveränderten Konditionen und unter Anrechnung seiner bisherigen Betriebszugehörigkeit. In diesem Zusammenhang vereinbaren die Parteien die Übernahme der Versorgungszusage durch den (neuer Arbeitgeber) nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG. Dafür wird Folgendes vereinbart: 1. Mit Wirkung ab 1.1. . . . tritt der (neuer Arbeitgeber) in alle Rechte und Pflichten aus der Versorgungszusage vom . . . ein, dies gilt auch im Hinblick auf die beim (bisheriger Arbeitgeber) erdienten Anwartschaften. Die Versorgungszusage bleibt unverändert bestehen. 2. Der (bisherige Arbeitgeber) wird aus der Versorgungszusage vom . . . mit Wirkung ab 31.12. . . . frei, sämtliche Versorgungsansprüche des Arbeitnehmers richten sich künftig ausschließlich gegen den (neuer Arbeitgeber). (Unterschriften)

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Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung1, 2, 3, 4

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Zwischen der Y-GmbH (im Folgenden: Gesellschaft) vertreten durch die Gesellschafter . . . 1 Die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung dient dem Schutz des Geschäftsführers vor einer Insolvenz der Gesellschaft. Die Verpfändung ist nur notwendig, wenn und soweit der gesetzliche Insolvenzschutz gemäß § 7 BetrAVG über den Pensions-Sicherungs-Verein nicht greift. Das ist zum einen der Fall, wenn die Pensionsansprüche des Geschäftsführers nach den Regelungen im Pensionsvertrag schon vor Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen gemäß § 1b BetrAVG unverfallbar sein sollen. Denn der Pensions-Sicherungs-Verein ist an vertragliche Unverfallbarkeitsregelungen nicht gebunden und sichert nur solche Pensionsansprüche gegen Insolvenz, bei denen die gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1b BetrAVG erfüllt sind. Des Weiteren ist die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung zur Insolvenzsicherung erforderlich, wenn der Geschäftsführer auf Grund seiner Beteiligung an der Gesellschaft nicht in den persönlichen Geltungsbereich des BetrAVG und damit unter den gesetzlichen Insolvenzschutz fällt. Unter den persönlichen Geltungsbereich des BetrAVG fällt ein Geschäftsführer grundsätzlich nicht, wenn er Alleingesellschafter oder Mehrheitsgesellschafter ist. Aber auch ein Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer unterfällt nicht dem persönlichen Geltungsbereich des BetrAVG (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG), wenn er zusammen mit einem anderen Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer die Stimmenmehrheit hat. Ein nicht an der Gesellschaft beteiligter Geschäftsführer fällt dagegen stets unter das BetrAVG. Die Einzelheiten sind außerordentlich kompliziert und sehr streitig (dazu ausf. Höfer, § 17 Rz. 3707 ff.). Des Weiteren ist die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung angezeigt, wenn die Höhe der Rente die Grenze der gesetzlichen Insolvenzsicherung überschrei-

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

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und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Geschäftsführer) wird Folgendes vereinbart: 1. Der Geschäftsführer hat eine Pensionszusage vom . . . Zur Erfüllung der Ansprüche aus dieser Pensionszusage hat die Gesellschaft bei der X-Versicherungs-AG eine Rückdeckungsversicherung (Versicherungsschein Nr. . . .) abgeschlossen. 2. Zur Sicherung aller Ansprüche des Geschäftsführers und seiner Hinterbliebenen aus der Pensionszusage verpfändet die Gesellschaft hiermit ihre Rechte und Ansprüche auf die im Versicherungsschein genannten Leistungen an den Geschäftsführer. 3. Gerät die Gesellschaft mit einer Leistung aus der Pensionszusage trotz Mahnung länger als vier Wochen in Rückstand, so ist der Geschäftsführer nach §§ 1282, 1283 BGB berechtigt, sich aus der verpfändeten Rückdeckungsversicherung zu befriedigen. Sofern Leistungen aus der Rückdeckungsversicherung zu einem Zeitpunkt fällig werden, in dem die Gesellschaft mit den ihr obliegenden Leistungen der Pensionszusage noch nicht länger als vier Wochen im Rückstand ist, erfolgt die Zahlung der Versicherungsleistung an Geschäftsführer und Gesellschaft gemeinschaftlich. Der Auszahlungsbetrag wird dann verzinslich angelegt, wobei dem Geschäftsführer ein Pfandrecht bestellt wird. 4. Die Gesellschaft wird die Verpfändung unverzüglich der X-Versicherungs-AG anzeigen5 und um eine Empfangsbestätigung bitten. Die Bestätigung der X-Versicherungs-AG, dass die Verpfändung angezeigt wurde, wird dem Geschäftsführer unverzüglich ausgehändigt. ... (Geschäftsführer)

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... (Gesellschaft)

tet. Diese Grenze liegt gemäß § 7 Abs. 3 BetrAVG beim Dreifachen der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV (derzeit knapp Euro 8 000,– pro Monat). Die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung führt im Insolvenzfall dazu, dass dem Geschäftsführer ein sog. Absonderungsrecht zusteht. Er kann die Rückdeckungsversicherung also aus der Insolvenz der Gesellschaft „herausziehen“. Die Verpfändung führt nicht dazu, dass die Versicherungsbeiträge dem Geschäftsführer als geldwerter Vorteil zuzurechnen sind, was eine Einkommensteuerpflicht auslösen würde. Wichtig: Die Verpfändung ist grundsätzlich insolvenzfest, soweit die Verpfändung vor Eintritt der Krise erfolgte (im Einzelnen: Höfer, § 7 Rz. 2985 ff.). Regelmäßig nicht zum Ziel führt dagegen eine Abtretung der Rückdeckungsversicherung. Eine unbedingte Abtretung, die insolvenzfest wäre, würde steuerlich dem Geschäftsführer zugeordnet werden. Würde dagegen die Abtretung nur bedingt vorgenommen, wäre sie zwar steuerrechtlich unbedenklich, hätte aber insolvenzrechtlich keinen Bestand (Höfer, § 7 Rz. 2988 ff.). Wichtig: Die Anzeige bei der Versicherung ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verpfändung (§ 1280 BGB). Der Geschäftsführer sollte deshalb darauf bestehen, dass der Eingang der Anzeige bei der Versicherung ihm gegenüber dokumentiert wird.

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Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

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Klage auf Rentenzahlung gegen Unterstützungskasse1

18.11

An das Arbeitsgericht In Sachen ... gegen 1. Unterstützungseinrichtung der Firma . . . e.V.,2 2. die Firma . . . AG (Adresse)3 1 Ohne Bedeutung ist es, wenn in der Satzung oder dem Leistungsplan der Unterstützungskasse ausdrücklich geregelt ist, dass auf die Leistungen kein Rechtsanspruch bestehen soll (der Ausschluss des Rechtsanspruchs ist das – steuerlich bedingte – Wesensmerkmal der Unterstützungskasse). Die Rechtsprechung versteht den Ausschluss des Rechtsanspruchs nur als einen Widerrufsvorbehalt, der an strenge Voraussetzungen geknüpft ist. Der Ausschluss des Rechtsanspruchs steht also einer Leistungsklage auf Zahlung gegen die Unterstützungskasse nicht entgegen. 2 Wichtig: Wickelt ein Unternehmen seine betriebliche Altersversorgung über eine rechtlich selbständige Unterstützungseinrichtung („Unterstützungskasse“, „Gefolgschaftshilfe“ etc.) ab, die meist in der Rechtsform eines e.V. oder einer GmbH organisiert ist, so ist häufig fraglich, ob der Arbeitnehmer die Unterstützungskasse oder den Arbeitgeber oder beide verklagen muss. Eine Umstellung der Klage während des Prozesses scheidet regelmäßig aus. Eine Rubrumsberichtigung ist ebenfalls nicht möglich, da es nicht um die korrekte Parteibezeichnung geht, sondern um die Frage, wer überhaupt Partei ist. Deswegen ist es außerordentlich wichtig, vor Klageerhebung sorgfältig zu prüfen, wer richtiger Beklagter ist. Im Regelfall ist die Unterstützungskasse (auch) richtige Beklagte. Allerdings sind zahlreiche Ausnahmen zu beachten. So ist die Unterstützungskasse grundsätzlich nur im Rahmen ihres Leistungsplans verpflichtet. Schließt dieser Leistungsplan unter Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bestimmte Personengruppen aus, so haben diese einen Anspruch auf Versorgung auf der Grundlage des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots, aber nur gegen den Arbeitgeber, nicht gegen die Unterstützungskasse. Sind beispielsweise unter Verstoß gegen § 4 TzBfG Teilzeitkräfte ausgeschlossen worden oder ist nur Witwenversorgung, nicht aber Witwerversorgung vorgesehen, so sind die in der Versorgungsordnung nicht vorgesehenen Ansprüche unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen (statt aller: Höfer, ART Rz. 112; BAG v. 28.7.1992, AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Ähnliches gilt, wenn sich nach dem Leistungsplan der Unterstützungskasse die Berechnung der Renten nur nach der tatsächlichen Dienstzeit richten soll, der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber aus individuellen Gründen die Anrechnung von Vordienstzeiten zugesagt hat. Hier muss der Arbeitnehmer hinsichtlich des sich aus dem Leistungsplan der Unterstützungskasse ergebenden Teils des Rentenanspruchs die Unterstützungskasse in Anspruch nehmen. Hinsichtlich des Erhöhungsbetrages, der sich durch die Anrechnung der Vordienstzeiten ergibt, ist dagegen unmittelbar und ausschließlich der Arbeitgeber einstandspflichtig und deshalb zu verklagen. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich im Zusammenhang mit Betriebsübergängen nach § 613a BGB, da sich hier Unterstützungskassenansprüche umwandeln können in unmittelbare Ansprüche gegen den neuen Arbeitgeber (Diller, BetrAV 2011, 348). Die Unterstützungskasse kann auch dann noch verklagt werden, wenn sie aufgelöst worden ist. Denn eine juristische Person, die ohne Liquidation aufgelöst wird, gilt für schwebende Verpflichtungen oder Prozesse als fortbestehend (BAG v. 10.11.1977, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen). 3 Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG haftet der Arbeitgeber subsidiär gegenüber dem Arbeitnehmer, falls die Unterstützungskasse die von ihr geschuldeten Leistungen nicht erbringt (zB

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

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vertreten durch den Vorstand . . . (Name, Adresse) vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, Euro 100,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz4 aus Euro 50,– seit dem 1.2.2013 sowie aus weiteren Euro 50,– seit dem 1.3.2013 an den Kläger zu zahlen.5 2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, künftig6 an jedem Monatsletzten7 Euro 50,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit diesem Tage8 an den Kläger zu zahlen, beginnend mit dem 31.3.2013.9 Begründung: Die Bekl. Ziff. 1 ist die Unterstützungskasse der Bekl. Ziff. 2, sie wird in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins geführt. Bei der Bekl. Ziff. 1 gilt nach wie vor der Leistungsplan vom . . . Dieser Leistungsplan sieht in Übereinstimmung mit § 1b BetrAVG vor, dass nach fünfjähriger Betriebszugehörigkeit Ansprüche auf Versorgungsleistungen aus dem Leistungsplan der Bekl. Ziff. 1 unverfallbar werden. Beweis: Leistungsplan der Bekl. Ziff. 1 vom . . ., Anlage K 1

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weil sie keine finanziellen Mittel mehr hat). Deshalb kann nach der neueren Rechtsprechung des BAG der Arbeitgeber neben der Unterstützungskasse gesamtschuldnerisch mitverklagt werden, wenn die Unterstützungskasse nicht leistet (BAG v. 31.7.2007, AP Nr. 27 zu § 7 BetrAVG Widerruf). Für eine Klage gegen den Arbeitgeber ist nicht Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer zuvor einen Titel gegen die Unterstützungskasse erstritten hat und Vollstreckungsversuche dort erfolglos waren. Es reicht aus, wenn die Unterstützungskasse außergerichtlich die Zahlung ausdrücklich verweigert oder auch nur auf eine entsprechende Zahlungsaufforderung nicht reagiert hat. Praxistipp: Nach der Änderung der Rechtsprechung sollten im Zweifel immer Arbeitgeber und Unterstützungskasse gesamtschuldnerisch verklagt werden. Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7. Zur Frage, ob statt der Leistungsklage auch eine Feststellungsklage zulässig wäre, s. M 18.12. Bei wiederkehrenden Leistungen, die – wie Betriebsrentenansprüche – von keiner Gegenleistung abhängen, können nach § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (BAG v. 26.10.2010 – 3 AZR 502/08, NZA-RR 2011, 336). Der Antrag ist so zu verstehen, dass der Kläger nur Zahlung an sich selbst (und nicht an seine Hinterbliebenen) verlangt, so dass die Zahlungspflicht denklogisch auf die Dauer seines Lebens begrenzt ist. Diese Einschränkung muss nicht ausdrücklich in den Klageantrag aufgenommen werden, der Antrag ist auch so hinreichend bestimmt (BAG v. 26.10.2010 – 3 AZR 502/08, NZA-RR 2011, 336). Bei einer Klage auf zukünftige Leistungen können Prozesszinsen selbstverständlich erst ab der jeweiligen Fälligkeit verlangt werden. Praxistipp: Wird die Klage auf Zahlungsrückstände kombiniert mit einer Klage auf zukünftige Leistungen, so wird der Kläger zweckmäßigerweise jeweils kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung die weiteren inzwischen fällig gewordenen Raten in den unmittelbaren Zahlungsantrag einbeziehen und den Beginn der für die Zukunft geforderten Zahlungen entsprechend zurückverlegen. Das erleichtert die Vollstreckung erheblich. Solche Klageänderungen sind nach § 264 ZPO jederzeit (also auch noch im Termin) ohne Einwilligung des Gegners möglich und sinnvoll.

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M 18.11

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Der Kl. stand vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2008 in einem Anstellungsverhältnis zur Bekl. Ziff. 2. Damit hat der Kl. eine fünfjährige Betriebszugehörigkeit aufzuweisen, die auch von Anfang an von einer Versorgungszusage begleitet war. Die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1b BetrAVG sind somit erfüllt. Der Kl. hat am 17.12.2012 die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, damit ist der Versorgungsfall im Sinne von § 2 des Leistungsplans der Bekl. Ziff. 1 eingetreten. Nach § 12 des Leistungsplans der Bekl. Ziff. 1 beginnen die Ruhegeldzahlungen in dem auf den Eintritt des Versorgungsfalls folgenden Monat, und zwar bei nachschüssiger Zahlungsweise. Die Bekl. Ziff. 1 wäre also verpflichtet gewesen, dem Kl. erstmals für den Monat Januar 2013 Ruhegeld zu zahlen, fällig am 31. des Monats. Das Ruhegeld beträgt gemäß § 8 des Leistungsplans Euro 50,– monatlich. Die Bekl. Ziff. 1 hat sich jedoch trotz schriftlicher Aufforderung geweigert, Ruhegeld zu zahlen. Sie hat in einem Schreiben an den Kl. vom . . . argumentiert, der Kl. habe nicht die für die Unverfallbarkeit erforderliche fünfjährige Betriebszugehörigkeit zurückgelegt. Es fehle ihm ein Tag. Der erste Tag des Dienstverhältnisses, der 1.1.2004, sei ein Feiertag gewesen. An diesem Tag habe der Kl. nicht gearbeitet. Folglich habe das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich erst am 2.1.2004 begonnen. Beweis: Schreiben der Bekl. vom . . ., Anlage K 2 Die Auffassung der Bekl. Ziff. 1 ist unrichtig. Nach einhelliger Auffassung kommt es auf die faktische Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht an, wenn vertraglich ein bestimmter Termin für den Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbart war (statt aller: Höfer, BetrAVG, § 1b Rz. 2834 ff.). So lag es hier. In § 1 des Arbeitsvertrages des Kl. war ausdrücklich bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis am 1.1.2004 und nicht erst am 2.1.2004 beginnen sollte. Beweis: Anstellungsvertrag des Kl. vom . . ., Anlage K 3 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 werden die beiden rückständigen Raten für die Monate Januar und Februar 2013 geltend gemacht. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 werden im Wege der Klage auf künftige Leistung nach § 257 ZPO die weiteren Raten geltend gemacht. Das ist zulässig, da die Raten summenmäßig feststehen und auch zu einem kalendermäßig bestimmten Zeitpunkt fällig werden. Die Bekl. Ziff. 2 kann nach der Rechtsprechung des BAG (v. 31.7.2007 – 3 AZR 373/06) gesamtschuldnerisch neben der Bekl. Ziff. 1 in Anspruch genommen werden, da die Bekl. Ziff. 1 auf die außergerichtliche Zahlungsaufforderung hin die Zahlung verweigert hat und damit die Subsidiärverpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG aufgelebt ist. ... (Unterschrift)10 10 Hinsichtlich des Streitwerts ist zu beachten, dass § 42 Abs. 3 GKG (Vierteljahresbezug) nur für Kündigungsschutzsachen gilt, nicht aber für sonstige wiederkehrende Leistungen. Insoweit ist § 42 Abs. 2 GKG anwendbar, wonach der dreifache Jahresbezug (36 Monatsraten) maßgeblich ist. Nach § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG sind allerdings bis zur Klageerhebung entstandene Rückstände nicht hinzuzurechnen. Bei einer Feststellungsklage sind die üblichen Abschläge gegenüber einer Leistungsklage zu machen.

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Kap. 18

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Betriebliche Altersversorgung

M 18.12

Klage auf Feststellung einer Rentenanwartschaft1, 2

An das Arbeitsgericht3 In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)4 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen: Es wird festgestellt,5 dass die Klägerin bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach dem Versorgungsplan der Beklagten vom . . . hat. 1

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Wichtig: Nicht empfehlenswert ist es, statt einer Klage auf Feststellung oder Zahlung der Ansprüche den Arbeitgeber auf Ausstellung oder Korrektur einer Unverfallbarkeitsbescheinigung gemäß § 4a BetrAVG (s. M 18.5) zu verklagen (so aber noch Schaub, Beck’sches Prozessformularbuch, 9. Aufl. 2002, Muster IV A 14, S. 1436). Zum einen könnte dann bei Obsiegen nur die Ausstellung der Bescheinigung vollstreckt werden, wogegen hinsichtlich der Zahlungspflicht selbst ein Vollstreckungstitel noch fehlen würde. Vor allem aber ist nach ständiger Rechtsprechung die Unverfallbarkeitsbescheinigung gemäß § 4a BetrAVG nur ein deklaratorisches Anerkenntnis (s. die Erl. zu M 18.5). Aus der Bescheinigung selbst könnte also nicht auf spätere Leistung geklagt werden. Der Arbeitgeber könnte immer einwenden, die Bescheinigung sei – obwohl er sie auf Grund gerichtlichen Urteils erstellt hat – inhaltlich unrichtig. Das Muster betrifft die Klage gegen den Arbeitgeber. Besonderheiten gelten für Klagen gegen den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung nach §§ 7 ff. BetrAVG. Nach der Rechtsprechung des BGH (v. 25.10.2004, NZA 2005, 782) kann die Frage der Eintrittspflicht des PSV ebenfalls vorab durch Feststellungsklage geklärt werden (die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich dann aus § 2 Abs. 1 Nr. 5 ArbGG). Das soll sogar dann gelten, wenn der Sicherungsfall (insbesondere Insolvenzeintritt) noch gar nicht eingetreten ist, sofern jedenfalls die Insolvenz eine nicht nur ganz fern liegende Möglichkeit ist. Die Feststellungsklage sei auch nicht deshalb unzulässig, weil bis zum Eintritt des Versorgungsfalls gewartet und dann eine Leistungsklage erhoben werden könnte. Denn es sei zu erwarten, dass sich der PSV als Beliehener auch einer Feststellungsklage beugen werde (BGH v. 25.10.2004, NZA 2005, 782). Klagen von Organmitgliedern wegen betrieblicher Altersversorgung gehören nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor die ordentlichen Gerichte, bei Arbeitnehmern dagegen ergibt sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Wird gegen eine Unterstützungsoder Pensionskasse geklagt, ergibt sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus § 2 Abs. 1 Nr. 4b ArbGG. S. M 101.1 und M 101.2. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob der Arbeitnehmer streitige Ansprüche auf Betriebsrente im Wege der Feststellungs- oder der Leistungsklage geltend machen muss. Nach allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts gilt grundsätzlich der Vorrang der Leistungsklage vor der Feststellungsklage. Kann der Kläger seinen Anspruch beziffern, so hat er grundsätzlich Leistungsklage zu erheben (statt aller: Stein/Jonas/Schumann, § 256 ZPO Rz. 87 ff.). Bei Betriebsrenten kommt insbesondere eine Klage auf zukünftige Leistungen gemäß §§ 257, 259 ZPO in Betracht (LAG Berlin v. 22.9.2000, NZA-RR 2001, 492). Kann der Kläger seine Ansprüche beziffern, fehlt es an dem für § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Die Leistungsklage ist der einfachere und schnellere Weg, da sie – anders als eine Feststellungsklage – zu einem vollstreckbaren Titel führt. Allerdings wird man beim Streit um das Bestehen von Betriebsrentenansprüchen dem Grunde nach eine Feststellungsklage jedenfalls dann für zulässig halten müssen, wenn der Versorgungsfall (Erreichen der Altersgrenze, Invalidität,

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M 18.12

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Begründung: Die Bekl. gewährt ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gemäß dem als Betriebsvereinbarung zustande gekommenen Versorgungsplan vom ... Beweis: Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung, Anlage K 1 Die Kl. war bei der Bekl. vom . . . bis zum . . . beschäftigt, insgesamt also genau sechs Jahre. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit von Betriebsrentenansprüchen gemäß § 1b BetrAVG erfüllt, die Zusage hat mehr als fünf Jahre bestanden. Die Bekl. hat der Kl. jedoch mit Schreiben vom . . . mitgeteilt, sie habe keine Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung aus dem Versorgungsplan vom . . . Denn sie sei – was zutrifft – in der Zeit vom . . . bis zum . . . in Elternzeit gewesen. Diese drei Jahre seien von der Gesamt-Dienstzeit abzuziehen, so dass sich insgesamt nur drei Jahre ergäben. Damit seien die Voraussetzungen des § 1b BetrAVG nicht erfüllt. Die Auffassung der Bekl. ist unrichtig. Während der Elternzeit wird das Anstellungsverhältnis nicht unterbrochen, sondern es ruht nur kraft Gesetzes. Die Unverfallbarkeitsfristen des § 1b BetrAVG werden durch das Ruhen nicht unterbrochen (statt aller: Höfer, BetrAVG, § 1b Rz. 2866 ff.). ... (Unterschrift)6 Tod) noch nicht eingetreten ist und auch nicht in absehbarer Zeit eintreten wird. Gerade wenn bis zum Eintritt des Versorgungsfalls noch ein langer Zeitraum liegt, ist häufig noch nicht abschließend zu beziffern, wie hoch mögliche Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung sein werden. So mag beispielsweise die Invaliditätsleistung eine andere Höhe haben als die Altersrente bei Erreichen der Altersgrenze. Außerdem kann der Arbeitnehmer häufig noch nicht wissen, ob er schon vor Erreichen der Altersgrenze vorgezogene Altersrente nach § 6 BetrAVG beantragt, und sich deshalb die Höhe der einzelnen Monatsrate ratierlich oder nach Maßgabe der Versorgungsordnung mindert. Auf jeden Fall zulässig ist die Feststellungsklage, wenn der Streit um das Bestehen von Versorgungsansprüchen schon während des Anstellungsverhältnisses entsteht, da gemäß § 2 BetrAVG die Höhe der Rente von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängt und diese bei Klageerhebung noch nicht feststeht. Ist allerdings der Versorgungsfall bereits eingetreten, so wird eine Feststellungsklage regelmäßig unzulässig sein, der Arbeitnehmer muss dann Leistungsklage erheben, ggf. (auch) auf zukünftige Leistungen. 6 Hinsichtlich des Streitwerts ist zu beachten, dass § 42 Abs. 3 GKG (Vierteljahresbezug) nur für Kündigungsschutzsachen gilt, nicht aber für sonstige wiederkehrende Leistungen. Insoweit ist § 42 Abs. 2 GKG anwendbar, wonach der dreifache Jahresbezug (36 Monatsraten) maßgeblich ist. Nach § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG sind allerdings bis zur Klageerhebung entstandene Rückstände nicht hinzuzurechnen. Bei einer Feststellungsklage sind die üblichen Abschläge gegenüber einer Leistungsklage zu machen.

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Kap. 18

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Betriebliche Altersversorgung

M 18.13

Schreiben an den Arbeitnehmer wegen unterbliebener Anpassung nach § 16 BetrAVG1 mit Belehrung2

X-GmbH Die Geschäftsleitung Per Einwurf-Einschreiben3 Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., Ihre laufende Betriebsrente ist letztmals am 1.7.2010 an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst worden. Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) sieht vor, dass der Arbeitgeber alle drei Jahre über eine Anpassung von Betriebsrenten zu entscheiden hat. Wir sehen uns leider nicht imstande, Ihre Rente zum 1.7.2013 turnusgemäß erneut anzuheben. Die wirtschaftliche 1 Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Nach § 16 Abs. 2 BetrAVG ist es in jedem Fall ausreichend, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens. Der Arbeitgeber ist zur Anpassung nicht verpflichtet, wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, die Anpassungsbeträge aus den laufenden Gewinnen nach Abzug einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung und eines Risikozuschlages aufzubringen. 2 Hat der Arbeitgeber zu Recht die Anpassung zu einem bestimmten Stichtag wegen schlechter wirtschaftlicher Lage unterlassen, braucht er die unterbliebene Anpassung später nicht mehr nachzuholen, auch wenn sich seine wirtschaftliche Lage wieder gebessert hat. Würde sich beispielsweise in dem Fall, der obigem Muster zugrunde liegt, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens bis zum nächsten Anpassungstermin im Jahr 2016 wieder erheblich verbessern, so müsste das Unternehmen gleichwohl nur den Anstieg der Lebenshaltungskosten in der Zeit zwischen 2013 und 2016 ausgleichen, nicht aber auch den Anstieg der Lebenshaltungskosten zwischen 2010 und 2013, weil die Anpassung zum Stichtag 2013 zu Recht unterblieben ist. Nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG ist eine nachholende Anpassung auch dann nicht erforderlich, wenn zwar die Anpassung zum vorangegangenen Stichtag zu Unrecht unterblieben ist, der Arbeitgeber aber das Verfahren nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG eingehalten hat. Dazu muss er den Versorgungsberechtigten schriftlich über die unterbliebene Anpassung informieren und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens darlegen. Weiter muss der Arbeitgeber den Versorgungsempfänger darauf hinweisen, dass er sich auf die unterbliebene Anpassung später nicht mehr berufen kann, wenn er nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang schriftlich widerspricht. Unklar ist, wie eingehend die wirtschaftliche Lage des Unternehmens geschildert werden muss. Macht das Unternehmen Verluste, so wird der Hinweis darauf ausreichen. Schwieriger ist es, wenn das Unternehmen zwar Gewinne macht, diese Gewinne aber nach Abzug einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung nicht zu einer vollständigen Anpassung ausreichen. In einem solchen Fall muss der Arbeitgeber wohl ausführlicher darlegen, welche Eigenkapitalverzinsung er für angemessen hält und von welcher Unternehmenswertentwicklung und Ertragssituation er für die Zeit nach dem Anpassungsstichtag ausgeht (statt aller: Doetsch/Förster/Rühmann, DB 1998, 263). Die förmliche Information und Belehrung nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG ist allerdings nur dann von Bedeutung, wenn der Arbeitgeber die Anpassung zu Unrecht verweigert. Hat er dagegen wegen schlechter wirtschaftlicher Lage die Anpassung zu Recht verweigert, kann der Versorgungsberechtigte später nicht ein Nachholen der Anpassung verlangen, auch wenn das Verfahren nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG nicht durchgeführt wurde (unzutreffend: Doetsch/Förster/Rühmann, DB 1998, 263). 3 Wichtig: Die Versendung per Einwurf-Einschreiben (nicht: Übergabe-Einschreiben!) ist erforderlich, da ansonsten der Arbeitgeber den Zugang des Hinweises auf die Folgen der Fristversäumung gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG nicht dokumentieren kann.

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M 18.14

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Lage unseres Unternehmens hat sich seit 2010 erheblich verschlechtert. Die Jahre 2010, 2011 und 2012 haben mit Verlust abgeschlossen. Für das Jahr 2013 erwarten wir allenfalls ein ausgeglichenes Ergebnis. Gewinne werden jedoch aller Voraussicht nach weder im Jahr 2013 noch im Jahr 2014 und 2015 erwirtschaftet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Unternehmen nur dann zur Anpassung von Betriebsrenten verpflichtet, wenn es die zur Anpassung erforderlichen Beträge – nach Abzug einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung – aus den erwirtschafteten Erträgen aufbringen kann. Das ist bei uns nicht der Fall. Für unsere Entscheidung bitten wir um Verständnis. Jede andere Entscheidung würde die noch bestehenden Arbeitsplätze gefährden. Der guten Ordnung halber weisen wir Sie auf die Regelung des § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG hin. Nach dieser Regelung können Sie später mit dem Einwand, unser Unternehmen hätte entgegen der vorliegenden Mitteilung die Betriebsrente zum 1.7.2013 erhöhen müssen, nicht mehr gehört werden, wenn Sie unserer Entscheidung nicht binnen drei Kalendermonaten nach ihrem Zugang schriftlich widersprechen. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift)

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Klage nach § 16 BetrAVG auf Anpassung der Rente

18.14

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt,2 Euro 80,– nebst Zinsen3 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz4 aus Euro 40,– seit dem 1.2.2014 sowie aus weiteren Euro 40,– seit dem 1.3.2014 an den Kläger zu zahlen. 1 S. M 101.1 und 101.2. 2 Unklar ist, ob die Anpassung im Wege der Feststellungsklage (Beck’sches Prozessformularbuch, Muster IV A 13) oder der Leistungsklage geltend zu machen ist. Es spricht viel dafür, dass eine Feststellungsklage (auf Feststellung der Anpassungspflicht oder auf eine summenmäßig bestimmte Erhöhung der Rente) nach allgemeinen Grundsätzen unzulässig ist, da ohne weiteres Leistungsklage erhoben werden kann, gemäß § 257 ZPO auch auf zukünftige Leistungen (Klageantrag Ziff. 2). Praxistipp: Wenig sinnvoll erscheint eine Klage auf Auskunft über die Gründe für das Unterbleiben der Anpassung. Besser ist es, gleich auf Zahlung zu klagen und bei Darlegung ausreichender wirtschaftlicher Gründe für die Anpassungsvereinbarung die Klage erstinstanzlich zurückzunehmen. 3 Praxistipp: In der untergerichtlichen Praxis werden Zinsen auf die monatlichen Erhöhungsbeträge ab dem 1. oder 2. Tag des Auszahlungsmonats geltend gemacht und oft

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.14

2. Die Beklagte wird verurteilt, künftig5 über Euro 400,– hinaus weitere Euro 40,– an jedem Monatsletzten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit diesem Tag an den Kläger zu zahlen, beginnend mit dem 31.3.2014. Begründung: Der Kl. bezieht von der Bekl. seit dem . . . eine Betriebsrente in der rechnerisch unstreitigen Höhe von Euro 400,– monatlich. Gemäß § 16 BetrAVG hat die Bekl. alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die Anpassungsverpflichtung gilt gemäß § 16 Abs. 2 BetrAVG als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens während des Prüfungszeitraums. Die Bekl. ist ihrer Anpassungspflicht des § 16 BetrAVG nicht nachgekommen. Auch auf eine entsprechende Aufforderung des Kl. vom . . . hat sie nicht reagiert. Der Verbraucherpreisindex ist innerhalb des dreijährigen Prüfungszeitraums vom 1.1.2011 bis 1.1.2014 um 10 % gestiegen (wird ausgeführt6). Folglich hätte die Bekl. die Rente zum Anpassungsstichtag 1.1.2014 von Euro 400,– auf Euro 440,– monatlich erhöhen müssen.7 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 werden die beiden rückständigen Erhöhungsbeträge für die Monate Januar und Februar 2014 geltend gemacht, die je-

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auch zugesprochen. Nach der Rechtsprechung des BAG hingegen (v. 28.6.2011, NZA 2011, 1285 und v. 11.10.2011, NZA 2012, 454) tritt Fälligkeit erst mit gerichtlicher Bestimmung des Anpassungsbetrages ein, so dass Zinsen erst ab dem Folgetag nach Rechtskraft (dh. nach Verkündung des BAG-Urteils) zu laufen beginnen. Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7. Praxistipp: Teilweise wird empfohlen, den Klageantrag Ziff. 2 (Klage auf künftige Leistungen) auf den vollen (erhöhten) monatlichen Betrag zu richten (im vorliegenden Fall also auf Euro 440,–). Das erleichtert zwar die Vollstreckung, wenn der Arbeitgeber später aus irgendeinem Grund nicht einmal den früheren Rentenbetrag freiwillig zahlt (zB wegen Vermögensverfalls, Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen etc.), und deshalb besteht auch ein Rechtsschutzinteresse. Allerdings trägt der Arbeitnehmer hier wegen § 93 ZPO ein erhebliches Kostenrisiko. Wenn der Gegner sofort anerkennt, kann das Arbeitsgericht ihm 10/11 der Kosten auferlegen, wobei sich der Gegenstandswert nach § 42 GKG (ebenso wie die Beschwer nach §§ 5, 9 ZPO) nach der vollen eingeklagten Rente bemisst (BAG v. 14.2.2012, NZA 2012, 469). Die Berechnungsformel für den Teuerungsanstieg lautet wie folgt: Verbraucherpreisindex am Anpassungsstichtag 100 :=: 100 ¼ x %: Verbraucherpreisindex 3 Jahre zuvor Der Arbeitnehmer muss sich grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Anpassung für die letzten drei Jahre geltend zu machen. Ist zu früheren Anpassungsstichtagen nicht oder nicht vollständig angepasst worden, so ist dies in die Berechnung des Teuerungsausgleichs zu späteren Anpassungsstichtagen einzubeziehen. Ggf. kann also der volle Teuerungsausgleich seit Rentenbeginn verlangt werden, wenn der Arbeitgeber nie angepasst hat. Eine Ausnahme besteht nur für solche Anpassungen, die – 1999 oder später fällig waren, und – die entweder zu Recht nicht erfolgt sind oder bei denen der Arbeitnehmer einer Belehrung nach § 16 Abs. 4 BetrAVG (s. M 18.13) nicht widersprochen hat. Allerdings verwirkt der Anspruch auf Anpassung, wenn der Arbeitnehmer eine unterbliebene oder nicht ausreichende Anpassung nicht spätestens bis zum darauf folgenden Anpassungsstichtag gerügt hat oder nicht spätestens während des folgenden Anpassungszeitraums Klage erhoben hat (BAG v. 25.4.2006, BB 2006, 2645).

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Versetzung

Kap. 19

weils zum Monatsletzten fällig waren. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 wird die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung der erhöhten Rente ab dem Monat März 2014 begehrt. Sollte sich die Bekl. darauf berufen, dass sie wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten iSd. § 16 Abs. 3 BetrAVG nicht oder nicht in vollem Umfang zur Anpassung verpflichtet sei, mag sie dies darlegen und ggf. beweisen.8 ... (Unterschrift)9 8 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Schlechtlage, die die Anpassungsverpflichtung ganz oder teilweise entfallen lässt, trägt der Arbeitgeber. 9 Nach § 42 Abs. 2 GKG beträgt der Streitwert den 36-fachen Betrag der begehrten Erhöhung, Rückstände werden bei Arbeitnehmern (anders bei Organmitgliedern!) nach § 42 Abs. 4 GKG nicht hinzugerechnet.

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Kapitel 19

Versetzung

Literaturübersicht: Boemke, Zustimmungsverweigerung bei Einstellung und Versetzung, AP Nr. 56 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung; Fey, Einstweilige Verfügung gegen vorläufige Versetzung, ZMV 2009, 321; Fuhlrott/Fabritius, Die Versetzung von Betriebsratsmitgliedern, ArbR Aktuell 2012, 418; Hoppe/Marcus, Einstellung und Versetzung in der betrieblichen Praxis: Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von Fremdpersonal, ArbR Aktuell 2011, 313; Hoppe/Marcus, Die vorläufige Durchführung personeller Maßnahmen: Das Verfahren gemäß § 100 BetrVG, ArbR Aktuell 2011, 367; Hromadka, Zur Auslegung des § 106 GewO, NZA 2012, 233; Joussen, Die Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung bei der Einstellung und Versetzung schwerbehinderter Menschen, ZMV 2009, 6; Lambrich/Schwab, Betriebsübergreifende Versetzung im Konzern und Mitbestimmung gem. § 99 BetrVG, DB 2012, 1928; Langer/Greiner, Versetzungsklausel, AuA 2005, 642; Plum, Unterrichtung des Betriebsrats bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern, DB 2011, 2916; Preis/Genenger, Die unechte Direktionsrechtserweiterung, NZA 2008, 969; Repey, Kann sich der Arbeitgeber auf die Unwirksamkeit einer Versetzungsklausel berufen?, BB 2009, 1245; Schulze/Häfner, Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen, AiB 2006, 372; Schulze/Schreck, Personelle Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG – Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates, ArbR Aktuell 2013, 9; Schulze/Weitz, Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrates – Verstoß des Arbeitgebers gegen § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB 9 – Versetzung intern beschäftigter Arbeitnehmer – ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens, AiB 2010, 45; Schwab/Weicker, Betriebsübergreifende Versetzung im Unternehmen und Mitbestimmung gem. § 99 BetrVG, DB 2012, 976; Seel, § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG als Verbotsgesetz gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, FA 2012, 360; Seel, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers – Anforderungen an Versetzung und Änderungskündigung, MDR 2011, 901; Trebeck, Die „Versetzung“ in den Stellenpool zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen, NZA 2009, 513; Wollwert, Ordnungsgemäße Unterrichtung und Zustimmungsverweigerung bei gebündelten personellen Einzelmaßnahmen, DB 2012, 2518.

I. Einführung 1. Individualarbeitsrecht Arbeitsvertraglich bedeutet Versetzung sowohl den Wechsel des Arbeitsortes als auch die Änderung der Art der ausgeübten Tätigkeit und des Arbeitsumfangs. Lingemann 761

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weils zum Monatsletzten fällig waren. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 wird die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung der erhöhten Rente ab dem Monat März 2014 begehrt. Sollte sich die Bekl. darauf berufen, dass sie wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten iSd. § 16 Abs. 3 BetrAVG nicht oder nicht in vollem Umfang zur Anpassung verpflichtet sei, mag sie dies darlegen und ggf. beweisen.8 ... (Unterschrift)9 8 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Schlechtlage, die die Anpassungsverpflichtung ganz oder teilweise entfallen lässt, trägt der Arbeitgeber. 9 Nach § 42 Abs. 2 GKG beträgt der Streitwert den 36-fachen Betrag der begehrten Erhöhung, Rückstände werden bei Arbeitnehmern (anders bei Organmitgliedern!) nach § 42 Abs. 4 GKG nicht hinzugerechnet.

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Literaturübersicht: Boemke, Zustimmungsverweigerung bei Einstellung und Versetzung, AP Nr. 56 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung; Fey, Einstweilige Verfügung gegen vorläufige Versetzung, ZMV 2009, 321; Fuhlrott/Fabritius, Die Versetzung von Betriebsratsmitgliedern, ArbR Aktuell 2012, 418; Hoppe/Marcus, Einstellung und Versetzung in der betrieblichen Praxis: Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von Fremdpersonal, ArbR Aktuell 2011, 313; Hoppe/Marcus, Die vorläufige Durchführung personeller Maßnahmen: Das Verfahren gemäß § 100 BetrVG, ArbR Aktuell 2011, 367; Hromadka, Zur Auslegung des § 106 GewO, NZA 2012, 233; Joussen, Die Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung bei der Einstellung und Versetzung schwerbehinderter Menschen, ZMV 2009, 6; Lambrich/Schwab, Betriebsübergreifende Versetzung im Konzern und Mitbestimmung gem. § 99 BetrVG, DB 2012, 1928; Langer/Greiner, Versetzungsklausel, AuA 2005, 642; Plum, Unterrichtung des Betriebsrats bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern, DB 2011, 2916; Preis/Genenger, Die unechte Direktionsrechtserweiterung, NZA 2008, 969; Repey, Kann sich der Arbeitgeber auf die Unwirksamkeit einer Versetzungsklausel berufen?, BB 2009, 1245; Schulze/Häfner, Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen, AiB 2006, 372; Schulze/Schreck, Personelle Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG – Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates, ArbR Aktuell 2013, 9; Schulze/Weitz, Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrates – Verstoß des Arbeitgebers gegen § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB 9 – Versetzung intern beschäftigter Arbeitnehmer – ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens, AiB 2010, 45; Schwab/Weicker, Betriebsübergreifende Versetzung im Unternehmen und Mitbestimmung gem. § 99 BetrVG, DB 2012, 976; Seel, § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG als Verbotsgesetz gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, FA 2012, 360; Seel, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers – Anforderungen an Versetzung und Änderungskündigung, MDR 2011, 901; Trebeck, Die „Versetzung“ in den Stellenpool zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen, NZA 2009, 513; Wollwert, Ordnungsgemäße Unterrichtung und Zustimmungsverweigerung bei gebündelten personellen Einzelmaßnahmen, DB 2012, 2518.

I. Einführung 1. Individualarbeitsrecht Arbeitsvertraglich bedeutet Versetzung sowohl den Wechsel des Arbeitsortes als auch die Änderung der Art der ausgeübten Tätigkeit und des Arbeitsumfangs. Lingemann 761

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Gemäß § 106 GewO1 kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. 2

Der Arbeitgeber ist nur dann zur Versetzung berechtigt, wenn und soweit er sich dies im – möglicherweise auslegungsbedürftigen – Arbeitsvertrag wirksam2 vorbehalten hat.3 Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist dann von seinem Direktionsrecht gedeckt. Eine Versetzungsbefugnis kann sich daneben auch aus Tarifvertrag ergeben, es sei denn, dies ist individualvertraglich ausgeschlossen.4

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Als einseitige Leistungsbestimmung unterliegt die Ausübung des Direktionsrechts der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB.5 Eine Abwägung der Interessen der Beteiligten muss ergeben, dass die Versetzung dem Arbeitnehmer zumutbar und verhältnismäßig ist.6 Unbillig ist die Maßnahme daher etwa bei einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder bei missbilligenswerten Motiven, zB bei einer Versetzung zu disziplinarischen Zielen7 oder zur Maßregelung entgegen § 612a BGB.8 Die Versetzung auf einen geringerwertigen, dh. nach Tätigkeits- oder Berufsbild in der Sozialanschauung geringer bewerteten Arbeitsplatz, ist in der Regel unwirksam.9 Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Beschäftigung auf einer Stelle, die von ihrer Wertigkeit seiner bisherigen Stelle und deren Vergütungsmerkmalen entspricht. Hierzu gehören neben der Vergütung auch der Anspruch auf Privatnutzung des Firmenwagens im bisherigen Umfang.10 Dies gilt sogar dann, wenn dem Arbeitnehmer die Vergütung in der bisherigen Höhe erhalten bleibt.11 Auch die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für einen vorübergehenden Zeitraum kraft Direktionsrechts muss gemäß § 315 BGB billigem Ermessen entsprechen.12 Das gilt auch und gerade für die 1 Zur Auslegung Hromadka, NZA 2012, 233. 2 Einzelheiten und Formulierungsvorschläge für Versetzungsklauseln im Arbeitsvertrag s. M 2.1a Ziff. 1 mit Erläuterungen, ferner Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a, 129. 3 Ist der Arbeitsort im Vertrag nicht festgelegt, richtet sich die Versetzungsmöglichkeit nach § 106 GewO, BAG v. 13.6.2012, NZA 2012, 1154; der Arbeitsort ist auch dann nicht festgelegt, wenn im Arbeitsvertrag neben dem Arbeitsort die Berechtigung des Arbeitgebers zum unternehmensweiten Einsatz des Arbeitnehmers bestimmt ist, BAG v. 26.9.2012, NZA-RR 2013, 403; v. 13.6.2012, NZA 2012, 1154. 4 Vgl. zB § 16 Abs. 1 LTV der Deutschen Bundesbahn; BAG v. 22.5.1985, AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn. 5 Die Billigkeitskontrolle ist dabei darauf beschränkt, ob der Arbeitgeber den ihm zustehenden Spielraum genutzt hat. Nicht überprüft werden kann, ob die vertraglichen Befugnisse zum Vorteil des Arbeitgebers gegen den Willen des Arbeitnehmers dauerhaft geändert werden dürfen, BAG v. 26.9.2012, AP Nr. 22 zu § 106 GewO. 6 BAG v. 17.8.2011, NZA 2012, 265. Das BAG weist in der Entscheidung auch darauf hin, dass für die Bestimmung der Zumutbarkeit die Regelungen der § 121 (jetzt: § 140) Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB III nicht herangezogen werden können, da diese sich nur auf eine öffentlichrechtliche Pflicht des Arbeitslosen gegenüber dem Arbeitsamt beziehen. 7 BAG v. 30.10.1985, NZA 1986, 713. 8 Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 612a BGB Rz. 2 ff. 9 BAG v. 9.5.2006, NZA 2007, 145. 10 LAG BW v. 20.4.2009 – 4 Sa 4/09. 11 Vgl. BAG v. 24.4.1996, NZA 1997, 104. 12 BAG v. 18.4.2012, NZA 2012, 927 m. Anm. Göpfert, FD-ArbR 2012, 334270; v. 17.4.2002, AP Nr. 23 zu § 24 BAT.

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Entscheidung des Arbeitgebers, die höherwertige Tätigkeit nur vorübergehend und nicht auf Dauer zu übertragen.13 Entspricht sie nicht billigem Ermessen, so erfolgt die Bestimmung der „Leistung“ entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch eine richterliche Entscheidung.14 Fehlt es an einer entsprechenden Versetzungsbefugnis, kann die Maßnahme nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers oder durch Änderungskündigung (dazu im Einzelnen Kap. 20) erfolgen. Es bedarf dazu einer Vertragsänderung. Folgt der Arbeitnehmer längere Zeit einer an sich nicht vom Direktionsrecht umfassten Zuweisung eines Arbeitsbereichs, kann dies allerdings eine stillschweigende Vertragsänderung sein.15 Umgekehrt kann auch der Arbeitgeber seine Versetzungsbefugnis verlieren, indem sein Direktionsrecht durch eine langfristige Beschäftigung des Arbeitnehmers mit derselben Tätigkeit auf diese konkretisiert wird.16 Hinzukommen muss allerdings, dass bestimmte Umstände den Schluss zulassen, der Arbeitnehmer solle künftig nur noch mit dieser Tätigkeit beschäftigt werden.17

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Die Umdeutung einer Versetzung in eine Änderungskündigung gemäß § 140 BGB scheitert daran, dass die Änderungskündigung in ihren rechtlichen Wirkungen weiter reicht als die Versetzung.18 Hat der Arbeitgeber Zweifel, ob die beabsichtigte Maßnahme noch vom Direktionsrecht umfasst ist, so empfiehlt es sich, die Versetzung auszusprechen und hilfsweise auch die Änderungskündigung19 (M 19.1). Bei der Versetzung ist der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen (M 19.2), bei der Änderungskündigung zusätzlich auch nach § 102 BetrVG (M 20.3). Die Wirksamkeit der Änderungskündigung hängt nicht davon ab, dass auch die Zustimmung nach § 99 BetrVG betragt wird,20 ohne die Zustimmung nach § 99 BetrVG kann aber die Versetzung nicht durchgeführt werden.

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Einer unwirksamen Versetzung durch den Arbeitgeber braucht der Arbeitnehmer nicht Folge zu leisten. An die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleitung ist der Arbeitnehmer jedoch vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht.21 Kommt er der Weisung nicht nach, muss er mit einer Abmahnung und ggf. verhaltensbedingten Kündigung rechnen.

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Praxistipp: Zur Vermeidung dieses Risikos empfiehlt es sich für den Arbeitnehmer, der Zuweisung des neuen Arbeitsbereichs unter ausdrücklichem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung nachzukommen.

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13 BAG v. 18.4.2012, NZA 2012, 927 m. Anm. Göpfert, FD-ArbR 2012, 334270; v. 17.4.2002, AP Nr. 23 zu § 24 BAT. 14 BAG v. 18.4.2012, NZA 2012, 927 m. Anm. Göpfert, FD-ArbR 2012, 334270. 15 BAG v. 17.8.2011, NZA 2012, 265, wobei zur bloßen Nichtausübung des Direktionsrechts noch weitere Umstände hinzukommen müssen. 16 LAG Schl.-Holst. v. 3.12.1992, DB 1993, 284. 17 BAG v. 29.9.2004, NZA-RR 2005, 616; für den Fall einer örtlichen Versetzung nach 15 Jahren ebenso: BAG v. 17.8.2011, NZA 2012, 265. 18 Vgl. LAG Hamm v. 13.5.1982, BB 1982, 2109; BAG v. 13.8.1987, NJW 1988, 581. 19 Zur Änderungskündigung s. Kap. 20. 20 BAG v. 22.4.2010, NZA 2010, 1235. 21 BAG v. 22.2.2012, NZA 2012, 858 mwN.

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Die Wirksamkeit der Versetzung kann der Arbeitnehmer im Wege der Feststellungsklage (§ 256 ZPO) vor dem Arbeitsgericht prüfen lassen. Dem steht nicht die Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber der Leistungsklage entgegen, da eine umfassende Klärung herbeigeführt wird.22 Alternativ kann er jedoch auch eine Leistungsklage auf Zuweisung des bisherigen Arbeitsplatzes erheben. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die die Versetzung rechtfertigen. Eine Klagefrist ist nicht einzuhalten; insbesondere gilt die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG nicht. Die Klage muss jedoch in den Grenzen der Verwirkung erhoben werden.23 Im Gegensatz dazu unterliegt die Klage gegen die uU vorsorgliche Änderungskündigung der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG.

2. Betriebsverfassungsrecht24 a) Betriebsverfassungsrechtlicher Versetzungsbegriff 9

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig Arbeitnehmern bedarf die Versetzung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats.25 Gemäß § 103 Abs. 3 BetrVG bedarf die Versetzung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugendund Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstandes sowie von Wahlbewerbern der Zustimmung des Betriebsrats, wenn die Versetzung zu einem Verlust des Amtes26 oder der Wählbarkeit führen würde27. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist.

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Unter den betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriff fällt nur diejenige „Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist“ (§ 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG).28

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Sowohl eine räumliche als auch eine funktionale Veränderung kommt in Betracht; sie muss allerdings „erheblich“ sein.29 Die Zuweisung eines anderen regelmäßigen Arbeitsortes kann ausreichen.30 Gemäß § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG liegt eine Versetzung jedoch nicht vor, wenn der Arbeitnehmer nach der Eigenart des Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt 22 BAG v. 29.9.2004, NJOZ 2005, 4151. 23 BAG v. 12.12.2006, NZA 2007, 376. 24 S. auch Kap. 42, M 42.7 ff.; zu Beteiligungsrechten beim Einsatz von Fremdpersonal Hoppe/ Marcus, ArbR Aktuell 2011, 313. 25 Auf Versetzungen in einem Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen mit jeweils weniger als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmer, in welchem insgesamt mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind, ist § 99 BetrVG analog anzuwenden. 26 Dies ist gemäß § 24 Nr. 4 BetrVG mit der Wählbarkeit gleichzusetzen, dh. der Amtsverlust tritt mit Ende der Betriebszugehörigkeit, also mit Versetzung in einen anderen Betrieb, ein. Eine Versetzung im Betrieb bedeutet keinen Amtsverlust, so dass lediglich die Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG bestehen. 27 Dazu Fuhlrott/Fabritius, ArbR Aktuell 2012, 418. 28 Besonderheiten gelten bei § 103 BetrVG für vorübergehende Versetzungen von Jugendund Auszubildendenvertretern, Fitting, § 103 BetrVG Rz. 68. 29 Die bloße Verlagerung eines Betriebes oder eines Betriebsteils um wenige Kilometer innerhalb einer politischen Gemeinde ist ohne Hinzutreten zusätzlicher Veränderungen keine Versetzung der davon betroffenen Arbeitnehmer, BAG v. 27.6.2006, NZA 2006, 1289. 30 BAG v. 21.7.2009, NZA 2009, 1369.

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Versetzung

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wird (zB im Baugewerbe, in Ausbildungsverhältnissen, bei nicht selbständigen Handelsvertretern usw.).31 Der Mitbestimmung unterliegt nur die tatsächliche Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, nicht die individualvertragliche Regelung, die ihr zugrunde liegt, also zB die Versetzungsklausel. Der Betriebsrat ist also unabhängig davon zu beteiligen, ob die Versetzung individualrechtlich zulässig ist.32 Andererseits heilt die Zustimmung des Betriebsrats keine individualvertraglich unwirksame Versetzung.

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Der Arbeitsbereich wird gemäß § 81 Abs. 1 und 2 BetrVG bestimmt durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Es geht also um den konkreten Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht.33

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Nicht jede Änderung des Arbeitsbereichs iSv. § 81 BetrVG ist jedoch zugleich eine mitbestimmungspflichtige Versetzung. Diese erfordert vielmehr, dass die Veränderung so erheblich ist, dass sich das Gesamtbild der Tätigkeit ändert.34 Maßstab ist dabei, ob sich die Tätigkeiten so voneinander unterscheiden, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine andere angesehen werden kann.35 Es kann auch ausreichen, wenn für den Arbeitnehmer auf Grund des angeordneten Wechsels ein in seinem konkreten Arbeitsalltag spürbares anderes „Arbeitsregime“ gilt; dazu können neue Arbeitskollegen oder ein neuer unmittelbarer Vorgesetzter gehören.36

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Die Umstände der Arbeitsleistung sind die äußeren Umstände, unter denen die Arbeit tatsächlich zu leisten ist, also Ort, Art und Weise, fachliche Anforderungen etc., nicht hingegen die vertraglichen Gegebenheiten.37

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Abzugrenzen ist die Versetzung von der bloßen Umsetzung, die mitbestimmungsfrei ist. Umsetzung ist die nur vorübergehende, dh. voraussichtlich kürzer als einen Monat währende Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, bei im Wesentlichen gleich bleibenden Arbeitsbedingungen, also zB der Einsatz in Wechsel- statt in Normalschicht.38 Eine Versetzung kann bei Änderungen der Arbeitsumstände selbst dann vorliegen, wenn diese nicht die Dauer eines Monats erreichen, vorausgesetzt, dass sie erheblich im og. Sinne sind.39

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31 Beabsichtigt ein Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer, dessen bisheriger Arbeitsplatz weggefallen ist, auf einen Arbeitsplatz mit mehreren Beschäftigungsorten (Springerarbeitsplatz) einzusetzen, kann der Betriebsrat dieser Versetzung insgesamt, nicht jedoch hinsichtlich einzelner Beschäftigungsorte widersprechen. 32 BAG v. 17.2.1998, NZA 1999, 33; Weber/Ehrich, BB 1996, 2246, 2249; allerdings ist bei einer Versetzung in einen anderen Betrieb die Zustimmung des Betriebsrates des abgebenden Betriebes nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist, s. unten Rz. 21. 33 BAG v. 27.6.2006, DB 2006, 2468. 34 BAG v. 11.12.2007, AP Nr. 45 zu § 99 BetrVG 1972; Weber/Ehrich, BB 1996, 2246, 2249. 35 BAG v. 16.3.2010, NZA 2010, 1028; v. 11.12.2007, AP Nr. 45 zu § 99 BetrVG 1972. 36 BAG v. 17.6.2008, DB 2008, 2771. 37 Fitting, § 99 BetrVG Rz. 136 mwN. 38 BAG v. 23.11.1993, AP Nr. 33 zu § 95 BetrVG 1972; LAG Schleswig-Holstein v. 27.2.2007, LAGE § 99 BetrVG 2001 Nr. 3. 39 BAG v. 13.3.2007, NZA-RR 2007, 581.

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Versetzung

b) Zustimmungsverfahren 17

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen rechtzeitig und umfassend über die Person des zu versetzenden Arbeitnehmers, den Arbeitsplatz, auf den er versetzt werden soll, und die Auswirkungen der geplanten Maßnahme informieren40 und die Zustimmung des Betriebsrats beantragen (M 19.2).41 Erst dann beginnt die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu laufen. Die Frist ist nach den allgemeinen Regeln des BGB zu berechnen (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Sie kann auch einvernehmlich verlängert werden.42 Lässt der Betriebsrat sie verstreichen, ohne sich zu äußern, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Diese Fiktion kann aber nur eintreten, wenn der Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet worden ist. War die Unterrichtung unvollständig, beginnt die Frist nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG schon nicht zu laufen.43 Innerhalb der Frist kann der Betriebsrat die Zustimmung unter Angabe konkreter Tatsachen und Gründe, die sich stets einem der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgezählten Tatbestände44 zuordnen lassen müssen, verweigern.45 Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts reicht zur Begründung des Widerspruchs nicht aus. Für die Mitteilung des Betriebsrates über die Verweigerung seiner Zustimmung genügt entgegen dem Wortlaut des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG („schriftlich“) Textform nach § 126b BGB.46

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Bei der Versetzung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstandes sowie von Wahlbewerbern ist die Zustimmungsverweigerung nicht an besondere Gründe gebunden.

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Besonders praxisrelevant sind die in § 99 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe. Die Verletzung der Unterrichtungspflicht ist nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kein Zustimmungsverweigerungsgrund.47 Die Benachteiligung eines anderen Arbeitnehmers des Betriebes (§ 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG) ist ua. dann zu besorgen, wenn der Arbeitsplatz des zu versetzenden Arbeitnehmers wegfällt, so dass einem anderen Arbeitnehmer gekündigt werden muss48 oder dieser mit nicht unerheblichen Erschwerungen der Arbeit rechnen muss. Ein unmittelbar von der

40 Eine ordnungsgemäße Information liegt vor, wenn der Betriebsrat aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in der Lage ist zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt, BAG v. 1.6.2011, NZA 2011, 1435. 41 Eine Ausnahme hiervon gilt jedoch bei arbeitskampfbedingten Versetzungen. Der Betriebsrat eines abgebenden Betriebs hat bei einer arbeitskampfbedingten Versetzung arbeitswilliger Arbeitnehmer in einen bestreikten Betrieb des Arbeitgebers nicht nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen. Das gilt unabhängig davon, ob der abgebende Betrieb in den Arbeitskampf einbezogen ist oder nicht, BAG v. 13.12.2011, NZA 2012, 571. 42 Auch eine Verlängerung von sieben Monaten wäre wirksam, BAG v. 6.10.2010, AP Nr. 45 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung. 43 BAG v. 29.6.2011, NZA-RR 2012, 18; vgl. dazu auch Schulze/Schreck, ArbR Aktuell 2013, 9. 44 BAG v. 21.7.2009, NZA 2009, 1156. 45 BAG v. 17.6.2008, NZA 2008, 1139; st. Rspr., v. 26.1.1988, NZA 1988, 476. 46 BAG v. 9.12.2008, NZA 2009, 627; v. 10.3.2009, NZA 2009, 622; v. 1.6.2011, AP Nr. 39 zu § 99 BetrVG 1972. 47 BAG v. 12.1.2011, NZA-RR 2011, 574. 48 BAG v. 15.9.1987, NZA 1988, 624; v. 30.8.1995, AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG Versetzung.

766 Lingemann

Versetzung

Kap. 19

Maßnahme betroffener Arbeitnehmer wird etwa dann benachteiligt (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG), wenn seine Versetzung mit einer Verschlechterung der äußeren (zB längere Wegezeiten, schlechtere Räumlichkeiten, Schmutz) oder auch der materiellen (zB Herabstufung in niedrigere Tarifvertragsgruppe) Arbeitsbedingungen einhergeht. Der bloße Wegfall einer Beförderungschance hingegen begründet keine Benachteiligung des betroffenen Arbeitnehmers. Auch wenn einzelne Arbeitnehmer benachteiligt werden, kann die Maßnahme aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt sein. Dies darzulegen und zu beweisen, obliegt im Zustimmungsersetzungsverfahren (§ 99 Abs. 4 BetrVG) dem Arbeitgeber. Der Betriebsrat hat nach § 99 BetrVG nur die Möglichkeit, die Zustimmung zur Einstellung in der vom Arbeitgeber beabsichtigten Form insgesamt zu verweigern. Er kann jedoch nicht über § 99 BetrVG eine Beschäftigung zu anderen iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG normgemäßen Bedingungen durchsetzen.49

20

Versetzt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in einen anderen Betrieb des Unternehmens, bestimmt auch der Betriebsrat des neuen Betriebes mit, da es sich aus seiner Sicht um eine „Einstellung“ iSv. § 99 BetrVG handelt. Ist der Arbeitnehmer mit der Versetzung nicht einverstanden, ist auch der Betriebsrat des abgebenden Betriebes nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Bei Einverständnis des Arbeitnehmers hingegen besteht kein Beteiligungsrecht des Betriebsrates im abgebenden Betrieb nach § 99 BetrVG. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat dann lediglich nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu unterrichten.50

21

c) Folgen der fehlenden Zustimmung Versetzungen ohne Beteiligung des Betriebsrats sind unwirksam, selbst wenn sie vom Direktionsrecht umfasst oder mit Einverständnis des Arbeitnehmers erfolgt sind.51 Bei Betriebsratsmitgliedern gilt dies jedoch gemäß § 103 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BetrVG nicht, wenn das betroffene Betriebsratsmitglied mit der Versetzung einverstanden ist.52 Der Arbeitnehmer braucht der betriebsverfassungswidrigen Weisung des Arbeitgebers nicht Folge zu leisten.53 Verweigert der Betriebsrat nach ordnungsgemäßem Verfahren die Zustimmung, ist eine dennoch durchgeführte Versetzung im Falle des § 103 Abs. 3 BetrVG endgültig unwirksam bzw. im Falle des § 99 BetrVG schwebend unwirksam. Sie wird voll wirksam, sobald das Arbeitsgericht die Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzt. Andernfalls ist auch sie endgültig unwirksam. Der Betriebsrat hat allerdings an der gerichtlichen Feststellung, ihm habe an einer vom Arbeitgeber bereits endgültig durchgeführten personellen Einzelmaß-

49 50 51 52

LAG Düsseldorf v. 4.10.2001, DB 2002, 328. BAG v. 22.11.2005, NZA 2006, 389. BAG v. 26.1.1988, NZA 1988, 476. Unberührt davon bleibt bei einer Versetzung in einen anderen Betrieb das Mitbestimmungsrecht des aufnehmenden Betriebes, da es sich aus dessen Sicht um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung handelt, s. Rz. 21. 53 Weber/Ehrich, BB 1996, 2249, 2251.

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Kap. 19

Versetzung

nahme ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zugestanden, regelmäßig kein rechtliches Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO.54 23

Der Arbeitgeber kann nach der Verweigerung der Zustimmung zur vorläufigen Durchführung der Maßnahme gemäß § 100 BetrVG berechtigt sein (dazu unten Rz. 25 f.). d) Zustimmungsersetzungsverfahren

24

Das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG bzw. § 103 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 BetrVG ist vom Arbeitgeber beim Arbeitsgericht einzuleiten.55 Es handelt sich um ein Beschlussverfahren gemäß § 2a ArbGG. Der Arbeitgeber hat darzulegen, dass er den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet hat, und dass die vom Betriebsrat genannten Zustimmungsverweigerungsgründe nicht vorliegen, bzw. dass dringende betriebliche Gründe auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers die Versetzung notwendig machen. Wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat ursprünglich nicht ordentlich unterrichtet hat, kann er im Zustimmungsersetzungsverfahren die Informationen nachholen, wenn für den Betriebsrat erkennbar ist, dass der Arbeitgeber seiner Informationspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG nachkommen will.56 Der Betriebsrat trägt die Darlegungs- und Beweislast für den form- und fristgerechten Widerspruch nach § 99 BetrVG, der Arbeitgeber für die erteilte Zustimmung nach § 103 Abs. 3 BetrVG. Das Arbeitsgericht klärt den Sachverhalt von Amts wegen auf. Der Betriebsrat ist mit Gründen, die er nicht innerhalb der Wochenfrist mitgeteilt hat, ausgeschlossen, kann also während des Zustimmungsersetzungsverfahrens keine weiteren Verweigerungsgründe nachschieben.57 Dem Arbeitgeber ist es grundsätzlich unbenommen, nach rechtskräftigem Unterliegen im Zustimmungsersetzungsverfahren die auf das gleiche Ziel gerichtete personelle Maßnahme erneut nach Maßgabe des § 99 Abs. 1 BetrVG einzuleiten und erforderlichenfalls gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu beantragen.58 Er kann auch ein laufendes Zustimmungsersetzungsverfahren um einen zusätzlichen Antrag auf Zustimmungsersetzung erweitern.59 Will er die Maßnahme jedoch nicht mehr umsetzen, so entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag.60

54 BAG v. 15.4.2008, NZA 2008, 1020. 55 Eine Pflicht des Arbeitgebers zur Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens zur Verwirklichung des Anspruchs eines schwerbehinderten Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung nach § 81 Abs. 4 SGB IX besteht nur bei Vorliegen besonderer Gründe. Hierzu zählen etwa ein unbegründeter Widerspruch oder kollusives Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, BAG v. 22.9.2005, NZA 2006, 486. 56 BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 24/10, NZA-RR 2012, 18. 57 BAG v. 17.11.2010, NZA-RR 2011, 415; v. 10.8.1993, NZA 1994, 187, 189. 58 BAG v. 18.3.2008, NZA 2008, 832. 59 BAG v. 16.1.2007, NZA 2007, 1456. 60 BAG v. 8.12.2010, NZA-RR 2011, 315.

768 Lingemann

M 19.1

Versetzung

Kap. 19

e) Vorläufige personelle Maßnahmen Auch vor Ablauf der Äußerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (dazu oben Rz. 17), oder wenn der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hat (dazu oben Rz. 22), kann der Arbeitgeber die Versetzung vorläufig durchführen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).61 Dies gilt nicht für Personen nach § 103 BetrVG. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme unterrichtet hat. Sofern der Betriebsrat bestreitet, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, muss er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen. Der Arbeitgeber darf die vorläufige personelle Maßnahme dann nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht neben der Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats auch die Feststellung beantragt hat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 2 BetrVG). Lehnt das Gericht die Ersetzung der Zustimmung ab oder verneint es die Dringlichkeit der vorläufigen personellen Maßnahme, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft dieser Entscheidung (§ 100 Abs. 3 BetrVG).

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Sofern der Arbeitgeber sich nicht an das Verfahren zur Durchführung der vorläufigen Maßnahme hält oder ohne Zustimmung des Betriebsrates eine Maßnahme durchführt, kann der Betriebsrat die Aufhebung der personellen Maßnahme bei dem Arbeitsgericht beantragen. Im Falle der weiteren Zuwiderhandlung kann ein Zwangsgeld bis zu Euro 250,– für jeden Tag der Zuwiderhandlung verhängt werden (§ 101 BetrVG).

26

61 Zur vorläufigen Durchführung personeller Maßnahmen Hoppe/Marcus, ArbR Aktuell 2011, 367; ferner Gillen/Vahle, BB 2010, 761; Matthes, BB 2010, 2109.

II. Muster

u

Ausübung des Direktionsrechts und vorsorgliche Änderungskündigung1 durch den Arbeitgeber Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . .,

wir bitten Sie, ab sofort folgende Aufgabe . . . in der Abteilung . . . zu übernehmen. Ihre Bezüge bleiben davon unberührt. Für den Fall, dass die Personalmaßnahme wider Erwarten nicht vom Direktionsrecht gedeckt sein sollte, sprechen wir vorsorglich folgende Änderungskündigung aus: Wir kündigen Ihr Arbeitsverhältnis ordentlich zum . . . Gleichzeitig bieten wir Ihnen ab . . . eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit folgender Aufgabe . . . in der Abteilung . . . an. Alle weiteren Regelungen Ihres Arbeitsvertrages bleiben unverändert. Für den Fall, dass Sie die vorsorgliche Änderungskündigung ablehnen, sind Sie nach § 38 Abs. 1 SGB III verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres 1 Zur Änderungskündigung s. Kap. 20.

Lingemann 769

19.1

Kap. 19

Versetzung

M 19.2

Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.2 Der Betriebsrat hat der Versetzung nach § 99 BetrVG und der vorsorglichen Änderungskündigung nach § 102 BetrVG zugestimmt. ... (Firma) 2 Auch ein Unterlassen des Hinweises hat allerdings keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Einf. Kap. 22 Rz. 129).

19.2

u

Unterrichtung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG wegen beabsichtigter Versetzung und Umgruppierung

An den Betriebsrat z. Hd. des Betriebsratsvorsitzenden (Ort, Datum) . . . Die Firma beabsichtigt, den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin . . . wohnhaft in . . . beschäftigt als . . . in Abteilung . . . mit Wirkung vom . . . von der bisherigen Tarifgruppe . . . in die neue Tarifgruppe . . . umzugruppieren1 und ihn/sie 1 Die Versetzung wird häufig mit einer Umgruppierung einhergehen. So führt die Zuweisung einer neuen Tätigkeit, die den Merkmalen einer anderen Vergütungsgruppe entspricht, zur Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG. In diesem Fall ist zu beachten, dass die Umgruppierung für sich allein auch mitbestimmungspflichtig ist, BAG v. 28.8.2008, NZA 2009, 205; v. 20.3.1990, NZA 1990, 699; vgl. auch BAG v. 12.12.2006, DB 2007, 527. Auch die Zuweisung einer anderen Entgeltstufe innerhalb einer Tarifgruppe fällt unter § 99 BetrVG, BAG v. 6.4.2011, DB 2011, 2207. Insbesondere gebündelt angeordnete Versetzungen können auch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG auslösen, wenn sie etwa eine Änderung der täglichen Arbeitszeit oder der betrieblichen Lohngestaltung darstellen, LAG Hessen v. 11.8.1987, BB 1988, 68.

770 Lingemann

M 19.3

Kap. 19

Versetzung

von . . . nach . . . zu versetzen. Die Umgruppierung soll erfolgen, weil . . .2 Die Versetzung soll erfolgen, weil . . . Die Personalmaßnahmen sollen ab . . . in Kraft treten. Der Betriebsrat wird gebeten, den beabsichtigten Maßnahmen innerhalb einer Woche nach § 99 BetrVG zuzustimmen. ... (Geschäftsleitung) 2 Es kann ratsam sein, beide Maßnahmen getrennt zu begründen. Das fokussiert die Begründung auf die jeweilige Maßnahme und erleichtert es dem Betriebsrat, zu jeder der Maßnahmen ggf. getrennt Stellung zu nehmen, vgl. Wollwert, DB 2012, 2518.

u

Klage1 gegen Versetzung2 An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)3 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:4, 5

1 Häufig wird versucht, gegen eine Versetzung im Wege der einstweiligen Verfügung vorzugehen. Wegen der gravierenden Folgen einer solchen einstweiligen Verfügung für den Arbeitgeber stellen die Gerichte an den Verfügungsgrund regelmäßig sehr hohe Anforderungen. Verlangt wird üblicherweise, dass die dem Arbeitnehmer drohenden Nachteile nicht nur schwer wiegen, sondern „außer Verhältnis stehen“ zu dem Schaden, den der Arbeitgeber erleiden kann (zB LAG Rheinland-Pfalz v. 20.4.2011 – 7 SaGa 1/11). 2 Praxistipp: Statt selbst aktiv zu werden, kann der Arbeitnehmer bei einer unberechtigten Versetzung auch den Weg gehen, seine Arbeitsleistung gemäß §§ 320, 273 BGB zurückzuhalten, also nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Dieser Weg ist allerdings höchst riskant. Denn regelmäßig kontert der Arbeitgeber nach erfolgloser Abmahnung mit einer fristlosen Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung. Die Wirksamkeit dieser Kündigung hängt dann davon ab, ob die Versetzung berechtigt war oder nicht. Hat der Arbeitnehmer sich geirrt und war die Versetzung wirksam, steht damit sogleich fest, dass die Arbeitsverweigerung widerrechtlich war, was die fristlose Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen kann. Die Erhebung einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung ist also der erheblich weniger riskante Weg und deshalb eindeutig vorzuziehen. 3 S. M 101.1 und M 101.2. 4 Die richtige Antragstellung bei der Klage gegen eine Versetzung ist seit jeher umstritten (zuletzt BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1355). Am sichersten und sinnvollsten ist es, wie in dem Muster eine Leistungsklage (Weiterbeschäftigung auf dem früheren Arbeitsplatz, § 259 ZPO) mit einer Feststellungsklage (Unwirksamkeit der Versetzung) zu kombinieren. Nach der Rechtsprechung (BAG v. 12.12.2006, EzA § 242 BGB Verwirkung Nr. 1) ist diese Antragskombina-

Lingemann/Diller

771

19.3

Kap. 19

Versetzung

M 19.3

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger eine Tätigkeit als Pförtner zuzuweisen. 2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Export-Sachbearbeiter weiter zu beschäftigen.6 Begründung: Der Kl. ist seit . . . bei der Bekl. als Export-Sachbearbeiter tätig. Grundlage der Tätigkeit ist der Arbeitsvertrag vom . . . Das Gehalt des Kl. betrug zuletzt Euro . . . pro Monat. Die Bekl. hat ca. 100 Arbeitnehmer, es besteht ein Betriebsrat. Der Kl. war von Beginn seiner Tätigkeit an bis zum . . . ununterbrochen als ExportSachbearbeiter tätig, als solcher war er auch ausweislich § 1 seines Anstellungsvertrages eingestellt worden. Beweis: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage K 1 Amteilte der Personalleiter der Bekl. dem Kl. mit, er habe ab sofort als Pförtner tätig zu werden. Der bisherige Pförtner sei in den Ruhestand gegangen, einen Nachfolger habe man noch nicht finden können. Der Kl. erklärte sich mündlich bereit, für maximal eine Woche an der Pforte auszuhelfen. Für die Zeit danach bestehe er allerdings auf vertragsgemäßer Beschäftigung als Export-Sachbearbeiter. Beweis: Zeugnis des Personalleiters, zu laden über die Bekl. Nach Ablauf der einen Woche teilte der Personalleiter der Bekl. dem Kl. jedoch mit, er müsse „bis auf weiteres“ an der Pforte weiterarbeiten. Man denke derzeit über eine generelle Reorganisation des Betriebes nach, deshalb habe man zunächst eine Einstellungssperre verfügt. Man werde „zu gegebener Zeit“ auf die Sache wieder zurückkommen. Beweis: wie vor

tion zulässig, wobei die Feststellungsklage als Zwischenfeststellungsklage iSv. § 256 Abs. 2 ZPO behandelt wird. Überholt ist damit die Auffassung des LAG Nürnberg (v. 10.9.2002 – 6 (4) Sa 66/01, nv.), wonach beide Anträge nebeneinander nur zulässig seien, wenn dafür ein besonderes Rechtsschutzinteresse bestehe. Selbstverständlich kann sich der Arbeitnehmer darauf beschränken, statt dessen entweder nur die Unwirksamkeit der Versetzung feststellen zu lassen oder aber nur auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen zu klagen. Die Kombination beider Anträge macht jedoch das Anliegen deutlicher und schafft bessere Vollstreckungsmöglichkeiten. 5 Gebräuchlich ist auch der Antrag, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass „die Versetzung auf den Arbeitsplatz X unwirksam ist“. Dies ist ebenso zulässig wie der Antrag festzustellen, dass der Arbeitnehmer „nicht verpflichtet ist, als . . . tätig zu werden“. Bei einer Versetzung an einen anderen Ort wird üblicherweise die Feststellung beantragt, dass „die Versetzung in die Filiale X unwirksam ist“. Nicht zulässig ist dagegen ein Antrag auf „Zurücknahme der Versetzung“ (LAG Nürnberg v. 10.9.2002 – 6 (4) Sa 66/01, nv.). 6 Dem Weiterbeschäftigungsantrag steht es nicht entgegen, wenn der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag stets berechtigt ist, dem Arbeitnehmer eine andere zumutbare Tätigkeit zuzuweisen. Der Arbeitgeber ist deshalb nicht daran gehindert, dem Arbeitnehmer nach einem entsprechenden stattgebenden Weiterbeschäftigungsurteil erneut eine – diesmal zumutbare – andere Tätigkeit zuzuweisen. Betreibt der Arbeitnehmer dann aus dem alten Titel Vollstreckung auf die Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz, muss der Arbeitgeber sich mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO (ggf. iVm. einer einstweiligen Verfügung nach § 769 ZPO) wehren.

772 Diller

Änderungskündigung

Kap. 20

Die Bekl. ist nicht berechtigt,7 den Kl. – bis auf weiteres – als Pförtner einzusetzen. Zwar hat sich die Bekl. gemäß § 1 Satz 2 des Anstellungsvertrages das Recht vorbehalten, dem Kl. „anderweitige zumutbare Tätigkeiten, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen“, zuzuweisen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Tätigkeit als Pförtner für den Kl. unzumutbar ist. Der Kl. hat eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung. Die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz, der gewöhnlich mit einem ungelernten gewerblichen Arbeitnehmer besetzt wird, stellt eine Diskriminierung dar. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Bekl. dem Kl. zugesagt hat, sein früheres Gehalt unverändert weiterzuzahlen. Im Übrigen ist die Versetzung auch deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat nicht gemäß § 99 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden ist.8 Beweis: Zeugnis des Betriebsratsvorsitzenden . . ., zu laden über die Bekl. ... (Unterschrift)9 7 Ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer versetzt werden kann, richtet sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Enthält dieser keine Versetzungsklausel, ist der Arbeitnehmer also für eine bestimmte Tätigkeit eingestellt, ist die Versetzung grundsätzlich ausgeschlossen. Ansonsten ist stets zu prüfen, ob die Versetzungsklausel nach §§ 305 ff. BGB wirksam ist und ob sich die Versetzung als einseitige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers gem. § 315 BGB in den Grenzen billigen Ermessens hält. Daran fehlt es insbesondere bei einer Versetzung an einen weit entfernt liegenden anderen Ort oder bei einer Versetzung auf eine unterwertige Tätigkeit (auch bei Vergütungsfortzahlung). 8 Die Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG (nur in Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern!) führt zur Unwirksamkeit der Versetzung. Zu beachten ist allerdings, dass sich der Begriff „Versetzung“ iSd. §§ 99, 95 Abs. 3 BetrVG nicht mit dem individualrechtlichen Begriff der Versetzung deckt. 9 Als Streitwert werden regelmäßig ein bis drei Monatsgehälter angesetzt. Im Regelfall ist ein Bruttomonatsgehalt angemessen (LAG Berlin v. 2.11.2005, AE 2006, Nr. 114).

u

Klage auf Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz S. M 16.5.

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Kapitel 20

Änderungskündigung

Literaturübersicht: Bauer/Krets, Auflösungsantrag im Rahmen einer Änderungsschutzklage, DB 2002, 1937; Benecke, Die „überflüssige Änderungskündigung“ – Ein Scheinproblem, NZA 2005, 1092; Berkowsky, Aktuelle Entwicklungen im Recht der Änderungskündigung, NZA-RR 2008, 337; Berkowsky, Aktuelle Probleme der Versetzungs-Änderungskündigung: Der Arbeitgeber im Zangengriff von individuellem und kollektivem Arbeitsrecht, NZA 2010, 250; Berkow-

Diller/Lingemann

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Änderungskündigung

Kap. 20

Die Bekl. ist nicht berechtigt,7 den Kl. – bis auf weiteres – als Pförtner einzusetzen. Zwar hat sich die Bekl. gemäß § 1 Satz 2 des Anstellungsvertrages das Recht vorbehalten, dem Kl. „anderweitige zumutbare Tätigkeiten, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen“, zuzuweisen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Tätigkeit als Pförtner für den Kl. unzumutbar ist. Der Kl. hat eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung. Die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz, der gewöhnlich mit einem ungelernten gewerblichen Arbeitnehmer besetzt wird, stellt eine Diskriminierung dar. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Bekl. dem Kl. zugesagt hat, sein früheres Gehalt unverändert weiterzuzahlen. Im Übrigen ist die Versetzung auch deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat nicht gemäß § 99 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden ist.8 Beweis: Zeugnis des Betriebsratsvorsitzenden . . ., zu laden über die Bekl. ... (Unterschrift)9 7 Ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer versetzt werden kann, richtet sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Enthält dieser keine Versetzungsklausel, ist der Arbeitnehmer also für eine bestimmte Tätigkeit eingestellt, ist die Versetzung grundsätzlich ausgeschlossen. Ansonsten ist stets zu prüfen, ob die Versetzungsklausel nach §§ 305 ff. BGB wirksam ist und ob sich die Versetzung als einseitige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers gem. § 315 BGB in den Grenzen billigen Ermessens hält. Daran fehlt es insbesondere bei einer Versetzung an einen weit entfernt liegenden anderen Ort oder bei einer Versetzung auf eine unterwertige Tätigkeit (auch bei Vergütungsfortzahlung). 8 Die Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG (nur in Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern!) führt zur Unwirksamkeit der Versetzung. Zu beachten ist allerdings, dass sich der Begriff „Versetzung“ iSd. §§ 99, 95 Abs. 3 BetrVG nicht mit dem individualrechtlichen Begriff der Versetzung deckt. 9 Als Streitwert werden regelmäßig ein bis drei Monatsgehälter angesetzt. Im Regelfall ist ein Bruttomonatsgehalt angemessen (LAG Berlin v. 2.11.2005, AE 2006, Nr. 114).

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Klage auf Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz S. M 16.5.

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Kapitel 20

Änderungskündigung

Literaturübersicht: Bauer/Krets, Auflösungsantrag im Rahmen einer Änderungsschutzklage, DB 2002, 1937; Benecke, Die „überflüssige Änderungskündigung“ – Ein Scheinproblem, NZA 2005, 1092; Berkowsky, Aktuelle Entwicklungen im Recht der Änderungskündigung, NZA-RR 2008, 337; Berkowsky, Aktuelle Probleme der Versetzungs-Änderungskündigung: Der Arbeitgeber im Zangengriff von individuellem und kollektivem Arbeitsrecht, NZA 2010, 250; Berkow-

Diller/Lingemann

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Kap. 20

Änderungskündigung

sky, Was ist bei einer Änderungskündigung, die mit einer Versetzung verbunden ist, zu beachten?, AA 2010, 38; Berkowsky, Änderungskündigung zur Änderung von Nebenabreden, NZA 2003, 1130; Berkowsky, Änderungskündigung und vorbehaltlose Annahme eines Änderungsangebotes, NZA 2008, 26; Berkowsky, BB-Forum: Zum Entscheidungsmodell der Änderungskündigung, BB 2009, 1867; Berkowsky, Möglichkeiten und Grenzen der Änderungskündigung, NZA Beilage 2/2010, 50; Berkowsky, Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung, NZA 2006, 697; Bernhardt/Barthel, Betriebsbedingte Änderungskündigung, AuA 2006, 328; Betz, Die betriebsbedingte Änderungskündigung, 2007; Boewer, Die Bedeutung der Änderungskündigung, FA 2009, 333; Edenfeld, Änderungskündigung – Sekt oder Selters, RdA 2006, 177; Gastell/Hubrich, Änderungskündigung zur Versetzung, AuA 2012, 212; Helml, Direktionsrecht und Änderungskündigung, AiB 2011, 30; Herbert/Oberrath, Die soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Änderungskündigung, NJW 2008, 3177; Hromadka, Änderungskündigen – Wirklich schwerer als kündigen?, AuA 2004, Nr. 3, 16; Hromadka, Nochmals: Die „überflüssige“ Änderungskündigung, NZA 2008, 1338; Hromadka, Neues zur überflüssigen Änderungskündigung, NZA 2012, 896; Hunold, Änderungskündigung – Vergütungsreduzierung, AuA 2008, 337; Hunold, Die „überflüssige“ Änderungskündigung, NZA 2008, 860; Kappelhoff, Die Änderung von Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung, ArbRB 2005, 244; Kappelhoff, Spielregeln der Änderungskündigung, ArbRB 2006, 183; Kleinebrink, Angebot zur Änderung von Arbeitsbedingungen und Änderungskündigung, ArbRB 2005, 150; Krois, Die Änderungskündigung zum Zweck der Entgeltsenkung, ZfA 2009, 575; Kühn, Die Auswahlentscheidung bei mehreren möglichen Änderungskündigungen, BB 2011, 1851; Linck, Die Änderungskündigung, AR-Blattei SD 1020.1.1; Lingemann, Kündigungsschutz, 2011, Teil 5 „Änderungskündigung“; Löwisch, Die betriebsbedingte Änderungskündigung und ihre Aufrechterhaltung im Wege der Umdeutung, SAE 2007, 49; Löwisch/Beck, Außerordentliche Änderungskündigung, AP Nr. 207 zu § 626 BGB; Malottke, Erforderlichkeit einer Änderungskündigung – Ablehnung eines Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer, AiB 2006, 188; Moderegger, Änderungskündigung zur Entgeltsenkung, ArbRB 2009, 42; Ohlendorf/Salamon, Massenänderungskündigung zur Arbeitszeitreduzierung, FA 2006, 229; Preis, Leichter kündigen als Änderungskündigen?, ArbuR 2011, Sonderheft zum 70. Geburtstag von Michael Kittner, 405; Reim, Änderungskündigung zur Absenkung übertariflicher Vergütung von Leiharbeitnehmern, AiB 2006, 769; Reiserer/Powietzka, Änderungskündigung für Entgeltsenkung, BB 2006, 1109; Rieble/Kolbe, Die neue Änderungskündigung, SAE 2008, 241; Schott, Das Entscheidungsmodell der Änderungskündigung, BB 2009, 1526; Schwarz, Neue Möglichkeiten bei der Änderungskündigung, AuA 2008, 16; Stück, Richtig änderungskündigen, AuA 2005, 212; Wagner, Alternativangebote bei der Änderungskündigung gem. § 2 KSchG, NZA 2008, 1333.

I. Einführung 1

Die Änderungskündigung ist eine Kündigung verbunden mit dem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu veränderten Bedingungen, § 2 KSchG. Die Änderungskündigung dient einerseits der einseitigen Durchsetzung von Vertragsänderungen, die über das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinausgehen und bei denen die einvernehmliche Neuregelung gescheitert ist. Andererseits stellt die Änderungskündigung ein milderes Mittel im Vergleich zur Beendigungskündigung dar und ist daher vorrangig anzuwenden.1 Ist eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter veränderten Bedingungen möglich, ist die dennoch ausgesprochene Beendigungskündigung unwirksam.2

2

Die Grundsätze der Kündigung gelten auch für die Änderungskündigung. Der Arbeitgeber ist an die Kündigungsfristen des § 622 BGB gebunden. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat nach § 102 BetrVG anhören. Daneben liegt bei einer Ände1 BAG v. 21.4.2005, NZA 2005, 1289. 2 BAG v. 26.1.1995, NZA 1995, 628.

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rungskündigung oft auch eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG vor, die der Zustimmung des Betriebsrats bedarf (vgl. Kap. 19). Die fehlende Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 BetrVG berührt die Wirksamkeit der Änderungskündigung jedoch nicht (dazu unten Rz. 35). Der Arbeitnehmer kann eine Änderungskündigungsschutzklage nur innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG erheben, falls er in den Anwendungsbereich des KSchG fällt und die Unwirksamkeit rügen möchte.

1. Inhalt der Erklärung (M 20.1) § 2 KSchG verlangt, dass der Arbeitgeber das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit der Kündigung ausspricht. Das ist der Fall, wenn sich aus den Gesamtumständen zweifelsfrei ergibt, dass der Arbeitgeber in erster Linie die Veränderung der Arbeitsbedingungen bezweckt und nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Änderungsangebot und Kündigung müssen daher auch gleichzeitig zugehen. So kann der Arbeitgeber nicht aus einer Beendigungskündigung durch nachträgliches Angebot veränderter Arbeitsbedingungen eine Änderungskündigung machen.3 Das Angebot des Arbeitgebers muss so konkret sein, dass der Arbeitnehmer nur mit Ja oder Nein antworten kann; andernfalls ist es unwirksam.4 Der Arbeitnehmer muss zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung wissen bzw. hinreichend deutlich erkennen können, welchen konkreten Inhalt das Angebot hat.5 Der Arbeitnehmer muss auch erkennen können, zu welchem Zeitpunkt die Änderungen eintreten sollen.6 Unwirksam, weil nicht hinreichend bestimmt sind auch mehrere Änderungskündigungen, die der Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer zur selben Zeit erklärt, und die je für sich das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Änderung lediglich einer bestimmten – jeweils anderen – Vertragsbedingung und den Hinweis enthalten, der Arbeitnehmer erhalte zugleich weitere Änderungskündigungen.7 Zulässig ist es aber, bei mehreren freien Stellen dem Arbeitnehmer die Wahl zu lassen, welche der freien Stellen er annimmt.8

3

2. Form der Erklärung Da Kündigung und Angebot eine Einheit bilden, bedarf ebenso wie gemäß § 623 BGB die Kündigung auch das Angebot der gesetzlichen Schriftform. Es reicht jedoch aus, wenn der Inhalt des Änderungsangebots im Kündigungsschreiben hinreichenden Anklang gefunden hat.9 Das Änderungsangebot muss auch nur solche Vertragsbedingungen erwähnen, die zukünftig gelten sollen, sich also ändern. Die weiter gehenden Vertragsbedingungen brauchen hingegen nicht zwingend schriftlich angegeben zu werden.10

3 4 5 6 7 8 9 10

Weber/Ehrich, BB 1996, 2251; LAG Rh.-Pf. v. 6.2.1987, DB 1987, 1098 (LS). LAG Rh.-Pf. v. 6.2.1987, DB 1987, 1098 (LS). BAG v. 15.1.2009, NZA 2009, 957. BAG v. 29.9.2011, NZA 2012, 628. BAG v. 10.9.2009, NZA 2010, 333 m. Anm. Bauer, ArbR Aktuell 2010, 144. LAG Hamm v. 7.9.2007, LAGE § 2 KSchG Nr. 60. BAG v. 16.9.2004, BB 2005, 946. BAG v. 16.9.2004, BB 2005, 946, 947.

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3. Arten der Änderungskündigung 5

Wie bei der Beendigungskündigung kann der Arbeitgeber eine außerordentliche oder eine ordentliche Änderungskündigung aussprechen. Die gesetzlich nicht geregelte außerordentliche Änderungskündigung ist allgemein anerkannt, findet aber selten Anwendung. Typische Anwendungsfälle sind die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist gegenüber tariflich unkündbaren Arbeitnehmern11 und die außerordentliche Kündigung gegenüber Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz, namentlich nach § 15 KSchG.12 § 2 KSchG ist auch auf die außerordentliche Änderungskündigung anwendbar.13 Damit kann der Arbeitnehmer auch hier die Annahme unter Vorbehalt erklären und die Änderungsschutzklage erheben (s. unten Rz. 22 ff.). Eine ordentliche Änderungskündigung, bei der die angebotenen Änderungen vor Ablauf der Kündigungsfrist in Kraft treten sollen, ist nach Auffassung des LAG Köln14 unwirksam. Richtigerweise greift sie jedoch erst zum Zeitpunkt des Auflaufs der Kündigungsfrist.15

4. Kündigungsgründe und soziale Rechtfertigung 6

Der Normalfall ist die ordentliche Änderungskündigung, die, sofern Kündigungsschutz besteht, gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein muss (dazu Rz. 8 ff.). Strengere Anforderungen stellt die außerordentliche Änderungskündigung (dazu Rz. 20 f.).

7

Die Sozialwidrigkeit der ordentlichen Änderungskündigung bemisst sich ausschließlich nach der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen, nicht der Beendigung. Ist nur eine von mehreren Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial nicht gerechtfertigt, so ist die Änderungskündigung insgesamt unwirksam.16 Wie bei der Beendigungskündigung kommt es darauf an, ob personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen: a) Personenbedingte Änderungskündigung

8

Eine personenbedingte Änderungskündigung kommt insbesondere in Frage, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner bisherigen Tätigkeit gehindert und ein freier leidensgerechter Arbeitsplatz vorhanden ist.17 Hier muss der Arbeitgeber uU sogar einen adäquaten, aber noch besetzten Arbeitsplatz für den gesundheitlich beeinträchtigten Arbeitnehmer freimachen, allerdings nur, soweit sein Direktionsrecht dies erlaubt.18

11 12 13 14 15

BAG v. 2.3.2006, NZA 2006, 985; v. 18.5.2006, NZA-RR 2007, 272. BAG v. 7.10.2004, BB 2005, 334. BAG v. 18.5.2006, NZA-RR 2007, 272; v. 19.6.1986, NZA 1987, 94. LAG Köln v. 21.6.2002, BB 2003, 212. So zur Beendigungskündigung BAG v. 18.4.1985, DB 1985, 2255; im Einzelnen Einf. Kap. 22 Rz. 13. 16 Vgl. BAG v. 28.10.2010, DB 2011, 476; LAG Köln v. 21.6.2002, BB 2003, 212. 17 BAG v. 5.8.1976, DB 1976, 2307. 18 BAG v. 29.1.1997, DB 1997, 1039; krit. hierzu Lingemann, BB 1998, 1106. Zur Reichweite des Direktionsrechts s. Einf. Kap. 19 Rz. 1 ff.

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b) Verhaltensbedingte Änderungskündigung Die verhaltensbedingte Änderungskündigung setzt – wie die Beendigungskündigung19 – einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten und grundsätzlich eine vorherige Abmahnung20 voraus.

9

Bei der personen- oder verhaltensbedingten Änderungskündigung muss zudem das Änderungsangebot geeignet und erforderlich sein, die Störung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen.

10

In einer abschließenden Interessenabwägung ist ferner das Interesse des Arbeitnehmers an einem unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegen dasjenige des Arbeitgebers an einer Änderung der Arbeitsbedingungen abzuwägen.

11

c) Betriebsbedingte Änderungskündigung In der Praxis häufigster und auch schwierigster Anwendungsfall der Änderungskündigung ist die betriebsbedingte Änderungskündigung. Sie ist sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.21 Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat.22 Ein anerkennenswerter Anlass liegt vor, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen zum Ende der Kündigungsfrist entfallen sein wird. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Prognose ist der Kündigungszugang.23 Dieser Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses kann auf einer unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen eines Betriebes oder einzelner Arbeitsplätze beruhen, von der auch das Anforderungsprofil der im Betrieb nach Umstrukturierung verbleibenden Arbeitsplätze erfasst werden kann.24 Diese unternehmerische Entscheidung unterliegt nur einer Missbrauchskontrolle daraufhin, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.25 Gegenstand der Unternehmerentscheidung kann zB die Verlagerung eines Betriebsteils26 sein oder auch eine betriebsbedingte Umorganisation, die zu einer anderen zeitlichen Lage und zur Herabsetzung der Dauer der Arbeitszeit führt; insoweit kommt auch die Teilung einer Stelle und Umgestaltung in zwei Teilzeitstellen in Betracht.27 Die unternehmerische Entscheidung kann auch ein Gesamtkonzept betreffen, das den Ausspruch von Beendigungs- und Änderungskündigungen umfasst.28 Ein Missbrauch der unternehmerischen Organisationsfreiheit liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit hätte, auf die Reorgani19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Einzelheiten Einf. Kap. 22 Rz. 44 ff. LAG Nürnberg v. 6.8.2012, NZA-RR 2012, 631; zu Ausnahmen Einf. Kap. 22 Rz. 45. BAG v. 13.6.2012, NJW 2013, 490; v. 24.5.2012, NZA-RR 2013, 74 st. Rspr. BAG v. 24.5.2012, NZA-RR 2013, 74; v. 29.9.2011, NZA 2012, 628 st. Rspr. BAG v. 29.9.2011, NZA-RR 2012, 158. BAG v. 12.1.2006, BB 2006, 1115, 1116. BAG v. 12.8.2010, DB 2011, 597; v. 23.6.2005, DB 2006, 285. BAG v. 27.9.2001, NZA 2002, 696. BAG v. 22.4.2004, BB 2004, 2818 m. Anm. Spirolke/Regh. BAG v. 22.9.2005, NZA 2007, 1320.

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sation zu verzichten, sofern sie dauerhafter Natur und nicht nur vorgeschoben ist.29 Natürlich ist aber eine Änderungskündigung zur Maßregelung entgegen § 612a BGB missbräuchlich.30 13

Allerdings führt das BAG stets eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung durch. Wird durch das Änderungsangebot beispielsweise neben der Tätigkeit (Arbeitsleistungspflicht) auch die Gegenleistung (Vergütung) geändert, so sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen.31 Sozial gerechtfertigt ist die Änderung letztlich nur, wenn „vom bisherigen Vertragsinhalt lediglich das weggenommen bzw. geändert wird, was weggenommen bzw. geändert werden muss, um den Vertrag aufrecht erhalten zu können.“32 Die angebotenen Änderungen dürfen sich daher vom Inhalt der bisherigen vertraglichen Regelungen nicht weiter entfernen als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich.33 Eine besondere Rechtfertigung der mit der Änderungskündigung verbundenen Vergütungsänderung ist nur dann entbehrlich, wenn sich die geänderte Vergütung aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt34 oder eine Entgeltreduzierung bei geändertem Arbeitsinhalt durch einen evident geringeren Marktwert der neu angebotenen gegenüber der bisherigen Tätigkeit gerechtfertigt ist.35 Ergibt sich die Höhe der Vergütung für die geänderte Tätigkeit nicht aus einer Vergütungsordnung, sondern hat der Arbeitgeber die Gehälter aller vergleichbaren Arbeitnehmer frei ausgehandelt, so gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast.36 Bewegt sich die angebotene Vergütung verglichen mit der der anderen Arbeitnehmer im oberen Bereich, so spricht zunächst eine Vermutung dafür, dass die angebotene Vergütung vom Arbeitnehmer billigerweise hinzunehmen ist.37 Das BAG wendet hier also nicht dieselben strengen Maßstäbe an, die bei einer Änderungskündigung mit dem alleinigen Ziel der Entgeltabsenkung gelten (dazu sogleich Rz. 14). Erklärt der Arbeitgeber die Änderungskündigung zur Änderung mehrerer Arbeitsbedingungen, so ist die Änderungskündigung insgesamt unwirksam, wenn auch nur eine der erklärten Änderungen unverhältnismäßig ist.38 Eine künstliche Aufspaltung in mehrere einzelne Änderungskündigungen hilft allerdings auch nicht, solange das Verhältnis der einzelnen Änderungen zueinander nicht klargestellt wird.39 Sozial nicht gerechtfertigt ist jedoch eine ordentliche Änderungskündigung, die auf eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen vor Ablauf der Kündigungsfrist zielt.40

29 BAG v. 22.4.2004, BB 2004, 2818, 2820. 30 BAG v. 22.4.2004, BB 2004, 2818, 2820; PWW/Lingemann, § 612a BGB Rz. 3. 31 BAG v. 29.11.2007, NZA 2008, 523; v. 3.4.2008, NZA 2008, 812; v. 29.3.2007, ArbRB 2007, 228; v. 23.6.2005, DB 2006, 285. 32 BAG v. 23.6.2005, DB 2006, 285, 287; krit. Annuß/Bartz, NJW 2006, 2153; Schrader/Straube, DB 2006, 1678. 33 BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 45/11, nv.; v. 28.10.2010, DB 2011, 476. 34 BAG v. 28.10.2010, DB 2011, 476; v. 29.11.2007, NZA 2008, 523. 35 BAG v. 29.11.2007, NZA 2008, 523. 36 BAG v. 3.4.2008, NZA 2008, 812. 37 BAG v. 3.4.2008, NZA 2008, 812. 38 BAG v. 28.10.2010, DB 2011, 476; v. 10.9.2009, NZA 2010, 333; v. 21.9.2006, NZA 2007, 435. 39 BAG v. 10.9.2009, NZA 2010, 333. 40 BAG v. 21.9.2006, NZA 2007, 435.

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Eine Änderungskündigung allein zur Entgeltabsenkung41 ist nur sozial gerechtfertigt, wenn die Rentabilität des Betriebes einer weiteren Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen entgegensteht, wenn also durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und soll und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind.42 Dabei ist auf die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebes und nicht nur die eines unselbständigen Betriebsteils abzustellen.43 Müsste ohne die Entgeltabsenkung ein Insolvenzantrag gestellt werden, so ist die Änderungskündigung gegenüber der sonst zu erwartenden Betriebsschließung regelmäßig das mildere Mittel.44 Auch wenn durch die Aufrechterhaltung der bisherigen Personalstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen, kann die Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung begründet sein.45 Das bloße Interesse an einer Vereinheitlichung der Vergütung rechtfertigt eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung allerdings auch dann nicht, wenn eine neue gesetzliche Regelung die Möglichkeit vorsieht, durch Parteivereinbarung einen geringeren (tariflichen) Lohn festzulegen, als er dem Arbeitnehmer bisher gesetzlich oder vertraglich zustand.46

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„Dringend“ sind die betrieblichen Erfordernisse zur Entgeltsenkung nur, wenn der Arbeitgeber einen umfassenden Sanierungsplan vorlegt, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft. Als solche milderen Mittel können etwa in Betracht kommen die Senkung von freiwilligen Leistungen, Rationalisierungsmaßnahmen und sonstige Einsparungen, wobei auch die Sanierungsfähigkeit des Betriebs und eigene Sanierungsbeiträge des Arbeitgebers bzw. Dritter (Banken) zu bewerten sein sollen.47 Eine freie Mitarbeit ist gegenüber der Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen als Arbeitnehmer aber kein milderes Mittel.48 Dient die Änderungskündigung zur Vermeidung einer Betriebsstilllegung, so soll sie nur dann sozial gerechtfertigt sein, wenn andernfalls die Beendigungskündigung auf Grund einer Betriebsstilllegung gleichfalls sozial gerechtfertigt wäre.49 Bei einem vorübergehenden Betriebsverlust soll auch nur eine vorübergehende Einkommensminderung sozial gerechtfertigt sein.50 Verändern sich die Umstände, die die Arbeitsvertragsparteien erkennbar einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag zugrunde gelegt hatten – zB einer pauschalen Abgeltung von Überstunden –, so kann auch eine Änderungskündigung bezüglich der 41 Reiserer/Powietzka, BB 2006, 1109, wobei die dort beobachtete Tendenz des BAG, eine Flexibilisierung jedenfalls von Nebenabreden zuzulassen, durch die Entscheidung des BAG v. 25.4.2007, NZA 2007, 853 möglicherweise schon wieder überholt ist. 42 BAG v. 10.9.2009, NZA 2010, 333; v. 26.6.2008, NZA 2008, 1182; v. 12.1.2006, BB 2006, 1115, 1116. 43 BAG v. 12.11.1998, NZA 1999, 472. 44 BAG v. 1.3.2007, ArbRB 2007, 261. 45 BAG v. 26.6.2008, NZA 2008, 1182. 46 BAG v. 12.1.2006, BB 2006, 1115, 1116 – unzulässig ist daher eine Änderungskündigung auf Entgeltsenkung im Verleiherunternehmen, nachdem dort ein niedrigerer Tarifvertrag in Anwendung von § 9 AÜG geschlossen wurde. 47 BAG v. 12.11.1998, NZA 1999, 472; v. 20.8.1999, NZA 1999, 255; v. 27.9.2001, NZA 2002, 750, 754; v. 16.5.2002, NZA 2003, 147. 48 BAG v. 21.2.2002, DB 2002, 2276, 2277. 49 BAG v. 12.11.1998, NZA 1999, 473. 50 BAG v. 20.8.1999, NZA 1999, 255.

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Nebenabrede (zB zukünftig vorrangig Freizeitausgleich für Überstunden und genaue Einzelabrechnung) durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sein.51 16

Die Änderungskündigung kann auch mit dem Ziel ausgesprochen werden, das bisher unbefristete Arbeitsverhältnis nur noch befristet fortzuführen. Sie ist dann sozial gerechtfertigt, wenn die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfällt und lediglich solche freien Arbeitsplätze noch vorhanden sind, die von vornherein aus sachlichen Gründen nur befristet eingerichtet sind.52 Auch wenn der Arbeitnehmer gegen eine solche Befristung nicht fristgerecht den Vorbehalt erklärt und Änderungsschutzklage erhoben hat, kann er nach Ablauf der Befristung noch die Entfristungsklage erheben.53

17

Auch bei der betriebsbedingten Änderungskündigung muss eine soziale Auswahl stattfinden (§ 2 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG). Die Regeln des § 1 Abs. 3 KSchG werden in modifizierter Form angewendet.54 In die Auswahl einzubeziehen sind alle vergleichbaren Arbeitnehmer, dh. diejenigen, die in ihrer bisherigen Tätigkeit und zugleich in ihrer Eignung für den angebotenen Arbeitsplatz austauschbar sind.55 Auszuwählen ist der Arbeitnehmer, dem die Änderung der Arbeitsbedingungen in sozialer Hinsicht am ehesten zugemutet werden kann;56 es kommt insoweit nicht nur auf Lebensalter und Dauer der Betriebszugehörigkeit an, sondern auch auf Eigenschaften wie Wendigkeit, Anpassungsfähigkeit, Bildungsstandard und Gesundheitszustand.

18

Da bei einer bloßen Reduzierung des Beschäftigungsvolumens Voll- und Teilzeitbeschäftigte gleichermaßen in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, muss ggf. auch im Rahmen einer Beendigungskündigung gegenüber der sozial weniger schutzwürdigen Vollzeitkraft eine entsprechende Änderungskündigung auf Teilzeit ausgesprochen werden.57

19

Vereinbaren im Rahmen einer Betriebsänderung Arbeitgeber und Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG,58 so wird vermutet, dass die Kündigungen durch betriebliche Erfordernisse bedingt sind; im Kündigungsschutzprozess muss dann nicht der Arbeitgeber die Betriebsbedingtheit beweisen, sondern der Arbeitnehmer die Vermutung der Betriebsbedingtheit widerlegen. Die Sozialauswahl kann in diesen Fällen nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dies gilt nicht nur für Beendigungskündigungen, sondern auch für Änderungskündigungen.59 Auf außerordentliche Änderungskündigungen findet die Regelung allerdings keine Anwendung.60 51 BAG v. 23.11.2000, BB 2001, 940, 941; ebenso BAG v. 27.3.2003, NZA 2003, 1030 (Bustransfer) m. krit. Anm. Berkowsky, NZA 2003, 1130. 52 BAG v. 16.12.2010, AP Nr. 150 zu § 2 KSchG 1969 m. Anm. Göpfert, ArbR Aktuell 2011, 380; v. 25.4.1996, AP Nr. 78 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 53 BAG v. 8.7.1998, NZA 1999, 81. 54 BAG v. 18.1.2007, FA 2007, 252; v. 13.6.1986, DB 1987, 335; Einzelheiten bei Kühn, BB 2011, 1851. 55 BAG v. 18.1.2007, DB 2007, 2097; v. 13.6.1986, DB 1987, 335. 56 BAG v. 18.1.2007, DB 2007, 2097; v. 13.6.1986, DB 1987, 335. 57 BAG v. 3.12.1997, AP Nr. 39 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; zustimmend Oetker, RdA 1999, 267; ablehnend Bauer/Klein, BB 1999, 1162. 58 Einzelheiten Einf. Kap. 22 Rz. 100. 59 BAG v. 19.6.2007, NZA 2008, 103. 60 BAG v. 28.5.2009, NZA 2009, 954.

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Kap. 20

d) Außerordentliche Änderungskündigung Bei einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung müssen – über die vorstehenden Voraussetzungen der ordentlichen Änderungskündigung hinaus – die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sein.61

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Auch für eine außerordentliche Änderungskündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers mit sozialer Auslauffrist gelten strengere Voraussetzungen als bei der ordentlichen Änderungskündigung. Wird eine solche Änderungskündigung auf eine Reorganisationsentscheidung gestützt, so ist entscheidend, ob das geänderte unternehmerische Konzept die vorgeschlagene Änderung erzwingt oder ob es im Wesentlichen auch ohne oder mit weniger einschneidenden Änderungen im Arbeitsvertrag des Gekündigten durchsetzbar bleibt.62 Schon bei der Erstellung des unternehmerischen Konzeptes muss der Arbeitgeber die ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitnehmers berücksichtigen, im Prozess muss er ferner darlegen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig gewordenen Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken.63 Dazu kann auch das Angebot gehören, dem Arbeitnehmer die Fortsetzung seiner Tätigkeit auf einem Home-Office-Arbeitsplatz zu ermöglichen.64 Stehen allerdings keine anderen Stellen zur Verfügung und können diese auch nicht durch organisatorische Maßnahmen (zB Versetzungen) geschaffen werden, so ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, Stellen, für die er keinen Bedarf hat, nur deshalb einzurichten oder aufrecht zu erhalten, um einen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zu unveränderten Bedingungen weiterbeschäftigen zu können.65 Der Arbeitgeber ist auch nicht generell verpflichtet, zur Vermeidung einer außerordentlichen Änderungskündigung gegenüber ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern Arbeitsplätze ordentlich kündbarer Arbeitnehmer „frei zu kündigen“; dies gilt erst recht, wenn der unkündbare Arbeitnehmer den frei gekündigten Arbeitsplatz nicht innerhalb der für einen qualifizierten Stellenbewerber ausreichenden Einarbeitungszeit ausfüllen kann.66 Sogar eine außerordentliche Kündigung zur Entgeltabsenkung ist dann, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens so schlecht ist, dass der Arbeitgeber ohne die angestrebte Senkung der Personalkosten Insolvenzantrag stellen müsste, gegenüber der sonst befürchteten Betriebsschließung das mildere Mittel.67 In einer derart existenzbedrohenden Situation kann der Arbeitgeber auch von seinen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern einen Sanierungsbeitrag verlangen und eine Reduzierung der Jahressonderzuwendung durchsetzen.68

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Eine außerordentliche Änderungskündigung kann auch aus personenbedingten Gründen erklärt werden, so zB wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen (hier: körperliche Beschwerden) zu der nach dem Vertrag 61 BAG v. 28.10.2010, DB 2011, 476; v. 18.5.2006, AP Nr. 5 zu § 55 BAT; v. 27.9.2001, NZA 2002, 815. 62 BAG v. 18.5.2006, AP Nr. 5 zu § 55 BAT; v. 2.3.2006, NZA 2006, 985. 63 BAG v. 2.3.2006, NZA 2006, 985. 64 BAG v. 2.3.2006, NZA 2006, 985. 65 BAG v. 18.5.2006, NZA-RR 2007, 272. 66 BAG v. 18.5.2006, AP Nr. 5 zu § 55b AT. 67 BAG v. 1.3.2007, NZA 2007, 1445. 68 BAG v. 1.3.2007, NZA 2007, 1445.

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Kap. 20

Änderungskündigung

vorausgesetzten Arbeitsleistung (hier: Schwimmmeister mit Rettungsaufgaben) auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist.69 e) Überflüssige Änderungskündigung 21a

Kann die vom Arbeitgeber beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen bereits durch die Ausübung des Weisungsrechts erreicht werden und spricht er dennoch eine Änderungskündigung aus, so verstößt diese dann „überflüssige“ Änderungskündigung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist deshalb unwirksam.70 Dennoch ist aber eine Änderungsschutzklage unbegründet, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen hat und die betreffenden Arbeitsbedingungen im Kündigungszeitpunkt auf anderem Wege bereits eingetreten sind – etwa auf Grund wirksamer Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber oder normativer Wirkung einer Betriebsvereinbarung.71 Die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits.72

5. Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers 22

Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, stehen dem Arbeitnehmer mehrere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung: Er kann die Ablehnung, die Annahme unter Vorbehalt oder die vorbehaltlose Annahme erklären. a) Ablehnung

23

Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot ab (M 20.2 3. Alt.), wird die Änderungskündigung ohne weiteres zur Beendigungskündigung. Der Arbeitnehmer kann dann innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG ab Zugang der Änderungskündigung die allgemeine Kündigungsschutzklage erheben. Streitgegenstand ist ausschließlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es ist dem Arbeitnehmer in diesem Fall verwehrt, sich auf die Möglichkeit einer Änderungskündigung als milderes Mittel zu berufen. Die Ablehnung ist endgültig und führt gemäß § 146 BGB zum Erlöschen des Angebots.

24

Die soziale Rechtfertigung der Beendigungskündigung richtet sich allerdings nur danach, ob die Änderung des Arbeitsverhältnisses nach obigen (Rz. 7 ff.) Maßstäben gerechtfertigt gewesen wäre.73 Auf die soziale Rechtfertigung der gleichzeitig ausgesprochenen Beendigung kommt es nicht an, obwohl bei Abweisung der Kündigungsschutzklage das Arbeitsverhältnis nicht geändert, sondern beendet ist. Dies beruht aber nicht auf der Erklärung des Arbeitgebers, der die Änderung ja angeboten hat, sondern auf der Ablehnung des Arbeitnehmers. Da der Arbeitnehmer damit den Bestand seines Arbeitsverhältnisses aufs Spiel setzt und überdies riskiert, wegen Ab-

69 BAG v. 28.10.2010, DB 2011, 476. 70 BAG v. 6.9.2007, NZA-RR 2008, 291. 71 BAG v. 19.7.2012, NZA 2012, 1038; v. 23.2.2012, BB 2012, 2505; v. 26.1.2012, NZA 2012, 856 m. Anm. Winzer, ArbR Aktuell 2012, 325; v. 29.9.2011 – 2 AZR 613/10, nv.; v. 26.8.2008, NZA-RR 2009, 300; vgl. aber BAG v. 29.9.2011, NZA 2012, 628. 72 BAG v. 26.1.2012, NZA 2012, 856 m. Anm. Winzer, ArbR Aktuell 2012, 325. 73 BAG v. 23.6.2005, NZA 2006, DB 2006, 285.

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Änderungskündigung

Kap. 20

lehnung einer zumutbaren Arbeit keinen oder einen geringeren Verzugslohn zu erhalten,74 ist die Ablehnung der Änderungskündigung in der Praxis selten. b) Annahme unter Vorbehalt Gemäß § 2 KSchG kann der Arbeitnehmer das Angebot auch unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen annehmen (M 20.2 2. Alt.). Das ist der bei weitem häufigste Fall. Der Arbeitnehmer muss diesen Vorbehalt gemäß § 2 Satz 2 KSchG, wenn die Kündigungsfrist weniger als drei Wochen beträgt, innerhalb der Kündigungsfrist, ansonsten innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären. Diese Fristen können durch den Arbeitgeber nicht verkürzt werden.75 Die zu kurze Bemessung der Annahmefrist führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.76

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Wichtig: Erhebt der Arbeitnehmer die Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG, kann dies die konkludente Erklärung des Vorbehalts enthalten. Die Frist ist dann aber nur eingehalten, wenn die Klage vor Fristablauf zugestellt wird; § 167 ZPO gilt nicht.77 Versäumt der Arbeitnehmer es, den Vorbehalt rechtzeitig zu erklären, kann er nur eine allgemeine Kündigungsschutzklage gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erheben. Die Situation entspricht dann der bei vorbehaltloser Ablehnung des Änderungsangebotes (oben Rz. 23 f.).

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Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an, muss er zusätzlich die Änderungsschutzklage (M 20.5) erheben, wenn er die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung gerichtlich prüfen lassen will. Die Klagefrist der Änderungsschutzklage beträgt gleichfalls drei Wochen ab Zugang der Änderungskündigung, § 4 Satz 2 KSchG. Wird in diesem Zeitraum nicht Klage erhoben, gilt die Änderung fortan als sozial gerechtfertigt und der Vorbehalt erlischt, § 7 KSchG.

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Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt oder die Änderungskündigung aus anderen Gründen unwirksam ist. Obsiegt der Arbeitnehmer, gilt die Änderungskündigung als von Anfang an rechtsunwirksam (§ 8 KSchG) und das Arbeitsverhältnis besteht zu den ursprünglichen Bedingungen fort. Andernfalls wird das Arbeitsverhältnis zu den geänderten Bedingungen weitergeführt. Zu bejahen ist die streitige Frage, ob im Verfahren einer

28

74 75 76 77

BAG v. 26.9.2007, NZA 2008, 1063; v. 11.10.2006, NJW 2007, 2060. BAG v. 18.5.2006, BB 2006, 1803. BAG v. 18.5.2006, NZA 2006, 1092. BAG v. 17.6.1998, NZA 1998, 1225; Unklar ist ob das weiterhin gilt, nachdem mit Urteil v. 17.7.2008, NJW 2009, 765 der BGH § 167 ZPO auch in den Fällen für anwendbar erklärt hat, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann. Für eine Übertragung dieser Rechtsprechung auch auf die fristgebundene Annahmeerklärung. Nägele/Gertler, NZA 2010, 1377, 1378, dagegen Gehlhaar, NZA-RR 2011, 169, 171 ff., da die Entscheidung des BGH sich auf die Geltendmachung eines Rechts bezog und die Erklärung der Annahme unter Vorbehalt keine solche Geltendmachung sei. Da die Frage streitig ist, ist dem Arbeitnehmer (weiterhin) zu empfehlen, seine Annahme unter Vorbehalt so rechtzeitig zu erklären, dass sie innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 2 Satz 2 KSchG zugeht. Wenn die Kündigungsfrist ausnahmsweise drei Wochen unterschreitet, sollte sich der Arbeitnehmer entsprechend innerhalb der kürzeren Kündigungsfrist äußern.

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Kap. 20

Änderungskündigung

Änderungsschutzklage auch ein Auflösungsantrag nach § 9 KSchG gestellt werden kann.78 Das gilt entgegen abzulehnender Auffassung auch, wenn der Arbeitnehmer das Angebot unter Vorbehalt annimmt.79 29

Auch wenn er Änderungsschutzklage erhoben hat, muss der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zunächst unter den geänderten Bedingungen arbeiten. Der Arbeitgeber ist nicht aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.80 Das BAG81 hat aber offen gelassen, ob entsprechend § 102 Abs. 5 BetrVG ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu den bisherigen Bedingungen besteht, wenn bei einer mit der Änderung der Arbeitsbedingungen verbundenen Maßnahme nach § 99 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrates nicht ersetzt wurde und der Arbeitgeber auch nicht berechtigt ist, die Maßnahmen nach § 100 BetrVG vorläufig durchzuführen. Ein solcher Weiterbeschäftigungsanspruch ist nur dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer die Änderungskündigung abgelehnt hat (oben Rz. 23 f.), nicht jedoch bei Annahme (oben Rz. 30) oder vorbehaltloser Annahme (oben Rz. 25 ff.).82 c) Vorbehaltlose Annahme

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Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot an (M 20.2 1. Alt.), wird das Arbeitsverhältnis mit den neuen Bedingungen ab dem Zeitpunkt fortgesetzt, zu dem die Kündigung wirksam geworden wäre. Nicht völlig klar ist, bis wann die Annahmeerklärung dem Arbeitgeber zugehen muss. In der Entscheidung v. 6.2.200383 hat das BAG nicht auf die Frist des § 2 Satz 2 KSchG abgestellt, sondern darauf, wann der Arbeitgeber unter regelmäßigen Umständen eine Antwort auf das in seiner Änderungskündigung enthaltene Änderungsangebot erwarten darf, § 147 BGB.84 Sofern der Arbeitgeber nicht gemäß § 148 BGB eine längere Frist gesetzt hat, gilt die Frist des § 2 Satz 2 KSchG als gesetzliche Mindestfrist.85 Hat der Arbeitgeber eine kürzere Frist gesetzt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung, an Stelle der zu kurzen Frist gilt dann die gesetzliche Mindestfrist des § 2 Satz 2 KSchG.86

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Praxistipp: Um Planungssicherheit zu haben, sollte der Arbeitgeber für die vorbehaltlose Annahme des Änderungsangebotes eine angemessene Frist setzen. Setzt der Arbeitgeber eine kürzere Frist als die Drei-Wochen-Frist des § 2 Satz 2 KSchG, so setzt dies die gesetzliche Annahmefrist des § 2 Satz 2 KSchG in Lauf.87 Um von vornherein jeden Einwand etwaigen Rechtsmissbrauchs zu vermeiden,88

78 Dafür: Bauer/Krets, DB 2002, 1937 ff.; dagegen: Müller, DB 2002, 2597 ff.; ErfK/Oetker, § 2 KSchG Rz. 73. 79 AA LAG Köln v. 16.8.2011, ArbuR 2012, 177; ErfK/Kiel, § 9 KSchG Rz. 2, 10. 80 BAG v. 28.5.2009, NZA 2009, 954. 81 BAG v. 18.1.1990, BB 1990, 1843. 82 Ebenso ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rz. 32. 83 BAG v. 6.2.2003, NZA 2003, 659. 84 BAG v. 6.2.2003, NZA 2003, 659; aA noch LAG BW v. 30.1.1990, BB 1991, 69 f. 85 BAG v. 18.5.2006, BB 2006, 1803. 86 BAG v. 1.2.2007, NZA 2007, 925. 87 BAG v. 18.5.2006, BB 2006, 1803. 88 Vgl. BAG v. 18.5.2006, BB 2006, 1803, 1804 Rz. 26.

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M 20.1

Änderungskündigung

Kap. 20

sollte die Frist mindestens der Drei-Wochen-Frist des § 2 Satz 2 KSchG entsprechen. Der Arbeitnehmer sollte die vorbehaltlose Annahme zur Vermeidung jeden Risikos innerhalb der Drei-Wochen-Frist erklären.

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Arbeitet der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den neuen Bedingungen einfach weiter, bedeutet dies idR die Annahme des Angebotes durch schlüssiges Verhalten.89 Dies gilt selbst dann, wenn sich das Änderungsangebot des Arbeitgebers nicht in allen Punkten unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, dh. die Folgen der Vertragsänderung nur teilweise sofort hervortreten.90

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6. Beteiligung des Betriebsrates Auch bei der Änderungskündigung ist der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören. Bei fehlender oder fehlerhafter Anhörung ist die Änderungskündigung unwirksam, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.

34

Häufig führt die Änderungskündigung auch zu einer personellen Einzelmaßnahme, die nach § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrates bedarf, so insbesondere bei einer Umgruppierung oder Versetzung (vgl. Kap. 19). Wurde der Betriebsrat nach § 99 BetrVG nicht beteiligt, so berührt das die soziale Rechtfertigung der mit der Änderungskündigung erstrebten Änderung der Arbeitsbedingungen jedoch nicht.91 Andernfalls wäre der Arbeitnehmer gegen eine Änderung der Arbeitsbedingungen stärker geschützt als gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die ja keiner Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG bedarf, sondern nur einer Anhörung nach § 102 BetrVG. Allerdings kann auch die sozial gerechtfertigte Änderungskündigung erst umgesetzt werden, wenn die Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG vorliegt.92 Diese muss nicht gleichzeitig mit der Änderungskündigung eingeholt werden; ist jedoch mit einem Widerspruch des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 BetrVG zu rechnen, so sollte dies möglichst frühzeitig geschehen.

35

89 90 91 92

BAG v. 1.8.2001, NZA 2003, 924; v. 19.6.1986, NZA 1987, 94. BAG v. 1.8.2001, DB 2001, 2557. BAG v. 22.4.2010, DB 2010, 2285. BAG v. 22.4.2010, DB 2010, 2285.

II. Muster

u

Änderungskündigung1 Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . .,

hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum . . . Wir bieten Ihnen gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis ab dem . . .2 wie folgt fortzusetzen: Sie werden ab diesem Zeitpunkt in der Abteilung . . . zu der Vergütung . . . tätig 1 S. Einf. Rz. 3 ff. 2 Einzusetzen ist der Ablauf der Kündigungsfrist, s. Einf. Rz. 5.

Lingemann 785

20.1

Kap. 20

Änderungskündigung

M 20.1

sein;3 im Übrigen bleibt es bei den bisherigen Bedingungen Ihres Arbeitsverhältnisses. Die Änderungskündigung erfolgt aus folgenden Gründen:4 . . . Wenn Sie mit der Fortsetzung Ihres Arbeitsverhältnisses zu den vorgenannten geänderten Bedingungen einverstanden sind, bitten wir Sie, uns dies bis spätestens zum . . . mitzuteilen.5 Wir hoffen, dass Sie für diese Maßnahme Verständnis haben. Der Betriebsrat hat der Änderungskündigung nach § 102 BetrVG zugestimmt/Bedenken geäußert/widersprochen/nicht widersprochen. Der Betriebsrat hat ferner der damit verbundenen Versetzung nach § 99 BetrVG zugestimmt/widersprochen/nicht widersprochen.6 Für den Fall, dass Sie die Änderung Ihrer Arbeitsbedingungen ablehnen, sind Sie zur Vermeidung einer Kürzung Ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 38 SGB III verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist nach den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen. ... (Firma) 3 Hier müssen die veränderten Arbeitsbedingungen detailliert angegeben werden. 4 Eine Begründung ist zur Wirksamkeit der Kündigung nicht erforderlich; sie kann aber die Akzeptanz des Änderungsangebotes erhöhen und dadurch ggf. Annahmen unter Vorbehalt und nachfolgende Änderungsschutzklagen vermeiden. 5 Zur Frist für die Ablehnung, Annahme oder Annahme unter Vorbehalt vgl. oben Einf. Rz. 22 ff. Wir halten es für ratsam, die Drei-Wochen-Frist des § 2 Satz 2 KSchG auch für die vorbehaltlose Annahme zu setzen. 6 Widerspricht der Betriebsrat der Versetzung, kann die Zustimmung im Wege des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzt werden.

786 Lingemann

M 20.3

Änderungskündigung

Kap. 20

u

Annahme/Annahme unter Vorbehalt/Ablehnung der Änderungskündigung1

20.2

Firma z. Hd. Frau/Herrn . . . (Ort, Datum)2 . . . Sie haben mir am . . . zum . . . mit dem Angebot gekündigt, mich zu den dort genannten geänderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. Dieses Angebot nehme ich an. oder Dieses Angebot nehme ich unter dem Vorbehalt an, dass diese Änderung nicht sozial ungerechtfertigt ist. oder Dieses Angebot lehne ich ab. ... (Unterschrift) 1 S. Einf. Rz. 22 ff. 2 Der Vorbehalt muss innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklärt werden (§ 2 Satz 2 KSchG) und dem Arbeitgeber zugehen (vgl. Einf. Rz. 9 ff.).

u

Anhörung des Betriebsrates zur ordentlichen Änderungskündigung gemäß § 102 BetrVG1 An den Betriebsrat z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Anhörung nach § 102 BetrVG Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . .,

wir beabsichtigen, Herrn/Frau . . . eine ordentliche Änderungskündigung gemäß anliegendem Entwurf2 auszusprechen. Herr/Frau . . . hat folgende Sozialdaten: Alter . . . Betriebszugehörigkeit . . . Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder . . . 1 S. Einf. Rz. 34. 2 Vgl. M 20.1.

Lingemann 787

20.3

Kap. 20

Änderungskündigung

M 20.4

Schwerbehinderung . . . Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung in Höhe von Euro . . . und ist tätig als . . . in der Abteilung . . . Auf Grund der Ihnen bekannten Stilllegung der Abteilung ist der dortige Arbeitsplatz von Herrn/Frau . . . weggefallen. Wir haben jedoch einen freien Arbeitsplatz in der Abteilung . . . als . . . Da Herr/Frau . . . gegenüber den anderen Mitarbeitern der stillgelegten Abteilung, die auf diesem Arbeitsplatz eingesetzt werden könnten, am sozial schutzwürdigsten ist – eine Liste mit den sozialen Daten der übrigen Mitarbeiter fügen wir bei/liegt Ihnen vor –, beabsichtigen wir die anliegende ordentliche Änderungskündigung zur Weiterbeschäftigung als . . . in der Abteilung . . . ... (Unterschrift)

20.4

u

Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG1

An den Betriebsrat z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., als Anlage erhalten Sie den Entwurf unserer Änderungskündigung und die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG. Die Weiterbeschäftigung von Herrn/Frau . . . in der Abteilung stellt eine Versetzung dar. Dazu bitten wir um Ihre Zustimmung gemäß § 99 BetrVG. ... (Unterschrift) 1 S. Einf. Rz. 35.

20.5

u

Klage gegen Änderungskündigung

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . 788 Lingemann/Diller

M 20.5

Änderungskündigung

Kap. 20

(volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom . . . unwirksam ist.2, 3, 4 Begründung: Die Bekl. ist ein . . .-Unternehmen mit 200 Beschäftigten. Der Kl. ist seit dem . . . bei der Bekl. als . . . in der . . .-Abteilung tätig. Sein Gehalt betrug zuletzt Euro . . . pro Monat. Gemäß § . . . des Arbeitsvertrages vom . . . steht dem Kl. im Dezember eines jeden Kalenderjahres ein Weihnachtsgeld in Höhe von einem Bruttomonatsgehalt zu. Beweis: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage K 1 Mit Schreiben vom . . . hat die Bekl. das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum . . . gekündigt.5 Die Kündigung war verbunden mit dem Angebot, die Beschäftigung nahtlos ab 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Der richtige Klageantrag bei einer Änderungskündigung ist ein seit Jahrzehnten diskutiertes Problem. Einfach ist die prozessuale Situation, wenn der Arbeitnehmer das Angebot nicht rechtzeitig unter Vorbehalt annimmt, sondern vorbehaltslos ablehnt oder innerhalb der Annahmefrist (drei Wochen, max. aber die Dauer der Kündigungsfrist) keine Annahme erklärt. In einem solchen Fall ist das Änderungsangebot endgültig abgelehnt mit der Folge, dass nicht mehr über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses gestritten wird, sondern nur noch um seinen Fortbestand. Dann ist der normale Klageantrag wie bei einer Kündigungsschutzklage (vgl. M 22.17) zu stellen. Ist dagegen die Änderung der Arbeitsbedingungen fristgerecht unter Vorbehalt angenommen worden, steht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses außer Streit. Streitig ist nur, zu welchen Konditionen (alte oder neue) es fortgesetzt wird. Die wohl herrschende Meinung will hier die Klage auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen richten (zB Gift/Baur, E Rz. 138). Nach anderer Auffassung soll dagegen die Klage auf Feststellung gerichtet werden, dass die Änderungskündigung unwirksam ist. Wieder andere wollen auf Feststellung klagen, dass das Arbeitsverhältnis über den Kündigungstermin hinaus unverändert fortbesteht (Wenzel, MDR 1969, 977). Letztlich kann dieser Streit dahinstehen. Denn in allen genannten Formulierungen wird das Klagebegehren des Arbeitnehmers hinreichend deutlich. Ein Kunstfehler ist es, die Formulierung durch unkritisches Abschreiben aus § 2 KSchG auf Feststellung zu richten, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist. Denn dann erfasst der Klageantrag nur mögliche Verstöße gegen § 2 KSchG, nicht aber die Unwirksamkeit der Änderungskündigung aus sonstigen Gründen (zB wegen fehlender Betriebsratsanhörung). 3 Ist zwischen den Parteien die Wirksamkeit der Annahme unter Vorbehalt streitig (zB hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Annahmeerklärung), verbindet der Arbeitnehmer zweckmäßigerweise den Änderungsschutzantrag mit einem Kündigungsschutzantrag nach § 4 KSchG als Hilfsantrag (vgl. BAG v. 28.3.1985, DB 1985, 2461; Gift/Baur, E Rz. 139). 4 Bei Annahme der Änderungskündigung unter Vorbehalt kommt ein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz nur in Betracht, wenn die Änderungskündigung offensichtlich unwirksam ist (zB wegen fehlender Betriebsratsanhörung). Ansonsten ist der Arbeitnehmer verpflichtet, nach Ablauf der Kündigungsfrist zunächst zu den geänderten Bedingungen weiterzuarbeiten, bis über die Änderungsschutzklage rechtskräftig entschieden ist (BAG v. 18.1.1990, AP Nr. 27 zu § 2 KSchG 69). 5 Bei der ordentlichen Änderungskündigung ist die normale vertragliche, tarifliche oder gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Je nach den Umständen kommt allerdings auch eine außerordentliche Änderungskündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, dann ist die Einhaltung einer Frist nicht erforderlich.

Diller

789

Kap. 21

Anfechtung

. . . zu unveränderten Bedingungen, allerdings ohne Anspruch auf Weihnachtsgeld, fortzusetzen. Beweis: Kündigungsschreiben der Bekl. vom . . . Anlage K 2 Der Kl. hat mit Einschreiben vom . . . das Angebot zur Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses zu den geänderten Bedingungen unter Vorbehalt gemäß § 2 KSchG angenommen. Beweis: Vorlage des Schreibens des Kl. vom . . . Anlage K 3 Die Änderungskündigung ist sozial ungerechtfertigt. Es liegen weder ausreichende personen- noch verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe vor. Mündlich hat die Bekl. dem Kl. erläutert, sie habe im letzten Jahr Verluste gemacht und müsse Kosten sparen. Die Behauptung, die Bekl. habe im letzten Jahr Verluste gemacht, wird mit Nichtwissen bestritten. Abgesehen davon wäre dies kein ausreichender Grund, dem Kl. das Weihnachtsgeld zu streichen. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats6 wird mit Nichtwissen bestritten. ... (Unterschrift)7 6 Für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG gelten die allgemeinen Regeln. Allerdings muss dem Betriebsrat auch das Änderungsangebot in allen Einzelheiten mitgeteilt werden, ebenso wie die Gründe für die angestrebte Änderung. Umfasst das Änderungsangebot eine Versetzung iSd. §§ 95, 99 BetrVG, so ist neben der Anhörung nach § 102 BetrVG auch eine nach § 99 BetrVG erforderlich. Beide können miteinander verbunden werden, es muss aber für den Betriebsrat erkennbar sein, dass es um zwei verschiedene Anhörungen geht. Fehlt die Anhörung nach § 99 BetrVG, macht dies allerdings die Kündigung nicht unwirksam. Der Arbeitgeber ist lediglich gehindert, den Arbeitnehmer zu den geänderten Bedingungen weiter zu beschäftigen (BAG v. 30.9.1993, DB 1994, 637). 7 Streitwert ist bei Annahme des Änderungsangebots der 36fache Wert der Differenz zwischen den alten und den neuen Arbeitsbedingungen (§ 42 Abs. 2 GKG), maximal jedoch ein Vierteljahresbezug (alt) gemäß § 42 Abs. 3 GKG (LAG München v. 31.5.1985, AP Nr. 10 zu § 12 ArbGG; LAG BW v. 31.7.2009, NZA-RR 2010, 47).

N N Q NNNN

Kapitel 21

Anfechtung

Literaturübersicht: Dörner, Anfechtung im Arbeitsrecht, AR-Blattei SD 60; Eckert, Keine Anfechtung des Arbeitsvertrages durch Arbeitgeber bei offensichtlicher Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, DStR 2001, 269; Ehrich, Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages wegen „Überrumpelung“ durch den Arbeitgeber, NZA 1994, 438; Giesen, Die Unterrichtung über den Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB, JbArbR 46 (2009), 41; Greiner, Anfechtung des Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB wegen arglistiger Täuschung, EWiR 2012, 477; Haas/Salamon/Hoppe, Beseitigung des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang: Auswirkungen der Verletzung von Informationspflichten des Arbeitgebers, NZA 2011, 128; Hromadka, Anfechtung von Aufhebungsverträgen und Verwirkung, FS Zöllner, 1998, S. 785; Hromadka, Aufhebungsvertrag nach Drohung mit fristloser Kündigung – Klageweise Geltendmachung der Nichtigkeit des Vertrages, EWiR 1998, 251; Joussen, Schwerbehinderung, Fragerecht und positive Diskriminierung nach dem AGG, NZA 2007, 174; Kaehler, Das Arbeitgeberfragerecht im Anbahnungsverhältnis: Kritische Analyse und dogmatische Grundlegung, ZfA 2006, 519; Klette, Anfechtung we-

790 Diller/Lingemann

Kap. 21

Anfechtung

. . . zu unveränderten Bedingungen, allerdings ohne Anspruch auf Weihnachtsgeld, fortzusetzen. Beweis: Kündigungsschreiben der Bekl. vom . . . Anlage K 2 Der Kl. hat mit Einschreiben vom . . . das Angebot zur Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses zu den geänderten Bedingungen unter Vorbehalt gemäß § 2 KSchG angenommen. Beweis: Vorlage des Schreibens des Kl. vom . . . Anlage K 3 Die Änderungskündigung ist sozial ungerechtfertigt. Es liegen weder ausreichende personen- noch verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe vor. Mündlich hat die Bekl. dem Kl. erläutert, sie habe im letzten Jahr Verluste gemacht und müsse Kosten sparen. Die Behauptung, die Bekl. habe im letzten Jahr Verluste gemacht, wird mit Nichtwissen bestritten. Abgesehen davon wäre dies kein ausreichender Grund, dem Kl. das Weihnachtsgeld zu streichen. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats6 wird mit Nichtwissen bestritten. ... (Unterschrift)7 6 Für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG gelten die allgemeinen Regeln. Allerdings muss dem Betriebsrat auch das Änderungsangebot in allen Einzelheiten mitgeteilt werden, ebenso wie die Gründe für die angestrebte Änderung. Umfasst das Änderungsangebot eine Versetzung iSd. §§ 95, 99 BetrVG, so ist neben der Anhörung nach § 102 BetrVG auch eine nach § 99 BetrVG erforderlich. Beide können miteinander verbunden werden, es muss aber für den Betriebsrat erkennbar sein, dass es um zwei verschiedene Anhörungen geht. Fehlt die Anhörung nach § 99 BetrVG, macht dies allerdings die Kündigung nicht unwirksam. Der Arbeitgeber ist lediglich gehindert, den Arbeitnehmer zu den geänderten Bedingungen weiter zu beschäftigen (BAG v. 30.9.1993, DB 1994, 637). 7 Streitwert ist bei Annahme des Änderungsangebots der 36fache Wert der Differenz zwischen den alten und den neuen Arbeitsbedingungen (§ 42 Abs. 2 GKG), maximal jedoch ein Vierteljahresbezug (alt) gemäß § 42 Abs. 3 GKG (LAG München v. 31.5.1985, AP Nr. 10 zu § 12 ArbGG; LAG BW v. 31.7.2009, NZA-RR 2010, 47).

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Kapitel 21

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Literaturübersicht: Dörner, Anfechtung im Arbeitsrecht, AR-Blattei SD 60; Eckert, Keine Anfechtung des Arbeitsvertrages durch Arbeitgeber bei offensichtlicher Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, DStR 2001, 269; Ehrich, Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages wegen „Überrumpelung“ durch den Arbeitgeber, NZA 1994, 438; Giesen, Die Unterrichtung über den Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB, JbArbR 46 (2009), 41; Greiner, Anfechtung des Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB wegen arglistiger Täuschung, EWiR 2012, 477; Haas/Salamon/Hoppe, Beseitigung des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang: Auswirkungen der Verletzung von Informationspflichten des Arbeitgebers, NZA 2011, 128; Hromadka, Anfechtung von Aufhebungsverträgen und Verwirkung, FS Zöllner, 1998, S. 785; Hromadka, Aufhebungsvertrag nach Drohung mit fristloser Kündigung – Klageweise Geltendmachung der Nichtigkeit des Vertrages, EWiR 1998, 251; Joussen, Schwerbehinderung, Fragerecht und positive Diskriminierung nach dem AGG, NZA 2007, 174; Kaehler, Das Arbeitgeberfragerecht im Anbahnungsverhältnis: Kritische Analyse und dogmatische Grundlegung, ZfA 2006, 519; Klette, Anfechtung we-

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gen Falschbeantwortung der Frage nach Schwerbehinderung nur bei Irrtum, DStR 2001, 1902; Künzl, Das Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung, AbrR Aktuell 2012, 235; Lamsnicker, Prozesse in Arbeitssachen, 3. Aufl. 2013; Lingemann, Neues zum arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag – Klarstellung des BAG, NJW 1997, 640; Lüers, Fallstricke eines Aufhebungsvertrags, sj 2008, 43; Meyer, Fragerecht nach der Gewerkschaftsmitgliedschaft bei Arbeitsbeginn?, BB 2011, 2362; Ohlendorf/Schreier, AGG-konformes Einstellungsverfahren – Handlungsanleitung und Praxistipps, BB 2008, 2458; Pallasch, Diskriminierungsverbot wegen Schwangerschaft bei der Einstellung, NZA 2007, 306; Schlachter, Anfechtung eines auf Grund einer Drohung des Arbeitgebers mit Strafanzeige geschlossenen Aufhebungsvertrages, EWiR 1998, 1065; Schwarze, Grenzen der Anfechtung einer betrieblichen Übung, NZA 2012, 289; Strick, Die Anfechtung von Arbeitsverträgen durch den Arbeitgeber, NZA 2000, 695; Weber/Ehrich, Anfechtung eines Aufhebungsvertrages – der verständig denkende Arbeitgeber, NZA 1997, 414; Wisskirchen/Bissels, Das Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellung unter Berücksichtigung des AGG, NZA 2007, 169.

I. Einführung Gegenstand der Anfechtung können die auf den Arbeitsvertrag gerichteten Willenserklärungen (Rz. 2 ff.) oder die auf einen Aufhebungsvertrag oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Willenserklärungen (dazu Rz. 21 ff.) sein.

1

1. Anfechtung des Arbeitsvertrages Neben der Kündigung richtet sich die Anfechtung auf eine einseitige Beendigung/ Beseitigung des Arbeitsverhältnisses.1 Sie steht selbständig neben der Kündigung und unterscheidet sich von dieser in Voraussetzungen und Wirkungen. Der Anfechtende will sich von den Folgen einer Willenserklärung befreien, die auf einem Willensmangel beruht. Das Rechtsverhältnis ist in diesem Fall von Anfang an fehlerhaft. Bei der Kündigung hingegen wird ein Rechtsverhältnis, das zunächst fehlerfrei zustande gekommen ist, aus einem nachträglich eintretenden Grund beendet. Aufgrund der Selbständigkeit beider Rechtsinstitute wird das Anfechtungsrecht nicht durch das Recht zur Kündigung verdrängt;2 eine tatsächlich erklärte vorangegangene Kündigung schließt eine spätere Anfechtung nicht aus.3

2

a) Anfechtungsgründe Der Arbeitsvertrag kann wegen Irrtums (§ 119 BGB), wegen Drohung oder wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) angefochten werden.

3

aa) Irrtum Zur Anfechtung wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtums ist berechtigt, wer sich bei Abgabe der Willenserklärung über deren Inhalt geirrt hat oder eine Erklärung dieses Inhalts gar nicht abgeben wollte (§ 119 Abs. 1 BGB). 1 Die Anfechtung eines Teils des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber ihn bei Vertragsschluss darauf hinweist, dass er das Vertragsangebot nur „insgesamt“ annehmen könne, BAG v. 14.6.2005, DB 2006, 959. 2 BAG v. 16.12.2004, AP Nr. 64 zu § 123 BGB. 3 BAG v. 12.5.2011, NZA-RR 2012, 43.

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5

Von praktischer Bedeutung ist der Irrtum des Arbeitgebers über verkehrswesentliche Eigenschaften des Arbeitnehmers (§ 119 Abs. 2 BGB). Anfechtungsgrund ist hier die Unkenntnis von Eigenschaften, die für die Beurteilung der Eignung des Arbeitnehmers für die vorgesehene Arbeitsleistung von Bedeutung sind. Die Eigenschaften, die Gegenstand des Irrtums sind, können physikalischer Natur sein, aber auch aus rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen von gewisser Dauer bestehen.

6

Das AGG ist auch im Rahmen des Anfechtungsrechts zu berücksichtigen. So kann gewöhnlich ein Irrtum des Arbeitgebers über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Arbeitnehmers, welche im Zusammenhang mit einem in § 1 AGG genannten Merkmal steht, kein Anfechtungsrecht des Arbeitgebers nach § 119 Abs. 2 BGB mehr begründen, es sei denn, dass das jeweilige Merkmal im Rahmen der §§ 8–10 AGG ausnahmsweise Berücksichtigung finden kann.4

7

Nach früherer Rechtsprechung des BAG war eine Anfechtung wegen Schwangerschaft möglich, wenn die Schwangere bei einer auf kurze Zeit befristeten Beschäftigung – etwa einer Schwangerschafts- oder Urlaubsvertretung – aufgrund der Beschränkungen durch das MuSchG für eine im Verhältnis zur vereinbarten Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses erhebliche Zeit ausfiel.5 Ein diesbezüglicher Irrtum wurde vom EuGH bereits vor Geltung des AGG als unbeachtlich angesehen.6 Dies sollte auch gelten bei der Aufnahme einer befristeten Tätigkeit, wenn die Schwangerschaft der Vertragsdurchführung für einen verhältnismäßig erheblichen Zeitraum entgegensteht.7 Das gilt mit Inkrafttreten des AGG erst recht.8

8

Die Krankheit9 eines Arbeitnehmers stellt gewöhnlich dann eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar, wenn dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss nicht nur vorübergehend die notwendige Fähigkeit fehlt oder erheblich beeinträchtigt ist, die vertraglich übernommenen Arbeiten auszuführen.10 Hieran hat sich durch das Inkrafttreten des AGG grundsätzlich nichts geändert.11 Der EuGH hat eine Gleichsetzung von Krankheit und Behinderung zwar abgelehnt,12 in der Entscheidung vom 11.4.2013 jedoch ausgeführt, dass eine Einschränkungen mit sich bringende Krankheit einer Behinderung gleichzustellen sein kann.13 Auch ist nicht auszuschließen, dass besonders schwerwiegende Krankheiten oder Krankheiten von sehr langer Dauer als Behinderung iSd. § 1 AGG anzusehen sind.14 Ein diesbezüglicher Irrtum würde dann wohl nicht zur Anfechtung berechtigen.

4 Schleusener/Suckow/Voigt, § 7 AGG Rz. 31; Däubler/Bertzbach, § 7 AGG Rz. 275 ff. Vgl. auch Kap. 1 Rz. 12. 5 BAG v. 15.10.1992, DB 1993, 435. 6 EuGH v. 27.2.2003, NZA 2003, 373. 7 EuGH v. 4.10.2001, NZA 2001, 1241. 8 Hierzu Erläuterungen zu M 1.3.1, Ziff. II; ausf. Pallasch, NZA 2007, 306. 9 Vgl. dazu Erläuterungen zu M 1.3.1, Ziff. II.1. 10 BAG v. 28.3.1974, DB 1974, 1581. 11 Vgl. auch Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169. 12 EuGH v. 11.7.2006, NZA 2006, 839; BAG v. 22.10.2009, DB 2010, 507 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2010, 143. 13 EuGH v. 11.4.2013, NZA 2013, 553. 14 Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 172; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 26 Rz. 23. Vgl. auch M 1.3.1 Fn. 7 und 9.

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Das Bestehen von Vorstrafen15 an sich ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft, lässt aber uU Rückschlüsse auf charakterliche Eigenschaften zu, deren Unkenntnis zur Anfechtung berechtigt. Die Vorstrafe muss jedoch einen Bezug zu der vorgesehenen Tätigkeit haben.16 Davon ist bei einer Tätigkeit im Polizeidienst regelmäßig auszugehen.17

9

Ein Irrtum im Hinblick auf eine etwaige Schwerbehinderteneigenschaft begründet entgegen der früheren Rechtsprechung des BAG18 seit Inkrafttreten des AGG – abgesehen von Ausnahmen nach § 8 AGG19 – kein Anfechtungsrecht des Arbeitgebers nach § 119 Abs. 2 BGB mehr.20

10

Die Gewerkschaftszugehörigkeit ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft.21

11

bb) Arglistige Täuschung Zur Anfechtung einer Willenserklärung berechtigt ist auch, wer zu ihrer Abgabe durch eine arglistige, dh. vorsätzliche Täuschung bestimmt wurde (§ 123 Abs. 1 BGB). Täuschung ist jedes Verhalten, durch das eine unrichtige Vorstellung über Tatsachen erregt, bestärkt oder aufrechterhalten wird. Auf die Verkehrswesentlichkeit der Tatsache kommt es nicht an. Maßgeblich ist, dass die Täuschung letztendlich für den Abschluss des Arbeitsvertrages ursächlich war.22 Reicht der Arbeitnehmer daher aufforderungsgemäß erst nach Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrages Einstellungsunterlagen ein, so scheidet eine Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen hierin enthaltener unrichtiger Angaben mangels Kausalität aus.23

12

Ein Anfechtungsrecht besteht auch dann nicht, wenn es schon an einem täuschungsbedingten Irrtum fehlt. Ein solcher Irrtum fehlt, wenn derjenige, der getäuscht werden soll, die Wahrheit kennt. Die Behauptung eines Auszubildenden, er werde während der gesamten Dauer des Ausbildungsverhältnisses von drei Jahren Leistungen nach dem SGB II beziehen, begründet daher in aller Regel keinen Irrtum, da allgemein bekannt ist, dass Leistungen nach dem SGB II von den persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Berechtigten bzw. der Bedarfsgemeinschaft, der er angehört, abhängen, die sich ständig ändern können.24

12a

Eine arbeitgeberseitige Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist aber etwa dann erfolgreich, wenn sich der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag dazu verpflichtet hat, Nacht- und Wechselschicht zu leisten, obwohl er bei Unterzeichnung des Arbeits-

12b

15 Die Frage nach Ermittlungsverfahren ist nur zulässig, wenn bereits ein Ermittlungsverfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen kann (BAG v. 27.7.2005, NZA 2005, 1244; aA ArbG Münster v. 20.11.1992, NZA 1993, 461). Nach eingestellten Ermittlungsverfahren darf aufgrund der Wertentscheidung des § 53 BZRG nicht gefragt werden (BAG v. 15.11.2012, DB 2013, 584). 16 BAG v. 5.12.1957, DB 1958, 277. Vgl. auch M 1.3.1 Fn. 20. 17 BAG v. 20.5.1999, NZA 1999, 975 f. 18 Vgl. BAG v. 18.10.2000, NZA 2001, 315. 19 Beispiel in M 16.4. 20 Einzelheiten bei Kap. 1, M 1.3.2, Ziff. II 1 mit Erläuterungen sowie M 1.3.1 Fn. 7. 21 Vgl. M 1.3.1 Ziff. V 9 mit Erläuterungen. 22 BAG v. 18.12.2000, NZA 2001, 315. 23 LAG Hamm v. 12.2.2009 – 8 Sa 1386/08. 24 BAG v. 23.8.2011, NZA 2012, 211.

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vertrages bereits wusste, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in Nachtarbeit eingesetzt werden kann.25 13

Eine Anfechtung kommt typischerweise in Betracht, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der Einstellung eine zulässige Frage bewusst wahrheitswidrig beantwortet. Voraussetzung ist freilich wiederum, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrages ursächlich war. Daran fehlt es, wenn der Arbeitgeber erklärt, er hätte den Arbeitnehmer auch dann eingestellt, wenn dieser die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte.26 Die falsche Beantwortung unzulässiger Fragen ist demgegenüber nicht widerrechtlich. Dem Arbeitnehmer steht in diesem Fall ein „Recht zur Lüge“ zu.27 Dann liegt auch keine arglistige Täuschung iSd. § 123 BGB vor. Zulässig sind nur solche Fragen, an deren Beantwortung der Arbeitgeber – auch und gerade unter Berücksichtigung des AGG28 – ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat.

14

Umgekehrt liegt eine Täuschung auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben verpflichtet ist, eine Tatsache auch ungefragt zu offenbaren, er diese aber bewusst verschweigt.29 Eine solche Offenbarungspflicht trifft den Arbeitnehmer jedoch nur ausnahmsweise. Im Regelfall ist es Sache des Arbeitgebers, die für den Vertragsschluss aus seiner Sicht ausschlaggebenden Umstände zu klären. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die verschwiegenen Umstände den Arbeitnehmer daran hindern, die vertragliche Leistungspflicht überhaupt zu erfüllen.30

14a

Die falsche Beantwortung einer zulässigerweise gestellten Frage nach der Verfassungstreue (Eignungskriterium iSv. Art. 33 Abs. 2 GG) kann die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung begründen. Ein Arbeitnehmer, der sich für eine zwar objektiv verfassungsfeindliche, aber nicht verbotene Partei oder Organisation engagiert und aktiv für deren Ziele eintritt, kann jedoch subjektiv der Auffassung sein, er bewege sich (noch) auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes, so dass es dann an der erforderlichen Arglist fehlt.31 b) Beschränkung des Anfechtungsrechts

15

Das Anfechtungsrecht im Arbeitsverhältnis ist nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB beschränkt, wenn der Anfechtungsgrund seine Bedeutung für die weitere Durchführung des Arbeitsverhältnisses verloren hat.32 Der Arbeitsvertrag kann auch 25 26 27 28 29

30

31 32

LAG Hessen v. 21.9.2011 – 8 Sa 109/11. BAG v. 7.7.2011, NZA 2012, 34. Einzelheiten in Kap. 1 Rz. 3 ff. Dazu, welche Fragen seit Inkrafttreten des AGG noch zulässig sind, ausführlich Einf. Kap. 1 Rz. 5 ff. sowie Erläuterungen zu M 1.3.1 und M 1.3.2. Vgl. zur Verpflichtung des Arbeitnehmers, auch Ermittlungsverfahren mitzuteilen, BAG v. 20.5.1999, NZA 1999, 975. Der Arbeitnehmer ist auch verpflichtet, eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse oder das aktive Unterstützen eines Wettbewerbers des Arbeitgebers mitzuteilen, vgl. hierzu LAG Rh.-Pf. v. 23.1.2008 – 8 Sa 592/07. Eine Offenbarungspflicht, dass der Arbeitnehmer sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet und dieses bis zum Beginn der neuen Tätigkeit unter Beachtung der geltenden Kündigungsfristen nicht mehr beenden kann, besteht grundsätzlich nicht, LAG München v. 3.2.2005, LAGE § 123 BGB 2002 Nr. 1. BAG v. 12.5.2011, NZA-RR 2012, 43. BAG v. 28.3.1974, DB 1974, 1531; v. 18.9.1987, DB 1988, 815; v. 20.5.1999, NZA 1999, 975.

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nur angefochten werden, wenn der Anfechtungsgrund zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung noch besteht. c) Rechtsfolgen der Anfechtung Zu unterscheiden ist zwischen Arbeitsverhältnissen vor und nach dem Beginn der Tätigkeit.

16

Vor Beschäftigungsbeginn gelten die allgemeinen Vorschriften des BGB, dh. das Arbeitsverhältnis wird gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend beseitigt. Hat der Arbeitnehmer hingegen die Tätigkeit schon aufgenommen, entsteht ein faktisches Arbeitsverhältnis, das nicht rückgängig gemacht werden kann. Der Arbeitnehmer behält für die Vergangenheit alle Ansprüche, die ihm auch aus einem fehlerfreien Arbeitsvertrag zugestanden hätten, das Arbeitsverhältnis wird nur mit Wirkung für die Zukunft beseitigt.33 Allerdings scheidet ein faktisches Arbeitsverhältnis aus, wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich außer Funktion gesetzt wurde; das ist zB bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers der Fall. Dann wirkt die Anfechtung auf den Zeitpunkt zurück, zu dem das Arbeitsverhältnis außer Funktion gesetzt wurde.34

17

d) Anfechtungserklärung Das Anfechtungsrecht verjährt nicht; die Anfechtung hat jedoch innerhalb bestimmter Fristen zu erfolgen. Die Anfechtung wegen Irrtums ist gemäß § 121 Abs. 1 BGB unverzüglich zu erklären. Sie ist wohl noch unverzüglich, wenn sie innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis der für die Anfechtung maßgeblichen Tatsachen ausgesprochen wird,35 zu empfehlen ist jedoch die Erklärung innerhalb maximal einer Woche. Dies entspricht der Frist für die außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB. Für die Anfechtung wegen einer arglistigen Täuschung oder widerrechtlichen Drohung gilt die in § 124 Abs. 1 BGB bestimmte Jahresfrist ab Kenntnis.36 Der Arbeitgeber kann anfechten, ohne den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG anzuhören.37 Die Anfechtungserklärung ist auch an keine Form gebunden.

18

Praxistipp: ZT wird verlangt, dass der Anfechtungsgrund in der Erklärung angegeben wird. Das sollte daher vorsorglich geschehen. Zu beachten ist ferner, dass ein Nachschieben von Anfechtungsgründen zu einer bereits aus anderen Gründen erklärten Anfechtung unzulässig ist, weil dies den berechtigten Belangen des Anfechtungsgegners widerspräche.38

19

Da es sich bei der Anfechtung um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, gilt bei Abgabe der Erklärung durch einen Vertreter ebenso wie bei der Kündigungserklärung § 174 BGB.39 Etwas anderes gilt dann, wenn sich aus der Stel-

20

33 34 35 36

BAG v. 16.9.1982, NJW 1984, 446; PWW/Ahrens, § 119 BGB Rz. 8. BAG v. 3.12.1998, NZA 1999, 584. BAG v. 14.12.1979, DB 1980, 739; v. 21.2.1991, NZA 1991, 719. BAG v. 28.11.2007, NZA 2008, 348, 352; v. 19.5.1983, DB 1984, 298; v. 20.5.1999, NZA 1999, 975. 37 BAG v. 11.11.1993, BAGE 75, 77, 86. 38 BAG v. 7.11.2007, NZA 2008, 530. 39 BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 1101.

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lung des Vertreters im Betrieb ergibt, dass er üblicherweise eine entsprechende Vollmacht besitzt, so zB bei dem Leiter der Personalabteilung oder einem Prokuristen.40

2. Anfechtung der Eigenkündigung oder des Aufhebungsvertrages (M 21.1) 21

Praktische Bedeutung besitzt in erster Linie die Anfechtung von Aufhebungsverträgen und zum Teil von Eigenkündigungen durch den Arbeitnehmer.41 Sowohl die Kündigungserklärung als auch die Annahme eines Antrags auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses können angefochten werden. a) Irrtum

22

Als Anfechtungsgrund kommt auch hier ein Irrtum nach § 119 Abs. 1 und 2 BGB in Betracht. Die Abgrenzung zwischen beachtlichem Inhalts- und Eigenschaftsirrtum und unbeachtlichem Rechtsfolgenirrtum ist bisweilen schwierig. Schwangere oder schwerbehinderte Arbeitnehmer können ihre Willenserklärung nicht mit der Begründung anfechten, dass sie von ihrer Schwangerschaft bzw. Behinderung keine Kenntnis hatten.42 Dasselbe gilt, wenn die schwangere Arbeitnehmerin sich über die mutterschutzrechtlichen Folgen der Kündigung oder Vertragsaufhebung irrt.43 Das wäre nur ein unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum. Unbeachtlich ist auch ein bloßer Motivirrtum, der sich auf Umstände bezieht, die für die Bildung des Geschäftswillens im Vorfeld bedeutsam sind, die also lediglich Beweggründe darstellen.44 Anders liegt der Fall indes, wenn über solche Umstände arglistig getäuscht wird.45 b) Drohung

23

Zur Anfechtung wegen einer Drohung gemäß § 123 BGB berechtigen nur widerrechtliche Drohungen. Die Widerrechtlichkeit kann sich entweder aus dem Zweck der Drohung, dem Drohmittel oder der Verknüpfung beider, also der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben.46 Eine Drohung liegt dann nicht vor, wenn dem Anfechtenden nur eine objektive, vom Drohenden nicht zu ändernde Zwangslage vor Augen gehalten wird. Die bloße Ausnutzung einer Zwangslage steht einer widerrechtlichen Drohung nicht gleich.47

24

Droht der Arbeitgeber48 ausdrücklich oder konkludent49 mit einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung, falls kein Aufhebungsvertrag geschlossen oder keine 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

Vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 22 Rz. 18. Vgl. BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 1055. BAG v. 6.2.1992, DB 1992, 1529. BAG v. 16.2.1983, DB 1983, 1663; v. 16.11.1979, NJW 1980, 2213. BAG v. 8.5.2008, NZA 2008, 1148 – Dort hatte der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag unterzeichnet in der Erwartung, zu den Arbeitnehmern zu gehören, die später weiterbeschäftigt werden, das war indes ein reiner Motivirrtum. Hierzu Rz. 28 f. BAG v. 13.12.2007, NZA-RR 2008, 341, 342 mwN; PWW/Ahrens, § 123 BGB Rz. 36 ff. LAG Niedersachsen v. 19.5.2008 – 15 Sa 1265/07. Auch die Drohung durch einen nicht kündigungsberechtigten Vorgesetzten kann zur Anfechtung berechtigen, BAG v. 15.12.2005, NZA 2006, 841. BAG v. 6.12.2001, NZA 2002, 731; v. 15.12.2005, NZA 2006, 841.

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Eigenkündigung erklärt wird, ist dies nicht widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber die Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.50 Das setzt voraus, dass die Pflichtverletzung überhaupt als Kündigungsgrund geeignet ist.51 Hat etwa ein Arbeitgeber in einem Rundschreiben an die Belegschaft erklärt, dass er bei Verstößen gegen das Verbot der privaten E-Mail-Nutzung zunächst eine Abmahnung und nur im Wiederholungsfall unter Umständen eine Kündigung aussprechen werde, ist beim Fehlen einer solchen Abmahnung die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung widerrechtlich.52 Nicht erforderlich ist andererseits, dass die Kündigung sich in einem Kündigungsschutzprozess auch bestätigt hätte. Nur wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, die Kündigung werde einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er mit einer Kündigung auch nicht drohen.53 Ist die Drohung widerrechtlich, wird die Widerrechtlichkeit der Drohung nicht durch eine dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eingeräumte Bedenkzeit beseitigt. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände ändert eine solche Bedenkzeit auch nichts an der Ursächlichkeit der Drohung für den späteren Abschluss des Aufhebungsvertrages.54 Fehlende Bedenkzeit allein ist kein Anfechtungsgrund.55 Der nachdrückliche Hinweis des Arbeitgebers auf seine desolate wirtschaftliche Lage bzw. die Lage in seinem Umfeld (etwa Insolvenz des Hauptauftraggebers) verbunden mit dem Angebot, eine fristlose Eigenkündigung zu unterschreiben und einen Arbeitsvertrag mit einem auswärtigen Unternehmen abzuschließen, begründet regelmäßig nicht die Anfechtung der Eigenkündigung des Arbeitnehmers wegen widerrechtlicher Drohung.56

24a

Spricht der Arbeitgeber die Kündigung zunächst aus und schließt in derselben Besprechung im Anschluss daran mit dem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag, so soll auch dies wie die Androhung einer Kündigung zu behandeln sein, sofern der Ausspruch der Kündigung und der Abschluss des Aufhebungsvertrages eine Einheit darstellen.57 Der hierfür erforderliche enge zeitliche Zusammenhang besteht jedoch nicht mehr, wenn die Vereinbarung über das Ende des Arbeitsvertrages mehrere Wochen nach Ausspruch der Kündigung zustande kommt.58

25

Eine Willenserklärung des Arbeitnehmers ist nicht schon deshalb anfechtbar, weil sie ohne Bedenkzeit unter Zeitdruck abgegeben wurde.59 Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall keiner durch eine widerrechtliche Drohung verursachten Zwangslage ausgesetzt; nur davor schützt aber § 123 BGB.

26

50 BAG v. 12.8.1999, BB 1999, 2511; v. 6.12.2001, NZA 2002, 731; v. 5.12.2002, DB 2003, 1685; v. 15.12.2005, NZA 2006, 841; v. 23.11.2006, NZA 2007, 466. 51 Vgl. im Einzelnen Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, II. Rz. 61 ff.; PWW/Lingemann, § 626 BGB Rz. 3 ff., § 620 BGB Rz. 65 ff. 52 LAG Rh.-Pf. v. 23.4.2009 – 11 Sa 566/08. 53 BAG v. 12.8.1999, BB 1999, 2511; v. 6.12.2001, NZA 2002, 731. 54 Vgl. BAG v. 28.11.2007, NZA 2008, 348. 55 Im Einzelnen s. Rz. 26. 56 BAG v. 9.6.2011, NZA-RR 2012, 129. 57 BAG v. 12.8.1999, BB 1999, 2511. 58 BAG v. 23.11.2006, NZA 2007, 466. 59 BAG v. 16.2.1983, DB 1983, 1663; v. 30.9.1993, NZA 1994, 209; v. 14.2.1996, NZA 1996, 811; LAG München v. 13.10.2005, LAGE § 1 KSchG Eigenkündigung Nr. 1; Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, I. Rz. 191.

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27

Droht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit einer Strafanzeige, berechtigt auch das nicht zur Anfechtung, wenn die Straftat das Arbeitsverhältnis konkret betrifft und ein verständiger Arbeitgeber daher eine Strafanzeige in Erwägung ziehen konnte.60

27a

In der Ankündigung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch Fristablauf enden zu lassen, wenn der Arbeitnehmer nicht zu einer – objektiv unwirksam – befristeten Fortsetzung zu den vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Bedingungen bereit sei, liegt ebenfalls keine rechtswidrige Drohung.61 Ein solches Angebot des Arbeitgebers ist kein Übel, sondern bietet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, seiner Erwerbstätigkeit unter geänderten Bedingungen weiter nachgehen zu können, ohne dass er dies vom Arbeitgeber verlangen könnte.

27b

Für die Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung ist es unerheblich, von welcher Person die Drohung stammt. Diese kann auch von einer Hilfsperson des Geschäftspartners oder einem Dritten ausgehen.62 Dritter soll nach abzulehnender Auffassung des BAG auch das Gericht oder ein Mitglied des Gerichts sein können. Auch wenn die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken in aller Regel nicht zur Anfechtung eines Prozessvergleichs berechtigt, liegt eine Drohung etwa dann vor, wenn ein Vorsitzender Richter eine Partei im Rahmen von Vergleichsverhandlungen zum Abschluss des Vergleichs drängt durch Äußerungen wie: „Gleich werden Sie an die Wand gestellt und erschossen“, „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und „Seien Sie vernünftig, sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“. Der Kausalzusammenhang zwischen Drohung und späterem Vergleichsschluss soll in diesem Fall auch nicht allein durch die Nichtausübung des Ablehnungsrechts (§ 42 ZPO) durchbrochen werden. Ein Anfechtungsrecht ist im Ergebnis aber zu verneinen, wenn der Prozesspartei eine häufiger praktizierte Neigung des betreffenden Richters zu solchen Äußerungen bekannt ist oder die Vergleichsverhandlungen in einer aufgelockerten Gesprächsatmosphäre geführt wurden.63 c) Arglistige Täuschung

28

Eine Täuschung durch den Arbeitgeber kommt in erster Linie in Form falscher Angaben (etwa über die Rechtsfolgen des Aufhebungsvertrages) in Betracht. Sofern es hier an der Täuschungsabsicht und damit an der Arglist fehlt, scheidet eine Anfechtung jedoch aus. Der Arbeitnehmer hat dann unter Umständen die Möglichkeit, Schadensersatz zu verlangen.64

60 BAG v. 30.6.1986, NZA 1987, 91; LAG Hessen v. 2.6.1997, DB 1998, 82. – Die Drohung mit einer Strafanzeige, um einen Arbeitnehmer, der zugegeben hatte, den Arbeitgeber in erheblicher Höhe geschädigt zu haben, zur Abgabe eines (notariellen) Schuldanerkenntnisses und so zur Wiedergutmachung des Schadens zu veranlassen, ist rechtmäßig; BAG v. 22.7.2010, NZA 2011, 743. – Vgl. auch LAG Hamm v. 22.7.2009 – 3 Sa 426/09, wonach das Drohen mit einer Strafanzeige gegen den Vater eines Auszubildenden zum Zwecke der Auflösung eines Berufsausbildungsverhältnisses eine widerrechtliche Drohung iSd. § 123 BGB darstellt, wenn die Verhaltensweise des Vaters, gegen die sich die Strafanzeige richten soll, das Arbeitsverhältnis nicht konkret berührt. 61 BAG v. 13.12.2007, NZA-RR 2008, 341. 62 BAG v. 12.5.2010, NZA 2010, 1250; v. 15.12.2005, NZA 2006, 841. 63 BAG v. 12.5.2010, NZA 2010, 1250. 64 Vgl. hierzu Kap. 23 Einf. Rz. 6; Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, I. Rz. 206 f.

798 Lingemann

Anfechtung

Kap. 21

Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn ein (zweiseitiger) Aufhebungsvertrag mit der Übertragung von Versorgungsanwartschaften nach § 4 Abs. 2 BetrAVG als dreiseitiger Vertrag (zusätzlich neuer Arbeitgeber) verbunden worden ist. In Fällen, in denen der Aufhebungsvertrag im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Übertragung der Versorgungsanwartschaft und in derselben Urkunde wie diese geschlossen worden ist, führt die Verbindung zu einer derart engen Verflechtung der Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien des Aufhebungsvertrages mit denen des Schuldübernahmevertrages, dass eine Anfechtungserklärung auch gegenüber dem neuen Arbeitgeber erforderlich ist. Eine isolierte Teilanfechtung nur des Aufhebungsvertrages etwa nach § 123 Abs. 1 BGB wäre nicht zulässig.65

28a

Ein Aufhebungsvertrag oder Vergleich kann wegen arglistiger Täuschung anfechtbar sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung einer Abfindung verspricht und dabei die unmittelbar bevorstehende Insolvenz des Unternehmens verschweigt, es sei denn, dem Arbeitnehmer war bei Abschluss die finanziell bedrängte Lage des Arbeitgebers bekannt.66

28b

d) Anfechtung durch den Arbeitgeber (M 21.2) Problematisch und noch ungeklärt ist die Frage, ob und unter welchen Umständen der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag anfechten kann. Die Frage stellt sich vor allem in zwei Konstellationen.

29

Zum einen betrifft dies den Fall, dass dem Arbeitgeber nach dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages Tatsachen aus der Zeit vor Abschluss des Aufhebungsvertrages bekannt werden, die eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hätten. Der Arbeitgeber will daher die Anfechtung erklären, zB um eine vereinbarte hohe Abfindungszahlung zu vermeiden und nunmehr fristlos zu kündigen. Grundsätzlich gelten auch hier die allgemeinen Vorschriften. Ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum scheidet aber aus, da der Arbeitgeber genau das erklärt hat, was er erklären wollte. Ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft könnte vorliegen, wenn man die fristlose Kündbarkeit als Eigenschaft des beendeten Arbeitsvertrages ansieht. Folgt man dem nicht, so handelt es sich lediglich um einen Irrtum über den Beweggrund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages: Ein solcher Motivirrtum würde nicht zur Anfechtung berechtigen. Auch eine arglistige Täuschung liegt idR nicht vor; denn diese setzt voraus, dass der Arbeitnehmer verpflichtet war, die Tatsachen offen zu legen, die eine Kündigung gerechtfertigt hätten. Eine Offenbarungspflicht dieses Inhalts besteht jedoch nicht.67 Ermöglicht jedoch der Ausspruch einer Kündigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt, der vor dem im Aufhebungsvertrag vereinbarten Beendigungszeitpunkt liegt, so entstehen keine gegenseitigen Ansprüche aus dem Aufhebungsvertrag, wenn der Aufhebungsvertrag an Stelle einer ansonsten beabsichtigten Kündigung geschlossen wurde. Ein Auf-

30

65 BAG v. 24.2.2011, NZA-RR 2012, 148. 66 BAG v. 11.7.2012, NZA 2012, 1316. 67 Vgl. auch LAG BW v. 16.12.2009 – 2 Sa 49/09, wonach sich der Arbeitgeber für die Anfechtung eines gerichtlichen Vergleichs nicht auf § 123 BGB berufen kann, wenn er schwerwiegende Verfehlungen des Arbeitnehmers zur Grundlage seines Trennungsentschlusses gemacht hat und nach Abschluss des Vergleichs weitere schwerwiegende Vorgänge bekannt werden.

Lingemann 799

Kap. 21

Anfechtung

hebungsvertrag steht dann zumindest unter der konkludenten Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt fortbesteht.68 31

Zum anderen stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten kann, wenn ihm der Arbeitnehmer wahrheitswidrig erklärt hat, er habe noch keine neue Stelle, in Wahrheit aber eine neue Stelle bereits angetreten hatte oder jedenfalls der neue Arbeitsvertrag bereits unterzeichnet ist. Es liegt auf der Hand, dass die Aussichten des Arbeitnehmers auf Zahlung einer hohen Abfindung sich schlagartig verringern, wenn dem Arbeitgeber bekannt wird, dass der Arbeitnehmer bereits eine neue Stelle hat, weil dann unter anderem das Annahmeverzugsrisiko deutlich niedriger ist. Nach richtiger Auffassung69 hat der Arbeitnehmer kein Recht zur Lüge, wenn ihn der Arbeitgeber nach einer Anschlussbeschäftigung fragt. Antwortet der Arbeitnehmer wahrheitswidrig, er habe noch keine Anschlussbeschäftigung, ist daher der Arbeitgeber zur Anfechtung des Aufhebungsvertrages nach § 123 BGB berechtigt.70

32

Wichtig: Ein Anfechtungsgrund besteht nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer Anschlussbeschäftigung fragt und der Arbeitnehmer wahrheitswidrig antwortet. Eine selbständige Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers besteht wohl auch in diesem Zusammenhang nicht.

3. Anfechtung des Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang (M 21.3) 33

Die Rechtsprechung des BAG, das strenge Anforderungen an die Vollständigkeit und Richtigkeit der Unterrichtung der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB stellt,71 ist vor allem im Hinblick auf das ansonsten unbefristet – in den Grenzen der Verwirkung – fortbestehende Widerspruchsrecht relevant. Ein Widerspruch aufgrund eines nicht ordnungsgemäßen Unterrichtungsschreibens kann jedoch auch anfechtbar sein. a) Anfechtungsmöglichkeit

34

Das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB ist ein Gestaltungsrecht, das durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt wird. Die Vorschriften über die Anfechtung von Willenserklärungen (§§ 119 ff. BGB) gelten daher ebenso für die Widerspruchserklärung.72

35

Insbesondere kommt eine Anfechtung des Widerspruchs im Falle der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB in Betracht. Dies ist etwa anzunehmen, wenn im Rahmen der Unterrichtung der in der Freistellungsphase befindlichen Altersteilzeitbeschäftigten über das (Nicht)Bestehen einer Insolvenzsicherung der Wertguthaben bei dem Betriebsveräußerer getäuscht wird, um die Betroffenen im Unklaren 68 BAG v. 29.1.1997, NZA 1997, 813, 816. § 313 BGB kommt darüber hinaus nur dann zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber seinen Willen im Vertrag zum Ausdruck bringt, dass er mit der Vereinbarung nur eine betriebsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln will. 69 LAG Hamm v. 19.5.1994, BB 1995, 2117. 70 Vgl. dazu ausführlich Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, I. Rz. 200 ff. 71 Vgl. Kap. 60 Rz. 13 ff. und M 60.1. 72 BAG v. 15.2.2007, DB 2007, 1759.

800 Lingemann

Anfechtung

Kap. 21

zu lassen und sie zum Widerspruch gegen den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse zu bewegen.73 Gleiches gilt in Fällen, in denen unzutreffend darüber unterrichtet wurde, dass sich die Arbeitsbedingungen beim Betriebserwerber erheblich verschlechtern.74 b) Anfechtungserklärung Die Anfechtung kann der Arbeitnehmer nach § 143 Abs. 3 Satz 1 BGB – ebenso wie den Widerspruch – wahlweise dem Betriebsveräußerer oder Betriebserwerber gegenüber erklären.75 Das Urteil des BAG vom 15.12.2011 stellt jedoch zT auf den tatsächlichen Erklärungsempfänger des Widerspruchs ab und zT auf den täuschenden Unterrichtenden.76 Daher ist es ratsam, vorsorglich beiden gegenüber anzufechten.

36

c) Rechtsfolgen der Anfechtung Die wirksame Anfechtung der Widerspruchserklärung beseitigt sämtliche Wirkungen des Widerspruchs gegenüber dem Betriebsveräußerer und Betriebserwerber. Im Fall der arglistigen Täuschung tritt diese Nichtigkeitsfolge nach BAG gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend (ex tunc) ein, so dass das Arbeitsverhältnis am Tag des Betriebsübergangs auf den Betriebserwerber übergegangen ist.77 Ob es darüber hinaus auch in anderen Fällen der Irrtumsanfechtung bei der gesetzlichen Folge des § 142 Abs. 1 BGB bleibt oder in Anlehnung an die zum fehlerhaften, in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis entwickelten Grundsätze eine Nichtigkeit des Widerspruchs erst für die Zukunft (ex nunc) angenommen werden muss,78 ist noch nicht entschieden. Es spricht im Ergebnis aber einiges dafür, dass das BAG auch hier ebenso wie bei der Ausübung des Widerspruchsrechts selbst von einer Rückwirkung ausgeht.79

37

Darüber hinaus kommt bei einer Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB eine Schadensersatzpflicht des anfechtungsberechtigten Arbeitnehmers nach § 122 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn dem Betriebsveräußerer und/oder -erwerber aufgrund ihres Vertrauens auf die Gültigkeit des Widerspruchs ein Schaden entstanden ist. Gemäß § 122 Abs. 2 BGB entfällt die Ersatzpflicht jedoch, wenn der Anfechtungsgegner den Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund kannte oder kennen musste und deshalb nicht schutzwürdig ist. Daran wird ein Schadensersatzanspruch meist scheitern.80

38

73 BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 1101. – Nach BAG v. 31.1.2008, NZA 2008, 705, gehen grds. auch die in der Freistellungsphase der Altersteilzeit ruhenden Arbeitsverhältnisse über. 74 Willemsen/Lembke, NJW 2002, 1159, 1164; zu Angaben „ins Blaue hinein“ s. Greiner, EWiR 2012, 477, 478; Haas/Salamon/Hoppe, NZA 2011, 128, 131. 75 So auch Greiner, EWiR 2012, 477, 478. 76 BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 1101 Rz. 24 und Rz. 36. 77 BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 1101. 78 So Haas/Salamon/Hoppe, NZA 2011, 128, 132. 79 Vgl. Giesen, JbArbR 46 (2009), 41, 60. 80 Haas/Salamon/Hoppe, NZA 2011, 128, 132. – Eine Schadensersatzpflicht scheidet nicht nur in dem ausdrücklich geregelten Fall aus, dass der Erklärungsempfänger den Irrtum kennen musste; eine Haftung entfällt auch dann, wenn dieser den Irrtum veranlasst hat; MünchKommBGB/Armbrüster, § 122 Rz. 23. Bei schuldloser Mitverursachung durch den Erklärungsempfänger gilt § 254 Abs. 1 BGB entsprechend; BGH v. 14.3.1969, NJW 1969, 1380.

Lingemann 801

Kap. 21 39

Anfechtung

M 20.5

Im Fall der arglistigen Täuschung greift § 122 BGB von vornherein nicht ein. Hier kommt umgekehrt ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Betracht, der auf Ersatz des Schadens gerichtet ist, der dem Arbeitnehmer dadurch entstanden ist, dass die gesetzliche Unterrichtungspflicht verletzt wurde.

4. Anfechtbarkeit einer betrieblichen Übung 40

Die Anfechtbarkeit einer betrieblichen Übung ist in jüngerer Zeit verstärkt in den Fokus getreten, nachdem die Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung aufgegeben wurde.81

41

Die überwiegende Ansicht geht von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 119, 123 BGB aus.82 Auch das BAG bejaht offenbar eine grundsätzliche Anfechtbarkeit der betrieblichen Übung. Es ließ jüngst in einem Urteil das Vorliegen der Voraussetzungen einer Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB dahinstehen, da der Arbeitgeber eine Anfechtung nicht erklärt hatte, stellte andererseits aber auch die prinzipielle Anwendbarkeit des § 119 BGB nicht in Frage.83

42

Höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Grenzen einer möglichen Anfechtung findet sich bisher jedoch kaum.84 Eine Irrtumsanfechtung dürfte auch nur selten in Betracht kommen. So kann der Arbeitgeber eine Anfechtung etwa nach verbreiteter Ansicht nicht darauf stützen, er habe nicht gewusst, dass aus seiner Übung eine Willenserklärung und damit eine rechtliche Bindung gefolgert werde, da es sich lediglich um einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum handele.85 Weiterhin soll sich der Arbeitgeber nicht erfolgreich darauf berufen können, er habe nicht gewusst, dass in seinem Betrieb eine bestimmte Übung entsteht.86 Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber das Risiko der Entstehung einer betrieblichen Übung kennt und bewusst in Kauf nimmt.87 Zudem müsste der Arbeitgeber gemäß § 121 Abs. 1 BGB die Anfechtung unverzüglich ab Kenntnis gegenüber jedem begünstigten Arbeitnehmer erklären, § 121 Abs. 2 BGB sieht zudem eine Höchstfrist von zehn Jahren vor.

81 Vgl. BAG v. 18.3.2009, NZA 2009, 601. 82 MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 414; Schaub/Koch, ArbR-Hdb., § 110 Rz. 31; Lansnicker/Winterhoff, § 7 Rz. 603; Schwarze, NZA 2012, 289 ff. – Vgl. auch ArbG Berlin v. 15.12.2010 – 55 Ca 17670/09, das eine Anfechtbarkeit auf der Grundlage der Vertragstheorie für konsequent hält, aber bereits die Vertragstheorie ablehnt und stattdessen der Theorie der Vertrauenshaftung folgt. 83 BAG v. 29.8.2012, NZA 2013, 40. 84 Vgl. Schwarze, NZA 2012, 289 ff. 85 Schaub/Koch, ArbR-Hdb., § 110 Rz. 31; Preis, ArbR I, S. 232; Lansnicker/Winterhoff, § 7 Rz. 604; aA Houben, BB 2006, 2301, 2303; Walker, JuS 2007, 1, 7; Waltermann, RdA 2006, 257, 265, die im Wesentlichen die Rechtsfolge der Zukunftsbindung als unmittelbare Folge des Erklärten ansehen und aus diesem Grund von einem als Inhaltsirrtum beachtlichen Rechtsfolgenirrtum ausgehen. 86 Schaub/Koch, ArbR-Hdb., § 110 Rz. 31; Lansnicker/Winterhoff, § 7 Rz. 604. 87 Schwarze, NZA 2012, 289, 290 f., 294; in diesem Sinne auch Waltermann, RdA 2006, 257, 265. – Schwarze, NZA 2012, 289, 292 ff., erwägt zudem einen Ausschluss der Anfechtung, soweit der Kernbereich der Arbeitsbedingungen betroffen wäre.

802 Lingemann

M 21.2

Anfechtung

Kap. 21

II. Muster88

u

Anfechtung einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitnehmer

21.1

Firma . . . z. Hd. des Personalleiters (Ort, Datum) . . . Sehr geehrter Herr . . ., hiermit fechte ich meine Kündigung vom . . ./den mit Ihnen am . . . abgeschlossenen Aufhebungsvertrag nach § 119/§ 123 BGB an, weil . . .1 Meine Arbeitsleistung biete ich ab sofort wieder an. Außerdem bitte ich Sie, mir bis spätestens . . . mitzuteilen, ob Sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses akzeptieren. Sollte die Frist fruchtlos verstreichen, werde ich Klage2 beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. ... (Herr/Frau) 1 Es ist seit langem umstritten, ob sich der Anfechtungsgrund – also etwa Täuschung oder Drohung – und die tatsächlichen Gründe, auf die eine Anfechtung gestützt wird, aus der Erklärung ergeben müssen (MünchKommBGB/Busche, § 143 Rz. 7 f.). Sicherheitshalber sollte daher beides angegeben werden. Jedenfalls muss die Anfechtung unzweideutig formuliert sein und darf nicht an Bedingungen geknüpft werden (Soergel/Hefermehl, § 143 BGB Rz. 3). 2 Will der Arbeitnehmer eine ihm gegenüber ausgesprochene Anfechtung gerichtlich überprüfen lassen, ist er nach der früheren Rechtsprechung des BAG wohl nicht an die dreiwöchige Frist des § 4 KSchG gebunden (BAG v. 14.12.1979, DB 1980, 739). Es ist jedoch zu empfehlen, innerhalb der Frist zu klagen. Die Beweislast für das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen trägt der Anfechtende. Richtige Klageart ist die Feststellungsklage.

u

Anfechtung eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitgeber Herrn/Frau . . .

(Ort, Datum) . . . Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., hiermit fechte ich nach § 123 BGB meine Willenserklärungen an, die auf den Abschluss des Aufhebungsvertrages mit Ihnen vom . . . gerichtet waren.

88 Zur Anfechtung eines Arbeitsvertrages wegen Täuschung im Rahmen des Vorstellungsgespräches s. M 16.4.

Lingemann 803

21.2

Kap. 21

Anfechtung

M 21.3

Begründung: Unmittelbar vor Abschluss des Aufhebungsvertrages habe ich Sie gefragt, ob Sie schon eine Anschlussbeschäftigung hätten. Darauf haben Sie geantwortet, Sie hätten noch keine Anschlussbeschäftigung, eine solche sei auch nicht in Sicht. Wie ich jetzt herausgefunden habe, war Ihre Angabe falsch. Sie sind seit dem . . . bei der Fa. . . . mit einer Vergütung von Euro . . . beschäftigt, waren dies also auch schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages. Nur auf Grund Ihrer Angabe war ich bereit, mit Ihnen den Aufhebungsvertrag mit der darin enthaltenen Abfindung zu schließen.1 Gleichzeitig kündige ich ein dadurch ggf. wieder entstehendes Arbeitsverhältnis mit Ihnen aus wichtigem Grund fristlos sowie hilfsweise fristgemäß zum nächstzulässigen Zeitpunkt.2 Ich weise Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Zur Wahrung der Frist reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.3 Ich fordere Sie auf, die Abfindung in Höhe von Euro . . . bis zum . . . auf mein Konto . . . zurückzuzahlen.4 ... (Unterschrift) 1 Vgl. M 21.1 Fn. 1. 2 Nicht für die Anfechtungserklärung, wohl aber für die fristlose und die hilfsweise fristgemäße Kündigung ist die vorherige Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG Wirksamkeitsvoraussetzung. 3 Auch ein Unterlassen des Hinweises hat allerdings keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Einf. Kap. 22 Rz. 129). 4 Zur Klage des Arbeitnehmers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Anfechtung bzw. der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages s. M 23.3.

21.3

u

Anfechtung des Widerspruchs durch den Arbeitnehmer gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB auf den Betriebserwerber

An Firma A GmbH (Firmierung und Anschrift) An Firma B GmbH (Firmierung und Anschrift)1 1 Nach zutreffender Ansicht kann die Anfechtungserklärung nach §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 613a Abs. 6 Satz 2 BGB wahlweise dem Betriebsveräußerer oder Betriebserwerber gegenüber er-

804 Lingemann

Beendigungskündigung

Kap. 22 (Ort, Datum) . . .

Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., hiermit fechte ich nach § 123 BGB meinen am . . . gegenüber . . . nach § 613a Abs. 6 BGB erklärten Widerspruch gegen den Übergang meines Arbeitsverhältnisses auf die B GmbH an. Begründung: In dem Informationsschreiben vom . . . sowie der Informationsveranstaltung vom . . . teilten Sie mit, dass . . . Tatsächlich aber verhielt es sich so, dass . . . In Unkenntnis des wahren Sachverhalts habe ich am . . . dem Übergang meines Arbeitsverhältnisses auf die B GmbH widersprochen. Meinen Entschluss zum Widerspruch habe ich nur auf Grund Ihrer Angabe gefasst. Daher fechte ich meine Widerspruchserklärung hiermit an. Meine Arbeitsleistung biete ich ab sofort der B GmbH an. ... (Unterschrift) folgen. Da das BAG jedoch hinsichtlich des richtigen Anfechtungsgegners zT auf den Erklärungsempfänger des Widerspruchs und zT auf den täuschenden Unterrichtenden abstellt (vgl. BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 1101 Rz. 24, 36), ist anzuraten, vorsorglich sowohl dem Veräußerer als auch dem Erwerber gegenüber anzufechten.

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Kapitel 22

Beendigungskündigung

Literaturübersicht: Adomeit/Mohr, Rechtsgrundlagen und Reichweite des Schutzes vor diskriminierenden Kündigungen, NJW 2009, 2255; Arnold/Fischinger, Kündigungsschutz und § 84 SGB IX – der Nebel lichtet sich!, BB 2007, 1894; Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsschutzrecht, 4. Aufl. 2012; Backmeister/Trittin/Mayer, Kündigungsschutzgesetz mit Nebengesetzen, 4. Aufl. 2009; Bader, Die gerichtsfeste betriebsbedingte Kündigung, NZA Beilage 2/2010, 85; Bader, Übergangsprobleme bei § 5 KSchG n.F., NZA 2008, 620, Baeck/Lingemann, Auftragsübergang als Betriebsübergang, Neues vom EuGH, NJW 1997, 2492; Bauer/Arnold, Kein Kündigungsschutz für „Arbeitnehmer-Geschäftsführer“ – oder doch?, DB 2008, 350; Bauer/Gotham, Kein „Domino-Effekt“ mehr bei der Sozialauswahl, BB 2007, 1729; Bauer/Günther, Neue Spielregeln für Klageverzichtsvereinbarungen, NJW 2008, 1617; Bauer/Krieger, Die Sperrfrist bei der Massenentlassungsanzeige – Mindestkündigungsfrist oder zwingende Vorlaufzeit vor dem Ausspruch von Kündigungen?, NZA 2009, 174, Bauer/Krieger, Kündigungsrecht Reformen 2004, 2004; Bauer/Krieger, Verkehrte Welt: Gleichmäßige Verteilung von Kündigungen über alle Altersgruppen als unzulässige Altersdiskriminierung?, NZA 2007, 674; Bauer/Lingemann, Personalabbau und Altersstruktur, NZA 1993, 623; Bauer/Lingemann, Stilllegung von Tendenzbetrieben am Beispiel von Pressebetrieben, NZA 1995, 813; Bauer/Powietzka, Heilung unterbliebener Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG, DB 2000, 1073; Bauer/Powietzka, Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer – Nachweis, Sozialauswahl, Klagefrist und Reformbedarf, NZA-RR 2004, 505; Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, 2. Aufl. 2000; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl. 2006; Bauer/Schansker, (Heimliche) Videoüberwachung durch den Arbeitgeber, NJW 2012, 3537; Bauer/Winzer, Vom Personalleiter zum Pförtner?, Änderungskündigung als Bürokratiemonster!, BB 2006, 266; Bayreuther, Kündigungsschutz

Lingemann 805

Beendigungskündigung

Kap. 22 (Ort, Datum) . . .

Sehr geehrte(r) Herr/Frau . . ., hiermit fechte ich nach § 123 BGB meinen am . . . gegenüber . . . nach § 613a Abs. 6 BGB erklärten Widerspruch gegen den Übergang meines Arbeitsverhältnisses auf die B GmbH an. Begründung: In dem Informationsschreiben vom . . . sowie der Informationsveranstaltung vom . . . teilten Sie mit, dass . . . Tatsächlich aber verhielt es sich so, dass . . . In Unkenntnis des wahren Sachverhalts habe ich am . . . dem Übergang meines Arbeitsverhältnisses auf die B GmbH widersprochen. Meinen Entschluss zum Widerspruch habe ich nur auf Grund Ihrer Angabe gefasst. Daher fechte ich meine Widerspruchserklärung hiermit an. Meine Arbeitsleistung biete ich ab sofort der B GmbH an. ... (Unterschrift) folgen. Da das BAG jedoch hinsichtlich des richtigen Anfechtungsgegners zT auf den Erklärungsempfänger des Widerspruchs und zT auf den täuschenden Unterrichtenden abstellt (vgl. BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 1101 Rz. 24, 36), ist anzuraten, vorsorglich sowohl dem Veräußerer als auch dem Erwerber gegenüber anzufechten.

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Kapitel 22

Beendigungskündigung

Literaturübersicht: Adomeit/Mohr, Rechtsgrundlagen und Reichweite des Schutzes vor diskriminierenden Kündigungen, NJW 2009, 2255; Arnold/Fischinger, Kündigungsschutz und § 84 SGB IX – der Nebel lichtet sich!, BB 2007, 1894; Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsschutzrecht, 4. Aufl. 2012; Backmeister/Trittin/Mayer, Kündigungsschutzgesetz mit Nebengesetzen, 4. Aufl. 2009; Bader, Die gerichtsfeste betriebsbedingte Kündigung, NZA Beilage 2/2010, 85; Bader, Übergangsprobleme bei § 5 KSchG n.F., NZA 2008, 620, Baeck/Lingemann, Auftragsübergang als Betriebsübergang, Neues vom EuGH, NJW 1997, 2492; Bauer/Arnold, Kein Kündigungsschutz für „Arbeitnehmer-Geschäftsführer“ – oder doch?, DB 2008, 350; Bauer/Gotham, Kein „Domino-Effekt“ mehr bei der Sozialauswahl, BB 2007, 1729; Bauer/Günther, Neue Spielregeln für Klageverzichtsvereinbarungen, NJW 2008, 1617; Bauer/Krieger, Die Sperrfrist bei der Massenentlassungsanzeige – Mindestkündigungsfrist oder zwingende Vorlaufzeit vor dem Ausspruch von Kündigungen?, NZA 2009, 174, Bauer/Krieger, Kündigungsrecht Reformen 2004, 2004; Bauer/Krieger, Verkehrte Welt: Gleichmäßige Verteilung von Kündigungen über alle Altersgruppen als unzulässige Altersdiskriminierung?, NZA 2007, 674; Bauer/Lingemann, Personalabbau und Altersstruktur, NZA 1993, 623; Bauer/Lingemann, Stilllegung von Tendenzbetrieben am Beispiel von Pressebetrieben, NZA 1995, 813; Bauer/Powietzka, Heilung unterbliebener Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG, DB 2000, 1073; Bauer/Powietzka, Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer – Nachweis, Sozialauswahl, Klagefrist und Reformbedarf, NZA-RR 2004, 505; Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, 2. Aufl. 2000; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl. 2006; Bauer/Schansker, (Heimliche) Videoüberwachung durch den Arbeitgeber, NJW 2012, 3537; Bauer/Winzer, Vom Personalleiter zum Pförtner?, Änderungskündigung als Bürokratiemonster!, BB 2006, 266; Bayreuther, Kündigungsschutz

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Kap. 22

Beendigungskündigung

im Spannungsfeld zwischen Gleichbehandlungsgesetz und Europäischem Antidiskriminierungsrecht, DB 2006, 1842; Becker/Etzel/Fischermeier/Friedrich/Lipke/Pfeiffer/Rost/Spilger/Weigand/ Wolff, Gemeinschaftskommentar zum KSchG und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften (KR), 10. Aufl. 2013; Benecke, Sozialplanleistungen und Verzicht auf Kündigungsschutz: Die neue Rechtsprechung des BAG zu Funktionen und Grenzen des Sozialplans, BB 2006, 938; Berkowsky, Aktuelle Entscheidung zur betriebsbedingten Kündigung, NZA-RR 2007, 169; Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, 6. Aufl. 2008; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 4. Aufl. 2005; Berkowsky, Die verhaltensbedingte Kündigung, NZA-RR 2001, 1 und 57; Berkowsky, Kündigungsschutz außerhalb des KSchG – Eine Herausforderung für die Praxis, NJW 2009, 113; Berkowsky, Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung, NZA 2006, 697; Berrisch, Die Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber, FA 2007, 6; Binkert, Hände weg vom Kündigungsschutz!, NZA 2010, 433; Blomeyer, Aktuelle Rechtsprobleme in der Probezeit, NJW 2008, 2812; Breucker, Die Druckkündigung im Sport – Arbeitsrechtliche Beurteilung von Trainerentlassungen, NZA 2008, 1046; Bröhl, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Sozialauswahl, BB 2006, 1050; Brose, Sachgrundlose Befristung und betriebsbedingte Kündigung von Leiharbeitnehmern – Ein unausgewogenes Rechtsprechungskonzept, DB 2008, 1378; Commandeur/Kleinebrink, Läuft das Kündigungsverbot bei einem Betriebsübergang ins Leere?, BB 2012, 1857; Dahte, Die Auswirkung ausgewählter Vereinbarungen zur Sozialauswahl, NZA 2007, 1205; Deinert, Die Druckkündigung im Lichte der Diskriminierungsverbote, RdA 2007, 275; Diller, „Gesuchte“ Kündigungsgründe, NZA 2006, 569; Diller, § 622 BGB und Quartalskündigungsfristen, NZA 2000, 293; Diller/Krieger/ Arnold, Kündigungsschutzgesetz plus allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Sind Arbeitnehmer in Zukunft doppelt vor Kündigungen geschützt?, NZA 2006, 887, 888; Dorndorf ua., KSchG, 4. Aufl. 2001; Dresen, Die Zurechung des Vertreterverschuldens bei Erhebung der Kündigungsschutzklage – Und es gibt sie doch!, NZA 2009, 769; Düwell/Dahl, Leiharbeitnehmer: First in, first out, DB 2007, 1699; Engesser Means/Klebeck, Sperrzeit durch Widerspruch bei Betriebsübergang, NZA 2008, 143; Eylert/Friedrichs, Die Anhörung des Arbeitnehmers zur Verdachtskündigung, DB 2007, 2203; Eylert/Spinner, Sozialauswahl nach Widerspruch des Arbeitnehmers gegen einen (Teil-)Betriebsübergang, BB 2008, 50; Fiebig/Gallner/Nägele, Kündigungsschutzrecht, Handkommentar, 4. Aufl. 2012; Fiedler/Küntzer, Die Verdachtskündigung und das Nachschieben von Kündigungsgründen, FA 2005, 264; Fischer, Die Anhörung des Arbeitnehmers vor der Verdachtskündigung, DB 2003, 522; Fornasier/Werner, Die „anderen Gründe“ für die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung im Rahmen des § 4 S. 1 KSchG, NJW 2007, 2729; Forst, Informationspflichten bei der Massenentlassung, NZA 2009, 294; Francken/Natter/Rieker, Die Novellierung des Arbeitsgerichtsgesetzes und des § 5 KSchG durch das SGGArbGG-Änderungsgesetz, NZA 2008, 377, Freckmann, Betriebsbedingte Kündigungen und AGG – Was ist noch möglich?, BB 2007, 1049; Friemel/Walk, Neues zur Kündigung wegen Schlecht- und Minderleistung, NJW 2010, 1557; Fuhlrott, Die fristlose Kündigung wegen Vermögensdelikten zwei Jahre nach „Emmely“ – eine Bestandsaufnahme, ArbR Aktuell 2012, 498; Fuhlrott/Hoppe, Besonderheiten der Sozialauswahl bzw. Weiterbeschäftigungspflicht in Gemeinschaftsbetrieb und Konzern, BB 2012, 253; Gagel/Vogt, Beendigung von Arbeitsverhältnissen, 5. Aufl. 1996; Gaul, Wirtschaftliche Vertretbarkeit eines Sozialplans, DB 2004, 1498; Gaul/Bonanni, Altersdiskriminierung im Rahmen der Sozialauswahl, BB 2008, 218; Gaul/Bonanni, Betriebsübergreifende Sozialauswahl und die Bedeutung von Versetzungsklauseln, NZA 2006, 289; Gaul/Naumann, Kündigungen unter Berücksichtigung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, ArbRB 2007, 15; Gehlhaar, Darlegungslast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess bei Interessenausgleich mit Namensliste – § 1 Abs. 5 KSchG versus § 102 BetrVG, DB 2008, 1496; Gehlhaar, Kündigungsschutz: befristete Arbeitsverhältnis als „freie“ Arbeitsplätze iS des § 1 Abs. 2 KSchG, DB 2008, 2831; Gilberg, Die Unternehmerentscheidung vor Gericht, NZA 2003, 817; Gille/Vahle, Die Bedeutung krankheitsbedingter Fehlzeiten im Rahmen der Leistungsträgerregelung, NZA 2013, 534; Gravenhorst, Kündigungsschutz bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug, RdA 2007, 283; Haas, Auflösungsgründe gemäß § 9 KSchG, FA 2010, 104; Hamacher/ Ulrich, Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen nach Inkrafttreten und Änderung des AGG, NZA 2007, 657; Hein, AGG × KSchG = Europa* – Die Kündigung zwischen allgemeinem und besonderem Kündigungsschutz, Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz und Europarecht, NZA 2008, 1033; Hergenröder/von Wickede, Die Rechtsprechung zur Kündigung mit Abfindungsangebot (§ 1a KSchG), RdA 2008, 364; Heuchemer/Bolsinger, Medikamentenvergabe durch Rettungs-

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Beendigungskündigung

Kap. 22

assistenten als Kündigungsgrund? – Besprechung von ArbG Koblenz, NZA-RR 2009, 419; Hey/ Linse, Alkohol, Drogen und Sucht – Arbeitsrechtliche Anforderungen einer suchtbedingten Kündigung unter Berücksichtigung (auch zukünftiger) datenschutzrechtlicher Vorgaben, BB 2012, 2881; Hidalgo/Mauthner, Praktische Handhabung von Massenänderungskündigungen, NZA 2007, 1254; Holthausen/Holthausen, Der Auflösungsantrag nach §§ 9, 14 KSchG – Taktisches Gestaltungsmittel des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess, NZA-RR 2007, 449; Houben, Weiterbeschäftigungspflicht auf höherwertigen Arbeitsplätzen – ein Tabubruch im Kündigungsrecht?, NZA 2008, 851; von Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 15. Aufl. 2013; Hunold, Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Studenten, NZA 2009, 476; Kaiser/Dahm, Sozialauswahl ohne Lebensalter!, NZA 2010, 473; Kamanabrou, Europarechtskonformer Schutz vor Benachteiligungen bei Kündigungen, RdA 2007, 199; Kittner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 8. Aufl. 2011; Kleinebrink, Unternehmerentscheidung bei betriebsbedingter Kündigung: Schriftform und inhaltliche Gestaltung, DB 2008, 1858; Klueß, Geringwertige Vermögensdelikte – Keine zwangsläufige Entlassung, NZA 2009, 337; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, Handbuch des Kündigungsrechts, 4. Aufl. 1998; Kock, Besetzung von freien Arbeitsplätzen bei gleichzeitigem Personalabbau, NJW 2006, 728; Kock, Rechtsprechungsübersicht zur personenbedingten Kündigung 2004/2005, BB 2005, 2350; Kock, Rechtsprechungsübersicht zur personenbedingten Kündigung 2005/2006, BB 2006, 1906; Kock, Rechtsprechungsübersicht zur personenbedingten Kündigung 2006/2007, BB 2007, 2513; Kock, Rechtsprechungsübersicht zur personenbedingten Kündigung 2007/2008, BB 2009, 270; Kohte, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Bestandsschutz, DB 2008, 582; Kolbe, Unkündbarkeit für Korruptionstäter?, NZA 2009, 228; Kömpf/Kunz, Kontrolle der Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz in Frankreich und in Deutschland, NZA 2007, 1341; Kramer, BAG zur Kündigung wegen privater Internetnutzung, NZA 2007, 1338; Kramer, Die Kündigung im Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2008; Lange/Vogel, Verdachtskündigung: Teilnahmerecht des Rechtsanwalts an der Anhörung, DB 2010, 1066; Lansnicker, Surfen im Internet während der Arbeitszeit, BB 2007, 2184; Lelley/Sabin, Rechtsprechungsänderung zum Ultima-Ratio-Prinzip bei betriebsbedingten Kündigungen, DB 2006, 1110; Lepke, Hepatitis-Infektion des Arbeitnehmers als Grund für eine fristgerechte Kündigung durch den Arbeitgeber, DB 2008, 467; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 14. Aufl. 2012; Lepke, Pflichtverletzung des Arbeitnehmers bei Krankheit als Kündigungsgrund, NZA 1995, 1084; Leuchten, Freikündigungspflicht zur Weiterbeschäftigung, NZA 2007, 585; Lingemann, Kündigungsschutz, 2011; Lingemann, Weiterbeschäftigung im Konzern – Ein Beitrag zum unternehmensübergreifenden Kündigungsschutz, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 661; Lingemann, Unterhaltspflichten und Kündigung, BB 2000, 1835; Lingemann, Umorganisation zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Kündigung, BB 1998, 1106; Lingemann/Beck, Auswahlrichtlinie, Namensliste, Altersgruppenbildung und Altersdiskriminierung, NZA 2009, 577; Lingemann/Beck, Wiederholungskündigung und Wiederholungsauflösungsantrag, NZA-RR 2007, 225; Lingemann/Gotham, AGG – Benachteiligungen wegen des Alters in kollektivrechtlichen Regelungen, NZA 2007, 663; Lingemann/Grothe, Betriebsbedingte Kündigung im öffentlichen Dienst, NZA 1999, 1072; Lingemann/Ludwig, Verschuldenszurechnung nach § 85 II ZPO bei der Kündigungsschutzklage, NJW 2009, 2787; Lingemann/Ludwig, Die „krankheitsbedingte Kündigung“ – Rechtfertigung der Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung, ArbR Aktuell 2010, 385; Lingemann/Ludwig, Die „krankheitsbedingte Kündigung“ – Rechtfertigung der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, ArbR Aktuell 2010, 409; Lingemann/Rolf, Leistungsträger-Abwägung, Auswahlrichtlinie und Namensliste, NZA 2005, 264; Lingemann/von SteinauSteinrück, Konzernversetzung und Kündigungsschutz, DB 1999, 2161; Löwisch, BB-Forum: Änderung des AGG, BB 2006, 2582; Löwisch/Spinner, Kommentar zum KSchG, 9. Aufl. 2004; Löwisch/Röder/Krieger, Punkteschema für die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen im Zeitalter von Diskriminierungsverboten, BB 2008, 610; Lücke, Unter Verdacht: Die Verdachtskündigung, BB 1997, 1842; Mäschle, Lexikon der Kündigungsgründe, 2. Aufl. 1996; Mennemeyer/Dreymüller, Verzögerungen der Arbeitnehmeranhörung bei der Verdachtskündigung, NZA 2005, 382; Moll/Ittmann, Betriebsbedingte Kündigung und Leiharbeit, RdA 2008, 321; Müller, Die Rechtsprechung zum Auflösungsantrag des Arbeitgebers (§ 9 I 2 KSchG) in den Jahren 2003–2008, NZA-RR 2009, 289; Müller-Thele/Neu, Kündigungsschutzprozesse – Vereinbarkeit von § 622 Abs. 2 S. 2 BGB mit dem Gemeinschaftsrecht, MDR 2008, 537; Nägele, Beschäftigungsansprüche im Prozess, ArbRB 2005, 310; Nägele, Freistellung und anderweitiger Erwerb, NZA 2008, 1039; Neef/Neef, Von der Unmöglichkeit der betriebsbedingten Kündigung,

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Beendigungskündigung

NZA 2006, 1241; Nickel, Betriebliches Eingliederungsmanagement, AiB 2009, 423; Otto/Mückl, Kündigungsschutz bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug, BB 2008, 1231; Preis, Der Arbeitsvertrag – Handbuch der Vertragspraxis und -gestaltung, 4. Aufl. 2011, II K 10; Quecke, Punkteschema und Sozialauswahl, RdA 2007, 335; Reuter, „Geringwertige Vermögensdelikte“ und Kündigungen – kein Änderungsbedarf beim BAG, NZA 2009, 594; Röder/Krieger, (Mehr) Rechtssicherheit bei betriebsbedingten Kündigungen? – Der praktische Umgang mit Altersgruppen und Namensliste, DB 2005, 2578; Rolf/Riechwald, Personalabbau im kurzarbeitenden Betrieb, BB 2010, 1597; Rossa/Salamon, Personalabbau trotz Nichtbeteiligung des Betriebsrates bei Auswahlrichtlinien?, NJW 2008, 1991; Rost, Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Umstrukturierung, NZA Beilage 2009, Heft 1, 23; Sagan, Die Sanktion diskriminierender Kündigungen nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, NZA 2006, 1257; Schaub/ Schrader/Straube/Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 10. Aufl. 2013, 4. Teil; Schiefer, Betriebsbedingte Kündigung: „Antidiskriminierungskündigungsschutz“, Namensliste, Punkteschema und Altersgruppenbildung, DB 2009, 733; Schiefer, Die Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung, NZA-RR 2002, 169; Schiefer, Betriebsbedingte Kündigung-Kündigungsursache und Unternehmerentscheidung, NZA-RR 2005, 1; Schiefer, Betriebsbedingte Kündigung nach aktueller Rechtsprechung – Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück, DB 2007, 54; Schiefer/Worzalla, Neues-altes-Kündigungsrecht, NZA 2004, 345; Schilling/Rath, Betriebliches Eingliederungsmanagement, AuA 2009, 420; Schleusener, Europarechts- und Grundgesetzwidrigkeit von § 622 II 2 BGB, NZA 2007, 358; Schrader/Müller, Krankheitsbedingte Kündigung = Diskriminierung wegen Behinderung?, SAE 2007, 222; Schul/ Wichert, Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Grund für verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigung, DB 2005, 1906; Schulte Westenberg, Die außerordentliche Kündigung im Spiegel der Rechtsprechung, NZA-RR 2009, 401; Schumacher-Mohr/Urban, Sozialauswahl im Veräußererbetrieb nach Widerspruch gegen Betriebsübergang, NZA 2008, 513; Seel, Personalabbau – Leitfaden für ordnungsgemäßen Ablauf einer Massenentlassung, MDR 2007, 937; Simon/Greßlin, Abbau von Leiharbeit vor betriebsbedingten Kündigungen?, BB 2007, 2454; Sowka/Schiefer/Heise, Kündigungsschutzrecht, 3. Aufl. 2004; Spinner, Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Sozialauswahl, RdA 2008, 153; Stahlhacke/ Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 10. Aufl. 2010; Stück, Die betriebsbedingte Kündigung wegen Betriebsstilllegung, MDR-Sonderheft 24/2006, 1; Thüsing, Fragen zum Entwurf eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt, BB 2003, 1673; Thüsing/ Laux/Lembke, Kündigungsschutzgesetz, 2. Aufl. 2011; Thüsing/Wege, Freiwilliger Interessenausgleich und Sozialauswahl, BB 2005, 213; Trebeck, Die „Versetzung“ in den Stellenpool zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen, NZA 2009, 513; Tschöpe, Krankheitsbedingte Kündigung und betriebliches Eingliederungsmanagement, NZA 2008, 398; Vossen, Die Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 BetrVG) – Ein aktueller Rechtsprechungsüberblick, FA 2007, 66; Wank, Das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der betriebsbedingten Kündigung – Insbesondere Versetzung statt Kündigung, RdA 2012, 139; Werres, Betriebsstilllegung und Insolvenz, NZI 2009, 24; Wetzling/Habel, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Mitwirkung des Mitarbeiters, NZA 2007, 1129; Wetzling/Habel, Die Beanstandung der Arbeitsleistung und die leistungsbedingte Kündigung, BB 2009, 1638; Wisskirchen/Bissels/Schmidt; „Der unzeitgemäße Arbeitnehmer“: Die Änderung von Anforderungen an Mitarbeiter als Kündigungsgrund, NZA 2008, 1386; Wolf/Mullert, Die Zulässigkeit der Überwachung von E-Mail-Korrespondenz am Arbeitsplatz, BB 2008, 442; Wybitul, Neue Spielregeln bei Email-Kontrollen durch den Arbeitgeber, ZD 2011, 69.

I. Einführung 1. Allgemeines 1

Kündigung ist die einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die das Arbeitsverhältnis beenden soll.

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Beendigungskündigung

Kap. 22

a) Arten der Kündigungen Mit der ordentlichen Kündigung soll das Arbeitsverhältnis fristgerecht aufgelöst werden, mit der außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB regelmäßig fristlos. Die außerordentliche Kündigung kann jedoch auch mit einer sozialen Auslauffrist ausgesprochen werden. Die Änderungskündigung zielt auf eine Veränderung der Arbeitsbedingungen (vgl. Kap. 20). Anders als eine Änderungskündigung ist eine Teilkündigung, also eine Kündigung, die nur einzelne Vereinbarungen des Arbeitsvertrages betreffen soll, unwirksam.1 Eine Druckkündigung wird ausgesprochen, wenn auf den Kündigenden von dritter Seite Druck ausgeübt wird, typischerweise, indem Arbeitnehmer dem Arbeitgeber androhen, das Arbeitsverhältnis ihrerseits aufzulösen, falls nicht der Arbeitgeber einem bestimmten Arbeitnehmer kündigt.2 Inwieweit sich die Diskriminierungsverbote des AGG auf ein Abberufungsverlangen auswirken, ist noch ungeklärt.3

2

Kündigungen, die unter einer Bedingung ausgesprochen werden, sind unwirksam,4 es sei denn, es handelt sich um eine Rechtsbedingung. Dementsprechend sind hilfsweise zu bereits ausgesprochenen Kündigungen ausgesprochene weitere Kündigungen zulässig, da sie zwar durch die Unwirksamkeit der vorausgegangenen Kündigung bedingt sind, dies aber eine Rechtsbedingung ist.5 Dasselbe gilt, wenn die Kündigung mit dieser Bedingung „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ ausgesprochen wird. Ist eine Kündigung aus materiellen Gründen unwirksam, so kann sie aus denselben Gründen nicht wiederholt werden, die zweite Kündigung wäre eine unzulässige Wiederholungskündigung.6 Leidet die Kündigung allerdings nur an formalen Mängeln – zB unterlassene oder fehlerhafte Betriebsratsanhörung – oder stellen sich später neue Kündigungsgründe heraus, so ist eine weitere Kündigung, die den Formfehler vermeidet oder auf den weiteren Kündigungsgrund gestützt wird, zulässig. Die Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger Wiederholungskündigung wirft für die Praxis eine Vielzahl von Problemen auf.7

3

Von der Kündigung zu unterscheiden ist die Anfechtung des Arbeitsvertrages (dazu Kap. 21): Die Anfechtung zielt im Grundsatz auf die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages von Anfang an (ex tunc; zu den Einschränkungen vgl. gleichfalls Kap. 21), während die Kündigung das Arbeitsverhältnis nur für die Zukunft (ex nunc) beenden will. Die Anfechtung stützt sich auf Umstände aus der Zeit vor oder im Zusammenhang mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages, die Kündigung regelmäßig auf Umstände aus der Zeit des Arbeitsvertrages. Ein Widerruf des Arbeitsvertrages ist unwirksam. Das gilt auch für den Widerruf einzelner Vertragsbedingungen, soweit dadurch der Kündigungsschutz umgangen wird oder ein entsprechender formularver-

4

1 BAG v. 22.1.1997, NZA 1997, 711. 2 Zur Druckkündigung als Instrument bei Trainerentlassungen vgl. Breucker, NZA 2008, 1046. 3 Hierzu Deinert, RdA 2007, 275, 281, der sich dafür ausspricht, die Wirksamkeit einer Druckkündigung weiterhin allein nach allgemeinen kündigungsschutzrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. 4 BAG v. 27.6.1968, DB 1968, 1588. 5 LAG Köln v. 6.10.2005, BB 2005, 1455. 6 BAG v. 20.12.2012, DB 2013, 1422 m. Anm. Merten, ArbR Aktuell 2013, 338; Einzelheiten bei Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. 7 Einzelheiten bei Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, insb. 228 ff.

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Kap. 22

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traglicher Vorbehalt nicht den §§ 305 ff. BGB entspricht.8 Entsprechend ist auch die Vereinbarung von Rücktrittsrechten im Arbeitsvertrag regelmäßig unwirksam; gesetzliche Rücktrittsrechte bestehen ohnehin nicht, an ihre Stelle tritt das Kündigungsrecht. Ein Rücktritt kommt allerdings vor Vertragsbeginn in Betracht, sofern das Rücktrittsrecht formwirksam vereinbart wurde.9 In der Praxis extrem selten ist auch der Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), der nur insoweit eingreift, wie eine Kündigung auf Grund außergewöhnlicher Umstände nicht ausgesprochen werden kann.10 Eine Freistellung (auch Suspendierung) des Arbeitnehmers befreit diesen nur von seiner Leistungspflicht, wobei regelmäßig die Pflicht des Arbeitgebers zur Vergütungszahlung unberührt bleibt. 5

Soweit auf Kündigungen das KSchG anwendbar ist – §§ 1 Abs. 1, 23 ff. KSchG – können Kündigungsgründe des Arbeitgebers nicht einzelvertraglich erweitert, wohl aber beschränkt werden. Einzel- oder häufiger tarifvertraglich kann daher das Recht zur ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen oder erschwert werden. Auch kann der Geltungsbereich des KSchG auf inländische11 Betriebe oder Arbeitsverhältnisse ausgedehnt werden, die diesem nach §§ 1, 23 KSchG nicht unterfallen. In den Grenzen des § 77 Abs. 3 BetrVG können auch Betriebsvereinbarungen Kündigungsbeschränkungen enthalten. Nicht zu Lasten des Arbeitnehmers erweitert und nur in engen Grenzen eingeschränkt werden kann das Recht zur außerordentlichen Kündigung.12 b) Kündigungserklärung

6

Die Kündigungserklärung muss deutlich und zweifelsfrei sein.13 Sie muss klar wiedergeben, dass der Erklärende eine einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen will; seine bloße Erklärung, er gehe von einer Beendigung aus, reicht nicht.14 Unklarheiten gehen zu Lasten des Erklärenden. Eine nicht ausreichend klar ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist daher nur als ordentliche Kündigung auszulegen. Will der Arbeitgeber außerordentlich mit einer Auslauffrist kündigen, weil die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, so muss auch die außerordentliche Natur der Kündigung klar zum Ausdruck kommen. Zeigt der Arbeitgeber im befristeten Arbeitsverhältnis an, dass das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung nicht fortgeführt wird (Nichtverlängerungsanzeige), so bedeutet dies keine Kündigung, wenn sich die Befristung nachträglich als unwirksam herausstellt. Hier könnte daher hilfsweise auch fristgemäß (ggf. nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats) gekündigt werden.15

8 Vgl. zur Widerruflichkeit und Freiwilligkeit von Leistungen Einf. Kap. 12 Rz. 5 ff. sowie Einf. Kap. 2 Rz. 104 ff., 138 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, „Widerrufsvorbehalt“. 9 Dazu Einf. Kap. 2 Rz. 120, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rücktrittsvorbehalt“. 10 Vgl. BAG v. 24.8.1995, DB 1996, 97. 11 BAG v. 26.3.2009, NZA 2009, 920. 12 Unten Rz. 108; Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 626 BGB Rz. 1 aE. 13 Vgl. BAG v. 15.3.1991, NZA 1992, 452. 14 LAG Nürnberg v. 8.2.1994, NZA 1995, 174. 15 Vgl. BAG v. 15.3.1966, AP Nr. 28 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. Einzelheiten zur Befristung Einf. Kap. 6 Rz. 1, 5 ff., M 6.1.3.2.

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c) Form der Kündigung Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen16 durch Kündigung oder Auflösungsvertrag sowie die Befristung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.17 Das gesetzliche Schriftformerfordernis kann weder durch Arbeitsvertrag noch durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abbedungen werden. Diese können – was selten ist – nur strengere Formvorschriften vorsehen.18 Eine formwidrig ausgesprochene Kündigung ist nichtig und kann auch nicht nachträglich geheilt werden (§ 125 Abs. 1 BGB). Der Inhalt der gesetzlichen Schriftform richtet sich nach § 126 Abs. 1 BGB. Die Kündigung muss also in einer schriftlich abgefassten Urkunde erklärt sein; diese muss vom Aussteller unterschrieben sein; die Unterschrift muss den Inhalt des Kündigungsschreibens decken, also unter dem Text stehen und ihn auch räumlich abschließen.19 Die Unterschrift muss eigenhändig vom Aussteller stammen und seinen ausgeschriebenen Namen nennen. Für die GbR müssen alle GbR-Gesellschafter unterzeichnen, sofern sich die Vertretung der übrigen Gesellschafter nicht aus dem Kündigungsschreiben ergibt.20 Der Kaufmann kann mit seiner Firma zeichnen, ein Vertreter mit dem eigenen Namen unterschreiben, wenn sich die Vertreterstellung aus der Urkunde ergibt. Allerdings darf der Vertreter auch mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnen. Wichtig ist, dass auf Grund der erforderlichen gesetzlichen Schriftform die Übermittlung einer Urkunde per Fax oder Telegramm nicht ausreicht, selbst wenn diese – zB per Fax – eigenhändig unterschrieben ist. Auch die elektronische Form nach § 126a BGB genügt der Schriftform – entgegen § 126a BGB – nicht, da sie in § 623 Halbs. 2 BGB ausgeschlossen ist. Die Schriftform gilt für alle Kündigungen, also auch Änderungskündigungen, nicht aber für die (Vorbehalts-)Annahmeerklärung des Arbeitnehmers gemäß § 2 KSchG. Für Schriftsatzkündigungen reicht die Zustellung einer vom Prozessbevollmächtigten beglaubigten Ausfertigung des Schriftsatzes bei dem Kündigungsempfänger wohl aus.21

7

Praxistipp: Insoweit ist dringend zu raten, auch die für den Mandanten auf Arbeitnehmerseite gedachte Abschrift zu beglaubigen; sicherer noch ist es, diese auch im Original zu unterzeichnen.

8

Regelmäßig dürfte eine solche Kündigung, wenn sie im Zusammenhang mit dem weiteren Prozessstoff steht, von der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten gedeckt sein.22

9

Verlangt der Arbeits- oder Tarifvertrag eine bestimmte Versendungsart (gelegentlich wird Übermittlung per Einschreiben oder per Einschreiben mit Rückschein vereinbart), so berührt eine andere Übermittlung regelmäßig die Wirksamkeit der Kündi-

10

16 Dazu zählt nicht ein Umschulungsvertrag iSv. § 1 Abs. 4, 47 BBiG aF innerhalb des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 19.1.2006, DB 2006, 1739). 17 Dazu Lakies, DB 2000, 667; Müller-Glöge/von Senden, AuA 2000, 199; Preis/Gotthardt, NZA 2000, 348. 18 Vgl. BAG v. 10.2.1999, AP Nr. 2 zu § 54 BMT-G II; v. 10.2.1999, AuA 2000, 86. 19 BGH v. 24.9.1997, NJW 1998, 58. 20 BAG v. 21.4.2005, BB 2005, 1627. 21 Vgl. BGH v. 4.7.1986, NJW-RR 1987, 395; ebenso zum Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB BAG v. 13.7.2006, NZA 2006, 1406, 1409. 22 AA jedoch offenbar Müller-Glöge/von Senden, AuA 2000, 202.

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gung nicht, sofern der Kündigende nachweisen kann, dass die schriftliche Kündigung zugegangen ist.23 11

Die Berufung auf die Nichtigkeitsfolge wegen eines Formmangels verstößt nur dann gegen Treu und Glauben, wenn das Ergebnis nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar ist.24 Das BAG hat insoweit Treuwidrigkeit angenommen, wenn ein Arbeitnehmer eine eigene Kündigung mehrmals ernsthaft trotz Vorhaltung des Arbeitgebers formnichtig ausspricht und sich später auf die Formnichtigkeit beruft.25

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Der Kündigungsgrund muss in der Kündigung nicht angegeben werden, es sei denn, dies wäre ausdrücklich geregelt, wie insbesondere im Berufsbildungsverhältnis sowie bei Umschulung und Fortbildung gemäß § 22 Abs. 3 BBiG (vgl. dazu Kap. 8) und bei Kündigung im Mutterschutz gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG (vgl. dazu Kap. 17). Auch wenn die Parteien ein Schriftformerfordernis für die Angabe der Kündigungsgründe vereinbaren, ist eine ohne Begründung gefasste Kündigung unwirksam.26

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Nach neuester Rechtsprechung muss das Kündigungsschreiben auch Angaben zur Kündigungsfrist oder dem Kündigungstermin enthalten. Der Empfänger einer ordentlichen Kündigungserklärung muss erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Regelmäßig genügt hierfür die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ausreichend ist aber auch ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen Fristenregelungen, wenn der Erklärungsempfänger hierdurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll.27 Wird eine Frist angegeben, ist diese aber falsch, insbesondere zu kurz berechnet, so berührt dies die Wirksamkeit der Kündigung nicht. Sie gilt dann als Kündigung zum nächstzulässigen Termin.28 Ob dies nach der vorgenannten Rechtsprechung allerdings weiterhin gilt, ist nicht sicher. Daher sollte die Kündigungsfrist mit besonderer Sorgfalt berechnet werden. d) Zugang der Kündigung

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Die Kündigung wird wirksam mit Zugang beim Kündigungsempfänger gemäß § 130 BGB, bei Minderjährigen gemäß § 131 Abs. 2 BGB erst mit Zugang beim gesetzlichen Vertreter.29 Bei Anwesenden erfolgt dies durch Übergabe des Kündigungsschreibens, zweckmäßigerweise gegen Empfangsbestätigung auf einer Kopie des Kündigungsschreibens; unter Anwesenden kann es sogar ausreichen, wenn dem Adressaten das Kündigungsschreiben nur zum Durchlesen überlassen wird, es sei denn, ihm ist die für ein Verständnis nötige Zeit nicht verblieben.30 Bei Abwesenden kommen verschiedene Übermittlungen in Betracht: Wird die Kündigung in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen, so gilt sie erst mit dem Zeitpunkt als zugegangen, zu dem 23 Vgl. BAG v. 20.9.1979, BB 1980, 369. 24 BAG v. 27.3.1987, AP Nr. 29 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; v. 16.9.2004, DB 2005, 1119. 25 Vgl. BAG v. 4.12.1997, BB 1998, 645. 26 BAG v. 25.10.2012, DB 2013, 1305. Dort war vereinbart: „ Die Kündigung bedarf der Schriftform. Spricht die Firma die Kündigung aus, so ist der Kündigungsgrund anzugeben.“ 27 BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, PM 41/12. 28 BAG v. 18.4.1985, DB 1985, 2255. 29 BAG v. 8.12.2011, NZA 2012, 495. 30 BAG v. 4.11.2004, NZA 2005, 513.

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üblicherweise mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.31 Dies ist der Zeitpunkt der nächsten regelmäßigen Leerung, also spätestens der Morgen des darauf folgenden Tages – sofern die Kündigung nicht sehr früh morgens eingeworfen wird. Bei Übergabeeinschreiben kommt es ausschließlich auf die tatsächliche Übergabe an den Empfänger an. Der bloße Benachrichtigungszettel ersetzt den Zugang nicht. Allerdings kann der Arbeitnehmer sich je nach den Umständen des Einzelfalls nach Treu und Glauben auf den verspäteten Zugang des Kündigungsschreibens nicht berufen, wenn er dieses nicht oder nicht zeitnah bei der Postdienststelle abgeholt hat, obwohl ihm ein Benachrichtigungsschreiben der Post zugegangen ist.32 Um etwaige Fristen zu wahren, sollte der Arbeitgeber zudem, wenn das hinterlegte Schreiben nicht abgeholt wird, unverzüglich einen neuen Zustellversuch unternehmen. Einer Kündigungszustellung durch Einschreiben mit Rückschein kann der Kündigungsempfänger sich jedoch jedenfalls dann entziehen, wenn der Nachweis, dass der Benachrichtigungszettel zugegangen ist, nicht gelingt. Davon ist daher aus Sicht des Kündigenden dringend abzuraten. Demgegenüber geht das Einwurfeinschreiben wie ein einfacher Brief zu, da es lediglich in den Briefkasten eingeworfen wird. Datum und Uhrzeit des Einwurfes werden durch den Postmitarbeiter jedoch dokumentiert, die genauen Auslieferungsdaten können bei der Post erfragt werden. Ein zuverlässiger Beweis lässt sich allerdings nur führen, wenn der Mitarbeiter der Post gegebenenfalls als Zeuge zur Verfügung steht.33 Der sicherste Weg ist daher die Zustellung der Kündigung durch einen namentlich zu benennenden Boten des Kündigenden, der diese spätestens am Tage vor dem spätesten Kündigungszeitpunkt in den Briefkasten einwirft, dies protokolliert und für die Richtigkeit seiner Angaben auch als Zeuge benannt werden kann. Will man ganz sicher gehen, kann man auch noch durch Zeugen dokumentieren, dass die Kündigung in den eingeworfenen Briefumschlag eingelegt wurde („Eintütungsprotokoll“). Bei Einwurf in den Briefkasten gilt das Kündigungsschreiben auch dann am nächsten Tag als zugegangen, wenn der Arbeitnehmer im Urlaub,34 in Untersuchungshaft oder auf Krankenhaus- oder Kuraufenthalten ist. Die bei gescheiterter Zustellung oft vom Arbeitgeber herangezogene Zustellungsvereitelung entsprechend § 162 BGB erweist sich häufig als nicht nachweisbar.35 Eine Willenserklärung gilt regelmäßig auch dann als in den Machtbereich des Adressaten gelangt, wenn sie außerhalb seiner Wohnung einem Empfangsboten übermittelt wird, wie bspw. einem in gemeinsamer Wohnung lebenden Ehegatten an dessen Arbeitsplatz.36 Zugegangen ist sie aber erst, wenn mit der Weitergabe unter gewöhnlichen Verhältnissen zu rechnen ist, das ist bei Ehegatten regelmäßig noch am selben Tag.37 Wichtig: Bestehen Zweifel am Zugang, so sollte in jedem Falle eine vorsorgliche weitere Kündigung ausgesprochen und zugestellt werden. 31 Vgl. BAG v. 8.12.1983, BB 1984, 855; LAG Köln v. 17.9.2010, NZA-RR 2011, 180. 32 BAG v. 7.11.2002, NZA 2003, 719 m. Anm. Mauer, BB 2003, 1182; zum erneuten Zustellversuch vgl. BGH v. 26.11.1997, BGHZ 137, 205, 209. 33 Vgl. LG Potsdam v. 27.7.2000, NJW 2000, 3722. 34 Dies gilt auch dann, wenn das Kündigungsschreiben an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtet und dem Arbeitgeber die urlaubsbedingte Ortsabwesenheit des Arbeitnehmers bekannt ist (BAG v. 24.6.2004, NZA 2004, 1330). 35 Vgl. aber BAG v. 22.9.2005, NZA 2006, 204 zur Zugangsvereitelung durch fehlerhafte Adressangabe: die Berufung auf den fehlenden Zugang war treuwidrig, die Kündigung als Probezeitkündigung wirksam. 36 BAG v. 9.6.2011, NJW 2011, 2604. 37 BAG v. 9.6.2011, NJW 2011, 2604.

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Die Kündigung kann jederzeit zugestellt werden; auch eine Kündigung zur Unzeit, zB am Heiligen Abend, wird dadurch nicht unwirksam.38 Hat der Arbeitnehmer die Kündigung auf Grund Urlaubs – oder anderer Abwesenheit – tatsächlich erst nach seiner Rückkehr und damit nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG erhalten, so kann er gemäß § 5 KSchG einen Antrag auf nachträgliche Zulassung innerhalb der dort geregelten engen Fristen stellen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG Kenntnis erlangt hat, § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Die Beweislast für den Zugang der Kündigung trägt der Kündigende. e) Kündigungsbefugnis

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Kündigungsberechtigt ist der Arbeitgeber, bei einer juristischen Person also der gesetzliche Vertreter. Zwar kann eine Kündigung auch durch einen Bevollmächtigten des Arbeitgebers ausgesprochen werden, diese kann der Arbeitnehmer jedoch nach § 174 Satz 2 BGB unverzüglich – ohne Vorliegen besonderer Umstände somit innerhalb einer Woche39 – zurückweisen, sofern mit der Kündigung keine Vollmachtsurkunde im Original vorgelegt wird. Die Kündigungserklärung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht ist unwirksam und auch nicht durch nachträgliche Genehmigung heilbar.40

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Formfrei möglich (vgl. § 167 Abs. 2 BGB) ist jedoch die Erteilung einer Außenvollmacht, also einer Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll (§ 167 Abs. 1 BGB). Dieses Inkenntnissetzen muss allerdings ein gleichwertiger Ersatz für das unterbliebene Vorliegen einer Vollmachtsurkunde sein. Daher reicht es für ein Inkenntnissetzen nicht aus, dass der Arbeitgeber einen Mitarbeiter in eine Stelle berufen hat, die üblicherweise mit dem Kündigungsrecht verbunden ist. Es ist vielmehr grundsätzlich erforderlich, dass der Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass der die Kündigung erklärende Mitarbeiter diese Stelle innehat.41 Auch wenn der Arbeitsvertrag daher regelt, dass der jeweilige Niederlassungsleiter kündigen darf, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung die kündigende Person dieser im Arbeitsvertrag genannten Stelle des Kündigungsberechtigten zuordnen oder zumindest einen Weg aufzeigen, auf dem der Arbeitnehmer vor Zugang der Kündigung unschwer erfahren kann, welche Person die Position innehat, mit der nach dem Arbeitsvertrag das Kündigungsrecht verbunden ist.42 Allerdings wird eine solche Kündigungsbefugnis regelmäßig bei Kündigung durch den Personalabteilungsleiter – nicht Personalsachbearbeiter43 – auf Grund dessen Stellung angenommen, auch wenn diese im Innenverhältnis eingeschränkt ist.44 Das Gleiche gilt für einen Prokuristen mit Einzelprokura, sofern diese 38 Vgl. BAG v. 14.11.1984, NZA 1986, 97. 39 BAG v. 8.12.2011, NZA 2012, 495. 40 LAG Köln v. 16.11.2005, AuR 2006, 252. Das Vertretungsverhältnis muss zur Wahrung der Schriftform in der Urkunde zum Ausdruck kommen; dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Vertreter das Kündigungsschreiben lediglich mit dem Zusatz „i.A.“ und nicht mit dem eindeutigeren „i.V.“ unterzeichnet, sofern die Gesamtumstände der Kündigungserklärung für eine Bevollmächtigung sprechen, vgl. BAG v. 13.12.2007, NZA 2008, 403. 41 BAG v. 14.4.2011, NZA 2011, 683. 42 BAG v. 14.4.2011, NZA 2011, 683. 43 BAG v. 30.5.1978, BB 1979, 166. 44 BAG v. 29.10.1992, NZA 1993, 307.

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im Handelsregister eingetragen und vom Registergericht bekannt gemacht worden ist.45 Daneben kann die Außenvollmacht natürlich auch ausdrücklich erklärt werden, beispielsweise im Rahmen der Amtseinführung des Bevollmächtigten.46 Ein Aushang am schwarzen Brett reicht nicht ohne weiteres aus.47 Die Erklärung eines gesetzlichen oder organschaftlichen Vertreters bedarf allerdings keiner Originalvollmacht, eine Zurückweisung scheidet aus.48 Liegt keiner dieser Fälle vor mit der Folge, dass die Kündigung bei fehlender Vorlage der Originalvollmacht nach § 174 Satz 2 BGB unverzüglich zurückgewiesen werden kann, so dürfte eine Zurückweisung nach Ablauf einer Woche nicht mehr unverzüglich sein.49 Für eine Zurückweisung reicht es nicht aus, wenn der Gekündigte nur die Kündigungsbefugnis des Kündigenden in Frage stellt, ohne einen Nachweis durch Vorlage einer wirksamen Kündigungsurkunde zu fordern.50 Lässt der Kündigungsempfänger seinerseits durch Bevollmächtigten zurückweisen, so muss dieser für die Zurückweisung gleichfalls eine Original-Vollmacht vorlegen, sonst kann die Zurückweisung ihrerseits nach § 174 Satz 2 BGB zurückgewiesen werden; dies wird in der Praxis gelegentlich übersehen. Eine einmal zugegangene Kündigung kann der Kündigende nicht mehr einseitig zurücknehmen.51 Die Zurücknahme durch den Arbeitgeber ist jedoch stets das unbedingte Angebot, den Arbeitnehmer zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Lehnt der Arbeitnehmer dieses ab, so kann dies zum Verlust von Sozialplanansprüchen führen, sofern der Sozialplan einen entsprechenden Ausschluss bei Weiterbeschäftigungsangeboten vorsieht.

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f) Kündigungsfrist Die Grundkündigungsfrist beträgt vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats, § 622 Abs. 1 BGB. Bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen – – – – – – –

2 Jahre bestanden hat, 1 Monat, 5 Jahre bestanden hat, 2 Monate, 8 Jahre bestanden hat, 3 Monate, 10 Jahre bestanden hat, 4 Monate, 12 Jahre bestanden hat, 5 Monate, 15 Jahre bestanden hat, 6 Monate, 20 Jahre bestanden hat, 7 Monate,

jeweils zum Ende eines Kalendermonats. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB zwar Zeiten, die vor der Vollendung 45 BAG v. 11.7.1991, NZA 1992, 449; besteht allerdings nur Gesamtvertretungsbefugnis, so kann nach § 174 Satz 2 BGB zurückgewiesen werden, wenn nur einer der Vertreter die Kündigung erklärt (LAG Berlin v. 28.6.2006, DB 2007, 468). 46 Vgl. LAG Köln v. 7.7.1993, NZA 1994, 419. 47 BAG v. 3.7.2003, NZA 2004, 1547; LAG Berlin v. 28.6.2006, NZA-RR 2007, 15; LAG Köln v. 3.5.2002, NZA-RR 2003, 194. 48 BAG v. 20.9.2006, NZA 2007, 377; v. 10.2.2005, NZA 2005, 1207. 49 Vgl. BAG v. 20.8.1997, EzA § 174 BGB Nr. 12. 50 BAG v. 19.4.2007, NZA-RR 2007, 571. 51 BAG v. 29.1.1981, DB 1981, 2438.

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des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt; die Regelung verstößt jedoch gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und ist daher bei Berechnung der maßgeblichen Kündigungsfristen nicht anzuwenden.52 Während einer vereinbarten Probezeit, längstens aber für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden (§ 622 Abs. 3 BGB).53 Die Berechnung der Fristen richtet sich nach §§ 186 ff. BGB.54 Tarifvertraglich können nach § 622 Abs. 4 BGB längere und kürzere Fristen und andere Kündigungstermine55 vereinbart werden; einzelvertraglich kürzere Kündigungsfristen allerdings nur unter den engen Voraussetzungen des § 622 Abs. 5 BGB. In jedem Falle darf für die Kündigung durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber (§ 622 Abs. 6 BGB). Dabei können je nach Vereinbarung die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB oder einzelne oder alle Stufen des § 622 Abs. 2 BGB geändert werden.56 Auch durch Vereinbarung einer Kündigungsfrist, die länger als die gesetzliche Kündigungsfrist ist, können die gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungstermine nicht verändert werden.57 Auch ein für längere Zeit vereinbartes Arbeitsverhältnis kann von dem Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden (§ 624 BGB). Besonderheiten gelten für die Kündigungsfrist von Organmitgliedern. Sofern diese keine beherrschende Stellung in der Gesellschaft haben, gilt auch für sie § 622 BGB; bei einer beherrschenden Stellung haben sie nur die Kündigungsfrist des § 621 BGB; sofern die Vergütung nach Monaten bemessen ist, kann die Kündigung daher am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats ausgesprochen werden, bei Bemessung der Vergütung nach Jahren mit einer Frist von sechs Wochen für den Schluss eines Quartals. Zur Auswirkung einer nach § 18 KSchG zu wahrenden Sperrfrist nach Anzeige einer Massenentlassung auf den Lauf der Kündigungsfrist s. unten Rz. 124. Das Recht des Arbeitnehmers, sich auf die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber zu berufen, unterliegt der Verwirkung.58 21

In der Insolvenz kann gemäß § 113 Satz 2 InsO von jeder Seite mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden, wenn nicht ohnehin eine kürzere Frist maßgeblich ist. Die maximal dreimonatige Frist setzt sich gegenüber allen anderen – auch tariflich vereinbarten – Fristen durch.59

52 EuGH v. 19.1.2010, NZA 2010, 85 – Kücükdeveci m. Anm. Lingemann, ArbR 2010, 64; BAG v. 1.9.2010, NZA 2010, 1409. Zum Meinungsstand auch BGK, § 10 AGG Rz. 27; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 9 mwN; Müller/Thele, MDR 2008, 537, und Schleusener, NZA 2007, 358. 53 Die Vereinbarung einer Probezeit unterliegt in einem Formularvertrag wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur dann der Inhaltskontrolle, wenn sie die gesetzliche Probezeitdauer von sechs Monaten übersteigt (BAG v. 24.1.2008, NZA 2008, 521). Zu rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten einer Erprobung des Arbeitnehmers über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus Blomeyer, NJW 2008, 2812. 54 Wegen der Einzelheiten vgl. Lingemann, Kündigungsschutz, Teil II, Rz. 63 ff. 55 BAG v. 4.7.2001, DB 2002, 96, 98. 56 BAG v. 4.7.2001, DB 2002, 96, 97. 57 BAG v. 21.8.2008, NZA 2009, 29. 58 BAG v. 21.8.2008, DB 2009, 184 zur Rücknahme der Klage während des Kündigungsschutzverfahrens als umstandsbegründendes Moment für die Verwirkung. 59 ErfK/Müller-Glöge, § 113 InsO Rz. 8; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 147.

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g) Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG Soweit ein Betriebsrat besteht, ist dieser gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG vor jeder Kündigung zu hören. Das gilt auch dann, wenn es sich um eine verabredete Kündigung vor Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung (dazu Kap. 23) handelt.60 Die Anhörung ist bei einem mehrköpfigen Betriebsrat an den Betriebsratsvorsitzenden zu richten.61 Sie muss angeben:

22

– die Person des Arbeitnehmers, dessen Kündigung beabsichtigt ist. Zu den Angaben zur Person gehören: – Name des Arbeitnehmers – Beschäftigungsort – Arbeitsplatz – Vergütung – Alter – Familienstand – Dauer der Betriebszugehörigkeit – Unterhaltspflichten – Schwerbehinderung – ggf. Sonderkündigungsschutz – ggf. besondere persönliche Belastungen des Arbeitnehmers – die Art der Kündigung – ordentliche Kündigung oder – außerordentliche Kündigung oder bei ordentlich unkündbaren, zB altersgesicherten Arbeitnehmern: – außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist62 – die Kündigungsfrist oder soziale Auslauffrist – den Termin, zu dem gekündigt werden soll – sowie die Gründe für die Kündigung. Will der Arbeitgeber eine außerordentliche sowie hilfsweise eine ordentliche Kündigung aussprechen, so muss er zu beiden Kündigungen anhören. Hört er nur zu der außerordentlichen Kündigung an, reicht der Kündigungsgrund jedoch nur für eine ordentliche Kündigung, so wäre eine hilfsweise ordentliche Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG mangels Anhörung unwirksam.

23

Bei einer Änderungskündigung muss neben der Kündigungsabsicht auch das Änderungsangebot mitgeteilt werden, im Übrigen gelten die vorstehenden Grundsätze auch hier (vgl. oben Einf. Kap. 20 Rz. 34 ff., M 20.3).

24

Bei der Angabe der Kündigungsgründe ist größtmögliche Sorgfalt anzuraten. Alle Tatbestandsvoraussetzungen der Kündigungsgründe sind darzustellen. Fehlen einzelne Tatbestandsmerkmale, so ist die Betriebsratsanhörung deswegen zwar noch

25

60 BAG v. 25.6.2005, NZA 2006, 48. 61 Im Verhinderungsfall an dessen Stellvertreter (BAG v. 7.7.2011, NZA 2011, 719). 62 Vgl. BAG v. 5.2.1998, NZA 1998, 771.

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nicht unwirksam, sofern der Arbeitgeber die Kündigung nur auf die dort angegebenen Tatsachen stützen will. Insoweit ist die Betriebsratsanhörung subjektiv determiniert.63 Nicht darin enthaltene Tatsachen können jedoch zu der späteren Begründung der Kündigung nicht mehr herangezogen werden, so dass die Kündigung dann mangels sozialer Rechtfertigung scheitert.64 Auch wenn eine Kündigung nach Bedenken des Arbeitgebers gegen ihre Wirksamkeit wiederholt wird, ist eine erneute Anhörung erforderlich.65 26

Bei einer verhaltensbedingten Kündigung66 sind also die einzelnen Pflichtverletzungen im Detail, insbesondere auch nach Ort und Datum, mitzuteilen, ferner dem Arbeitnehmer zuvor erteilte Abmahnungen für vergleichbare Verstöße.

27

Ist eine Verdachtskündigung67 beabsichtigt, so muss auch dies dem Betriebsrat gegenüber offen gelegt werden. Auch der Verlauf und insbesondere die Einlassungen des Arbeitnehmers im Rahmen der Anhörung sind darzustellen. Es kann sich empfehlen, die Kündigung auf die Tat sowie hilfsweise auf den Verdacht zu stützen.68 Wird allerdings nur eine Verdachtskündigung ausgesprochen, reichen die vom Arbeitgeber vorgetragenen Verdachtsmomente jedoch auch für eine Tatkündigung aus, so kann das Urteil auch auf eine Tatkündigung gestützt werden, eine ggf. fehlende oder nicht ordnungsgemäße Anhörung des Arbeitnehmers wirkt sich dann nicht mehr aus.69 Voraussetzung ist aber immer, dass dem Betriebsrat alle Tatsachen mitgeteilt worden sind, die – ggf. auch im Rahmen eines zulässigen Nachschiebens von Kündigungsgründen – nicht nur den Verdacht, sondern den Tatvorwurf selbst begründen.70

28

Bei einer krankheitsbedingten Kündigung71 sind die einzelnen Fehlzeiten anzugeben, ferner inwieweit für diese Entgeltfortzahlung geleistet wurde, darüber hinaus die negative Zukunftsprognose und die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen, sei es in Form erheblicher wirtschaftlicher Belastungen oder in Form von konkreten Betriebsablaufstörungen.72

29

Kernbestandteil der Betriebsratsanhörung bei der betriebsbedingten Kündigung73 ist – neben den hier besonders wichtigen Sozialdaten – die Darlegung zum Wegfall des Arbeitsplatzes und zur Sozialauswahl; dazu zählen auch Angaben zu etwaigen betrieblichen Gründen, aus denen einzelne Mitarbeiter aus der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ausgenommen werden sollen. Bei der betriebsbedingten 63 BAG v. 6.7.2006, EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 68. 64 Dagegen ist im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG neuer Tatsachenvortrag nachträglich möglich, sofern dem Betriebsrat eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird (BAG v. 23.4.2008, DB 2008, 1756). 65 Entscheidend ist, dass die Anhörung erkennbar auf eine erst noch auszusprechende Kündigung bezogen ist; es kann allerdings auch ein Anhörungsformular benutzt werden, das bereits für die frühere Kündigung Verwendung fand (BAG v. 3.4.2008, NZA 2008, 807). Einzelheiten zu einer „reparierenden“ Kündigung und den damit zusammenhängenden Anforderungen an die Betriebsratsanhörung bei Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. 66 Unten Rz. 41 ff. 67 Unten Rz. 50 f. 68 Vgl. BAG v. 9.6.2011, NJW 2011, 2905. 69 BAG v. 23.6.2009, NZA 2009, 1136. 70 BAG v. 23.6.2009, NZA 2009, 1137. 71 Unten Rz. 53 ff. 72 Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 723 ff. 73 Unten Rz. 74 ff.

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Kap. 22

Änderungskündigung sind dementsprechend die die Änderung rechtfertigenden Gründe und die geänderten Bedingungen darzulegen. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats besteht auch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses; auch wenn in diesem Fall das Kündigungsschutzgesetz noch nicht gilt, muss der Arbeitgeber die Tatsachen angeben, die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind.74 Allerdings soll auch die Mitteilung eines bloßen, durch Tatsachen nicht belegbaren Werturteils ausreichen,75 was deshalb in der Praxis aus Arbeitgebersicht häufig ratsam ist.

30

Eine bestimmte Form ist für die Anhörung nicht vorgeschrieben. Aus anwaltlicher Sicht ist zu Nachweiszwecken Schriftform zu empfehlen. Die Anhörung erfolgt durch den Arbeitgeber. Auch bei einer Anhörung durch einen Boten oder Vertreter des Arbeitgebers besteht allerdings kein Recht zur Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB.76

31

Zu richten ist die Anhörung an den Betriebsratsvorsitzenden. Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so muss er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitteilen (§ 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG); bei einer außerordentlichen Kündigung beträgt die Frist drei Tage (§ 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Bei einer Anhörung zur außerordentlichen sowie hilfsweise ordentlichen Kündigung läuft für Erstere also die Drei-TagesFrist, für Letztere die Wochenfrist. Der Betriebsrat entscheidet durch Beschluss über seine Stellungnahme, wobei Fehler bei der Beschlussfassung regelmäßig nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen, es sei denn, er hätte diese selbst veranlasst77 oder einen offensichtlichen Fehler in der Beschlussfassung des Betriebsrats ausgenutzt.78 Der Betriebsrat kann der Kündigung auch innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG widersprechen. Geschieht dies aus einem der in § 102 Abs. 3 Nr. 1–5 BetrVG abschließend genannten Gründe, so hindert das die Kündigung zwar nicht, der Arbeitnehmer kann jedoch den besonderen Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG geltend machen.

32

Die ordnungsgemäße Anhörung muss der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess darlegen und beweisen, allerdings nur, wenn sie vom Arbeitnehmer bestritten wird. Eine fehlende oder fehlerhafte Anhörung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung; gegebenenfalls muss eine erneute Anhörung durchgeführt und im Anschluss

33

74 BAG v. 18.5.1994, NZA 1995, 24. Bei einer Probezeitkündigung, die wegen unzureichender Arbeitsleistung erfolgt, müssen das Lebensalter und die Unterhaltspflichten nicht mitgeteilt werden, denn diese Aspekte sind auf Grund der Tatsache, dass die Kündigung keiner sozialen Rechtfertigung bedarf, im konkreten Fall für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nicht maßgeblich (BAG v. 23.4.2009, NZA 2009, 959). 75 LAG Schl.-Holst. v. 30.10.2002, NZA-RR 2003, 310; LAG Berlin v. 22.1.1998, LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 68). 76 BAG v. 13.12.2012, NZA 2013, 669 m. Anm. Merten, ArbR Aktuell 2013, 239; v. 25.4.2013, ArbR Aktuell 2013, 361. 77 BAG v. 16.10.1991, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 83; auch wenn der Betriebsratsvorsitzende schon zwölf Minuten nach Erhalt der Anhörung eine abschließende Stellungnahme abgibt, ist es für den Arbeitgeber keineswegs evident, dass nur eine persönliche Stellungnahme des Betriebsratsvorsitzenden und kein Beschluss des Betriebsratsgremiums vorliegt, st. Rspr., vgl. BAG v. 24.6.2004, NZA 2004, 1330 und v. 16.1.2003, BB 2003, 1791. 78 Vgl. BAG v. 28.2.1974, BB 1974, 836.

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Kap. 22

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daran eine erneute Kündigung ausgesprochen werden.79 Bei außerordentlichen Kündigungen gelingt das wegen der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB allerdings meist nicht mehr. 34

Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds erfordert die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG; bloßes Schweigen ersetzt diese Zustimmung nicht. Erteilt der Betriebsrat seine Zustimmung nicht, so muss der Arbeitgeber sie im Wege des Zustimmungsersetzungsverfahrens ersetzen lassen, bevor er eine Kündigung ausspricht (vgl. § 103 Abs. 2 BetrVG). Die Zustimmung des Betriebsrats oder die zustimmungsersetzende Entscheidung des Arbeitsgerichtes muss dem Kündigungsschreiben allerdings nicht beigefügt werden.80

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Für leitende Angestellte gilt nicht § 102 BetrVG, sondern eine bloße Unterrichtungspflicht nach § 105 BetrVG, deren Verletzung auch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.81 Sofern allerdings ein Sprecherausschuss nach dem Sprecherausschussgesetz besteht, muss dieser vor jeder Kündigung eines leitenden Angestellten angehört werden (§ 31 Abs. 2 SprAuG). Ohne eine solche Anhörung oder bei nicht ordnungsgemäßer Anhörung ist die ausgesprochene Kündigung unwirksam. Der Sprecherausschuss kann innerhalb von einer Woche gegen die beabsichtigte ordentliche und innerhalb von drei Tagen gegen eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung Bedenken geltend machen. Lässt sich nicht zweifelsfrei klären, ob der Arbeitnehmer leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG ist, sollten vorsorglich Betriebsrat und Sprecherausschuss angehört werden.

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Hinsichtlich der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG gilt im Kündigungsschutzprozess eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer hat vorzutragen, dass ein Betriebsrat besteht, der Arbeitgeber muss dann substantiiert vortragen, dass und wie der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört wurde. Sodann muss der Arbeitnehmer sich nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig zu dem vom Arbeitgeber vorgetragenen Sachverhalt erklären und im Einzelnen bezeichnen, ob er rügen will, der Betriebsrat sei entgegen der Behauptung des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden oder in welchen einzelnen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder die dem Betriebsrat mitgeteilten Tatsachen für unvollständig hält.82

2. Anwendbarkeit des KSchG 37

Erst wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung83 länger als sechs Monate bestanden hat, gilt das KSchG, so dass dann eine sozial nicht gerechtfertigte Kündigung unwirksam ist (§ 1 Abs. 1 KSchG). Wäh79 80 81 82

Rz. 3; Einzelheiten bei Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. BAG v. 4.3.2004, NZA 2004, 717. BAG v. 25.3.1976, BB 1976, 743. BAG v. 23.6.2005, NZA 2005, 1233, 1234; dazu Mühlhausen, NZA 2006, 967 sowie in Erwiderung dazu Griebeling, NZA 2007, 540. 83 Auf die Wartezeit sind Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber nur anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen Zusammenhang zu dem früheren Arbeitsverhältnis steht (BAG v. 19.6.2007, NZA 2007, 1103). Auch wenn zwischen befristeten Arbeitsverhältnissen immer wieder mehrere Monate Unterbrechung liegen, können die Zeiten nicht zusammengerechnet werden (BAG v. 22.9.2005, NZA 2006, 429).

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rend dieser „Wartezeit“ führt nur ein Verstoß gegen § 138 BGB oder § 242 BGB zur Nichtigkeit der Kündigung;84 ein Verstoß gegen Treu und Glauben allerdings nur, soweit der Verstoß auf Gründen beruht, die nicht von § 1 KSchG erfasst sind.85 Auch nach Ablauf der Wartezeit greift das KSchG nur ein, wenn in dem Betrieb vor dem 1.1.2004 in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt waren („Kleinbetriebsklausel“, § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Sinkt die Zahl dieser Altarbeitnehmer auf fünf oder weniger, so verlieren alle Altarbeitnehmer ihren Kündigungsschutz, da der abgesenkte Schwellenwert dann keine Anwendung mehr findet und Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene Altarbeitnehmer den Kündigungsschutz nicht erhalten.86 Für Arbeitnehmer, die nach dem 1.1.2004 eingestellt wurden, setzt Kündigungsschutz erst ab zehn Arbeitnehmern ein (§ 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG).87 Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden mit 0,5 und von nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 berücksichtigt (§ 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG). Auch wenn das Gesetz ausdrücklich auf den Betrieb und nicht auf das Unternehmen abstellt, deutet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 27.1.199888 auf eine Ausdehnung auf das Unternehmen, jedenfalls bei Betrieben innerhalb größerer Unternehmen, da deren Schutz von der Kleinbetriebsklausel nicht bezweckt sei.89 Dabei ist eine alle Umstände des Einzelfalles einbeziehende wertende Gesamtbetrachtung dahingehend vorzunehmen, ob die Anwendung der Kleinbetriebsklausel nach Maßgabe des allgemeinen Betriebsbegriffes unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck noch hinreichend gerecht wird.90 Bei der Berechnung des Schwellenwertes sind nur Arbeitnehmer in Deutschland gelegener Betriebe zu berücksichtigen, da bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit gegenüber allen Arbeitnehmern dasselbe Arbeitsrecht gelten muss.91 Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht.92 Unabhängig vom Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes kann nach der an diese Verfassungsgerichtsentscheidung anknüpfenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts93 eine Kündigung im Kleinbetrieb auch deshalb unwirksam sein, weil es gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, wenn der Arbeitgeber nicht ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahrt.94 84 Zum Mindestkündigungsschutz außerhalb des KSchG BVerfG v. 21.6.2006, NZA 2006, 913; Stein, DB 2005, 1218. 85 BAG v. 21.12.2001, BB 2001, 1683, 1685; v. 5.4.2001, BB 2001, 1905. 86 BAG v. 17.1.2008, NZA 2008, 944; v. 21.9.2006, NZA 2007, 438. 87 Diese Stichtagsregelung ist verfassungsgemäß (BAG v. 27.11.2008, NZA 2009, 484). 88 BVerfG v. 27.1.1998, NZA 1998, 469, 470. 89 Vgl. zum öffentlichen Dienst auch BAG v. 23.4.1998, DB 1998, 2167. 90 BAG v. 28.10.2010, DB 2011, 118. 91 Dies gilt selbst für im Ausland Beschäftigte eines grenzüberschreitenden Gemeinschaftsbetriebs, sofern deren Arbeitsverhältnisse nicht deutschem Recht unterliegen (BAG v. 26.3.2009, DB 2009, 1409). Zum Kündigungsschutz bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug Gravenhorst, RdA 2007, 283 u. Otto/Mückl, BB 2008, 1231. 92 BAG v. 24.1.2013 – 2 AZR 140/12, ArbR Aktuell 2013, 74. 93 BAG v. 21.2.2001, BB 2001, 1683 unter Hinweis auf die eben angesprochene Entscheidung des BVerfG v. 27.1.1998, NZA 1998, 469. 94 Mit den Auswirkungen dieser Rechtsprechung für die Praxis befasst sich Berkowsky, NJW 2009, 113.

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Das gebotene Mindestmaß ist unterschritten, wenn bei einer betriebsbedingten Kündigung ein Vergleich der Sozialdaten vergleichbarer Arbeitnehmer eine erheblich niedrigere soziale Schutzbedürftigkeit eines weiterbeschäftigten Arbeitnehmers ergibt und sich in Abwägung mit den betrieblichen, persönlichen oder sonstigen Interessen des Arbeitgebers kein nachvollziehbarer Grund für den Kündigungsausspruch ergibt, dh. Willkür vorliegt.95 Aber Treu und Glauben erfordern außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 KSchG in der Regel keine vergebliche Abmahnung.96 Innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG muss der Arbeitgeber auch kein anderweitiges Beschäftigungsangebot an den Arbeitnehmer richten, da dieses Erfordernis Ausdruck des in § 1 Abs. 2 KSchG niedergelegten Verhältnismäßigkeitsgrundssatzes ist.97 Die Darlegungs- und Beweislast für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes trägt der Arbeitnehmer.98 39

§ 2 Abs. 4 AGG, wonach für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten, steht einer Berücksichtigung der Diskriminierungsverbote des AGG im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht entgegen. Die Bestimmung soll lediglich sicherstellen, dass die Diskriminierungsverbote nicht als eigenständiger Unwirksamkeitsgrund zu qualifizieren sind, sondern nur als Konkretisierung des Begriffs der Sozialwidrigkeit nach § 1 Abs. 1, 2 KSchG dienen, so dass ein Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot zur Sozialwidrigkeit der Kündigung führen kann.99 Relevant ist das Spannungsfeld zwischen Diskriminierungsverboten des AGG und Kündigungsschutz vor allem im Hinblick auf die krankheitsbedingte Kündigung100 und die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl, insbesondere durch die Bildung von Altersgruppen.101

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Ungeklärt ist noch, welche Rechtsfolgen ein Diskriminierungsverstoß bei Kündigungen nach sich zieht, die nicht dem KSchG unterfallen. Es spricht viel dafür, auch hier die Mechanismen des deutschen Kündigungsschutzrechts und seine Dogmatik beizubehalten und eine Kündigung, die allein aus diskriminierenden Motiven erfolgt, als nach §§ 138, 242 BGB unwirksam anzusehen.102 Bei einer außerordentlichen Kündi-

95 BAG v. 25.4.2001, NZA 2002, 87, 89; der Arbeitnehmer muss allerdings zunächst einen Sachverhalt vortragen, aus dem sich ergibt, dass er mit nicht gekündigten Arbeitnehmern „auf den ersten Blick“ vergleichbar ist, erst dann muss der Arbeitgeber substantiiert seine Auswahlentscheidung begründen (BAG v. 6.2.2003, NZA 2003, 717). 96 BAG v. 21.2.2001, BB 2001, 1902. Nach § 314 Abs. 2 BGB dürfte für die außerordentliche Kündigung die Abmahnung jedoch erforderlich sein; Kleinebrink, FA 2002, 226, 227 f. 97 BAG v. 28.6.2007, NZA 2007, 1049. 98 BAG v. 24.2.2005, BB 2005, 1629. 99 BAG v. 6.11.2008, NZA 2009, 361 zu einer gemäß § 10 Satz 1, 2 AGG gerechtfertigten Ungleichbehandlung auf Grund des Alters durch die Berücksichtigung des Lebensalters und die Bildung von Altersgruppen bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG, vgl. hierzu auch Bayreuther, DB 2006, 1842, 1843; Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, 887, 888; Lingemann/Beck, NZA 2009, 577; Löwisch, BB 2006, 2582; Sagan, NZA 2006, 1257 sowie unten Rz. 95 ff.; vgl. auch BAG v. 24.2.2011, NZA 2011, 1087 zur Weigerung eines Arbeitnehmers, aus Glaubensgründen Arbeiten im Umgang mit alkoholhaltigen Getränken durchzuführen. 100 Hierzu BGK, § 1 AGG Rz. 44; PWW/Lingemann, § 1 AGG Rz. 8 mwN sowie unten Rz. 53 ff. 101 Hierzu PWW/Lingemann § 10 AGG Rz. 22 sowie unten Rz. 96. 102 So zutreffend Adomeit/Mohr, NJW 2009, 2255, 2256; Hein, NZA 2008, 1033, 1036 sowie BGK, § 2 AGG Rz. 58 unter Hinweis auf BAG v. 23.6.1994, NJW 1995, 275 zur Kündigung eines Arbeitnehmers allein wegen dessen Homosexualität.

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gung nach § 626 BGB dürfte im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung schon das Vorliegen eines wichtigen Grundes abzulehnen sein. Ebenso offen ist noch die Anwendbarkeit anderer Bestimmungen des AGG nach §§ 13 ff. KSchG auf Kündigungen, insbesondere des Schadens- und Entschädigungsanspruches nach § 15 AGG.103 Eine Anwendung des § 15 AGG auch auf Kündigungen ist keinesfalls zwingend oder im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung geboten, zumal die Antidiskriminierungsrichtlinien es den Mitgliedstaaten überlassen, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die einzelstaatlichen Umsetzungsvorschriften nach sich ziehen soll.104 Im Übrigen kommt wohl nur ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG, nicht aber ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG in Betracht. Denn unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung ist ein ersatzfähiger Schaden bei einer diskriminierenden Kündigung nur als immaterieller, nicht aber als materieller Schaden für den Arbeitnehmer denkbar.105

3. Verhaltensbedingte Kündigung a) Kündigungsgrund Verhaltensbedingte Kündigungen gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG setzen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers voraus, dh. der Arbeitnehmer muss eine im konkreten Arbeitsvertragsverhältnis geschuldete Haupt- oder nicht unwesentliche Nebenpflicht verletzt haben. Zu den in Betracht kommenden Pflichtverletzungen gibt es zahlreiche Kataloge. Verwiesen sei hier auf Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 4. Aufl. 2005, § 8; Berkowsky, NZA-RR 2001, 1 ff., 57 ff.; Küttner/Eisemann, Personalbuch 2013, verhaltensbedingte Kündigung Rz. 18–44; Lingemannn, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 509 ff.; Lingemann in PWW, § 626 BGB Rz. 7 zur außerordentlichen Kündigung; Mäschle/Rosenfelder, Lexikon der Kündigungsgründe, 2. Aufl. 1996; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., 15. Aufl. 2013, § 133 Rz. 11–56; Sasse, Kündigung bei Schlechtleistung, ZTR 2009, 186; Tschöpe, BB 2002, 778.

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Aus jüngster Zeit sind folgende Entwicklungen fest zu halten: Eine private Internetnutzung muss der Arbeitgeber auch ohne ausdrückliches Verbot allenfalls nur kurzfristig hinnehmen, eine ausschweifende private Internetnutzung kann auch ohne vorherige Abmahnung sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen; das Herun-

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103 Dies hat das BAG bisher offen gelassen, vgl. BAG v. 22.10.2009, NZA 2010, 280; v. 6.11.2008, NZA 2009, 361. Das LAG Bremen hat einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG bei einer diskriminierenden Kündigung bejaht (LAG Bremen v. 29.6.2010, NZA-RR 2010, 510). Danach soll der Arbeitnehmer nicht einmal Kündigungsklage erheben müssen, um der Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu entgehen. Dagegen MünchKommBGB/Thüsing, § 15 AGG Rz. 35, wonach eine Kündigung, deren Rechtmäßigkeit nach § 7 KSchG fingiert werde, nicht diskriminierend sein könne. 104 Vgl. Adomeit/Mohr, NJW 2009, 2255, 2257 und Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, 887, 888 mit dem Hinweis, dass die Unwirksamkeitsfolge die schärfste kündigungsrechtliche Sanktion darstellt und eine Abfindung auch bei einem Auflösungsantrag nach § 13 Abs. 2 iVm. §§ 9, 10 KSchG erlangt werden kann. 105 Die Frage der Unwirksamkeit der Kündigung und damit zugleich eines entstandenen materiellen Schaden wird von den Regelungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz abschließend erfasst, vgl. Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, 887, 890. In diese Richtung geht auch die Entscheidung BAG v. 6.11.2008, NZA 2009, 361, wonach durch das AGG kein „zweites Kündigungsschutzrecht“ geschaffen werden sollte.

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terladen umfangreicher pornographischer Dateien kann selbst bei prinzipieller Duldung privater Internetnutzung eine außerordentliche, jedenfalls aber eine ordentliche Kündigung ggf. auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.106 Auch tätliche Angriffe auf Arbeitskollegen,107 beleidigende Äußerungen in sozialen Netzwerken,108 unentschuldigtes Fehlen,109 eine Verletzung arbeitsvertraglicher Geheimhaltungspflichten,110 eine mehrjährige Haftstrafe,111 bewusste Nichtanzeige einer laufenden Lohnüberzahlung,112 private Nutzung eines Diensthandys,113 rufschädigendes Auftreten des Arbeitnehmers in der Öffentlichkeit,114 sexuelle Belästigung von Arbeitskollegen,115 bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über den Arbeitgeber116 sowie Manipulationen der Zeiterfassung117 können eine verhaltensbedingte Kündigung, ggf. sogar ohne Abmahnung begründen. Eine Strafanzeige des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber („Whistleblowing“) rechtfertigt idR eine verhaltensbedingte Kündigung, wenn der Arbeitnehmer nicht zunächst einen innerbetrieblichen Klärungsversuch unternimmt oder die Strafanzeige nur auf die Schädigung des Arbeitgebers gerichtet ist.118 Handelt es sich allerdings bei den dem Arbeitgeber zur Last gelegten Vorfällen um schwerwiegende Vorwürfe und sind die betreffenden Straftaten vom Arbeitgeber selbst begangen worden, so muss der Arbeitnehmer keinen innerbetrieblichen Klärungsversuch unternehmen.119 Im Fall eines Korruptionstäters ist problematisch, ob auf ein solches Verhalten überhaupt eine Kündigung gestützt werden kann oder ob eine solche von vornherein treuwidrig ist, wenn der Arbeitgeber an der Entstehung des an sich gegebenen Kündigungsgrundes mitgewirkt bzw. das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten zumindest geduldet hat.120 Beantwortet ein 106 Vgl. BAG v. 19.4.2012, NZA 2013, 27, NZA 2013, 311; v. 31.5.2007, NZA 2007, 922; v. 27.4.2006, NZA 2006, 977; v. 12.1.2006, NZA 2006, 980; v. 7.7.2005, DB 2006, 397; zurückhaltender noch LAG Rh.-Pf. v. 18.12.2003, AuA 2004, 53. Zu allen Fallkonstellationen kündigungsrelevanter Pflichtverletzungen auch Kramer, NZA 2007, 1338 und NZA 2013, 311 und Lansnicker, BB 2007, 2184. 107 BAG v. 6.10.2005, NZA 2006, 431. 108 Scheid/Klinkhammer, ArbR Aktuell 2013, 6. 109 BAG v. 13.3.2008, DB 2009, 68 zur missbräuchlichen Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, wenn der Gegenanspruch lediglich pauschal behauptet wird (hier: Vorwurf des „Mobbings“ ohne nähere Darlegung des konkreten Sachverhalts). 110 BAG v. 23.10.2008, DB 2009, 1131 zur offen gelassenen Frage, ob die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat stets zugleich eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt. 111 BAG v. 24.3.2011, NJW 2011, 2825. 112 BAG v. 28.8.2008, NZA 2009, 193; allerdings hat das BAG im vorliegenden Fall eine Pflichtverletzung verneint, da der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft gegenüber dem zuständigen Personalleiter angeboten hatte, dieser ihm aber keine Arbeit zuwies. 113 Günther/Nolde, ArbR Aktuell 2012, 599. 114 BAG v. 23.6.2009, BB 2009, 1525 zur Kündigung eines Pressefotografen. 115 LAG Niedersachsen v. 25.11.2008, NZA-RR 2009, 249. 116 BAG v. 27.9.2012, NZA 2013, 808. 117 BAG v. 9.6.2011, NZA 2011, 1027; v. 24.11.2005, DB 2006, 677. 118 BAG v. 3.7.2003, NZA 2004, 427; Einzelheiten bei PWW/Lingemann § 611 BGB Rz. 87, § 626 BGB Rz. 7. 119 BAG v. 7.12.2006, DB 2007, 808; EuGH v. 21.7.2011, NJW 2011, 3501 – Heinisch; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil VI, Rz. 10o. 120 ArbG München v. 2.10.2008, NZA-RR 2009, 134 (n. rkr) zur Kündigung eines leitenden Angestellten, der als Mittelsmann geholfen hatte, Geld in schwarze Kassen zu überführen, ohne selbst bestochen zu haben oder bestochen worden zu sein. Vgl. hierzu auch den Besprechungsaufsatz von Kolbe, NZA 2009, 228.

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Stellenbewerber die Frage des Arbeitgebers nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wahrheitswidrig, so rechtfertigt dies wegen der Wertentscheidung des § 53 BZRG keine Kündigung des Arbeitgebers, sie wäre gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.121 Für den Arbeitgeber ist entscheidend, dass er den Pflichtverstoß des Arbeitnehmers auch darlegen und beweisen kann. Führt der Arbeitgeber eine verdeckte Videoüberwachung durch, muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. 1 Abs. 1 GG beachtet werden. So erlangte Informationen zu Pflichtverletzungen der Arbeitnehmer sind verwertbar, wenn ein konkreter Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung des Arbeitnehmers gegen einen räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachtes ergebnislos ausgeschöpft sind und die heimliche Maßnahme insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.122 Bei einem heimlichen Mithören eines Telefongesprächs durch einen Dritten kann dieser als Zeuge vernommen werden, wenn der Angerufene das Mithören nicht zielgerichtet ermöglicht hat, sondern der Dritte das Gespräch zufällig mitgehört hat.123 Die Überwachung dienstlicher E-Mail-Korrespondenz wird sowohl hinsichtlich der Erfassung der Verbindungsdaten als auch des Inhalts der Mails überwiegend für zulässig erachtet, bei der Überwachung der privaten Korrespondenz ist dies umstritten, wenn der Arbeitgeber die private E-Mail-Nutzung gestattet.124 Hat ein für den Kündigungssachverhalt maßgebliches Gespräch allein zwischen Parteien des Kündigungsschutzverfahrens stattgefunden, so ist aus Gründen der Waffengleichheit eine Parteivernehmung durchzuführen, wenn die andere Partei auf einen ihr nahe stehenden Zeugen zurückgreifen kann.125 Im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung, wie sie bei jeder Kündigung durchzuführen ist, muss berücksichtigt werden, ob der Arbeitnehmer an einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen eingesetzt werden kann. Dies erfordert eine objektiv begründete Erwartung, dass der Arbeitnehmer das beanstandete Verhalten auf dem anderen Arbeitsplatz nicht fortsetzen wird. Insgesamt muss die Kün121 BAG v. 15.11.2012, DB 2013, 584. 122 BAG v. 21.6.2012, NJW 2012, 3594; v. 16.12.2010, NZA 2011, 571. Dabei macht allein die Einigung mit dem Betriebsrat über die Einführung verdeckter Videomaßnahmen eine an sich unzulässige Videoüberwachung nicht rechtmäßig (BAG v. 21.6.2012, NJW 2012, 3594). Ebenso führen mitbestimmungswidrig erlangte Informationen im Kündigungsschutzprozess nicht zwangsläufig zu einem Verwertungsverbot (BAG v. 13.12.2007, NZA 2008, 1008 zur Nichteinhaltung einer Betriebsvereinbarung zur Personen-(Taschen-)kontrolle der Mitarbeiter, allerdings zu dem Sonderfall, dass die kündigungsrelevante Tatsache selbst unstreitig war). Auch ein Verstoß gegen § 6b Abs. 2 BDSG führt nicht schlechthin zu einer Unverwertbarkeit des Beweismittels. Ein Beweisverwertungsverbot im arbeitsgerichtlichen Verfahren kann es im Übrigen nur geben, wenn ein solches Verwertungsverbot entweder ausdrücklich normiert ist oder in verfassungsrechtlich geschützte Positionen einer Partei eingegriffen wird. 123 BAG v. 23.4.2009, NZA 2009, 974. 124 Insoweit ist fraglich, ob der Arbeitgeber den Verpflichtungen zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses gemäß § 88 TKG unterliegt (so die noch hM, vgl. ErfK/Wank, § 32 BDSG Rz. 25; Gola/Schomerus, § 32 BDSG Rz. 18; Spindler/Schuster/Eckhardt, § 88 TKG Rz. 18; dagegen mit überzeugenderen Argumenten u.a. LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2011, NZA-RR 2011, 342; LAG Niedersachen v. 31.5.2010, NZA-RR 2010, 406; Löwisch, DB 2009, 2782; Wybitul, ZD 2011, 69). Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil IX, Rz. 46 ff. 125 BAG v. 19.11.2008, DB 2009, 686; LAG Hamburg v. 7.9.2007, NZA-RR 2008, 577.

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digung bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragspartner billigenswert und angemessen sein.126 b) Abmahnung 44

Grundsätzlich kann eine Kündigung nur auf eine Pflichtverletzung gestützt werden, wenn der Arbeitnehmer nach dem ersten Verstoß zunächst ordnungsgemäß abgemahnt wurde und trotz dieser Abmahnung erneut eine vergleichbare Pflichtverletzung begangen hat, die dann zur Begründung der Kündigung herangezogen wird. Dies ist für die Kündigung aus wichtigem Grund in § 314 Abs. 2 BGB127 geregelt. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern sie dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die Abmahnung dient der Objektivierung dieses Risikos.128 Dies ist auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips, nach dem die Kündigung nur äußerstes Mittel sein darf (Ultima-Ratio-Prinzip). Eine Abmahnung kann jedoch entbehrlich sein, wenn eine Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigt (§§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgemäß zu verhalten (§§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dies liegt auf der Linie der Rechtsprechung des BAG.

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Danach ist eine Abmahnung entbehrlich, wenn die Pflichtwidrigkeit des Handelns für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und eine Hinnahme dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber von vornherein offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar129 – ausgeschlossen war.130 Daneben kann in Einzelfällen eine Abmahnung auch entbehrlich sein, wenn sie im Hinblick auf die Einsichts- oder Handlungsfähigkeit des Arbeitnehmers keinen Erfolg verspricht.131 Selbst bei Pflichtverletzungen im Vertrauensbereich soll eine Abmahnung jedoch erforderlich sein, wenn der Arbeitnehmer annehmen durfte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig bzw. der Arbeitgeber werde es zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten ansehen.132 Letztlich entscheidend ist eine Prognose, ob zukünftig die konkrete Vertragsverletzung eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit oder ggf. auch schon ohne Abmahnung 126 BAG v. 10.6.2010, NZA 2010, 1227 – Emmely; v. 22.7.1982, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; zu einzelnen Kriterien der Abwägung vgl. LAG Hamm v. 30.5.1996, NZA 1997, 1056 und Tschöpe, BB 2002, 778, 781; Schlachter, NZA 2005, 433; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 589 mwN. 127 § 314 Abs. 1 BGB wird durch § 626 Abs. 1 BGB als lex specialis für Dienst- und Arbeitsverhältnisse verdrängt. Weil jedoch eine § 314 Abs. 2 BGB entsprechende Regelung im Dienstvertragsrecht fehlt, ist dieser anzuwenden; zur analogen Anwendung auf die ordentliche Kündigung vgl. Berkowsky, AuA 2002, 11, 14. 128 BAG v. 23.6.2009, NZA 2009, 1198, 1201. 129 BAG v. 10.6.2010, NZA 2010, 1227 – Emmely. 130 Vgl. BAG v. 25.10.2012, NZA 2013, 319; v. 9.6.2011, NZA 2011, 1027; v. 26.8.1993, AP Nr. 112 zu § 626 BGB. 131 BAG v. 18.5.1994, BB 1994, 1857; v. 9.6.2011, NZA 2011, 1027. 132 BAG v. 4.6.1997, NZA 1997, 1281. Eine Abmahnung ist bei Diebstahl regelmäßig nicht erforderlich, auch wenn es um abgeschriebene Waren geht, die nach Meinung des Arbeitnehmers zur Entsorgung bestimmt waren (BAG v. 11.12.2003, NZA 2004, 486). Anderes kann nach BAG v. 10.6.2010, NZA 2010, 1227 – Emmely – dann gelten, wenn sich der Arbeitnehmer durch jahrelange beanstandungsfreie Beschäftigung ein Vertrauenskapital erdient hat. Vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg v. 16.9.2010, NZA-RR 2010, 633.

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nicht mehr erlaubt, insbesondere weil Wiederholungen der Pflichtverletzung zu erwarten sind.133 Eine Abmahnung kommt allerdings nur hinsichtlich des Leistungsoder Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer in Betracht, dessen Inhalt der Arbeitgeber über das Direktionsrecht bestimmen kann.134 Vorsicht ist bei häufigen Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen geboten. Wird die angedrohte Kündigung nach zahlreichen Abmahnungen immer noch nicht ausgesprochen, so schwächt dies die Warnfunktion derart, dass vor einer Kündigung eine besonders eindringliche letzte Abmahnung ausgesprochen werden muss.135

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Berechtigt zur Abmahnung sind alle Mitarbeiter, die befugt sind, dem Arbeitnehmer verbindliche Weisungen zu Ort, Zeit sowie Art und Weise der geschuldeten Arbeitsleistung zu erteilen.136 Als Voraussetzung für eine Kündigung ist die Abmahnung (vgl. M 13.1) nur geeignet, wenn sie mindestens drei Bestandteile enthält, nämlich

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– die konkrete Mitteilung der die Pflichtwidrigkeit begründenden Tatsachen,137 – die Aufforderung, das pflichtwidrige Verhalten einzustellen bzw. das pflichtwidrige Verhalten oder auch ein vergleichbares Verhalten nicht zu wiederholen, sowie – die Ankündigung, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfalle mit einer Kündigung rechnen muss bzw. mit „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“.138 Der häufigste Fehler bei Abmahnungen ist die fehlende Androhung der Kündigung bzw. der „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ (3. Spiegelstrich). Die verhaltensbedingte Kündigung ist nur berechtigt, wenn sich der Kündigungsgrund nach Ausspruch der Abmahnung ereignet hat und eine gleichartige – wenn nicht gar identische – Pflichtverletzung darstellt.139 Auch eine frühere Kündigung erfüllt die Funktion einer Abmahnung, wenn der dortige Pflichtenverstoß für die Kündigung selbst noch nicht ausreichte. Hat der Arbeitgeber eine Abmahnung ausgesprochen, so verzichtet er regelmäßig auf eine Kündigung aus den Gründen, wegen derer die Abmahnung erfolgt ist; dies gilt auch für eine Kündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG.140

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In der Betriebsratsanhörung zur Kündigung gemäß § 102 BetrVG (vgl. oben Rz. 22 ff.) ist auch die zugrundeliegende Abmahnung mitzuteilen; zweckmäßigerweise sollte sie, sofern sie schriftlich vorliegt, beigefügt werden.

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133 LAG Hamm v. 30.5.1996, NZA 1997, 1056. 134 Eine Abmahnung kann daher nicht bei der Weigerung des Arbeitnehmers, an einem Personalgespräch wegen einer abgelehnten Änderung des Arbeitsvertrages teilzunehmen, ausgesprochen werden (BAG v. 23.6.2009, NZA 2009, 1011). 135 BAG v. 15.11.2001, BB 2002, 1269; vgl. Kammerer, BB 2002, 1747 ff. 136 BAG v. 5.7.1990, AP Nr. 1 zu § 15 SchwbG 1986. 137 Wird die Minderleistung des Arbeitnehmers als Kündigungssachverhalt beziffert dargestellt, zB in Form einer bestimmten Fehlerquote, so muss der Arbeitgeber in der Abmahnung ebenfalls eine bezifferte Leistungserwartung äußern (LAG Sachsen v. 1.10.2008, BB 2009, 165). 138 Nach neuerer Rechtsprechung des BAG ist auch die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ bereits eine hinreichende Warnung (BAG v. 19.4.2012, NZA-RR 2012, 567), wir halten es aber für sicherer, weiterhin die Kündigung ausdrücklich zu nennen. 139 BAG v. 13.12.2007, NZA 2008, 589; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 538 ff. 140 BAG v. 13.12.2007, NZA 2008, 403.

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Kap. 22

Beendigungskündigung

c) Verdachtskündigung 50

Ein Sonderfall der verhaltensbedingten Kündigung ist die Verdachtskündigung.141 Bei ihr begründet schon der Verdacht der betreffenden Pflichtverletzung die Unzumutbarkeit eines weiteren Festhaltens an dem Arbeitsverhältnis, häufig mit der Folge einer fristlosen Kündigung. Es muss sich daher um den dringenden Verdacht einer Pflichtverletzung von erheblichem Gewicht handeln. Das Verhalten müsste bei nachgewiesener Tat zumindest eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen, die vom Arbeitgeber vorgetragenen Tatsachen müssen den Verdacht begründen (Schlüssigkeit, Rechtsfrage) und tatsächlich zutreffen (Tatsachenfrage).142 Die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens sowie von Zwangsmaßnahmen, für die schon ein Anfangsverdacht ausreicht, begründet allein noch keinen dringenden Tatverdacht.143 Etwas anderes gilt aber für die Erhebung der öffentlichen Anklage144 und den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, die einen hinreichenden Tatverdacht voraussetzen und dem Verdacht damit eine „entscheidend andere Qualität“ geben,145 und erst recht für eine strafrechtliche Verurteilung.146 Allerdings ersetzen Feststellungen im Strafverfahren nicht den Sachvortrag des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess.147 Zudem muss der Arbeitgeber alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhaltes getan haben, wozu insbesondere die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung zählt.148 Der Umfang der Anhörung richtet sich nach dem bereits vorhandenen Kenntnisstand des Arbeitnehmers hinsichtlich der gegen ihn erhobenen Vorwürfe.149 Maßgeblich ist dabei das eigene Wissen des Arbeitnehmers; eine Wissenszurechnung nach Stellvertretungsrecht scheidet aus.150 Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft diese Pflicht zur Anhörung, so ist die Kündigung unwirksam.151 Bei einer außerordentlichen Verdachtskündigung gilt für die Anhörung eine Regelfrist von einer Woche nach Abschluss der übrigen Ermittlungen.152 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150

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Dazu Fuhlrott, ArbR Aktuell 2012, 553, 605. BAG v. 10.2.2005, NZA 2005, 1056. BAG v. 29.11.2007, DB 2008, 709. BAG v. 27.1.2011, NZA 2011, 798. BAG v. 5.6.2008, NZA-RR 2008, 630. BAG v. 5.6.2008, NZA-RR 2009, 699. BAG v. 25.10.2012, NZA 2013, 371; v. 24.5.2012, NZA 2013, 173 m. Anm. Göpfert/Wilke, ArbR Aktuell 2013, 54. Zu den Anforderungen an die Einladung zur Anhörung Dzida, NZA 2013, 412. BAG v. 28.11.2007, BB 2008, 900. BAG v. 13.3.2008, NZA 2008, 809; auch müssen Personen befragt werden, die an dem zum Anlass der Kündigung genommenen Sachverhalt beteiligt waren (LAG Hessen v. 17.6.2008 – 4/12 Sa 523/07, AuA 2009, 184). Von einer Anhörung kann nicht deswegen abgesehen werden, weil ein Haftbefehl – der einen dringenden Tatverdacht voraussetzt – erlassen wurde und der Arbeitnehmer sich in diesem Zusammenhang gegenüber den Ermittlungsbehörden geäußert hat, da eine solche Äußerung sich regelmäßig nicht auf die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bezieht (LAG München v. 19.3.2009, NZA-RR 2009, 530; LAG Rh.-Pf. v. 18.8.2005 – 4 Sa 386/05; vgl. auch BVerfG v. 4.11.2008, NZA 2009, 53; zur Anhörungspflicht auch Eylert/Friedrichs, DB 2007, 2203). BAG v. 11.4.1985, DB 1986, 1726; zu den inhaltlichen Anforderungen an die Anhörung BAG v. 26.9.2002, DB 2003, 1336; vgl. auch Fischer, BB 2003, 522; zu Hindernissen bei der Anhörung Mennemeyer/Dreymüller, NZA 2005, 382; zum Nachschieben von Kündigungsgründen Fiedler/Küntzer, FA 2005, 264; zum Teilnahmerecht des Rechtsanwalts Lange/Vogel, DB 2010, 1066. BAG v. 10.6.1988, DB 1989, 282; v. 6.7.1972, DB 1972, 2119.

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Der Verdacht eines Eigentums- oder Vermögensdelikts kann auch bei geringen Sachwerten einen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen, da maßgeblich auf das zerstörte Vertrauensverhältnis abzustellen ist.153 Auch die Verdachtskündigung muss natürlich verhältnismäßig sein. Dabei ist nicht ausgeschlossen, das spätere prozessuale Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess bei der Interessenabwägung zu seinen Lasten zu berücksichtigen,154 sofern es den Kündigungsgrund in einem neuen Licht erscheinen lässt. In der Betriebsratsanhörung ist mitzuteilen, dass es sich um eine Verdachtskündigung handelt; aufzunehmen ist insbesondere auch der Verlauf der Anhörung, namentlich die Einlassung des Arbeitnehmers zu dem gegen ihn bestehenden Verdacht. Wird der Kündigungssachverhalt nachträglich im Kündigungsschutzverfahren auf einzelne beweisbare Vorwürfe beschränkt, so muss die Anhörung nicht wiederholt werden.155

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d) Leistungsbedingte Kündigung Eine leistungsbedingte Kündigung kann verhaltensbedingt begründet sein, wenn der Arbeitnehmer nicht unter angemessener Ausschöpfung seiner Leistungspflicht arbeitet (sog. „Low Performer“). Personenbedingt (dazu unten Rz. 69) wäre sie begründet, wenn bei einem über eine längere Zeit leistungsschwachen Arbeitnehmer auch für die Zukunft mit einer schweren Störung des Vertragsgleichgewichts zu rechnen ist; dabei darf ein milderes Mittel zur Wiederherstellung des Vertragsgleichgewichts nicht zur Verfügung stehen und dem Schutz älterer, langjährig beschäftigter und erkrankter Arbeitnehmer muss ausreichend Rechnung getragen werden.156 Dem Unterschreiten eines Durchschnittswertes der Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer kann Indizwirkung für die Frage zukommen, ob der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit ausgeschöpft hat.157

153 Vgl. BAG v. 10.6.2010, NZA 2010, 1227; dazu LAG Berlin-Brandenburg v. 24.2.2009, NZARR 2009, 188 – Emmely, zum unrechtmäßigen Einlösen zweier Pfandbons im Wert von 1,30 Euro durch eine Kassiererin. Auch eine lange Betriebszugehörigkeit oder das Alter wirken sich im Rahmen der Interessenabwägung nicht entscheidend zu Gunsten des Arbeitnehmers aus (LAG Nürnberg v. 16.10.2007, BB 2008, 171 zur Kündigung wegen des Verdachts des Diebstahls eines Brotes in einem Bäckereibetrieb). Zur Kündigung wegen geringwertiger Vermögensdelikte auch Klueß, NZA 2009, 337 und Reuter, NZA 2009, 594. 154 Vgl. BAG v. 10.6.2010, NZA 2010, 1227 – Emmely; dazu BAG v. 24.2.2009, NZA 2009, 859 zum mehrfachen Versuch, den Verdacht einer strafbaren Handlung auf andere abzulenken. 155 BAG v. 27.11.2008, NZA 2009, 604. 156 BAG v. 11.12.2003, NZA 2004, 784; allgemein zur Schlechtleistung als Kündigungsgrund Schul/Wichert, DB 2005, 1906. 157 BAG v. 17.1.2008, NZA 2008, 693, wonach das längerfristige Überschreiten der durchschnittlichen Fehlerquote (hier: dreimal so hohe Fehlerquote) nur einen Anhaltspunkt für eine Pflichtverletzung bietet und stets eine Gesamtbetrachtung aller Umstände zu erfolgen hat, da absolute Bezugsgrößen, die stets die Pflichtverletzung indizieren, nicht zu bestimmen sind, hierzu auch Wetzling/Habel, BB 2009, 1638. Im Übrigen ist diese Indizwirkung allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn für alle Arbeitnehmer gleiche Bedingungen zur Erreichung des Durchschnittswertes gelten und der höchste und niedrigste Wert nicht weit auseinanderklaffen, vgl. BAG v. 27.11.2008, NZA 2009, 842.

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4. Personenbedingte Kündigung 53

Sozial gerechtfertigt ist die Kündigung auch, wenn sie durch Gründe bedingt ist, die in der Person des Arbeitnehmers liegen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Häufigster Anwendungsfall der personenbedingten Kündigung ist die Kündigung wegen Krankheit.158 Auch aus nicht krankheitsbedingten Gründen159 kann eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein; dies gilt insbesondere für einen in Haft befindlichen Arbeitnehmer, den Entzug von besonderen Tätigkeitserlaubnissen, die Exmatrikulation,160 die Schlechtleistung auf Grund mangelnder Qualifikation,161 die Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers162 oder bei einem Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst möglicherweise die aktive Mitgliedschaft in NPD oder JN.163 Die krankheitsbedingte Kündigung verstößt nicht gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/87/EG, denn das Diskriminierungsmerkmal der Behinderung ist nicht gleichzusetzen mit Krankheit.164 Allerdings könnte eine Erkrankung je nach Art und Schwere des Krankheitsbildes auch in eine Behinderung umschlagen. Dann wäre über die nachstehenden Voraussetzungen hinaus möglicherweise auch zu prüfen, ob das Fehlen der Behinderung „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ iSd. § 8 Abs. 1 AGG ist.165 Zum Teil wird auch eine Altersdiskriminierung in Betracht gezogen, wenn die zur Kündigung herangezogenen Fehlzeiten dem Durchschnitt vergleichbarer Arbeitnehmer der Altersgruppe des gekündigten Arbeitnehmers entsprechen.166

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Die krankheitsbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn eine negative Gesundheitsprognose vorliegt, durch zu erwartende künftige Fehlzeiten betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt werden und die Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers ausfällt. Die Anforderungen an diese drei Voraussetzungen sind unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um eine Kündigung wegen häufiger 158 Vgl. dazu Lingemann/Ludwig, ArbR Aktuell 2010, 385, 409; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 99 ff.; Lepke, Kündigung bei Krankheit. 159 Vgl. Kock, BB 2009, 270; Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil VI, Rz. 647 ff. 160 BAG v. 18.9.2008, NZA 2009, 425 zum personenbedingten Kündigungsgrund der Exmatrikulation einer studentischen Hilfskraft, hierzu auch Hunold, NZA 2009, 476. Andererseits BAG v. 18.1.2007, NZA 2007, 680, wonach der Wegfall der Sozialversicherungsfreiheit bei einem Studenten keinen personenbedingten Kündigungsgrund darstellt. 161 Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer kraft seines Direktionsrechtes verpflichten, an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen und bei einer Weigerung des Arbeitnehmers ggf. nach Abmahnung kündigen. Ein Fortbildungsanspruch des Arbeitnehmers besteht grundsätzlich nur bei entsprechender individual- oder kollektivrechtlicher Regelung und jedenfalls dann nicht, wenn der Arbeitgeber im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung das Anforderungsprofil vollständig ändert. Bei einer Teilnahmeverpflichtung des Arbeitnehmers oder einem Anspruch auf Teilnahme besteht korrespondierend hierzu eine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers, vgl. Wisskirchen/Bissels/Schmidt, NZA 2008, 1386, 1393. 162 BAG v. 27.11.2008, DB 2009, 1191 zur Pflichtverletzung eines als Geschäftsführer zu einem anderen Konzernunternehmen entsandten Arbeitnehmers, dessen Fehlverhalten auch Indizwirkung für seine fehlende Loyalität im ruhenden Arbeitsverhältnis beim entsendenden Konzernunternehmen beigemessen wurde. 163 BAG v. 6.9.2012, BB 2012, 2367. 164 EuGH v. 11.7.2006, NZA 2006, 839 – Chacon Navas; BAG v. 22.10.2009, ArbR 2010, 143 m. Anm. Lingemann; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 109 f.; Schrader/Müller, SAE 2007, 222 u. Hein, NZA 2008, 1033, 1038. 165 Vgl. Gaul/Naumann, ArbRB 2007, 15, 18; allgemein zum AGG Einf. Kap. 13 Rz. 26 ff., 35. 166 LAG BW v. 18.6.2007, AuA 2007, 624.

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Kurzerkrankungen (dazu unten Rz. 56 ff.) oder wegen Langzeiterkrankung (unten Rz. 62) handelt; eine Kündigung kommt auch in Betracht bei krankheitsbedingter dauernder Unfähigkeit, die vertragliche Leistung zu erbringen (unten Rz. 66 ff.) oder dauernder Minderung der Leistungsfähigkeit (unten Rz. 69 ff.). Besondere Probleme bereitet schließlich die Kündigung wegen Suchterkrankung (unten Rz. 71 ff.). Bei der Kündigung eines Schwerbehinderten muss zudem die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes nach § 85 SGB IX eingeholt werden.167 Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann die Nichtdurchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements aber Folgen für die Darlegungs- und Beweislast zu den betrieblichen Auswirkungen von erheblichen Fehlzeiten haben. Insbesondere kann der Arbeitgeber sich dann nicht pauschal darauf berufen, ihm seien keine alternativen, der Erkrankung angemessenen Einsatzmöglichkeiten bekannt.168 Ein unterlassenes BEM steht der Kündigung dann nicht entgegen, wenn diese auch bei ordnungemäßer Durchführung eines BEM mangels alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten nicht hätte vermieden werden können.169 Auch gegenüber schwerbehinderten Menschen ist die Einleitung des allgemeinen Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für Kündigungen, die Unterlassung kann aber bei Bewertung des Kündigungsgrundes zu Lasten des Arbeitgebers ausschlagen, wenn durch das Verfahren im Arbeitsverhältnis auftretende Schwierigkeiten hätten ausgeräumt werden können.170 Hat der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung kein BEM durchgeführt, muss er von sich aus darlegen, weshalb denkbare Alternativen zu den bestehenden Beschäftigungsbedingungen mit der Aussicht auf eine Reduzierung der Ausfallzeiten nicht in Betracht kommen.171 Hat das ordnungsgemäß durchgeführte BEM zu einem negativen Ergebnis geführt, genügt er seiner Darlegungslast, wenn er auf diesen Umstand hinweist und vorträgt, es bestünden keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten. Hat ein BEM zu einem positiven Ergebnis geführt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, die betreffende Empfehlung umzusetzen.172 Für Kündigungen innerhalb der Wartezeit soll die unterbliebene Durchführung des BEM gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX jedoch keine kündigungsrechtlichen Folgen haben.173 Die fehlende Durchführung eines Eingliederungsmanagements begründet auch keinen Widerspruchsgrund für den Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG.174 167 Liegt die Zustimmung des Integrationsamtes vor, so kann der Arbeitgeber innerhalb des Frist des § 88 Abs. 3 SGB IX wegen desselben Kündigungssachverhalts auch wiederholt eine Kündigung aussprechen, insbesondere bei Bedenken hinsichtlich der formellen Wirksamkeit einer früheren Kündigung (BAG v. 8.11.2007, NZA 2008, 471). Vgl zum Sonderkündigungsschutz bei Schwerbehinderung auch Einf. Kap. 16 Rz. 9 f. 168 BAG v. 12.7.2007, NZA 2008, 173 sowie Anm. Lingemann, Beck FD-ArbR 2007, 238054 und Arnold/Fischinger, BB 2007, 1894. 169 BAG v. 23.4.2008, BB 2008, 2409 m. Anm. Hunold; v. 12.7.2007, NZA 2008, 173. 170 BAG v. 7.12.2006, NZA 2007, 617; ähnlich zur krankheitsbedingten Kündigung LAG Berlin v. 27.10.2005, BB 2006, 560. Einzelheiten zum BEM bei Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 100 ff. 171 BAG v. 30.9.2010, NZA 2011, 39; v. 10.12.2009, NZA 2010, 398. 172 BAG v. 10.12.2009, NZA 2010, 398. 173 BAG v. 28.6.2007, NZA 2007, 1049. 174 LAG Nürnberg v. 5.8.2006, DB 2007, 752.

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Praxistipp: Nunmehr ist höchstrichterlich geklärt, dass auch bei einer personenbedingten Kündigung wegen Krankheit stets ein BEM durchzuführen ist, sofern die Voraussetzungen einer insgesamt länger als sechs Wochen dauernden Arbeitsunfähigkeit vorliegen und der Arbeitnehmer sich mit der Durchführung des BEM einverstanden erklärt.175 Anzuraten ist daher, die Arbeitnehmer auf die gesetzliche Notwendigkeit des BEM schriftlich hinzuweisen und sie unter Setzung einer Frist aufzufordern, ihre Zustimmung zu einem Fehlzeitengespräch zu erklären.176 Auch Mitbestimmungsrechte eines eventuell bestehenden Betriebsrats sind nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu beachten; empfohlen wird daher der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum BEM, in der das Verfahren festgelegt wird.177 a) Häufige Kurzerkrankungen 56

Die negative Gesundheitsprognose ist erfüllt, wenn die in der Vergangenheit aufgetretenen Krankheiten die Besorgnis auch künftiger Krankheiten rechtfertigen.178 Maßgeblich für die Erkrankung in der Vergangenheit ist idR ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren mit Fehlzeiten von jeweils mehr als sechs Wochen; der Zeitraum kann auch länger oder kürzer, muss aber hinreichend prognosefähig sein.179 Nicht zu berücksichtigen sind Krankheiten, die ausgeheilt sind oder auf einmaligen Ereignissen, beispielsweise einem Sportunfall, beruhen.

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Entscheidend für die negative Gesundheitsprognose ist der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung, somit des Zugangs. Erfüllt sich nach Ausspruch der Kündigung die erwartete negative Gesundheitsprognose – beispielsweise im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses – nicht, so bleibt die Kündigung gleichwohl wirksam; der Arbeitnehmer hat jedoch möglicherweise einen Wiedereinstellungsanspruch.180 Reichte die negative Gesundheitsprognose zum Zeitpunkt der Kündigung zur Wirksamkeit der Kündigung nicht aus, nehmen die Krankheitszeiten des Arbeitnehmers jedoch nach Ausspruch der Kündigung zu, so wird die ursprünglich unwirksame Kündigung dadurch nicht wirksam; der Arbeitgeber muss vielmehr eine neue Kündigung aussprechen.181

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Im Prozess gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast.182 Hat der Arbeitgeber die negative Gesundheitsprognose dargelegt, so ist es Sache des Arbeitnehmers, konkret darzutun, weshalb mit baldiger und endgültiger Genesung zu rechnen sei, und ggf. die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Erst danach obliegt es dem Arbeitgeber, die negative Gesundheitsprognose durch Vernehmung der Ärzte oder durch Sachverständigengutachten zu beweisen.

175 BAG v. 23.4.2008, BB 2008, 2409 m. Anm. Hunold; v. 12.7.2007, NZA 2008, 173. 176 Zur praktischen Durchführung eines BEM M 15.5 f. sowie Schilling/Rath, AuA 2009, 420, Nickel, AiB 2009, 423, Kohte, DB 2008, 582 sowie Wetzling/Habel, NZA 2007, 1129. 177 Zur möglichen Gestaltung einer Betriebsvereinbarung Nickel, AiB 2009, 423, 427. 178 BAG v. 10.11.2005, NZA 2006, 491. 179 BAG v. 10.11.2005, NZA 2006, 491. 180 Vgl. BAG v. 29.4.1999, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 46; im Einzelnen unten Rz. 127 ff. 181 BAG v. 29.4.1999, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 46. 182 Einzelheiten Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 119 ff.; MünchKommBGB/Hergenröder, § 1 KSchG Rz. 16; APS/Dörner/Vossen, § 1 KSchG Rz. 203 ff.

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Die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen183 kommt bei häufigen Kurzerkrankungen in zwei Formen vor, nämlich in Form unzumutbarer wirtschaftlicher Belastungen und in Form von Betriebsablaufstörungen. Eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung wird bejaht, wenn der Arbeitgeber während der vergangenen drei Jahre jeweils für mehr als sechs Wochen Entgeltfortzahlung geleistet hat und auch in Zukunft mit entsprechenden Entgeltfortzahlungsleistungen zu rechnen ist.184

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Betriebsablaufstörungen können vielgestaltig sein, beispielsweise Stillstand von Produktionslinien oder auch einzelnen Maschinen, ständig wechselnder Schichtplan, Produktionsausfälle wegen im Krankheitsfall einzuarbeitenden Ersatzpersonals oder häufige Überstunden des verbleibenden Personals wegen der unberechenbaren Kurzerkrankungen. Unzumutbar hohe wirtschaftliche Belastung oder Betriebsablaufstörungen begründen alternativ die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Betriebsablaufstörungen können auch dann von Bedeutung sein, wenn sie sich weniger als sechs Wochen pro Jahr auswirken.

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Im Rahmen der Interessenabwägung ist – einzelfallbezogen – zu prüfen, ob wegen negativer Gesundheitsprognose sowie erheblicher Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen die Kündigung gerechtfertigt ist oder ob der Arbeitgeber die Beeinträchtigung billigerweise noch hinnehmen muss.185 Dabei spielt aus Sicht des Arbeitgebers das Ausmaß der betrieblichen Beeinträchtigung und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, aber auch ein Verschulden des Arbeitnehmers bei Herbeiführung der Erkrankung oder Verzögerung der Genesung sowie Sicherheitsrisiken im Betrieb, zB bei Alkoholsucht, eine Rolle. Für die Praxis bedeutsam ist die Feststellung, ob die Ausfälle des Arbeitnehmers deutlich über denen vergleichbarer Arbeitnehmer liegen.186 Zugunsten des Arbeitnehmers kann ein fortgeschrittenes Alter sprechen, ferner eine lange ungestörte Betriebszugehörigkeit sowie erhebliche Unterhaltspflichten.187 Auch eine betriebliche Ursache für die Erkrankung, die beispielsweise durch eine gleich hohe Krankheitsquote vergleichbarer Arbeitnehmer dokumentiert wird, wirkt sich zu Gunsten des Arbeitnehmers aus.188

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b) Kündigung wegen lang anhaltender Krankheit Auch wegen einer Erkrankung in einer längeren, zusammenhängenden Zeitfolge kann die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereits längere Zeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert war und das voraussichtliche Ende der Erkrankung im Zeitpunkt 183 Einzelheiten Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 113 ff.; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rz. 140 ff. 184 Vgl. BAG v. 10.11.2005, AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit mwN; v. 29.7.1993, NZA 1994, 67. Auch dann, wenn ein Teil der Entgeltfortzahlungskosten aus einem Tronc (Lohnkasse für Mitarbeiter einer Spielbank) bezahlt wird und gleichzeitig Lohnansprüche anderer Arbeitnehmer geschmälert werden, ist eine wirtschaftliche Belastung zu bejahen, da nicht auf die wirtschaftliche Gesamtlage des Unternehmens, sondern auf das einzelne Arbeitsverhältnis abzustellen ist (BAG v. 8.11.2007, NZA 2008, 593). 185 BAG v. 10.11.2005, AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; v. 7.11.2002, AP Nr. 40 zu § 1 KSchG; v. 6.9.1989, NZA 1990, 307; v. 7.11.1985, NZA 1986, 359. 186 BAG v. 11.8.1994, NZA 1995, 1051. 187 Vgl. BAG v. 20.1.2000, BB 2000, 1300; Lingemann, Unterhaltspflichten und Kündigung, BB 2000, 1835; BAG v. 10.11.2005, NZA 2006, 657. 188 BAG v. 5.7.1990, NZA 1991, 185.

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der Kündigung nicht absehbar ist,189 jedenfalls aber die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit für längere Zeit ungewiss ist.190 Hierfür kann auch eine bloße Infektion mit einem gefährlichen Virus ausreichend sein.191 63

Die negative Gesundheitsprognose ist sicherlich begründet, wenn der Arbeitnehmer seit 1 1/2 Jahren arbeitsunfähig und ein Ende der Erkrankung nicht absehbar ist.192 Andererseits rechtfertigt nach Ansicht des LAG Nürnberg eine über ein Jahr zurückliegende Ausfallzeit wegen einer einmaligen Krankheitsursache auch bei fehlender Bescheinigung einer Heilung keine negative Prognose.193

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Bei der Beeinträchtigung wesentlicher betrieblicher Interessen gelten bei der lang dauernden Erkrankung strengere Maßstäbe, da der Arbeitgeber hier durch Einsatz von Ersatzkräften besser planen kann. Erhebliche Mehrkosten für Ersatzkräfte können jedoch eine solche Beeinträchtigung begründen194 Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit (dazu sogleich Rz. 66 ff.) dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten nach Zugang der Kündigung mit einer günstigen Prognose für eine Genesung nicht gerechnet werden kann.195

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Bei der Interessenabwägung sind dieselben Gesichtspunkte wie bei den häufigen Kurzerkrankungen zu berücksichtigen (oben Rz. 61).196 c) Kündigung wegen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit

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Ist der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr in der Lage, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, so kann auch dies die ordentliche personenbedingte Kündigung rechtfertigen.197

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Die dauerhafte negative Gesundheitsprognose führt zu einer Störung im Austauschverhältnis.198 Sie wird bejaht, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit völlig ungewiss ist.199 Schon die andauernde Störung im Austauschverhältnis begründet die Beeinträchtigung wesentlicher betrieblicher Interessen, ohne dass noch Betriebsablaufstörungen dargetan werden müssten.200 Zur Vermeidung einer Kündigung muss der Arbeitgeber aber prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz möglich ist.201 Er muss auch konkret darlegen, welche Maßnahmen er als Hilfestellung unternommen hat, um dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung zu ermöglichen.202 189 BAG v. 29.4.1999, BB 2000, 49; Einzelheiten bei Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 124 ff. 190 BAG v. 24.11.2005, NZA 2006, 665. 191 Zur Hepatitis-Infektion s. Lepke, DB 2008, 467. 192 BAG v. 21.5.1992, NZA 1993, 497. 193 LAG Nürnberg v. 14.10.2008, BB 2008, 2771. 194 BAG v. 15.8.1984, NJW 1985, 2783. 195 BAG v. 12.4.2002, NZA 2002, 1081. 196 Vgl. BAG v. 15.8.1984, NJW 1985, 2783; v. 24.11.2005, NZA 2006, 665. 197 BAG v. 19.4.2007, BB 2007, 1904; v. 21.5.1992, NZA 1993, 497. 198 BAG v. 19.4.2007, BB 2007, 1904; v. 28.2.1990, NZA 1990, 727. 199 BAG v. 5.7.1990, NZA 1991, 185. 200 BAG v. 19.4.2007, BB 2007, 1904; v. 28.2.1990, NZA 1990, 727. 201 BAG v. 19.4.2007, BB 2007, 1904; v. 29.1.1997, BB 1997, 894; näher dazu sogleich Rz. 70. 202 LAG Nürnberg v. 12.6.2007, NZA-RR 2008, 178.

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Beendigungskündigung

Kap. 22

Eine Interessenabwägung ist idR entbehrlich, es sei denn, der Arbeitnehmer wäre auf Grund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzbedürftig.203

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d) Kündigung wegen dauernder Leistungsminderung Auch eine krankheitsbedingte dauerhafte Minderung der Leistungsfähigkeit kann in Ausnahmefällen die personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Die negative Gesundheitsprognose setzt allerdings voraus, dass die Minderung auf Dauer eintritt, ihr Ende jedenfalls nicht absehbar ist. Das BAG hat bei einer durchschnittlichen Leistung des Arbeitnehmers, die auf Dauer lediglich bei 66 % der Normalleistung liegt, eine solche Kündigung bestätigt.204 Die Beeinträchtigung wesentlicher betrieblicher Interessen liegt darin, dass das Austauschverhältnis auf Dauer gestört ist, da die Vergütung nicht mehr der Gegenleistung entspricht.

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Vor Ausspruch der Kündigung muss der Arbeitgeber jedoch prüfen, ob der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann, der ggf. sogar durch Ausübung seines Direktionsrechtes freigemacht werden muss.205 Stimmt der Betriebsrat der Versetzung des Arbeitsplatzinhabers allerdings nicht zu, so braucht der Arbeitgeber ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht mehr durchzuführen, sondern kann die personenbedingte Kündigung aussprechen.206 Für die Interessenabwägung gelten gegenüber der Situation der häufigen Kurzerkrankung keine Besonderheiten.207

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e) Kündigung wegen Suchterkrankungen Ein schwieriger Grenzfall zwischen personen- und verhaltensbedingter Kündigung ist die Kündigung wegen Suchterkrankungen, insbesondere Alkoholabhängigkeit. Jedenfalls wenn der Arbeitsunfähigkeit medizinischer Krankheitswert zukommt, sollen die Maßstäbe für die krankheitsbedingte Kündigung anzuwenden sein.208 Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Erkrankten durch seine Abhängigkeit keine Steuerungsmöglichkeit hinsichtlich seines Suchtmittelkonsums mehr verbleibt.209

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Die negative Gesundheitsprognose wird bejaht, wenn der Arbeitnehmer trotz Suchterkrankung eine Entziehungskur verweigert.210 Erklärt er sich allerdings zu einer Kur bereit, muss der Arbeitgeber deren Ergebnis zunächst abwarten; nur wenn diese

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203 BAG v. 28.2.1990, NZA 1990, 727. 204 BAG v. 11.12.2003, NZA 2004, 784; v. 26.9.1991, NZA 1992, 1073; ebenso LAG Hamm v. 1.2.2005, BB 2005, 2245; vgl. auch BAG v. 3.6.2004, DB 2004, 2590, wo auf Grund völliger Erfolglosigkeit eines Arbeitnehmers im Akquisitionsgeschäft eine personenbedingte Kündigung in Betracht kam. Allgemein zur Kündigung wegen Schlecht- und Minderleistung Friemel/Frank, NJW 2010, 1557. 205 BAG v. 29.1.1997, BB 1997, 894 f.; dazu Lingemann, BB 1998, 1106. 206 BAG v. 29.1.1997, BB 1997, 894 f.; etwas anderes gilt allerdings im Rahmen des Beschäftigungsanspruches schwerbehinderter Menschen gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX, hier muss der Arbeitgeber ggf. das Zustimmungsersetzungsverfahren durchführen (BAG v. 3.12.2002, NZA 2003, 1215). 207 Vgl. BAG v. 15.8.1984, NJW 1985, 2783. 208 BAG v. 20.12.2012, DB 2013, 882; v. 9.4.1987, NZA 1987, 811. 209 Zu Einzelheiten vgl. Bengelsdorf, NZA 2001, 993, 996 f. 210 BAG v. 9.4.1987, NZA 1987, 811.

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Kap. 22

Beendigungskündigung

nicht zum Erfolg führt, kann personenbedingt gekündigt werden.211 Zu den Betriebsablaufstörungen und der Interessenabwägung gelten die allgemeinen Grundsätze (oben Rz. 59 ff., 61). f) Betriebsratsanhörung 73

Zur Betriebsratsanhörung verweisen wir auf die Ausführungen unter Rz. 22 ff. Mitzuteilen sind neben den allgemeinen Angaben die Fehlzeiten während des prognosefähigen Zeitraums, also idR der vergangenen drei Jahre. Wird die personenbedingte Kündigung auf erhebliche wirtschaftliche Belastungen (Entgeltfortzahlungskosten über mehr als sechs Wochen pro Jahr) gestützt, so muss auch im Einzelnen dargelegt werden, welche Krankheitszeiten mit Entgeltfortzahlungskosten und in welcher Höhe unterlegt sind. Wird die Kündigung auf betriebliche Beeinträchtigungen gestützt, so sind auch diese darzulegen. Zur Interessenabwägung sind die Tatsachen anzugeben, die dem Arbeitgeber bekannt sind. Bei einer lang anhaltenden Erkrankung sind Angaben zur wirtschaftlichen Belastung gegebenenfalls entbehrlich.212 Vorsorglich sollte auch angegeben werden, dass und aus welchen Gründen (zB Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG) eine Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz nicht möglich ist.213

5. Betriebsbedingte Kündigung 74

Eine Kündigung ist auch dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). a) Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes

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Grundvoraussetzung für jede betriebsbedingte Kündigung ist der Wegfall des Arbeitsplatzes. Dieser kann durch Ursachen bestimmt sein, die außerhalb der Entscheidung des Unternehmens liegen (außerbetriebliche Ursachen), wie insbesondere Auftragsrückgang, Rohstoffmangel, Liefersperren. Dann muss der Arbeitgeber jedoch nicht nur diese Ursachen darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, sondern auch, dass diese konkret zum Wegfall einer bestimmten Anzahl von Arbeitsplätzen geführt haben, das Beschäftigungsvolumen also zurückgegangen ist.214 Dieser Nachweis ist schwierig.215

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Der Arbeitsplatz kann aber auch infolge einer Unternehmerentscheidung wegfallen (innerbetriebliche Ursache).216 Die Unternehmerentscheidung ist durch die Arbeits211 212 213 214 215

LAG Hamm v. 2.5.1986, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 4. BAG v. 30.1.1986, NZA 1987, 555. Vgl. BAG v. 29.1.1997, BB 1997, 894; Anm. Lingemann, BB 1998, 1106. BAG v. 18.5.2006, DB 2006, 1962. So reicht zB der bloße Hinweis des Verleihers im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung auf einen auslaufenden Auftrag und einen fehlenden Anschlussauftrag regelmäßig nicht aus; der Verleiher muss anhand der Auftrags- und Personalplanung vielmehr darstellen, warum es sich um einen dauerhaften Auftragsrückgang und nicht nur um eine kurzfristige Auftragsschwankung handelt (BAG v. 18.5.2006, DB 2006, 1962). 216 Dazu sehr gut Bader, NZA Beilage 2/2010, 85; Gilberg, NZA 2003, 817; Schiefer, NZA-RR 2005, 1; Rost, NZA Beilage 2009, 23.

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Beendigungskündigung

Kap. 22

gerichte nur eingeschränkt zu prüfen, nämlich darauf, ob sie tatsächlich vorliegt und ob sie nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.217 Es ist in der Praxis also meist einfacher, eine betriebsbedingte Kündigung auf Grund einer Unternehmerentscheidung durchzusetzen als auf Grund außerbetrieblicher Gründe. Praxistipp: Auch wenn außerbetriebliche Gründe vorliegen, sollte eine Unternehmerentscheidung zu den Maßnahmen getroffen werden, die innerhalb des Unternehmens veranlasst werden sollen. Dadurch kann eine verlässlichere Basis für notwendige betriebsbedingte Kündigungen geschaffen werden.

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Als typische Unternehmerentscheidung zu nennen sind insbesondere die Einführung neuer Arbeits- bzw. Produktionsmethoden, die Entscheidung, einzelne Produktionsbereiche oder bisher im Unternehmen durchgeführte Arbeiten fremd zu vergeben (wobei hier jeweils sorgfältig zu prüfen ist, ob nicht ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vorliegt, s. dazu Kap. 60), und/oder den Betrieb oder Betriebsteil stillzulegen.

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Die unternehmerische Entscheidung zur Reorganisation kann auch ein Gesamtkonzept enthalten, das sowohl die Umgestaltung aller bisherigen Arbeitsplätze als auch die Reduzierung des bisherigen Arbeitsvolumens zum Gegenstand hat, so dass Änderungs- und Beendigungskündigungen erforderlich werden.218 Sie kann auch das Anforderungsprofil der jeweiligen Arbeitsplätze ändern; soweit für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgabe bestimmte persönliche oder sachliche Voraussetzungen erforderlich sind, kann auch insoweit die unternehmerische Entscheidung nur auf offenbare Unsachlichkeit gerichtlich überprüft werden;219 allerdings muss der Arbeitgeber konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Änderungsbedarf besteht.220 Die Änderung des Anforderungsprofils muss nachvollziehbare arbeitsplatzbezogene Kriterien enthalten und nicht nur wünschenswerte Voraussetzungen (zB besseren Kundenkontakt).221 Auch die unternehmerische Entscheidung, bestimmte Aufgaben künftig durch freie Mitarbeiter durchführen zu lassen, kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen.222 Eine unzulässige Austauschkündigung liegt jedoch vor, wenn der Arbeitgeber sich entschließt, die Arbeiten künftig von Leiharbeitnehmern durchführen zu lassen.223

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217 Vgl. BAG v. 22.11.2012, NZA 2013, 730; v. 29.9.2006, DB 2006, 846; v. 24.4.1997, BB 1997, 1950, st. Rspr. 218 BAG v. 22.9.2005, DB 2006, 1572. Zur praktischen Handhabung von Massenänderungskündigungen vgl. Hidalgo/Mauthner, NZA 2007, 1254. 219 BAG v. 7.7.2005, DB 2006, 341. 220 BAG v. 7.7.2005, DB 2006, 341. 221 Bei langjährig beschäftigten Arbeitnehmern sind insofern höhere Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers zu stellen (BAG v. 10.7.2008, NZA 2009, 312). 222 Erforderlich ist jedoch, dass es sich bei den einzugehenden Vertragsverhältnissen auch tatsächlich und nicht nur zum Schein um freie Mitarbeiter handelt, damit keine unzulässige Austauschkündigung vorliegt (BAG v. 13.3.2008, NZA 2008, 878). Auch ein öffentlicher Arbeitgeber kann aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten die anfallenden Aufgaben ehrenamtlichen Mitarbeitern übertragen (BAG v. 18.9.2008, NZA 2009, 142). Werden betriebliche Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf nur pro forma aufgebaut, um Mitarbeiter aus dem Betrieb zu drängen, geschieht dies rechtsmissbräuchlich (BAG v. 23.4.2008, NZA 2008, 939). 223 BAG v. 26.9.1996, NZA 1997, 202; LAG Hamm v. 24.7.2007, NZA-RR 2008, 239. Zu verschiedenen Konstellationen des parallelen Einsatzes von Stammpersonal und Leiharbeitnehmern Moll/Ittmann, RdA 2008, 321.

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Kap. 22

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Auch die Entscheidung zur dauerhaften224 Personalreduzierung ist als innerbetriebliche Ursache für einen Arbeitsplatzwegfall anerkannt.225 Das Gleiche gilt für eine unternehmerische Entscheidung, die auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes, verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, hinausläuft.226 Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung jedoch an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass sein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist und das Arbeitsvolumen durch die verbleibenden Arbeitnehmer ohne überobligationsmäßige Leistung erledigt werden kann.227 Diese erhöhte Darlegungslast des Arbeitgebers soll es den Gerichten allerdings nicht ermöglichen, in die betrieblichen Organisationsabläufe einzugreifen, sondern dient nur dazu, Missbrauch des Arbeitgebers zu verhindern, die Anforderungen daran dürfen daher nicht überspannt werden.228 Handelt es sich um nicht taktgebundene Arbeiten, so muss nicht in jedem Fall und minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Je nach Einlassung des Arbeitnehmers kann es ausreichen, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind.229 Dem Arbeitgeber kann eine Berufung auf den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs im Übrigen verwehrt sein, wenn er diese Lage selbst treuwidrig herbeigeführt hat.230

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Im öffentlichen Dienst begründet die Streichung von bestimmten Stellen im Haushaltsplan oder das Anbringen eines „kw-Vermerks“ an einer bestimmten Stelle im Haushaltsplan eines öffentlichen Arbeitgebers ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine betriebsbedingte Kündigung eines Angestellten.231 Existieren im Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle zur Vermeidung (witterungsbedingter) betriebsbedingter Kündigungen, so ist ein dringendes betriebliches Erfordernis regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeitgestaltung ausgenutzt hat und dennoch ein Beschäftigungsüberhang besteht.232 224 Vgl. BAG v. 23.2.2012, NZA 2012, 852 – ein nur vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. Entfällt der Beschäftigungsbedarf aufgrund weiterer, später eingetretener Umstände dauerhaft, kommt ein dringliches betriebliches Erfordernis für eine Kündigung nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeiten zur Reduzierung der geschuldeten Arbeitszeit, die ihm die Regelungen zur Kurzarbeit bieten, in vollem Umfang ausgeschöpft hat. 225 BAG v. 22.9.2005, BB 2006, 1572; vgl. auch BAG v. 24.4.1997, BB 1997, 1950; LAG Köln v. 7.11.1997, BB 1998, 1061; LAG Thüringen v. 20.4.1998, DB 1999, 2474. 226 BAG v. 24.5.2012, NZA 2012, 1223. 227 BAG v. 24.5.2012, NZA 2012, 1223; v. 13.2.2008, NZA 2008, 819 zur Streichung einer Hierarchieebene; v. 17.6.1999, DB 1999, 1399; 1910; LAG Hessen v. 18.7.2003, DB 2004, 1675. 228 BAG v. 22.9.2005, BB 2006, 1572, 1575 f. 229 BAG v. 24.5.2012, NZA 2012, 1223. 230 Dies ist der Fall, wenn nach einer später für unwirksam erklärten Kündigung die Stelle des Gekündigten dauerhaft wiederbesetzt wird (BAG v. 1.2.2007, NJOZ 2008, 292 u. v. 5.6.2008, NZA 2008, 1180). 231 Vgl. BAG GS v. 28.11.1956, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG; BAG v. 7.10.2004, NZA 2005, 352; v. 19.3.1998, BB 1998, 1748; dazu Lingemann/Grothe, NZA 1999, 1072 ff. 232 Zu Arbeitszeitkonten BAG v. 8.11.2007, NZA 2008, 848.

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Kap. 22

Der Entschluss zur Betriebsstilllegung rechtfertigt die betriebsbedingte Kündigung, wenn die Umsetzung des Entschlusses zum Zeitpunkt der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat, also damit zu rechnen ist, dass bis zum Ablauf der einschlägigen Kündigungsfrist die geplante Betriebsstilllegung durchgeführt ist und die Arbeitnehmer somit nicht mehr eingesetzt werden können.233 Den Beschluss sollte in der GmbH die Gesellschafterversammlung treffen (§ 49 Abs. 2 GmbHG); auch ein Beschluss der Geschäftsführung kann jedoch ausreichen, wenn eine Prognose im Kündigungszeitpunkt ergibt, dass die Entscheidung zur Betriebsstilllegung tatsächlich planmäßig durchgeführt werden wird.234 Diese Prognose kann auch durch die tatsächliche Entwicklung nach der Kündigung bestätigt werden.235 Kommt es trotz der beabsichtigten Betriebsstilllegung und Kündigung während des Laufs der Kündigungsfrist zur Fortführung des Betriebes, beispielsweise infolge eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB, so kommt ein Wiedereinstellungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers in Betracht236 (dazu näher unten Rz. 127).

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Der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers fällt in der Regel auch dann weg, wenn er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 6 BGB widerspricht. Er bleibt dann Arbeitnehmer des übertragenden Unternehmens, sein Arbeitsplatz ist jedoch übergegangen und besteht daher beim Veräußerer nicht mehr. Für die Sozialauswahl gilt, dass sich auch der widersprechende Arbeitnehmer bei einer nachfolgenden, vom Betriebsveräußerer erklärten betriebsbedingten Kündigung auf eine mangelnde Sozialauswahl berufen kann.237 Die Gründe für den Widerspruch des Arbeitnehmers sind bei der Sozialauswahl nicht zu berücksichtigen, da die Auswahlkriterien in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nunmehr abschließend benannt sind;238 § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG bietet zwar die Möglichkeit, einen Mindestbestand eingearbeiteter Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl auszunehmen, rechtfertigt jedoch nicht die Herausnahme aller vom Betriebsteilübergang nicht betroffenen Arbeitnehmer239 (s. auch Einf. Kap. 60 Rz. 31 ff.).

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233 BAG v. 19.6.1991, NZA 1991, 891; eine endgültige Stilllegungsabsicht fehlt zB, wenn dem Insolvenzverwalter vor Erklärung der Kündigung bereits das Übernahmeangebot eines Interessenten vorliegt, das wenige Tage später zu konkreten Verhandlungen mit einer teilweisen Betriebsübernahme führt (BAG v. 29.9.2005, DB 2006, 846) oder wenn sich der Arbeitgeber zum Kündigungszeitpunkt noch in ernsthaften Verkaufsverhandlungen befindet bzw. sich um neue Aufträge bemüht (BAG v. 13.2.2008, NZA 2008, 821). 234 BAG v. 5.4.2001, DB 2001, 1782; v. 11.3.1998, NZA 1998, 879. 235 BAG v. 27.11.2003, DB 2004, 2759. 236 BAG v. 27.7.1997, NZA 1997, 757. Nach LAG Hamm v. 11.5.2000, DB 2000, 1923 muss der Wiedereinstellungsanspruch innerhalb von drei Wochen nach Kenntnis von dem Betriebsübergang geltend gemacht werden. 237 BAG v. 31.5.2007, NZA 2008, 33. 238 Insofern Rechtsprechungsänderung durch BAG v. 31.5.2007, NZA 2008, 33. Das BAG hält allerdings eine Nichtberücksichtigung der vom Betriebsübergang nicht Betroffenen dann für denkbar, wenn eine größere Zahl von Arbeitnehmern widerspricht und die dann durchzuführende Sozialauswahl tief greifende Umorganisationen erforderlich macht und schwere betriebliche Ablaufstörungen bedingt. Hierzu auch Eylert/Spinner, BB 2008, 50; für die Berücksichtigung eines rechtsmissbräuchlich ausgeübten Widerspruchsrechts SchumacherMohr/Urban, NZA 2008, 513. 239 BAG v. 31.5.2007, NZA 2008, 33.

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Kap. 22

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b) Keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit 84

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG ist eine betriebsbedingte Kündigung auch dann sozial nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Dies gilt entgegen dem zu engen Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG unabhängig davon, ob der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hat oder nicht. Die Weiterbeschäftigungspflicht ist – anders als die Sozialauswahl (dazu unten Rz. 88 ff.) – unternehmensbezogen. Unterhält der Arbeitgeber daher mehrere Betriebe, so muss er für alle Betriebe prüfen, ob ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf den der zu kündigende Arbeitnehmer versetzt oder änderungsgekündigt werden kann. Da der Arbeitgeber einer solchen Negativdarlegung im Prozess nicht entsprechen kann, muss er zunächst nur allgemein vortragen, dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht besteht. Es ist dann Sache des gekündigten Arbeitnehmers, konkret aufzuzeigen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt,240 wobei er jedoch nicht einen konkreten freien Arbeitsplatz benennen muss; dann muss der Arbeitgeber darlegen, dass es einen solchen freien Arbeitsplatz nicht gibt.241 Ob auch befristete Arbeitsverhältnisse nach Auslauf der Befristung als freie Arbeitsplätze zu qualifizieren sind, ist fraglich.242 Die Gestaltung des Anforderungsprofils für freie Arbeitsplätze unterliegt der lediglich auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden Unternehmerdisposition des Arbeitgebers.243 Leiharbeitnehmer sind ggf. vorrangig vor anderen Arbeitnehmern zu kündigen, sofern ihr Einsatz dauerhaft und nicht nur vorübergehend erfolgt.244 Die Arbeitnehmerüberlassung an ein anderes Unternehmen kann hingegen nur im Ausnahmefall eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit darstellen.245 Im Verleihunternehmen selbst sind auch an Dritte überlassene Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen, sofern sie nach allgemeinen Grundsätzen vergleichbar sind.246 240 BAG v. 20.1.1994, BB 1994, 1084. 241 BAG v. 22.9.2005, BB 2006, 1572; näher dazu unten unter Rz. 99 ff.; auch ein gemäß einem unternehmerischen Konzept mit einer Aushilfe besetzter Arbeitsplatz zur Vertretung zB eines im Urlaub, Mutterschutz, Elternzeit etc. befindlichen oder erkrankten Arbeitnehmers ist nicht „frei“ (BAG v. 1.3.2007, DB 2007, 1540). 242 Dies kann wohl nur dann angenommen werden, wenn bereits zum Kündigungszeitpunkt feststeht, dass die betreffenden Arbeitsplätze auch noch nach Ablauf der Befristung fortbestehen, vgl. Gehlhaar, DB 2008, 2831, 2834. 243 BAG v. 24.6.2004, NZA 2004, 1268, 1270 f.; oben Rz. 79. 244 Dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzte Arbeitsplätze stellen eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit dar (BAG v. 18.10.2012, NZA-RR 2013, 68; LAG Berlin-Brandenburg v. 3.3.2009, DB 2009, 1353; LAG Hamm v. 21.12.2007 – 4 Sa 1892/06; v. 5.3.2007, DB 2007, 1701; so auch Düwell/Dahl, DB 2007, 1699). Kritisch hierzu im Hinblick auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit Simon/Greßlin, BB 2007, 2454, 2455, die aber eine Checkliste für den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung bei gleichzeitigem Einsatz von Leiharbeitnehmern und Stammpersonal liefern; einschränkend Moll/Ittmann, RdA 2008, 321, 328, die danach differenzieren wollen, ob mit dem Einsatz von Leiharbeitnehmern über bloße Flexibilisierungsgesichtspunkte hinausgehende unternehmerische Zwecke verfolgt werden sollen. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG muss seit der Reform des AÜG von 2011 Arbeitnehmerüberlassung vorübergehend sein. UE. ist die Problematik damit nicht obsolet, da nicht geklärt ist, ob das nur die Überlassung des konkreten Arbeitnehmers betrifft, der Arbeitsplatz selbst also nach wie vor auf Dauer mit Leiharbeitnehmern besetzt sein kann. 245 BAG v. 29.3.2007, NZA 2008, 48 zum Fall einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit Konzernbezug, hierzu Moll/Ittmann, RdA 2008, 321, 329. 246 BAG v. 20.6.2013, NZA 2013, 837.

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Kap. 22

Der Anspruch auf anderweitige Beschäftigung geht nicht über das Unternehmen hinaus, ist also regelmäßig nicht konzernbezogen,247 es sei denn, dass sich das Konzernunternehmen zur Übernahme des Arbeitnehmers bereiterklärt hat oder eine Verpflichtung zur Unterbringung in einem anderen Konzernunternehmen sich unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, einer sonstigen vertraglichen Absprache oder der in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt. Voraussetzung ist in der Regel ferner, dass der Vertragsarbeitgeber auf die in Rede stehende „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss hat, dh. die Entscheidung über eine Weiterbeschäftigung grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten ist.248 Auch bei konzernbezogenem Weiterbeschäftigungsbedarf ist ein entsprechender Anspruch abzulehnen, die Willkürkontrolle der Unternehmerentscheidung bietet hier ausreichenden Schutz gegen Missbrauch.249

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Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit steht der Wirksamkeit der Kündigung auch dann entgegen, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz nur zu geänderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigt werden kann; der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer auch einen solchen Arbeitsplatz anbieten, solange es sich nicht um eine offensichtlich völlig unterwertige Beschäftigung handelt.250 Lehnt der Arbeitnehmer den angebotenen Arbeitsplatz nicht völlig unmissverständlich dergestalt ab, dass er auch im Falle einer Änderungskündigung die geänderten Arbeitsbedingungen nicht akzeptieren wird, und zwar auch nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung, so muss der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen, eine Beendigungskündigung wäre regelmäßig sozialwidrig.251 Diese neue Rechtsprechung begründet bei Massenentlassungen nur schwer überwindbare Probleme.252 Noch ungeklärt ist die rechtliche Behandlung der „Versetzung“ von Arbeitnehmern in einen Stellenpool mit der Möglichkeit zu beruflicher Weiterbildung, um die Zeit bis zum Freiwerden eines Arbeitplatzes im operativen Geschäftsbereich zu überbrücken; diese Konstruktion erfreut sich in der Praxis großer Beliebtheit und dient der Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen.253

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247 BAG v. 26.6.2008, NZA-RR 2009, 205; v. 20.1.1994, BB 1994, 1084; Lingemann, FS JobstHubertus Bauer, 2010, S. 662. 248 BAG v. 24.5.2012, NZA 2013, 277; v. 23.3.2006, DB 2006, 2351; v. 21.1.1999, DB 1999, 806; Lingemann/von Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161. Die Möglichkeit der Einflussnahme muss auf Grund eindeutiger rechtlicher Regelungen oder zumindest faktisch bestehen; nicht ausreichend ist der Umstand, dass bestimmte Gesellschafter der Gruppe erheblichen Einfluss auf das Konzernunternehmen ausüben können (BAG v. 23.4.2008, NZA 2008, 939). 249 Lingemann, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 662, 670; vgl. BAG v. 23.3.2006, DB 2006, 2351, 2353; allerdings müssen bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer alle Beschäftigungsmöglichkeiten im Konzern geprüft werden, wenn der Arbeitnehmer seit Jahren an eine Konzerngesellschaft abgeordnet war (BAG v. 29.3.2007, NZA 2008, 48). 250 Für eine Weiterbeschäftigung auch auf höherwertigen Arbeitsplätzen Houben, NZA 2008, 851. 251 BAG v. 5.6.2008, NZA 2008, 1180; v. 21.4.2005, BB 2005, 2691 und v. 21.4.2005, NZA 2005, 1294. 252 Bauer/Winzer, BB 2006, 266 ff.; Lelley/Sabin, DB 2006, 1110; vgl. auch Berkowsky, NZA 2006, 697; Kock, NJW 2006, 728. 253 Dogmatisch liegt hier keine Versetzung iSd. § 95 BetrVG vor, sondern eine Freistellung von der Arbeitspflicht, die den Arbeitgeber zur Zahlung von Annahmeverzugslohn verpflichtet, verbunden mit der Neubeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz, vgl. Trebeck, NZA 2009, 513 unter Hinweis auf BAG v. 15.8.2006, NZA 2007, 1310. Die Freistellung selbst ist nicht mitbestimmungspflichtig, jedoch die spätere Zuweisung einer anderen Tätigkeit.

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Stehen mehrere freie Arbeitsplätze zur Verfügung, so sollte der Arbeitgeber diese nach den Grundsätzen der (umgekehrten) Sozialauswahl anbieten.254 Lehnt ein Arbeitnehmer ein zumutbares Weiterbeschäftigungsangebot ab, kann ein Sozialplan für diesen Fall eine Kürzung der Abfindung vorsehen.255 c) Sozialauswahl

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Ist der Arbeitsplatz weggefallen (oben Rz. 75 ff.) und besteht auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit (oben Rz. 84 ff.), so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers256 nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 KSchG). Nicht dem Arbeitnehmer ist zu kündigen, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, sondern demjenigen, der dem betroffenen Arbeitnehmer vergleichbar, aber diesem gegenüber nach den Grundsätzen der Sozialauswahl weniger sozial schutzbedürftig ist.257 aa) Soziale Vergleichbarkeit

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Vergleichbar sind solche Arbeitnehmer, auf deren Arbeitsplatz der betroffene Arbeitnehmer – ohne Änderung seines Arbeitsvertrages („vertragsbezogene Vergleichbarkeit“, zu Ausnahmen bei der Sozialauswahl zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten vgl. unten Rz. 90) – versetzt werden kann. Die Vergleichbarkeit kann nicht dadurch eingeschränkt werden, dass der Arbeitsvertrag eines von einem betrieblichen Ereignis betroffenen Arbeitnehmers erst anlässlich dieses Ereignisses (zB Zusammenlegung von Niederlassungen) einvernehmlich oder im Wege der Änderungskündigung so geändert wird, dass der Arbeitnehmer nicht mehr vergleichbar ist.258

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Obwohl ein Wechsel zwischen Voll- und Teilzeittätigkeit nur durch eine Änderung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und somit des Arbeitsvertrages möglich ist, soll eine Sozialauswahl zwischen Vollzeit- und Teilzeitkräften stattfinden, wenn der Arbeitgeber in einem bestimmten Bereich lediglich die Anzahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden abbauen will.259 Hat der Arbeitgeber hingegen eine Organisationsentscheidung getroffen, auf Grund derer für bestimmte Arbeiten nur Vollzeitkräfte vorgesehen sind – zB indem bestimmten Tätigkeiten bestimmte Arbeitszeiten zugeordnet sind260 – so kann diese Entscheidung als freie Unternehmerentscheidung (vgl. oben Rz. 76 ff.) nur darauf geprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unver-

254 255 256 257 258 259 260

Meist ist kollektivrechtlich vereinbart, welche Arbeitnehmer dem Stellenpool angehören sollen; im Übrigen besteht wohl keine Verpflichtung zur Durchführung einer Sozialauswahl iSd. § 1 Abs. 3 KSchG, Trebeck, NZA 2009, 513, 516. Vgl. BAG v. 25.4.2002, NZA 2003, 605; v. 15.12.1994, BB 1995, 930. BAG v. 6.11.2007, DB 2007, 356. § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 KSchG per 1.1.2004 geändert durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003, BGBl. I, S. 3002; zusammenfassend Bröhl, BB 2006, 1050. Einen guten Überblick über die Rechtsprechung des BAG zur Sozialauswahl gibt Spinner, RdA 2008, 153. BAG v. 18.10.2006, NJW 2007, 2206. BAG v. 12.8.1999, NZA 2000, 30; v. 3.12.1998, DB 1999, 487; dazu Bauer/Klein, BB 1999, 1162. BAG v. 15.7.2004, NZA 2005, 523.

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nünftig oder willkürlich ist.261 Liegt danach eine bindende Unternehmerentscheidung vor, so sollen bei der Kündigung einer Teilzeitkraft die Vollzeitkräfte nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sein.262 Diese Auslegung des § 1 Abs. 3 KSchG verstößt auch nicht gegen die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9.2.1976 zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen.263 Im Prozess reicht der bloße Vortrag des Arbeitgebers, künftig die anfallende Arbeit nur noch mit Vollzeitkräften oder nur noch mit Teilzeitkräften zu erledigen, nicht aus. Erforderlich sind vielmehr konkrete Darlegungen zu einem nachvollziehbaren unternehmerischen Konzept der Arbeitszeitgestaltung.264 Die Sozialauswahl ist betriebsbezogen, dh. vergleichbar sind nur Arbeitnehmer desselben Betriebs. Das gilt auch, wenn der Arbeitsvertrag eine betriebsübergreifende Versetzungsklausel enthält.265 Die Sozialauswahl ist nicht auf Betriebsteile oder Betriebsabteilungen beschränkt; selbst wenn diese räumlich weit entfernt sind, ist sie auf den gesamten Betrieb zu erstrecken.266 Auch in einem Gemeinschaftsbetrieb zweier Unternehmen ist die Sozialauswahl auf den gesamten Betrieb zu erstrecken.267

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Vergleichbar sind auch nur solche Arbeitnehmer, deren Funktion der betroffene Arbeitnehmer nach angemessener Einarbeitungszeit übernehmen kann („arbeitsplatzbezogene Vergleichbarkeit“). Diese arbeitsplatzbezogene Vergleichbarkeit richtet sich nach objektiven Merkmalen wie Berufsgruppe und Ausbildungsberuf sowie in zweiter Linie subjektiven Merkmalen wie individuellen Kenntnissen, Fähigkeiten, Leistungsbereitschaft, Lernfähigkeit und Erfahrungen. Ein bloßer Routinevorsprung des Arbeitsplatzinhabers steht der Austauschbarkeit nicht entgegen.268

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In die Sozialauswahl einzubeziehen sind weiterhin nur Arbeitnehmer, die derselben Hierarchieebene angehören wie der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist. Eine Sozialauswahl über die Hierarchieebene hinaus (vertikale Vergleichbarkeit) gibt es nicht, dementsprechend auch keinen Anspruch auf Beförderung im Rahmen der Sozialauswahl. Im öffentlichen Dienst ist regelmäßig maßgeblich die Vergütungsgruppe.269

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Nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind einerseits Arbeitnehmer, die die sechsmonatige Wartefrist für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes noch nicht erfüllt haben; ihnen ist vielmehr vorrangig zu kündigen. Andererseits sind in die Sozialauswahl nicht einzubeziehen Arbeitnehmer mit gesetzlichem Sonderkündigungsschutz einschließlich derjenigen, bei denen die ordentliche Kündigung gesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. vor allem § 15 KSchG);270 ihnen droht regel-

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261 BAG v. 15.7.2004, NZA 2005, 523. 262 BAG v. 15.7.2004, NZA 2005, 523; v. 12.8.1999, NZA 2000, 30; v. 3.12.1998, NZA 1999, 431. 263 EuGH v. 26.9.2000, NZA 2000, 1155. 264 BAG v. 12.8.1999, NZA 2000, 30, 31. 265 BAG v. 2.6.2005, BB 2005, 2224; Gaul/Bonanni, NZA 2006, 289. 266 BAG v. 3.4.2008, NZA 2008, 1060; v. 3.6.2004, EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 54. 267 BAG v. 29.11.2007, DB 2008, 1756. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn ein Betrieb im Zeitpunkt der Kündigung stillgelegt ist oder eine Stilllegung zumindest greifbare Formen angenommen hat. 268 BAG v. 5.6.2008, NZA 2008, 1120 zur sog. „qualifikationsmäßigen Austauschbarkeit“. 269 BAG st. Rspr., vgl. BAG v. 23.11.2004, NZA 2005, 986, einschränkend BAG v. 2.3.2006, NZA 2006, 1350. 270 BAG v. 21.4.2005, BB 2005, 2471.

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mäßig keine Kündigung. Ob auch Arbeitnehmer, bei denen die ordentliche Kündigung nicht generell ausgeschlossen, sondern nur von der Zustimmung der zuständigen Behörde abhängig ist (zB schwerbehinderte Menschen, vgl. oben Kap. 16, § 85 SGB IX; Arbeitnehmer in Elternzeit, vgl. oben Kap. 17, § 18 BEEG), aus der Sozialauswahl auszunehmen sind, ist umstritten.271 Die besseren Gründe sprechen dafür, diese erst einzubeziehen, wenn eine bestandskräftige Zustimmung der Behörde vorliegt, wobei der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, eine solche Zustimmung zu beantragen.272 Ungeklärt ist ferner die Einbeziehung von tarif- oder einzelvertraglich kündigungsgeschützten Arbeitnehmern. Sofern ein solcher Kündigungsschutz nicht ausschließlich auf das Alter abstellt, dürfte er auch nach Inkrafttreten des AGG wirksam vereinbart werden können.273 Dass der Kündigungsschutz weder zur Disposition der Tarifvertragsparteien noch zur einzelvertraglichen Disposition zu Lasten Dritter steht, spricht für eine Einbeziehung auch der insoweit geschützten Arbeitnehmer in die Sozialauswahl, zumal auch eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung tariflich unkündbarer Arbeitnehmer zulässig ist.274 Allerdings hat das BAG die einzelvertragliche Anerkennung früherer Beschäftigungszeiten auch im Rahmen der Sozialauswahl als wirksam angesehen, die im Rahmen eines Prozessvergleiches erfolgt war und für die ein sachlicher Grund gegeben war.275 Eine Entscheidung des BAG zu tariflich unkündbaren Arbeitnehmern steht aber noch aus. bb) Auswahlkriterien 95

Sind nach diesen Maßstäben die vergleichbaren Arbeitnehmer ermittelt, so ist demjenigen zu kündigen, der am wenigsten sozial schutzbedürftig ist (dem „sozial Stärksten“). Die soziale Schutzbedürftigkeit richtet sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit,276 dem Alter, den Unterhaltspflichten und einer etwaigen Schwerbehinderung des Arbeitnehmers (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Die Einbeziehung weiterer Kriterien wie der allgemeinen Vermögenssituation des Arbeitnehmers war umstritten.277 Nach der zum 1.1.2004 erfolgten Neufassung des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, 271 Vgl. Bauer/Powietzka, NZA-RR 2004, 505, 510; KR/Griebeling, § 1 KSchG Rz. 664; Löwisch/ Spinner, § 1 KSchG Rz. 322; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rz. 310. 272 Vgl. Löwisch/Spinner, § 1 KSchG Rz. 322; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 245. 273 Das BAG hat diese Frage bisher offen gelassen und sich lediglich dahingehend geäußert, dass tarifliche Unkündbarkeitsregeln, die auf ein bestimmtes Lebensalter bezogen sind, nicht generell unzulässig seien; im Einzelfall müsse eine solche Regelung aber gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden, um einer grob fehlerhaften Sozialauswahl durch Einschränkung des Kreises der zu Kündigenden vorzubeugen, vgl. BAG v. 5.6.2008, NZA 2008, 1120 (Herausnahme eines 53-jährigen, seit drei Jahren im Betrieb Beschäftigten ohne Unterhaltspflichten aus der Sozialauswahl, wohingegen ein nur ein Jahr Jüngerer mit längerer Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten in die Sozialauswahl einzubeziehen war). S. auch BGK, § 10 AGG Rz. 46 f.; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 26 u. Hein, NZA 2008, 1033, 1037. 274 Vgl. BAG v. 5.2.1998, NZA 1998, 771. So jetzt auch ArbG Cottbus v. 17.5.2000, NZA-RR 2000, 580; im Ergebnis für den Fall einer Beschäftigungsgarantie zur Steuerung der Sozialauswahl ebenso das LAG Sachsen v. 10.10.2001, NZA 2002, 905; Bröhl, BB 2006, 1050, 1056, hält den Kündigungsausschluss dann für unwirksam, wenn die Sozialauswahl dadurch grob fehlerhaft wird. 275 BAG v. 2.6.2005, BB 2006, 496. 276 Auch die einzelvertragliche Anerkennung früherer Beschäftigungszeiten kann für die Sozialauswahl verbindlich sein, so BAG v. 2.6.2005, BB 2006, 496 zu einer entsprechenden Vereinbarung in einem Prozessvergleich, für die ein sachlicher Grund bestand. 277 Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, S. 162/163.

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die nur noch die vier vorgenannten Kriterien nennt, dürfte sie nunmehr ausscheiden.278 Zur Berücksichtigung von Doppelverdienst im Rahmen des Kriteriums „Unterhaltspflichten“ macht das BAG keine abstrakten Vorgaben.279 Die Gewichtung der drei Kernkriterien im Verhältnis zueinander steht nicht fest. Häufig wird ein Vorrang der Betriebszugehörigkeit vertreten; richtigerweise dürfte diese gleichrangig mit den Unterhaltspflichten und das Lebensalter in Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit in allen Altersgruppen eher nachrangig sein.280 Auch zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung ist es ratsam, das Alter gegenüber den drei übrigen Kriterien eher zurückzunehmen,281 es muss jedoch unverändert bei der Sozialauswahl berücksichtigt werden.282 Für die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers anhand eines Punkteschemas gilt seit der Entscheidung des BAG v. 6.11.2008283 Folgendes: Die Berücksichtigung des Lebensalters in einer Punktetabelle stellt eine an das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung nach §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, 7 AGG dar. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt, sofern das Alter neben anderen Kriterien Berücksichtigung findet und nicht allein den Ausschlag geben kann. Der Schutz älterer Arbeitnehmer – die typischerweise schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben – und eine damit einhergehende Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer stellt ein legitimes Ziel dar. Eine lineare Punktevergabe (zB ein Punkt pro Lebensjahr) ist zulässig; ungeklärt ist jedoch, ob die Kappung der Punkteverteilung ab einem bestimmten Alter bzw. eine Maximalpunktzahl bestimmt werden kann.284 Auch die Bildung von Altersgruppen, die im Einzelfall dazu führen kann, dass bei gleicher altersunabhängiger Punktzahl einem Arbeitnehmer allein wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe gekündigt werden kann, ist gerechtfertigt, um eine ausgewogene Altersstruktur im Betrieb, insbesondere bei Massenkündigungen auf Grund einer Betriebsänderung, zu erhalten.285 Die konkrete Altersgruppenbildung muss dabei aber zur Sicherung der bestehenden Altersstruktur der Belegschaft tatsächlich geeignet sein. Sind mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen be278 Löwisch, NZA 2003, 691; aA ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rz. 335, der auf Grund des nicht eindeutigen Wortlauts des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG weitere Kriterien, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Stammdaten stehen, für berücksichtigungsfähig hält. 279 BAG v. 5.2.2002, NZA 2003, 791; die Berücksichtigung von Doppelverdienst sei zulässig, aber nicht zwingend: BAG v. 15.8.2002, 795; das LAG Düsseldorf hält sie hingegen für zwingend (LAG Düsseldorf v. 4.11.2004, DB 2005, 454). 280 Ausdrücklich gegen eine Priorität der Betriebszugehörigkeit auch BAG v. 22.9.2005, BB 2006, 1572, 1577 ff.; v. 5.12.2002, NZA 2003, 791. Vgl. Lingemann, Unterhaltspflichten und Kündigung, BB 2000, 1835; vgl. auch Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, S. 162 ff. mit zahlreichen Beispielsfällen. 281 PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 24. 282 Bröhl, BB 2006, 1050, 1053. 283 BAG v. 6.11.2008, NZA 2009, 361; gegen die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl jedoch Kaiser/Dahm, NZA 2010, 473. 284 Vgl. Lingemann/Beck, NZA 2009, 577, 578. 285 BAG v. 15.12.2011, NZA 2012, 1044; v. 22.3.2012, NZA 2012, 1040; v. 28.6.2012, NZA 2012, 1090; v. 19.7.2012, NZA 2013, 86. Auch für eine vor Inkrafttreten des AGG ausgesprochene Kündigung war anerkannt, dass eine Altersgruppenbildung zulässig war, um einer überschießenden Tendenz der Bewertung des Lebensalters als Sozialdatum entgegen zu wirken und eine übermäßige Belastung jüngerer Beschäftigter zu verhindern, vgl. BAG v. 12.3.2009, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 17; v. 6.9.2007, NZA 2008, 405.

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troffen, ist dies nur der Fall, wenn auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe eine proportionale Verteilung aller Altersgruppen an den Entlassungen möglich ist.286 Das BAG hat zudem eine Berücksichtigung der Rentennähe anerkannt, was zur Folge hat, dass Arbeitnehmern, die nach Bezug von Arbeitslosengeld eine gesetzliche Rente beziehen können, vorrangig gekündigt werden kann.287 Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG hat der Arbeitgeber bei der Bewertung der Kriterien einen gewissen Wertungsspielraum; denn die Sozialauswahl ist nur fehlerhaft, wenn er soziale Gesichtspunkte „nicht oder nicht ausreichend“ berücksichtigt hat. Das BAG lehnt es daher ausdrücklich ab, dem Arbeitgeber hinsichtlich der Gewichtung der Kriterien abstrakte Vorgaben zu machen.288 Bei Massenentlassungen können insbesondere Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG die Sozialauswahl absichern, da die darin vorgenommene Gewichtung der sozialen Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander von den Arbeitsgerichten nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann (§ 1 Abs. 4 KSchG).289 Die Privilegierung der Prüfung der Sozialauswahl auf grobe Fahrlässigkeit greift jedoch nicht, wenn die Auswahlrichtlinie Alter oder Betriebszugehörigkeit so gering bewertet, dass eines der Kriterien in fast allen denkbaren Fällen nicht mehr den Ausschlag geben kann.290 Auswahlrichtlinien können nicht die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer in gleicher Weise verbindlich festlegen, indem Arbeitnehmer bestimmter Abteilungen zu Vergleichsgruppen zusammengefasst werden; vielmehr können Auswahlrichtlinien nur die Gewichtung der sozialen Auswahlkriterien zueinander bestimmen.291 Hat der Arbeitgeber die Sozialauswahl ohne eine Punktetabelle durchgeführt, so führt deren nachträgliche Überprüfung anhand einer anderweitig anerkannten Punktetabelle nicht zu einer unzulässigen nachträglichen fiktiven Sozialauswahl.292

286 BAG v. 19.7.2012, NZA 2013, 86. 287 BAG v. 6.11.2008, NZA 2009, 361. Für die zulässige Berücksichtigung der Rentennähe auch Gaul/Bonanni, BB 2008, 218, 222. Eine solche Regelung hat allerdings eine Verschiebung der Proportionalität zwischen den einzelnen Altersgruppen zur Folge, Lingemann/ Beck, NZA 2009, 577, 581. 288 BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 791. 289 Nach neuerer Rechtsprechung des BAG hat dies regelmäßig in Gestalt einer Betriebsvereinbarung zu erfolgen (BAG v. 26.7.2005, NZA 2005, 1372); zur Gestaltung von Auswahlrichtlinien unter Berücksichtigung der Diskriminierungsverbote des AGG ausführlich Lingemann/Beck, NZA 2009, 577. Empfohlen wird, sich bei der Gestaltung der Punktetabelle und der Altersgruppenbildung an die vom BAG in seiner Entscheidung v. 15.12.2011, NZA 2012, 1044 oder v. 6.11.2008, NZA 2009, 361 gebilligte Auswahlrichtlinie zu halten. 290 BAG v. 5.6.2008, NZA 2008, 1120; v. 18.10.2006, DB 2007, 922 m. Anm. Lingemann, BeckFD-ArbR 2007, 221559. 291 BAG v. 5.6.2008, NZA 2008, 1120; für die Kündigung in der Insolvenz jedoch BAG v. 17.11.2005, AP Nr. 19 zu § 113 InsO: Die vom Insolvenzverwalter wegen Stilllegung eines Geschäftsbereichs ausgesprochene Kündigung ist nicht wegen grob fehlerhafter Sozialauswahl iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO sozial ungerechtfertigt, wenn die Betriebsparteien in einem Interessenausgleich mit Namensliste die Sozialauswahl auf einen der Geschäftsbereiche beschränken, weil dort die Arbeitnehmer anderer Geschäftsbereiche nicht ohne Einarbeitungszeit beschäftigt werden können. 292 Zur Vorgehensweise der Überprüfung, ob sich eine ohne Punktetabelle durchgeführte Sozialauswahl noch im Rahmen des Wertungsspielraumes des Arbeitgebers hält, LAG Hamm v. 21.10.2008, NZA-RR 2009, 304.

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cc) Rechtsfolgen fehlerhafter Sozialauswahl Bei fehlerhafter Sozialauswahl konnte sich nach früherer Rechtsprechung jeder gekündigte Arbeitnehmer, der schutzwürdiger war als ein vergleichbarer nicht gekündigter Arbeitnehmer, auf die fehlerhafte Sozialauswahl und damit die Unwirksamkeit seiner Kündigung wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 KSchG berufen, also nicht nur derjenige Arbeitnehmer, der (am Ende) nicht gekündigt worden wäre, wenn der Arbeitgeber dem entgegen der Sozialauswahl im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer statt seiner gekündigt hätte („Dominoeffekt“).293 Mit Urteil v. 9.11.2006 hat das BAG diese Rechtsprechung jedenfalls für die Sozialauswahl anhand eines Punkteschemas aufgegeben; danach kann sich nur noch derjenige auf die fehlerhafte Sozialauswahl berufen, dem bei fehlerfreier Sozialauswahl nicht gekündigt worden wäre.294 Zu prüfen ist eine fehlerhafte Sozialauswahl ohnehin nur gegenüber denjenigen nicht gekündigten Arbeitnehmern, die der gekündigte Arbeitnehmer im Prozess ausdrücklich benennt.295

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dd) Herausnahme aus der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG) Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die soziale Auswahl nicht einzubeziehen Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigten betrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegt.296 Fähigkeiten meint neben der Ausbildung auch besondere Kenntnisse im Betrieb, Leistungen die qualitative und quantitative Umsetzung. Die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur gestattet es dem Arbeitgeber, insbesondere Altersgruppen innerhalb der zur Sozialauswahl anstehenden Arbeitnehmer zu bilden und diesen anteilmäßig zu kündigen.297 Eine solche nach Altersgruppen gestaffelte Sozialauswahl ist auch nach Einführung des AGG weiterhin zulässig, schon weil der Erhalt einer ausgewogenen Altersstruktur des Betriebes gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG ist.298 Berechtigtes betriebliches Interesse können auch reine Nützlichkeitserwägungen sein, sofern sie betrieblich be293 BAG v. 18.10.1984, BB 1985, 1263. 294 BAG v. 9.11.2006, AP Nr. 87 zu § 1 KSchG Betriebsbedinge Kündigung m. Anm. Lingemann/Beck; so schon zuvor LAG Berlin v. 20.8.2004, NZA-RR 2005, 370; ferner Bauer/ Gotham, BB 2007, 1729 ff., wonach die vom BAG aufgestellten Grundsätze auch gelten sollen, wenn die Sozialauswahl ohne Punkteschema durchgeführt wurde, ein vergleichbarer Arbeitnehmer fehlerhaft nicht in die Sozialauswahl einbezogen wurde oder ein Punkteschema fehlerhaft ist. 295 BAG v. 18.10.2006, DB 2007, 922 m. Anm. Lingemann, Beck-FD-ArbR 2007, 221559. 296 Dazu näher Lingemann/Rolf, NZA 2005, 264 ff.; berechtigtes betriebliches Interesse kann für eine Gemeinde, die gesetzlich zum Brandschutz verpflichtet ist, auch der Erhalt der Einsatzmöglichkeit eines Mitarbeiters in der freiwilligen Feuerwehr sein (BAG v. 7.12.2006, NZA-RR 2007, 460). 297 Nach der zur Rechtslage unter Geltung des AGG ergangenen Entscheidung BAG v. 6.11.2008, NZA 2009, 361, empfiehlt sich eine Orientierung an der vom BAG gebilligten Altersgruppenbildung (fünf Gruppen: bis zum vollendeten 25. Lebensjahr, von 25 bis 35 Jahre, von 35 bis 45 Jahre, von 45 bis 55 Jahre, ab 55 Jahre). Ebenfalls als zulässig im Lichte des Verbots der Altersdiskriminierung wurde folgende Gruppenbildung v. BAG v. 12.3.2009, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 17, anerkannt: fünf Gruppen: bis zum 30. Lebensjahr, 31 bis 40 Jahre, 41 bis 50 Jahre, 51 bis 60 Jahre, ab 61 Jahre, vgl. auch oben Rz. 96. 298 Oben Rz. 96; BAG v. 6.11.2008, NZA 2009, 361; hierzu auch Schiefer, DB 2009, 733, 735; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 25.

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gründet sind, wie zB die Vermeidung von Ablaufstörungen bei einer Massenentlassung.299 Der Arbeitgeber muss jedoch jeweils das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungsträgers abwägen,300 was die Handhabung im Ergebnis deutlich erschwert. Die hohe Krankheitsanfälligkeit eines sozial schwächeren Arbeitnehmers begründet für sich allein noch kein berechtigtes betriebliches Interesse, einen vergleichbaren Arbeitnehmer mit geringeren Fehlzeiten weiterzubeschäftigen.301 Diese Abwägung kann auch nicht mit Hilfe von Auswahlrichtlinien erleichtert werden.302 d) Darlegungs- und Beweislast 99

Die Beweislast für die inner- oder außerbetrieblichen Gründe und für den daraus konkret resultierenden Wegfall eines oder mehrerer Arbeitsplätze (oben Rz. 75 ff.) trägt in vollem Umfang der Arbeitgeber. Wendet der Arbeitnehmer anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen ein (oben Rz. 84 ff.), so muss er dartun, wie er sich eine solche Weiterbeschäftigung vorstellt.303 Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, dass es einen entsprechenden freien Arbeitsplatz im Unternehmen nicht gibt. Die Beweislast für eine Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG (oben Rz. 88 ff.) trägt zwar der Arbeitnehmer, den Arbeitgeber trifft jedoch – soweit nicht eine Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG vorliegt – eine erweiterte Vortragslast. Er muss die Kriterien für die von ihm vorgenommene Sozialauswahl darlegen, ferner, welche Arbeitnehmer er einbezogen hat. Der Arbeitgeber kann hinsichtlich der relevanten Sozialdaten auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte vertrauen, sofern er keinen Anlass zu der Annahme hat, sie könnten nicht zutreffen; er muss dem Betriebsrat dann auch nur die aus der Lohnsteuerkarte ersichtlichen Sozialdaten im Anhörungsschreiben mitteilen.304 Ob die Zulässigkeit der Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung jedenfalls nach Ablauf von sechs Monaten – also nach Erwerb des Schwerbehindertenschutzes der §§ 85 ff. SGB IX305 – auch eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers begründet, vor Ausspruch einer Kündigung danach zu fragen, ist offen. Die Voraussetzungen für die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG muss der Arbeitgeber beweisen,306 ebenso das Vorliegen berechtigter betrieblicher Bedürfnisse zum Erhalt 299 BAG v. 5.12.2002, DB 2003, 1909; demgegenüber stellt das LAG Berlin mit Urteil v. 9.5.2003, DB 2003, 1632, strenge Anforderungen an die Herausnahme von Leistungsträgern nach der bis 31.12.2003 geltenden Gesetzesfassung. 300 BAG v. 31.5.2007, NZA 2007, 1362; v. 12.4.2002, AP Nr. 56 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl zu der von 1996 bis 1999 geltenden ähnlichen Fassung des Gesetzes; krit. Lingemann/Rolf, NZA 2005, 264, 265 f. 301 § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG soll keine Negativauswahl ermöglichen (BAG v. 31.5.2007, NZA 2007, 1362). Etwas anderes soll jedoch dann gelten, wenn auf Grund der besonderen Arbeitsaufgaben oder Tätigkeitsanforderungen ein kurzfristiger Einsatz von Vertretungskräften für den erkrankten Arbeitnehmer nur schwer möglich ist. Zum umgekehrten Fall besonders niedriger Fehlzeiten Gille/Vahle, NZA 2013, 534. 302 BAG v. 5.6.2008, NZA 2008, 1120; vgl. auch oben Rz. 96; dafür jedoch Lingemann/Rolf, NZA 2005, 264, 265 ff. 303 BAG v. 20.1.1994, BB 1994, 1084; v. 3.2.1977, BB 1977, 849. 304 BAG v. 17.1.2008, DB 2008, 1688. 305 BAG v. 16.2.2012, NZA 2012, 555. 306 BAG v. 25.4.1985, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 35.

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der Personalstruktur. Dazu muss er im Einzelnen darlegen, welche konkreten Nachteile sich ergeben würden, wenn er die zu kündigenden Arbeitnehmer allein nach dem Maßstab des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG auswählen würde.307 Auch insoweit gilt im Prozess eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast.308 e) Interessenausgleich mit Namensliste Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist (§ 1 Abs. 5 KSchG). Die Vermutungswirkung bezieht sich auch auf die fehlende anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit; sie ist allerdings dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn eine Mitprüfung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten durch den Betriebsrat tatsächlich nicht stattgefunden hat.309 Der Arbeitgeber hat die Vermutungsgrundlage darzulegen, nämlich das Vorliegen einer für die Kündigung des Arbeitnehmers kausalen Betriebsänderung nach § 111 BetrVG sowie die ordnungsgemäße Bezeichnung des Arbeitnehmers im Interessenausgleich.310 Die soziale Auswahl kann dann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG).311 Dies gilt nicht nur für die Gewichtung der Sozialindikatoren selbst, sondern auch für die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen.312 Der Arbeitnehmer, der sich auf einen davon abweichenden Sachverhalt beruft, trägt auf Grund dieser Vermutung also die volle Beweislast.313 Verstößt die Namensliste gegen Vorschriften des AGG, so führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Namensliste und zu einem Wegfall der Vermutungswirkung hinsichtlich der Betriebsbedingtheit, jedoch kann die Sozialauswahl grob fehlerhaft sein.314 Die Namensliste muss von den Betriebsparteien gesondert unterschrieben werden und ausdrücklich Bezug auf den Interessenausgleich nehmen.315 Andernfalls muss der Interessenausgleich auf die Namensliste ausdrücklich Bezug nehmen und mit ihr körperlich derart verbunden sein, dass eine Lösung nur durch Gewaltanwendung möglich

307 BAG v. 18.3.2010, NZA 2010, 1059; v. 20.4.2005, DB 2005, 1691; nach der Entscheidung des BAG v. 6.11.2008, NZA 2009, 361 bei der Altersgruppenbildung möglicherweise auch, dass die Erhaltung der Altersstruktur wesentliche Voraussetzung für die konkrete berufliche Tätigkeit ist (Einzelheiten oben Rz. 40, 98). 308 BAG v. v. 21.7.1988, NZA 1989, 264; v. 24.3.1983, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 309 BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, 633. 310 BAG v. 31.5.2007, NZA 2007, 1307. 311 BAG. v. 20.9.2012, NZA 2013, 94; Einzelheiten bei Lingemann/Rolf, NZA 2005, 264 ff. 312 BAG v. 21.9.2006, NZA 2007, 1319. Vgl. aber oben Rz. 96 für die Vermutungswirkung einer Auswahlrichtlinie im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 KSchG. 313 BAG v. 27.9.2012, NZA 2013, 559; v. 7.5.1998, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. Für eine Erstreckung der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG auch auf die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung, Gehlhaar, DB 2008, 1496. 314 Die Bildung von Altersgruppen in einer Betriebsvereinbarung zur Sozialauswahl verstößt allerdings nicht gegen das AGG, vgl. BAG v 12.3.2009, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 17; v. 6.11.2008, NZA 2009, 361 sowie oben Rz. 96. 315 BAG v. 21.1.2002, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 10.

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wäre, also typischerweise durch Klammern mittels Heftmaschine.316 Die Dokumente müssen im Zeitpunkt der Unterzeichnung bereits zusammengeheftet sein, eine Zusammenheftung erst danach genügt dem Schriftformerfordernis nicht (!).317 Wird eine Namensliste erst nach Abschluss des Interessenausgleichs vereinbart, so muss der von den Betriebsparteien unterschriebene Interessenausgleich auf die zu erstellende Namensliste Bezug nehmen und die von beiden Betriebspartnern unterzeichnete Namensliste ihrerseits ausdrücklich auf den zuvor vereinbarten Interessenausgleich.318 Nach § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG gilt die durch die Namensliste begründete Vermutung für die Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht, wenn sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Damit sollen die Fälle erfasst werden, in denen sich nach Zugang der Kündigung319 die Planung ändert oder unvorhergesehen andere Arbeitnehmer ausscheiden.320 Hierfür reicht es allerdings nicht aus, wenn sich lediglich die individuellen Beschäftigungsmöglichkeiten für einen in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmer geändert haben; erforderlich ist vielmehr, dass sich die Zahl der zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer insgesamt erheblich vermindert oder gar keine Betriebsänderung mehr durchgeführt werden soll.321 f) Betriebsratsanhörung 101

Im Rahmen der Betriebsratsanhörung sind dem Betriebsrat der Arbeitsplatzwegfall und der innerbetriebliche oder außerbetriebliche Grund für den Arbeitsplatzwegfall mitzuteilen, ferner die Kriterien für die Sozialauswahl und die einbezogenen Arbeitnehmer und damit die Gründe für die getroffene Sozialauswahl. Zwar muss der Arbeitgeber die Sozialdaten der Arbeitnehmer, die er nicht für vergleichbar hält, nicht von vornherein mitteilen. Eine Mitteilungspflicht könnte jedoch hinsichtlich solcher Arbeitnehmer bestehen, bei denen der Betriebsrat vor Einleitung des Anhörungsverfahrens geltend gemacht hatte, sie seien sozial vergleichbar.322 Wird der Betrieb insgesamt stillgelegt, so müssen in der Betriebsratsanhörung nicht Familienstand und Unterhaltspflichten der zu kündigenden Arbeitnehmer mitgeteilt werden.323

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Ob auch das Fehlen anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten (oben Rz. 84 ff.) in der Betriebsratsanhörung darzulegen ist, ist nicht abschließend geklärt.324 Die ent316 BAG v. 6.12.2001, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 9; v. 7.5.1998, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 317 BAG v. 6.7.2006, NZA 2007, 266. 318 BAG v. 12.5.2010, NZA 2011, 114; v. 19.6.2007, NZA 2008, 103, FD-ArbR 2007, 233172 m. Anm. Schuster. 319 BAG v. 21.2.2001 EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 8. 320 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rz. 367. Dies gilt allerdings nicht für den Fall, dass in einem Sozialplan bereits für das freiwillige Ausscheiden von Arbeitnehmern die Regelung getroffen wurde, dass sich hierdurch die Zahl der zu Kündigenden vermindert (BAG v. 12.3.2009, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 17). 321 Die Sachlage muss sich so wesentlich geändert haben, dass von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden kann und der Interessenausgleich in Kenntnis der späteren Veränderung nicht bzw. mit anderem Inhalt abgeschlossen worden wäre (BAG v. 23.10.2008, BB 2009, 1758). 322 Bröhl, BB 2006, 1050, 1056. 323 BAG v. 13.5.2004, DB 2004, 2327. 324 Das BAG lässt zwar auch einen „stillschweigenden Hinweis“ auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ausreichen (BAG v. 22.9.2005, BB 2006, 1572), in der Praxis wäre das bloße Weglassen eines Hinweises jedoch riskant.

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sprechende Mitteilung an den Betriebsrat ist jedoch zu empfehlen.325 Hat der Betriebsrat vor Einleitung des Anhörungsverfahrens Auskunft über weitere Beschäftigungsmöglichkeiten für den zu kündigenden Arbeitnehmer auf einem konkreten, kürzlich freigewordenen Arbeitsplatz verlangt, so muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat in der Anhörung jedenfalls mitteilen, warum aus seiner Sicht eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf diesem Arbeitsplatz nicht möglich ist.326 Eine Betriebsratsanhörung kann nicht bereits zu einem Zeitpunkt eingeleitet werden, in dem der Arbeitgeber seine Kündigungsabsicht noch gar nicht verwirklichen will oder kann, weil diese noch unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung steht.327 Eine solche „Vorratsanhörung“ steht im Widerspruch zum Zweck der Betriebsratsanhörung, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen und auf dessen Kündigungsentschluss Einfluss zu nehmen.

102a

Zulässig ist es allerdings, eine Kündigung und auch die Anhörung auf einen Kündigungsentschluss zu stützen, der alternativ zwei verschiedene Kündigungsarten (Änderungs- und Beendigungskündigung) umfasst.328 Erforderlich ist, dass zum Zeitpunkt der Anhörung der Kündigungssachverhalt für beide Alternativen bereits feststeht und der Kündigungsentschluss unter keinerlei Vorbehalt mehr steht. Die Willensbildung der Arbeitgebers muss abgeschlossen sein. Dem Betriebsrat müssen sämtliche die Entscheidung des Arbeitgebers zur Kündigung beeinflussende Informationen zur Verfügung gestellt werden.329 In diesem Fall widerspricht auch eine „Vorratsanhörung“ nicht dem Schutzzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG.330 g) Abfindungsangebot nach § 1a KSchG Weist der Arbeitgeber darauf hin, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist, und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG eine Abfindung gemäß § 1a Abs. 2 KSchG beanspruchen kann, so entsteht der Abfindungsanspruch,331 wenn der Arbeitnehmer die Klagefrist verstreichen lässt und die Kündigungsfrist abgelaufen ist.332 Die Höhe der Abfindung beträgt gemäß § 1a Abs. 2 KSchG 0,5 Monatsverdienste (nach § 10 Abs. 3 KSchG) für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses; ein Zeitraum von mehr als 325 326 327 328 329 330

Einschränkend LAG Hessen v. 24.1.2000, BB 2000, 1944 bei Betriebsschließung. BAG v. 17.2.2000, BB 2000, 1408. BAG v. 27.11.2003, NZA 2004, 752; v. 22.4.2010, NZA-RR 2010, 583. BAG v. 22.4.2010, NZA-RR 2010, 583. BAG v. 22.4.2010, NZA-RR 2010, 583. Das BAG hat dies akzeptiert in einem Fall, in dem der Betrieb des Veräußerers auf einen Erwerber an einem anderen Ort nach § 613a BGB überging. Beim Veräußerer verblieb kein Betrieb oder Betriebsteil. Der Arbeitgeber beabsichtigte daher, (1) für den Fall, dass der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang nicht widerspricht, ihm eine Änderungskündigung, gerichtet auf die Aufnahme der Tätigkeit beim Erwerber an einem anderen Ort, auszusprechen, und (2) für den Fall, dass er widerspricht, eine Beendigungskündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes beim Veräußerer. Zu beiden Kündigungen hörte er den Betriebsrat an. In diesem Fall bietet es sich an, für den Fall der Änderungskündigung auch gleichzeitig die Zustimmung nach § 99 BetrVG einzuholen (so auch im Fall BAG v. 22.3.2010, NZA-RR 2010, 583, vgl. Sachverhalt im Berufungsurteil LAG Hamburg v. 24.7.2008 – 7 Sa 33/08), vgl. M 22.16. 331 Vgl. Hergenröder/von Wickede, RdA 2008, 364. 332 Vor Ablauf der Kündigungsfrist ist er nicht vererblich (BAG v. 10.5.2007, NJW 2007, 3086).

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sechs Monaten wird auf ein volles Jahr aufgerundet. Der Abfindungsanspruch entsteht auch dann in der gesetzlichen Höhe, wenn der Arbeitgeber informatorisch einen niedrigeren Abfindungsbetrag gegenüber dem Arbeitnehmer nennt, denn einen Hinweis auf die konkrete Höhe der Abfindung verlangt § 1a KSchG nicht.333 § 1a KSchG gewährt keinen unabdingbaren Mindestabfindungsanspruch; einzelvertraglich kann sowohl eine höhere als auch eine niedrigere Abfindung vereinbart werden.334 Klageerhebung und spätere Klagerücknahme stehen dem „Verstreichenlassen“ ebenso wenig gleich wie ein Antrag auf spätere Zulassung, der zurückgewiesen wird.335 Der Anspruch auf Abfindung entsteht nach dem Zweck der Regelung, gerichtliche Auseinandersetzungen über die Kündigung zu vermeiden, vielmehr nur, wenn der Arbeitnehmer die Gerichte gegen die Kündigung nicht anruft.336 Gibt der Arbeitgeber den Hinweis nicht, entsteht gleichfalls kein Abfindungsanspruch. 104

§ 1a KSchG gilt jedoch nicht für Sozialplanleistungen.337 Sie dürfen daher nicht von einem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden; zulässig ist dies nur in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung, die zusätzlich zu einem § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG genügenden Sozialplan geschlossen wird.338 Kollektivrechtlich kann vereinbart werden, dass die Abfindung gemäß § 1a KSchG auf kollektivrechtlich begründete Ansprüche zum Ausgleich von Nachteilen aus einer Betriebsänderung anzurechnen sind, da auch § 1a KSchG dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile auf Grund des Arbeitsplatzverlustes dient.339

6. Außerordentliche Kündigung 105

Der Arbeitsvertrag kann aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund deren dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB). Auch bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers muss ein wichtiger Grund vorliegen.340

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Im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung wird eine außerordentliche Kündigung in der Regel fristlos ausgesprochen. Stets ist zu prüfen, ob der Sachverhalt an sich 333 BAG v. 19.6.2007, NZA 2007, 1357: durch Auslegung muss ermittelt werden, ob ein Abfindungsangebot lediglich als Hinweis auf den gesetzlichen Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG zu werten ist oder als hiervon unabhängiges Angebot auf Abschluss einer Abfindungsvereinbarung. 334 BAG v. 13.12.2007, DB 2008, 1276. Der Arbeitgeber muss jedoch seinen Willen, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot zu unterbreiten, unmissverständlich im Kündigungsschreiben erklären; bei deutlicher Abweichung (etwa nur die Hälfte der nach § 1a Abs. 2 Satz 1 KSchG genannten Höhe) spricht jedoch viel für ein nur individuelles Vertragsangebot (BAG v. 10.7.2008, DB 2009, 124). 335 BAG v. 13.12.2007, NZA 2008, 696. 336 ErfK/Oetker, § 1a KSchG Rz. 14. 337 BAG v. 31.5.2005, DB 2005, 1967, 1969. 338 BAG v. 31.5.2005, DB 2005, 1967; dazu Benecke, BB 2006, 938. 339 BAG v. 19.6.2007, NZA 2007, 1357. 340 BAG v. 12.3.2009, NZA 2009, 840. Im konkreten Fall war allerdings die Berufung des Arbeitnehmers auf die Unwirksamkeit der Kündigung treuwidrig, da die vorherige Kündigungserklärung Ausdruck einer ernsthaften und endgültigen Lösungsabsicht war.

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geeignet ist, einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung darzustellen. Ist das der Fall, so kommt es in einem zweiten Schritt darauf an, ob bei Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt und somit verhältnismäßig ist.341 Dabei sind alle Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen, auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können Bedeutung gewinnen.342 Der bei weitem häufigste Fall ist die verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung. Die Zahl der in Betracht kommenden Kündigungsgründe ist kaum übersehbar.343 Beispielhaft aus der jüngsten Rechtsprechung zu nennen sind der Verstoß eines Berufskraftfahrers gegen das absolute Alkoholverbot bei Gefahrguttransporten, Ankündigung einer künftigen Arbeitsverweigerung,344 Spesen- oder Arbeitszeitbetrug,345 Diebstahl – auch geringwertiger Sachen –,346 die Ankündigung einer künftigen Erkrankung als Drohmittel,347 der Entzug der gesetzlichen Fahrerlaubnis bei einem Berufskraftfahrer,348 die eigenmächtige Verlängerung eines Freistellungszeitraumes,349 die Manipulation von Fleischmindesthaltbarkeitsdaten,350 die Ausübung von Nebentätigkeiten ohne die erforderlichen Genehmigung,351 der versuchte Prozessbetrug durch bewusst wahrheitswidrigen Vortrag im Kündigungsschutzprozess,352 der sexuelle Missbrauch,353 Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen,354 eigenmächtiger Urlaubsantritt355 oder der Verstoß gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot.356 Erforderlich ist jeweils die objektive und rechtswidrige Verletzung einer Vertragspflicht, die jedoch nicht zwingend schuldhaft sein muss.357 Für Tendenzträger bestehen gesteigerte Rücksichtnahmepflichten, so dass die außerordentliche Kündigung hier eher gerechtfertigt 341 BAG v. 16.12.2010, NZA 2011, 571; v. 27.1.2011, NJW 2011, 2231; v. 27.4.2006, NZA 2006, 1033, 1034; BGH v. 20.6.2005, DB 2005, 1849, 1850. 342 BAG v. 27.4.2006, NZA 2006, 1033. Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil VI, Rz. 21 ff. 343 Vgl. die Zusammenstellungen bei Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, S. 209/210; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil VI, Rz. 10 ff.; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 125 Rz. 56 und § 125 Rz. 135; PWW/Lingemann, § 626 BGB Rz. 7 ff. sowie oben unter Rz. 41 ff. mwN. Allgemein zur außerordentlichen Kündigung in der Rechtsprechung des BAG Schulte Westenberg, NZA-RR 2009, 401. 344 LAG Nürnberg v. 16.10.2007, NZA-RR 2008, 68. 345 BAG v. 9.6.2011, NJW 2011, 2905; v. 6.9.2007, NZA 2008, 636. 346 BAG v. 10.6.2010, NZA 2010, 1227; Fuhlrott, ArbR Aktuell 2012, 498. 347 BAG v. 12.3.2009, NZA 2009, 779 zum Fall einer entsprechenden Ankündigung als Reaktion auf eine nicht erfolgte Urlaubsgewährung. 348 BAG v. 5.6.2008, DB 2009, 123. 349 LAG Nürnberg v. 17.1.2007, NZA-RR 2007, 404 zum Sonderurlaub nach BAT. 350 LAG Köln v. 19.1.2009, NZA-RR 2009, 368. 351 BAG v. 18.9.2008, DB 2009, 743; v. 19.4.2007, NZA-RR 2007, 571 für den Bereich des öffentlichen Dienstes. 352 BAG v. 8.11.2007, DB 2009, 1024. 353 BAG v. 9.6.2011, NJW 2011, 2905. 354 Bei einer erheblichen aktiven Beteiligung kann auch schon ein einmaliger Vorfall ohne vorherige Abmahnung einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen (BAG v. 18.9.2008, DB 2009, 964). Dies gilt auch dann, wenn die Tätlichkeiten außerhalb des Betriebes erfolgten und ausschließlich familiär bedingt waren (LAG Schl.-Holst. v. 6.1.2009, DB 2009, 967). 355 LAG Hamm v. 17.10.2007, NZA-RR 2008, 294. 356 BAG v. 26.6.2008, DB 2008, 2544. 357 BAG v. 11.12.2003, NZA 2004, 784, 786; v. 21.1.1999, NZA 1999, 863; etwas anders BAG v. 21.1.1999, DB 1999, 1400.

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ist als bei einem anderen Arbeitnehmer.358 Auf eine Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist muss der Arbeitgeber sich nicht verweisen lassen.359 Eine außerordentliche Kündigung aus personenbedingten Gründen kommt letztlich nur in Form einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist bei tariflich oder vertraglich unkündbaren Arbeitnehmern in Betracht,360 ebenso eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung, beispielsweise im Falle einer Betriebsstilllegung.361 In diesen Fällen ist der Betriebsrat zwar nach den Grundsätzen für eine ordentliche Kündigung anzuhören:362 der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat jedoch gleichzeitig darlegen, dass es sich um eine außerordentliche Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist handelt. Die ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitnehmers ist bei der Bewertung der Kündigungsgründe nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.363 Sieht ein Tarifvertrag eine ordentliche Kündigung nur ausnahmsweise vor, gelten zur Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit dieselben Grundsätze wie für eine außerordentliche Kündigung.364 108

Die Kündigungsgründe des § 626 Abs. 1 BGB können nicht einzelvertraglich erweitert werden.365 Auch eine Einschränkung ist regelmäßig unwirksam, jedenfalls soweit sie die Grenzen des Zumutbaren überschreitet.

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Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb der Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.366 Maßgeblich ist dabei die sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis dieser Tatsachen. Eine grob fahrlässige Unkenntnis löst die Zwei-Wochen-Frist noch nicht aus. Der Arbeitgeber sollte jedoch, wenn er dringende Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung hat, diesen nachgehen. Denn der Beginn der Zwei-Wochen-Frist ist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhaltes nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen mit der gebotenen Eile auch durchführt.367 Dabei kann er durchaus auch Detektive einsetzen;368 die Kenntnis von nicht kündigungsberechtigten Personen kann ausnahmsweise zugerechnet werden, wenn diese eine herausgehobene Stellung bekleiden und ein schuldhafter Organisationsmangel vorliegt, der zu einer verspäteten Kenntnisnahme durch den Kündigungsberechtigten 358 BAG v. 23.10.2008, NZA-RR 2009, 362 zur Kündigung einer Redakteurin als Reaktion auf eine Gegendarstellung auf eine Veröffentlichung in der eigenen Presse des Arbeitgebers. 359 BAG v. 11.3.1999, NZA 1999, 587. 360 BAG v. 6.10.2005, DB 2005, 1278; v. 13.5.2004, NZA 2004, 1271; v. 18.10.2000, DB 2001, 338. 361 BAG v. 24.1.2013, DB 2013, 1365; v. 22.11.2012, BB 2013, 1533; v. 5.2.1998, DB 1998, 1025; v. 28.3.1985, NZA 1985, 559. 362 BAG v. 18.1.2001, DB 2002, 100, 101; v. 18.10.2000, DB 2001, 338, 339. 363 BAG v. 27.4.2006, ArbRB 2006, 292. 364 Insbesondere muss ein wichtiger Grund vorliegen und der Arbeitgeber muss zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von sich aus andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten anbieten (BAG v. 26.3.2009, NZA 2009, 679). 365 Vgl. BAG v. 22.11.1973, BB 1974, 463; LAG Nürnberg v. 26.4.2001, BB 2001, 1906. 366 BAG v. 26.6.2008, DB 2008, 2544; v. 17.3.2005, NZA 2006, 101, 1055; Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 626 BGB Rz. 13 ff. 367 BAG v. 17.3.2005, NZA 2006, 101, 105; v. 16.8.1990, NZA 1991, 141. 368 Dazu Lingemann/Göpfert, DB 1997, 374.

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geführt hat.369 Eine Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung besteht nicht, es sei denn, es handelt sich um eine Verdachtskündigung (dazu oben Rz. 50 f.). Bei einer Verdachtskündigung kann der Arbeitgeber zudem den Fort- bzw. Ausgang des Strafverfahrens abwarten, solange er den Zeitpunkt für den Ausspruch der Kündigung nicht willkürlich wählt.370 Die Zwei-Wochen-Frist wird auch nicht durch die Drei-Tage-Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG zur Anhörung des Betriebsrats gehemmt. Der Arbeitgeber muss bei einer außerordentlichen Kündigung daher rechtzeitig vor Fristablauf auch den Betriebsrat anhören. Reichen die Kündigungsgründe für eine außerordentliche Kündigung nicht aus, so ist diese regelmäßig von Amts wegen und ohne besonderen Antrag371 in eine ordentliche Kündigung umzudeuten, es sei denn, dass ein entgegenstehender Wille des Kündigenden erkennbar wäre. Auch die Wirksamkeit einer auf dieselben Gründe gestützten ordentlichen Kündigung ist daher zu prüfen. Eine solche Umdeutung kommt allerdings nicht in Betracht, wenn ein Betriebsrat besteht und dieser nicht auch zu einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung nach § 102 BetrVG angehört wurde (vgl. dazu oben Rz. 23). Die Umdeutung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist setzt also grundsätzlich die Beteiligung des Betriebsrats nach den für die ordentliche Kündigung geltenden Grundsätzen voraus.372 Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB muss der Kündigende dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen (M 22.8).

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Entscheidend für die Wirksamkeit der Kündigung sind die Kündigungsgründe, die zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorlagen. Werden weitere Kündigungsgründe erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt, obwohl sie zum Zeitpunkt des Ausspruchs schon vorlagen, so können sie zur Begründung der Kündigung nachgeschoben werden.373 Werden Kündigungsgründe hingegen erst nach dem Kündigungszeitpunkt verwirklicht, so kann darauf nur eine erneute Kündigung gestützt werden.374

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Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teils veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet (§ 628 Abs. 2 BGB).375 Kündigt der Arbeitnehmer

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369 BAG v. 23.10.2008, DB 2009, 572. 370 Im Einzelnen Rz. 50; der Arbeitgeber kann insbesondere die Erhebung der öffentlichen Klage abwarten, wenn er meint, erst zu diesem Zeitpunkt einen ausreichenden Kenntnisstand für eine Kündigung zu haben, denn auch für den Ausspruch einer Verdachtskündigung kann es mehrere in Betracht kommende Zeitpunkte geben (BAG v. 5.6.2008, DB 2008, 2312). Auch kann der Arbeitgeber die rechtskräftige Verurteilung abwarten und dann eine Tatkündigung aussprechen. Zur Fristberechnung bei der Verdachtskündigung auch Langner/Witt, DStR 2008, 825, 826. Auch wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zu Beginn der Ermittlungen schon einmal gekündigt hat, ist er dadurch nicht gehindert, eine erneute Kündigung auf eine veränderte Tatsachengrundlage zu stützen (BAG v. 22.11.2012, NZA 2013, 665). 371 BAG v. 15.11.2001, DB 2002, 1562. 372 BAG v. 18.10.2000, DB 2001, 338. 373 BGH v. 20.6.2005, DB 2005, 1849, 1850; v. 1.12.2003, NZA 2004, 173, 175; BAG v. 4.6.1997, NZA 1997, 1158, 1159 f. 374 BAG v. 15.12.1955, AP Nr. 1 zu § 67 HGB; v. 6.11.2003, NZA 2004, 919, 921; Einzelheiten zur Wiederholungskündigung Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. 375 PWW/Lingemann, § 628 BGB Rz. 1.

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zu Recht aus wichtigem Grund, besteht also grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch in Höhe der entgangenen Vergütung,376 sowie, wenn das KSchG anwendbar ist, auf eine Abfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG.377 Weniger praxisrelevant ist ein Anspruch des Arbeitgebers auf entgangenen Gewinn bei wirksamer arbeitgeberseitiger außerordentlicher Kündigung. Ist die außerordentliche Kündigung unwirksam, verletzt sie ihrerseits den Vertrag und kann zu Schadensersatzansprüchen führen.

7. Sonderkündigungsschutz 113

Zu den häufigsten Fällen des Sonderkündigungsschutzes haben wir bereits bei den entsprechenden Kapiteln Stellung genommen: Zum Kündigungsschutz Schwerbehinderter nach §§ 85–91 SGB IX verweisen wir auf Kap. 16, zum Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG, § 18 BEEG, § 5 PflegeZG und § 9 Abs. 4 FPfZG auf Kap. 17, zum besonderen Kündigungsschutz Auszubildender auf Kap. 8 und zum Kündigungsschutz bei Betriebsübergang auf Kap. 60. Daneben gibt es Sonderkündigungsschutz für freiwillig Wehrdienstleistende (§ 2 ArbPlSchG), Datenschutzbeauftragte (§ 4f Abs. 3 BDSG), Immissionsschutz-, Störfall- oder Gewässerschutzbeauftragte (§§ 58 Abs. 2 BImSchG, 58d BImSchG, 66 WHG).

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Betriebsratsmitgliedern,378 Ersatzmitgliedern, solange sie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied des Betriebsrats vertreten,379 sowie Mitgliedern einer Jugendund Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats kann nicht wirksam gekündigt oder änderungsgekündigt380 werden, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG). Maßgeblich ist, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann.381 Dieser Kündigungsschutz gilt auch nach Beendigung der Amtszeit noch für einen Zeitraum von einem Jahr vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit gerechnet (§ 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Für Mitglieder des Wahlvorstands und Wahlbewerber gilt der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3 KSchG, also ein nachwir376 Zu Einzelheiten vgl. Einf. Kap. 13 Rz. 57 ff. 377 BAG v. 20.11.2003, DB 2004, 1272. Der Entschädigungsanspruch für den Verlust des Bestandsschutzes setzt weiter voraus, dass der Arbeitgeber nicht selbst hätte kündigen können, dh. dass kein Kündigungsgrund iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bestand (BAG v. 26.7.2007, NZA 2007, 1419). Die Grundsätze für eine Begrenzung des Schadensersatzanspruchs aus § 628 Abs. 2 BGB auf den Zeitraum der fiktiven Kündigungsfrist sowie eine angemessene Vergütung gemäß §§ 9, 10 KSchG sind auf den Schadensersatzanspruch eines Arbeitnehmers gegen seinen Rechtsvertreter, durch dessen Verschulden ein Kündigungsschutzprozess verloren geht, nicht übertragbar (BGH v. 24.5.2007, NZA 2007, 753). Ein dem Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG unterfallender Arbeitnehmer hat keine weiter gehenden Ansprüche auf Schadensersatz (BAG v. 21.5.2008, ArbRB 2008, 298). 378 Vgl. BAG v. 27.9.2012, NZA 2013, 425. 379 BAG v. 19.4.2012, NJW 2012, 3740. 380 Das gilt auch für Massenänderungskündigungen (BAG v. 7.10.2004, NZA 2005, 156 ff.). 381 Bei der verhaltensbedingten Kündigung eines Betriebsratsmitglieds scheidet eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist wohl aus; anders ist dies nur bei einer betriebsbedingten Kündigung, vgl. BAG v. 17.1.2008, NZA 2008, 777.

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kender Kündigungsschutz von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Für bis zu drei Initiatoren einer Wahl zu einer Arbeitnehmervertretung besteht besonderer Kündigungsschutz bis zur Wahl bzw. für drei Monate, wenn keine Wahl erfolgt (§ 15 Abs. 3a KSchG). Während der Schutzzeiten ist nur eine außerordentliche Kündigung zulässig. Für diese gelten die allgemeinen Grundsätze. Besonderheiten gelten nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG jedoch für die Stilllegung von Betrieben oder Betriebsabteilungen.382 Eine Stilllegung liegt auch dann vor, wenn im Kündigungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass eine eventuelle Wiederaufnahme der Produktion erst nach einem längeren, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum erfolgen kann, dessen Überbrückung mit weiteren Vergütungszahlungen dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann.383 Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung zulässig, es sei denn, dass ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 15 Abs. 4 KSchG). Ist eine der genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen (§ 15 Abs. 5 KSchG). Notfalls muss der Arbeitgeber die Übernahme durch Freikündigen eines geeigneten Arbeitsplatzes sicherstellen.384 Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz nicht vorhanden, muss der Arbeitgeber dem Mandatsträger vor Ausspruch einer Beendigungskündigung die Beschäftigung auf einem geringerwertigen Arbeitsplatz anbieten und hierzu ggf. eine Änderungskündigung aussprechen,385 nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG muss er jedoch keine Beschäftigung auf einem höherwertigen Arbeitsplatz anbieten.386 Nur wenn dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, kann nach § 15 Abs. 4 KSchG wie im Falle einer Stilllegung des Betriebes gekündigt werden (§ 15 Abs. 5 KSchG). Auch bei Stilllegung des Betriebes muss der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied einen Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb des Unternehmens anbieten, sofern dieser frei ist.387 Die Kündigungen nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG sind keine außerordentlichen Kündigungen, sondern ordentliche Kündigungen; daher ist auch die Kündigungsfrist einzuhalten. Die Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG ist nicht erforderlich, wohl aber die Anhörung nach § 102 BetrVG.

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Beabsichtigt der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung einer der geschützten Personen, ohne dass der Betrieb oder die Betriebsabteilung stillgelegt wird, so bedarf diese zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Vor rechtskräftigem Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens

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382 Zum Sonderkündigungsschutz bei Betriebsstilllegung Werres, NZI 2009, 24. 383 BAG v. 21.6.2001, DB 2002, 102. 384 BAG v. 12.3.2009, NZA 2009, 1264; v. 2.3.2006, NZA 2006, 988; v. 18.10.2000, DB 2001, 1729. Hierzu ausführlich Leuchten, NZA 2007, 585, insbesondere zur Frage einer Freikündigungsobliegenheit. 385 BAG v. 2.3.2006, NZA 2006, 988. 386 BAG v. 23.2.2010, NZA 2010, 1288. 387 BAG v. 13.8.1992, NZA 1993, 224. Sehen kollektivrechtliche Regelungen eine Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern vor, so muss auch einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer ein entsprechendes Weiterbeschäftigungsangebot unterbreitet werden (BAG v. 10.5.2007, NZA 2007, 1278).

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kann die Kündigung nicht ausgesprochen werden. Um die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich nach Kenntnis von den Kündigungsgründen unterrichten. Stimmt der Betriebsrat der Kündigung zu, so muss der Arbeitgeber innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Erhalt der Zustimmung die Kündigung aussprechen. Der Arbeitgeber muss die Zustimmung des Betriebsrats jedoch nicht der Kündigung in Schriftform beifügen.388 117

Wichtig: Der Arbeitgeber ist gezwungen, den Betriebsrat so zeitig von der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen, dass er bei Verweigerung der Zustimmung noch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist die Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht beantragen kann (!).389 Hat das Arbeitsgericht die Zustimmung ersetzt, so muss der Arbeitgeber analog § 91 Abs. 5 SGB IX unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft die Kündigung aussprechen.390

8. Annahmeverzug 118

Ist eine Kündigung unwirksam und hat der Arbeitgeber die Dienste des Arbeitnehmers nicht in Anspruch genommen, so drohen Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug.391 Gemäß § 296 BGB befindet sich der Arbeitgeber dann auch ohne ein Angebot zur Arbeitsleistung seitens des Arbeitnehmers im Annahmeverzug.392 Der Arbeitnehmer muss aber während des Annahmeverzugs gemäß § 297 BGB leistungsfähig und leistungswillig sein. Hieran fehlt es zB für die Zeiten von Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder bei Streikteilnahme.393, 394 Lehnt der Arbeitnehmer nach einem Weiterbeschäftigungsurteil erster Instanz eine Beschäftigung ab, zu der der Arbeitgeber „nicht als normale Beschäftigung, sondern als Prozessbeschäftigung geltend bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens“ aufgefordert hatte, so stehen ihm Ansprüche aus Annahmeverzug wegen § 615 Satz 2 BGB nicht zu;395 dasselbe gilt, wenn der Arbeitnehmer die Annahme der angebotenen Prozessbeschäftigung davon abhängig macht, dass der Arbeitgeber auf die Wirkungen der Kündigung verzichtet.396 Für Zeiten wirksam angeordneter Befreiungen von der Arbeitspflicht zB wegen Urlaubs oder Überstundenabgeltung bestehen Annahmeverzugslohnansprüche ebenfalls nicht.397 Annahmeverzug besteht nach Ansicht des BAG auch nicht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit seinem Einverständnis von weiterer Arbeitsleistung freistellt.398

388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398

BAG v. 4.3.2004, DB 2004, 1370. BAG v. 22.8.1974, BB 1974, 1578. Vgl. BAG v. 25.1.1979, BB 1979, 1242. Vgl. Opolony, BB 2004, 1386; Schier, BB 2006, 2578; PWW/Lingemann, § 615 BGB Rz. 1 ff. BAG v. 21.3.1985, NZA 1985, 778. Zum Annahmeverzug ohne vorangegangene Kündigung BAG v. 16.4.2013, NZA 2013, 849. BAG v. 17.7.2012, NZA 2012, 1432 m. Anm. Krieger, ArbR Aktuell 2012, 615. In diesen Fällen besteht höchstens ein Entgeltfortzahlungsanspruch. BAG v. 5.11.2003, AP Nr. 106 zu § 615 BGB. Ein Vergütungsanspruch besteht nur bei besonderer Vereinbarung (BAG v. 23.1.2008, NZA 2008, 595). BAG v. 24.9.2003, NZA 2004, 90. BAG v. 13.7.2005, BB 2006, 50. BAG v. 23.1.2001, NZA 2001, 597. BAG v. 19.3.2002, NZA 2002, 1055.

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Will der Arbeitgeber während der Freistellung erzielten oder böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienst nach § 615 Satz 2 BGB anrechnen, muss er sich das vorbehalten.399 Eine unterlassene Meldung bei der Arbeitsagentur als Arbeitsuchender stellt kein „böswilliges Unterlassen“ anderweitigen Erwerbs iSd. § 615 Satz 2 BGB dar.400 Entscheidend für die Annahme eines böswilligen Unterlassens ist, dass der Arbeitnehmer eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit nicht wahrnimmt; eine vertraglich nicht geschuldete Arbeit kann dabei nicht zwangsläufig mit einer unzumutbaren Arbeit gleichgesetzt werden, da auch eine objektiv vertragswidrige Arbeit unter Umständen sogar mit einer Verbesserung für den Arbeitnehmer verbunden ist.401 Sofern Annahmeverzug ausnahmsweise wegen anderer als nicht vertragsgemäßer Arbeiten in Betracht kommt und Streit über die Vertragsgemäßheit der Arbeit herrscht, muss der Arbeitnehmer gerade diese Arbeiten wenigstens der Art nach anbieten.402 Auch der Zeitpunkt eines Arbeitsangebotes kann für die Beurteilung der Zumutbarkeit maßgeblich sein: je länger Arbeitsangebot und vorgesehene Arbeitsaufnahme auseinander liegen, desto weniger wird es dem Arbeitnehmer vorzuwerfen sein, wenn er das Angebot ablehnt und sich um eine andere Arbeit bemüht.403

9. Massenentlassungsanzeige Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er – in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer, – in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 % der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer, – in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG). Maßgeblich für die regelmäßige Arbeitnehmerzahl ist die Beschäftigtenzahl, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist, ggf. auch unter Einschätzung der künftigen Entwicklung.404 Bei einer Betriebsstilllegung kommt es auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung an.405 Die Regelung betrifft nicht nur betriebsbedingte, sondern auch verhaltens- und personenbedingte Kündigungen, spielt in diesem Zusammenhang in der Praxis jedoch kaum eine Rolle. Bei der Berechnung des Schwellenwertes sind auch Arbeitnehmer zu berücksichtigen, bei denen im Zeitpunkt der Massenentlassungsanzeige noch nicht feststeht, dass sie in eine Transfergesellschaft wechseln wer399 Zur Freistellung und der Anrechnung anderweitigen Erwerbs Nägele, NZA 2008, 1039. 400 BAG v. 16.5.2000, NZA 2001, 26. Lediglich tatsächlich bezogenes Arbeitslosengeld wird nach § 11 Nr. 3 KSchG angerechnet. 401 Diese Grundsätze gelten gleichermaßen im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis während des Laufs der Kündigungsfrist als auch nach Ablauf der Kündigungsfrist bei Streit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 7.2.2007, NZA 2007, 561). 402 BAG v. 27.8.2008, NZA 2008, 1410. 403 BAG v. 11.10.2006, NZA 2007, 1392. 404 BAG v. 31.7.1986, BB 1987, 1608; zu berücksichtigen sind alle Arbeitnehmer unabhängig vom Alter und Umfang ihres Vertrages (EuGH v. 18.1.2007, NZA 2007, 193). 405 BAG v. 8.6.1989, BB 1989, 2403.

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den.406 Fristlose Kündigungen werden nur mitgerechnet, sofern sie hilfsweise fristgemäß zum Tragen kommen (vgl. § 17 Abs. 4 KSchG). Die Vorschrift gilt auch für Aufhebungsverträge.407 Diese bleiben so lange unwirksam, wie nicht eine formgerechte Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG bei der Agentur für Arbeit eingereicht und deren Zustimmung eingeholt wird. Grundsätzlich sind auch die Arbeitnehmer mit zu zählen, die auf Veranlassung des Arbeitgebers im Wege der Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und damit einer sonst erforderlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung zuvor gekommen sind.408 Wird die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer zu niedrig angegeben, können sich auf diesen Fehler allerdings nur diejenigen Arbeitnehmer berufen, die von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasst sind.409 120

Praxistipp: Dem Arbeitgeber ist zu raten, auch alle Mitarbeiter in die Massenentlassungsanzeige aufzunehmen, die einvernehmlich oder im Wege der Eigenkündigung ausscheiden und solche, bei denen nicht feststeht, dass sie in eine Transfergesellschaft wechseln. Ferner sollte der Arbeitgeber die Arbeitnehmer in der Anzeige individualisieren, damit bei einer zu geringen Anzahl der angezeigten Entlassungen festgestellt werden kann, welche Arbeitnehmer von der Massenentlassungsanzeige erfasst sind und welche nicht.

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Die Einzelheiten der Massenentlassungsanzeige ergeben sich aus § 17 Abs. 3 KSchG. Da „Entlassung“ iSv. § 17 KSchG nach der Entscheidung des EuGH v. 27.1.2005410 nicht mehr der Ablauf der Kündigungsfrist, sondern der Ausspruch der Kündigung ist, muss die Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit bereits vor Ausspruch der Kündigung erfolgen.411 Für die Praxis wichtig ist, dass die Anzeige schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu erstatten ist.412 Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet hat, und wenn er den Stand der Beratungen darlegt und die Stellungnahme des Betriebsrats umgehend nachreicht (§ 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG). Eine Einigung über einen Interessenausgleich und/oder Sozialplan ist für das Verfahren nach § 17 KSchG nicht erforderlich, der Arbeitgeber genügt seinen Pflichten nach § 17 KSchG 406 407 408 409 410 411

BAG v. 28.6.2012, NZA 2012, 1029. BAG v. 11.3.1999, BB 1999, 1272; kritisch Bauer/Powietzka, BB 2000, 1073. BAG v. 28.6.2012, NZA 2012, 1029. BAG v. 28.6.2012, NZA 2012, 1029. EuGH v. 27.1.2005, NZA 2005, 213 – Junk. EuGH v. 27.1.2005, NZA 2005, 213 – Junk; BAG v. 13.7.2006, NZA 2007, 25; v. 23.3.2006, NZA 2006, 971, 975; das BAG gewährt jedoch Vertrauensschutz für Kündigungen vor dem Zeitpunkt, zu dem die Bundesagentur für Arbeit ihre Rechtsauffassung zu §§ 17 ff. KSchG geändert hat und dem betroffenen Arbeitgeber dies hätte bekannt sein müssen, somit gemäß der Pressemitteilung 43/2005 der Bundesagentur für Arbeit vor dem 9.3.2005, vgl. Berkowsky, NZA-RR 2007, 169, 179. Maßgeblich ist hierbei der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung (BAG v. 13.7.2006, NZA 2007, 25, 29 bei Rz. 39; v. 12.7.2007, NZA 2008, 425 u. 476, v. 22.3.2007, NZA 2007, 1101). Vertrauensschutz wird dem betroffenen Arbeitgeber auch dann gewährt, wenn er die Kündigungstermine bewusst so gewählt hat, dass bei Zugrundelegung der früheren Rechtsprechung die Schwellenwerte des § 17 KSchG gerade eben nicht erreicht wurden (BAG v. 21.9.2006, NZA 2007, 1319). 412 Einen sehr guten Überblick über die arbeits- und kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten und deren europäische Dimension gibt Forst, NZA 2009, 294.

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durch bloße Information und Beratung.413 Auch die Einschaltung eines unparteiischen Dritten (Einigungsstelle) nach Scheitern der Verhandlungen verlangt die Konsultationspflicht nicht.414 Besondere Bedeutung hat die Konsultationspflicht des § 17 Abs. 2 KSchG. Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über (1) die Gründe für die geplanten Entlassungen, (2) die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, (3) die Zahl und die Berufsgruppen der idR beschäftigten Arbeitnehmer, (4) den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, (5) die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sowie (6) die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien. Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (§ 17 Abs. 2 KSchG). Die Unterrichtung bedarf gemäß § 17 Abs. 2 KSchG der Schriftform, ob sie damit der gesetzlichen Schriftform iSv. § 126 Abs. 1 BGB bedarf, hat der 6. Senat offen gelassen.415 Jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber die gesetzlich geforderten Angaben in einem nicht unterschriebenen Text festgehalten und diesen dem Betriebsrat zugeleitet hat, genügt die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen, um einen eventuellen Schriftformverstoß zu heilen.416 Die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die Beifügung des Interessensausgleiches mit Namensliste nach § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit ersetzt. Auch die Erklärung des Betriebsrats im Rahmen eines Interessenausgleiches, rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein, genügt allein noch nicht zum Nachweis der Erfüllung der Konsultationspflicht. Allerdings kann der Arbeitgeber seine Pflichten gegenüber dem Betriebsrat aus §§ 111 BetrVG, 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG, sofern sie übereinstimmen, gleichzeitig erfüllen. Dabei hat der Arbeitgeber hinreichend klarzustellen, dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen.417 Hat der Betriebsrat eine Stellungnahme zu dem Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem Arbeitgeber geführten Beratungen abgegeben, ist diese gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG der Anzeige der Massenentlassung gegenüber der örtlichen Agentur für Arbeit beizufügen. Haben Betriebsrat und Arbeitgeber einen Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen, ersetzt dieser gemäß § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats. In einem solchen Fall genügt also die Beifügung des Interessenausgleiches mit Namensliste den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Das gilt selbst dann, wenn im Interessenausgleich keine Bekundungen des Betriebsrats zu den Beratungen mit dem Arbeitgeber enthalten sind.418 Ein Interes413 Weder § 17 KSchG noch Art. 2 der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG fordern einen Abschluss der Verhandlungen (BAG v. 21.5.2008, NZA 2008, 753). 414 BAG v. 16.5.2007, NZA 2007, 1296. 415 BAG v. 20.9.2012, NZA 2013, 32. 416 BAG v. 20.9.2012, NZA 2013, 32. 417 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 817. 418 BAG v. 21.3.2012, NZA 2012, 1058.

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senausgleich ohne Namensliste kann hingegen die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzen. Allerdings kann die Stellungnahme des Betriebsrats in den Interessenausgleich integriert werden.419 122

Praxistipp: Der Arbeitgeber sollte möglichst drei Wochen vor Ablauf der Frist zur Einreichung der Massenentlassungsanzeige den Betriebsrat umfassend über die beabsichtigte Maßnahme gemäß § 17 Abs. 3 iVm. Abs. 2 KSchG schriftlich unterrichten.

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Wird die Stellungnahme des Betriebsrats der Anzeige nicht beigefügt und kann der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Unterrichtung zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nicht glaubhaft machen, so ist die Massenentlassungsanzeige unwirksam (§ 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG). Die Stellungnahme des Betriebsrats genügt den gesetzlichen Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nur, wenn sie sich auf die angezeigten Kündigungen bezieht und eine abschließende Meinungsäußerung des Betriebsrats zu diesen Kündigungen enthält. Dabei genügt auch eine eindeutigere Äußerung, keine Stellung nehmen zu wollen.420

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Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, werden nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 KSchG vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige („Sperrfrist“) bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tag der Antragstellung erteilt werden. § 18 Abs. 1 und 2 KSchG haben nur die Wirkung einer Mindestkündigungsfrist, ohne dass hierdurch die gesetzlichen Kündigungsfristen verlängert werden oder deren Ablauf gehemmt wird.421 Die Sperrfrist führt nur dazu, dass das Arbeitsverhältnis nicht vor Ende der Sperrfrist endet, es sei denn, die Agentur für Arbeit hat diese auf Antrag des Arbeitgebers verkürzt. Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, unmittelbar nach Anzeige der Massenentlassung bei der Bundesagentur für Arbeit die Kündigung auszusprechen.422 Die Sperrfrist des § 18 KSchG beginnt im Übrigen erst mit Vollständigkeit der Anzeige zu laufen.423 An die Sperrfrist schließt sich die „Freifrist“ von 90 Tagen gemäß § 18 Abs. 4 KSchG an, innerhalb derer die Entlassung durchgeführt werden kann. Durchführung der Entlassung meint nach richtlinienkonformer Auslegung den Ausspruch der Kündigung424 und nicht, wie teilweise vertreten, auch den 419 BAG v. 21.3.2012, NZA 2012, 1058. 420 BAG v. 28.6.2012, NZA 2012, 1029. 421 BAG v. 6.11.2008, DB 2009, 515; so in der Literatur schon ErfK/Kiel, § 18 KSchG Rz. 4; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rz. 1589, Bauer/Krieger, NZA 2009, 174, 175. Für einen Beginn der Kündigungsfristen erst nach Ablauf der Sperrfrist dagegen noch LAG Berlin-Brandenburg v. 21.12.2007, DB 2009, 236. 422 Dies war auf Grund v. BAG v. 21.5.2008, NZA 2008, 753 noch bezweifelt worden, weshalb vorsorglich nach Ablauf des Kündigungstermins eine erneute Kündigung ratsam war, vgl. nur Bauer/Krieger, NZA 2009, 174, 175. Diese Unsicherheit ist nach der klarstellenden Entscheidung BAG v. 6.11.2008, DB 2009, 515 nunmehr zu Gunsten der Arbeitgeber beseitigt worden. 423 Hierzu gehört auch die Stellungnahme des Betriebsrats. Unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG kann jedoch die Stellungnahme des Betriebsrats nachgereicht werden bzw. dieser selbst unmittelbar gegenüber der Bundesagentur für Arbeit eine solche Stellungnahme abgeben (BAG v. 21.5.2008, NZA 2008, 753). 424 BAG v. 23.6.2006, NJW 2006, 3161.

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Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb der Freifrist.425 Die Freifrist verpflichtet den Arbeitgeber zur Umsetzung der Kündigung innerhalb von 90 Tagen. Hierzu hat das BAG angedeutet, dass der Arbeitgeber, sofern er nicht innerhalb von 90 Tagen nach Anzeige der Massenentlassung die Kündigung erklärt, erneut eine Anzeige erstatten muss.426 Eine fehlende oder unwirksame Anzeige führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.427 Ungeklärt ist, ob auch eine nicht rechtzeitige Anzeige zur Unwirksamkeit der Kündigung führt oder nur dazu, dass die Entlassung (also das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zum Ende der Kündigungsfrist) nicht vollzogen werden kann. Das BAG hat das offen gelassen.428

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Eine unwirksame Massenentlassungsanzeige wird nicht dadurch geheilt, dass ein bestandskräftiger Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung nach § 18 Abs. 1 oder § 18 Abs. 2 KSchG vorliegt. Vielmehr sind auch in diesem Falle die Arbeitsgerichte nicht gehindert, im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige anzunehmen.429 Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Anzeigepflicht trägt der Arbeitnehmer. Steht die Anzeigepflicht fest, ist der Arbeitgeber für die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens nach § 17 KSchG darlegungs- und beweispflichtig.430

10. Interessenausgleich und Sozialplan Beruht die Kündigung auf einer Betriebsänderung iSv. §§ 111 ff. BetrVG, so muss zur Vermeidung von Nachteilsausgleichsansprüchen nach § 113 Abs. 3 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung ein Interessenausgleich bis hin zur Einigungsstelle versucht worden sein. Abgesehen von den Ausnahmen des § 112a BetrVG kann der Betriebsrat in diesem Fall auch einen Sozialplan gemäß § 112 Abs. 1 iVm. Abs. 4 und 5 BetrVG erzwingen. In einem Sozialplan dürfen nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelungen enthalten sein und rentenberechtigte Arbeitnehmer dürfen von solchen Leistungen ausgeschlossen werden.431 Auch im Fall eines Betriebsübergangs dürfen Abfindungsansprüche für diejenigen Arbeitnehmer ausgeschlossen werden, deren Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergeht oder die einen solchen Übergang ohne einen anerkennenswerten Grund durch ihren Widerspruch verhindern.432 Nicht zulässig ist die generelle Beschränkung von Sozialplan425 BAG v. 23.6.2006, NJW 2006, 3161; damit kommt § 18 Abs. 4 KSchG keine Bedeutung mehr zu, worauf die Bundesagentur für Arbeit in ihrem Merkblatt ausdrücklich hinweist: Merkblatt 5, Anzeigepflichtige Entlassungen für Arbeitgeber, November 2012, Punkt 6.4.; abrufbar unter http://www.arbeitsagentur.de. 426 BAG v. 6.11.2008, DB 2009, 515. 427 BAG v. 22.4.2012, NZA 2013, 845; ErfK/Kiel, § 17 KSchG Rz. 36. 428 BAG v. 8.11.2007, BB 2008, 563; v. 23.3.2006, NZA 2006, 971. Für Unwirksamkeit ErfK/ Kiel, § 17 KSchG Rz. 36 mwN. 429 BAG v. 28.6.2012, NZA 2012, 1029. 430 BAG v. 13.12.2012, BB 2013, 1150. 431 Eine solche unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gerechtfertigt, da danach differenziert werden darf, welche wirtschaftlichen Nachteile Arbeitnehmer im Zuge einer Betriebsänderung erleiden (BAG v. 26.5.2009, NZA 2009, 849, FD-ArbR 2009, 283580 m. Anm. Lingemann). 432 BAG v. 12.7.2007, NZA 2008, 425; Kap. 60, Einf. Rz. 32.

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ansprüchen auf Arbeitgeberkündigungen, da auch eine Arbeitnehmerkündigung durch den Arbeitgeber veranlasst sein kann.433 Wegen der Einzelheiten verweisen wir auf Kap. 43.

11. Wiedereinstellungsanspruch434 127

Im Anschluss an eine nach § 1 KSchG wirksame Kündigung kann dem Arbeitnehmer insbesondere dann ein Wiedereinstellungsanspruch gegen seinen bisherigen Arbeitgeber zustehen, wenn noch während des Laufs der Kündigungsfrist der Kündigungsgrund wegfällt. Erweist sich also bei einer betriebsbedingten Kündigung die Prognose als falsch, weil ein neuer Auftrag erteilt wird oder die Stilllegung auf Grund eines Betriebsübergangs letztlich doch nicht erfolgt, ändert dies zwar nichts an der Wirksamkeit der Kündigung, da für diese ausschließlich der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung maßgebend ist; der Arbeitnehmer kann aber einen Anspruch auf Wiedereinstellung haben.435 Auch wenn sich bei einer krankheitsbedingten Kündigung eine ursprünglich zutreffende Prognose aufgrund geänderter Umstände nach Ausspruch der Kündigung als falsch erweist, kommt ein Wiedereinstellungsanspruch für den gekündigten Arbeitnehmer in Betracht.436 Im Anschluss an eine Befristung besteht grundsätzlich hingegen kein Wiedereinstellungsanspruch, selbst dann nicht, wenn auf Grund neuer Umstände entgegen dem ursprünglichen Befristungsgrund eine Weiterbeschäftigung möglich ist.437

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Ein Wiedereinstellungsanspruch besteht grundsätzlich nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist;438 danach kommt ein Wiedereinstellungsanspruch allenfalls in besonderen Ausnahmefällen in Betracht.439 Er setzt in jedem Fall voraus, dass die Kündigung bei richtiger Prognose sozialwidrig gewesen wäre.440 Dem Anspruch können berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, etwa wenn der Arbeitsplatz bereits anderweitig wieder besetzt ist oder sich das Anforderungsprofil wesentlich geändert hat.441 Berechtigt sind die Interessen des Arbeitgebers aber natürlich nicht, wenn er den Anspruch treuwidrig vereitelt.442 Machen mehrere Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch geltend, und stehen weniger Arbeitsplätze zur Verfügung, so sind die sozialen Belange der Arbeitnehmer bei einer Auswahlentscheidung zu berücksichtigen.443 Die Wiedereinstellung muss unverzüglich, spätestens inner433 434 435 436

437 438 439 440 441 442 443

BAG v. 20.5.2008, NZA-RR 2008, 636. S. auch M 1.9. BAG v. 21.8.2008, NZA 2009, 29; v. 27.2.1997, BB 1997, 1953. BAG v. 12.4.2002, BB 2002, 2675; v. 27.6.2001, NZA 2001, 1135; v. 29.4.1999, BB 2000, 492; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 125 f.; ebenso bei einer Verdachtskündigung, wenn der Verdacht sich als haltlos erweist (BAG v. 20.8.1997, NZA 1997, 1340, 1343). BAG v. 20.2.2002, NZA 2002, 896, 898. So BAG v. 21.8.2008, NZA 2009, 29; v. 16.5.2007, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 (Wiedereinstellung); v. 28.6.2000, BB 2001, 573. Vgl. BAG v. 16.5.2007, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 (Wiedereinstellung); v. 13.5.2004, BB 2005, 383, 385, wo ein Wiedereinstellungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist einer insolvenzbedingten Kündigung abgelehnt wird. BAG v. 28.6.2000, BB 2001, 573, 574. So zu einem – im Ergebnis abgelehnten – Betriebsübergang BAG v. 4.5.2006, NZA 2006, 1096 (Frauenhaus). BAG v. 28.6.2000, BB 2001, 573, 575. BAG v. 2.12.1999, NZA 2000, 531, 533.

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halb von drei Wochen nach Kenntniserlangung von den anspruchsbegründenden Tatsachen geltend gemacht werden.444 Inhalt des Anspruchs ist der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu den bisherigen Arbeitsbedingungen unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit.445 Über diesen gesetzlichen Wiedereinstellungsanspruch hinaus kann eine Wiedereinstellungszusage auch indivdual- oder kollektivrechtlich vereinbart werden.446

12. Hinweis nach §§ 2, 38 Abs. 1 SGB III Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III „soll“ der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung bei der Agentur für Arbeit (§ 38 Abs. 1 SGB III) informieren. Die Verletzung der Vorschrift führt aber nicht zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.447 Ein Meldeversäumnis oder eine verspätete Arbeitsuchendmeldung führt gemäß § 159 Abs. 4 SGB III zu einer Sperrzeit von einer Woche. Diese Sperrzeit tritt wohl nur ein, wenn der Arbeitnehmer zumindest fahrlässig gehandelt hat, sie scheidet daher aus, wenn er sich auf Grund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb des objektiv gebotenen Zeitraums gemeldet hat.448

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13. Kündigungsschutzklage (M 22.17 ff.) Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung. Bei einer Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht beginnt die Frist allerdings erst mit Zugang der Genehmigung des Vertretenen,449 Kündigungsschutzklage erheben (§ 4 Abs. 1 KSchG). Die Drei-Wochen-Frist gilt für alle Einwände gegen die Wirksamkeit der Kündigung,450 also insbesondere auch für den Einwand nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung oder einer Kündigung „wegen“ Betriebsübergangs entgegen § 613a Abs. 4 BGB, den tarif- oder arbeitsvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung451 oder der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist.452 Nur wenn entgegen § 623 BGB die Schriftform nicht eingehalten wurde, beginnt die Frist nicht zu laufen.453 Allerdings muss der Arbeitnehmer nicht schon in der Klageschrift alle Einwände erheben. Hat er die Klage fristgemäß erhoben, so kann er sich vielmehr bis zum Schluss der münd444 BAG v. 12.11.1998, NZA 1999, 311, 313. Für die Geltendmachung innerhalb eines Monats nach erfolgter Kenntnis von einem Betriebsübergang und eine entsprechende Orientierung an der Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 BGB BAG v. 21.8.2008, NZA 2009, 29. 445 BAG v. 2.12.1999, NZA 2000, 531, 533. 446 BAG v. 19.10.2005, ArbRB 2006, 105. 447 BAG v. 29.9.2005, BB 2006, 48; ebenso schon LAG Berlin v. 29.4.2005, BB 2005, 1576; LAG Düsseldorf v. 29.9.2004, BB 2005, 888. 448 So BSG v. 25.5.2005, BSGE 95, 8; v. 19.8.2005 – 7 AL 80/04 R, nv.; v. 20.10.2005, BSGE 95, 191, allerdings zur etwas anders gestalteten Regelung des früheren § 140 SGB III. 449 BAG v. 6.9.2012, NZA 2013, 524. 450 Zu den Unwirksamkeitsgründe, die innerhalb der dreiwöchigen Klageerhebungsfrist geltend zu machen sind, zählt wohl auch die unterlassene Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG, vgl. Fornasier/Werner, NJW 2007, 2729, 2734. 451 BAG v. 8.11.2007, NZA 2008, 936. 452 BAG v. 1.9.2010, NJW 2010, 3740. 453 BAG v. 15.12.2005, DB 2006, 1116.

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lichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen (§ 6 Satz 1 KSchG).454 Wird die Rechtsunwirksamkeit allerdings nicht rechtzeitig nach Maßgabe von § 4 Satz 1, §§ 5 und 6 KSchG geltend gemacht, so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; auch erlischt ein vom Arbeitnehmer auf eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG erklärter Vorbehalt (§ 7 KSchG). Durch die Neufassung des § 5 KSchG vom 1.4.2008 wurde das Verfahren der nachträglichen Klagezulassung beschleunigt: nunmehr ist das Verfahren mit dem Klageverfahren zu verbinden (§ 5 Abs. 4 Satz 1 KSchG). Vor Inkrafttreten des § 5 Abs. 5 Satz 1 KSchG war offen, ob das LAG bei einem fehlerhaften Verfahren selbst über den Klagezulassungsantrag entscheiden konnte oder die Sache an das Arbeitsgericht zurückverweisen musste. Nun ordnet die Norm für alle in Frage kommenden Fallgestaltungen (zB das Arbeitsgericht entscheidet verfahrensfehlerhaft nicht über den Zulassungsantrag, sondern nur über die Klage; der Antrag auf nachträgliche Zulassung wird erst in der zweiten Instanz gestellt; es stellt sich erst vor dem LAG heraus, dass der erstinstanzlich gestellte Zulassungsantrag entscheidungserheblich ist) die Entscheidung des LAG an.455 Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist ist dem Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.456 In einem solchen Fall kommt auch eine nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG nicht mehr in Betracht. Ein formularmäßiger Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage stellt ohne kompensatorische Gegenleistung (insbesondere Abfindung) eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar.457 131

Die materielle Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung richtet sich zwar gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KSchG nach den allgemeinen Vorschriften, namentlich § 626 BGB. Auch sie kann aber nur nach Maßgabe von § 4 Satz 1, §§ 5 und 6 KSchG geltend gemacht werden, dh. insbesondere nur innerhalb der Drei-WochenFrist (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Die Drei-Wochen-Frist gilt auch bei außerordentlichen Kündigungen innerhalb der Wartezeit.458

14. Auflösungsantrag (M 22.21 und M 22.22) 132

Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so können Arbeitnehmer oder Arbeitgeber einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung stellen. Der Antrag des Arbeitnehmers setzt voraus, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist, § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG, der Antrag des Arbeitgebers,459 dass konkrete Gründe eine 454 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 817 – das Arbeitsgericht muss nicht auf konkrete Unwirksamkeitsgründe hinweisen; vgl. auch BAG v. 8.11.2007, NZA 2008, 936. 455 Zur Neuregelung vgl. Francken/Natter/Rieker, NZA 2008, 377 sowie Bader, NZA 2008, 620. 456 BAG v. 28.5.2009, NJW 2009, 2971; v. 11.12.2008, DB 2009, 1354, hierzu Lingemann/Ludwig, Verschuldenszurechnung nach § 85 II ZPO bei der Kündigungsschutzklage, NJW 2009, 2787; Dresen, NZA 2009, 769. 457 BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, 219, Einzelheiten bei Kap. 2, Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 91 „Ausgleichsquittung“, Rz. 110a „Klageverzicht“; krit. zur Rechtsprechung des BAG Bauer/Günther, NZA 2008, 1627. 458 BAG v. 28.6.2007, NZA 2007, 972. 459 Hierzu der Rechtsprechungsüberblick Müller, NZA 2009, 289 sowie zum Auflösungsantrag als taktischem Gestaltungsmittel des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess Holthausen/Holthausen, NZA-RR 2007, 449.

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den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Typischer Anwendungsbereich sind Vorfälle im Zusammenhang mit der Kündigung oder im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens, zB beleidigende Schriftsätze.460 Der Arbeitgeber kann jedoch einen Auflösungsantrag nicht stellen, wenn die Kündigung aus anderen Gründen als der Sozialwidrigkeit, zB wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung, unwirksam ist.461 Maßgeblicher Zeitpunkt ist dementsprechend auch nicht – wie bei der Kündigung – der Ausspruch der Kündigung, sondern der Schluss der mündlichen Verhandlung.462 Allerdings können auch Tatsachen, die schon vor Ausspruch der Kündigung bekannt waren, zur Begründung des Auflösungsantrages herangezogen werden, auch wenn sie der Arbeitnehmervertretung im Rahmen der Anhörung nicht mitgeteilt wurden, solange nicht die §§ 9, 10 KSchG zur Umgehung kollektivrechtlicher Informationspflichten missbraucht werden.463 Der Arbeitgeber muss in diesem Fall jedoch zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, dass der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung nicht rechtfertigt, gleichwohl so beschaffen ist, dass er eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt.464 Beendigungszeitpunkt ist der Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nach der ausgesprochenen Kündigung, die Höhe der Abfindung richtet sich nach § 10 KSchG. Werden auf Grund mehrerer Kündigungen mehrere Kündigungsschutzverfahren geführt, so kommen auch mehrere Auflösungsanträge in Betracht („Wiederholungsauflösungsantrag“), die Unbegründetheit eines früheren Auflösungsantrags schließt insbesondere die Begründetheit eines späteren Antrages nicht aus, sofern dieser auf weitere Gründe gestützt wird.465

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Bei der außerordentlichen Kündigung kann nur der Arbeitnehmer den Auflösungsantrag stellen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG). Das Gericht hat für die Auflösung den Zeitpunkt zugrunde zu legen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde (§ 13 Abs. 1 Satz 4 KSchG).

134

Checkliste für Kündigungsschutzsachen466

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fi Feststellung der Parteienverhältnisse fi Arbeitnehmer: Name, Anschrift, Familienstand, (Schwer)Behinderung, Berufstätigkeit des Ehepartners, Unterhaltspflichten, Alter, Eintritt in die Firma (Betriebszugehörigkeit; auch frühere Betriebszugehörigkeitszeiten), Tätigkeit, Status (leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 BetrVG und/oder § 14 Abs. 2 KSchG, Vollmachten), Gewerkschaftsmitglied? 460 Großzügig insoweit BAG v. 9.9.2010, NJW 2010, 3798. 461 BAG v. 26.3.2009, NZA 2009, 679; v. 28.8.2008, DB 2009, 630. 462 BAG v. 10.7.2008, DB 2009, 350, wonach auch ein zwischenzeitlicher Wechsel in der Person des Vorgesetzten Berücksichtigung finden kann. Zur Verknüpfung mehrerer zum Teil hilfsweiser Kündigungen und Auflösungsanträge vgl. BAG v. 27.4.2006, NZA 2007, 229; Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 233. 463 BAG v. 10.10.2002, DB 2003, 999. 464 BVerfG v. 22.10.2004, NZA 2005, 41, 42. 465 Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 233. 466 Betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, aber auch Beratern und/oder Prozessbevollmächtigten ist in Kündigungsschutzsachen zu empfehlen, schon frühzeitig und gründlich die Sach- und Rechtslage aufzuklären, um die Weichen richtig stellen zu können. Dabei soll die Checkliste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, behilflich sein.

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fi Arbeitgeber: Name/Firmierung, Anschrift/Sitz, Vertretungsberechtigung (notfalls Handelsregisterauszug!), Organisation (Konzern, mehrere Betriebe), Belegschaftsstärke des Betriebes (§ 23 KSchG, § 17 KSchG, § 111 BetrVG), Verbandszugehörigkeit. fi Zugang der Kündigung und Klagefrist467 fi Exaktes Datum des Kündigungszugangs ermitteln.468 Liegen weitere Kündigungen vor? fi Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist nach § 4 KSchG notieren.469 fi Ist Antrag auf nachträgliche Zulassung nach § 5 KSchG möglich oder nötig? Dann Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 KSchG notieren.470 fi Ist die Kündigung formell in Ordnung?471 fi Verstoß gegen Schriftformerfordernis (zB § 623 BGB, § 22 Abs. 3 BBiG, § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG)472 fi Verstoß gegen vorgeschriebene schriftliche Begründung (zB § 22 Abs. 3 BBiG; § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG, Tarif- oder Individualvertrag)473 fi Kann die Kündigung nach § 174 BGB zurückgewiesen werden? Nur unverzüglich möglich, Frist notieren; Originalvollmacht des Auftraggebers bei der Zurückweisung beifügen.474 fi Greift der Kündigungsschutz nach dem KSchG ein?475 fi Betriebsgröße (§ 23 KSchG) feststellen.476 fi Handelt es sich um ein vertretungsberechtigtes Organmitglied (§ 14 Abs. 1 KSchG)? Sonderprobleme: GmbH & Co. KG-Geschäftsführer477 und (mögliches) ruhendes Arbeitsverhältnis beim GmbH-Geschäftsführer.478 fi Ist die Wartezeit nach § 1 KSchG abgelaufen?479 fi Kündigungsart480 und Gründe prüfen;481 dabei vor allem fi Außerordentliche Kündigung: Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB!482 467 468 469 470 471 472 473 474 475 476 477 478 479 480 481 482

S. oben unter Rz. 14 ff., 130 ff. S. oben unter Rz. 14 ff. S. oben unter Rz. 130 ff. S. oben unter Rz. 16. S. oben unter Rz. 7 ff. S. oben unter Rz. 7 ff. S. oben unter Rz. 12. S. oben unter Rz. 17, 19; Faxkopie der Vollmacht reicht nicht; aber evtl. Außenvollmacht als letzte Rettung (§ 167 Abs. 1 2. Alt. BGB iVm. § 167 Abs. 2 BGB). S. oben unter Rz. 37 ff. S. oben unter Rz. 37. Vgl. BAG v. 15.4.1982, NJW 1983, 2405; v. 10.7.1980, DB 1981, 276; Einzelheiten bei Kap. 4, Einf., Rz. 18 ff.; BAG v. 3.2.2009, NZA 2009, 669; v. 5.6.2008, NZA 2008, 1002; v. 19.7.2007, NZA 2007, 1095. BAG v. 14.6.2006, NZA 2006, 1154; vgl. aber auch BAG v. 8.6.2000, DB 2000, 1918; v. 18.12.1996, DB 1997, 834; v. 21.2.1994, NZA 1994, 905; Einf. Kap. 4 Rz. 18 f. S. oben unter Rz. 37. S. oben unter Rz. 2. S. oben unter Rz. 41 ff. S. oben unter Rz. 105 ff.

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Kap. 22

fi Änderungskündigung: Annahme oder Annahme unter Vorbehalt nach § 2 KSchG (Fristproblem!)483 fi Krankheitsbedingte Kündigung:484 Fehlzeiten, negative Gesundheitsprognose, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen durch Betriebsablaufstörungen und/oder Belastung durch Entgeltfortzahlungskosten prüfen. Häufig Fehler im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG!485 Wurde ein betriebliches Eingliederungsmanagement (§ 84 Abs. 2 SGB IX) durchgeführt?486 fi Verhaltensbedingte Kündigung: Liegen Abmahnungen vor (wann, weshalb, wo, durch wen, jeweils Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht)?487 fi Verdachtskündigung: Besteht ein dringender Verdacht? Wurde der Sachverhalt aufgeklärt, insbesondere der Arbeitnehmer – bei außerordentlicher Kündigung innerhalb der Wochenfrist – angehört?488 fi Betriebsbedingte Kündigung: Lässt sich der Arbeitsplatzwegfall auf Grund außerbetrieblicher (Rückgang des Arbeitsvolumens zB wegen Auftragsrückgang) oder innerbetrieblicher Gründe (Unternehmerentscheidung) nachweisen?489 Besteht Interessenausgleichs- (§§ 111 ff. BetrVG) oder Sozialplanpflicht (§ 112 BetrVG, s. aber § 112a BetrVG)?490 Ist eine etwaige Unternehmerentscheidung ausreichend dokumentiert (die Organmitglieder können vor Gericht nicht Zeuge sein)?491 Wurde die Sozialauswahl innerhalb des Betriebes ordnungsgemäß durchgeführt?492 Gibt es anderweitige freie Arbeitsplätze im Unternehmen?493 Ggf. rechtzeitig (!) Konsultationspflichten gegenüber dem Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG und Anzeigepflichten nach § 17 KSchG beachten!494 fi Kommt ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht?495 fi Ist der Betriebsrat/Sprecherausschuss ordnungsgemäß angehört worden? (Bei schriftlicher Anhörung, wenn möglich, Schriftstück prüfen.)496 fi Ist die Art der Kündigung (ordentlich/außerordentlich) mitgeteilt worden?497 fi Sind die Sozialdaten des Arbeitnehmers und – bei betriebsbedingter Kündigung – etwaiger vergleichbarer Arbeitnehmer und die Kriterien der Sozialauswahl mitgeteilt worden?498 fi Sind die Kündigungsgründe konkret mitgeteilt worden?499 483 484 485 486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499

Vgl. Einf. Kap. 20 unter Rz. 25 und Rz. 30 f. S. oben unter Rz. 53 ff. S. oben unter Rz. 73 ff. S. oben Rz. 55. S. oben unter Rz. 44 ff. S. oben Rz. 50. S. oben unter Rz. 75 ff. S. oben unter Rz. 126. S. oben unter Rz. 76 ff. Inhaltliche Gestaltungsvorschläge zur Dokumentation der Unternehmerentscheidung gibt Kleinebrink, DB 2008, 1858. S. oben unter Rz. 88 ff. S. oben unter Rz. 84 ff. S. oben unter Rz. 119 ff. S. oben unter Rz. 127 ff. S. oben unter Rz. 22 ff. und Rz. 35. S. oben unter Rz. 22. S. oben unter Rz. 88 ff. S. oben unter Rz. 35 ff.

Lingemann 869

Kap. 22

Beendigungskündigung

fi Sind die Fristen des § 102 BetrVG eingehalten worden?500 fi Wie hat der Betriebsrat reagiert?501 Kann wegen Widerspruchs des Betriebsrats ein Weiterbeschäftigungsanspruch (§ 102 Abs. 5 BetrVG) geltend gemacht werden? fi Der Arbeitgeber sollte bei Fehlern das Anhörungsverfahren (hilfsweise und formgerecht) wiederholen sowie anschließend eine neue (hilfsweise) Kündigung aussprechen.502 fi Ist zweifelhaft, ob es sich um einen leitenden Angestellten handelt, sollten vorsorglich Betriebsrat und Sprecherausschuss gehört werden.503 fi Kann sich der Arbeitnehmer auf besonderen Kündigungsschutz berufen, zB Mutterschutz (§ 9 Abs. 1 MuSchG), Elternzeit (§ 18 Abs. 1 BEEG), Pflegezeit (§ 5 PflegeZG), Familienpflegezeit (§ 9 Abs. 4 FPfZG), schwerbehinderte Menschen (§§ 85 ff. SGB IX), Datenschutz- (§ 4f Abs. 3 BDSG), Immissionsschutzbeauftragten (§ 58 Abs. 2 BImSchG), freiwillig Wehrdienstleistende (§ 2 ArbPlSchG), Beschäftigte im Berufsausbildungsverhältnis (§ 22 Abs. 2 BBiG), tarifliche Alterssicherung, Rationalisierungsschutz oder Betriebsvereinbarung,504 Mitglied oder Ersatzmitglied des Betriebsrats,505 der Jugend- oder Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung/des Seebetriebsrats (§§ 15 KSchG, 103 BetrVG), Mitglieder des Wahlvorstands und Wahlbewerber (§ 17 Abs. 3 KSchG), Initiatoren von Betriebsratswahlen (§ 15 Abs. 3a KSchG)? fi Soweit weder der Kündigungsschutz nach dem KSchG noch Sonderkündigungsschutz eingreift, prüfen, ob Kündigungsschutz nach Art. 12 GG iVm. §§ 138, 242 BGB in Betracht kommt.506 fi Bestehen Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das AGG, also Benachteiligungen aus Gründen von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Identität?507 fi Ist die richtige Kündigungsfrist (Individual-, Tarifvertrag, § 622 BGB) eingehalten worden?508 fi Ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart?509 Falls ja, Folgendes beachten: fi Wirksamkeit (Schriftform, Karenzentschädigung, Dauer, berechtigtes Interesse) prüfen. fi Der Arbeitgeber sollte Verzichtsmöglichkeit nach § 75a HGB beachten. fi Bei außerordentlicher Kündigung Lösungsmöglichkeiten nach § 75 HGB beachten. 500 501 502 503 504 505 506

S. oben unter Rz. 32 ff. S. oben unter Rz. 33. Einzelheiten bei Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. S. oben unter Rz. 35. S. oben unter Rz. 113 ff. S. oben Rz. 34, 114 ff. S. oben unter Rz. 37 f.; ferner BVerfG v. 27.1.1998, BB 1998, 1058; BAG v. 21.2.2001, BB 2001, 1683, PWW/Lingemann, § 620 BGB Rz. 53. 507 S. oben Rz. 39 ff.; ferner Einf. Kap. 13 Rz. 26 ff. 508 S. oben unter Rz. 20 f. 509 Einzelheiten bei Kap. 25.

870 Lingemann

Kap. 22

Beendigungskündigung

fi Bei ordentlicher Arbeitgeberkündigung Problem des § 75 Abs. 2 HGB (erhöhte Karenzentschädigung) prüfen. fi Ausschlussfrist für monatliche Karenzentschädigung beachten.510 fi Besteht Anspruch auf betriebliche Altersversorgung?511 fi Wann wurde die Zusage erteilt? fi Ist die Zusage schon unverfallbar? fi Wenn der Arbeitnehmer Kapitalisierung wünscht, Abfindungsverbot bzw. -grenze des § 3 BetrAVG beachten fi Übertragung auf etwaigen Folgearbeitgeber gewünscht (§ 4 BetrAVG)? fi Auflistung aller sonstigen offenen gegenseitigen Ansprüche der Parteien vornehmen, zB (rückständige) Vergütung (Gratifikation, 13. oder 14. Monatsgehalt, Urlaub und Urlaubsgeld, Provision, Tantieme), Spesenvorschuss, Darlehen, Firmen-Pkw, Umzugs-, Ausbildungskosten, Werkswohnung, (Zwischen-)Zeugnis, Schadensersatz, Arbeitnehmererfinderansprüche, Herausgabe von Arbeitsmitteln (Preis- und Kundenlisten, Muster, Werkzeuge, Angebotsunterlagen, Literatur usw.), Arbeitspapiere (Versicherungsunterlagen, Urlaubsbescheinigung, Bescheinigung nach § 312 SGB III, Bescheinigung nach § 4a Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG). fi Prüfung, ob Ansprüche berührt werden durch fi tarifliche, betriebliche (in Betriebsvereinbarungen) oder individualvertragliche Ausschlussfristen; ggf. Tarifregisterauskunft einholen und/oder Ansprüche form- und fristgerecht geltend machen; fi Bindungsklauseln und Rückzahlungsvorbehalte. fi Muss die Arbeit angeboten werden? fi § 615 BGB, § 11 KSchG beachten.512 fi Ist der Arbeitnehmer auf die Pflicht zur unverzüglichen Meldung bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend nach § 38 Abs. 1 SGB III hingewiesen worden?513 fi Klarheit über (Prozess-)Ziel gewinnen: fi Arbeitnehmer: Will er sich den Arbeitsplatz erhalten oder strebt er eine Abfindung (wichtig für Auflösungsantrag!) an? Sollen oder müssen weitere Ansprüche mit geltend gemacht werden? Weiterbeschäftigungsanspruch nicht vergessen! fi Arbeitgeber: Ist er bereit, notfalls eine Abfindung (in welcher Höhe?) zu bezahlen? Soll mit der Kündigung eine Abfindung nach § 1a KSchG angeboten werden?514 Kommt eine Widerklage (zB wegen Schadensersatz) in Betracht? fi Welches Gericht ist sachlich und örtlich zuständig? Sonderproblem: GmbH & Co. KG-Geschäftsführer und GmbH-Geschäftsführer mit evtl. ruhendem Arbeitsverhältnis. 510 Vgl. BAG v. 17.6.1997, NZA 1998, 258. 511 Einzelheiten bei Kap. 18. 512 Vgl. BAG v. 19.3.2002, BB 2002, 1703; vgl. oben unter Rz. 118; PWW/Lingemann, § 615 BGB Rz. 1 ff. 513 S. oben unter Rz. 129. 514 S. oben unter Rz. 103.

Lingemann 871

Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.1

Zusätzlich für Anwälte: fi Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ermitteln. Bei Kündigungsschutzstreitigkeiten im Rahmen des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG Vierteljahresbezug, nicht: drei Monatseinkommen, auch anteilige Leistungen (zB 13. Monatsgehalt, private Nutzung des Firmen-Pkw, Deputate usw.) berücksichtigen! fi Prüfen, ob eine Rechtsschutzversicherung besteht. Deckungszusage einholen. fi Kommt PKH-Antrag oder Antrag nach § 11a ArbGG in Betracht? fi Vergütungsvereinbarung schließen (schriftliche Erklärung des Auftraggebers, die nicht in der Vollmacht enthalten sein darf, § 3a Abs. 1 RVG). Soll ein Vorschuss verlangt werden? fi Belehrung des Mandanten gemäß § 12a Abs. 1 Satz 2 ArbGG über den Ausschluss der Kostenerstattung! fi Vollmacht unterschreiben lassen.

II. Muster 22.1

u

Ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber1

Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., hiermit kündigen2 wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum . . .3 [Evtl.4] Die Kündigungsgründe sind Ihnen bekannt/die Kündigung erfolgt aus folgenden Gründen . . .5 Der Betriebsrat hat der Kündigung zugestimmt/Bedenken geäußert/widersprochen; seine Stellungnahme fügen wir bei.6 Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeits1 Gemäß § 623 BGB muss die Kündigung, um wirksam zu sein, schriftlich erfolgen. Zu den Einzelheiten vgl. Einf. Rz. 7 ff. 2 Kündigungen müssen wegen ihrer einschneidenden Bedeutung deutlich und zweifelsfrei erklärt werden. 3 Die Kündigungsfristen können sich aus Gesetz (§ 622 BGB), Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Individualvertrag ergeben. Erforderlich ist die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ausreichend ist aber auch ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen Fristenregelungen, wenn der Erklärungsempfänger hierdurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll (BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, PM 41/12), vgl. Einf. Rz. 13, 20 ff. 4 Außer in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen – dazu Einf. Rz. 12 – bedarf die Kündigungserklärung keiner Begründung. 5 Eine ordentliche Kündigung ist auch ohne Angabe der Kündigungsgründe wirksam, es sei denn, die Angabe der Gründe ist individual- oder kollektivrechtlich vorgeschrieben (vgl. zB § 22 Abs. 3 BBiG, § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG). 6 Nach § 102 Abs. 4 BetrVG hat der Arbeitgeber bei Ausspruch einer Kündigung nach Widerspruch des Betriebsrats dem Arbeitnehmer zugleich eine Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten. Unterlässt dies der Arbeitgeber, wird die Kündigung dadurch nicht unwirksam, allerdings kommen – wenn auch selten – Schadensersatzansprüche in Betracht.

872 Lingemann

M 22.2

Beendigungskündigung

Kap. 22

verhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von uns in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.7 (Firma) 7 Die Belehrung ist nicht zwingend, ein Unterlassen des Hinweises hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Einf. Rz. 129).

u

Ordentliche betriebsbedingte Kündigung nach § 1a KSchG durch den Arbeitgeber Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . .,

hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum . . . Die Kündigung wird auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt. Sofern Sie die Klagefrist nach §§ 2, 4 KSchG verstreichen lassen und auch keinen Antrag auf nachträgliche Zulassung nach § 5 KSchG stellen, können Sie eine Abfindung in Höhe von Euro . . . verlangen. Der Betriebsrat hat der Kündigung zugestimmt/Bedenken geäußert/widersprochen; seine Stellungnahme fügen wir bei. Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von uns in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen. (Firma)

Lingemann 873

22.2

Kap. 22

22.3

u

Beendigungskündigung

M 22.3

Ordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer1

Firma . . . z. Hd. der Geschäftsleitung Personalleitung (Ort, Datum) . . . Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum . . .2 ... (Herr/Frau . . .) 1 Gemäß § 623 BGB muss die Kündigung, um wirksam zu sein, schriftlich erfolgen. Zu den Einzelheiten vgl. oben die Einf. Rz. 7 ff. 2 Die Kündigung durch den Arbeitnehmer bedarf keiner Begründung im Kündigungsschreiben.

22.4

u

Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber1

Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos/außerordentlich mit einer Auslauffrist zum . . .2 Die Kündigung erfolgt aus wichtigem Grund3 nach § 626 BGB.4, 5 Der Betriebsrat hat – der Kündigung zugestimmt. oder – gegen die Kündigung Bedenken erhoben, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. 1 Schriftform ist auch hier gesetzlich vorgeschrieben (§ 623 BGB). 2 Ist ein Arbeitnehmer ordentlich nicht kündbar, so kann gleichwohl bei Betriebsstilllegung eine außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer der normalen Kündigungsfrist entsprechenden sozialen Auslauffrist ausgesprochen werden (Einf. Rz. 2, 107); auch bei einer krankheitsbedingten dauernden Unfähigkeit des Arbeitnehmers kommt eine solche Kündigung in Betracht (Einf. Rz. 107). 3 Die Kündigung muss nach § 626 Abs. 2 BGB dem Arbeitnehmer innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsberechtigten von dem wichtigen Grund zugehen. 4 Auf die Mitteilung der Gründe kann der Arbeitgeber zunächst verzichten; auf Verlangen des Arbeitnehmers sind sie aber unverzüglich schriftlich mitzuteilen (§ 626 BGB); andernfalls setzt sich der Arbeitgeber Schadensersatzansprüchen aus. 5 Der Wortlaut des § 1a KSchG schließt das Abfindungsangebot zwar auch bei einer außerordentlichen Kündigung nicht aus. Es dürfte allerdings jedenfalls beim häufigsten Anwendungsfall, der fristlosen Kündigung, nicht greifen, weil diese regelmäßig nicht betriebsbedingt ist. Anders wäre dies nur bei einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer mit sozialer Auslauffrist; hier könnte eine Formulierung wie in M 22.2 verwendet werden.

874 Lingemann

M 22.5

Beendigungskündigung

Kap. 22

oder – der Kündigung widersprochen, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von uns in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.6 ... (Firma) 6 Der Hinweis ist nicht zwingend, ein Unterlassen des Hinweises hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. die Einf. Rz. 129).

u

Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer Firma . . . z. Hd. der Geschäftsleitung Personalleitung

(Ort, Datum)1 . . . Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos aus wichtigem Grund.2, 3 ... (Herr/Frau . . .) 1 Auch der Arbeitnehmer muss die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB einhalten, wenn er eine außerordentliche Kündigung ausspricht. 2 Kündigt der Arbeitnehmer nach § 626 BGB, kann er Schadensersatz unter den Voraussetzungen des § 628 Abs. 2 BGB verlangen. Ist seine außerordentliche Kündigung unwirksam, weil in Wahrheit kein wichtiger Grund vorliegt, wird der Arbeitnehmer vertragsbrüchig; er ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn ihm die Unwirksamkeit bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (BAG v. 15.2.1973, AP Nr. 2 zu § 9 KSchG 1969; v. 24.10.1974, AP Nr. 2 zu § 276 BGB Vertragsverletzung). 3 Auch bei einer außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht von vornherein die Kündigungsgründe offenlegen. Auf dessen Verlangen hat er sie aber unverzüglich schriftlich mitzuteilen (§ 626 Abs. 2 Satz 3 BGB), ein Verstoß hiergegen kann Schadensersatzansprüche begründen.

Lingemann 875

22.5

Kap. 22

22.6

u

Beendigungskündigung

M 22.6

Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber

Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgemäß zum . . .1, 2 Der Betriebsrat hat – der außerordentlichen fristlosen Kündigung zugestimmt. oder – gegen die außerordentliche fristlose Kündigung Bedenken erhoben, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. oder – der außerordentlichen fristlosen Kündigung widersprochen, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. Der Betriebsrat hat ferner – der hilfsweise ordentlichen fristgemäßen Kündigung zugestimmt oder – gegen die hilfsweise ordentliche fristgemäße Kündigung Bedenken erhoben, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. oder – der hilfsweisen ordentlichen fristgemäßen Kündigung widersprochen, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von uns in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.3 ... (Firma) 1 Besteht kein Betriebsrat, kann der Hinweis auf die hilfsweise ordentliche Kündigung unterbleiben. Es reicht dann aus, wenn sich der Arbeitgeber im möglichen Kündigungsschutzprozess darauf beruft, dass die fristlose Kündigung notfalls in eine ordentliche umzudeuten ist. Besteht allerdings ein Betriebsrat, so ist eine hilfsweise ausgesprochene oder durch Umdeutung zu ermittelnde ordentliche Kündigung unwirksam, wenn der Betriebsrat nicht auch dazu nach § 102 BetrVG angehört wurde. 2 Zum (fehlenden) Abfindungsangebot vgl. M 22.2, ferner M 22.4 Fn. 5. 3 Auch ein Unterlassen des Hinweises hat allerdings keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Einf. Rz. 129).

876 Lingemann

M 22.7

Beendigungskündigung

Kap. 22

u

Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber1 Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . .,

hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgemäß zum . . .2, 3 Sie stehen in dem dringendem Verdacht, am . . . und am . . . Beträge von insgesamt Euro . . . zu eigenen Zwecken aus der Kasse unserer Filiale in . . . entnommen zu haben.4 Ihr Verhalten rechtfertigt den dringenden Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung. In der Anhörung vom . . . haben Sie die Vorwürfe bestritten. Wie wir Ihnen in der Anhörung gezeigt haben, gibt es jedoch entsprechende Videobeweise. Die Staatsanwaltschaft hat am . . . Anklage gegen Sie erhoben, sodass sie von einem hinreichendem Tatverdacht ausgeht.5 Aufgrund dessen sprechen wir die außerordentliche fristlose Verdachtskündigung aus. Hilfsweise kündigen wir Ihnen aufgrund des Verdachtes ordentlich mit der vertraglichen Kündigungsfrist von . . . Monaten zum Monatsende, somit zum . . . . [evtl.6] Der Betriebsrat hat – der außerordentlich fristlosen Verdachtskündigung zugestimmt. 1 Zur Betriebsratsanhörung s. M 22.13. 2 Besteht kein Betriebsrat, kann der Hinweis auf die hilfsweise ordentliche Kündigung unterbleiben, solange der Kündigungserklärung hinreichend deutlich zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber unter keinen Umständen an dem Arbeitsverhältnis festhalten will. Es reicht dann aus, wenn sich der Arbeitgeber im möglichen Kündigungsschutzprozess darauf beruft, dass die fristlose Kündigung notfalls in eine ordentliche umzudeuten ist. Besteht allerdings ein Betriebsrat, so ist eine hilfsweise ausgesprochene oder durch Umdeutung zu ermittelnde ordentliche Kündigung unwirksam, wenn der Betriebsrat nicht auch dazu nach § 102 BetrVG angehört wurde. Es ist in jedem Fall ratsam, die hilfsweise ordentliche Kündigung auch im Kündigungsschreiben mitzuteilen, vgl. APS/Preis, 1. Teil, D, VIII, 1. 3 Zum (fehlenden) Abfindungsangebot vgl. M 22.2, ferner M 22.4 Fn. 5. 4 Der Verdacht muss dringend sein und eine Pflichtverletzung von erheblichem Gewicht betreffen. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Pflichtverletzung im Falle ihres Vorliegens eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 608. 5 Der Arbeitgeber darf den Verlauf eines Strafverfahrens abwarten, bevor er Maßnahmen ergreift. Unter Berücksichtigung von § 626 Abs. 2 BGB kann er während des laufenden Verfahrens jedoch nur bei bestimmten Verfahrensstufen kündigen (Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 629 mwN). Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens reicht danach noch nicht aus, da insofern erst ein Anfangsverdacht besteht. Die Anlageerhebung oder der Erlass eines Strafbefehls sind hingegen geeignet, die Kündigungserklärungsfrist (ggf. erneut) auszulösen. Vgl. auch Einleitung, Rz. 50. 6 Eine Pflicht zur Weiterleitung der Stellungnahme des Betriebsrats besteht nur, wenn der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hat (§ 102 Abs. 4 BetrVG). Unterbleibt dann die Weiterleitung, hat dies aber nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge (Richardi/Thüsing, § 102 BetrVG Rz. 191; LAG Köln v. 19.10.2000, MDR 2001, 517; aA Schütte, NZA 2011, 263; Düwell, NZA 1988, 866 ff.). Der Arbeitgeber macht sich jedoch uU schadensersatzpflichtig.

Lingemann 877

22.7

Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.7

oder – gegen die außerordentlich fristlose Verdachtskündigung Bedenken erhoben, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. oder – der außerordentlich fristlosen Verdachtskündigung widersprochen, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. Der Betriebsrat hat ferner – der hilfsweise ordentlich fristgemäßen Verdachtskündigung zugestimmt. oder – gegen die hilfsweise ordentlich fristgemäße Verdachtskündigung Bedenken erhoben, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. oder – der hilfsweisen ordentlich fristgemäßen Verdachtskündigung widersprochen, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von uns in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.7 ... (Firma) 7 Auch ein Unterlassen des Hinweises hat allerdings keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Einf. Rz. 129).

878 Lingemann

M 22.10

Beendigungskündigung

Kap. 22

u

22.8

Außerordentliche Arbeitnehmerkündigung und Lossagung vom Wettbewerbsverbot1 Firma . . . z. Hd. der Geschäftsleitung

(Ort, Datum) . . . Sehr geehrte Damen und Herren, mit Schreiben vom . . . habe ich das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos wegen wichtigen Grundes nach § 626 BGB gekündigt. Hiermit erkläre ich nach § 75 Abs. 1 HGB, dass ich mich an das Wettbewerbsverbot vom . . . als nicht gebunden erachte. (Herr/Frau . . .) 1 Ausführlich dazu M 25.4 mit zahlreichen Anmerkungen.

u

22.9

Aufforderung zur Mitteilung außerordentlicher Kündigungsgründe Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . .,

mit Schreiben vom . . . haben Sie das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt. Wir fordern Sie auf, uns die Kündigungsgründe unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Dazu sind Sie nach § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB verpflichtet. ... (Firma)

u

Kündigungszurückweisung wegen fehlender Vollmachtsvorlage1

22.10

Firma . . . z. Hd. der Geschäftsleitung (Ort, Datum)2 . . . 1 Einzelheiten Einf. Rz. 17, 19. Wird die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Bevollmächtigten des Arbeitgebers ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde (Original) erklärt, kann der Arbeitnehmer die Kündigung gemäß § 174 BGB aus diesem Grund unverzüglich zurückweisen. Bei einer Kündigung durch ein einzelvertretungsbefugtes Organmitglied oder einen Prokuristen mit Einzelprokura ist die Beifügung einer Vollmacht wegen § 15 HGB nicht erforderlich (BAG v. 11.7.1991, NZA 1992, 449). 2 S. Einf. Rz. 19. Für die Berechnung der Unverzüglichkeit ist von der normalen Postlaufzeit und einer angemessenen Überlegungsfrist für die Einholung rechtskundigen Rats auszuge-

Lingemann 879

Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.11

Sehr geehrte Damen und Herren, die Kündigung vom . . ., mir zugestellt am . . ., die von Herrn/Frau . . . mit ppa.3/i.A. unterzeichnet4 worden ist, weise ich mangels Vorlage einer Originalvollmacht gemäß § 174 BGB zurück.5 . . .6 (Herr/Frau)

3

4 5 6

22.11

hen. Abzulehnen ist es, dem Kündigungsempfänger in Anlehnung an § 626 Abs. 2 BGB grundsätzlich eine Frist von zwei Wochen einzuräumen (vgl. aber BAG v. 14.12.1979, NJW 1980, 1302 und v. 3.7.1986, NJW 1981, 1332 für die Anfechtungsfrist nach § 121 BGB). Die Zurückweisung ist hier möglich und sinnvoll, wenn es sich um einen Gesamtprokuristen handelt, der allein unterschrieben hat, ohne die Vollmacht des zweiten Gesamtprokuristen vorzulegen (vgl. OLG Hamm v. 26.10.1990, AnwBl 1991, 340: Vorlage einer Faxkopie der Vollmacht reicht nicht aus!). Der Vorlage einer Vollmachtsurkunde bedarf es nicht bei der Kündigung durch Personalabteilungsleiter (BAG v. 30.5.1972, AP Nr. 1 zu § 174 BGB). Auf Personalsachbearbeiter ist dieser Grundsatz jedoch nicht übertragbar; vgl. Einf. Rz. 18. Die Kündigung ist damit unwirksam, es sei denn, der Vollmachtgeber hatte den Arbeitnehmer (nachweisbar) von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt (§ 174 Satz 2 BGB). Wichtig: Wird die gegen § 174 BGB verstoßende Kündigung durch einen Bevollmächtigten zurückgewiesen, so hat auch dieser eine Vollmachtsurkunde im Original beizufügen. Andernfalls kann auch die Zurückweisung ihrerseits nach § 174 BGB zurückgewiesen werden.

u

Unternehmerentscheidung zur betriebsbedingten Kündigung

Die Unterzeichner bilden die Gesellschafterversammlung der . . . GmbH. Unter Verzicht auf alle Formen und Fristen der Einberufung und Durchführung beschließen sie einstimmig Folgendes: Der Betrieb der . . . GmbH in . . . soll mit Wirkung zum . . . stillgelegt werden. Für diesen Betrieb werden ab sofort keine Aufträge mehr angenommen. Allen Arbeitnehmern des Betriebs soll zum nächstmöglichen Kündigungstermin gekündigt werden. Die Arbeitnehmer werden zur Abarbeitung noch vorhandener Aufträge nur noch während ihrer jeweiligen Kündigungsfristen, höchstens bis zum Stilllegungszeitpunkt, eingesetzt.1 Die Geschäftsführer der . . . GmbH werden angewiesen, die dazu erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. ... (Gesellschafter der . . . GmbH) 1 Einer Stilllegungsentscheidung steht es nicht entgegen, die Arbeitnehmer noch während ihrer Kündigungsfrist zu beschäftigen (BAG v. 18.1.2001, NZA 2001, 719).

880 Lingemann

M 22.12

Beendigungskündigung

Kap. 22

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Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung gemäß § 102 BetrVG1

22.12

An den Betriebsrat z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., wir beabsichtigen, Herrn/Frau . . . verhaltensbedingt zu kündigen. Herr/Frau . . . hat folgende Sozialdaten: Alter . . . Eintrittsdatum in unser Unternehmen . . . Betriebszugehörigkeit . . . Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder . . . Schwerbehinderung . . . Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung von Euro . . . und ist als Kassierer/in tätig. Am . . . haben wir von Herrn . . . Folgendes erfahren2: Herr/Frau . . . hat am . . . einen Betrag von Euro . . . zu eigenen Zwecken aus der Kasse entnommen. Wie Sie wissen, ist er/sie dazu nicht berechtigt. Wir hatten ihn/sie drei Monate vorher bereits abgemahnt, weil er/sie damals einen Betrag von Euro . . . unberechtigt aus der Kasse entnommen hatte. Die Abmahnung fügen wir als Anlage 1 bei. Herr/Frau . . . hat die Pflichtverletzung eingeräumt. Da Herr/Frau . . . sich die Abmahnung offenbar nicht als Warnung hat dienen lassen, beabsichtigen wir nunmehr, ihm/ihr außerordentlich3 fristlos zu kündigen. Dazu bitten wir um Ihre Zustimmung. Wir beabsichtigen ferner, ihm/ihr hilfsweise auch ordentlich fristgemäß zu kündigen mit gesetzlicher Kündigungsfrist von . . ., somit zum . . . Auch dazu bitten wir um Ihre Zustimmung. ... (Unterschrift) 1 Zu den Einzelheiten vgl. die Einf. Rz. 75 ff., 82. 2 Die Tatsachen, aus denen sich die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist (Einzelheiten Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 629) ergibt, muss der Arbeitgeber in der Betriebsratsanhörung mitteilen (LAG Hamm v. 19.5.2008 – 8 Sa 288/08; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/ Fiebig, § 102 BetrVG Rz. 113; kritisch Hertzfeld, FA 2013, 107). Hier hat die Anhörung des Arbeitnehmers zur Verdachtskündigung die Frist ausgelöst. 3 Zwingend ist die Angabe, ob eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung beabsichtigt ist.

Lingemann 881

Kap. 22

22.13

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Beendigungskündigung

M 22.13

Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen Verdachtskündigung1 gemäß § 102 BetrVG2

An den Betriebsrat z. Hd. der/des Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., wir beabsichtigen, gegenüber Herrn . . . eine außerordentliche3 fristlose sowie hilfsweise ordentliche fristgemäße Verdachtskündigung4 auszusprechen. Herr . . . hat folgende Sozialdaten: Alter . . . Eintrittsdatum in unser Unternehmen . . . Betriebszugehörigkeit . . . Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder . . . Schwerbehinderung . . . Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er erhält zurzeit eine Vergütung von Euro . . . und ist als Kassierer tätig. Am . . . erhielten wir von Frau . . . den Hinweis, dass Herr . . . am . . . als Kassierer Beträge zu eigenen Zwecken aus der Kasse unserer Filiale in . . . entnommen habe.5 Wie Sie wissen, haben wir mit Zustimmung des Betriebsrates zur Aufklärung der Ursache erheblicher Kassenfehlbestände Videokameras im Verkaufsbereich installiert.6 Die Auswertung des Videomaterials erfolgte am . . . im Beisein des/der Betriebsratsvorsitzenden und belegt, dass Herr . . . sich mehrmals in auffälliger Weise mit dem Rücken zur Videokamera über die geöffnete Kasse gebeugt hat. Am Abend wies die Kasse einen Fehlbestand von Euro . . . auf. Die weitere Kassiererin, die an diesem Tag an der Kasse tätig war, Frau . . ., legte kein solches Verhalten an den Tag, sie konnte lückenlos beobachtet werden und hat ausweislich der Videoaufnahme keine 1 Der zentrale Unterschied zur Anhörung des Betriebsrates bei einer Tatkündigung besteht darin, dass zwingend dem Betriebsrat auch von der Anhörung des Arbeitnehmers zu dem kündigungsbegründenden Verdacht zu berichten ist (s. Einf., Rz. 51). 2 Zur entsprechenden Kündigung s. M 22.7. 3 Zwingend ist die Angabe, ob eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung beabsichtigt ist. 4 Das Muster befasst sich nur mit der Anhörung zur Verdachtskündigung. Man könnte auch noch vorschalten die Anhörung zu einer Tatkündigung, und nur hilfsweise zur Verdachtskündigung anhören. Die Verdachtskündigung kann vom Arbeitsgericht jedoch in eine Tatkündigung umgedeutet werden, wenn sich der Verdacht im Prozess erhärtet und die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers feststeht, sofern der Arbeitgeber den Betriebsrat von den Umständen unterrichtet hat, welche die Tat begründen (BAG v. 10.6.2010, NZA 2010, 1227). Entscheidend ist daher, dass die Betriebsratsanhörung alle Fakten mitteilt, die auch für eine Tatkündigung von Bedeutung sein können. 5 S. Fn. 7. 6 Eine Videoüberwachung von Mitarbeitern ist auch bei konkreten Verdachtsmomenten nur unter strengen Voraussetzungen zulässig (Einzelheiten s. Einf. Rz. 42).

882 Lingemann

M 22.13

Beendigungskündigung

Kap. 22

Gelder für sich entnommen. Damit besteht der dringende Verdacht gegen Herrn . . ., am . . . Gelder aus der Kasse für sich entnommen zu haben. Dazu bestand keine Berechtigung. Am . . . 7 haben wir Herrn . . . im Beisein des/der Betriebsratsvorsitzenden zu den Vorwürfen angehört8 und ihm im Rahmen der Anhörung auch die Videoaufnahme gezeigt. Das Protokoll seiner Anhörung fügen wir als Anlage 1 bei. Er bestreitet die Tat. Er räumte zwar ein, dass er wisse, dass es die Videokamera gebe, sein Verhalten habe aber nicht dazu gedient, die Entnahme von Geldern zu verdecken; zudem sei noch Frau . . . an dieser Kasse tätig gewesen. Das halten wir aufgrund der Videoaufnahme nicht für stichhaltig, zumal Herr . . . nicht erklären konnte, warum er sich wie geschildert verhalten hat. Der dringende Verdacht ist damit in keiner Weise erschüttert. Auch die Staatsanwaltschaft hat am . . . Anklage gegen Herrn . . . erhoben und geht somit von einem hinreichenden Tatverdacht aus.9 Damit besteht der dringende Verdacht, dass Herr . . . an den genannten Tagen die Gelder aus der Kasse zu eigenen Zwecken entnommen hat. Eine Abmahnung halten wir nicht für erforderlich, da das Vertrauen in Herrn . . ., als Kassierer mit dem ihm anvertrauten Geld in gewissenhafter Weise umzugehen, nachhaltig erschüttert und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts dieses schweren Verdachts ausgeschlossen ist.10 Daher beabsichtigen wir, ihm außerordentlich11 fristlos sowie hilfsweise ordentlich fristgemäß mit der vertraglichen Kündigungsfrist von . . . zum Monatsende, somit zum . . . zu kündigen. Dazu bitten wir um Ihre Zustimmung. 7 Die Tatsachen, aus denen sich die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB (Einzelheiten Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 629) ergibt, muss der Arbeitgeber in der Betriebsratsanhörung mitteilen (LAG Hamm v. 19.5.2008 – 8 Sa 288/08; Fiebig/ Gallner/Mestwerdt/Nägele/Fiebig, § 102 BetrVG Rz. 113; kritisch Hertzfeld, FA 2013, 107). Hier hat die Anhörung des Arbeitnehmers zur Verdachtskündigung die Frist ausgelöst. 8 Die Anhörung des zu kündigenden Arbeitnehmers zu einer außerordentlichen Verdachtskündigung muss in der Regel innerhalb einer Woche erfolgen (BAG v. 2.3.2006, NZA 2006, 1211; vgl. Einf. Rz. 50). Der Betriebsrat muss nach der Anhörung des Arbeitnehmers, aber vor Ausspruch der Kündigung angehört werden. Wird der Betriebsrat nicht nur zur außerordentlichen Kündigung, sondern auch zur hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört, gelten unterschiedliche Stellungnahmefristen (Wochenfrist bei der ordentlichen Kündigung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und Drei-Tage-Frist bei der außerordentlichen Kündigung nach § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Zum Ganzen Lembke, RdA 2013, 82, 91 f. 9 Der Arbeitgeber darf den Verlauf eines Strafverfahrens abwarten, bevor er Maßnahmen ergreift. Unter Berücksichtigung von § 626 Abs. 2 BGB kann er während des laufenden Verfahrens jedoch nur bei bestimmten Verfahrensstufen kündigen (weitere Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 629 mwN). Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens reicht dazu noch nicht aus, da insofern erst ein Anfangsverdacht besteht. Die Erhebung der öffentlichen Klage oder der Erlass eines Strafbefehls sind hingegen geeignet, die Kündigungserklärungsfrist (ggf. erneut) auszulösen, vgl. auch Einf. Rz. 50, 109. 10 Vgl. BAG v. 25.10.2012, NZA 2013, 319 zur Entbehrlichkeit der Abmahnung bei der Tatkündigung, ferner Einf. Rz. 45. 11 Zwingend ist die Angabe, ob eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung beabsichtigt ist.

Lingemann 883

Kap. 22

22.14

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Beendigungskündigung

M 22.14

Anhörung des Betriebsrats zur ordentlich fristgemäßen personenbedingten Kündigung gemäß § 102 BetrVG1

An den Betriebsrat z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., wir beabsichtigen, Herrn/Frau . . . personenbedingt ordentlich mit gesetzlicher Kündigungsfrist von . . . Monaten zum Monatsende, somit zum . . ., zu kündigen. Herr/Frau . . . hat folgende Sozialdaten: Alter . . . Eintrittsdatum in unser Unternehmen . . . Betriebszugehörigkeit . . . Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder . . . Schwerbehinderung . . . Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung von Euro . . . und ist tätig als . . . in der Abteilung ... Herr/Frau . . . wies in den vergangenen drei Jahren die in der Anlage 1 aufgeführten Krankheitszeiten auf. Daraus ersehen Sie, dass er/sie in allen drei Jahren durch zahlreiche Kurzerkrankungen jeweils mehr als zwei Monate pro Jahr arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Die Ursachen der Erkrankungen sind uns nicht bekannt. Auf Grund der Erkrankungen in der Vergangenheit gehen wir davon aus, dass Herr/Frau . . . auch in Zukunft in vergleichbarem Umfang krank sein wird. Wir haben in der Anlage 1 gleichzeitig angegeben, für welche der Krankheitszeiten wir in welcher Höhe Entgeltfortzahlung geleistet haben. Daraus ersehen Sie, dass Herr/ Frau . . . für sämtliche Krankheitszeiten Entgeltfortzahlung von uns erhalten hat. Dies ist eine wirtschaftliche Belastung, die uns künftig nicht mehr zumutbar ist. Alternativ oder kumulativ zum vorstehenden Absatz: Herr/Frau . . . ist Linienführer im Bereich . . . Durch die häufigen Kurzerkrankungen entstehen Produktionsausfälle im Umfang von . . . Stunden bei Anlaufen der Schicht. Diese Zeit ist erforderlich, um einen Vertreter als Linienführer einzusetzen. Gleichzeitig entstehen erhebliche Mehrkosten durch die Mehrarbeit, die die Vertreter jeweils erbringen müssen.2 Diese erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen sind uns künftig (gleichfalls) nicht mehr zumutbar. 1 Vgl. Einf. Rz. 73. 2 Alternativ zu den erheblichen wirtschaftlichen Belastungen durch Entgeltfortzahlungskosten (dazu Einf. Rz. 56 ff.) können die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen auch durch Betriebsablaufstörungen dargelegt werden. An diese Darlegungen sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Es ist zweifelhaft, ob die Angaben in der Betriebsratsanhörung alleine eine darauf gestützte Kündigung tragen würden. Die Betriebsablaufstörungen sind umfassend darzulegen. Zu empfehlen ist immer auch, die Entgeltfortzahlungskosten aufzunehmen und darauf – sofern die Höhe eine Kündigung rechtfertigt – die Kündigung auch in erster Linie zu stützen.

884 Lingemann

M 22.15

Beendigungskündigung

Kap. 22

Uns sind keine Gesichtspunkte bekannt, die eine besondere Schutzwürdigkeit von Herrn/Frau . . . im Rahmen einer Interessenabwägung begründen könnten. Weder weist er/sie eine besonders lange Betriebszugehörigkeit auf noch außergewöhnliche Unterhaltspflichten, noch gab es jemals einen längeren ungestörten Verlauf des Arbeitsverhältnisses. Insoweit ersehen Sie aus der Anlage 1 gleichfalls, dass Herr/Frau . . . seit Beginn des Arbeitsverhältnisses in jedem Jahr mehrere Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben war, wenn auch nicht im selben Umfang wie in den vergangenen drei Jahren.3 Wie Sie wissen, haben wir mit Ihrer Beteiligung ferner ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt. In dessen Rahmen haben sich keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben, mit denen die jetzt beabsichtigte Kündigung vermieden werden könnte.4 oder Wir haben Herrn/Frau . . . mit dem als Anlage 2 beigefügten Schreiben5 die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements angeboten, Herr/Frau . . . hat dies jedoch mit als Anlage 3 beigefügtem Schreiben abgelehnt.6 Wir bitten Sie, der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. ... (Unterschrift) 3 4 5 6

Vgl. Einf. Rz. 56, 61.3. S. Einf. Rz. 55 m. Anm. S. M 15.5. S. M 15.5, Antwortteil, 2. Alternative.

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Anhörung des Betriebsrats zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Kündigung gemäß § 102 BetrVG1

22.15

An den Betriebsrat z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., wir beabsichtigen, Herrn/Frau . . . betriebsbedingt ordentlich mit gesetzlicher Kündigungsfrist von . . . Monaten zum Monatsende, somit zum . . . zu kündigen. Herr/Frau . . . hat folgende Sozialdaten: Alter . . . Eintrittsdatum in unser Unternehmen . . . Betriebszugehörigkeit . . . Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder . . . 1 Vgl. Einf. Rz. 101 f.

Lingemann 885

Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.15

Schwerbehinderung . . . Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung von Euro . . . und ist tätig als . . . in der Abteilung ... Mit Beschluss vom . . . hat die Gesellschafterversammlung entschieden, die Abteilung . . . zum . . . stillzulegen. Auf Grund dessen fällt der dortige Arbeitsplatz von Herrn/Frau . . . zum . . . weg. Wir haben die Sozialauswahl gemäß anliegender Liste betriebsweit durchgeführt.2 Aus der Liste ersehen Sie die einbezogenen vergleichbaren Arbeitnehmer und deren Sozialdaten. Wir haben die Arbeitnehmer in der Reihenfolge ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit geordnet. Damit ist Herr/Frau . . . nach Herrn A am wenigsten sozial schutzbedürftig, da er/sie die kürzeste Betriebszugehörigkeit, das geringste Alter und keine Unterhaltspflichten hat. Nur Herr A ist noch weniger sozial schutzbedürftig. Da er aber als Einziger über die für unser Unternehmen unabdingbaren Kenntnisse des Betriebssystems für unsere Buchhaltungssoftware verfügt, die er selbst installiert hat, ist er nach unserer Auffassung mit den anderen Arbeitnehmern schon nicht sozial vergleichbar. Wir können auf seine Weiterarbeit unter keinen Umständen verzichten. Er war daher jedenfalls nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von der Sozialauswahl auszunehmen.3 Einen anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen gibt es nicht.4 Wir bitten Sie, der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. ... (Unterschrift) 2 Auch wenn der Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Beweislast für die fehlerhafte Sozialauswahl trägt, muss der Arbeitgeber dazu in der Betriebsratsanhörung schon Stellung nehmen. 3 Soweit eine Herausnahme aus der Sozialauswahl beabsichtigt ist, muss diese gegenüber dem Betriebsrat offen gelegt und auch erläutert werden. Die Herausnahme ist allerdings stets mit erheblichen Risiken verbunden; vgl. Einf. Rz. 98. 4 Es ist nicht sicher, ob auch Angaben zur fehlenden anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit in die Betriebsratsanhörung aufgenommen werden müssen; jedenfalls ist dies der Fall, wenn der Betriebsrat vor der Anhörung bereits auf konkrete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten hingewiesen hatte (Einzelheiten vgl. Einf. Rz. 99). Die vorsorgliche Aufnahme ist zu empfehlen.

886 Lingemann

M 22.16

Beendigungskündigung

Kap. 22

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Anhörung des Betriebsrates zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Änderungskündigung sowie alternativ zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Beendigungskündigung gemäß § 102 BetrVG1, 2

22.16

An den Betriebsrat z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr . . ., Im Zuge der geplanten Maßnahmen zur Veräußerung des Betriebes an X (im Folgenden: „Erwerber“) und Verlagerung des Betriebes nach B beabsichtigen wir, Herrn/ Frau . . . die ordentliche fristgemäße betriebsbedingte Änderungskündigung seines/ ihres durch Betriebsteilübergang auf den Erwerber übergehenden Arbeitsverhältnisses auszusprechen. Sollte Herr/Frau . . . dem Übergang seines/ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber im Laufe der Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB wirksam widersprechen, werden wir statt der Änderungskündigung eine ordentliche fristgemäße betriebsbedingte Beendigungskündigung aussprechen müssen. Zu diesen Kündigungen hören wir Sie hiermit an. Herr/Frau . . . hat folgende Sozialdaten: Alter . . . Eintrittsdatum in unser Unternehmen . . . Betriebszugehörigkeit . . . Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder . . . Schwerbehinderung . . . Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung von Euro . . . und ist tätig als . . . in der Abteilung ... Ein Widerspruch von Herrn/Frau . . . gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses liegt bis jetzt nicht vor. Die Widerspruchsfrist ist jedoch noch nicht abgelaufen und es besteht noch die Möglichkeit des Widerspruchs. Es ist derzeit nicht absehbar ist, ob ein Widerspruch erfolgen wird. Das weitere Vorgehen bestimmt sich daher in Abhängigkeit davon, ob Herr/Frau dem Übergang des Arbeitsverhältnisses infolge des Betriebsübergang widerspricht oder nicht, wie folgt:

1 Vgl. Einf. Rz. 102a; folgender Sachverhalt liegt dem Muster zugrunde (vgl. BAG v. 22.4.2010, NZA-RR 2010, 583): Der Betrieb des Veräußerers geht auf einen Erwerber an einem anderen Ort nach § 613a BGB über. Beim Veräußerer verbleibt kein Betrieb oder Betriebsteil. Der Arbeitgeber beabsichtigt daher, (1) für den Fall, dass der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang nicht widerspricht, ihm eine Änderungskündigung, gerichtet auf die Aufnahme der Tätigkeit beim Erwerber an einem anderen Ort, auszusprechen, und (2) für den Fall, dass er widerspricht, eine Beendigungskündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes beim Veräußerer. Die Anhörung betrifft beide Kündigungen. 2 Vgl. Einf. Rz. 102a.

Lingemann 887

Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.17

– Widerspricht Herr/Frau . . . dem Übergang seines/ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber im Laufe der Widerspruchsfrist nicht, geht sein/ihr Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsübergang am . . . auf den Erwerber über. Da der Erwerber seinen Sitz in B hat, beabsichtigen wir in diesem Falle, am . . . eine ordentliche fristgemäße betriebsbedingte Änderungskündigung gemäß anliegendem Entwurf3 zur Fortführung der Tätigkeit in B zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen auszusprechen.4 – Widerspricht Herr/Frau dem Übergang seines/ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber im Laufe der Widerspruchsfrist, beabsichtigen wir, Herrn/Frau . . . betriebsbedingt ordentlich mit gesetzlicher Kündigungsfrist von . . . Monaten zum Monatsende, somit zum . . . zu kündigen. Infolge der geplanten Maßnahmen fällt der Arbeitsplatz von Herrn/Frau . . . in A weg. Da der Betrieb in A nicht fortgeführt wird, ist auch eine Sozialauswahl nicht durchzuführen. Unser Unternehmen hat keine weiteren Betriebe, daher besteht auch kein anderweitiger freier Arbeitsplatz, auf dem Herr/Frau . . . eingesetzt werden könnte.5 Wir bitten Sie, den beabsichtigten Kündigungen zuzustimmen.6 (Unterschrift) 3 Vgl. M 20.1. 4 Dabei ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Änderungskündigung wegen des Übergangs des Betriebes erfolgt und deshalb gemäß § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam ist. Vgl. Einf. Kap. 60 Rz. 38 f. 5 Es ist nicht sicher, ob auch Angaben zur fehlenden anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit in die Betriebsratsanhörung aufgenommen werden müssen; jedenfalls ist dies der Fall, wenn der Betriebsrat vor der Anhörung bereits auf konkrete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten hingewiesen hatte (Einzelheiten vgl. Einf. Rz. 99). Die vorsorgliche Aufnahme ist zu empfehlen. 6 Der Anhörung sollte zweckmäßigerweise der Antrag auf Zustimmung nach § 99 BetrVG beigefügt werden (so auch im Fall BAG v. 22.3.2010, NZA-RR 2010, 583, vgl. Sachverhalt im Berufungsurteil LAG Hamburg v. 24.7.2008 – 7 Sa 33/08); vgl. M 20.4.

22.17

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Kündigungsschutzklage mit Weiterbeschäftigungsantrag

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 1 S. M 101.1 und M 101.2. Wichtig: Wird im Kündigungsschutzprozess irrtümlich eine Gesellschaft verklagt, die tatsächlich nicht Vertragsarbeitgeber ist (was insbesondere bei verschachtelten Konzernverhältnissen mit ähnlich klingenden Konzernunternehmen schnell vorkommt), kommt regelmäßig eine einfache Berichtigung des Rubrums nicht in Betracht, sondern es muss die Klage zurückgenommen und neu gegen den richtigen Arbeitgeber erhoben werden. Wegen der Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 7 KSchG ist das dann aber oft nicht mehr möglich. Schüt-

888 Lingemann/Diller

M 22.17

Beendigungskündigung

Kap. 22

vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:2 1. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom . . . nicht zum . . . endet.3 2. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den . . . hinaus fortbesteht.4 zen kann sich der Arbeitnehmer zum einen dadurch, dass er vorsorglich Arbeitsvertrag und Kündigungsschreiben der Klage beifügt (s. Fn. 9). Bestehen dagegen schon bei Klageerhebung Zweifel darüber, wer der richtige Arbeitgeber ist, sollten vorsorglich alle in Betracht kommenden Unternehmen gemeinsam verklagt werden. Zeigt sich im Laufe des Verfahrens, wer der richtige Arbeitgeber ist, können die Klagen gegen die übrigen Unternehmen ohne große Kostennachteile (§ 12a ArbGG) zurückgenommen werden (zum Sonderproblem der GbR s. auch M 101.1 Fn. 9). 2 Zu den Vor- und Nachteilen der Verbindung der Kündigungsschutzklage mit der Klage auf (rückständige oder künftige) Vergütung s. die Erläuterungen zu M 22.29, Fn. 5 u. 6. 3 Nach ständiger Rechtsprechung des BAG gilt für Kündigungsschutzklagen nach § 4 KSchG die Theorie des „punktuellen Streitgegenstands“ (seit BAG v. 13.11.1958, AP Nr. 17 zu § 3 KSchG; weitere Nachweise bei KR/Friedrich, § 4 KSchG Rz. 225 ff. m.umf.N; ausführlich Stahlhacke, FS Wlotzke, 1996, S. 173 ff.). Streitgegenstand ist grundsätzlich nur die Auflösung bzw. Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses gerade durch die angegriffene Kündigung und zu dem in ihr vorgesehenen Termin. Streitgegenstand ist dagegen nicht der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (BAG v. 13.11.1958, AP Nr. 17 zu § 3 KSchG 1951; v. 12.6.1986, NZA 1987, 273; aus der Literatur statt aller KR/ Friedrich, § 4 KSchG Rz. 225 ff. m.umf.N zur Gegenmeinung). Deshalb darf sich der Klageantrag im Kündigungsschutzverfahren nicht darauf beschränken, dass festgestellt werden soll, dass „das Arbeitsverhältnis noch ungekündigt weiterbesteht“ oÄ. Aus der Theorie vom „punktuellen Streitgegenstand“ folgt weiter, dass spätere weitere Kündigungen vom ursprünglichen punktuellen Klageantrag nach § 4 KSchG nicht erfasst werden, sondern gesondert angegriffen werden müssen. Werden derartige Kündigungen erst nach Ablauf der DreiWochen-Frist entdeckt, sind sie nach § 7 KSchG nicht mehr wegen Verstoßes gegen das KSchG angreifbar. Um dieses Risiko auszuschalten, wurde der „allgemeine Feststellungsantrag“ entwickelt. Man beantragte nicht nur die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die konkret angegriffene Kündigung nicht aufgelöst wird, sondern fügte diesem Antrag noch die Floskel „sondern zu unveränderten Bedingungen über den . . . hinaus fortbesteht“ an. Nach langem Schwanken entschied der 2. Senat des BAG mit Urteil v. 21.1.1988 (NZA 1988, 651), diese Floskel enthalte eine selbständige allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO. Mit dieser Klage seien automatisch weitere Kündigungen erfasst, die der Arbeitgeber bis zur letzten mündlichen Verhandlung ausspreche, und zwar unabhängig davon, wann sie in den Prozess eingeführt würden (sog. „Schleppnetztheorie“, BAG v. 21.1.1988, NZA 1988, 651; v. 16.8.1990, NZA 1991, 141; v. 27.1.1994, NZA 1994, 812). In seinem Urteil v. 27.1.1994 (NZA 1994, 812) entschied dann allerdings das BAG, es müsse sorgfältig im Einzelfall geprüft werden, ob mit der Floskel tatsächlich eine selbständige allgemeine Feststellungsklage erhoben sei. Noch restriktiver zeigte sich wenige Wochen später der 8. Senat in seiner Entscheidung v. 16.3.1994 (NZA 1994, 860). Für die Praxis bedeutet dies, dass im Kündigungsschutzprozess stets zwei getrennte Anträge gestellt werden sollten, nämlich zum einen der punktuelle Klageantrag nach § 4 KSchG (hier Ziff. 1), und daneben der allgemeine Feststellungsantrag (mit entsprechender Begründung!) nach § 256 ZPO (hier Ziff. 2; vgl. auch unten Fn. 5, 6, 13). 4 Nach richtiger Auffassung erhöht der „Schleppnetz-Antrag“ den Streitwert des § 42 Abs. 3 GKG jedenfalls dann nicht, wenn er nur vorsorglich gestellt war und zwischen den Parteien keine weiteren Beendigungstatbestände streitig waren (LAG Rh.-Pf. v. 22.5.2009, AE 2009, Nr. 415).

Diller

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.17

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Abteilungsleiter im Vertrieb im Werk . . . weiter zu beschäftigen.5, 6 Begründung: Die Bekl. ist ein Unternehmen, das vor allem in der . . .-Verarbeitung tätig ist. Sie beschäftigt ständig mehr als zehn Arbeitnehmer.7 Der Kl. ist seit dem . . . bei der Beklagten als Abteilungsleiter im Vertrieb im Werk . . . tätig. Grundlage der Tätigkeit ist der Dienstvertrag vom . . . (Anlage K 1). Die Gesamtbezüge des Kl. beliefen sich zuletzt auf ca. Euro . . . p.a.8 Dem Kl. wurde am . . . vom Personalleiter eine Kündigung zum . . . ausgehändigt.9 Beweis: Kündigungsschreiben vom . . ., Anlage K 2. Kündigungsgründe gemäß § 1 KSchG liegen offensichtlich nicht vor.10 Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bzw. des Sprecherausschusses wird mit Nichtwissen bestritten.11 Die Bekl. mag dazu vortragen. Der Klageantrag Ziff. 2 beinhaltet eine selbständige allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO.12 Dem Kl. sind zwar derzeit keine anderen möglichen Beendigungs5

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Praxistipp: Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG (v. 27.2.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) kann der Arbeitnehmer auch nach Ablauf der Kündigungsfrist Weiterbeschäftigung verlangen, wenn er in der ersten Instanz mit seiner Kündigungsschutzklage obsiegt. Der Antrag sollte stets bereits in der Klageschrift gestellt werden, weil nur dann bei Säumnis des Arbeitgebers in der Güteverhandlung ein Versäumnisurteil auf Weiterbeschäftigung beantragt werden kann. Allerdings ist die Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherung bei frühzeitiger Antragstellung fraglich. Im Weiterbeschäftigungsantrag müssen stets die Art der Tätigkeit, die Bedingungen sowie der Arbeitsort angegeben werden, da ansonsten die Vollstreckbarkeit mangels hinreichender Bestimmtheit des Titels fehlen kann (ausf. BAG v. 15.4.2009, NZA 2009, 917). Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO (s. M 108.7). Je nach Art und Größe des (möglicherweise gerichtsbekannten) Unternehmens mag es unnötig erscheinen, zur Überschreitung des Schwellenwerts nach § 23 KSchG vorzutragen. Fehlt der Vortrag, ist die Klage jedoch unschlüssig, so dass bei Säumnis des Arbeitgebers in der Güteverhandlung kein Versäumnisurteil ergehen kann. Die Angabe des Gehalts ist nicht zwingend, erleichtert aber dem Gericht die Streitwertfestsetzung (§ 42 Abs. 3 GKG) sowie die Erarbeitung von Vergleichsvorschlägen. Gerade bei verschachtelten Konzernsachverhalten ist mitunter unklar, wer vertraglicher Arbeitgeber und damit richtiger Beklagter der Kündigungsschutzklage ist. Fehler können nach Ablauf der Klagefrist der §§ 4, 7 KSchG nicht mehr repariert werden. Wenn sich jedoch aus den Anlagen ergibt, wer der „richtige“ Arbeitgeber ist, kann das Gericht auslegen (BAG v. 15.1.2001, DB 2001, 1680). Deshalb sollten immer Arbeitsvertrag und insbesondere Kündigungsschreiben als Anlage beigefügt werden. Praxistipp: Dieser Vortrag ist erforderlich, um ggf. Versäumnisurteil beantragen zu können. Detaillierter Vortrag zu den vermeintlichen (oder im Kündigungsschreiben genannten) Kündigungsgründen ist allerdings nicht ratsam. Taktisch klüger ist es, zunächst den Arbeitgeber vortragen zu lassen. Wichtig: Das vorsorgliche Bestreiten der ordnungsgemäßen Anhörung der Arbeitnehmervertretung ist erforderlich, da sonst der Arbeitgeber nichts zur Betriebsratsanhörung vortragen muss. Wichtig: Diese Ausführungen sind unbedingt erforderlich, da nach der unklaren und in sich nicht widerspruchsfreien Rechtsprechung der BAG-Senate (v. 27.1. und 16.3.1994, NZA 1994, 812, 860; ausf. dazu Diller, NZA 1994, 830) nicht automatisch davon auszugehen ist, dass zusätzlich zu dem nach §§ 4, 7 KSchG erforderlichen punktuellen Klagean-

890 Diller

M 22.18

Beendigungskündigung

Kap. 22

tatbestände außer der mit dem Klageantrag Ziff. 1 angegriffenen Kündigung bekannt. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Bekl. im Verlauf des Verfahrens weitere Kündigungen ausspricht. Es wird deshalb mit dem Klageantrag Ziff. 2 die Feststellung begehrt, dass das Anstellungsverhältnis auch durch solche weiteren Kündigungen nicht beendet wird. Der Klageantrag Ziff. 3 wird im Hinblick auf die Rechtsprechung des Großen Senats des BAG (v. 27.2.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) gestellt. ... (Unterschrift)13 trag (Ziff. 1) auch noch ein allgemeiner Feststellungsantrag nach § 256 ZPO gestellt ist. Nur ein solcher allgemeiner Feststellungsantrag bezieht aber eventuelle spätere Kündigungen in das Verfahren mit ein. Ohne einen solchen Antrag besteht die Gefahr, dass nachfolgende Kündigungen (insbesondere in Schriftsätzen) übersehen und nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 7 KSchG angegriffen werden (ausf. dazu Bitter, NZA 1997, 1407 „Schleppnetztheorie“). 13 Der Streitwert beträgt gemäß § 42 Abs. 3 GKG einen Vierteljahresbezug, bei nur kurzer Dauer des Anstellungsverhältnisses kann ein geringerer Streitwert angesetzt werden (zB LAG Rh.-Pf. v. 22.5.2009, AE 2009, Nr. 415 und 28.12.2011, NZA-RR 2012, 155). Entgegen einem verbreiteten Irrtum (der Anwälte viel Geld kostet!) sind also nicht nur drei Bruttomonatsgehälter anzusetzen, sondern auch anteilige Sonderzahlungen, Weihnachtsgelder, Tantiemen, Boni, geldwerte Vorteile aus Dienstwagennutzung etc. Zum Streitwert verbundener Anträge s. auch die Erläuterungen in Fn. 4. Werden, was häufig vorkommt, mit einer Klage mehrere Kündigungen angegriffen, handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände mit der Folge, dass sich die Streitwerte grundsätzlich addieren. Aus diesem Grunde ziehen es manche Anwälte vor, jede neue Kündigung mit gesonderter Klage anzugreifen, statt die bereits anhängige Kündigungsschutzklage zu erweitern. Das ist zwar gebührenmäßig vorteilhaft, weil sich bei getrennten Verfahren die Gegenstandswerte nicht addieren (BAG v. 19.10.2010 – 2 AZN 194/10), was wegen der degressiven Gebühren für den Anwalt günstiger ist. Allerdings werden die Verfahren dann schnell unübersichtlich und vor allem drohen hochkomplizierte Verwicklungen hinsichtlich der Reichweite der Rechtskraft. Deshalb ist die Zusammenziehung in einem einheitlichen Verfahren regelmäßig der bessere Weg.

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Klage gegen Kündigung bei Unanwendbarkeit des KSchG1

22.18

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger.

1 Die dreiwöchige Klagefrist der §§ 4, 7 KSchG gilt seit 2004 auch in Kleinbetrieben iSd. § 23 KSchG. Zu den Einzelheiten der Klageanträge s. M 22.17. 2 S. M 101.1 und M 101.2.

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.18

Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25.3. . . . weder zum 30.6. . . . noch zum 31.10. . . . endet. 2. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.10. . . . hinaus fortbesteht. 3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als kaufmännischen Leiter im Betrieb in . . . weiter zu beschäftigen. Begründung: Die Bekl. ist eine Werbeagentur mit insgesamt fünf Mitarbeitern. Der Kl. seit dem . . . bei der Bekl. als kaufmännischer Leiter tätig. Grundlage seiner Tätigkeit ist der Dienstvertrag vom . . . (Anlage K 1). Die Gesamtbezüge des Kl. beliefen sich zuletzt auf ca. Euro . . . p.a. Dem Kl. wurde am 25.3. . . . vom Geschäftsführer eine Kündigung zum 30.6. . . . ausgehändigt. Beweis: Kündigungsschreiben vom 25.3. . . ., Anlage K 2. Die Kündigung ist unwirksam. Sie verstößt gegen § 612a BGB. Der Kl. hat drei Tage vor Ausspruch der Kündigung zu einer Betriebsversammlung eingeladen, auf der ein Wahlvorstand zur Errichtung eines Betriebsrats gebildet werden sollte. Die Bekl. hat dies offensichtlich zum Anlass genommen, dem Kl. zu kündigen, um die Bildung des Betriebsrats zu verhindern.3 Im Übrigen dürfte die Kündigung auch an § 85 SGB IX scheitern. Der Kl. leidet seit längerem an einem schweren Rückenleiden. Er hat bereits zwei Monate vor Ausspruch der Kündigung beim zuständigen Versorgungsamt die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch beantragt. Es ist davon auszugehen, dass der Kl. in Kürze mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 % anerkannt werden wird. Von der bereits vor Ausspruch der Kündigung erfolgten Antragstellung informierte der Kl. die Bekl. unverzüglich nach Ausspruch der Kündigung mit Einschreiben vom . . . Beweis: Schreiben vom . . ., Anlage K 3. Schließlich ist auch die Kündigungsfrist nicht eingehalten. Die Kündigung ist offenbar mit der im Anstellungsvertrag vorgesehenen Frist von drei Monaten ausgesprochen worden. Die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB sind jedoch nicht einzelvertraglich abdingbar. Auf Grund seiner mehr als 20-jährigen Betriebszugehörigkeit galt für den Kl. also eine Kündigungsfrist von sieben Monaten. Die Kündigung hätte somit allenfalls zum 31.10. . . . wirksam werden können.4

3 Für die Behauptung, die Kündigung sei eine verbotene Sanktion für die Ausübung von Rechten iSd. § 612a BGB, trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden kann aber ein Anscheinsbeweis (Prima-facie-Beweis) in Betracht kommen. 4 Eine Kündigung mit einer zu kurzen Kündigungsfrist ist nicht unwirksam. Sie ist vielmehr umzudeuten in eine wirksame Kündigung zum nächstzulässigen Zeitpunkt (hier der 31.10. . . .).

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M 22.19

Beendigungskündigung

Kap. 22

... (Unterschrift)5 5 Auch bei Nichtanwendbarkeit des KSchG ergibt sich der Streitwert aus § 42 Abs. 3 GKG (Vierteljahresbezug, s. M 22.17 Fn. 14). Deshalb ist die Angabe der Vergütung in der Klageschrift sinnvoll.

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Kündigungsschutzklage bei betriebsbedingter Kündigung

22.19

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: (Klageanträge 1.–3. wie M 22.17)2 Begründung: Die Bekl. ist ein Maschinenbauunternehmen mit einem Werk in X mit 400 Beschäftigten und einem Werk in Y mit 500 Beschäftigten. Der Kl. war im Werk X seit . . . als Montagearbeiter mit einem Gehalt von zuletzt Euro . . . beschäftigt. Ein Betriebsrat besteht in beiden Werken nicht. Die Bekl. hat im März . . . der Belegschaft des Werkes X in einer Belegschaftsversammlung mitgeteilt, wegen anhaltenden Auftragsmangels müssten 100 Arbeitsplätze im Werk X abgebaut werden. Drei Tage später, am . . ., erhielt der Kl. eine betriebsbedingte Kündigung zum . . . Im Kündigungsschreiben war angegeben, dass dem Kl. wegen Auftragsmangels im Zuge der bekannt gegebenen Personalreduzierung gekündigt werden müsse. Beweis: Kündigungsschreiben vom . . ., Anlage K 1 Es wird bestritten, dass die von der Bekl. behaupteten betrieblichen Kündigungsgründe vorliegen. Im Übrigen wird bestritten, dass die Bekl. eine korrekte Sozialauswahl vorgenommen hat. Die Bekl. wird hiermit aufgefordert, die Gründe mitzuteilen, die für die von ihr getroffene soziale Auswahl maßgebend waren. Insbesondere wird die Bekl. zur Mitteilung aufgefordert, mit welchen anderen Mitarbeitern sie den Kl. verglichen hat.3 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Vgl. dazu die allgemeinen Erläuterungen zum M 22.17. 3 Praxistipp: Bei der betriebsbedingten Kündigung gibt es Ausnahmen von dem bei personen- und verhaltensbedingten Gründen geltenden Grundsatz, dass der Arbeitnehmer in der Klageschrift so wenig wie möglich vortragen und sich darauf beschränken sollte, das Vorliegen von Kündigungsgründen mit Nichtwissen zu bestreiten. Zum einen muss der Arbeitgeber im Prozess zu den Einzelheiten der Sozialauswahl und insbesondere zu dem

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.20

Im Übrigen ist die Kündigung auch schon deshalb unwirksam, weil der Kl. im Werk Y zu unveränderten Konditionen hätte weiterbeschäftigt werden können. Die Bekl. sucht für ihr Werk Y derzeit einen Maschineneinrichter. Beweis: Stellenanzeige in der . . . Zeitung vom . . ., Anlage K 2 Für diese Position wäre der Kl. bestens geeignet, da er bis zum Jahr . . . als Maschineneinrichter tätig war. Der Kl. wäre auch bereit, nach Y umzuziehen.4 ... (Unterschrift) von ihm für vergleichbar gehaltenen Personenkreis nur dann vortragen, wenn der Arbeitnehmer dies verlangt (BAG v. 21.7.1988, NZA 1989, 264). Hat der Arbeitgeber auf Aufforderung entsprechend vorgetragen, ist es dann Sache des Arbeitnehmers, darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitgeber nicht alle vergleichbaren Mitarbeiter in die Sozialauswahl einbezogen und/oder soziale Gesichtspunkte nicht hinreichend oder unrichtig berücksichtigt hat (BAG v. 24.3.1983, NJW 1984, 78 und v. 21.7.1988, NZA 1989, 264). 4 Ähnliches wie für die Sozialauswahl (vgl. oben Fn. 3) gilt für die mögliche Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz nach § 1 Abs. 2 KSchG. Weder hat der Arbeitgeber darzulegen, dass die Weiterbeschäftigung nicht möglich war, noch kann sich der Arbeitnehmer mit der pauschalen Behauptung begnügen, es gäbe im Betrieb oder in anderen Betrieben des Unternehmens freie Arbeitsplätze. Vielmehr muss der Arbeitnehmer konkret einzelne Arbeitsplätze benennen, auf denen er eine Weiterbeschäftigung für möglich hält. Es ist dann Sache des Arbeitgebers darzulegen, dass auf diesen Arbeitsplätzen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist. Entgegen dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG macht die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf anderen Arbeitsplätzen desselben oder eines anderen Betriebes des Unternehmens die Kündigung nicht nur dann unwirksam, wenn der Betriebsrat widersprochen hat. Auch wenn kein Betriebsrat existiert oder dieser nicht widersprochen hat, ist bei Bestehen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit die Kündigung unwirksam. Es kommt auch nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer von sich aus vor der Kündigung Weiterbeschäftigung verlangt hat. Vielmehr muss der Arbeitgeber von sich aus die Weiterbeschäftigung anbieten, wenn Arbeitsplätze frei sind (BAG v. 27.9.1984, EzA § 2 KSchG Nr. 5).

22.20

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Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: (Ziff. 1.–3. s. M 22.17)2 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Wichtig: Der Antrag auf nachträgliche Zulassung nach § 5 KSchG muss mit der Klageerhebung verbunden werden; ist die Klage bereits eingereicht, ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

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M 22.20

Beendigungskündigung

Kap. 22

4. Die Kündigungsschutzklage wird gemäß § 5 KSchG nachträglich zugelassen.3, 4 Begründung: (s. zunächst M 22.17) Das Kündigungsschreiben ist am 15.6. . . . abends durch Boten in den Hausbriefkasten des Kl. eingeworfen worden. Dies hat die Bekl. auf telefonische Nachfrage bestätigt. Der Kl. war mit seiner gesamten Familie in der Zeit vom 12.6. . . . bis einschließlich 10.7. . . . im Urlaub. Während dieser Zeit war niemand im Haus. Der Kl. hatte zwar einen Nachbarn gebeten, den Briefkasten regelmäßig zu leeren. Der Nachbar hatte aber ausdrückliche Anweisung, Post nicht zu öffnen, sondern nur an sich zu nehmen. Unmittelbar am Tag seiner Rückkehr hat der Kl. die gesamte im Urlaub eingegangene Post geöffnet und auch das Kündigungsschreiben erstmals gelesen. Er hat sofort am nächsten Tag einen Besprechungstermin mit dem Unterzeichner vereinbart, der sofort die vorliegende Klageschrift gefertigt und eingereicht hat.5 Damit ist die dreiwöchige Klagefrist gemäß §§ 4, 7 KSchG zwar überschritten.6 Dem Kl. fällt jedoch kein Verschulden zur Last. Er hatte keinen Anlass, mit dem Zugang einer Kündigung während seines Urlaubs zu rechnen. Dementsprechend war er auch nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass jemand seine Post öffnete und während seines Urlaubs irgendwelche Maßnahmen ergriff. Nachdem der Kl. von der Kündigung erfahren hatte, hat er ohne schuldhaftes Zögern7 den Unterzeichner eingeschaltet. Zwischen der Kenntnisnahme des Kl. und der Einreichung der vorliegenden Klageschrift lagen weniger als zwei Wochen, so dass die Frist für die Zulassung verspäteter Klagen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG eingehalten ist.8, 9 3 4

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Wichtig: In der verspäteten Klageerhebung liegt grundsätzlich kein Zulassungsantrag nach § 5 KSchG (LAG Berlin v. 11.12.1964, AP Nr. 11 zu § 4 KSchG), der Zulassungsantrag muss ausdrücklich neben dem Kündigungsschutzantrag gestellt werden. Das Verfahren der nachträglichen Zulassung ähnelt der aus dem allgemeinen Zivilprozess bekannten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nicht selten wird bei Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist nach § 4 KSchG beim Arbeitsgericht aus Unkenntnis ausdrücklich „Wiedereinsetzung“ beantragt. Im Regelfall wird ein solcher Antrag in einen Antrag auf nachträgliche Zulassung gemäß § 5 KSchG umzudeuten sein. Gleichwohl sollte man die Terminologie des § 5 KSchG („nachträgliche Zulassung“) benutzen. Ist auf Grund eines Verschuldens des Prozessvertreters des Klägers die Frist versäumt worden, muss sich dies der Kläger nach § 85 ZPO zurechnen lassen (BAG v. 11.12.2008, NZA 2009, 692). Das gilt auch für Gewerkschaftsvertreter (BAG v. 28.5.2009, NZA 2009, 1052). Ein Antrag nach § 5 KSchG ist in solchen Fällen nur erfolgreich, wenn der Prozessvertreter darlegt, dass er trotz ordnungsgemäßer Büroorganisation (insbesondere Fristenkontrolle) den Fehler nicht vermeiden konnte. Es gelten hier die gleichen Anforderungen wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff. ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung geht ein während des Urlaubs des Arbeitnehmers an seine Heimatanschrift gerichtetes Kündigungsschreiben nach den allgemeinen Grundsätzen zu (BAG v. 16.3.1988, NZA 1988, 875 und v. 2.3.1989, NZA 1989, 635). Der Antrag ist nur erfolgreich, wenn der Arbeitnehmer darlegt, warum er trotz Anwendung der ihm „nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt“ verhindert war, die dreiwöchige Klagefrist zu wahren (§ 5 Abs. 1 KSchG). Der Antrag kann nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses gestellt werden, aber nicht später als sechs Monate nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist (§ 5 Abs. 3 KSchG). Innerhalb der Zwei-Wochen-Frist muss nicht nur der Antrag gestellt werden, vielmehr müssen auch die Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die die nachträgliche Zu-

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.21

Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des Kl.,10 Anlage K 1 ... (Unterschrift)11 lassung begründen sollen. Nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist können nach herrschender Auffassung nur noch die bereits vorgetragenen Gründe ergänzt oder abgerundet werden, nicht aber völlig neue Gründe noch vorgebracht werden (LAG BW v. 25.11.1958, AP Nr. 6 zu § 4 KSchG; LAG Hamm v. 19.6.1986, AP Nr. 7 zu § 5 KSchG 1969). 9 Das Verfahrensrecht des § 5 KSchG hat sich per 1.4.2008 grundlegend geändert. Nach altem Recht hatte die Kammer über den nachträglichen Zulassungsantrag stets durch Beschluss vorab zu entscheiden, der mit sofortiger Beschwerde angreifbar war. Nach der Neuregelung (dazu Roloff, NZA 2009, 761; Francken/Natter/Rieker, NZA 2008, 377) bildet die Kündigungsschutzklage mit dem Antrag auf nachträgliche Zulassung grundsätzlich eine Einheit (§ 5 Abs. 4 Satz 1 KSchG). Im Regelfall entscheidet also das Arbeitsgericht durch einheitliches Urteil: Lehnt es die nachträgliche Zulassung ab, wird zugleich die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Ist dagegen der Antrag auf nachträgliche Zulassung begründet, entscheidet das Arbeitsgericht in der Sache zugleich die Kündigungsschutzklage. Eine isolierte Anfechtung der (stattgebenden oder abweisenden) Zulassungsentscheidung durch sofortige Beschwerde findet also nicht mehr statt, vielmehr ist das arbeitsgerichtliche Urteil nur insgesamt mit der Berufung angreifbar. Das Arbeitsgericht kann allerdings optional das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Zulassung beschränken (§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG). In diesem Fall ergeht die Entscheidung über den Zulassungsantrag durch Zwischenurteil, welches wie ein Endurteil mit der Berufung angefochten werden kann (§ 5 Abs. 4 Satz 3 KSchG). 10 Wichtig: Häufig übersehen wird, dass die Begründung des Antrags auf nachträgliche Zulassung glaubhaft zu machen ist (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG). Noch nicht entschieden ist, ob die Glaubhaftmachung noch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist erfolgen muss, vorsorglich sollte dies immer geschehen. Klassisches Mittel der Glaubhaftmachung ist die eidesstattliche Versicherung. Fehlt die Glaubhaftmachung, ist dies unschädlich, wenn der Gegner das Vorbringen nicht bestreitet. 11 Der Streitwert entspricht dem der Kündigungsschutzklage (s. M 22.17 Fn. 14), der Antrag auf nachträgliche Zulassung ist nicht gesondert zu bewerten (Einzelheiten bei KR/Friedrich, § 5 KSchG Rz. 210 ff. mwN).

22.21

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Auflösungsantrag des Arbeitnehmers1, 2

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . 1

Wichtig: Der Auflösungsantrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz gestellt werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG). Eine Zurückweisung als verspätet scheidet grundsätzlich aus, auch wenn der Auflösungsantrag auf neue Tatsachen gestützt wird. Allerdings ist unbedingt zu empfehlen, den Antrag bereits in der ersten Instanz zu stellen. Denn wird der Antrag in der ersten Instanz nicht gestellt und gewinnt der Arbeitnehmer, so muss er in den Betrieb zurückkehren oder selbst (ohne Abfindung!) kündigen, wenn der Arbeitgeber das Urteil rechtskräftig werden lässt. Der Arbeitnehmer kann

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M 22.21

Beendigungskündigung

Kap. 22

(volles Rubrum)3 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: (Klageanträge 1.–3. wie M 22.17)4 4. Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung,5 deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber Euro 20 000,– nicht unterschreiten sollte,6 zum . . .7 aufgelöst.8 Begründung: (Zu den Anträgen Ziff. 1.–3. s. M 22.17). Der Auflösungsantrag Ziff. 4 ist nach §§ 9, 10 KSchG begründet, da dem Kl. die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist. Der Kl. hat drei Tage nach Zugang der Kündigung ein Gespräch mit dem Personalleiter der Bekl. geführt, um Näheres über die Kündigungsgründe zu erfahren. In dem Gespräch hat der Kl. angekün-

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keine Berufung einlegen mit dem Ziel, in der zweiten Instanz erstmals den Auflösungsantrag zu stellen, weil es an einer Beschwer fehlt. Praxistipp: Der Auflösungsantrag bietet sich vor allem an, wenn der Arbeitgeber nach Erhebung der Kündigungsschutzklage die Kündigung zurücknimmt. Eine einseitige Rücknahme ist nach den allgemeinen Regeln des BGB nicht zulässig. In der Rücknahme der Kündigung liegt deshalb nach richtiger Auffassung nur ein Angebot des Arbeitgebers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, das der Arbeitnehmer nicht annehmen muss. Es kann allerdings fraglich werden, ob nach Erklärung der Kündigungsrücknahme durch den Arbeitgeber der Arbeitnehmer für die Fortsetzung des Kündigungsschutzverfahrens noch ein Rechtsschutzinteresse hat. Dieses Rechtsschutzinteresse besteht allerdings unzweifelhaft, wenn der Arbeitnehmer alsbald nach der Rücknahmeerklärung des Arbeitgebers die Auflösung nach §§ 9, 10 KSchG beantragt (BAG v. 29.1.1981, NJW 1982, 1118 und v. 19.8.1982, AP Nr. 9 zu § 9 KSchG). S. M 101.1 und M 101.2. S. dazu die allgemeinen Erläuterungen zu M 22.17. Die Abfindung ist steuerbegünstigt nach §§ 24, 34 EStG und sozialabgabenfrei. Die für das Eingreifen der Steuervorteile erforderliche „Veranlassung des Arbeitgebers“ liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Ursache für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gesetzt hat, auch wenn der Auflösungsantrag formal vom Arbeitnehmer ausgeht (BFH v. 11.1.1980, BStBl. II 1980, 205). Praxistipp: Es ist nicht erforderlich, im Klageantrag einen bestimmten Abfindungsbetrag zu nennen. Auch unbezifferte Anträge sind zulässig. Allerdings kann bei einem unbezifferten Antrag keine Berufung eingelegt werden, wenn das Arbeitsgericht zwar dem Auflösungsantrag stattgibt, aber eine dem Arbeitnehmer zu gering erscheinende Abfindung festsetzt. Denn dann fehlt es an der Beschwer. Es ist deshalb immer sinnvoll, den Antrag zu beziffern. Allerdings trägt der Arbeitnehmer das Kostenrisiko, wenn er eine zu hohe Abfindungsforderung stellt (BAG v. 26.6.1986, NZA 1987, 139). Aufzulösen ist gemäß § 9 Abs. 2 KSchG stets zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, bei fristloser Kündigung zum Zeitpunkt des Zugangs. Der Arbeitnehmer braucht im Auflösungsantrag keinen besonderen Auflösungszeitpunkt zu nennen, da dieser sich aus dem Gesetz ergibt. Wichtig: Prozessual ist der Antrag (anders als der Auflösungsantrag des Arbeitgebers, s. M 22.22) kein Hilfsantrag, sondern ein unechter Eventualantrag, der nur für den Fall der Begründetheit der Kündigungsschutzklage gestellt wird. Erhebt der Arbeitnehmer zusätzlich zur Kündigungsschutzklage eine Klage auf Zahlung einer Abfindung, ohne ausdrücklich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu begehren, wird man dies regelmäßig in einen Auflösungsantrag umdeuten können (BAG v. 13.12.1956, AP Nr. 5 zu § 7 KSchG).

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.22

digt, einen Anwalt einzuschalten und ggf. Kündigungsschutzklage zu erheben. Daraufhin hat der Personalleiter ihn in Gegenwart von dessen Sekretärin grob beschimpft und bedroht. Der Kl. sei ein „fauler und geldgieriger Hund“, den man schon viel früher hätte rauswerfen müssen. Der Kl. werde schon sehen, wohin er mit einer Kündigungsschutzklage komme. Von einem Erfolg beim Arbeitsgericht habe er gar nichts. Wenn der Kl. mit gerichtlicher Hilfe an seinen Arbeitsplatz zurückkehren sollte, werde man ihn binnen kürzester Zeit durch „gezieltes Mobbing“ „zur Strecke bringen“. Beweis: Zeugnis des Personalleiters . . . und dessen Sekretärin . . ., zu laden über die Bekl. Dass unter diesen Vorzeichen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Kl. nicht zumutbar ist, liegt auf der Hand. Hinsichtlich der Höhe der Abfindung erscheint es angesichts des besonders groben Fehlverhaltens der Bekl., die sich das Verhalten ihres Personalleiters nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, angemessen, über die üblichen Maßstäbe9 von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr hinauszugehen. Eine Abfindung in Höhe von einem Monatsgehalt pro Dienstjahr erscheint hier angemessen; bei einer Dienstzeit von fünf Jahren und einem Monatsgehalt von Euro 4 000,– ergibt dies die im Klageantrag Ziff. 4 genannte Abfindung von Euro 20 000,–. ... (Unterschrift)10 9 Die alte Faustregel „halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr“ (vgl. § 1a KSchG) hat sich mittlerweile in der ganzen Republik weitgehend durchgesetzt. Allerdings werden stets auch die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die soziale Situation des Arbeitnehmers erhöhend oder vermindernd berücksichtigt. 10 Der Auflösungsantrag wirkt sich nach hM (zB LAG Berlin v. 12.5.2006 – 17 Ta (Kost) 6061/06) gebührenmäßig nicht aus, auch wenn der Arbeitnehmer seine Abfindungsvorstellung beziffert (§ 42 Abs. 3 Satz 1 GKG). Nach aA (zB LAG Berlin v. 30.12.1999, MDR 2000, 526) ist dagegen der Auflösungsantrag zusätzlich mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten.

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Auflösungsantrag des Arbeitgebers1

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (Kurzrubrum) vertreten wir die Beklagte. Namens und im Auftrag der Beklagten beantragen wir: 1. Die Klage wird abgewiesen. 1 Der Auflösungsantrag bedarf keiner Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG.

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M 22.22

Kap. 22

Beendigungskündigung

2. Hilfsweise:2 Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung3 aufgelöst, die Euro 10 000,– nicht überschreiten sollte.4 Begründung: Die Kündigung war sozial gerechtfertigt, weil . . . (Darlegung der Kündigungsgründe). Der Hilfsantrag wird für den Fall gestellt, dass das Arbeitsgericht die Kündigung nicht als sozial gerechtfertigt ansehen sollte. Dann wäre dem Hilfsantrag auf Auflösung stattzugeben, da eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr erwartet werden kann (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Der Kl. hat eine Woche nach Erhalt des Kündigungsschreibens ein Interview im LokalRundfunksender „Antenne X“ gegeben. Darin hat er die Bekl. wüst beschimpft, insbesondere als „Ausbeuter“. Die Geschäftsführung der Bekl. wurde als „Verbrecherbande“ und „Gangster“ diffamiert. Beweis: Zeugnis des Redakteurs des Senders „Antenne X“ Es ist nicht ersichtlich, wie unter diesen Umständen eine künftige Zusammenarbeit noch möglich sein soll.5 Hinsichtlich der Abfindungshöhe ist angesichts der Schwere des Verschuldens des Kl. von der üblichen Faustformel „0,5 Monatsgehälter pro Dienstjahr“ nach unten abzuweichen. Auf der Basis dieser Faustformel ergäbe sich eine Abfindung von Euro 20 000,–. Im vorliegenden Fall erscheint die Hälfte davon angemessen. Im Übrigen bedarf der Auflösungsantrag ohnehin keiner besonderen Auflösungsgründe. Der Kl. ist nämlich leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG. Als Leiter der Filiale X der Bekl. war er sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung aller Beschäftigten dieser Filiale berechtigt (wird ausgeführt).6 Beweis: Zeugnis des Personalleiters . . ., zu laden über die Bekl. ... (Unterschrift)7 2

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Wichtig: Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers wird (anders als der des Arbeitnehmers, s. M 22.21) als echter Hilfsantrag gestellt. Über ihn wird nur entschieden, wenn der Arbeitgeber in der Hauptsache unterliegt, also die Kündigung vom Arbeitsgericht für unwirksam erklärt wird. Zur steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Abfindung s. M 22.21 Fn. 5. Zur Bezifferung des Auflösungsantrags s. M 22.21 Fn. 6. Greift die Sonderregelung des § 14 Abs. 2 KSchG nicht ein, setzt der Auflösungsantrag gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG Gründe voraus, die „eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen“. Die Auflösungsgründe müssen nicht notwendigerweise das Gewicht eines personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes erreichen (BAG v. 26.11.1981, AP Nr. 8 zu § 9 KSchG). Das Verhalten dritter Personen (insbesondere abfällige Presseartikel) sind dem Arbeitnehmer nur zuzurechnen, wenn dieser das Verhalten des Dritten entscheidend veranlasst hat. Praxistipp: Die Ausnahmeregelung des § 14 Abs. 2 KSchG wird von der Rechtsprechung äußerst restriktiv gehandhabt. Die Personalkompetenz muss sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis bestehen, und zwar für einen erheblichen Kreis von Beschäftigten. Eine Filiale wie im vorliegenden Fall dürfte allerdings ausreichen. Zum Streitwert s. M 22.21 Fn. 10.

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Kap. 22

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Beendigungskündigung

M 22.23

Einstweilige Verfügung1 auf Weiterbeschäftigung bei offensichtlich unwirksamer Kündigung2, 3

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)4 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen5 wir: 1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – aufgegeben, den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens, Az. . . ., zu unveränderten Bedingungen im Betrieb in . . . als Export-Sachbearbeiter weiter zu beschäftigen,6 1 Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3. 2 Dass der Arbeitnehmer bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits – auch über die Kündigungsfrist hinaus! – hat, ist nach der Entscheidung des Großen Senats (BAG GS v. 27.2.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) anerkannt (vgl. BAG v. 28.3.1985, AP Nr. 4 zu § 767 ZPO und v. 13.6.1985, AP Nr. 19 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). 3 Praxistipp: Die einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung wird in der Praxis überwiegend aus taktischen Gründen eingesetzt. Meist geht es dem Arbeitnehmer gar nicht so sehr darum, weiterarbeiten zu können. Vielmehr wird die einstweilige Verfügung als Mittel benutzt, um kurzfristig Verhandlungsdruck für einen Abfindungsvergleich zu erzeugen. Insbesondere bei der Trennung von Führungskräften ist es für den Arbeitgeber äußerst peinlich, wenn sich der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung per einstweiliger Verfügung wieder zurück in den Betrieb kämpft. Droht dem Arbeitgeber ein Unterliegen im einstweiligen Verfügungsverfahren, steigt deshalb erfahrungsgemäß die Neigung erheblich, Abfindungsvergleiche abzuschließen. 4 S. M 101.1 und M 101.2. 5 Nicht möglich ist regelmäßig die Festsetzung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG (s. M 108.2) für den Fall, dass der Arbeitgeber der einstweiligen Verfügung nicht nachkommt. Zwar wird § 61 Abs. 2 ArbGG auch im einstweiligen Verfügungsverfahren für grundsätzlich anwendbar gehalten. Allerdings wäre nach ganz herrschender Auffassung Voraussetzung, dass auch für den Entschädigungsanspruch ein Verfügungsgrund besteht, was regelmäßig nicht der Fall sein wird (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, § 61 ArbGG Rz. 28). 6 Wichtig: Streitig ist, wie bestimmt der Antrag formuliert sein muss. Nach herrschender Auffassung reicht der Antrag auf Weiterbeschäftigung „zu den bisherigen“ oder „zu unveränderten Arbeitsbedingungen“ (BAG v. 31.3.1976 und 20.7.1977, AP Nr. 2, 3 zu Art. 33 Abs. 2 GG; LAG Berlin v. 5.12.1977 und v. 20.7.1978, AP Nr. 1 zu § 11 SchwbG bzw. AP Nr. 6 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; LAG Schl.-Holst. v. 6.1.1987, NZA 1987, 322). Allerdings wenden Arbeitgeber bei Unterliegen in der Hauptsache im nachfolgenden Vollstreckungsverfahren häufig ein, der Titel sei zu unbestimmt und deshalb nicht vollstreckbar. Sicherer ist es deshalb, im Antrag zumindest den Arbeitsort und die Funktion zu nennen (Falkenberg, DB 1987, 1534 mwN). Allerdings wird teilweise verlangt, dass sich beim Antrag auf Weiterbeschäftigung „zu unveränderten/bisherigen Arbeitsbedingungen“ die näheren Einzelheiten der Arbeitsleistung (Ort, Art der Tätigkeit) zumindest aus den Urteilsgründen ergibt. Ist dies nicht der Fall, wird von vielen Gerichten die Vollstreckungsfähigkeit verneint (zB LAG Rh.-Pf. v. 7.1.1986, NZA 1986, 196; LAG Hessen v. 13.7.1987, NZA 1988, 175). Für den Antragsteller hat das den Nachteil, dass er aus einer abgekürzten Fassung

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2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung auf Grund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Der ASt. ist seit dem . . . bei der AGg. als Export-Sachbearbeiter im Betrieb in . . . beschäftigt. Drei Tage vor Ablauf der Probezeit, am . . ., kündigte die AGg. das Anstellungsverhältnis fristgemäß zum . . . Mündlich wurde dem ASt. erklärt, man sei mit seinem Verhalten gegenüber Vorgesetzten nicht zufrieden und wolle deshalb das Anstellungsverhältnis nicht fortsetzen. Die Kündigung vom . . . war offensichtlich unwirksam.7 Die AGg. beschäftigt 50 Arbeitnehmer, bei ihr besteht ein Betriebsrat. Der Betriebsrat ist nicht gemäß § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung gehört worden. Mündlich hat die AGg. erklärt, bei einer Kündigung während der Probezeit sei eine Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG nicht erforderlich, da ja auch keine Kündigungsgründe erforderlich seien. Diese Rechtsauffassung ist falsch. Nach ständiger Rechtsprechung ist gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 102 BetrVG vor „jeder“ Kündigung der Betriebsrat zu hören, auch vor einer Kündigung während der Probezeit. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG erklärte Kündigung ist nichtig. Die AGg. hat auch keine Möglichkeit, aus den von ihr vorgebrachten Gründen nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats kurzfristig eine neue Kündigung auszusprechen.8 Da das Anstellungsverhältnis mittlerweile mehr als sechs Monate dauert, hat der ASt. nunmehr Kündigungsschutz. Eine erneute Kündigung wegen angeblich unangemessenen Verhaltens gegenüber Vorgesetzten würde schon deshalb scheitern, weil der ASt. nie abgemahnt worden ist. Darüber hinaus war sein Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten auch immer völlig einwandfrei. Der ASt. hat ein berechtigtes Interesse daran, während der Dauer des Kündigungsschutzverfahrens weiterbeschäftigt zu werden. Der ASt. ist vor Aufnahme seiner Tätigkeit bei der AGg. mehr als zwei Jahre arbeitslos gewesen. In dieser Zeit ist er mit Unterstützung der Agentur für Arbeit zum Export-Sachbearbeiter umgeschult worden. Der ASt. ist dringend auf aktive Beschäftigung angewiesen, um zu den mittlerweile erworbenen theoretischen Kenntnissen auch praktische Erfahrung hin-

des Urteils (§ 317 Abs. 2 Satz 2 ZPO) nicht vollstrecken kann. Großzügiger hinsichtlich der Vollstreckbarkeit zuletzt BAG v. 15.4.2009, NZA 2009, 917. 7 Gilt für das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz und streiten die Parteien über das Vorliegen ausreichender Kündigungsgründe iSd. § 1 KSchG, so wird nur selten eine offensichtliche Unwirksamkeit vorliegen. Hauptfälle der offensichtlichen Unwirksamkeit sind solche, bei denen die Kündigung ersichtlich schon an Formalien scheitert. Klassische Fälle sind beispielsweise die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamts, eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG, die ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern etc. entgegen § 15 Abs. 1 KSchG, die außerordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ohne Einhaltung des Verfahrens nach § 103 BetrVG etc. 8 Fraglich ist das Vorliegen eines Verfügungsgrundes, wenn der Arbeitgeber den Mangel der Kündigung ohne weiteres beheben und eine neue Kündigung aussprechen kann. Bei einer fristlosen Kündigung scheidet dies allerdings wegen der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB regelmäßig aus.

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zuzugewinnen. Ohne solche praktische Erfahrung wäre er auf dem Arbeitsmarkt kaum vermittelbar.9 Der ASt. hat gegen die unwirksame Kündigung vom . . . am . . . Klage erhoben, die beim Arbeitsgericht unter dem Az. . . . geführt wird. Die Güteverhandlung hat am . . . stattgefunden und blieb erfolglos. Die AGg. beharrt auf ihrem Standpunkt, eine Betriebsratsanhörung sei nicht erforderlich gewesen. Auf Grund der Überlastung der zuständigen Kammer wurde Kammertermin erst auf den . . . bestimmt. Zur Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akten des Verfahrens, Az. . . . Ohne den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung wäre der ASt. also mehr als neun Monate ohne Arbeit, bis das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung erstinstanzlich feststellen könnte. Es kann dem ASt. nicht zugemutet werden, so lange unbeschäftigt zu bleiben.10 Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 111, 12 9

Wichtig: Welche Anforderungen an den Verfügungsgrund zu stellen sind, ist umstritten. Nach herrschender Auffassung reicht es nicht aus, dass ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung der Beschäftigungsanspruch bis zur Entscheidung über die Hauptsache verloren gehen würde. Hinzu kommen muss immer noch ein besonderes Interesse des Arbeitnehmers daran, tatsächlich beschäftigt zu werden (vgl. LAG Hessen v. 23.3.1987, NZA 1988, 37; LAG Köln v. 31.7.1985, BB 1985, 2178; ausführlich Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 83 ff.). Es muss also ein über das Erfüllungsinteresse hinausgehendes Interesse des Arbeitnehmers vorliegen; die bloße Vereitelung des Erfüllungsanspruchs ist noch kein wesentlicher Nachteil iSd. § 940 ZPO. 10 Nach ständiger Rechtsprechung des BAG hängt die Bejahung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs immer von einer Interessenabwägung ab. Selbst bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen eine Weiterbeschäftigungspflicht nicht besteht. So wird man zB einer Bank nicht zumuten können, einen ungetreuen Kassierer weiter zu beschäftigen, nur weil bei der fristlosen Kündigung der Betriebsrat nicht angehört wurde (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 103). 11 Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO (LAG Berlin v. 19.1.1978, AP Nr. 9 zu § 888 ZPO; LAG Hamm v. 11.5.1989, DB 1989, 1577; LAG Schl.-Holst. v. 6.1.1987, NZA 1987, 323). Allerdings muss dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung im Moment der Vollstreckung rechtlich und tatsächlich noch möglich sein. Daran fehlt es zB, wenn der Arbeitgeber den Betrieb inzwischen veräußert hat oder der Betrieb durch Abbau von Maschinen etc. endgültig stillgelegt ist. Nach herrschender Auffassung ist die Vollstreckung auch dann ausgeschlossen, wenn die Aufgaben weggefallen sind, die der Arbeitnehmer früher erledigt hat (LAG Hamm v. 29.8.1984, NZA 1985, 68). Zu Einzelheiten s. M 108.7. 12 Wichtig: Die einstweilige Verfügung muss gemäß §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO innerhalb eines Monats vollzogen werden. Das wird in der Praxis häufig übersehen. Die Vollziehung erfolgt durch Zustellung im Parteibetrieb durch Gerichtsvollzieher. Die Vollziehung ist auch keineswegs nur dann erforderlich, wenn die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ergeht. Vielmehr muss auch bei der nach mündlicher Verhandlung erlassenen Urteilsverfügung die Zustellung im Parteibetrieb noch erfolgen, obwohl das Urteil gemäß §§ 317, 270 ZPO ohnehin von Amts wegen zugestellt wird. Allerdings reicht nach herrschender Auffassung zur Vollziehung einer Urteilsverfügung aus, dass der Verfügungskläger innerhalb der Monatsfrist dadurch von der einstweiligen Verfügung Gebrauch macht, dass er die Festsetzung von Ordnungsmitteln beantragt. Auch die tatsächlich erfolgte Weiterbeschäftigung ist eine ausreichende „Vollziehung“ (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 91). Allerdings werden zu all diesen Punkten Mindermeinungen vertreten. Zur Haftungsvermeidung kann deshalb nur dringend dazu geraten werden, stets im Parteibetrieb zuzustellen.

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... (Unterschrift)13 13 Der Streitwert wird von den Instanzgerichten unterschiedlich gehandhabt, üblich sind ein halbes bis zwei Monatsgehälter, meist wird ein Monatsgehalt festgesetzt (LAG Thüringen v. 27.2.1996, AuR 1996, 196; LAG Sachsen v. 14.7.1993, LAGE § 12 ArbGG Streitwert Nr. 97; vgl. aber auch BAG v. 18.1.1996, NZA 1996, 1175: zwei Bruttomonatsgehälter). Da die einstweilige Verfügung die Hauptsache vorwegnimmt, ist der sonst für einstweilige Verfügungen übliche Abschlag nicht zu machen.

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Einstweilige Verfügung1 auf Beschäftigung während der Kündigungsfrist2

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An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)3 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen wir: 1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – aufgegeben, den Antragsteller bis zum Ablauf des 31.12. . . . im Marienhospital in . . . als Assistenzarzt in der Abteilung Orthopädie zu den bisherigen Vertragsbedingungen weiter zu beschäftigen, 2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung auf Grund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Die AGg. betreibt das Marienhospital in . . . Auf der dortigen orthopädischen Station ist der ASt. seit dem . . . als Assistenzarzt tätig. Die AGg. hat das Anstellungsverhältnis mit Schreiben vom . . . fristgerecht zum 31.12. . . . gekündigt. Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben vom . . ., Anlage AS 1 Die AGg. hat bislang trotz Aufforderung die (angeblichen) Kündigungsgründe nicht mitgeteilt. Kündigungsgründe iSd. § 1 KSchG gibt es auch nicht. Die AGg. beschäftigt ständig mehr als zehn Arbeitnehmer.

1 Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3. 2 S. zunächst die Erläuterungen zu M 22.23. 3 S. M 101.1 und M 101.2.

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Im Kündigungsschreiben wurde der ASt. sofort von der Arbeitsleistung freigestellt. Der ASt. hat mit Einschreiben vom . . . der Freistellung widersprochen und verlangt, zumindest bis zum 31.12. . . . weiterbeschäftigt zu werden. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des ASt. vom . . ., Anlage AS 2 Die AGg. hat sich jedoch geweigert, die Freistellung zurückzunehmen und den ASt. weiter zu beschäftigen. Sie ist der Auffassung, es stehe im Belieben eines jeden Arbeitgebers, Arbeitnehmer zu beschäftigen oder nicht.4 Die AGg. ist nicht berechtigt, den ASt. einseitig freizustellen. Ein Recht zur Freistellung hat sie sich im Arbeitsvertrag nicht vorbehalten. Der ASt. hat auch ein dringendes Interesse daran, vertragsgemäß zumindest bis zum 31.12. . . . weiterbeschäftigt zu werden. Die sofortige Freistellung hat im Kollegenkreis zu Gerüchten geführt, dem ASt. sei wegen Unregelmäßigkeiten gekündigt worden, was unstreitig nicht zutrifft. Die mit diesen Gerüchten für den ASt. verbundene Rufschädigung ließe sich durch eine Weiterbeschäftigung bis zum 31.12. . . . beseitigen. Vor allem aber ist der ASt. darauf angewiesen, in seinem Beruf als Arzt weiter zu praktizieren, um seine berufliche Qualifikation nicht zu verlieren. Gerade die ärztliche Kunst entwickelt sich in rasantem Tempo fort. Ein Arzt, der seinen fachlichen Kenntnisstand halten und verbessern will, ist darauf angewiesen, zu praktizieren. Die Freistellung gefährdet deshalb die weitere berufliche Entwicklung des ASt. Dem kann nur durch Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung vorgebeugt werden.5 Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 3 Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren käme angesichts der Terminstände beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht mit Sicherheit zu spät. ... (Unterschrift)6 4 Nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats (v. 27.2.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) hat der gekündigte Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf Beschäftigung auch in der Zeit zwischen Ausspruch der Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist. Der Beschäftigungsanspruch entfällt nur dann, wenn überwiegende Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Das kann etwa bei hochrangigen Führungskräften der Fall sein, bei einer gravierenden Störung des Vertrauensverhältnisses, oder wenn wegen Auftragsmangels oder sonstiger äußerer Umstände eine tatsächliche Weiterbeschäftigung nur unnütze Kosten (Reisetätigkeit bei Außendienstlern etc.) verursachen würde. 5 Welche Anforderungen an den Verfügungsgrund zu stellen sind, ist umstritten. Nach herrschender Auffassung reicht es nicht aus, dass ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung der Beschäftigungsanspruch bis zur Entscheidung über die Hauptsache verloren gehen würde. Hinzu kommen muss immer noch ein besonderes Interesse des Arbeitnehmers daran, tatsächlich beschäftigt zu werden (vgl. LAG Hessen v. 23.3.1987, NZA 1988, 37; LAG Köln v. 31.7.1985, BB 1985, 2178; ausf. Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 83 ff.). Es muss also ein über das Erfüllungsinteresse hinausgehendes Interesse des Arbeitnehmers vorliegen; die bloße Vereitelung des Erfüllungsanspruchs ist noch kein wesentlicher Nachteil iSd. § 940 ZPO. 6 Der Streitwert einer Beschäftigungsklage wird regelmäßig mit einem Bruttomonatsgehalt angesetzt (zB LAG Thüringen v. 27.2.1996, AuR 1996, 250).

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Einstweilige Verfügung1 auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG2

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An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)3 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen4, 5 wir: Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein, ansonsten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen – aufgegeben, den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens, Arbeitsgericht . . ., Az. . . . zu unveränderten Bedingungen im Betrieb in . . . als Export-Sachbearbeiter weiter zu beschäftigen. Begründung: Der ASt. ist seit dem . . . bei der AGg. als Export-Sachbearbeiter im . . . Betrieb beschäftigt, sein Gehalt betrug zuletzt Euro . . . monatlich. Am . . . kündigte die AGg. das Anstellungsverhältnis fristgemäß zum . . . Zur Glaubhaftmachung: Vorlage des Kündigungsschreibens vom . . ., Anlage AS 1 Vor Ausspruch der Kündigung hörte die AGg. mit Schreiben vom . . . den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG an. In der Betriebsratsanhörung wurde die Kündigung des ASt. mit einem Einbruch bei den Export-Aufträgen begründet. Von bislang fünf ExportSachbearbeitern würden künftig nur noch drei benötigt. Auf Grund seiner Sozialdaten gehöre der ASt. zu den beiden am wenigsten sozial schutzbedürftigen Mitarbeitern der Abteilung, deshalb müsse ihm gekündigt werden. Zur Glaubhaftmachung: Anhörung des Betriebsrats vom . . ., Anlage AS 2 Mit Schreiben vom . . . widersprach der Betriebsrat der Kündigung. In dem Schreiben wurde der Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 und 3 BetrVG widersprochen. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Der Export-Sachbearbeiter A, dem nicht gekündigt werde, sei jünger und kürzer im Betrieb als der ASt., außerdem habe er im Gegensatz zum ASt. keine unterhaltspflichtigen Kinder. Des Weiteren hat der Betriebsrat der Kündigung

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Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3. S. zunächst die Erläuterungen zu M 22.23 und M 22.24. S. M 101.1 und M 101.2. Der Weiterbeschäftigungsanspruch bei Widerspruch des Betriebsrats nach § 102 Abs. 5 BetrVG ist – obwohl es sich um einen Anspruch aus dem BetrVG handelt – im Urteilsverfahren geltend zu machen, nicht im Beschlussverfahren. 5 Üblicherweise wird der Weiterbeschäftigungsantrag unmittelbar mit dem Kündigungsschutzantrag verbunden. Zwingend ist dies aber nicht.

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mit der Begründung widersprochen, der ASt. könne ohne weiteres als Sachbearbeiter im Vertriebs-Innendienst weiterbeschäftigt werden, wo derzeit eine Stelle frei sei.6 Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des Betriebsrats vom . . ., Anlage AS 3 Der ASt. hat am . . . unter Hinweis auf den Widerspruch des Betriebsrats von der AGg. schriftlich unter Berufung auf § 102 Abs. 5 BetrVG Weiterbeschäftigung verlangt.7 Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des ASt. vom . . ., Anlage AS 4 Die AGg. hat daraufhin dem ASt. mit Schreiben vom . . . mitgeteilt, er werde mit sofortiger Wirkung freigestellt, eine Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG komme nicht in Betracht. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben der AGg. vom . . ., Anlage AS 5 Der ASt. hat gegen die Kündigung vom . . . am . . . Kündigungsschutzklage erhoben, die beim Arbeitsgericht unter dem Az. . . . geführt wird. Die Güteverhandlung hat am . . . stattgefunden und blieb erfolglos. Auf Grund der Überlastung der zuständigen Kammer wurde Kammertermin erst auf den . . . bestimmt. Zur Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akten des Verfahrens Az. . . . Ohne den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung wäre der ASt. also mehr als sechs Monate ohne Arbeit, bis das Arbeitsgericht den Weiterbeschäftigungsanspruch erstinstanzlich feststellen könnte.8 Es kann dem ASt. nicht zugemutet wer6

Praxistipp: Es ist stets sorgfältig zu prüfen, ob der Widerspruch des Betriebsrats ordnungsgemäß war. Häufig ist das nicht der Fall, weil entweder die Wochenfrist nicht eingehalten wurde, es an der notwendigen Schriftform fehlt (etwa bei mündlichem Widerspruch, wogegen Widerspruch per Fax oder per E-Mail wohl reicht, vgl. BAG v. 11.6.2002, NZA 2003, 226 zu § 99 BetrVG), oder weil aus Gründen widersprochen wird, die sich nicht den Widerspruchsgründen des § 102 Abs. 3 BetrVG zuordnen lassen (Beispiel: Widerspruch mit der Behauptung, der Arbeitsplatz falle nicht weg). 7 § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nennt als Voraussetzung für den Weiterbeschäftigungsanspruch, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Weiterbeschäftigung verlangt. Allerdings kann das Verlangen auch in dem Antrag auf Erlass einer entsprechenden Weiterbeschäftigungsverfügung liegen. Der Antrag kann nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil der Arbeitnehmer außerprozessual die Weiterbeschäftigung noch nicht verlangt hatte. Rechtsprechung zu dieser Frage liegt aber noch nicht vor. 8 Umstritten ist, welche Anforderungen an den Verfügungsgrund zu stellen sind. Nach einer Mindermeinung handelt es sich bei § 102 Abs. 5 BetrVG um eine Sonderregelung, für die die Darlegung eines besonderen Verfügungsgrundes nicht erforderlich ist (LAG Köln v. 2.8.1984, NZA 1984, 300; Galperin/Löwisch, § 102 BetrVG Rz. 113). Dem ist entgegenzuhalten, dass § 102 Abs. 5 BetrVG nichts darüber aussagt, ob die Weiterbeschäftigung im normalen Verfahren oder per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden kann. Vielmehr ergibt sich im Umkehrschluss aus § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG, der für die einstweilige Verfügung auf Entbindung des Arbeitgebers von der Weiterbeschäftigungspflicht bestimmte Anforderungen aufstellt, dass es für die Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG bei den allgemeinen Regeln bleiben soll. Deshalb setzt der Eilantrag auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG die Darlegung eines Verfügungsgrundes voraus. Ein solcher liegt beispielsweise vor, wenn der Arbeitnehmer zur Erhaltung seiner beruflichen Qualifikation auf die Weiterbeschäftigung angewiesen ist. Von Bedeutung ist aber auch, ob und inwieweit bei einer Geltendmachung im Hauptsacheverfahren der Anspruch auf Weiterbeschäftigung verloren gehen würde. Insofern ist von Bedeutung, ob ein (vorläufig vollstreckbares) erstinstanzliches Urteil noch innerhalb der Kündigungsfrist oder jedenfalls nicht sehr lange nach deren Ablauf erwirkt werden kann. Ist das der Fall, fehlt es am Verfügungs-

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den, so lange unbeschäftigt zu bleiben. Der AGg. wäre die Weiterbeschäftigung des ASt. auch ohne weiteres möglich und zumutbar, der alte Arbeitsplatz des ASt. existiert noch unverändert.9 Zur Glaubhaftmachung des gesamten Sachverhalts überreichen wir als Anlage AS 6 eine eidesstattliche Versicherung des ASt.10 ... (Unterschrift)11 grund für eine einstweilige Verfügung. Die Eilbedürftigkeit fehlt auch dann, wenn der Arbeitnehmer ohne Grund mit dem Eilantrag bis kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist gewartet hat. Man kann dem Arbeitnehmer zumuten, binnen einem Monat nach Zugang der Kündigung sich darüber klar zu werden, ob der Weiterbeschäftigungsanspruch durchgesetzt werden soll (ausf. zum Ganzen Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 85). 9 Wie beim allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch ist auch Voraussetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 BetrVG, dass der Anspruch erfüllbar ist, dem Arbeitgeber also die Weiterbeschäftigung tatsächlich und rechtlich möglich ist (s. M 22.23 Fn. 11). 10 Wichtig: Die erwirkte einstweilige Verfügung muss nach allgemeinen Grundsätzen durch Zustellung im Parteibetrieb vollzogen werden. Nach Auffassung des LAG Berlin (v. 10.6.1985, DB 1986, 976) soll allerdings eine Vollziehung bereits darin liegen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich weiterbeschäftigt wird. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen (Grunsky, § 62 ArbGG Rz. 27), so dass vorsorglich immer die Zustellung zu empfehlen ist (s. M 22.23 Fn. 12). 11 Als Streitwert sind ein halbes bis zwei Monatseinkommen anzusetzen (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 93), s. auch M 22.23 Fn. 13.

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Einstweilige Verfügung1 des Arbeitgebers auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG

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An das Arbeitsgericht2 In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)3 1 Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3. 2 Örtlich zuständig ist das Arbeitsgericht, bei dem die Kündigungsschutzklage anhängig ist. Der Antrag wird jedoch nicht Bestandteil des Kündigungsschutzverfahrens, sondern unter getrenntem Aktenzeichen geführt und getrennt verhandelt. Hat der Arbeitnehmer allerdings beim örtlich unzuständigen Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage erhoben, kann und muss der Arbeitgeber beim zuständigen Gericht den Antrag nach § 102 Abs. 5 BetrVG stellen (str.). Streitig ist die Zuständigkeit, wenn das Hauptsacheverfahren (Kündigungsschutzklage) bereits in der Berufung ist. Nach einer verbreiteten, aber fraglichen Auffassung (zB LAG Düsseldorf v. 30.8.1977, DB 1977, 2383; LAG BW v. 18.3.1988, LAGE § 102 BetrVG Beschäftigungspflicht Nr. 9) ist in diesem Fall der Entbindungsantrag beim Arbeitsgericht zu stellen. Im Interesse der Verfahrensökonomie vorzugswürdig erscheint dagegen die Auffassung, dass für den Entbindungsantrag das Berufungsgericht zuständig ist (aA Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 159). 3 S. M 101.1 und M 101.2.

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vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin beantragen4 wir: 1. Die Antragstellerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung5 – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Antragsgegners nach § 102 Abs. 5 BetrVG6 entbunden, 2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung auf Grund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Die ASt. ist ein Maschinenbau-Unternehmen mit zahlreichen verschiedenen Standorten im Bundesgebiet. Am Standort . . . mit 19 Beschäftigten werden ausschließlich Spezialmaschinen für den Großkunden A gefertigt. Im Frühjahr . . . hat der Großkunde A mitgeteilt, er werde wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten seine Produktion zum Jahresende einstellen und bis dahin keinerlei Maschinen von der ASt. mehr abnehmen. Die ASt. hat daraufhin allen Mitarbeitern des Betriebes betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin gekündigt. Die Kündigung des AGg. erfolgte am . . . mit Wirkung zum . . . Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben vom . . ., Anlage AS 1 Der am Standort . . . gebildete Betriebsrat wurde vor Ausspruch der Kündigung am . . . ordnungsgemäß angehört. Er hat der Kündigung (innerhalb der Wochenfrist und formell ordnungsgemäß7 schriftlich) mit der Begründung widersprochen, der AGg. könne an anderen Standorten des Unternehmens weiterbeschäftigt werden, notfalls

4 Das Gericht entscheidet im Urteilsverfahren, nicht im Beschlussverfahren, obwohl sich der Entbindungsanspruch aus dem BetrVG ergibt. 5 Die Geltendmachung des Entbindungsanspruchs im Hauptsacheverfahren ist ausgeschlossen. § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG ist nach einhelliger Auffassung abschließend, so dass nur die Geltendmachung im Wege der einstweiligen Verfügung in Betracht kommt (BAG v. 31.1.1978, AP Nr. 1 zu § 102 BetrVG Weiterbeschäftigung). Damit kommt auch eine Erzwingung der Hauptsacheklage durch den Arbeitnehmer nach §§ 936, 926 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht (BAG v. 31.1.1978, AP Nr. 1 zu § 102 BetrVG Weiterbeschäftigung). 6 Es sollte nicht pauschal beantragt werden, von „der Weiterbeschäftigungspflicht“ entbunden zu werden, da das Gericht der Auffassung sein könnte, er solle auch vom allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß der Rechtsprechung des Großen Senats entbunden werden. 7 Nach herrschender Meinung ist der Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG auch dann zulässig, wenn der Widerspruch des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß war, etwa wegen Missachtung der Schriftform (s. aber M 22.25 Fn. 6) oder wegen Überschreitung der Wochenfrist aus § 102 Abs. 3 BetrVG (LAG BW v. 15.5.1974, BB 1975, 43; LAG Düsseldorf v. 15.3.1978, DB 1978, 1283; LAG Hamm v. 31.3.1979, DB 1979, 1232). Nach der Gegenauffassung soll dagegen in solchen Fällen das Rechtsschutzbedürfnis für einen Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 fehlen (LAG Hessen v. 2.11.1984, NZA 1985, 163). Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, da sie das ohnehin komplizierte Verfahren nach § 102 Abs. 5 BetrVG noch weiter verkompliziert. Nicht möglich ist der nahe liegende Ausweg, den Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG mit einem Hilfsantrag auf Feststellung zu verbinden, dass der Arbeitgeber nicht zur Weiterbeschäftigung verpflichtet ist. Es ist grundsätzlich nicht möglich, Feststellungsanträge im einstweiligen Verfügungsverfahren zu stellen (aA Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 153; Stein/Jonas/Grunsky, Vor § 935 ZPO Rz. 60).

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seien dort entsprechende Arbeitsplätze einzurichten. Es sei aus sozialen Gründen nicht tragbar, den AGg. in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Zur Glaubhaftmachung: Widerspruchsschreiben des Betriebsrats vom . . ., Anlage AS 2 Der AGg. hat gegen die Kündigung vom . . . fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben und mit Schreiben an die ASt. vom . . . Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG über den Kündigungstermin hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verlangt.8, 9 Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des AGg. vom . . ., Anlage AS 3 Klageschrift vom . . ., Anlage AS 4 Die ASt. ist von der Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG zu entbinden. Zum einen ist die Kündigungsschutzklage des AGg. offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg. Dass die Beschäftigungsmöglichkeit für den AGg. im Betrieb . . . entfallen ist, dürfte unstreitig sein. Eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb des Unternehmens scheidet aus, da es im ganzen Unternehmen keine freien Arbeitsplätze gibt. Vielmehr wird seit längerem kontinuierlich Personal abgebaut. Zur Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des Personalleiters . . ., Anlage AS 5 Vor allem aber würde die Weiterbeschäftigung des AGg. zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung führen.10 Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungs8 Macht der Arbeitnehmer nach Widerspruch des Betriebsrats und Erhebung der Kündigungsschutzklage den Weiterbeschäftigungsanspruch außergerichtlich geltend, stellt der Arbeitgeber in der Praxis den Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG meist nicht sofort, sondern wartet zunächst ab, ob der Arbeitnehmer seinen Weiterbeschäftigungsantrag gerichtlich (mit Hauptsacheklage oder im Eilverfahren) geltend macht. Das ist nicht ungefährlich, da nach herrschender Auffassung (LAG Düsseldorf v. 30.8.1977, DB 1977, 2383) der Arbeitgeber die Einwendungen gegen die Weiterbeschäftigungspflicht aus § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG nur im Wege des gesetzlich geregelten Entbindungsantrags geltend machen kann, aber nicht einer vom Arbeitnehmer beantragten einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG als Einreden entgegenhalten kann. 9 Da der Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG nur im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden kann, ist nach richtiger Auffassung die Darlegung eines besonderen Verfügungsgrundes nicht erforderlich (statt aller: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, § 62 ArbGG Rz. 88). Insbesondere muss keine Dringlichkeit dargelegt werden (LAG Düsseldorf v. 15.3.1978, DB 1978, 1282; LAG Nürnberg v. 5.9.2006 – 6 Sa 458/06, DB 2007, 752). Wenn das Gesetz ausschließlich die einstweilige Verfügung zulässt, geht es offensichtlich davon aus, dass die Entbindung immer dringend ist. 10 An die Darlegung der unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung stellen die Gerichte erfahrungsgemäß außerordentlich hohe Anforderungen. Die wirtschaftlichen Belastungen müssen so gravierend sein, dass sie Auswirkungen auf Liquidität oder Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens haben. Bei einer einzelnen Kündigung werden diese Voraussetzungen kaum je vorliegen. Bedeutung hat dieser Entbindungsgrund deshalb vor allem bei Massenentlassungen. Insoweit ist zu beachten, dass bei Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG der Arbeitgeber auch dann die Vergütung für den Weiterbeschäftigungszeitraum zu zahlen hat, wenn die Kündigungsschutzklage letztlich rechtskräftig abgewiesen wird (statt aller KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 215 ff.). Nicht ausreichend ist auf jeden Fall die Darlegung, der Arbeitnehmer könne nicht mehr sinnvoll beschäftigt werden. Ist dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung rechtlich oder tatsächlich unmöglich, so ist das nicht im Entbindungsverfahren nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG geltend zu machen, vielmehr kann der Arbeit-

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schutzverfahrens gehen vor den örtlichen Arbeitsgerichten üblicherweise ein bis zwei Jahre ins Land. Während der gesamten Zeit könnte die ASt. den AGg. ebenso wie seine 18 Kollegen nicht sinnvoll beschäftigen. Die ASt. hätte Lohnkosten in Millionenhöhe zu tragen, ohne irgendeine Gegenleistung zu erhalten. Das Unternehmen der ASt. steckt ohnehin in einer existenzbedrohenden Krise. Im vergangenen Jahr wurde ein Verlust in Höhe von Euro 10,0 Mio. erwirtschaftet. Eine Belastung mit Lohn- und Gehaltskosten, denen keine tatsächliche Arbeitsleistung gegenübersteht, würde die bei der ASt. verbliebenen Arbeitsplätze gefährden und könnte eine Insolvenz herbeiführen.11, 12 Zur Glaubhaftmachung: Zeugnis des Wirtschaftsprüfers . . . (ladungsfähige Anschrift) ... (Unterschrift)13 geber diesen Einwand unmittelbar im Weiterbeschäftigungsverfahren nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG (Haupt- oder Eilverfahren) vorbringen, der Weiterbeschäftigungsantrag des Arbeitnehmers ist dann abzuweisen (s. M 22.24). 11 Wichtig: Umstritten ist, ob die Entbindungsverfügung vollzogen werden muss. Nach herrschender Auffassung (LAG Hamm v. 12.12.1986, DB 1987, 1945; LAG Nürnberg v. 5.9.2006, DB 2007, 752; ebenso KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 235a) hat die Entbindung rechtsgestaltende Wirkung, so dass eine Zwangsvollstreckung durch Vollziehung entbehrlich ist. Gleichwohl sollte vorsorglich auch eine Urteilsverfügung (für die Beschlussverfügung ist ohnehin Zustellung im Parteibetrieb erforderlich) nach den allgemeinen Regeln durch Zustellung vollzogen werden. 12 Wird dem Entbindungsantrag erstinstanzlich stattgegeben, so endet damit der Weiterbeschäftigungsanspruch. Widerspruch und Berufung des Arbeitnehmers haben keine aufschiebende Wirkung. 13 Der Streitwert des Entbindungsantrags ist umstritten. Meist werden zwei Monatsgehälter angesetzt (BAG v. 18.1.1996, NZA 1996, 1175; LAG Köln v. 4.7.1995, LAGE § 19 GKG Nr. 15; ArbG Berlin v. 5.1.1973, DB 1973, 192). Ein Abschlag für das Eilverfahren ist ausgeschlossen, da ein Hauptverfahren nicht stattfindet.

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Klage gegen fristlose Kündigung1 und auf Gehaltszahlung

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1

Wichtig: Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt auch für die Klage gegen außerordentliche Kündigungen die Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 7 KSchG. Seit 2004 sind die §§ 4, 7 KSchG auch im Kleinbetrieb und auch in der sechsmonatigen Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG anwendbar (§ 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). 2 S. M 101.1 und M 101.2.

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1. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 31.3. . . . nicht geendet hat. 2. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht. 3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als . . . weiter zu beschäftigen.3 4. Die Beklagte wird verurteilt, Euro 3 000,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz4 seit dem 1.5. . . . an den Kläger zu zahlen.5, 6

3 S. dazu M 22.23. 4 Zur Verzinsung s. M 101.3 Fn. 5–7. 5 Praxistipp: Die Vor- und Nachteile einer Klage auf Gehaltszahlung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. nach Zugang der fristlosen Kündigung sind sorgfältig abzuwägen. Vorteil ist, dass bei stattgebendem erstinstanzlichen Urteil ohne Sicherheitsleistung (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) vollstreckt werden kann, so dass der Arbeitnehmer nicht mehr auf das niedrigere Arbeitslosengeld angewiesen ist. Aber die Klage kann sich auch als hinderlich erweisen, wenn der Arbeitnehmer in erster Instanz obsiegt und danach doch noch ein Vergleich abgeschlossen wird. Es ist dann nicht mehr möglich, bereits titulierte und vollstreckte Gehaltsansprüche in eine steuerlich und sozialversicherungsrechtlich günstigere Abfindung umzuwandeln. Auch kostenmäßig wirkt sich die Klage auf Gehaltsfortzahlung nicht unbedingt aus (s. Fn. 10). Die Klage auf Gehaltsfortzahlung ist auch nicht erforderlich, um den Arbeitgeber in Annahmeverzug nach § 615 Satz 1 BGB zu setzen. Denn bereits in der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegt eine ausreichende Anzeige der Arbeitsbereitschaft, so dass schon durch Erhebung der Kündigungsschutzklage der Arbeitgeber in Verzug gerät. Nach der Rechtsprechung des BAG soll sogar der Arbeitgeber auch dann in Annahmeverzug geraten, wenn er dem Arbeitnehmer unberechtigt kündigt, ohne dass ein ausdrückliches Angebot des Arbeitnehmers auf Weiterarbeit notwendig wäre (BAG v. 9.8.1984 und v. 21.3.1985, NZA 1985, 119 und 778). Besonderheiten gelten nur, wenn der Arbeitnehmer bei Zugang der Kündigung krank war (BAG v. 24.10.1991, NZA 1992, 403). 6 Wichtig: Die Erhebung der Gehaltsklage ist nicht erforderlich, um eine (einzel- oder tarifvertragliche) Ausschlussfrist zu wahren. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist in der Erhebung der Kündigungsschutzklage eine ausreichende Geltendmachung im Sinne solcher Ausschlussfristen zu sehen (seit BAG v. 10.4.1963, NJW 1963, 1517). Anders entschied dagegen das BAG lange Zeit bei sog. zweistufigen Ausschlussfristen, nach denen Vergütungsansprüche zunächst innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich geltend gemacht werden und dann binnen einer weiteren Frist nach Ablehnung oder Ausbleiben einer Antwort eingeklagt werden müssen (s. M 12.4). In der Erhebung der Kündigungsschutzklage sah das BAG keine gerichtliche Geltendmachung von Vergütungsansprüchen. Bei zweistufigen Ausschlussfristen war also die Erhebung einer Klage auf Gehaltsfortzahlung unabdingbar. Diese Rechtsprechung hat das BAG mittlerweile aus AGB-rechtlichen Gründen aufgegeben (v. 19.3.2008, NZA 2008, 757), so dass nunmehr die Kündigungsschutzklage im Regelfall auch eine zweistufige Ausschlussfrist wahrt. Zu beachten ist allerdings, dass die Erhebung der Kündigungsschutzklage die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB nicht unterbricht. Insbesondere bei komplizierten Sachverhalten und überlasteten Arbeitsgerichten kann es durchaus vorkommen, dass sich ein Kündigungsschutzverfahren über mehr als drei Kalenderjahre hinzieht. Dann ist die gesonderte Geltendmachung der Vergütungsansprüche durch Klageerweiterung oder Mahnbescheid unabdingbar.

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Begründung: Der Kl. ist seit . . . bei der Bekl. als . . . mit einem Gehalt von Euro 3 000,– pro Monat beschäftigt. Die Bekl. beschäftigt ca. 50 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Die Bekl. hat das Arbeitsverhältnis am 31.3. . . . fristlos gekündigt, das Kündigungsschreiben wurde dem Kl. am selben Tag persönlich übergeben. Beweis: Kündigungsschreiben vom 31.3. . . ., Anlage K 1 Mündlich wurde zur Begründung der Kündigung angegeben, der Kl. habe seinem Arbeitskollegen A aus dem Spind Euro 200,– gestohlen. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Der Kl. hat seinem Kollegen A nichts gestohlen. Die Kündigung ist folglich schon nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksam, weil kein „wichtiger Grund“ vorlag.7 Im Übrigen ist die Kündigung auch unwirksam, weil die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden ist.8 Der Personalleiter der Bekl. hat dem Kl. bei Übergabe der Kündigung am 31.3. . . . erklärt, man sei bereits seit drei Wochen überzeugt, dass er den Diebstahl begangen habe. Er (der Personalleiter) habe aber mit dem Ausspruch der Kündigung noch warten müssen, da er noch mit dem (an sich nicht zuständigen) Personalleiter der Konzernmutter habe Rücksprache nehmen wollen. Dieser sei aber im Urlaub gewesen. Beweis: Zeugnis des Personalleiters der Bekl., zu laden über diese Im Übrigen wird die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG mit Nichtwissen bestritten. Mit dem Klageantrag Ziff. 3 macht der Kl. gemäß der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend. Mit dem Klageantrag Ziff. 4 wird der Gehaltsanspruch des Kl. für den Monat April . . . geltend gemacht. Die Bezüge sind nach den Bedingungen des Anstellungsvertrages zum Monatsletzten fällig, so dass ab dem 1. des Folgemonats Zinsen anfallen (§ 286 BGB). Der Kl. hat bereits bei Übergabe der Kündigung diese mündlich zurückgewiesen und seine weitere Arbeitsleistung angeboten. Beweis: wie vor Anderweitige Einkünfte in der Zeit seit Ausspruch der Kündigung, die nach § 615 Satz 2 BGB anzurechnen wären, hat der Kläger nicht erzielt.9 7

Praxistipp: Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist der Arbeitgeber beweispflichtig. Selbst wenn dem Arbeitnehmer bekannt ist, aus welchem Grund gekündigt worden ist, sollte er dazu in der Klageschrift nichts vortragen, sondern nur pauschal das Vorliegen von Kündigungsgründen bestreiten. Es ist immer geschickter, zunächst den Arbeitgeber vortragen zu lassen und dann zu erwidern. 8 Fristlose Kündigungen scheitern häufig an der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB, zumal innerhalb der zwei Wochen auch noch die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG (drei Tage Äußerungsfrist) stattfinden muss. Für die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dies gilt aber nur, wenn der Arbeitnehmer bestritten hat, dass die Frist eingehalten wurde. Der Arbeitnehmer kann sich allerdings auf pauschales Bestreiten mit Nichtwissen beschränken, er braucht nicht Anhaltspunkte dafür vorzutragen, dass die Frist nicht eingehalten wurde. 9 Anderweitigen Erwerb während des Annahmeverzugs muss sich der Arbeitnehmer nach § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen. In der Praxis ist oft zu beobachten, dass der Arbeitnehmer trotz anderweitigen Verdienstes auf das volle Bruttogehalt klagt. Da die „Anrechnung“ nach § 615 Satz 2 BGB keine Willenserklärung des Arbeitgebers voraussetzt, sondern sich der Gehaltsanspruch kraft Gesetzes reduziert, begeht der Arbeitnehmer einen Prozess-

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... (Unterschrift)10 betrug, wenn er unter Verschweigen des anderweitigen Verdienstes auf die ungeminderte Vergütung klagt. Vermutet der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst erzielt hat, macht eine selbständige Klage auf Auskunft wenig Sinn. Obwohl analog zu § 74c Abs. 2 HGB ein selbständig einklagbarer Auskunftsanspruch besteht (BAG v. 29.7.1993, DB 1993, 2437; v. 2.6.1987, AP Nr. 13 zu § 74c HGB), ist dieser Weg zu umständlich und langwierig. Für den Arbeitgeber einfacher ist es, das Zurückbehaltungsrecht aus §§ 273, 320 BGB geltend zu machen, bis der Arbeitnehmer Auskunft erteilt hat (BAG v. 19.7.1978, NJW 1979, 285). 10 Seit jeher umstritten ist, ob hinsichtlich des Streitwerts die eingeklagten Vergütungsansprüche zu dem Streitwert der Kündigungsschutzklage (§ 42 Abs. 3 GKG: Vierteljahresbezug, s. M 22.17 Fn. 13) zu addieren sind. Das ist bei rückständigen Vergütungsansprüchen aus der Zeit vor der Kündigung auf jeden Fall zu bejahen (LAG Bremen v. 25.8.2005, AE 2006, Nr. 352). Für die Zeit danach ist die Rechtsprechung der Gerichte unterschiedlich (für Addition beispielsweise LAG München v. 20.11.2001 – 9 Ta 354/01; LAG Hessen v. 2.9.1999 – 15 Ta 465/99; LAG Hamburg v. 15.5.1990, LAGE § 12 ArbGG Streitwert Nr. 85; aA zB LAG Berlin v. 2.11.2005 – 17 Ta (Kost) 6073/05; LAG Nürnberg v. 15.2.2005 – 8 Ta 26/05; wieder anders LAG Hamm v. 30.1.2002, NZA-RR 2002, 380: Bewertung der Vergütungsansprüche pauschal mit einem zusätzlichen Bruttomonatsverdienst). Sofern mehr als drei Monatsgehälter eingeklagt werden, sollte dies auf jeden Fall gebührenerhöhend sein.

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Gesellschafterbeschluss zur Abberufung und Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers1, 2

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Niederschrift über einen Gesellschafterbeschluss Die Gesellschaftsanteile der X-GmbH (Handelsregister Nr. . . .) werden zu je 50 % von der X Deutschland Holding GmbH (Handelsregister Nr. . . .) und der Y-AG (Handelsregister Nr. . . .) gehalten. Unter Verzicht auf die Einhaltung sämtlicher Form- und Fristvorschriften, insbesondere betreffend Ladung, Einberufung und Ankündigung, 1

2

Wichtig: Viele Kündigungen von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern sind unwirksam, weil ein ordnungsgemäßer Gesellschafterbeschluss fehlt. Eine ohne einen wirksamen Gesellschafterbeschluss ausgesprochene Kündigung ist unheilbar nichtig. Sie kann auch durch einen nachfolgenden Gesellschafterbeschluss nicht mehr rückwirkend geheilt werden. Stillschweigende Gesellschafterbeschlüsse gibt es nicht, der Beschluss muss immer klar und eindeutig formuliert sein. Besonders problematisch sind fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse beim Ausspruch einer fristlosen Kündigung, da wegen der Zwei-WochenFrist (§ 626 Abs. 2 BGB) eine Reparatur regelmäßig ausgeschlossen ist. Wichtig: Vor der Beschlussfassung ist sorgfältig zu prüfen, ob die Gesellschafterversammlung überhaupt für die Abberufung und Kündigung des Geschäftsführers zuständig ist. Häufig wird diese Kompetenz auf (freiwillige oder zwingende) Aufsichtsräte, Beiräte, Verwaltungsräte etc. verlagert, was zulässig ist. Unter der Mitbestimmung des DrittelbG bleibt die Kompetenz zur Abberufung und Kündigung der GmbH-Geschäftsführer bei der Gesellschafterversammlung. Nach dem MitbestG ist dagegen zwingend der Aufsichtsrat zuständig. Bei Aktiengesellschaften ist für die Kündigung eines Vorstandsmitglieds immer der Aufsichtsrat zuständig.

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Kap. 22

Beendigungskündigung

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halten die Unterzeichner hiermit eine außerordentliche Gesellschafterversammlung3, 4 der X-GmbH ab und beschließen einstimmig: 1. Die Bestellung von Herrn Müller zum Geschäftsführer der X-GmbH wird mit sofortiger Wirkung widerrufen. 2. Das Anstellungsverhältnis zwischen Herrn Müller und der X-GmbH wird aus wichtigem Grund fristlos gekündigt.5 3. Das Vorstandsmitglied der Y-AG, Herr Schultze, wird beauftragt und bevollmächtigt, Herrn Müller die Beschlüsse Ziff. 1 und 2 bekannt zu geben. Herr Schultze wird zugleich von den Gesellschaftern bevollmächtigt, sämtliche Rechtsgeschäfte und Erklärungen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Herrn Müller im Namen der X-GmbH abzugeben, dies betrifft insbesondere auch den Abschluss von Vergleichen bzw. Aufhebungsverträgen.6 Für die X Deutschland Holding GmbH:7 ... (Geschäftsführer)

... (Geschäftsführer)

Für die Y-AG: ... (Vorstandsmitglied)

... (Vorstandsmitglied)

3 Wenn die Satzung es erlaubt, kann der Beschluss auch im schriftlichen Verfahren gefasst werden. 4 Die frühere Rechtsprechung, wonach zumindest in Bezug auf den Dienstvertrag auch eine Vertretung der GmbH durch die Mit-Geschäftsführer zulässig sein sollte, hat der BGH zu Recht aufgegeben (BGH v. 25.3.1991, GmbHR 1991, 363). 5 Wichtig: Der Beschluss muss unbedingt erkennen lassen, dass die Gesellschafter zwischen der Abberufung vom Amt und der Kündigung des Dienstvertrages unterschieden haben. Ansonsten bleibt unklar, was beschlossen wurde. 6 Wichtig: Die Gesellschafter müssen darauf achten, das Risiko einer Zurückweisung nach § 174 BGB auszuschließen. Typischerweise regelt die Satzung, dass der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung für die Bekanntgabe von Beschlüssen gegenüber Dritten zuständig ist. Soll der Beschluss auf diese Weise bekannt gegeben werden, bedarf es keiner besonderen Zuständigkeitsregelung im Abberufungsbeschluss. Sieht dagegen die Satzung dazu nichts vor, ist es ratsam, die zuständige Person ausdrücklich im Abberufungsbeschluss zu benennen. Noch wichtiger ist, dass bei der Bekanntgabe des Beschlusses gegenüber dem Geschäftsführer eine Niederschrift mit Originalunterschriften aller Beteiligten dem Geschäftsführer ausgehändigt wird. Denn es ist umstritten, ob die Bekanntgabe des Abberufungs- und Kündigungsbeschlusses ein Rechtsgeschäft iSv. § 174 BGB ist (so OLG Düsseldorf v. 17.11.2003, DB 2004, 920; dazu Schockenhoff/Topf, DB 2005, 539). Solange diese Frage nicht höchstrichterlich entschieden ist, sollte durch die Beifügung eines originalunterzeichneten Beschlusses vorsorglich das Risiko einer Zurückweisung nach § 174 BGB ausgeschlossen werden. 7 Wichtig: Sind die Gesellschafter juristische Personen, werden sie durch ihre jeweiligen Vertretungsorgane (GmbH-Geschäftsführer, AG-Vorstände, etc.) vertreten. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass die Vertretung ordnungsgemäß erfolgt. Sind die Organmitglieder nur gemeinschaftlich vertretungsbefugt, so müssen mehrere bzw. alle von ihnen an der Beschlussfassung mitwirken.

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Beendigungskündigung

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Einstweilige Verfügung1 auf Herausgabe von Arbeitspapieren

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An das Arbeitsgericht2 In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)3 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen wir: 1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – aufgegeben, die Lohnsteuerbescheinigung (§ 41b Abs. 1 Satz 3 ff. EStG), die Urlaubsbescheinigung (§ 6 Abs. 2 BUrlG) und die Arbeitsbescheinigung (§ 312 SGB III) des Antragstellers herauszugeben, 2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung auf Grund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Der ASt. war bei der AGg. bis zum . . . als Maurer tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des ASt. Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben des ASt. vom . . ., Anlage AS 1 Unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung trat die AGg. an den ASt. heran und verlangte von ihm die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von Euro 5 000,–. Zur Begründung gab die AGg. an, der ASt. habe Ende Mai . . . durch Unachtsamkeit einen Radlader beschädigt, der Schaden betrage Euro 5 000,–. Der ASt. hat die Zahlung verweigert, da er nie einen Radlader beschädigt hat. Der Radlader wurde von seinem Arbeitskollegen X beschädigt, ohne dass den ASt. daran eine Schuld traf. Die AGg. hat jedoch auf ihrem Standpunkt beharrt und dem ASt. erklärt, er werde seine Arbeitspapiere nicht bekommen, bevor er nicht die Euro 5 000,– gezahlt habe. Dies wurde ihm letztmals am . . . von dem Prokuristen Y in Gegenwart des Arbeitskollegen Z erklärt. Zur Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des Arbeitskollegen Z (ladungsfähige Anschrift), Anlage AS 2

1 Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3. 2 Wichtig: Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG. Das gilt aber entgegen einem verbreiteten Irrtum nur für die Pflichten des Arbeitgebers auf Herausgabe und Ausfüllung der Papiere. Ansprüche auf Korrektur falsch ausgefüllter Arbeitspapiere sind hingegen nach verbreiteter Auffassung vor den jeweiligen Fachgerichten anzubringen (zB BAG v. 11.6.2003, NZA 2005, 877: Zuständigkeit der Finanzgerichte für die Korrektur von Lohnsteuerbescheinigungen). 3 S. M 101.1 und M 101.2.

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Kap. 22

Beendigungskündigung

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Die AGg. hat kein Recht, dem ASt. die Arbeitspapiere vorzuenthalten.4 Zurückbehaltungsrechte an Arbeitspapieren bestehen nach einhelliger Auffassung grundsätzlich nicht.5 Im Übrigen stehen der AGg. ohnehin keine Gegenansprüche zu, da der ASt. für die Beschädigung des Radladers nicht verantwortlich ist. Es ist dem ASt. nicht zuzumuten, die Arbeitspapiere im Hauptsacheverfahren heraus zu verlangen. Der ASt. bewirbt sich derzeit bei mehreren anderen Baufirmen in der Region. Zwei Unternehmen haben dem ASt. bereits die Einstellung zum . . . zugesagt, allerdings unter der Voraussetzung, dass der ASt. bis dahin seine Arbeitspapiere beibringt. Die Bundesagentur für Arbeit kann ohne Vorlage der Arbeitsbescheinigung kein Arbeitslosengeld berechnen und auszahlen. Zur Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 3 Ohne die begehrte einstweilige Verfügung könnte der ASt. keine neue Stelle antreten, da ihn ohne Vorlage der Arbeitspapiere niemand einstellt. Dem ASt. droht ein nicht wieder gutzumachender Nachteil. Es ist nicht zu verkennen, dass mit dem Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung die Hauptsache vorweggenommen würde. Dies ist aber zulässig, da dem ASt. schwere nicht wieder gutzumachende Nachteile drohen und die AGg. die Herausgabe der Arbeitspapiere ohne vernünftigen Grund verweigert.6 ... (Unterschrift)7 4 Der Verfügungsanspruch ergibt sich für die Lohnsteuerbescheinigung aus § 41b Abs. 1 Satz 3 ff. EStG, für die Urlaubsbescheinigung aus § 6 Abs. 2 BUrlG, für die Arbeitsbescheinigung aus § 312 SGB III. Daneben ergibt sich der Herausgabeanspruch auf Grund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis (BAG v. 23.1.1958, AP Nr. 22 zu § 61 ArbGG 1953). 5 Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers an den Arbeitspapieren wegen (angeblicher) Gegenforderungen wird von der herrschenden Meinung (BAG v. 20.12.1958, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Urlaubskarten) zu Recht abgelehnt, da die Arbeitspapiere vor allem öffentlichrechtliche Funktion haben. 6 Die Vollstreckung erfolgt nach § 883 Abs. 1 ZPO durch Wegnahme der Arbeitspapiere beim Arbeitgeber durch den Gerichtsvollzieher und Aushändigung an den Arbeitnehmer (BAG v. 23.1.1958, AP Nr. 22 zu § 61 ArbGG; aA LAG Hessen v. 25.6.1980, AR-Blattei „Zwangsvollstreckung“, Entsch. Nr. 32). Wichtig: Damit die Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher möglich ist, müssen die Arbeitspapiere im Antrag genau bezeichnet sein. Ein Antrag auf Herausgabe „der Arbeitspapiere“ ist unzulässig, weil nicht vollstreckbar. 7 Als Streitwert wird von den Gerichten üblicherweise ein fester Euro-Betrag festgesetzt. Üblich waren früher zwischen DM 200,– und DM 500,– pro Arbeitspapier (vgl. LAG BW v. 9.2.1984, AR-Blattei Arbeitsgerichtsbarkeit „Streitwert und Kosten“, Entsch. Nr. 140; LAG Hamm v. 18.4.1985, AnwBl 1985, 586; vgl. Becker-Schaffner, DB 1983, 1304; Kitzelmann, ArbuR 1970, 299 ff.). Zuletzt hat das LAG Rh.-Pf. (v. 14.3.2007, AE 2007, Nr. 433) Euro 300,– festgesetzt. Der ansonsten übliche Abschlag im Eilverfahren erscheint unangemessen, da hier das Eilverfahren die Hauptsache vorwegnimmt.

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Beendigungskündigung

Kap. 22

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Klage auf Wiedereinstellung nach Wegfall des Kündigungsgrundes1

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An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ab . . .3 als Produktionsarbeiter im Betrieb in . . . zu den bisherigen Bedingungen mit einem Bruttomonatsgehalt von Euro . . . wieder einzustellen. Begründung: Der Kl. ist bei der Beklagten als Produktionsarbeiter beschäftigt. Die Bekl. hat ihm am 29.6. . . . per 30.9. . . . betriebsbedingt gekündigt. Die Kündigung wurde damit begründet, dass wegen des Wegfalls des Großauftrages der X-AG die Anlage, an der der Kl. beschäftigt war, stillgelegt werde. Der Kl. erhob gegen diese Kündigung keine Kündigungsschutzklage, da die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen offensichtlich wirksam erschien. Wie der Kl. inzwischen erfahren hat, ist es der Bekl. jedoch Anfang September gelungen, den Großauftrag der X-AG zu erneuern. Sie wird deshalb die Anlage, an der der Kl. bislang beschäftigt war, nicht stilllegen, sondern weiter betreiben. Der Kl. hat einen Anspruch, auf seiner alten Position wieder eingestellt zu werden. Die Bekl. hat ersichtlich noch keinerlei Dispositionen im Hinblick auf den ehemaligen Arbeitsplatz des Kl. getroffen. Sie sucht zwar in Stellenanzeigen Produktionsmitarbeiter, hat aber nach Kenntnis des Kl. (die auf Anfrage vom Betriebsrat bestätigt wurde) noch keine Bewerber eingestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (v. 27.2.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1) hat der Kl. deshalb einen Wiedereinstellungsanspruch (wird ausgeführt).4

1 S. auch M 1.9. 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Nach Auffassung des BAG (v. 9.11.2006, EzA § 311a BGB Nr. 1) kann seit der Schuldrechtsreform 2002 auch auf rückwirkende (Wieder-)Einstellung geklagt werden. Die Klage ist dann nach § 894 ZPO auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet, nicht auf Annahme des Vertragsangebots auf rückwirkenden Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages (BAG v. 16.9.2009, NZA 2010, 32). 4 Der Wiedereinstellungsanspruch ist begründet, wenn sich die für die Wirksamkeit der Kündigung maßgebenden Umstände noch während des Laufs der Kündigungsfrist verändern. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat, die die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verhindern würden. Ergibt sich dagegen erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, hat der Arbeitnehmer keinen Wiedereinstellungsanspruch. Das soll selbst dann gelten, wenn zu diesem Zeitpunkt noch ein Kündigungsschutzverfahren schwebt (BAG v. 6.8.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2).

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.31

... (Unterschrift)5 5 Der Streitwert ist analog zu § 42 Abs. 3 GKG mit einem Vierteljahresbezug anzusetzen.

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Widerklage des Arbeitgebers auf Herausgabe des Dienstwagens und Schadensersatz

An das Arbeitsgericht . . . In Sachen . . ./. . . (Kurzrubrum) vertreten wir die Beklagte. Namens und im Auftrag der Beklagten beantragen wir: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Im Wege der Widerklage1 wird der Kläger verurteilt, a) den Pkw Audi A6, amtliches Kennzeichen S-XY 12342 an die Beklagte herauszugeben, b) für jeden Monat der Nichtherausgabe seit dem . . . Schadensersatz von Euro 1 100,– an die Beklagte zu zahlen. Begründung: Die vom Kl. mit der Kündigungsschutzklage angegriffene Kündigung vom . . . war wirksam und hat das Arbeitsverhältnis zum . . . beendet (wird ausgeführt). Der Kl. weigert sich, das im Antrag Ziff. 2 bezeichnete Dienstfahrzeug herauszugeben. Der Herausgabeanspruch besteht jedoch unstreitig. Denn in § . . . des Arbeitsvertrages des Kl. heißt es unmissverständlich: „Der Dienstwagen ist bei Ausspruch einer Kündigung, gleich durch welche Partei, bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages sowie bei Erklärung einer Freistellung seitens des Arbeitgebers unverzüglich herauszugeben.“ Beweis: Anstellungsvertrag des Kl., Anlage B 1 Die Bekl. hat den Kl. mit Schreiben vom . . . zur unverzüglichen Herausgabe des Fahrzeugs aufgefordert. Beweis: Aufforderungsschreiben der Bekl. vom . . ., Anlage B 2 Der Kl. hat jedoch nicht reagiert, so dass Herausgabeklage geboten ist. Zugleich hat der Kl. als Verzugsschaden für jeden Monat der Nichtherausgabe den Nutzungswert 1 Allgemein zur Widerklage ausführlich M 101.8. 2 Das Fahrzeug muss so genau bezeichnet werden, dass die Zwangsvollstreckung möglich ist. Dazu muss zumindest das amtliche Kennzeichen angegeben werden, die Angabe der Fahrgestellnummer erscheint hingegen entbehrlich.

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des Fahrzeugs zu zahlen, der sich auf Euro 1 100,– beläuft (wird ausgeführt). Hätte der Kl. das Fahrzeug rechtzeitig zurückgegeben, hätte die Bekl. dieses Fahrzeug dem leitenden Angestellten X zur Verfügung gestellt, der ebenfalls vertraglich einen Anspruch auf einen Dienstwagen hat. Wegen der Nichtherausgabe des klägerischen Fahrzeugs musste die Bekl. ein anderes Fahrzeug leasen, wofür Leasingraten von Euro 1 100,– pro Monat anfallen. Beweis: Zeugnis des Personalleiters . . ., zu laden über die Bekl.3 ... (Unterschrift)4 3 Die Berechnung der Nutzungsentschädigung ist außerordentlich umstritten. Teilweise wird eine Abrechnung auf der Basis der ADAC-Kostentabellen befürwortet, teils der Ansatz des steuerlichen geldwerten Vorteils, wieder andere wollen auf die Tabellen von Küppersbusch (früher Sanden/Danner) abstellen (ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 389 ff. mwN). Bei einem geleasten Fahrzeug können mit Sicherheit zumindest die Leasingraten angesetzt werden, da es jedenfalls nach Verzugseintritt nicht mehr um Herausgabeansprüche nach § 812 BGB geht, die sich nach dem Vorteil des Arbeitnehmers bemessen, sondern um Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB, für die der beim Arbeitgeber eintretende Schaden maßgeblich ist. 4 Als Streitwert ist bei Herausgabeklagen grundsätzlich der Verkehrswert des herauszugebenden Gegenstands anzusetzen. Das gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug im Eigentum des Arbeitgebers steht oder geleast ist (LAG Rh.-Pf. v. 16.10.2008, AE 2009, Nr. 231).

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Literaturübersicht: Alewell/Hauff, Betriebliches Trennungsmanagement im Schatten des Arbeitsrechts, BB 2010, 3149; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Aufl. 2014; Bauer, Neue Spielregeln für Aufhebungs- und Abwicklungsverträge durch das geänderte BGB?, NZA 2002, 169; Bauer, „Spielregeln“ für die Freistellung von Arbeitnehmern, NZA 2007, 409; Bauer, Aufhebungsverträge rechtssicher gestalten, PersF 2008, 90; Bauer/Diller, Zur Inhaltskontrolle von Aufhebungsverträgen, DB 1995, 1810; Bauer/Günther, Neue Spielregeln für Klageverzichtsvereinbarungen, NJW 2008, 1617; Bauer/Haußmann, Der Rücktritt vom Aufhebungsvertrag, BB 1996, 901; Bauer/Hümmerich, Nichts Neues zu Aufhebungsverträgen und Sperrzeit oder: Alter Wein in neuen Schläuchen, NZA 2003, 1076; Bauer/Kock, Arbeitsrechtliche Auswirkungen des neuen Verbraucherschutzrechts, DB 2002, 42; Bauer/Krieger, Rien ne vas plus – „Nachkarten“ nach Abwicklungsvertrag ausgeschlossen, NZA 2006, 306; Bauer/Krieger, Freistellungsvereinbarung: Neue sozialversicherungsrechtliche Spielregeln-Rechtsfolgen, Kritik, Alternativen, DB 2005, 2242; Bauer/Powietzka, Heilung unterbliebener Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG, DB 2000, 1073; Bergwitz, Beschäftigungsverhältnis bei Freistellung, NZA 2009, 518; Besgen/Velten, Der Rücktritt vom Aufhebungsvertrag in der Insolvenz, NZA-RR 2010, 561; Bubeck/Sartorius, Eintritt von Sperrzeiten nach der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses, ASR 2009, 75; Cornelius/Lipinski, Diskriminierungsabrede im Aufhebungsvertrag, BB 2007, 496; Diller/Schuster, Aufhebungsverträge mit (Schein-)Selbständigen, FA 1998, 138; Ferme/Lipinski, Änderung der Rechtsprechung des BAG bei Massenentlassungen, NZA 2006, 937; Gagel, Sperrzeit durch Abfindungsvertrag, ZIP 2005, 332; Gaul/Bonanni/Niklas, Aktuelle Probleme der Freistellung, ArbRB 2008, 149; Gaul/Niklas, Neue Grundsätze zur Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvereinbarung und gerichtlichem Vergleich, NZA 2008, 137; Günther, Freistellung von der Arbeitspflicht, ArbR 2009, 127; Hilgenstock, Das Ar-

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des Fahrzeugs zu zahlen, der sich auf Euro 1 100,– beläuft (wird ausgeführt). Hätte der Kl. das Fahrzeug rechtzeitig zurückgegeben, hätte die Bekl. dieses Fahrzeug dem leitenden Angestellten X zur Verfügung gestellt, der ebenfalls vertraglich einen Anspruch auf einen Dienstwagen hat. Wegen der Nichtherausgabe des klägerischen Fahrzeugs musste die Bekl. ein anderes Fahrzeug leasen, wofür Leasingraten von Euro 1 100,– pro Monat anfallen. Beweis: Zeugnis des Personalleiters . . ., zu laden über die Bekl.3 ... (Unterschrift)4 3 Die Berechnung der Nutzungsentschädigung ist außerordentlich umstritten. Teilweise wird eine Abrechnung auf der Basis der ADAC-Kostentabellen befürwortet, teils der Ansatz des steuerlichen geldwerten Vorteils, wieder andere wollen auf die Tabellen von Küppersbusch (früher Sanden/Danner) abstellen (ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 389 ff. mwN). Bei einem geleasten Fahrzeug können mit Sicherheit zumindest die Leasingraten angesetzt werden, da es jedenfalls nach Verzugseintritt nicht mehr um Herausgabeansprüche nach § 812 BGB geht, die sich nach dem Vorteil des Arbeitnehmers bemessen, sondern um Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB, für die der beim Arbeitgeber eintretende Schaden maßgeblich ist. 4 Als Streitwert ist bei Herausgabeklagen grundsätzlich der Verkehrswert des herauszugebenden Gegenstands anzusetzen. Das gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug im Eigentum des Arbeitgebers steht oder geleast ist (LAG Rh.-Pf. v. 16.10.2008, AE 2009, Nr. 231).

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Literaturübersicht: Alewell/Hauff, Betriebliches Trennungsmanagement im Schatten des Arbeitsrechts, BB 2010, 3149; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Aufl. 2014; Bauer, Neue Spielregeln für Aufhebungs- und Abwicklungsverträge durch das geänderte BGB?, NZA 2002, 169; Bauer, „Spielregeln“ für die Freistellung von Arbeitnehmern, NZA 2007, 409; Bauer, Aufhebungsverträge rechtssicher gestalten, PersF 2008, 90; Bauer/Diller, Zur Inhaltskontrolle von Aufhebungsverträgen, DB 1995, 1810; Bauer/Günther, Neue Spielregeln für Klageverzichtsvereinbarungen, NJW 2008, 1617; Bauer/Haußmann, Der Rücktritt vom Aufhebungsvertrag, BB 1996, 901; Bauer/Hümmerich, Nichts Neues zu Aufhebungsverträgen und Sperrzeit oder: Alter Wein in neuen Schläuchen, NZA 2003, 1076; Bauer/Kock, Arbeitsrechtliche Auswirkungen des neuen Verbraucherschutzrechts, DB 2002, 42; Bauer/Krieger, Rien ne vas plus – „Nachkarten“ nach Abwicklungsvertrag ausgeschlossen, NZA 2006, 306; Bauer/Krieger, Freistellungsvereinbarung: Neue sozialversicherungsrechtliche Spielregeln-Rechtsfolgen, Kritik, Alternativen, DB 2005, 2242; Bauer/Powietzka, Heilung unterbliebener Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG, DB 2000, 1073; Bergwitz, Beschäftigungsverhältnis bei Freistellung, NZA 2009, 518; Besgen/Velten, Der Rücktritt vom Aufhebungsvertrag in der Insolvenz, NZA-RR 2010, 561; Bubeck/Sartorius, Eintritt von Sperrzeiten nach der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses, ASR 2009, 75; Cornelius/Lipinski, Diskriminierungsabrede im Aufhebungsvertrag, BB 2007, 496; Diller/Schuster, Aufhebungsverträge mit (Schein-)Selbständigen, FA 1998, 138; Ferme/Lipinski, Änderung der Rechtsprechung des BAG bei Massenentlassungen, NZA 2006, 937; Gagel, Sperrzeit durch Abfindungsvertrag, ZIP 2005, 332; Gaul/Bonanni/Niklas, Aktuelle Probleme der Freistellung, ArbRB 2008, 149; Gaul/Niklas, Neue Grundsätze zur Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvereinbarung und gerichtlichem Vergleich, NZA 2008, 137; Günther, Freistellung von der Arbeitspflicht, ArbR 2009, 127; Hilgenstock, Das Ar-

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beitszeugnis als kompensatorische Gegenleistung im Abwicklungsvertrag, ArbR Aktuell 2013, 254; Hjort, Zum Umgang mit Sperrzeitrisiken bei Aufhebung und Abfindung, AiB 2008, 65; Hümmerich/Schmidt-Westphal, Integrierte Aufhebungsvereinbarungen im Dienstvertrag des GmbHGeschäftsführers, DB 2007, 222; Jooß, Aufhebung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags, RdA 2008, 285; Kern/Wege, Zuwendungen an den Arbeitnehmer im Aufhebungsvertrag – Steuersparmodelle oder Haftungsfallen?, NZA 2008, 564; Kleinebrink, Besondere Regelungen in Aufhebungsverträgen, ArbRB 2008, 153; Kleinebrink, Grundsätze der inhaltlichen Gestaltung außergerichtlicher Aufhebungsverträge, ArbRB 2008, 121; Kleinebrink, Der Aufhebungsvertrag bei Massenentlassung, Betriebsänderung und Betriebsübergang, FA 2008, 101; Kock/Fandel, Sozialversicherungsrecht – Neue Spielregeln für die unwiderrufliche Freistellung, ArbRB 2009, 203; Kock/Fandel, Unwiderrufliche Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, DB 2009, 2321; Kroeschell, Die neuen Regeln bei Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarungen, NZA 2008, 560; Lembke, Sozialversicherungsrechtliche Fragen bei der Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen, BB 2009, 2594; Lembke, Aufhebungsverträge: Neues zur Sperrzeit, DB 2008, 293; Linck, Die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen, JbArbR 45 (2008), 73; Lingemann, Neues zum arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag, NJW 1997, 640, 641; Lingemann, Allgemeine Geschäftsbedingungen und Arbeitsvertrag, NZA 2002, 181; Lingemann/Groneberg, Der Aufhebungsvertrag, NJW 2010, 3496 u. 3624; NJW 2011, 2028, 2937 u. 3629; NJW 2012, 985; Lützeler/Bissels, Reduzierung der Belegschaft ohne Kündigung, AuA 2009, 43; Lützeler/Bissels, Die Rückkehr des Aufhebungsvertrags, AuA 2008, 141; Meyer, Der Freistellungsvertrag, NZA 2011, 1249; Müller, Klageverzicht und Abwicklungsvereinbarung, BB 2011, 1653; Oberthür, Aktuelles zur Sperrzeit – Entwicklung der BSG-Rechtsprechung zu betriebsbedingten Trennungsvereinbarungen, ArbRB 2007, 113; Panzer, Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, NJW 2010, 11; Preis/Schneider, § 1a KSchG – die sozialrechtliche Aufwertung einer bisher arbeitsrechtlich unbedeutenden Vorschrift, NZA 2006, 1297; Pröpper, Die Übernahme der Rechtsanwaltskosten durch den Arbeitgeber – Arbeitsrechtliche, steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Gestaltung im Aufhebungsvertrag, NZA 2011, 837; Reichel/Volk, Portabilität von Versorgungsanwartschaften in der betrieblichen Altersversorgung, DB 2005, 886; Reinecke, Trennungsgespräche, AuR 2011, 234; Reinfelder, Der Rücktritt von Aufhebungsvertrag und Prozessvergleich, NZA 2013, 62; Ricken, Sperrzeit bei Turboprämie, NZA 2012, 1024; Rieble/Wiebauer, Widerspruch (§ 613a VI BGB) nach Aufhebungsvertrag, NZA 2009, 401; Schmitt-Rolfes, Trennung ohne Kündigung, NZA Beilage 2010, 81; Seel, Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Aufhebungsverträge – typische Klauseln und rechtliche Risiken, JA 2006, 366; Seel, Sperrzeit für Gesetzestreue?, NZS 2006, 184; Sommer/Staffelbach, Beendigung des Arbeitsverhältnisses mittels Aufhebungsvereinbarung, AE 2008, 8; Tödtmann/Kaluza, Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag, NWB 2011, 2808; Weber/ Ehrich/Burmester/Fröhlich, Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, 5. Aufl. 2009; Willemsen, Aufhebungsverträge bei Betriebsübergang, ein „Erfurter Roulette“?, NZA 2013, 242.

I. Einführung 1. Aufhebungsvertrag a) Allgemeines 1

Die Arbeitsvertragsparteien können das Arbeitsverhältnis jederzeit einvernehmlich, also durch einen Aufhebungsvertrag, beenden. Der Vorteil einer solchen Vereinbarung liegt aus Sicht des Arbeitgebers darin, die Risiken einer Kündigung und des sich häufig anschließenden Rechtsstreits zu vermeiden. Zudem hat dieser Weg den Vorteil, dass keine gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Kündigungsfristen eingehalten werden müssen und der Betriebsrat nicht beteiligt werden muss.1 1 Anders beim Abwicklungsvertrag (BAG v. 28.6.2005, NZA 2006, 48); ablehnend Bauer/Krieger, NZA 2006, 306.

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Der Arbeitnehmer andererseits hat häufig bei schweren Verfehlungen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden, ein Interesse an einer Aufhebung statt einer Kündigung. Zudem kann er Kündigungsfristen abkürzen, wenn er sofort ein anderes Arbeitsverhältnis antreten möchte. Anders als beim befristeten Arbeitsvertrag, bei dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits Bestandteil des Arbeitsvertrages ist, wird beim Aufhebungsvertrag neben dem Arbeitsvertrag ein weiterer Vertrag geschlossen, der dessen Aufhebung zum Inhalt hat.2 Dem Abwicklungsvertrag geht im Gegensatz zum Aufhebungsvertrag eine arbeitgeberseitige Kündigung voraus;3 die Parteien erklären übereinstimmend, dass die Kündigung wirksam ist und das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet hat. Beide Vertragsformen (im Folgenden: „Auflösungsvertrag“) sind häufig kaum voneinander zu trennen und gehen ineinander über. Der Unterschied wirkt sich zwar arbeits- und steuerrechtlich praktisch nicht aus; das Sozialversicherungsrecht knüpft jedoch – möglicherweise4 – verschiedene Rechtsfolgen an die beiden Vertragsarten.5 In dem Ineinandergreifen von arbeits-, steuerund sozialversicherungsrechtlichen Regelungen liegt die Hauptschwierigkeit bei der Gestaltung von Aufhebungsverträgen.

2

An der Zulässigkeit von Auflösungsverträgen bestehen keine Zweifel. Das folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 305 BGB) und ist auch keine Umgehung des Kündigungsschutzes. Das Kündigungsschutzgesetz schützt den Arbeitnehmer nur vor der einseitigen, im Belieben des Arbeitgebers stehenden Kündigung, nicht aber vor einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Ob der Arbeitnehmer ein entsprechendes Angebot des Arbeitgebers annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dies gilt auch für die Arbeitnehmergruppen, die besonderen Kündigungsschutz genießen (werdende Mütter, Minderjährige, Eltern in Elternzeit, schwerbehinderte Menschen, Betriebsratsmitglieder usw.). Auch eine behördliche Zustimmung oder eine Anhörung des Betriebsrats zu dem Auflösungsvertrag sind nicht erforderlich. Unwirksam ist die Aufhebung allerdings, wenn es sich um eine entgegen § 305c Abs. 1 BGB ungewöhnliche in AGB versteckte Bestimmung handelt.6 Näheres zur AGB-Kontrolle von Aufhebungsverträgen insbesondere unten unter Rz. 25 ff.

3

b) Zustandekommen des Vertrages Gemäß § 623 BGB bedarf der Auflösungsvertrag der gesetzlichen Schriftform gemäß § 126 BGB, welche durch notarielle Beurkundung oder gerichtlichen Vergleich – auch nach § 278 Abs. 6 ZPO7 – ersetzt werden kann (§§ 126 Abs. 4, 127a BGB). Die elektronische Form nach § 126a BGB ist jedoch ausgeschlossen (§ 623 Halbs. 2

2 Zur Abgrenzung BAG v. 23.11.2006, AP Nr. 317 zu § 613a BGB; v. 23.11.2006, BB 2007, 1054; v. 15.2.2007, NZA 2007, 614; v. 28.11.2007, NZA 2008, 348, 351 sowie Einf. Kap. 6 Rz. 8. 3 Gelegentlich – eher atypisch – folgt die Kündigung dem Abwicklungsvertrag auch nach, vgl. BAG v. 28.6.2005, NZA 2006, 48. 4 Vgl. Hümmerich, NZA 2007, 1025. 5 Vgl. unten Rz. 61 ff. zum Aufhebungsvertrag und Rz. 72 ff. zum Abwicklungsvertrag. 6 BAG v. 15.2.2007, NZA 2007, 614. 7 BAG v. 23.11.2006, NZA 2007, 466.

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BGB). Die Anforderungen an die Einhaltung der Form nach § 126 BGB sind streng.8 Der Austausch von Telefax9 oder Briefen reicht zB nicht aus und hat die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge. Die Berufung auf den Formmangel verstößt nur dann gegen Treu und Glauben, wenn das Ergebnis andernfalls für die Rechtsordnung schlechthin unerträglich wäre.10 Das gesetzliche Schriftformerfordernis gilt allerdings nicht für die Aufhebung eines Umschulungsvertrages iSv. § 1 Abs. 5, § 10 BBiG.11 Schließt ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag, wird zugleich vermutet, dass das bis dahin bestehende Arbeitsverhältnis mit Beginn des Geschäftsführerdienstverhältnisses einvernehmlich beendet wird, soweit nicht klar und eindeutig etwas anderes vertraglich vereinbart worden ist.12 Durch einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag wird in diesen Fällen auch das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag gewahrt.13 4a

§ 623 BGB erfasst seinem Wortlaut nach nur die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag. Allerdings bedarf auch ein Vorvertrag, der die Parteien zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages verpflichtet, der Schriftform, da dem Schriftformerfordernis auch Warnfunktion zukommt.14 Ebenfalls schriftformbedürftig ist eine Klageverzichtsvereinbarung, die im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung getroffen wird.15

5

Der Auflösungsvertrag kommt nach den allgemeinen Regeln des BGB durch Angebot und Annahme zustande.16 Angebote zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages können nur innerhalb der Fristen der §§ 147, 150 Abs. 1 BGB angenommen werden. Unter Anwesenden kann daher ein Angebot nur sofort angenommen werden, egal ob das Angebot mündlich oder schriftlich erfolgt. Die Annahme eines Angebots mit Änderungen oder Ergänzungen gilt gemäß § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Angebot.17 Wegen § 623 iVm. § 126 Abs. 2 BGB kommt ein wirksamer Aufhebungsvertrag in diesen Fällen nur bei erneuter Unterzeichnung der Änderungen durch den Erstantragenden zustande.18 Ein schriftliches Angebot unter Abwesenden (auch unter Anwälten) kann – wenn nicht ausdrücklich eine andere Frist bestimmt ist – nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Eingang der Antwort nach regelmäßigen Umständen erwartet werden kann (§ 147 Abs. 2 BGB).

8 Einzelheiten PWW/Lingemann, § 623 BGB Rz. 1 ff.; vgl. BAG v. 16.9.2004, NZA 2005, 162; LAG Hessen v. 4.3.2013 – 17 Sa 633/12 zur Wahrung der Schriftform durch Unterschrift des Prokuristen. Ist der Prokurist im Außenverhältnis nicht allein vertretungsberechtigt, so führt dessen alleinige Unterschrift zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages nach § 125 BGB. Dies gilt unabhängig davon, ob der Prokurist im Innenverhältnis zur Alleinvertretung befugt war. 9 LAG Düsseldorf v. 29.11.2005, LAGE § 623 BGB 2002 Nr. 4. 10 Vgl. BAG v. 16.9.2004, NZA 2005, 162. 11 BAG v. 19.1.2006, NZA 2007, 97. 12 BAG v. 3.2.2009, NJW 2009, 2078; v. 19.7.2007, NZA 2007, 1095. 13 Vgl. BAG v. 15.3.2011, DB 2011, 1400; v. 3.2.2009, NZA 2009, 669, 670; v. 19.7.2007, NZA 2007, 1095, 1097; Einf. Kap. 4 Rz. 18. 14 BAG v. 17.12.2009, NZA 2010, 273. 15 BAG v. 19.4.2007, NZA 2007, 1227; krit. hierzu Bauer/Günther, NJW 2008, 1617, 1618 f. 16 Zur Bestimmtheit des Angebots vgl. BAG v. 17.12.2009, NZA 2010, 273. 17 Vgl. hierzu BAG v. 26.8.2008, NZA 2009, 161, 162. 18 BAG v. 26.8.2008, NZA 2009, 161, 162.

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Den Arbeitgeber treffen grundsätzlich keine vorvertraglichen Hinweis- und Aufklärungspflichten bzgl. der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen von Aufhebungsverträgen. Es ist Sache des Arbeitnehmers, sich kundig zu machen, etwa durch Beratung durch einen Anwalt, der Agentur für Arbeit, einen Rentenberater oder Steuerberater.19 Das gilt auch für den Verlust von Sonderkündigungsschutz und Versorgungsanwartschaften.20 Auch besteht keine allgemeine vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses über eine frühzeitige Meldung bei der Agentur für Arbeit (§ 38 SGB III) zu informieren.21 Eine solche Pflicht folgt insbesondere nicht aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III, denn es handelt sich hierbei lediglich um eine Sollvorschrift, die keine selbständige Nebenpflicht des Arbeitgebers begründet.22 Eine Hinweispflicht besteht somit nur in engen Grenzen, wobei die Rechtsprechung diese aus § 242 BGB23 und aus § 241 Abs. 2 BGB herleitet.24 Sie ist jedoch erweitert, wenn der Arbeitgeber die Initiative für einen Aufhebungsvertrag ergreift und dabei den Eindruck erweckt, er werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne hinreichende Aufklärung erheblichen atypischen Versorgungsrisiken aussetzen.25 Eine Belehrungspflicht entsteht bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung des Arbeitgebers auch dann, wenn der Arbeitnehmer wegen besonderer Umstände darauf vertrauen durfte, der Arbeitgeber werde sich um die Versorgung kümmern, oder wenn er darauf vertrauen durfte, der Arbeitgeber werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch den Interessen des Arbeitnehmers an einer optimalen Versorgung Rechnung tragen.26 Verletzt der Arbeitgeber eine solche Pflicht, macht er sich gemäß § 280 Abs. 1 BGB iVm. §§ 241 Abs. 2, 242 BGB schadensersatzpflichtig; der Aufhebungsvertrag besteht aber in der Regel fort.27

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Wendet sich indes der Arbeitnehmer mit konkreten Fragen nach den Folgen des Auflösungsvertrages an den Arbeitgeber, darf dieser selbstverständlich keine bewusst falschen Auskünfte geben. Andernfalls kommt eine Anfechtung des Auflösungsvertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB in Betracht.

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c) Vertragsinhalt Während Kündigungen bedingungsfeindlich sind, können Auflösungsverträge auch unter aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen geschlossen werden. 19 BAG v. 13.11.1984, NZA 1985, 712; v. 17.10.2000, NZA 2001, 206, 207. Instruktiv zu den Grenzen von Informationspflichten des Arbeitgebers auch BAG v. 14.1.2009, AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Auskunft. 20 BAG v. 3.7.1990, DB 1990, 2431. 21 Vgl. BAG v. 29.9.2005, NZA 2005, 1406, 1407 f. mwN auch zur Gegenauffassung. 22 BAG v. 29.9.2005, NZA 2005, 1406, 1408. 23 BAG v. 18.9.1984, NZA 1985, 712; v. 3.7.1990, DB 1990, 2431; v. 12.12.2002, NZA 2003, 687 mwN. 24 BAG v. 16.11.2005, NZA 2006, 535, 538; v. 22.1.2009, NZA 2009, 608, 609. 25 BAG v. 17.10.2000, NZA 2001, 206, 207; v. 21.11.2000, NZA 2002, 618; v. 11.12.2001, NZA 2002, 1150; v. 16.11.2005, NZA 2006, 535, 538. 26 BAG v. 12.12.2002, NZA 2003, 687; v. 23.5.1989, AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; v. 13.11.1984, BAGE 47, 169, 174 ff.; v. 10.3.1988, AP Nr. 99 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht. 27 BAG v. 17.10.2000, NZA 2001, 206, 207; vgl. im Detail Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. A 231 ff.

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Aufschiebende Bedingungen dürfen jedoch nicht zu einer Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes führen. Es gelten dieselben Regeln wie für auflösend bedingte Arbeitsverträge. Erforderlich ist ein sachlicher Grund für die Bedingung. Unzulässig ist daher etwa der Abschluss eines Aufhebungsvertrages für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkehrt.28

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Auflösende Bedingungen sind zulässig, wenn binnen einer kurzen Zeit nach Abschluss des Aufhebungsvertrages feststeht, ob die Bedingung eintritt oder nicht. So ist zB nichts einzuwenden gegen einen Aufhebungsvertrag, der hinfällig werden soll, wenn der Arbeitnehmer nicht binnen 14 Tagen den Verdacht von Spesenmanipulationen ausräumt oder seinen Dienstwagen zurückgibt oder der in Zahlungsschwierigkeiten befindliche Arbeitgeber die Abfindung nicht binnen zehn Tagen nach Unterzeichnung der Vereinbarung leistet. Problematisch sind allerdings auflösende Bedingungen, die auch nach Jahren noch eintreten können. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit und die kaum lösbare Frage nach der Abwicklung der Übergangszeit verbieten solche Regelungen. So hat zB das LAG Bremen eine Klausel für unwirksam gehalten, nach der ein Aufhebungsvertrag (nebst Abfindung) wegfallen sollte, wenn der Arbeitnehmer nach Vertragsende zur Konkurrenz wechselt.29 d) Unwirksamkeit des Vertrages

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Da ein Aufhebungsvertrag grundsätzlich keine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes darstellt, ist er auch nicht allein deshalb wegen Sittenwidrigkeit unwirksam (s. oben Rz. 3).

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Verbreitet waren eine Zeit lang rückdatierte Aufhebungsverträge. Fast immer hatte dies steuer- oder sozialversicherungsrechtliche Gründe. Die meisten der zahlreichen Neuregelungen des Gesetzgebers hatten aus Vertrauensschutzgründen Stichtagsregelungen vorgesehen, wonach für Aufhebungsverträge, die vor einem bestimmten Datum abgeschlossen wurden, noch die alte, für die Beteiligten günstigere Rechtslage gelten sollte.

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Die Frage, ob rückdatierte Aufhebungsverträge gemäß § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit bzw. gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (Betrug zum Nachteil der Finanzverwaltung oder Sozialversicherungsträger, § 263 StGB) nichtig sind, ist ungeklärt. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt nicht vor. Nach herrschender Auffassung bleiben rückdatierte Aufhebungsverträge jedoch wirksam, weil die durch die Rückdatierung beabsichtigte Täuschung des Finanzamts bzw. der Sozialversicherungsträger nicht Hauptzweck der Vereinbarung, sondern nur Nebenfolge ist.30 Nach anderer Auffassung ergibt sich hier die Sittenwidrigkeit bzw. der Verstoß gemäß § 134 BGB bereits aus dem Teilzweck des Rechtsgeschäfts.31 Jedenfalls ist von Rückdatierungen dringend abzuraten, schon weil sie für alle Beteiligten mit einem hohen – insbesondere auch strafrechtlichen – Risiko verbunden sind. Der rückdatierte Aufhebungsvertrag ist abzugrenzen von einer rückwirkenden Auflösungsvereinbarung. Die Arbeitsvertragsparteien können ihr Arbeitsverhältnis natür28 29 30 31

BAG v. 19.12.1974, DB 1975, 890. LAG Bremen v. 25.2.1994, LAGE § 74 HGB Nr. 9. LAG BW v. 25.4.1991 und v. 22.5.1991, LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 4 und 5. ArbG Wetzlar v. 24.8.1993, EzA-SD 1994, Nr. 5, S. 14.

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lich mit sofortiger Wirkung oder zu einem zukünftigen Zeitpunkt auflösen, rückwirkend jedoch nur, wenn das Arbeitsverhältnis bereits außer Vollzug gesetzt war.32 Bejaht wurde die Nichtigkeit einer Aufhebungsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB ferner für einen Fall, in dem tatsächlich die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen erfolgte und dies auch in einem Exemplar der Aufhebungsvereinbarung festgehalten war, aber daneben zur Vorlage bei der Arbeitsverwaltung ein weiteres Exemplar der Aufhebungsvereinbarung erstellt wurde, in dem eine Beendigung aus betriebsbedingten Gründen vereinbart war. Eine solche Täuschungsabrede zum Zweck des Ausschlusses einer Sperrfrist nach § 159 SGB III soll nach einer Auffassung gemäß § 139 BGB im Zweifel die Gesamtnichtigkeit des Aufhebungsvertrages zur Folge haben.33 Erklärt der Arbeitgeber in der Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III wahrheitsgemäß, aber entgegen der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag, dass keine betriebsbedingten Kündigungsgründe vorliegen, schuldet er dem Arbeitnehmer für eine verhängte Sperrzeit keinen Schadenersatz.34

13a

Auch eine Billigkeitskontrolle führt grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages.

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Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sind zwar die Zivilgerichte gehalten, privatrechtliche Verträge dann nicht anzuerkennen, wenn sie das Produkt eines „Verhandlungsungleichgewichts“ sind.35 Diese Rechtsprechung ist jedoch auf arbeitsrechtliche Auflösungsverträge nicht übertragbar.36 Denn es mag zwar sein, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Abschluss des Arbeitsvertrages in einer strukturell ungleichgewichtigen Situation gegenüberstehen. Dieses Ungleichgewicht besteht aber nicht mehr, wenn beide Seiten über einen Auflösungsvertrag verhandeln. Der Arbeitnehmer kann das Angebot, einen Auflösungsvertrag abzuschließen, mit einem einfachen „nein“ zurückweisen.37 Droht der Arbeitgeber daraufhin mit einer unbegründeten Kündigung, kommt ohnehin eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung in Betracht (dazu Kap. 21 Rz. 23 ff.).

15

Vom Arbeitgeber vorformulierte Aufhebungsverträge unterliegen der AGB Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Allerdings gilt die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht für die Hauptleistungspflichten.38 Vgl. im Einzelnen Rz. 25 ff.

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Wird ein Auflösungsvertrag im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang39 geschlossen, kann uU eine Umgehung des § 613a BGB vorliegen. Diese Vorschrift ist zwingend; eine Umgehung führt zur Unwirksamkeit des Vertrages gemäß § 134 BGB. Schließen der bisherige und/oder der neue Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag, ist dieser nur wirksam, wenn er auf das endgültige Aus-

17

32 BAG v. 10.12.1998, NZA 1999, 422; v. 17.12.2009, NZA 2010, 273. 33 LAG Hamm v. 27.11.1997, LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 22; aA LAG Niedersachsen v. 23.11.2004, NZA-RR 2005, 415, wonach die Täuschung über den Beendigungstatbestand unschädlich ist. 34 LAG Hessen 17.7.2012 – 13 Sa 1053/11. 35 BVerfG v. 19.10.1993, DB 1993, 2580. 36 BAG v. 14.2.1996, NZA 1996, 811 sowie unten Rz. 28. 37 BAG v. 14.2.1996, NZA 1996, 811, im Einzelnen unten Rz. 28. 38 Vgl. unten Rz. 25 ff. sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 90 „Aufhebungsvertrag“. 39 Einzelheiten Einf. Kap. 60 Rz. 37.

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scheiden des Arbeitnehmers gerichtet ist und nicht nur der Unterbrechung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses dient.40 Wird der Arbeitnehmer hingegen unter Hinweis auf die bevorstehende Veräußerung veranlasst, einem Auflösungsvertrag zuzustimmen, um dann sogleich mit dem Erwerber einen neuen, für diesen günstigeren Arbeitsvertrag abzuschließen, liegt eine Umgehung des § 613a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 BGB vor.41 Zulässig ist jedoch ein Aufhebungsvertrag, wenn zugleich ein Übertritt des Arbeitnehmers in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft vereinbart wird.42 Ein Aufhebungsvertrag ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darüber täuscht, dass ein Betriebsübergang geplant ist, indem er ihm wahrheitswidrig vorspiegelt, der Betrieb solle stillgelegt werden.43 18

Ein Aufhebungsvertrag, der seinem Regelungsgehalt nach nicht auf die alsbaldige Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, bedarf zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes im Sinne des Befristungskontrollrechts.44 Fehlt es an einem solchen sachlichen Grund, so ist die Befristung und damit auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum vereinbarten Zeitpunkt unwirksam.45 Für die rechtliche Einordnung der Vereinbarung ist nicht allein die Dauer der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses maßgebend, sondern eine Gesamtwürdigung des Vereinbarten.46 So stellt etwa ein Aufhebungsvertrag, der auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Verzögerung von zwölf Monaten gerichtet ist, dann keine nachträgliche Befristung des Arbeitsverhältnisses dar, wenn nach der Vereinbarung keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung mehr bestehen soll („Kurzarbeit 0“) und zugleich Abwicklungsmodalitäten wie Abfindung, Zeugniserteilung und Rückgabe von Firmeneigentum geregelt werden.47 Besonderheiten gelten beim Abschluss eines unbedingten Aufhebungsvertrages mit bedingter Wiedereinstellungszusage während der Probezeit. Zulässig ist ein solcher Aufhebungsvertrag, wenn der Beendigungszeitpunkt die kurze Probezeitkündigungsfrist nur in einem angemessenen Umfang überschreitet.48

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Bei Massenentlassungen bedarf die Entlassung auch dann der Anzeige nach § 17 KSchG49, wenn sie nicht auf einer Kündigung, sondern auf einem vom Arbeitgeber veranlassten Auflösungsvertrag beruht.50 Daran hat die Rechtsprechung des EuGH und des BAG, nach der „Entlassung“ iSd. § 17 KSchG nicht mehr der Ablauf der Kündi40 BAG v. 18.8.2011, NZA 2012, 152; v. 23.11.2006, BB 2007, 1054; v. 18.8.2005, NZA 2006, 145; v. 10.12.1998, NZA 1999, 422; kritisch zur Rechtsprechung Willemsen, NZA 2013, 242. 41 BAG v. 19.3.2009, NZA 2009, 1091, 1093; v. 21.5.2008, NZA 2009, 144, 148; v. 25.10.2007, DB 2008, 989; v. 18.8.2005, NZA 2006, 145, 147. 42 BAG v. 23.11.2006, BB 2007, 1054; vgl. auch LAG BW v. 18.12.2008, LAGE § 613a BGB 2002 Nr. 25. Zu den Grenzen vgl. jedoch BAG v. 25.10.2012, BB 2012, 2815 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2012, 583 mwN. 43 BAG v. 23.11.2006, BB 2007, 1054. 44 Zu Einzelheiten der Befristungskontrolle vgl. Einf. Kap. 6 Rz. 1 ff., 7 ff., 24 ff. sowie M 6.1.1 ff. 45 BAG v. 28.11.2007, NZA 2008, 348, 351; v. 15.2.2007, NZA 2007, 614; v. 12.1.2000, NZA 2000, 718. 46 BAG v. 28.11.2007, NZA 2008, 348, 351. 47 BAG v. 15.2.2007, NZA 2007, 614; ähnlich auch der Fall bei BAG v. 28.11.2007, NZA 2008, 348, 351. 48 BAG v. 7.3.2002, DB 2002, 1997; Einzelheiten in Einf. Kap. 6 Rz. 8; Formulierungsvorschlag in M 6.1.8. 49 Einzelheiten zu § 17 KSchG Einf. Kap. 22 Rz. 119 ff. 50 BAG v. 28.6.2012, NZA 2012, 1029; st. Rspr., vgl. BAG v. 11.3.1999, DB 1999, 1274.

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gungsfrist, sondern der Ausspruch der Kündigung ist,51 nichts geändert. Beruft der Arbeitnehmer sich auf die unterbliebene Anzeige, so ist die Entlassung unwirksam. Wahrscheinlich erfasst die Unwirksamkeit auf Grund der Rechtsprechungsänderung auch den Auflösungsvertrag selbst.52 Der Arbeitnehmer kann auf die Anzeige auch nicht im Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag53 selbst wirksam verzichten, sondern erst durch gesonderte Erklärung nach Abschluss des Vertrages (M 23.4).54 Lehnt er einen nachträglichen Verzicht ab, so kommt eine Nachholung der Anzeige in Betracht.55 Eine unwirksame Massenentlassungsanzeige wird nicht dadurch geheilt, dass ein bestandskräftiger Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung nach § 18 Abs. 1 oder § 18 Abs. 2 KSchG vorliegt. Vielmehr sind auch in diesem Falle die Arbeitsgerichte nicht gehindert, im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige anzunehmen.56 e) Beseitigung des Vertrages Ein Widerrufsrecht gemäß §§ 355, 312 BGB hat der Arbeitnehmer jedenfalls bei im Personalbüro abgeschlossenen Aufhebungsverträgen nach der Entstehungsgeschichte, der gesetzlichen Systematik sowie nach Sinn und Zweck des § 312 BGB nicht, schon weil dies keine für das abzuschließende Rechtsgeschäft atypische Umgebung ist.57 Damit ist der Anwendungsbereich für ein Widerrufsrecht, wenn er überhaupt noch besteht, auf völlig atypische Fälle beschränkt.

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Aufhebungsverträge sind auch nicht schon deshalb unwirksam, weil der Arbeitnehmer unter Zeitdruck unterzeichnet hat.58 Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumen.59 Die einzelvertragliche Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist allerdings möglich.60 Zu den Folgen einer widerrechtlichen Drohung des Arbeitgebers beim Abschluss des Aufhebungsvertrages vgl. im Einzelnen Kap. 21 Rz. 23 ff.

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Neben einzelvertraglichen Absprachen sehen auch zahlreiche Tarifverträge für Aufhebungsverträge ein Widerrufsrecht vor, und zwar meist innerhalb einer Frist von ein bis drei Werktagen. Die tarifliche Widerrufsfrist beginnt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf das Widerrufsrecht hingewiesen hat, sofern der Ta-

22

51 EuGH v. 27.1.2005, NZA 2005, 213; BAG v. 23.3.2006, NZA 2006, 971, 975; v. 13.7.2006, NZA 2007, 25; Einzelheiten dazu Einf. Kap. 22 Rz. 119 ff. 52 So zur Kündigung BAG v. 15.12.2011, DB 2012, 1690; v. 23.3.2006, NZA 2006, 971; Ferme/ Lipinski, NZA 2006, 937, 941. 53 AA, da beim Abwicklungsvertrag die Kündigung schon zuvor ausgesprochen wurde, Ferme/ Lipinski, NZA 2006, 937, 941. 54 BAG v. 11.3.1999, DB 1999, 1274; dies gilt auch nach der Änderung der Rechtsprechung auf Grund EuGH v. 27.1.2005, NZA 2005, 213, Ferme/Lipinski, NZA 2006, 937, 941. 55 Vgl. zu den Anforderungen an eine solche Nachholung Bauer/Powietzka, DB 2000, 1073. 56 BAG v. 28.6.2012, NZA 2012, 1029. 57 BAG v. 27.11.2003, BB 2004, 1858; vgl. auch Einf. Kap. 2 Rz. 12 mwN. 58 BAG v. 27.11.2003, NZA 2004, 597; v. 14.2.1996, NZA 1996, 811; v. 30.9.1993, NZA 1994, 209; ebenso LAG MV v. 6.7.1995, NZA 1996, 535; aA LAG Hamburg v. 3.7.1991, LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 6. 59 BAG v. 27.11.2003, NZA 2004, 597; v. 30.9.1993, NZA 1994, 209. 60 ZT wird vertreten, dass der Arbeitgeber sich auf den Aufhebungsvertrag nicht berufen kann, wenn er den Arbeitnehmer nicht vorab über den Gesprächsinhalt informiert hat, Reinecke, ArbuR 2011, 234, 236. Das BAG hat darauf bisher nicht abgestellt.

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rifvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt.61 Wird der Aufhebungsvertrag widerrufen, besteht das Arbeitsverhältnis unverändert fort. 23

Sofern kein Rücktrittsrecht vereinbart wurde, können die Parteien nicht von dem Aufhebungsvertrag zurücktreten. Ein Rücktrittsrecht kann sich jedoch nach den allgemeinen Regeln des BGB (§§ 320 ff. BGB) ergeben.62 Das ist insbesondere nach § 323 BGB der Fall, wenn eine Partei eine fällige Leistung aus dem Aufhebungsvertrag nicht erbringt und die andere Partei ihr erfolglos eine Frist zur Leistung gesetzt hat. In Betracht kommt dies vor allem, wenn der Arbeitgeber die Abfindung nicht fristgerecht zahlt, es sei denn, die Nichtzahlung beruht auf Insolvenz.63 Ist dem Aufhebungsvertrag eine Kündigung vorausgegangen, so ist bei Ausübung des Rücktrittsrechts freilich zu beachten, dass dann die ursprüngliche Kündigung wieder auflebt.64 Es gilt dann das zum Widerruf Gesagte entsprechend. Gegebenenfalls steht der Arbeitnehmer nach Ausübung des Rücktritts also schlechter.

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Für die Anfechtung des Aufhebungsvertrags gelten die allgemeinen Regeln der §§ 119 ff. BGB (dazu im Einzelnen Kap. 21). Ansprüche auf Annahme-Verzugslohn dürften bei angefochtenem Aufhebungsvertrag allerdings voraussetzen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung gemäß § 294 BGB auch tatsächlich angeboten hat.65 Der Aufhebungsvertrag schließt eine außerordentliche Kündigung innerhalb des vereinbarten Beendigungszeitraumes nicht aus. Löst eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag – einschließlich einer darin vereinbarten Abfindung – gegenstandslos.66 f) Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB

25

Vom Arbeitgeber vorformulierte Aufhebungsverträge unterliegen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB.67

26

Nur wenn es sich beim Aufhebungsvertrag um eine völlig individuelle Lösung für den einzelnen Arbeitnehmer, abgestimmt auf dessen berufliche und private Bedürfnisse, handelt, ist das AGB-Recht nicht anwendbar, da er individuell ausgehandelt ist (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). In den meisten Fällen handelt es sich bei Aufhebungsverträgen jedoch um Allgemeine Geschäftsbedingungen.

27

Grundsätzlich einer Inhaltskontrolle entzogen sind allerdings auch dann die im Aufhebungsvertrag vereinbarten Hauptleistungspflichten, also die Beendigung des Arbeitsvertrages,68 sowie Restlaufzeit und Höhe der Abfindung, es sei denn, dass eine 61 62 63 64

65 66 67 68

LAG Köln v. 11.4.1990, BB 1990, 2047. Dazu ausführlich Reinfelder, NZA 2013, 62. BAG v. 10.11.2011, AP Nr. 43 zu § 620 BGB m. Anm. Richter, ArbRB 2012, 39. Gemäß § 102 BetrVG hätte zur ursprünglichen Kündigung allerdings der Betriebsrat angehört werden müssen (BAG v. 28.6.2005, NZA 2006, 48). Gemäß § 7 KSchG ist die Kündigung wirksam, wenn sie nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang durch Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG angegriffen wurde. Auch der Einwand fehlender oder unzureichender Betriebsratsanhörung ist dann abgeschnitten, da es sich hier um „andere Gründe“ gemäß § 4 Satz 1 KSchG handelt. BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 435. Vgl. BAG v. 29.1.1997, NZA 1997, 813; LAG Bremen v. 17.9.2001, NZA-RR 2002, 186 ff. BAG v. 8.5.2008, NZA 2008, 1148, 1149. BAG v. 8.5.2008, NZA 2008, 1148.

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entsprechende Regelung von gesetzlichen Rechtsvorschriften abweicht (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).69 Bei der Inhaltskontrolle der übrigen Regelungen eines Aufhebungsvertrages ist uE Zurückhaltung geboten, weil sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in etwa gleich starken Verhandlungspositionen befinden. Das BAG hat ausgeführt 70, dass in der Situation, die zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages führt, gerade kein strukturelles Ungleichgewicht der Vertragspartner angenommen werden kann.71 Dem Arbeitnehmer könne die zur Durchsetzung seiner berechtigten Interessen erforderliche Verhandlungsmacht nicht abgesprochen werden, denn er brauche dem Ansinnen des Arbeitgebers lediglich ein schlichtes „Nein“ entgegenzusetzen. Das Ob, Wie und Wann der einvernehmlichen Vertragsbeendigung sei also vom vollen Konsens des Arbeitnehmers abhängig. Diese Position, die durch das Kündigungsschutzgesetz in besonderer Weise geschützt ist, stellt uE eine typische „im Arbeitsrecht geltende Besonderheit“ iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB dar.72 Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings mit Beschluss vom 23.11.200673 eine strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers jedenfalls bei Abschluss und Änderung des Arbeitsvertrages bejaht, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz hat. Dies gilt uE aus den vorstehend dargestellten Gründen jedoch nicht für Aufhebungsverträge.

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Angesichts der insoweit bestehenden Rechtsunsicherheit ist daher bei der Formulierung von Klauseln vorsorglich von einer uneingeschränkten AGB-Kontrolle auszugehen. Im Einzelnen:

29

Ein Arbeitnehmer kann nach Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber – etwa im Rahmen einer Abwicklungsvereinbarung – grundsätzlich auf die Erhebung oder Durchführung einer Kündigungsschutzklage verzichten.74 Ist die Verzichtsvereinbarung vom Arbeitgeber vorformuliert,75 muss sie allerdings eine Gegenleistung für den Verzicht vorsehen, etwa in Form einer Abfindung.76 Der ohne eine solche Gegenleistung erklärte Verzicht stellt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.77 Zur praktischen Relevanz bei Aufhebungsverträgen vgl. Rz. 29c.

29a

Ausgleichs- und Abgeltungsklauseln in Aufhebungsvereinbarungen, Abwicklungsvereinbarungen oder gerichtlichen Auflösungsvergleichen sind im Interesse klarer Ver-

29b

69 BAG v. 8.5.2008, NZA 2008, 1148; v. 3.6.2004 – 2 AZR 427/03; v. 22.4.2004, EzA § 312 BGB 2002 Nr. 2; v. 27.11.2003, NZA 2004, 597; BGH v. 24.9.1998, NJW 1999, 864; Lingemann, NZA 2002, 181, 185 und 188 mwN. 70 BAG v. 14.2.1996, NZA 1996, 811. 71 BAG v. 14.2.1996, NZA 1996, 811. 72 Allerdings hat das BAG bisher Regelungen außerhalb der Hauptleistungspflichten in Aufhebungsverträgen in gleicher Intensität wie arbeitsvertragliche Regelungen geprüft, sieht hierin also offenbar keine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB. 73 BVerfG v. 23.11.2006, NZA 2007, 85; zustimmend BAG v. 25.4.2007, AP Nr. 7 zu § 308 BGB Gratifikation, Rz. 22. 74 Vgl. § 2 bei M 23.2. Zur Formbedürftigkeit des Klageverzichts vgl. Rz. 4a. 75 Vgl. BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, 219, wonach die Vereinbarung „Kündigung akzeptiert und mit Unterschrift bestätigt, auf Klage gegen die Kündigung wird verzichtet“ eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB darstellt, wenn sich ein vom Arbeitgeber zu widerlegender Anschein dafür ergibt, dass sie zur Mehrfachverwendung formuliert worden ist. 76 Vgl. auch Hilgenstock, ArbR Aktuell 2013, 254, der sich auf den Standpunkt stellt, auch ein überdurchschnittliches Arbeitszeugnis könne geeignete Gegenleistung sein. 77 BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, 219; krit. Bauer/Günther, NJW 2008, 1617, 1619 ff.

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hältnisse grundsätzlich weit auszulegen.78 Sie sind insoweit auch nicht überraschend oder ungewöhnlich iSd. § 305c BGB, sondern die Regel, denn der Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrag soll die Rechtsbeziehung der Parteien ja grundsätzlich im vollen Umfang beenden.79 Dazu gehören alle Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien auf Grund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben. Entscheidend dafür, ob ein Anspruch dem Geltungsbereich einer solchen Ausgleichsklausel unterfällt, ist die enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis.80 Daher müssen solche Punkte, die auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin bestehen bleiben sollen, einzeln und ausdrücklich aufgeführt werden. Eine ausdrückliche Regelung der ausgenommenen Ansprüche indiziert dabei zugleich, dass nicht bezeichnete Ansprüche als abgegolten gelten.81 Folglich kann eine Ausgleichsklausel auch ein zuvor vereinbartes Wettbewerbsverbot und die damit verbundene Karenzentschädigung umfassen.82 Ausgleichsklauseln, die sich auf „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ beschränken, umfassen in der Regel nicht Forderungen aus Werkmietverträgen, Kaufverträgen oder Arbeitgeberdarlehen, da diese rechtlich selbstständig und sich daraus ergebende Ansprüche nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig sind.83 Sollen Ausgleichsklauseln daher zB Ansprüche aus einem Arbeitgeberdarlehen mit umfassen, ist es erforderlich, dass nicht nur Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“, sondern auch solche, die mit dem Arbeitsverhältnis „in Verbindung stehen“, ausdrücklich ausgeschlossen werden (vgl. auch M 23.1 § 9 und § 26, jeweils m. Anm.).84 Von einer Ausgleichsklausel werden allerdings solche Forderungen nicht erfasst, die objektiv außerhalb des von den Parteien Vorgestellten liegen und bei Abschluss des Aufhebungsvertrages subjektiv unvorstellbar waren.85. Ausgenommen sind auch Ansprüche, auf die der Arbeitnehmer nicht vertraglich verzichten kann, so beispielsweise Anwartschaften aus betrieblicher Altersversorgung (§ 1b BetrAVG), Rechte aus einem Tarifvertrag (§ 4 Abs. 4 TVG) oder einer Betriebsvereinbarung (außer bei Zustimmung des Betriebsrats, § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG), sowie der Zeugnisanspruch. Nach neuer Rechtsprechung des BAG86 soll der Urlaubsabgeltungsanpruch aber von der Ausgleichsklausel erfasst sein. Dem stehe § 13 BUrlG nicht entgegen, da der Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht auf Urlaub, sondern auf Geld gerichtet sei. Des Schutzes des § 13 BUrlG bedürfe der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr. ZT wird die Auffassung vertreten, dass auf Grund des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unverfall- und unverzichtbare 78 BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 139; v. 19.11.2008, NZA 2009, 318; v. 19.3.2009, NZA 2009, 896; v. 28.7.2009, NZA 2010, 356. 79 BAG v. 19.11.2008, NZA 2009, 318. 80 BAG v. 19.3.2009, NZA 2009, 896, 899. 81 BAG v. 19.3.2009, NZA 2009, 896, 900; v. 28.7.2009, NZA 2010, 356. 82 BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 139; v. 24.6.2009, NJW 2009, 3529. 83 BAG v. 19.1.2011, NJW 2011, 2381. Ausnahmen hat das BAG anerkannt zB bei einem Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung einer Mitarbeiterbeteiligung, da aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Darlehens eine zusätzliche Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis bestanden hätte (BAG v. 19.3.2009, NZA 2009, 896); ebenso für ein Arbeitgeberdarlehen, das gewährt wurde, um Gesellschaftsanteile in einer stillen Gesellschaft zu erwerben (BAG v. 28.7.2009, NZA 2010, 356). 84 BAG v. 19.1.2011, NJW 2011, 2381. 85 BAG v. 24.6.2009, NZA-RR 2010, 536; v. 28.5.2008, NZA 2008, 1066, 1073. 86 BAG v. 14.5.2013, BB 2013, 1267.

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Ansprüche von der Geltung der Ausgleichsklausel ausdrücklich ausgenommen werden müssen87 oder die von der Klausel erfassten Ansprüche ausdrücklich aufgezählt werden müssen.88 Allerdings hat das BAG auch nach Einführung der AGB-Kontrolle verschiedentlich Ausgleichsklauseln als wirksam angesehen, die keine derartigen Einzelaufzählungen enthielten, sondern nur die bisher auch übliche allgemeine Ausgleichsregelung.89 Eine Ausgleichsklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist möglicherweise unwirksam, wenn sie ohne Gegenleistung vereinbart wird.90 Allerdings ist die Ausgleichsklausel in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen regelmäßig nur Teilstück eines Gesamtpaketes, das als Gegenleistung auch Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers enthält, insbesondere die Zahlung einer Abfindung.

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Die Ausgleichsklausel in Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen ist abzugrenzen von einer Erledigungsklausel, die nicht in einem Aufhebungsvertrag, sondern isoliert oder aber im Zusammenhang mit der Bestätigung des Erhalts der Arbeitspapiere vereinbart wird (sog. Ausgleichsquittung). Die Wirksamkeit solcher Ausgleichquittungen ist weiterhin ungeklärt, vgl. hierzu im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 91 sowie die Hinweise in M 23.1a Fn. 66.

29d

Zu der Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 121 ff. g) Steuerrecht91 aa) § 3 Nr. 9 EStG aF Nach § 3 Nr. 9 EStG in der bis 31.12.2005 geltenden Fassung waren Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auf87 So der Hinweis bei LAG Niedersachsen v. 9.10.2009 – 10 Sa 1692/08. 88 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 5.6.2007, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 13. 89 Vgl. etwa BAG v. 19.3.2009, NZA 2009, 897 (zum Ausschluss der Rückzahlung eines Arbeitnehmerdarlehens an den Arbeitgeber); v. 19.11.2008, NZA 2009, 318 (Aufhebung eines Wettbewerbsverbots in einer Abwicklungsvereinbarung); v. 28.5.2008, NZA 2008, 1066, 1073 (zu Aktienoptionen). Bei Unwirksamkeit der allgemeinen Ausgleichsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hätte das BAG die jeweils angesprochenen Fragen nicht mehr zu prüfen brauchen. Dies spricht dafür, dass die Klauseln auch ohne eine entsprechende Aufzählung nicht gegen das Transparenzverbot verstoßen. 90 Vgl. hierzu LAG Niedersachsen v. 9.10.2009 – 10 Sa 1692/08; Kroeschell, NZA 2008, 560, 561 mwN; vgl. auch APS/Rolfs, 3. Aufl. 2007, AufhebVtr Rz. 57. 91 Anstelle oder als Teil der Abfindung kommt auch eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG in Betracht, die immaterielle Schäden ausgleicht und daher stets steuerfrei ist. Sollen im Rahmen von Schadensersatzansprüchen nach § 15 Abs. 1 AGG entgangene oder entgehende Einnahmen ausgeglichen werden, so besteht Steuerpflicht, ggf. gemindert auf Grund der Steuervorteile der §§ 24, 34 EStG, dazu sogleich Rz. 32 ff. Resultiert der auszugleichende Schaden jedoch nicht aus der Erwerbsgrundlage, so wäre auch eine solche Schadensersatzleistung steuerfrei, zB beim Ersatz von Heilbehandlungskosten, Einzelheiten bei Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. G 2 ff. Auf Grund der strafrechtlichen Relevanz ist jedoch dringend davon abzuraten, Abfindungen als Entschädigungen oder Schadensersatz zu „tarnen“, um so Steuervorteile zu erzielen. Zur Abgrenzung vgl. auch Bauer/Günther, NJW 2007, 113; Cornelius/Lipinski, BB 2007, 496. Zu weiteren Zuwendungen im Aufhebungsvertrag, etwa der Übernahme von Anwaltskosten des Mitarbeiters oder der Vereinbarung einer Outplacementberatung, vgl. Kern/Wege, NZA 2008, 564.

Lingemann 931

30

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

lösung des Dienstverhältnisses bis zu bestimmten Höchstbeträgen steuerfrei. Diese Steuerfreibeträge wurden mit Wirkung ab 1.1.200692 abgeschafft. 31

Hinsichtlich der bis zum 31.12.2005 geltenden Rechtslage wird auf die 2. Aufl. des Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, S. 588 ff. verwiesen. bb) §§ 24, 34 EStG

32

Geblieben ist jedoch der Steuervorteil nach §§ 24, 34 EStG. (1) Allgemeines

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Der Zweck der §§ 24, 34 EStG ist die Entschädigung des Steuerpflichtigen dafür, dass sich Einkünfte, die sich sonst über mehrere Veranlagungszeiträume (Kalenderjahre) verteilt hätten, auf Grund der Vertragsbeendigung und der Abfindung (Entschädigung) in einem Kalenderjahr „zusammenballen“. Diese „Fünftelungsregelung“ führt des Öfteren auch nur zu geringen Steuervorteilen. Im Einzelfall kann es daher steuerlich günstiger sein, auf die Zusammenballung des Abfindungspakets in einem Kalenderjahr und damit auf das Eingreifen von §§ 24, 34 EStG zu verzichten und stattdessen das Abfindungspaket über mehrere Kalenderjahre zu verteilen.

34

§§ 24, 34 EStG gelten auch bei der Beendigung von Nicht-Arbeitsverhältnissen, also bei freien Mitarbeiterverträgen, Beraterverträgen, Handelsvertreterverträgen etc. (2) Entschädigung

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Voraussetzung für die Anwendung der §§ 24 Nr. 1a,93 34 EStG ist zunächst, dass es sich um eine „Entschädigung“ handelt, die „als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen“ gewährt wird. Eine Entschädigung setzt insoweit voraus, dass an die Stelle der bisher geschuldeten Leistung eine andere tritt. Sie muss deshalb unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sowie dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen.94 Die Entschädigung muss ferner auf einem anderen eigenständigen Rechtsgrund beruhen.95

92 Gemäß § 52 Abs. 4a EStG ist § 3 Nr. 9 EStG in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung nur noch anzuwenden für vor dem 1.1.2006 entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer auf Abfindungen oder für Abfindungen wegen einer vor dem 1.1.2006 getroffenen Gerichtsentscheidung oder einer am 31.12.2005 anhängigen Klage, soweit die Abfindungen dem Arbeitnehmer vor dem 1.1.2008 zufließen. 93 Da dies die in der Praxis häufigste Rechtsgrundlage für den Steuervorteil auf Abfindungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist, konzentriert sich die Darstellung auf diese Regelung. Basis für die Fünftelungsregelung gemäß § 34 EStG kann daneben auch § 24 Nr. 1b EStG sein, wenn die Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche gewährt werden, Einzelheiten dazu bei Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. G 31 ff. 94 St. Rspr., vgl. etwa BFH v.10.7.2012, NJW 2012, 3598; v. 25.8.2009, DStR 2009, 2418, 2419 mwN; v. 10.7.2008, BFH/NV 2009, 130. 95 BMF-Schreiben v. 24.5.2004 – IV A 5 - S 2290 - 20/04; BFH v. 10.7.2012, NJW 2012, 3598; v. 25.8.2009, DStR 2009, 2418, 2419; v. 29.5.2008, BFH/NV 2008, 1666; v. 11.1.2005, BFH/NV 2005, 1044.

932 Lingemann

Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

Nicht erforderlich ist, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis vollständig beendet wird.96 § 24 Nr. 1a EStG setzt lediglich voraus, dass Einnahmen wegfallen und dass dafür Ersatz geleistet wird. Das ist auch der Fall, wenn die Parteien des Arbeitsvertrages eine Verminderung der Arbeitszeit vereinbaren, die Vollzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers also in eine Teilzeitbeschäftigung überführen und der Arbeitnehmer dafür abgefunden wird.97 Erforderlich ist aber, dass der Arbeitgeber die zur Entschädigung führende Änderung des Arbeitsverhältnisses veranlasst hat.98 Eine Entschädigung iSd. § 24 Nr. 1a EStG kann zwar auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis selbst mitgewirkt hat. Ist das der Fall, muss der Arbeitnehmer bei Aufgabe seiner Rechte aber unter erheblichem wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt haben; er darf die Änderung nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben.99

36

Die Zahlung der Abfindung muss auf einer „neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage“ beruhen.100 Die Abfindung darf sich daher nicht als die bloße – ggf. in der Zahlungsmodalität geänderte – Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses darstellen.101 Unschädlich für die Anwendung der §§ 24, 34 EStG ist allerdings, wenn die Abfindung schon im Anstellungsvertrag für den Fall vorgesehen wird, dass das Anstellungsverhältnis aus bestimmten Gründen endet.102 Hingegen gilt der Steuervorteil nicht für eine Zahlung, die während eines noch laufenden befristeten Dienstverhältnisses dafür geleistet wird, dass das Dienstverhältnis vertragsgemäß ausläuft und nicht verlängert wird, denn es fehlt bereits an der Abgeltung für entgangene oder entgehende Einnahmen.103

37

Es handelt sich auch nur dann um eine Entschädigung iSv. § 24 Nr. 1a EStG, wenn ein Verlust von Einnahmen eintritt, mit denen der Arbeitnehmer rechnen konnte. Sofern die Entschädigung daher bereits erdiente Ansprüche abgilt, zB rückständigen Arbeitslohn, Urlaubsgeld, Urlaubsabgeltung, Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Tantiemen oder freiwillige Leistungen, greift der Steuervorteil nicht.104

38

96 BFH v. 25.8.2009, DStR 2009, 2418, 2419; anders noch BFH v. 1.8.2007, BFH/NV 2007, 2104, 2106 mwN; v. 13.12.2005, BFH/NV 2006, 1071. 97 BFH v. 25.8.2009, DStR 2009, 2418, 2419. 98 BFH v. 20.7.1978, BB 1978, 1347; v. 20.10.1978, BStBl. II 1979, 176; vgl. zum Begriff der Veranlassung auch BFH v. 2.4.2008, BFH/NV 2008, 1325, wonach bei Zahlung einer Abfindung im Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass der Arbeitgeber die Auflösung auch veranlasst hat. 99 Vgl. H 24.1 EStR 2008 mwN; BFH v. 25.8.2009, DStR 2009, 2418, 2420; v. 4.9.2002, BB 2003, 83, 84. 100 BFH v. 10.7.2012, NJW 2012, 3598; v. 25.8.2009, DB 2009, 2410; v. 12.4.2000, BFH/NV 2000, 1195; v. 30.10.1970, BFHE 100, 504; v. 25.3.1975, BFHE 115, 472; v. 27.2.1991, BStBl. II 1991, 703. 101 BFH v. 12.12.2007, BFH/NV 2008, 376; v. 12.4.2000, BFH/NV 2000, 1195. 102 So BFH v. 16.6.2004, BStBl. II 2004, 1055 unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Rechtsprechung sowie v. 10.9.2003, DStR 2004, 263; v. 16.6.2004, BStBl. II 2004, 1055 unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Rechtsprechung; vgl. auch Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. G 37. 103 BFH v. 10.7.2008, BFH/NV 2009, 130; vgl. auch BFH v. 22.4.2008, BFH/NV 2008, 1473. 104 St. Rspr., vgl. etwa BFH v. 24.10.2007, BFH/NV 2008, 361 (Tantieme); BMF-Schreiben v. 24.5.2004 – IV A 5 - S 2290 - 20/04, Rz. 4.

Lingemann 933

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

(3) Zusammenballung 39

Das Erfordernis der Zusammenballung steht nicht im Gesetz, sondern ist von der Rechtsprechung aufgestellt worden.105 Der BFH sieht die Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 EStG nur dann als steuerbegünstigte „außerordentliche Einkünfte“ iSd. § 34 Abs. 1 EStG an, wenn sie sich als eine Zusammenballung von Einnahmen darstellen. Eine solche Zusammenballung liegt vor, wenn die Entschädigung, entweder die bis zum Ende des Veranlagungszeitraums entgehenden Einnahmen, die der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bezogen hätte, übersteigt.106 Wird beispielsweise das Arbeitsverhältnis per 30.6. beendet und ist die Abfindung geringer als die Bezüge, die in der Zeit vom 1.7. bis 31.12. angefallen wären, ist für die Anwendung von §§ 24, 34 EStG kein Raum.107

40

Dem Steuerpflichtigen entstehen die durch §§ 24, 34 EStG auszugleichenden Nachteile vor allem auf Grund der Steuerprogression. Wird zB ein auf drei Jahre vereinbartes Dienstverhältnis, bei dem die Dienstbezüge mit 35 % Steuersatz besteuert worden wären, kurz nach seinem Beginn einvernehmlich beendet, und wird die gesamte restliche Vergütung für die drei Jahre als Einmal-Abfindung ausgezahlt, so kann ein Arbeitnehmer in leitender Stellung mit der Abfindung leicht den Spitzensteuersatz erreichen. Ohne §§ 24, 34 EStG stünde er dann steuerlich ungünstiger, als wenn das Anstellungsverhältnis fortgesetzt würde.

41

Folglich werden außerordentliche Einkünfte iSd. § 34 EStG auch nur dann bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.108 Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt daher vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt.

42

Wird eine Abfindung in Raten ausgezahlt, liegt danach eine Zusammenballung vor, solange sich diese Raten lediglich auf ein Kalenderjahr verteilen. Nur wenn eine oder mehrere Raten in verschiedenen Kalenderjahren gezahlt werden, sind §§ 24, 34 EStG grundsätzlich unanwendbar.109 Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der steuerpflichtige Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr zunächst nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat (zB nur 1,3 %) und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung (zB die verbleibenden 98,7 %110) als ein Betrag in einem anderen Veranlagungszeitraum ausgezahlt wird.111 105 BFH v. 29.6.2012, BFH/NV 2012, 1218; st. Rspr., vgl. BFH v. 11.1.2005, BFH/NV 2005, 1044; v. 20.10.1978, DB 1979, 676; v. 17.12.1982, DB 1983, 1406; v. 18.9.1991, BFH/NV 1992, 102. 106 BFH v. 25.8.2009, DB 2009, 2410; v. 9.10.2008, HFR 2009, 569; vgl. auch BMF-Schreiben v. 24.5.2004 – IV A 5 - S 2290 - 20/04, Rz. 10. 107 BFH v. 4.3.1998, BStBl. II 1998, S. 787; BMF-Schreiben v. 24.5.2004 – IV A 5 - S 2290 20/04, Rz. 11 mit zahlreichen Berechnungsbeispielen. 108 BFH v. 25.8.2009, DB 2009, 2410 mwN; vgl. auch BFH v. 24.10.2007, BFH/NV 2008, 376, wonach es für die Beurteilung einer Entschädigung als außerordentlich iSd. § 34 EStG ohne Bedeutung ist, ob die Entschädigung entgehende Einnahmen mehrerer Jahre abdecken soll. 109 BFH v. 3.7.2002, DB 2002, 868; BMF-Schreiben v. 24.5.2004 – IV A 5 - S 2290 - 20/04, Rz. 9. 110 So die Verteilung im Fall des BFH v. 25.8.2009, DB 2009, 2410. 111 BFH v. 25.8.2009, DB 2009, 2410.

934 Lingemann

Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden, sind für die Frage der Zusammenballung grundsätzlich einheitlich zu beurteilen.112 Werden allerdings aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit zusätzliche Entschädigungsleistungen in späteren Veranlagungszeiträumen gewährt, so ist auch dies für die Beurteilung der Entschädigung als einer zusammengeballten Leistung ausnahmsweise unschädlich, wenn die zusätzlichen Entschädigungsleistungen betragsmäßig nur einen ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung bilden, diese also bei weitem nicht erreichen.113 Derartige Zusatzleistungen können, sofern sie nur ergänzenden Charakter haben,114 beispielsweise sein die befristete Weiterbenutzung des Dienstwagens,115 die befristete Übernahme von Versicherungsbeiträgen,116 Leistungen, die der Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels dienen (zB Outplacement-Beratung)117 sowie Zahlungen zur Verwendung für die Altersversorgung.118 Diese Zusatzleistungen sind als solche allerdings nicht nach § 34 Abs. 1 EStG steuerbegünstigt.119

43

(4) Fünftelungsregel Die „Fünftelungsregelung“ des § 34 EStG bedeutet nicht, dass sich die auf die Abfindung entfallende Steuer auf fünf Kalenderjahre verteilt. Vielmehr wird die gesamte Steuer in dem Jahr fällig, in dem die Abfindung zufließt. Nur wird die Steuer so berechnet, als sei die Abfindung verteilt auf fünf Jahre zugeflossen.120

44

cc) Anrufungsauskunft Bestehen Zweifel an der rechtlichen Behandlung der Abfindung oder des Abfindungspakets, so kann eine Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG beim Betriebsstättenfinanzamt eingeholt werden. Das Finanzamt ist zur Auskunftserteilung verpflichtet und kommt dieser Verpflichtung auch meist recht kurzfristig nach.

45

Die Anrufungsauskunft des Betriebsstättenfinanzamts ist allerdings für das zuständige Wohnsitzfinanzamt des Arbeitnehmers nicht bindend. Das Wohnsitzfinanzamt kann also ohne weiteres den Vorgang steuerlich anders beurteilen als das Betriebsstättenfinanzamt. In einem solchen Fall ist nur die Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers nach § 42d EStG ausgeschlossen, während der Arbeitnehmer die höhere Steuer zahlen muss. Will der Arbeitnehmer sich schützen, muss er sein Wohnsitzfinanzamt um eine sog. verbindliche Auskunft bitten, auf die jedoch – anders als bei § 42e EStG – kein Anspruch besteht.121

46

112 113 114 115 116 117 118 119 120

BFH v. 14.5.2003, NJW 2003, 3727, 3728; v. 29.5.2008, BFH/NV 2008, 1666 mwN. BFH v. 28.6.2006, BB 2006, 2168, 2170 mwN; v. 29.5.2008, BFH/NV 2008, 1666. BFH v. 24.1.2002, DStR 2002, 628, 630; v. 29.5.2008, BFH/NV 2008, 1666. BFH v. 3.7.2002, BStBl. II 2004, 422. BFH v. 11.12.2002, BFH/NV 2003, 607. BFH v. 14.8.2001, DStR 2002, 257, 258; v. 24.1.2002, DStR 2002, 628, 630. Vgl. BMF-Schreiben v. 24.5.2004 – IV A 5 - S 2290 - 20/04, Rz. 15. BMF-Schreiben v. 24.5.2004 – IV A 5 - S 2290 - 20/04, Rz. 15. Vgl. zur Berechnung im Einzelnen mit Beispielen Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. G 59 ff. 121 BMF-Schreiben v. 24.6.1987, DB 1987, 1465.

Lingemann 935

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

h) Sozialversicherungsrecht aa) Allgemeines 47

Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge sollten hinsichtlich ihrer sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen mit größter Sorgfalt gestaltet werden. Denn schlecht konzipierte Aufhebungsverträge können zu unliebsamen und teuren sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen führen. Der Arbeitnehmer möchte natürlich erreichen, dass es nicht zur Verhängung von Sperrzeiten oder zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs kommt; das erleichtert wiederum den Vertragsschluss auch für den Arbeitgeber. bb) Keine Beitragspflicht

48

Abfindungen sind grundsätzlich sozialversicherungsfrei. Dies gilt unabhängig davon, ob sie nach §§ 24, 34 EStG steuerbegünstigt sind. Die Beitragsfreiheit beruht darauf, dass nur Arbeitsentgelt beitragspflichtig ist, Abfindungen aber kein Arbeitsentgelt darstellen, und zwar selbst dann nicht, wenn sie für künftig entgehendes Arbeitsentgelt entschädigen.122 cc) Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit

49

Beim Abschluss von Abwicklungsverträgen kommt es häufig vor, dass die Parteien sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem Termin einigen, zu dem ursprünglich gekündigt wurde. Daran besteht oftmals Interesse bei fristlosen Kündigungen, die im Zuge eines Abwicklungsvertrages in eine ordentliche Kündigung umgewandelt werden, oder bei ordentlichen Kündigungen, bei denen das Anstellungsverhältnis noch für weitere Monate fortdauern soll, etwa um die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen und Lücken im Lebenslauf zu vermeiden. Da solche Abwicklungsvereinbarungen häufig erst geschlossen werden, nachdem der Arbeitgeber die Gehaltszahlungen bereits einige Zeit eingestellt hatte (weil er ja von der Wirksamkeit der Kündigung zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt ausging), hat die Agentur für Arbeit in der Zwischenzeit oft bereits Arbeitslosengeld gezahlt. Entstehen nun durch den Abwicklungsvertrag wegen der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses Gehaltsansprüche für Zeiten, für die die Agentur für Arbeit bereits Arbeitslosengeld gezahlt hat, kann sie das Arbeitslosengeld grundsätzlich nicht vom Arbeitnehmer zurückfordern. Vielmehr gehen die Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers in entsprechender Höhe auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 158 Abs. 4 SGB III iVm. § 115 Abs. 1 SGB X). Vielfach ist es dann günstiger, statt einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung zu zahlen, weil sonst von Gehaltsnachzahlungen wegen des Anspruchsübergangs für den Arbeitnehmer nicht viel übrig bleibt. dd) Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 158 SGB III

50

Wird aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung gezahlt und ist die Zeit zwischen dem Abschluss des Aufhebungsvertrages und dem vor122 BSG v. 21.2.1990, NZA 1990, 751; BAG v. 9.11.1988, NZA 1989, 270.

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Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

gesehenen Beendigungszeitpunkt kürzer als die vereinbarte ordentliche Kündigungsfrist, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen gewissen Zeitraum (§ 158 SGB III): (1) Entschädigungen iSv. § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III bezieht sich auf Abfindungen und sonstige „Entlassungsentschädigungen“, egal ob in Geld- oder in Sachbezügen, soweit sie unmittelbar für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden.123 Nicht erfasst sind also sonstige Abfindungen, zB für Versorgungsanwartschaften und Karenzentschädigungen sowie Übergangsgelder. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 158 Abs. 1 Satz 6 SGB III sind ferner solche Abfindungsbestandteile ausgenommen, die unmittelbar in die Rentenversicherung des Arbeitnehmers (§ 187a Abs. 1 SGB VI) oder in eine berufsständische Versorgungseinrichtung eingezahlt werden (§ 158 Abs. 1 Satz 7 SGB III).124

51

(2) Maßgebliche Kündigungsfrist Für die Bemessung der maßgeblichen Kündigungsfrist kommt es darauf an, welche Frist in dem konkreten Arbeitsverhältnis gemäß Gesetz, Tarifvertrag oder Einzelvertrag gilt. Werden Aufhebungsverträge rückdatiert, um die Anrechnung nach § 158 SGB III zu vermeiden, erfüllt dies den Tatbestand des Betruges zu Lasten der Arbeitsverwaltung (s. oben Rz. 12 ff.).

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Ist dem Abschluss des Auflösungsvertrages eine Kündigung vorangegangen, so ist für § 158 SGB III auf den Tag der Kündigung abzustellen, nicht auf das Datum des Abwicklungsvertrages. Zu beachten ist, dass § 158 Abs. 1 Satz 3 SGB III hinsichtlich der maßgeblichen Kündigungsfrist für besonders geschützte Arbeitnehmergruppen Sonderregelungen enthält. Die Vorschrift unterscheidet vier Fälle: (a) Ist die ordentliche Kündigung zeitlich befristet ausgeschlossen (Mutterschutz, Elternzeit, Betriebsratsmitglieder), so ist dies für die Berechnung nach § 158 SGB III unerheblich. (b) Ist die ordentliche Kündigung auf Dauer ausgeschlossen, was insbesondere bei einer tariflichen Alterssicherung der Fall ist, wird eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten zugrunde gelegt (§ 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III). (c) Liegen bei einem an sich tariflich unkündbaren Arbeitnehmer ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist vor (insbesondere Betriebs- oder Abteilungsschließungen), so gilt für die Berechnung nach § 158 SGB III die Kündigungsfrist, die ohne Alterssicherung maßgebend wäre (§ 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III).

123 Hierzu ausführlich ErfK/Rolfs § 143a SGB III (aF) Rz. 3 ff. 124 Zu Gestaltungsmöglichkeiten in Aufhebungsverträgen mit älteren Arbeitnehmern auf Grund dieser Vorschriften Schrader, NZA 2003, 593.

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

(d) Kann dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Abfindung etc. ordentlich gekündigt werden, so gilt eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr (§ 158 Abs. 1 Satz 4 SGB III). 54

Unklar ist, welche (fiktive) Kündigungsfrist bei Arbeitsverhältnissen von schwerbehinderten Menschen aufgrund der notwendigen Einschaltung des Integrationsamtes anzusetzen ist.125 (3) Berechnung des Ruhenszeitraums

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Die Berechnung des konkreten Ruhenszeitraums ist kompliziert. Das Gesetz geht bei der Berechnung von der unwiderleglichen Vermutung aus, dass die bezahlte Abfindung aus zwei Teilen besteht, nämlich zum einen aus einer „echten“ Abfindung als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes, zum zweiten aus einem „unechten“ Abfindungsbestandteil, der für die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gezahlt wurde. Das Verhältnis der beiden Anteile wird vom Gesetz unter Berücksichtigung von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit festgelegt. Der anrechnungsfreie „echte“ Abfindungsanteil ist pauschal auf 40 % der Abfindung festgesetzt. Der 40 %-Anteil erhöht sich bei Arbeitnehmern nach Vollendung des 35. Lebensjahres und nach einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren um jeweils 5 % für jede fünf zusätzlichen Lebens- bzw. Betriebszugehörigkeitsjahre, maximal aber auf 75 % der Abfindung (§ 158 Abs. 2 Satz 3 SGB III).

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Gemäß § 157 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nur so lange, wie der Arbeitslose bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gebraucht hätte, um den anrechenbaren Teil der Abfindung (also zwischen 60 % und 25 %) zu verdienen. Dies ist aber nur der erste Schritt.

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Anschließend ist zu prüfen, ob nicht von Gesetzes wegen kürzere Ruhenszeiträume angesetzt werden müssen. So darf der Ruhenszeitraum grundsätzlich nicht länger sein als – ein Jahr (§ 158 Abs. 2 Satz 1 SGB III) – bis zum Ende der normalen oder fiktiven Kündigungsfrist (§ 158 Abs. 1 SGB III) – bis zum Ablauf einer vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses (§ 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III). (4) Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung

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Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht ausnahmsweise dann nicht, wenn der Arbeitgeber berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gemäß § 626 BGB zu kündigen (§ 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III). Die Regelung beruht auf der Überlegung, dass eine Abfindung nicht dem Ausgleich von während der ordentlichen Kündigungsfrist entgangenen Vergütungsansprüchen dienen kann, wenn diese Kündigungsfrist gar nicht hätte eingehalten werden müssen.126 Allerdings muss dann ggf. vor den Sozialgerichten die arbeitsrechtliche Frage nach der Wirksamkeit einer fiktiven Kündigung geklärt werden. 125 Vgl. Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. H 82. 126 BSG v. 17.2.1981, DB 1981, 1983.

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Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

(5) Folgen des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruchs Während die Sperrzeit zu einem echten Anspruchsverlust führt (s. Rz. 62), bewirkt die Ruhenszeit nur eine Anspruchshemmung. Während der Ruhensfrist besteht zwar kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs führt aber nicht zu einer Verkürzung des Gesamt-Bezugszeitraums, denn der Arbeitslose wird während des Ruhenszeitraums nicht als arbeitslos behandelt. Der GesamtArbeitslosengeldanspruch wird lediglich um die Ruhensfrist hinausgeschoben, kann also im Anschluss an die Ruhensfrist in vollem Umfang und für die volle Dauer geltend gemacht werden.

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(6) Ruhen wegen anderweitiger Sozialleistungen Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht auch für die Zeit, in der der Arbeitslose anderweitige Sozialleistungen gemäß § 156 Abs. 1 Nr. 1–4 SGB III erhält (§ 156 SGB III) oder in der der Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder Urlaubsabgeltung erhält oder zu beanspruchen hat (§ 157 Abs. 1 und 2 SGB III).

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ee) Sperrzeiten nach § 159 SGB III (1) Allgemeines Jeder Aufhebungsvertrag birgt das Risiko, dass eine Sperrzeit ausgelöst wird. Sperrzeiten entstehen, wenn der Arbeitslose schuldhaft seine Arbeitslosigkeit verursacht hat.127 Beim Abschluss von Aufhebungsverträgen droht vor allem die Sperrzeit „wegen Arbeitsaufgabe“ nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III. Die Situation hat sich in den letzten Jahren verschärft. In vielen Agenturen für Arbeit hat sich die Praxis durchgesetzt, beim Vorliegen eines Aufhebungsvertrages ohne weitere Amtsermittlung eine Sperrzeit zu verhängen.

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Die Verhängung einer Sperrfrist ist keine Ermessensentscheidung der Arbeitsverwaltung. Vielmehr tritt die Sperrfrist bei Vorliegen der Voraussetzungen von Gesetzes wegen ein, der Bescheid der Agentur für Arbeit hat also nur feststellenden Charakter. Die Sperrzeit dauert grundsätzlich zwölf Wochen (§ 159 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Würde die zwölfwöchige Sperrzeit für den Arbeitslosen eine besondere Härte bedeuten, wird sie auf sechs Wochen reduziert (§ 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2b SGB III). Auch insoweit hat die Agentur für Arbeit kein Ermessen; der Begriff der „Härte“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff.128 Bei einer Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses von sechs Wochen verkürzt sich die Sperrzeit auf drei Wochen, bei einer Restlaufzeit von zwölf Wochen auf sechs Wochen (§ 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2a SGB III).

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Anders als beim Ruhenszeitraum nach § 158 SGB III führt die Sperrfrist zum endgültigen Verlust des Arbeitslosengeldanspruchs. Die Gesamt-Anspruchsdauer mindert sich also um die Anzahl der Tage der Sperrzeit. Gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 4 127 Welcher Grad des Verschuldens zugrundezulegen ist, ist offen. So genügt es nach einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 1.8.2012 nicht ohne Weiteres, dass einem als Kraftfahrer beschäftigten Arbeitnehmer wegen einer Verkehrsstraftat die Fahrerlaubnis entzogen wurde; entscheidend ist, ob der Entzug der Fahrerlaubnis auf einem grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhalten beruht (LSG Baden-Württemberg v. 1.8.2012, ArbuR 2012, 443; andererseits LSG Baden-Württemberg v. 8.6.2011, DAR 2011, 603). 128 BSG v. 22.3.1979, BSGE 48, 114.

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

SGB III mindert sich ferner die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, die Kürzung beträgt mindestens 1/4 der Anspruchsdauer. (2) Echter Aufhebungsvertrag129 63

Als kaum vermeidbar wurde die Sperrzeit längere Zeit angesehen, wenn dem Aufhebungsvertrag keine Kündigung vorangegangen war. Alleine die Darlegung, der Arbeitgeber habe eine (ordentliche oder fristlose) Kündigung zum gleichen Beendigungstermin für den Fall in Aussicht gestellt, dass der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen hätte, reicht zur Vermeidung einer Sperrzeit nicht aus.130 Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit soll es dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzumuten sein, statt des Aufhebungsvertrages die arbeitgeberseitige Kündigung abzuwarten.

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Diese Rechtsauffassung gilt jedoch nicht einschränkungslos. Zwar wird der Abschluss des Aufhebungsvertrages als Lösen des Arbeitsverhältnisses iSv. § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 SGB III angesehen, was grundsätzlich eine Sperrzeit zur Folge hat.131 Auch bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages kann die Sperrzeit jedoch vermieden werden,132 wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses hatte.133 Dies gilt insbesondere:134 – Wenn der Arbeitgeber gegenüber einem nicht unkündbaren Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt hat, die Kündigung zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt oder früher wirksam geworden wäre und eine Abfindung zwischen 0,25 und 0,5 Monatsgehältern vereinbart wird.135 – Bleibt die Abfindung nicht in diesem Rahmen, so entsteht trotzdem keine Sperrzeit, – wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen und der Arbeitnehmer ohne die Vereinbarung objektive Nachteile aus einer arbeitgeberseitigen Kündigung befürchten musste, insbesondere den Wegfall von Vergünstigungen.136 – Wenn der Arbeitnehmer auch bei Eigenkündigung einen wichtigen Grund zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes hätte, so dass bei Ausspruch einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers keine Sperrzeit eingetreten wäre. Das gilt beispielsweise bei Gründen im persönlichen Bereich (Zuzug zum Ehepartner, Herstellung einer Erziehungsgemeinschaft137 etc.). 129 130 131 132 133 134

Zum Abwicklungsvertrag vgl. unten Rz. 73. Durchführungsanordnung zu § 159 SGB III, Stand 4/2012, Ziff. 159.11. BSG v. 12.7.2006, NZA 2006, 1359. Vgl. hierzu auch Lembke, BB 2009, 2594. Durchführungsanordnung zu § 159 SGB III, Stand 4/2012, Ziff. 159.78 ff. Eine Vielzahl weiterer Gründe enthält die Durchführungsanordnung zu § 159 SGB III, Stand 4/2012, Ziff. 159.84 ff. 135 BSG v. 2.5.2012, NZS 2012, 874; LSG Bayern v. 28.2.2013 – L 9 AL 42/10; Durchführungsanordnung zu § 159 SGB III, Stand 4/2012, Ziff. 159 101 ff. 136 Durchführungsanordnung zu § 159 SGB III, Stand 4/2012, Ziff. 159 101, 102 iVm. 104, 105; vgl. schon BSG v. 12.7.2006, NZA 2006, 1359; v. 8.7.2009, BB 2010, 443, 444; hierzu auch Panzer, NJW 2010, 11, 15; Lembke, BB 2009, 2594, 2596 f.; BSG v. 2.5.2012, NZS 2012, 874. 137 BSG v. 17.10.2007, SozR 4–4300 § 144 Nr. 16; Durchführungsanordnung zu § 159 SGB III, Stand 4/2012, Ziff. 159.94–95.

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– Wenn es sich um einen leitenden Angestellten iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG handelt, dem der Arbeitgeber jederzeit fristgerecht kündigen oder eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne nähere Begründung durchsetzen könnte (§ 9 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG).138 – Wenn die Abwicklungsvereinbarung bei einem Prozessvergleich im späteren Kündigungsschutzverfahren geschlossen wird.139 Das gilt nicht, wenn ein Umgehungsgeschäft vorliegt.140 – Wenn der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber Altersteilzeit im Blockmodell unter Umwandlung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in ein befristetes vereinbart und bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt, nach dem Ende der Altersteilzeit Altersrente zu beziehen und dabei prognostisch von einem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsleben nach der Freistellungsphase objektiv auszugehen ist.141 – Wenn der Arbeitnehmer auf einer Namensliste zum Interessenausgleich aufgeführt ist, sodass gemäß § 1 Abs. 5 KSchG vermutet wird, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist.142 Auch eine Kündigung wegen Widerspruchs des Arbeitnehmers gegen einen Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 6 BGB löst keine Sperrzeit aus,143 denn der Widerspruch ist gerade darauf gerichtet, das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber zu erhalten und gibt damit als solcher keinen ausreichenden Anlass für eine etwaige Lösung des Beschäftigungsverhältnisses.144 ff) Anrechnung von Abfindungen auf Arbeitslosengeld Es existiert – entgegen einer vielfach anzutreffenden Meinung – keine Regelung, wonach Abfindungen grundsätzlich auf das Arbeitslosengeld anzurechnen wären.

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Die Zahlung von Abfindungen wirkt sich also auf die Höhe des Arbeitslosengeldes grundsätzlich nicht aus, wohl aber gemäß § 158 SGB III auf den Gewährungszeitraum,145 sofern die Kündigungsfrist nicht eingehalten wird. Auch führt eine Abfindung in § 1a Abs. 2 KSchG nicht übersteigender Höhe nicht zu einer Sperrzeit.146

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gg) Kürzung bei nicht rechtzeitiger Meldung Meldet sich der Arbeitnehmer entgegen § 38 SGB III nicht spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses oder – bei kürzerer Rest138 139 140 141 142 143 144

BSG v. 17.11.2005, BSGE 95, 232. BSG v. 17.10.2007, NZA-RR 2008, 383, 385 f.; v. 18.12.2003, NZA 2004, 661, 663. BSG v. 17.10.2007, NZA-RR 2008, 383, 386. BSG v. 21.7.2009, NZA 2010, 83. BSG v. 25.4.2002, NZA-RR 2003, 105. BSG v. 8.7.2009, BB 2010, 443, 444; Klumpp, NZA 2009, 354, 356, jeweils mwN. AA Meyer, NJW 2002, 1615, 1620 f.; Engesser-Means/Klebeck, NZA 2008, 143, 145 mwN, wonach der widersprechende Arbeitnehmer nicht nur in Fällen des Erlöschens des alten Arbeitgebers, sondern auch bei dessen Fortbestand die anschließende Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund des dadurch oftmals hervorgerufenen Personalüberhangs gleichsam herausfordere. 145 Dazu oben Rz. 50 ff. 146 BAG v. 12.7.2006, NZA 2006, 1359; vgl. oben Rz. 64.

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laufzeit – innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend, so entsteht eine Sperrzeit von einer Woche (§ 159 Abs. 6 SGB III). Der Arbeitnehmer kann seinen Schaden nicht auf den Arbeitgeber abwälzen, auch wenn dieser ihn nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III auf seine Verpflichtung hinweist, sich rechtzeitig arbeitsuchend zu melden.147 hh) Erstattung von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose nach § 147a SGB III aF 68

Gemäß § 147a SGB III war der Arbeitgeber insbesondere dann zur Erstattung von Arbeitslosengeld verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Vollendung des 55. Lebensjahres beendet werden sollte, der Mitarbeiter länger als zehn Jahre beschäftigt war und das Unternehmen mehr als 20 Mitarbeiter hatte.

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Der Arbeitgeber war in diesen Fällen verpflichtet, der Bundesagentur für Arbeit das Arbeitslosengeld nebst darauf entfallenen Sozialversicherungsbeiträgen für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer für 32 Monate zu erstatten. Die Erstattungspflicht betraf allerdings gemäß § 434l Abs. 4 iVm. Abs. 1 SGB III aF nur Arbeitnehmer, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 31.1.2006 entstanden war. Für derzeit ausscheidende Arbeitnehmer gilt die Regelung daher nicht mehr. Zur früheren Rechtslage verweisen wir auf die 2. Aufl. des Anwalt-Formularbuch Arbeitsrecht, S. 599. ii) Vorzeitige Altersrente

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Vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages sollte man sich Klarheit über die Rentensituation des Arbeitnehmers verschaffen. Auf die diesbezüglichen Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden.148 jj) Ende des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses durch einvernehmliche unwiderrufliche Freistellung

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Die Sozialversicherungspflicht besteht auch bei unwiderruflicher Freistellung bis zum Ende der arbeitsvertraglichen Beziehungen fort. Sie endet somit, anders als nach früherer Rechtsprechung, nicht bereits mit dem Beginn der Freistellungsphase.149 Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger sind dieser Rechtsprechung nunmehr gefolgt und verfahren danach.150 Die aufgrund der früheren Rechtsprechung ausgesprochene Empfehlung, die Freistellung nur noch einseitig oder widerruflich auszusprechen, um eine Beendigung des Sozialversicherungsschutzes zu vermeiden, ist damit obsolet geworden. Offen bleibt jedoch weiterhin, ob es im Hinblick auf einen Wegfall der Sozialversicherungspflicht eine zeitliche Grenze der Freistellung gibt.151 147 BAG v. 29.9.2005, BB 2006, 48; im Einzelnen Rz. 6 sowie Einf. Kap. 22 Rz. 129. 148 Vgl. die Darstellung bei Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. H 142 ff., ferner oben Einf. Kap. 7 Rz. 1 ff., insb. Fn. 3. 149 BSG v. 24.9.2008, NZA-RR 2009, 272 (dies gilt erst recht für eine widerrufliche oder einseitige Freistellung); v. 24.9.2008, NZA-RR 2009, 269, 271 („Altersteilzeit Null“); zum Ganzen auch Bergwitz, NZA 2009, 518; Kock/Fandel, DB 2009, 2321; Panzer, NJW 2010, 11. 150 Vgl. das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger v. 30./31.3.2009, www.vdr.de. 151 So Kock/Fandel, DB 2009, 2321, 2322.

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Nach dem Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger v. 13./14.10.2009 kann jedenfalls bei einem Verzicht auf die Arbeitsleistung von mehr als zehn Jahren eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht mehr angenommen werden.

2. Abwicklungsvertrag Beim Abwicklungsvertrag wird das Arbeitsverhältnis nicht durch den Vertrag, sondern durch die vorangegangene Kündigung beendet. Die Parteien regeln dann einvernehmlich lediglich die Modalitäten der Beendigung.152 Bei der Vermeidung von Sperrzeiten (§ 159 SGB III) kann der Abwicklungsvertrag vorteilhaft sein.

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a) Sperrzeiten nach § 159 SGB III Eine Sperrzeit wird ausgelöst, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft seine Arbeitslosigkeit verursacht. Das ist bei Aufhebungsverträgen zwar typischerweise der Fall, jedoch gibt es eine ganze Reihe von Ausnahmen (s. oben Rz. 64). Das BSG hatte mit Urteil vom 9.11.1995153 die Auffassung vertreten, nur die Hinnahme einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung könne zu einer Sperrfrist führen. Daraus schloss man, dass ein Abwicklungsvertrag auf Grund einer Kündigung, welche vielleicht rechtswidrig, aber nicht offensichtlich rechtswidrig war, zulässig sei und sah darin einen Vorteil des Abwicklungsvertrages gegenüber dem Aufhebungsvertrag.154 Das BSG hat den Unterschied zwischen Aufhebungsvertrag und Abwicklungsvertrag jedoch später nivelliert mit der Begründung, beim Abwicklungsvertrag liege regelmäßig eine Vorfeldabsprache zwischen den Arbeitsvertragsparteien über den Ausspruch der Kündigung und den späteren Abwicklungsvertrag vor. Dabei wird jedoch übersehen, dass eine solche – angebliche – mündliche „Vorfeldabsprache“ wegen § 623 BGB keinerlei Rechtswirkung entfaltet.155 Ein Aufhebungsvertrag soll jedenfalls dann keine Sperrzeit auslösen, wenn andernfalls eine wirksame Kündigung gedroht hätte (vgl. oben Rz. 64).156 Rechtstechnisch ist die unterschiedliche Bezeichnung der Verträge allerdings nach wie vor sinnvoll zur Unterscheidung, ob eine Kündigung zuvor ausgesprochen wurde oder nicht, ferner für die Rückabwicklung (sogleich Rz. 74) und zur Bezeichnung der typischen Auflösungsvereinbarungen nach Ausspruch der Kündigung vor den Arbeitsgerichten.

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b) Rückabwicklung Bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen Aufhebungsvertrag und Abwicklungsvertrag für eine nachträgliche Rückabwicklung. Wird ein Aufhebungsvertrag durch Widerruf, Rücktritt oder Anfechtung beseitigt, besteht das Arbeitsverhältnis fort (s. oben Rz. 20). Anders ist es dagegen, wenn ein Abwicklungsvertrag nachträglich beseitigt wird. Die Kündigung bleibt davon grundsätzlich unberührt. Wurde keine Kündigungs152 153 154 155 156

Im Übrigen gilt auch für Abwicklungsverträge das oben, Rz. 1–46, Gesagte entsprechend. BSG v. 9.11.1995, BB 1996, 1510. Zum damaligen Stand Bauer/Hümmerich, NZA 2003, 1076 gegen Geiger, NZA 2003, 838. Vgl. nur BAG v. 28.6.2005, NZA 2006, 48. BSG v. 12.7.2006, NZA 2006, 1359; best. durch BSG v. 8.7.2009, BB 2010, 443, 444 und v. 2.5.2012, NZS 2012, 874.

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schutzklage erhoben oder diese – ggf. auf Grund des Abwicklungsvertrages – wieder zurückgenommen, dürfte für eine (neue) Kündigungsschutzklage regelmäßig die DreiWochen-Frist des § 4 KSchG abgelaufen sein.157 Damit besteht das Risiko, dass der Arbeitnehmer, nachdem er die Anfechtung erklärt hat, letztlich mit leeren Händen dasteht. 157 Auch der Einwand fehlender Betriebsratsanhörung (BAG v. 28.6.2005, NZA 2006, 48) könnte dann nicht mehr erhoben werden (§ 4 Satz 1 KSchG).

II. Muster 23.1a

u

Aufhebungsvertrag1

Zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau . . . wird Folgendes vereinbart: § 1 Beendigung2 Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des . . .3 auf Veranlassung des Arbeitgebers4 einvernehmlich enden wird/geendet hat. §2

Abfindung5

Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlt der Arbeitgeber Herrn/Frau . . . eine am . . . fällige,6 aber schon jetzt entstandene und damit vererbliche7 Abfindung8 iSd. §§ 9, 10 KSchG, §§ 24, 34 EStG von Euro . . . 1 Muster in Anlehnung an Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. L 26 ff. 2 Auch beim Abschluss von Aufhebungsverträgen ist grundsätzlich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Keine Anwendung findet der Gleichbehandlungsgrundsatz allerdings, wenn die Besserstellung einzelner Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen erfolgt. In einem solchen Fall fehlt der notwendige kollektive Bezug. Nicht anwendbar ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz daher, wenn ein Arbeitgeber mit Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses trifft, da die Vertragsfreiheit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vorgeht (vgl. zum Ganzen BAG v. 17.12.2009, NZA 2010, 273). 3 Eine Mindestfrist zwischen Abschluss des Aufhebungsvertrages und Beendigungszeitpunkt ist nicht einzuhalten. Eine Unterschreitung der ordentlichen Kündigungsfrist kann allerdings zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 158 SGB III führen (vgl. Einf. Rz. 50 ff.). 4 Die hier vorgeschlagene Formulierung ist aus steuerlichen Gründen wegen §§ 24, 34 EStG nützlich, da auch für § 24 Nr. 1a EStG in der Regel verlangt wird, dass die Beendigung von dem Arbeitgeber veranlasst wurde und daher für den Arbeitnehmer unfreiwillig erfolgte, vgl. Einf. Rz. 35 sowie Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. G 35. Die Finanzverwaltung wird durch diese Klausel aber nicht gebunden. Ein Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss nicht angegeben werden.

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evtl. Auf diese Abfindung wird die Abfindung aus dem zwischen der Gesellschaft und dem Betriebsrat des Betriebs . . . am . . . abgeschlossenen Sozialplan angerechnet. oder Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der damit verbundenen Aufgabe des sozialen Besitzstandes zahlt der Arbeitgeber Herrn/Frau . . . eine einmalige, schon jetzt entstandene und damit vererbliche Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG, 24, 34 EStG in Höhe von Euro . . . brutto, zahlbar am Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, jedoch nicht vor vollständiger Erfüllung der Rückgabepflichten von Herrn/Frau . . . gemäß §§ 6 und 15. oder Der Arbeitgeber zahlt Herrn/Frau . . . für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von Euro . . . Die Abfindung reduziert sich für den Fall, dass Herr/Frau . . . innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein neues Arbeits- oder Dienstverhältnis eingeht, und zwar für jeden vollen Monat der neuen Beschäftigung um Euro 5 Ein Arbeitgeber verletzt weder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch verstößt er gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, wenn er die Zahlung einer freiwilligen Abfindung davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht gerichtlich vorgeht (BAG v. 15.2.2005, BB 2006, 1391). Das BAG hat ferner eine Altersdiskriminierung verneint, wenn ein Arbeitgeber die über 55-jährigen Arbeitnehmer aus dem Personenkreis ausnimmt, denen er im Rahmen einer Personalabbaumaßnahme den Abschluss von Aufhebungsverträgen gegen Abfindungen anbietet. Es fehlt bereits an einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Den älteren Arbeitnehmern bleibt ihr Arbeitsplatz erhalten. Sie werden deshalb nicht weniger günstig als die jüngeren Arbeitnehmer behandelt, die ihren Arbeitsplatz – wenn auch unter Zahlung einer Abfindung – verlieren (BAG v. 25.2.2010, NZA 2010, 561). 6 Wird die Fälligkeit nicht geregelt, ist die Abfindung erst zum vertraglich vereinbarten Beendigungszeitpunkt fällig (BAG v. 15.7.2004, DB 2004, 2430; v. 9.12.1987, NZA 1988, 329). Es kann auch Ratenzahlung vereinbart werden. Zu beachten ist dann das Insolvenzrisiko, vgl. § 25 des Musters, auch bestehen steuerliche Risiken (Einf. Rz. 42). 7 Wichtig: Abfindungen, die beim Ableben des Arbeitnehmers bereits entstanden waren, sind vererblich. Ob sie bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen, ist eine Frage der Auslegung. Soll die Abfindung in erster Linie eine Gegenleistung für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein, so ist sie nicht davon abhängig, dass der Arbeitnehmer den Beendigungszeitpunkt erlebt (BAG v. 22.5.2003, DB 2004, 2816; v. 25.6.1987, NZA 1988, 466). Dient die Abfindung allerdings in erster Linie dazu, künftige Einkommenseinbußen zu mildern, so entsteht der Anspruch regelmäßig nur, wenn der Arbeitnehmer das vertraglich vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses erlebt (BAG v. 16.5.2000, NZA 2000, 1236; v. 26.8.1997, NZA 1998, 643). Daher sind auch Sozialplanansprüche regelmäßig vor dem Ausscheidenszeitpunkt nicht vererblich (BAG v. 27.6.2006, NZA 2006, 1238). Dasselbe gilt für Abfindungen nach § 1a KSchG (BAG v. 10.5.2007, NZA 2007, 1043). Um Schwierigkeiten zu vermeiden, sollte der Arbeitnehmer daher anstreben, wie im Muster die sofortige Vererblichkeit zu vereinbaren. Diese kann an die Existenz bestimmter erbberechtigter Angehöriger gebunden werden. 8 Die Höhe der Abfindung ist reine Verhandlungssache. Eingebürgert hat sich die Formel „halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr“, ohne dass es dafür zwingende Gründe gibt. Zu der Abfindung können auch Sachbezüge wie Dienstwagen, Werkswohnung etc. gehören (s. unten §§ 6, 8). Für diese gelten auch die allgemeinen steuerlichen Regelungen, so dass sie zu versteuern sind.

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Einvernehmliche Beendigung

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. . . Herr/Frau . . . ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Eingehung des neuen Arbeitsoder Dienstverhältnisses innerhalb einer Woche nach Aufnahme der Tätigkeit mitzuteilen. Herr/Frau . . . ist verpflichtet, eventuell überzahlte Beträge an den Arbeitgeber zurückzuzahlen. und/oder Der Anspruch auf die Abfindung fällt weg, wenn der Arbeitgeber bis zu dem nach § 1 vorgesehenen rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses wirksam gemäß § 626 BGB kündigen sollte.9 § 3 Freistellung Herr/Frau . . . wird mit sofortiger Wirkung/wird ab . . ./bleibt unwiderruflich10 freigestellt unter Fortzahlung der vertragsmäßigen Bezüge/der Fixbezüge bis zu dem in § 1 genannten rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses. Er/Sie ist bis zu dem in § 1 genannten Zeitpunkt in der Verwertung seiner/ihrer Arbeitskraft frei, wobei ihm/ihr jede Beteiligung und/oder Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen untersagt ist.11 Während der Zeit der Freistellung findet § 615 Satz 2 BGB Anwendung/ keine Anwendung.12 Durch die Freistellung sind sämtliche Urlaubsansprüche und Ansprüche auf Freizeitausgleich abgegolten. oder13

9 Der Vertrag steht damit unter der auflösenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt fortbesteht. Endet es vorher durch eine außerordentliche Kündigung, wird der Aufhebungsvertrag gegenstandslos (BAG v. 29.1.1997, NZA 1997, 813). 10 Auch bei der unwiderruflichen Freistellung endet das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis erst mit dem Ende der arbeitsvertraglichen Beziehungen, dh. zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt (BSG v. 24.9.2008, NZA-RR 2009, 272; dies gilt erst recht für eine widerrufliche oder einseitige Freistellung). Die aufgrund der früher abweichenden Rechtsprechung ausgesprochene Empfehlung, die Freistellung nur noch einseitig oder widerruflich auszusprechen, um eine Beendigung des Sozialversicherungsschutzes zu vermeiden, ist damit obsolet geworden. Zu Einzelheiten s. Einf. Rz. 71. 11 Ist die Anrechnung etwaigen anderweitigen Verdienstes vereinbart, kann der Arbeitnehmer jedenfalls bei einer unwiderruflichen Freistellung gemäß § 157 BGB in der Regel davon ausgehen, in der Verwertung seiner Arbeitsleistung frei und nicht mehr an vertragliche Wettbewerbsverbote (§ 60 HGB) gebunden zu sein (BAG v. 6.9.2006, DB 2006, 2583, Rz. 22). Soll hingegen anderweitiger Verdienst abweichend von § 615 Satz 2 BGB nicht angerechnet werden, so ist der Arbeitnehmer im Zweifel auch nicht vom Wettbewerbsverbot befreit (BAG v. 6.9.2006, DB 2006, 2583, Rz. 23). Eine ausdrückliche Regelung ist daher sowohl hinsichtlich der Anrechnung anderweitiger Vergütung (dazu Fn. 12), also auch hinsichtlich eines etwaigen Fortbestandes des Wettbewerbsverbotes ratsam. 12 Nach § 615 Satz 2 BGB muss der Arbeitnehmer sich anderweitigen Erwerb auf seinen Vergütungsanspruch aus § 615 Satz 1 BGB während des Annahmeverzugs anrechnen lassen. Bei einer einvernehmlichen Freistellung liegt aber kein Annahmeverzug vor (BAG v. 17.10.2012, NZA 2013, 207). Soll daher bei einvernehmlicher Freistellung anderweitige Vergütung angerechnet werden, muss das ausdrücklich vereinbart sein. Wird es ausdrücklich vereinbart, gilt im Zweifel das Wettbewerbsverbot nicht mehr. Soll es trotz Anrechnung weitergelten, muss auch das, wie im Muster, ausdrücklich vereinbart werden, vgl. BAG aaO. 13 Die beiden nachfolgenden Alternativen regeln den Fall, dass eine Differenzierung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Freistellung gewünscht wird.

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Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

Herr/Frau . . . wird ab dem . . . bis zum Ende des Anstellungsverhältnisses unter Fortzahlung der Vergütung14 und unter Anrechnung auf etwaige Ansprüche auf Freizeitausgleich15 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Herr/Frau . . . nimmt seinen/ihren Urlaub in der Zeit vom . . . bis zum . . .16 Der Arbeitgeber behält sich vor, die Freistellung zu widerrufen und den Arbeitnehmer außerhalb des Urlaubszeitraums zu beschäftigen.17 oder18 Herr/Frau . . . wird mit sofortiger Wirkung/wird ab . . ./bleibt freigestellt bis zu dem in § 1 genannten rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses, und zwar unter Fortzahlung der vertragsmäßigen Bezüge.19 Die Freistellung erfolgt zunächst unwiderruflich20 unter Anrechnung sämtlicher Urlaubsansprüche21 und Ansprüche auf Zeitguthaben.22 Im Anschluss an die damit verbundene Gewährung des Urlaubs und den Verbrauch etwaiger Zeitguthaben ist die Freistellung widerruflich; nur für diese 14 Mit der Vereinbarung einer unwiderruflichen Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung wird regelmäßig kein Rechtsgrund für eine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers geschaffen, die über die gesetzlich geregelten Fälle der Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit hinaus geht (BAG v. 29.9.2004, DB 2005, 166; v. 23.1.2008, NZA 2008, 595). 15 Ergibt sich aus einem Arbeitszeitkonto ein Freizeitausgleichsanspruch des Arbeitnehmers, kann der Arbeitgeber diesen – anders als Urlaubsansprüche – auch durch eine widerrufliche Freistellung erfüllen (BAG v. 19.5.2009, NZA 2009, 1211). 16 Die genaue Angabe des Urlaubszeitraums ist bei der widerruflichen Freistellung erforderlich, da die widerrufliche Freistellung als solche den Urlaubsanspruch nicht erfüllt (BAG v. 19.5.2009, NZA 2009, 1211 mwN). Die erklärte Arbeitsbefreiung muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Anspruchs auf Urlaub gewährt wird (vgl. BAG v. 20.1.2009, ArbRB 2009, 98). 17 Formulierung nach Bauer/Krieger, DB 2005, 2242, 2244. 18 S. Fn. 13. 19 Es ist unklar, ob der Arbeitgeber durch die Freistellung in Annahmeverzug gerät. Einzelheiten s. Fn. 12. Abweichende Regelungen, also etwa eine Beschränkung der Zahlung auf das Grundgehalt, sind im Aufhebungsvertrag aber möglich. 20 Die Anrechnung von Urlaubsansprüchen ohne konkrete Angaben zum Urlaubszeitraum ist nur bei unwiderruflicher Freistellung zulässig (BAG v. 19.5.2009, NZA 2009, 1211; v. 14.3.2006, EzA § 7 BUrlG Nr. 117 mwN). Daher sieht die Klausel – in Anlehnung an Gaul, BB 2003, 2457, 2463 – zunächst eine unwiderrufliche und erst nach vollständig erfolgter Anrechnung eine widerrufliche Freistellung vor. Will man diese Zweiteilung vermeiden, muss der Arbeitnehmer unwiderruflich freigestellt werden, vgl. hierzu § 3 Alt. 3 und 4. 21 Die bloße Freistellung ist keine stillschweigende Urlaubsgewährung (BAG v. 19.5.2009, NZA 2009, 1211, 1212; v. 6.9.2006, DB 2006, 2583, Rz. 19; v. 28.2.1991, NZA 1991, 944). Die Anrechnungsklausel darf daher nicht fehlen. Die Freistellung „unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am . . . von der Arbeitsleistung“ ist eine unwiderrufliche Freistellung, die Anrechnung der Urlaubsansprüche daher wirksam, vgl. Fn. 16. Die zusätzliche Angabe eines konkreten Urlaubszeitraum ist bei der unwiderruflichen Freistellung nicht notwendig (vgl. Kock/Fandel, DB 2009, 2321, 2323). Bei einer widerruflichen Freistellung hingegen könnten auf diese Weise die Urlaubsansprüche nicht wirksam angerechnet werden (BAG v. 19.5.2009, NZA 2009, 1211; v. 14.3.2006, NZA 2006, 1008 sowie Fn. 16). 22 Ergibt sich aus einem Arbeitszeitkonto ein Freizeitausgleichsanspruch des Arbeitnehmers, kann der Arbeitgeber diesen – anders als bei Urlaubsansprüchen – auch durch eine widerrufliche Freistellung erfüllen (BAG v. 19.5.2009, NZA 2009, 1211). Die bloße Freistellung ist keine stillschweigende Urlaubsgewährung (BAG v. 28.2.1991, NZA 1991, 944; v. 6.9.2006, DB 2006, 2583, Rz. 19). Die Anrechnungsklausel darf daher nicht fehlen; wir halten es jedoch für sicherer, sie an die unwiderrufliche Freistellung zu knüpfen.

Lingemann 947

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

M 23.1a

Zeit behält der Arbeitgeber sich vor, Herrn/Frau . . . während der Restlaufzeit des Vertrages teilweise oder ganz an den Arbeitsplatz zurückzurufen.23 Während der widerruflichen Freistellung ist anderweitiger Verdienst gemäß § 615 Satz 2 BGB anzurechnen.24 Während der Freistellung ist Herr/Frau . . . weiter befugt, sämtliche Büroeinrichtungen einschließlich des in seiner/ihrer Wohnung installierten Diensttelefons auf Kosten des Arbeitgebers für Bewerbungsaktivitäten zu nutzen.25 oder/und Herr/Frau . . . ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis abweichend von § 1 mit einer Ankündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsende vorzeitig zu beenden. In diesem Fall zahlt der Arbeitgeber die dadurch frei werdenden monatlichen Bezüge in vollem Umfang/in Höhe von . . . % ohne Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (Arbeitnehmerbrutto) zusätzlich als Abfindung nach § 2 mit der Maßgabe, dass die Gesamtabfindung im Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird. Eine vorzeitige Beendigung ist im Interesse und entspricht dem Wunsch des Arbeitgebers.26 § 4 Gewinnbeteiligung Herr/Frau . . . hat für das laufende Geschäftsjahr/das Kalenderjahr . . . Anspruch auf Gewinnbeteiligung in Höhe von . . . % des Jahresgewinns. Diese Gewinnbeteiligung wird trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des . . . für das ganze Jahr gezahlt.27 Die Auszahlung erfolgt drei Monate nach Feststellung der Handelsbilanz.28 oder Herr/Frau . . . hat für das laufende Geschäftsjahr/Kalenderjahr . . . Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung in Höhe von . . . % des Jahresgewinns. Wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am . . . wird die Gewinnbeteiligung zu . . ./12 gezahlt. Die Auszahlung erfolgt drei Monate nach Feststellung der Handelsbilanz. oder Herr/Frau . . . hat an und für sich Anspruch auf eine vertragliche Gewinnbeteiligung. Diese wird pauschal mit Euro . . . abgegolten. § 5 Gratifikation Herr/Frau . . . erhält am . . . für das Jahr . . . die vertraglich zugesagte Gratifikation trotz des Ausscheidens am . . . ungekürzt.

23 Die vereinbarte Freistellung ist, soweit nichts anderes vereinbart ist, nicht widerruflich. Die Widerruflichkeit muss daher ausdrücklich aufgenommen werden. 24 Zur Notwendigkeit der Regelung s. Fn. 12. Auf Urlaubsansprüche wäre anderweitiger Verdienst jedoch nicht anzurechnen (BAG v. 19.3.2002, BB 2002, 1703). 25 Dieser Satz findet sich eher in Auflösungsverträgen mit Führungskräften. 26 Mit dieser Formulierung soll erreicht werden, dass §§ 24, 34 EStG auf die restliche Abfindung anwendbar bleibt. Es kommt darauf an, dass auch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses „auf Veranlassung des Arbeitgebers“ erfolgt (vgl. hierzu Einf. Rz. 36 mwN). 27 Wird keine Regelung getroffen, mindert sich der Anspruch pro rata, dh. entsprechend der Dauer der Beschäftigung in dem betreffenden Jahr (so die Alternativklausel). 28 Der Anspruch auf die Tantieme wird erst mit Feststellung der Bilanz fällig (LAG BW v. 31.3.1969, DB 1969, 1923; LAG Berlin v. 7.10.1975, DB 1976, 636). Maßgebend ist die Handelsbilanz. Die Höhe der Tantieme kann daher durch Gewinne oder Verluste beeinflusst werden, die erst nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers eintreten.

948 Lingemann

M 23.1a

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

oder Die vertraglich zugesagte Gratifikation erhält Herr/Frau . . . in diesem Jahr mit Rücksicht auf die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht. oder Herr/Frau . . . erhält die vertraglich zugesagte Gratifikation am . . . zu . . ./12. §6

Dienstwagen

Herr/Frau . . . ist verpflichtet, den Dienstwagen nebst sämtlichen Fahrzeugpapieren, Schlüsseln, allem Zubehör sowie der Tankkarte sofort an den Arbeitgeber zurückzugeben.29 evtl. Als Entschädigung enthält er/sie eine Pauschale von Euro . . . oder Herr/Frau . . . kann den Dienstwagen auch während der Zeit der Freistellung privat nutzen. Er/Sie ist verpflichtet, den Wagen nebst . . . am . . . an den Arbeitgeber zurückzugeben. oder Herr/Frau . . . übernimmt den Dienstwagen am . . . käuflich zum Buchwert.30 Der Preis beträgt somit Euro . . . (inkl. etwaiger Mehrwertsteuer). Das Fahrzeug nebst . . . wird am . . . unter Aushändigung der Fahrzeugpapiere Herrn/Frau . . . übergeben. Der Kaufpreis wird mit dem Nettobetrag der Abfindung nach § 2 verrechnet. Ggf. anfallende Steuern trägt Herr/Frau . . . oder Der Dienstwagen nebst . . . wird Herrn/Frau . . . kostenlos31 mit Wirkung zum . . . übereignet. Dadurch anfallende Steuern trägt Herr/Frau . . . oder Die Parteien sind sich einig, dass Herr/Frau . . . vorbehaltlich der Zustimmung der . . . anstelle des Arbeitgebers zum rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses in den Leasingvertrag vom . . . mit der . . . über den Dienstwagen (Typ . . . amtliches Kennzeichen . . .) auf seine/ihre Kosten eintritt. Der Arbeitgeber wird alle für die Vertragsübernahme notwendigen Erklärungen gegenüber der . . . abgeben. Erteilt die . . . ihre Zustimmung nicht bis zum . . ., so wird Herr/Frau . . . den Dienstwagen nebst . . . spätestens zum rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses in ordnungsgemäßem Zustand an die Gesellschaft zurückzugeben.

29 Vgl. im Einzelnen Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. C 250 ff.; auch eine AGB-Kontrolle führt uE nicht zur Unwirksamkeit der Klausel, schon weil es sich bei der Rückgabe des Dienstwagens um einen Teil der Abrede über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung handelt, dementsprechend findet eine vorzeitige Rückgabe des Dienstwagens regelmäßig Niederschlag in der Abfindungshöhe oder anderen Kompensationen im Rahmen des Aufhebungsvertrages. 30 Hier ist zu beachten, dass der Verkauf zu einem niedrigeren als dem Marktpreis einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil darstellt. 31 Auch hier liegt ein geldwerter Vorteil vor.

Lingemann 949

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

M 23.1a

§ 7 Urlaub32 Die Parteien sind sich darüber einig, dass Herr/Frau . . . den ihm/ihr für das Jahr . . . noch zustehenden Urlaub von . . . Werk-/Arbeitstagen vom . . . bis . . . nehmen wird.33 oder Wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses konnte Herr/Frau . . . den ihm/ihr für das Jahr . . . zustehenden Urlaub von . . . Werk-/Arbeitstagen nicht nehmen. Der Arbeitgeber zahlt deshalb eine Urlaubsabgeltung von Euro . . ., fällig am ... §8

Werkswohnung

Herr/Frau . . . verpflichtet sich, die Werkswohnung in der . . . straße Nr. . . . in . . . bis spätestens . . . zu räumen.34 oder Die bisher benutzte Werkswohnung in der . . . straße Nr. . . . in . . . wird an Herrn/Frau . . . ab . . . zu folgenden Bedingungen weitervermietet: . . . oder Herr/Frau . . . ist berechtigt, im Firmenhaus in der . . . straße Nr. . . . in . . . bis zum . . . zu den bisherigen Konditionen weiter zu wohnen. Der Arbeitgeber hat etwaige anfallende Steuern bis dahin zu übernehmen/nicht zu übernehmen. Herr/Frau . . . ist verpflichtet/nicht verpflichtet, das Haus zu renovieren. §9

Darlehen35

Herr/Frau . . . hat von dem Arbeitgeber am . . . ein Darlehen iHv. Euro . . . erhalten. Hierauf sind bis heute Euro . . . zurückbezahlt. Herr/Frau . . . zahlt den Restbetrag nebst vereinbarten Zinsen in monatlichen Raten von Euro . . ., zahlbar am . . . eines jeden Monats, beginnend mit dem . . ., zurück.36 Kommt Herr/Frau . . . mit mehr als 32 Die Regelungen sind vorgesehen für den Fall, dass nicht schon im Rahmen der Freistellung (§ 3) entsprechende Vereinbarungen getroffen wurden. 33 Die Freistellung bedeutet nicht automatisch die Gewährung von Urlaub (vgl. hierzu im Einzelnen Fn. 21). Die Gewährung ist daher ausdrücklich zu regeln. Wird der Urlaub nicht während der Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses gewährt, ist er nach den allgemeinen Regeln des BUrlG abzugelten. Der Urlaubsanspruch ist in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs unabdingbar. 34 Fehlt eine solche Regelung, besteht das Mietverhältnis grds. über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus fort. 35 Arbeitgeberdarlehen stehen in der Regel rechtlich selbstständig neben dem Arbeitsvertrag. Die Erledigungsklausel in § 26 umfasst Arbeitgeberdarlehen daher nur, wenn sie sich auch auf Ansprüche, die lediglich mit dem „Arbeitsverhältnis in Verbindung“ stehen, erstreckt (BAG v. 19.1.2011, NJW 2011, 2381). Beschränkt sie sich hingegen allgemein auf „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“, sind davon Arbeitgeberdarlehen nur ausnahmsweise erfasst, sofern eine zusätzliche Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis besteht, zB bei Ansprüchen auf Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens, das gewährt wurde zur Finanzierung einer Mitarbeiterbeteiligung (BAG v. 19.3.2009, NZA 2009, 896) oder zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen in einer stillen Gesellschaft (BAG v. 28.7.2009, NZA 2010, 356). 36 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber nicht das Recht einräumt, die vorzeitige Darlehensrückzahlung zu verlangen. Dies kann jedoch vereinbart werden.

950 Lingemann

M 23.1a

Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

einer Rate in Verzug, ist der gesamte Restbetrag fällig und ab diesem Zeitpunkt mit . . . % pro Jahr zu verzinsen. evtl. Zur Sicherung des Darlehensrestanspruches tritt Herr/Frau . . . hiermit zukünftige Entgeltforderungen gegen jeden neuen Arbeitgeber in Höhe des jeweils pfändungsfreien Betrages an den Arbeitgeber ab. oder Der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag vom . . . wird zu den vereinbarten Konditionen fortgeführt. Herr/Frau . . . hat das Recht, die noch offene Darlehensschuld von Euro . . . (Stand . . .) vorzeitig durch eine Einmalzahlung abzulösen. oder Herr/Frau . . . hat von dem Arbeitgeber am . . . ein Darlehen iHv. Euro . . . erhalten. Hierauf sind bis heute Euro . . . zurückgezahlt. Der Restbetrag wird mit dem Nettobetrag der Abfindung gemäß § 2 verrechnet. § 10

Diensterfindung

Herr/Frau . . . erhält für die am . . . gemeldete Diensterfindung eine Vergütung von Euro . . . Weitere Ansprüche auf Grund des Arbeitnehmererfindungsgesetzes bestehen nicht.37 oder Die Parteien sind sich darüber einig, dass Herr/Frau . . . für die am . . . gemeldete Diensterfindung keine Vergütung erhält. oder Für sämtliche Erfindungen, die auf Herrn/Frau . . . als Erfinder oder Miterfinder zurückgehen, erhält Herr/Frau . . . eine abschließende Abfindung von Euro . . . Mit diesem Betrag sind alle Ansprüche des Herrn/Frau . . . aus dem Arbeitnehmererfindungsgesetz für sämtliche während der Dauer des Anstellungsverhältnisses gemeldeten Diensterfindungen, Schutzrechte bzw. Schutzrechtsanmeldungen, die auf Herrn/Frau . . . als Erfinder oder Miterfinder zurückgehen, erfüllt. In diesem Betrag eingeschlossen sind also beispielsweise auch solche Beträge, die bei einer eventuellen Nutzung durch den Arbeitgeber entstehen würden oder entstanden, aber noch nicht vergütet sind. Die Auszahlung der Pauschalvergütung wird unter Abzug der gesetzlichen Steuern veranlasst. 37 Die Abgeltung durch eine Pauschale ist grds. zulässig. Die §§ 22, 23 ArbNErfG lassen nachträgliche Vereinbarungen über Art und Höhe der Erfindervergütung zu, soweit sie nicht in erheblichem Maße unbillig sind. Auf die Unbilligkeit einer Vergütungsvereinbarung können sich beide Seiten gemäß § 23 Abs. 2 ArbNErfG nur berufen, wenn die Unbilligkeit spätestens sechs Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Textform geltend gemacht wird. § 23 ArbNErfG gilt auch für Regelungen, wonach der Arbeitnehmer auf eine Vergütung völlig verzichtet. Eine solche Regelung ist also wegen Unbilligkeit unwirksam, wenn es sich um eine bedeutende Erfindung handelt, die für den Arbeitgeber von hohem Wert ist. Im Übrigen ist streitig, ob überhaupt die Grenzen der §§ 22, 23 ArbNErfG auf Vereinbarungen im Rahmen von Aufhebungsverträgen anwendbar sind (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, 5. Aufl. 2013, § 26 Rz. 60; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. C 288 ff.).

Lingemann 951

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

§ 11

M 23.1a

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot38

Das am . . . von den Parteien vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot wird von dem vorliegenden Aufhebungsvertrag nicht berührt. evtl. Der Arbeitgeber nimmt zur Kenntnis, dass Herr/Frau . . . am . . . in die Dienste der Firma . . . treten wird. Die Parteien sind sich darüber einig, dass diese Tätigkeit nicht gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot verstößt. oder Die Parteien ändern das am . . . vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot so ab, dass Herr/Frau . . . statt einer monatlichen Karenzentschädigung39 von Euro . . . monatlich nur Euro . . . erhält. Außerdem wird die Laufzeit des Wettbewerbsverbotes auf die Zeit vom . . . bis . . . beschränkt.40 oder Die Parteien heben das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mit sofortiger Wirkung auf.41 oder Das in § . . . des Anstellungsvertrages vom . . . geregelte nachvertragliche Wettbewerbsverbot gilt für die Zeit vom . . . bis . . . Die für dieses Wettbewerbsverbot zu zahlende Karenzentschädigung ist vollumfänglich in der Abfindung gemäß § 2 dieses Aufhebungsvertrages enthalten.42 Im Übrigen gelten für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot die Bestimmungen des Anstellungsvertrages und die §§ 74 ff. HGB.

38 Vgl. hierzu insb. unten Kap. 25; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. C 294 ff. und Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 494 ff. Auf Grund der Erledigungsklausel in § 26 muss ein Wettbewerbsverbot, das auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin bestehen bleiben soll, ausdrücklich aufgeführt werden (vgl. hierzu Einf. Rz. 29b). Fehlt eine solche Regelung, kann eine Ausgleichsklausel bei fehlender Ausnahme auch ein zuvor vereinbartes Wettbewerbsverbot und die damit verbundene Karenzentschädigung umfassen (BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 139; v. 24.6.2009, NJW 2009, 3529). 39 Die Höhe der Karenzentschädigung richtet sich gemäß § 74 Abs. 2 HGB nach der letzten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezogenen vertragsgemäßen Vergütung. Dies gilt auch, wenn ein Arbeitnehmer Elternteilzeit gemäß § 15 Abs. 6 BEEG in Anspruch genommen hat und sein Arbeitsverhältnis während der Elternzeit endet (BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 962). 40 Hier ist die Formvorschrift des § 74 Abs. 1 HGB zu beachten. Es gilt die gesetzliche Schriftform gemäß § 126 BGB. Zudem ist dem Arbeitnehmer ein original unterzeichnetes Vertragsexemplar auszuhändigen. Inhaltlich müssen auch die Änderungen mit den §§ 74 ff. HGB vereinbar sein (BAG v. 3.5.1994, BB 1994, 2282). 41 Eine einvernehmliche Aufhebung des Wettbewerbsverbots ist jederzeit formlos möglich (BAG v. 10.1.1989, NZA 1989, 797). Dann erlöschen alle gegenseitigen Rechte und Pflichten mit sofortiger Wirkung. Dies ist jedoch sorgfältig von dem Verzicht gemäß § 75a HGB zu trennen, der die Entschädigungspflicht des Arbeitgebers nur mit Jahresfrist entfallen lässt. 42 Die Verrechnung der Karenzentschädigung mit der Abfindung ist grundsätzlich zulässig. Das Wettbewerbsverbot ist bei dieser Gestaltung allerdings nur dann wirksam, wenn die Abfindung mindestens die Höhe des nach § 74 Abs. 2 HGB erforderlichen Betrages erreicht (Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. C 339; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 56).

952 Lingemann

M 23.1a

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

§ 12

Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Wohlverhalten

Herr/Frau . . . ist verpflichtet, alle ihm/ihr während seiner/ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen vertraulichen betriebsinternen Angelegenheiten, vor allem Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, geheim zu halten und sie weder zu eigenen Zwecken noch zugunsten Dritter zu verwerten. Das gilt insbesondere für die nachfolgend aufgeführten (Herstellungsverfahren/Rezepturen/ . . .): . . .. Daneben bleibt die kraft Gesetzes und kraft nachvertraglicher Treuepflicht geltende Verpflichtung zur Wahrung von Betriebsoder Geschäftsgeheimnissen auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen.43 Sollte die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht Herrn/Frau . . . in seinem/ ihrem beruflichen Fortkommen unangemessen behindern, hat er/sie gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung von dieser Pflicht.44 evtl. Beide Seiten verpflichten sich, negative Äußerungen über die jeweilige andere Seite zu unterlassen. oder Der Arbeitgeber nimmt hiermit alle negativen Behauptungen über Herrn/Frau . . . zurück. Herr/Frau . . . sichert zu, sich nicht negativ über den Arbeitgeber zu äußern. § 13

Betriebliche Altersversorgung45

Die Parteien sind sich darüber einig, dass Herr/Frau . . . keine unverfallbare Anwartschaft nach dem BetrAVG erworben hat. oder Herr/Frau . . . hat aus der betrieblichen Altersversorgung des Arbeitgebers einen unverfallbaren Anspruch/eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistung erworben.46 Die Bescheinigung nach § 4a BetrAVG wird gesondert erteilt. oder 43 Eine Geheimhaltungspflicht besteht ohnehin auf Grund der nachvertraglichen Treuepflicht, wird also durch diese Klausel lediglich bekräftigt. Damit ist dann auch sichergestellt, dass die Geheimhaltungspflicht nicht von einer etwaigen Erledigungsklausel umfasst ist (§ 26). 44 Zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine solche Öffnungsklausel in der Literatur vorgeschlagen, vgl. Hunold, SPA 21/2002, Satz 1; eingehend zu Geheimhaltungsklauseln Anm. zu M 3.1 § 5. 45 Enthält der Aufhebungsvertrag eine Erledigung- bzw. Ausgleichklausel (vgl. § 26), werden von dieser Klausel Forderungen, auf die der Arbeitnehmer vertraglich nicht verzichten kann, nicht erfasst. Das gilt auch für die unverfallbaren Anwartschaften aus betrieblicher Altersversorgung (§ 1b BetrAVG), ferner entstandene tarifliche Rechte (§ 4 Abs. 4 TVG), Rechte aus einer Betriebsvereinbarung (außer bei Zustimmung des Betriebsrates, § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG), gesetzliche Urlaubsansprüche (§ 13 BUrlG) sowie den Zeugnisanspruch. Zur Frage, ob solche Ansprüche zur Vermeidung von Intransparenz in einer Ausgleichsklausel jeweils ausdrücklich vorbehalten werden müssen – uE ist das nicht der Fall – Einf. Rz. 29b. 46 Je länger das Arbeitsverhältnis dauert, umso höher ist die nach § 2 BetrAVG aufrechtzuerhaltende Anwartschaft. Besondere Vorsicht ist im Hinblick auf die Erfüllung der Unverfallbarkeitsfristen geboten. Unverfallbarkeit bedeutet, dass die Ansprüche trotz des Ausscheidens vor Erreichen der Altersgrenze nicht ersatzlos wegfallen, sondern mit einem Teilwert aufrechterhalten bleiben (§§ 1b, 2 BetrAVG), Einzelheiten oben Einf. Kap. 18 Rz. 4 ff. Die Wahl des Zeitpunkts der Auflösungsvereinbarung kann sich insoweit unmittelbar auswirken.

Lingemann 953

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

M 23.1a

Die Parteien sind sich darüber einig, dass Herr/Frau . . . eine unverfallbare Anwartschaft auf Grund der betrieblichen Altersversorgung des Arbeitgebers erworben hat. Der daraus entstehende Anspruch auf eine Altersrente, die im Alter . . . einsetzt, beträgt Euro . . . Die Parteien vereinbaren, diese Altersrente gemäß § 3 Abs. 2 BetrAVG versicherungsmathematisch abzufinden.47 Herr/Frau . . . erhält deshalb einen einmaligen Pauschalbetrag von Euro . . ., fällig am . . . Damit sind sämtliche Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung erledigt.48 oder Herr/Frau . . . hat aus der betrieblichen Altersversorgung des Arbeitgebers eine unverfallbare Anwartschaft erworben. Bei Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze hat Herr/Frau . . . einen Leistungsanspruch, der nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG gekürzt wird.49 oder Der Arbeitgeber räumt mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses Herrn/Frau . . . das Recht ein, die bei der . . . Versicherung abgeschlossene Direktversicherung (Nr. . . .) mit eigener Beitragszahlung fortzuführen und wird die dazu notwendigen Erklärungen gegenüber dem Versicherer auf ihre Kosten abgeben. oder Der Arbeitgeber verpflichtet sich, auf Verlangen von Herrn/Frau . . . die betriebliche Altersversorgung gemäß Zusage vom . . . auf den von Herrn/Frau . . . zu benennenden neuen Arbeitgeber zu übertragen.50

47 Vorsicht! § 3 Abs. 1 BetrAVG verbietet grundsätzlich die Abfindung einer gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft. Ausnahmen sind nur für geringwertige Versorgungsansprüche vorgesehen (vgl. dazu Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. C 399). 48 Wird eine bereits gesetzlich unverfallbare Anwartschaft abgefunden, greifen iÜ §§ 24, 34 EStG nicht, da es an der notwendigen Kausalität zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung fehlt, da der Anspruch unabhängig von der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag bestand. 49 Der Verzicht auf die in § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG geregelte ratierliche Kürzung ist idR von erheblichem Wert, der vor der Vereinbarung genau berechnet werden sollte. Er ist in der Praxis selten, findet sich jedoch gelegentlich in Verträgen mit Organmitgliedern. 50 § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG lässt das Recht zur einvernehmlichen Übertragung der Versorgungszusage auf den neuen Arbeitgeber unberührt. Daneben gibt § 4 Abs. 3 BetrAVG einen Anspruch auf Übertragung des Übertragungswertes der betrieblichen Altersversorgung, der innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden muss (Begründung des Gesetzesentwurfs der Regierungsfraktionen v. 9.12.2003, BT-Drucks. 15/2115, S. 53 zu Nr. 5 (§ 4). Der Anspruch besteht nur bei versicherungsförmigen Durchführungswegen, also Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG ist der neue Arbeitgeber nur verpflichtet, eine dem Übertragungswert wertgleiche Zusage zu erteilen und diese über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchzuführen. Wegen der Geltendmachungsfrist empfiehlt es sich, den Anspruch in den Aufhebungsvertrag aufzunehmen, sofern der neue Arbeitgeber bereits feststeht. Andernfalls muss auf Seiten des Arbeitnehmers gesichert werden, dass die Jahresfrist eingehalten wird. Der Übertragungsanspruch des § 4 Abs. 3 BetrAVG gilt gemäß § 30b BetrAVG erst für Zusagen, die nach dem 31.12.2004 erteilt wurden und unverfallbar sind. Für Altzusagen ist daher nur eine Übernahme oder Übertragung nach § 4 Abs. 2 BetrAVG möglich.

954 Lingemann

M 23.1a

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

§ 14 Zeugnis51 Herr/Frau . . . erhält das als Anlage zu diesem Aufhebungsvertrag beigefügte qualifizierte Zeugnis. oder Herr/Frau . . . erhält das als Anlage zu diesem Aufhebungsvertrag beigefügte Zwischenzeugnis. Am . . . erhält Herr/Frau . . . ein mit dem Zwischenzeugnis übereinstimmendes Endzeugnis, dessen Schlussformel lauten wird: „Herr/Frau . . . ist am . . . auf eigenen Wunsch/auf Grund betriebsbedingter Kündigung ausgeschieden. Wir bedauern seinen/ihren Weggang und wünschen ihm/ihr für seinen/ihren weiteren Lebensweg alles Gute.“ oder Herr/Frau . . . erhält ein wohlwollendes qualifiziertes Endzeugnis, in dem Verhalten und Leistung mit der Note „gut“ bewertet werden und welches folgende Schlussformel enthält: „Herr/Frau . . . verlässt uns auf eigenen Wunsch. Wir bedauern seinen/ ihren Weggang und wünschen ihm/ihr für seinen/ihren weiteren Lebensweg beruflich und privat alles erdenklich Gute.“ § 15

Firmenunterlagen

Herr/Frau . . . wird am . . . sämtliche dem Arbeitgeber gehörenden Unterlagen zurückgeben, insbesondere . . . oder Herr/Frau . . . erklärt, dass er/sie – die Schlüssel und den Zugangsausweis für das Forschungs- und Entwicklungszentrum abgegeben hat, des Weiteren sonstige Schlüssel zu Firmengebäuden und -einrichtungen, ferner sämtliche nur ihm bekannte Passwörter, PIN-Codes und Zugangssperren im Hinblick auf EDV-Nutzung dem Arbeitgeber benannt hat und von diesen selbst keinen Gebrauch mehr machen wird. – alle ihm/ihr von dem Arbeitgeber überlassenen Gegenstände, Waren, Geräte, Apparaturen und alle Unterlagen, die im Zusammenhang mit seiner/ihrer Tätigkeit bei dem Arbeitgeber entstanden sind, vollständig an den Arbeitgeber zurückgegeben hat. Zu diesen Unterlagen zählen ua. Werksausweis, Tankidentitätskarte, Geschäftspapiere, Hard- und Software inkl. Disketten und alle gespeicherten Daten und Informationen, die den Arbeitgeber und die Gesellschaften der Firmengruppe betreffen, Zeichnungen, Skizzen, Briefe, Besprechungsberichte, Versuchsauswertungen, handschriftliche Notizen, Fotos, Literatur usw. sowie Kopien und Abschriften dieser Unterlagen, gleich auf welchem Datenträger. § 16

Spesen

Eventuelle noch ausstehende Reise-/Spesenabrechnungen sind bis zum . . . abzurechnen. Ein eventuell bestehender Reise- oder Spesenvorschuss muss bis zum . . . zurückbezahlt werden.

51 Zu Einzelheiten des Zeugnisanspruchs und -inhalts s. Einf. Kap. 24 Rz. 1 ff.

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

§ 17

M 23.1a

Zurückbehaltungsrecht

Den Vertragsparteien steht kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der sich aus diesem Aufhebungsvertrag ergebenden Verpflichtungen zu.52 § 18

Aufrechnungsverbot

Eine Aufrechnung der Vertragsparteien mit den sich aus diesem Aufhebungsvertrag ergebenden finanziellen Verpflichtungen ist ausgeschlossen. Dies gilt nicht, soweit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Ansprüchen aufgerechnet wird.53 § 19 Arbeitsbescheinigung Der Arbeitgeber stellt Herrn/Frau . . . eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Abs. 1 SGB III aus.54 evtl. § 20 Klageverfahren/Kosten Herr/Frau . . . verpflichtet sich, die beim ArbG . . ./LAG . . ./BAG anhängige Klage (Az. . . .) unverzüglich nach Unterzeichnung dieses Vertrages/nach Erhalt der Sicherheiten gemäß § 25/nach Erhalt der Abfindung gemäß § 2 zurückzunehmen.55 52 In vorformulierten Verträgen sind Beschränkungen des Zurückbehaltungsrechts nach § 309 Nr. 2b BGB unwirksam. Allerdings ist der Arbeitnehmer an zur rein dienstlichen Nutzung überlassenen Gegenständen ohnehin nur Besitzdiener, so dass er insoweit kein Zurückbehaltungsrecht hat. Eine Einschränkung der Klausel sinngemäß auf den Ausschluss „soweit ihr jeweiliger Gegenanspruch nicht auf dem gleichen Vertragsverhältnis beruht“, vgl. Palandt/Grüneberg, § 309 BGB Rz. 15, oder „Den Vertragsparteien steht ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen zu.“ ist uE daher nicht erforderlich, der Anwendungsbereich wäre ohnehin auch nur sehr klein. 53 In vorformulierten Verträgen kann die Befugnis des Arbeitnehmers, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen, nicht wirksam ausgeschlossen werden (§ 309 Nr. 3 BGB). 54 Den Arbeitgeber trifft aus § 312 Abs. 1 SGB III eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf dem vorgesehenen Vordruck alle Tatsachen zu bescheinigen, die für die Entscheidung über den Anspruch auf Arbeitslosengeld erheblich sein können. Dazu gehört vor allem die Angabe des Grundes für die Beendigung, da davon die mögliche Verhängung einer Sperrzeit nach § 159 SGB III abhängt. Der Sachverhalt sollte kurz, aber vollständig dargelegt werden. Beendet der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis auf eigenen Wunsch, genügt es, dies anzugeben. Die Bescheinigung muss auch das Arbeitsentgelt und die sonstigen Leistungen enthalten. Dabei sind Abfindungen gesondert anzugeben. Bei unrichtiger Erstellung der Bescheinigung kommen Schadensersatzansprüche der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 321 Nr. 1 SGB III in Betracht. Erklärt (umgekehrt) der Arbeitgeber in der Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III wahrheitsgemäß, aber entgegen der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag, dass keine betriebsbedingten Kündigungsgründe vorliegen, schuldet er dem Arbeitnehmer für eine verhängte Sperrzeit keinen Schadenersatz (LAG Hessen 17.7.2012 – 13 Sa 1053/11). 55 Das Muster betrifft einen Aufhebungsvertrag; regelmäßig ist diesem keine Kündigung vorausgegangen, so dass auch keine Klage erhoben wurde, die zu erledigen wäre. Bei vorausgegangener Kündigung wäre der Abwicklungsvertrag die passende Lösung (vgl. M 23.2 § 2). Die Klageerledigung ist daher nur vorsorglich in § 20 vorgesehen für den Fall, dass die Parteien gleichwohl den Aufhebungsvertrag wählen. Ein Arbeitnehmer kann nach Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber grundsätzlich auf die Erhebung oder Durch-

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Kap. 23

Jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten und die Hälfte der entstandenen Gerichtskosten. oder Der Arbeitgeber übernimmt die entstandenen Gerichtskosten; jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. oder Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. oder Der Arbeitgeber erstattet Herrn/Frau . . . die diesem/dieser durch die Inanspruchnahme von Rechtsanwalt . . . entstandenen Kosten iHv. Euro . . ./bis zur Höhe von Euro . . ./. auf der Basis eines Streitwerts von Euro . . ., in Höhe von 2,5/3,0-Gebühren nebst Auslagen. § 21 Geheimhaltungsklausel Herr/Frau . . . sichert zu, Stillschweigen hinsichtlich des finanziellen Inhalts dieser Vereinbarung gegenüber jedermann zu wahren, es sei denn, er/sie ist gesetzlich zur Auskunft verpflichtet oder die Auskunft ist aus steuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Gründen gegenüber Behörden oder zur Wahrung von Rechtsansprüchen gegenüber Gerichten erforderlich.56 § 22 Belehrung Herr/Frau . . . bestätigt, dass er/sie über etwaige sozialversicherungsrechtliche Nachteile belehrt ist und hierüber der Sozialversicherungsträger verbindlich entscheidet, der zur Erteilung von Auskünften berufen und verpflichtet ist.57 § 23

Hinweis nach § 38 SGB III

Herr/Frau . . . wird auf seine/ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 SGB III hingewiesen. Er/sie ist verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendiführung einer Kündigungsschutzklage verzichten (zur Formbedürftigkeit des Klageverzichts vgl. Einf. Rz. 4a). Ist die Verzichtsvereinbarung vom Arbeitgeber vorformuliert, muss sie nach Auffassung des BAG allerdings eine Gegenleistung für den Verzicht vorsehen, etwa in Form einer Abfindung. Der ohne eine solche Gegenleistung erklärte Verzicht stelle eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, 219). Wir teilen diese Auffassung nicht, vielmehr handelt es sich bei dem Verzicht um eine Kernpflicht im Aufhebungsvertrag, die keiner AGB-Kontrolle unterliegt (vgl. auch Bauer/Günther, NJW 2008, 1617, 1619 ff.). Zur Absicherung ist jedoch eine Gegenleistung ratsam, vgl. auch Einf. Rz. 29c. Ein Klageverzicht sollte zudem vorsorglich wie hier drucktechnisch besonders hervorgehoben werden, damit er nicht als überraschend nach § 305c BGB eingestuft wird. 56 Der Arbeitgeber ist ohnehin nach § 32 BDSG verpflichtet, den Vertragsinhalt geheim zu halten. Da der Schaden aus einer Verletzung der Geheimhaltungspflicht durch den Arbeitnehmer selten zu beziffern sein wird, wird dem Arbeitgeber kaum ein Schadensersatzanspruch zustehen. Daher kann die Vereinbarung einer Vertragsstrafe sinnvoll sein, sie ist aber wenig üblich. 57 Zu den Aufklärungspflichten des Arbeitgebers vgl. Einf. Rz. 6. In vorformulierten Verträgen wäre die Bestätigung wohl gemäß § 309 Nr. 12b BGB unwirksam; der in § 22 enthaltene Hinweis ist damit gleichwohl erteilt.

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gung des Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist nach den beiden vorhergehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von dem Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin ist Herr/ Frau . . . verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.58 § 24 Sprachregelung Presseveröffentlichungen und andere Verlautbarungen an einen unbestimmten Personenkreis werden die Parteien jeweils nur in einer miteinander abgestimmten Form abgeben. Die Parteien vereinbaren als Richtschnur dafür folgenden Wortlaut: „. . .“59/werden als Richtschnur dafür unverzüglich nach Abschluss dieses Vertrages einen Wortlaut ausarbeiten.60 § 25 Sicherheiten Der Arbeitgeber ist verpflichtet, innerhalb von fünf Tagen nach Unterzeichnung des vorliegenden Aufhebungsvertrages eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bankbürgschaft einer deutschen Bank iHv. Euro . . . zur Sicherung der nach § 2 geschuldeten Abfindung vorzulegen. Sollte die Bankbürgschaft nicht pünktlich und in rechtlich einwandfreier Form vorgelegt werden, so gilt der Aufhebungsvertrag als nicht geschlossen.61

58 Die Belehrung ist nicht zwingend, eine Unterlassung hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zur Folge (BAG v. 29.9.2005, BB 2006, 48; Einzelheiten bei Rz. 6 sowie Einf. Kap. 22 Rz. 129). 59 In Betracht kommen etwa folgende Formulierungen: „Herr . . . verlässt die Gesellschaft zum . . ., um sich anderen Aufgaben zu widmen“/„Herr . . . und der Arbeitgeber trennen sich einvernehmlich wegen unterschiedlicher Auffassungen in der Geschäftspolitik zum . . .“/„Herr . . . scheidet im besten Einvernehmen/aus Altersgründen auf eigenen Wunsch zum . . . aus und wird dem Unternehmen auch künftig als Berater zur Seite stehen.“ 60 Die letztere Variante kann man wählen, wenn man die Einigung daran nicht scheitern lassen will, die Praxis lehrt jedoch, dass die nachträgliche Vereinbarung häufig erhebliche Probleme bereitet. 61 Diese Klausel dient insbesondere der Sicherung des Arbeitnehmers im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers. Die Abfindungsansprüche aus Aufhebungsverträgen genießen nämlich nach der InsO keine besonderen Vorrechte mehr; sie sind grundsätzlich nur Insolvenzforderungen nach § 38 InsO und nicht Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, auch wenn sie erst nach Insolvenzeröffnung entstehen (ausführlich zur Einordnung BAG v. 27.9.2007, NZA 2009, 89). Der Arbeitnehmer kann sich durch entsprechende Sicherheiten schützen oder eine auflösende Bedingung vereinbaren, wonach der Aufhebungsvertrag rückwirkend wegfallen soll, wenn die Zahlung der Abfindung nicht erfolgt. Die Vereinbarung ist jedoch wenig üblich.

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§ 26

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Erledigungsklausel62

Die Parteien sind sich einig, dass mit Erfüllung dieser Vereinbarung sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, seien sie bekannt oder unbekannt, erledigt sind.63 Dasselbe gilt für Ansprüche im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis64 und seiner Beendigung.65, 66 62 Das BAG betont zwar, dass Abgeltungsklauseln in gerichtlichen Vergleichen und Aufhebungsverträgen grundsätzlich weit auszulegen sind, da sie auf eine umfassende Erledigung zielen (vgl. etwa BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 139; v. 19.11.2008, NZA 2009, 318; v. 19.3.2009, NZA 2009, 896; v. 28.7.2009, NZA 2010, 356); gleichwohl können jedoch zahlreiche Ansprüche von vornherein nicht Gegenstand der Erledigung sein, zB der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub, Zeugniserteilung, Arbeitnehmererfindungsvergütung, betriebliche Altersversorgung usw. (zu den Einzelheiten vgl. Einf. Rz. 29b und Fn. 82). Dasselbe gilt für Ansprüche, die vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrages tituliert wurden (Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsvertragliche Aufhebungsverträge, Rz. C 481). Sonstige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die auch nach der Beendigung weiterhin bestehen bleiben sollen, müssen jedoch einzeln und ausdrücklich aufgeführt werden. Eine ausdrückliche Regelung der ausgenommenen Ansprüche indiziert dabei zugleich, dass nicht bezeichnete Ansprüche als abgegolten gelten (BAG v. 19.3.2009, NZA 2009, 896, 900; v. 28.7.2009, NZA 2010, 356, Rz. 18), so etwa ein zuvor vereinbartes Wettbewerbsverbot und der damit verbundene Anspruch auf Karenzentschädigung (BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 139; v. 24.6.2009, NJW 2009, 3529). 63 Ausgleichs- und Abgeltungsklauseln in Aufhebungsvereinbarungen sind im Grundsatz nicht überraschend oder ungewöhnlich iSd. § 305c BGB, sondern die Regel, denn der Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrag soll die Rechtsbeziehung der Parteien im vollen Umfang beenden (BAG v. 19.11.2008, NZA 2009, 318). Dennoch sollte sie vorsorglich auch weiterhin drucktechnisch hervorgehoben werden. 64 Diese Klausel stellt klar, dass auch solche Ansprüche erledigt sein sollen, die aus gesondert abgeschlossenen Vertragsverhältnissen entstehen, wenn diese im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis abgeschlossen wurden. Dies betrifft etwa Ansprüche aus einem Darlehensvertrag oder einem Werkswohnungsmietverhältnis. Aufgrund der konkreten Ausgestaltung können Arbeitgeberdarlehen zwar ausnahmsweise auch schon von Satz 1 – „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ – erfasst sein (so zB Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung einer Mitarbeiterbeteiligung, BAG v. 19.3.2009, NZA 2009, 896 oder Arbeitgeberdarlehen, die gewährt wurden, um Gesellschaftsanteile in einer stillen Gesellschaft zu erwerben, BAG v. 28.7.2009, NZA 2010, 356). Da dies jedoch nur möglich ist, wenn eine zusätzliche Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis hergestellt werden kann, sollten sich Erledigungsklauseln, die auch Arbeitgeberdarlehen erfassen sollen, auf Ansprüche im „Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis“ erstrecken. 65 Um zu vermeiden, dass etwaige Unklarheiten dieser Regelung auf die Ausgleichsklausel gemäß Satz 1 durchschlagen, sollten die Regelungen in getrennten Sätzen stehen. („bluepencil-Test“, im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 40). 66 Die Wirksamkeit von reinen Ausgleichsquittungen in AGB, zB: „Herr/Frau erklärt, dass er/sie – gegen die Kündigung vom . . . keine Einwendungen erhebt – die von ihm/ihr erhobene Klage auf Unwirksamkeit der Kündigung zurücknimmt – keine Forderungen – ganz gleich aus welchem Rechtsgrunde – mehr hat und alle seine/ ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung abgegolten sind. Dies gilt auch für Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.“ ist umstritten (vgl. hierzu auch Böhm, NZA 2008, 919; zur Rechtsqualität einer Ausgleichsquittung vgl. BAG v. 7.11.2007, NZA 2008, 355). Sie sollen jedenfalls bei Fehlen einer kompensatorischen Gegenleistung eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers begründen und daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein (LAG Niedersachsen v. 9.10.2009 – 10 Sa 1692/08; LAG Schl.-Holst. v. 24.9.2003, NZA-RR 2004, 74; ebenso zum

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Folgende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind jedoch nicht erledigt . . . evtl. Sollte der Arbeitgeber im Jahre . . . einen Sozialplan aufstellen, der für Mitarbeiter Abfindungsleistungen bei Verlust des Arbeitsplatzes vorsieht, und sollte sich aus diesem Sozialplan zu Gunsten von Herrn/Frau . . . ein höherer Abfindungsbetrag als in dieser Vereinbarung vorgesehen ergeben, so berechnet sich die Abfindung abweichend von dieser Vereinbarung nach der Regelung des Sozialplans. Auf den sich aus dem Sozialplan ergebenden Anspruch wird die Abfindung gemäß § 2 dieser Vereinbarung dann angerechnet. § 27 Salvatorische Klausel67 Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein, wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen davon nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.68 ... (Ort, Datum)

... (Unterschriften Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin und Arbeitgeber)

Rückgabe der Arbeitspapiere:69 Herr/Frau . . . bestätigt hiermit, dass er/sie seine/ihre Arbeitspapiere erhalten hat. ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin)

formularmäßigen Klageverzicht BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, 219), sie könnten zudem je nach Erscheinungsbild eine Überraschungsklausel (§ 305c Abs. 1 BGB) darstellen und – bei unverständlicher und unklarer Darstellung der wirtschaftlichen Folgen – gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) verstoßen. Transparent soll eine Ausgleichsquittung auch nur sein, wenn sie die Ansprüche konkret benennt, auf die verzichtet werden soll (LAG Berlin-Brandenburg v. 5.6.2007, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 13; ähnlich Preis/Bleser/ Rauf, DB 2006, 2812, 2813). Formulierungsvorschlag wäre: „folgende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind abgegolten: . . .“. Vgl. auch Einf. Kap. 2 Rz. 91, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausgleichsquittung“. ZT wird auch verlangt, dass die Ansprüche, auf die nicht verzichtet werden kann, ausdrücklich ausgenommen werden (LAG Niedersachsen v. 9.10.2009 – 10 Sa 1692/08, vgl. Satz 3 des Musters. Die Rechtsprechung des BAG deutet allerdings darauf hin, dass beide Einschränkungen jedenfalls für eine allgemeine Ausgleichsklausel im Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag nicht erforderlich sind, Einzelheiten s. Einf. Rz. 29c mwN. Zur Verminderung des Risikos einer Überraschungsklausel sollte die Ausgleichsklausel drucktechnisch hervorgehoben und gesondert unterzeichnet werden (§ 309 Nr. 12b BGB). Wegen der geringeren Wirksamkeitsrisiken ist die beidseitige Erledigungsklausel (§ 26 des Musters) der Ausgleichsquittung klar vorzuziehen (krit. zur Wirksamkeit jedoch auch hier wohl Preis/Bleser/Rauf, DB 2006, 2812, 2816). Keinesfalls sollte man die Ausgleichsklausel und die Empfangsbestätigungen für Arbeitspapiere vermengen (BAG v. 23.2.2005, NZA 2005, 1139). Die Empfangsbestätigung für Arbeitspapiere ist hier am Ende des Musters gesondert aufgenommen und bedarf wegen § 309 Nr. 12b BGB der gesonderten Unterschrift. 67 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 68 S. M. 3.1, § 26 m. Anm. 69 In vorformulierten Verträgen ist die Bestätigung gemäß § 309 Nr. 12b BGB gesondert zu unterschreiben.

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Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

u

Termination Agreement

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The Company . . . (hereinafter: Company) and Mr./Ms. . . . hereby agree as follows: § 1 Termination The Parties agree that the employment relationship will end/ended by mutual agreement and at the Company’s instigation upon the expiration of . . . § 2 Severance payment Due to the termination of the employment relationship, the Company shall make a severance payment of EUR . . . to Mr./Ms. . . . which shall fall due on . . ., but has already arisen now, and thus is heritable within the meaning of sec. 9, 10 of the Protection Against Unfair Dismissal Act (KSchG) and sec. 24, 34 of the Income Tax Act (EStG). If applicable The severance payment arising from the social plan concluded between the Company and the works council of the establishment . . . on . . . shall be offset against this severance payment. or Due to the termination of the employment relationship and the associated loss of the vested rights, the Company shall make a one-time severance payment of EUR . . . gross to Mr./Ms. . . ., which is payable on the day of the legal termination of the employment relationship, but has already arisen now, and thus is heritable pursuant to sec. 9, 10 of the Protection Against Unfair Dismissal Act (KSchG) and 24, 34 of the Income Tax Act (EStG), but not until Mr./Ms. . . .'s duties to return company property pursuant to Clauses 6 and 15 have been complied with in full. or The Company shall make a severance payment of EUR . . . to Mr./Ms. . . . for the loss of his/her position pursuant to sec. 9, 10 of the Protection Against Unfair Dismissal Act (KSchG). The severance payment shall be reduced in the event that Mr./Ms. . . . enters into a new employment or service relationship within six months of the termination of this employment relationship, namely by EUR . . . for each full month of the new employment. Mr./Ms. . . . shall be obligated to inform the Company of his/her entry into a new employment or service relationship within one week of assuming the position. Mr./Ms. . . . shall be obligated to return any overpayments to the Company. and/or The claim for severance payment shall extinguish if the Company validly terminates the employment relationship pursuant to sec. 626 of the German Civil Code (BGB) prior to the legal termination date set forth in § 1.

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

M 23.1b

§ 3 Release from work duties With immediate effect/with effect as of . . ., Mr./Ms. . . . shall be/shall remain irrevocably released from his/her duties with continued payment of the sums set forth in the employment agreement up to the termination date set forth in § 1. Up to the termination date set forth in § 1, he/she shall be free to work elsewhere, whereby he/she is prohibited from engaging in any participation and/or work for a competing company. During the period of the release, sec. 615 sent. 2 of the German Civil Code (BGB) shall/shall not apply. With this release from duties, all vacation claims and claims for time off in compensation for overtime shall be discharged. or Commencing on . . ., Mr./Ms. . . . shall be released from his/her obligation to perform work up to the end of the employment relationship, with continued payment of the remuneration and taking into account any claims for time off in compensation for overtime. Mr./Ms. . . . shall take his/her vacation in the period from . . . to . . . The Company reserves the right to revoke this release and assign tasks to the employee outside of the vacation period. or With immediate effect/with effect as of . . ., Mr./Ms. . . . shall be/remains released up to the termination date set forth in § 1, with continued payment of the remuneration set forth in the employment agreement. This release shall initially be irrevocable, taking into account all vacation claims and claims for credit for overtime. Following the associated granting of the vacation and the utilization of any credit for overtime, the release shall be revocable; only for this period of time, the Company reserves the right to call Mr./Ms. . . . back to work in whole or in part for the remaining term of the contract. During the period of the revocable release, any income obtained in any other manner pursuant to sec. 615 sent. 2 of the German Civil Code (BGB) shall be credited against him/her. During the release, Mr./Ms. . . . shall be entitled to use all office equipment, including the business telephone installed in his/her residence, at the Company’s expense for the purpose of seeking new employment. and/or Notwithstanding § 1, Mr./Ms. . . . shall be entitled to end the employment relationship early with a notice period of two weeks to the end of the month. In that case, the Company shall additionally pay the entire amount/. . . % of the monthly remuneration that is therefore no longer due to Mr./Ms. . . ., without employer’s contributions to social security (employee gross), as a severance payment pursuant to § 2, whereby the total severance pay shall fall due at the time of the early termination of the employment relationship. An early termination is in the interest of and desired by the Company. § 4 Profit sharing Mr./Ms. . . . is entitled to a share of the profits for the current fiscal year/calendar year . . . in the amount of . . . % of the annual profit. This share of the profits shall be paid for the entire year despite the termination of the employment relationship at the end of . . . The payment shall be made three months after adoption of the commercial balance sheet. or 962 Lingemann

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

Mr./Ms. . . . is entitled to a share of the profits for the current fiscal year/calendar year . . . in the amount of . . . % of the annual profit. Due to the early termination of the employment relationship on . . ., . . ./12 of the share in the profits shall be paid. The payment shall be made three months after the adoption of the commercial balance sheet. or Under the contract, Mr./Ms. . . . has a claim to a share of the profits. This claim shall be discharged in full by a lump sum in the amount of EUR . . . § 5 Bonus Despite leaving the Company on . . ., Mr./Ms. . . . shall receive the full bonus stipulated in the employment agreement for the year of . . . on . . . or In view of Mr./Ms. . . .’s early termination of the employment relationship, he/she shall not receive the bonus stipulated in the employment agreement this year. or Mr./Ms. . . . shall receive . . ./12 of the bonus stipulated in the employment agreement on . . . §6

Company car

Mr./Ms. . . . shall be obligated to return the company car, along with all vehicle documents, keys, all accessories and the business fuel card, to the Company without delay. if applicable As compensation he/she shall receive a lump sum in the amount of EUR . . . or Mr./Ms. . . . may continue to use the company car privately, even during the period of his/her release from work duties. He/She shall be obligated to return the car, along with . . ., to the Company on . . . or Mr./Ms. . . . shall purchase the company car at book value on . . . The price amounts to EUR . . . (including any VAT). The vehicle, along with . . ., shall be handed over to Mr./Ms. . . ., together with the vehicle documents, on . . . The purchase price shall be set off against the net amount of the severance payment pursuant to § 2. Any taxes incurred thereby shall be borne by Mr./Ms. . . . or The company car, along with . . ., shall be conveyed to Mr./Ms. . . . free of charge with effect as of . . . Any taxes incurred thereby shall be borne by Mr./Ms. . . . or The Parties agree that, subject to the approval of . . ., Mr./Ms. . . . shall enter into the leasing agreement of . . . with . . . for the company car (type . . . license number . . .) in place of the employer at his/her own cost as of the date upon which the employment relationship ends. The employer undertakes to deliver all declarations that need to be made to . . . for transfer of the agreement to take place. Should . . . not grant Lingemann 963

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Einvernehmliche Beendigung

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approval by . . ., the company car along with . . . is to be returned to the Company in its due and proper state as of the date upon which the employment relationship ends at the latest. § 7 Vacation The Parties agree that Mr./Ms. . . . will take the vacation of . . . working days to which he/she is still entitled for the year of . . . from . . . to . . . or Due to the early termination of the employment relationship, Mr./Ms. . . . was unable to take the vacation of . . . working days to which he/she is entitled for the year of . . . The Company shall therefore render him/her a vacation severance payment in the amount of EUR . . ., payable on . . . §8

Company apartment

Mr./Ms. . . . undertakes to vacate the company apartment located at . . . street in . . . by no later than . . . or The company apartment located at . . . street in . . . that has been used to date shall be sublet to Mr./Ms. . . . commencing on . . . at the following terms and conditions: ... or Mr./Ms. . . . shall be entitled to continue to live in the company building . . . until . . . at the current terms and conditions. The Company shall assume/shall not assume any taxes incurred up to that point. Mr./Ms. . . . shall be obligated/shall not be obligated to renovate the building. § 9 Loan On . . ., Mr./Ms. . . . received a loan from the Company in the amount of EUR . . ., of which EUR . . . have been repaid to date. The remaining amount along with interest shall be repaid in monthly installments of EUR . . ., payable on . . . of each month, commencing on . . . Should Mr./Ms. . . . be in default of more than one installment, the entire outstanding balance shall become due and payable. if applicable In order to secure the remainder of the loan claim, Mr./Ms. . . . hereby assigns to the Company his/her future remuneration claims against any new employer in the amount of the respective sum that is not exempt from attachment. or The loan agreement concluded by the Parties on . . . shall be continued at the agreed upon terms and conditions. Mr./Ms. . . . shall have the right to redeem the outstanding loan debt of EUR . . . (as of . . .) early by making a one-time payment. or On . . ., Mr./Ms. . . . received a loan from the Company in the amount of EUR . . ., of which EUR . . . have been repaid to date. The remaining amount shall be set off against the net amount of the severance payment pursuant to § 2. 964 Lingemann

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

§ 10

Service invention

Mr./Ms. . . . shall receive a remuneration of EUR . . . for the service invention reported on . . . No further claims on the basis of the Act on Employees’ Inventions (Arbeitnehmererfindungsgesetz) exist. or The Parties agree that Mr./Ms. . . . will not receive any remuneration for the service invention reported on . . . or Mr./Ms. . . . shall receive a final severance payment of EUR . . . for all inventions which accrue to Mr./Ms. . . . as the inventor or co-inventor. With this sum, all of Mr./ Ms. . . .’s claims under the Act on Employees’ Inventions (Arbeitnehmererfindungsgesetz) are fulfilled for all service inventions reported in the course of the employment relationship, as well as all intellectual property rights or applications for intellectual property rights accruing to Mr./Ms. . . . as inventor or co-inventor. This sum shall also include, for example, sums that have been or could be incurred by any use by the Company, but have not yet been remunerated. The lump sum remuneration shall be paid out after deduction of the statutory taxes. § 11

Post-contractual covenant not to compete

The post-contractual covenant not to compete agreed upon by the Parties on . . . shall not be affected by this Termination Agreement. if applicable The Company takes note of the fact that Mr./Ms. . . . will begin working for the company . . . on . . . The Parties agree that this activity is not in violation of the agreed upon covenant not to compete. or The Parties hereby amend the post-contractual covenant not to compete that was agreed upon on . . . to the effect that in lieu of a monthly compensation payment of EUR . . ., Mr./Ms. . . . shall only receive EUR . . . per month. Additionally, the term of the covenant not to compete shall be limited to the period from . . . to . . . or The Parties hereby cancel the post-contractual covenant not to compete with immediate effect. or The post-contractual covenant not to compete stipulated in § . . . of the employment agreement of . . . shall apply for the period from . . . to . . . The compensation payment for this covenant not to compete is contained in full in the severance payment pursuant to § 2 of this Termination Agreement. In all other respects, the post-contractual covenant not to compete shall be governed by the provisions of the employment agreement and sec. 74 ff. of the German Commercial Code (HGB). § 12 Business and trade secrets, good conduct Mr./Ms. . . . shall be obligated to maintain secrecy with regard to all confidential internal company matters that have become known to him/her in the course of his/her acLingemann 965

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Einvernehmliche Beendigung

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tivity, particularly any business and trade secrets and not to exploit them either for his/ her own purposes or to the benefit of third parties. This applies in particular to the following manufacturing procedures/formulae: . . .. The obligation to safeguard operational or commercial secrets, as determined by law and post-contractual duty of trust, shall continue to remain in force after the employment relationship ends as well. Should the post-contractual confidentiality duty unreasonably hinder Mr./Ms. . . . in his/her professional advancement, he/she shall have the right to demand that the Company releases him/her from this duty. if applicable Both sides undertake to refrain from making any negative statements regarding the respective other side. or The Company hereby retracts all negative allegations regarding Mr./Ms. . . . Mr./Ms. . . . affirms that he/she will not make any negative statements about the Company. § 13

Company pension

The Parties agree that Mr./Ms. . . . has not acquired any vested expectancies pursuant to the Company Pension Act (Betriebsrentengesetz). or Mr./Ms. . . . has acquired a vested claim/a vested right to payment under the Company’s pension plan. The certification pursuant to sec. 4a of the Company Pension Act (Betriebsrentengesetz) shall be issued separately. or The Parties agree that Mr./Ms. . . . has acquired a vested expectancy on the basis of the Company’s pension plan. Based on this expectancy, the claim to old age benefits, which commences at the age of . . ., amounts to EUR . . . The Parties agree that these old age benefits pursuant to sec. 3 (2) of the Company Pension Act (Betriebsrentengesetz) will be compensated on an actuarial basis. Mr./Ms. . . . will therefore receive a one-time lump sum of EUR . . ., payable on . . ., with which all claims under the Company pension plan are discharged. or Mr./Ms. . . . has acquired a vested expectancy on the basis of the Company’s pension plan. Upon reaching the normal statutory age of retirement, Mr./Ms. . . . shall have a claim for payment that shall not be reduced pursuant to sec. 2 (1) sent. 1 of the Company Pension Act (Betriebsrentengesetz). or With the termination of the employment relationship, the Company concedes to Mr./ Ms. . . . the right to continue the direct insurance (policy no . . .) that was taken out with the insurance company . . . by paying contributions himself/herself and will render the necessary declarations to the insurer at its own expense. or At Mr./Ms. . . .’s request, the Company undertakes to transfer the company pension plan in accordance with its commitment of . . . to the new employer to be designated by Mr./Ms. . . . 966 Lingemann

M 23.1b

Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

§ 14 Reference Mr./Ms. . . . shall receive the qualified reference attached to this Termination Agreement. or Mr./Ms. . . . shall receive the interim reference attached to this Termination Agreement. On . . ., Mr./Ms. . . . shall receive a final reference identical to the interim reference, which shall end with the sentence: “Mr./Ms. . . . left the Company on . . . of his/ her own volition/due to a dismissal for operational reasons. We regret his/her departure and wish him/her all the best in his/her future endeavors.” or Mr./Ms. . . . shall receive a favorable qualified final reference, in which his/her conduct and performance shall be rated “good” and which shall end with the following sentence: “Mr./Ms. . . . is leaving us of his/her own volition. We regret his/her departure and wish him/her all the very best in his/her private and future endeavors.” § 15

Company documents

Mr./Ms. . . . shall return all documents belonging to the Company on . . ., specifically ... or Mr./Ms. . . . declares that he/she (1) has turned in the keys and access card to the research and development center, as well as all other keys to Company buildings and installations, and with regard to IT use, Mr./Ms. . . . has notified the Company of any passwords, PIN code or blocked access known to him/her and shall not make any further use thereof himself/herself. (2) has returned to the Company in full all items, goods, devices, apparatuses provided to him/her by the Company and all documents that came about in connection with his/ her activity with the Company. Such documents include inter alia company identification, gas station identification card, business papers, hard and software, including disks, and all stored data and information pertaining to the Company and its affiliates, drawings, sketches, letters, call reports, test evaluations, handwritten notes, photos, literature, etc. as well as copies and reproductions of these documents, regardless of the data carrier. § 16

Expenses

Any outstanding travel or expense accounting shall be accounted for by . . . Any existing advance payments on traves or expenses must be repaid by . . . § 17 Right of retention The Parties shall not be entitled to a right of retention with regard to the obligations deriving from this Termination Agreement. § 18 Prohibition of setoff The Parties may not perform setoffs against any financial obligations deriving from this Termination Agreement. This shall not apply where setoffs are performed with undisputed or final and binding claims. Lingemann 967

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

M 23.1b

§ 19 Certificate of employment The Company shall issue Mr./Ms. . . . a certificate of employment pursuant to sec. 312 (1) of the Social Security Code (SGB) III. if applicable § 20 Litigation/costs Mr./Ms. . . . undertakes to withdraw the complaint pending before the Labor Court (ArbG) . . ./Higher Labor Court (LAG) . . ./Federal Labor Court (BAG) (Case No.: . . .) without delay following the signature of this Agreement/upon receiving the securities pursuant to § 25/after receiving the severance payment pursuant to § 2. Each Party shall bear its own out-of-court costs and half of the court costs incurred. or The Company shall assume the court costs incurred; each Party shall bear its own out-of-court costs. or The costs shall cancel each other out. or The Company shall reimburse Mr./Ms. . . . for the costs he/she incurred due to the engagement of the attorney . . . in the amount of EUR . . . or The Company shall reimburse Mr./Ms. . . . for attorneys’ fees on the basis of a value of dispute of EUR . . . at a rate of 2.5/3.0 fees plus expenses. § 21 Confidentiality Clause Mr./Ms. . . . undertakes to maintain confidentiality with respect to the financial content of this Agreement vis-à-vis all others, unless he/she is legally obligated to provide information or the information must be disclosed to public authorities for tax or social security reasons or to courts in order to protect legal claims. § 22

Instruction

Mr./Ms. . . . confirms that he/she has been informed of potential disadvantages that may be incurred under the social security laws and that a binding decision on this will be made by the social security carrier that is called upon and obligated to provide information. § 23

Remark pursuant to sec. 38 Social Security Code (SGB) III

Mr./Ms. . . . is informed of his/her duty to seek employment promptly pursuant to sec. 38 of the Social Security Code III. He/She shall be obligated to register personally with the Agency for Labor (Agentur für Arbeit) to seek employment no later than three months prior to the termination of the employment relationship. Should less than three months elapse between the knowledge of the last day of employment and the termination of the employment relationship, the registration shall occur within three 968 Lingemann

M 23.1b

Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

days of obtaining knowledge of the termination date. For compliance with the time period set forth in the two preceding sentences, a notification stating the personal data and the termination date shall be sufficient if the personal registration is performed upon appointment. The registration duty exists regardless of whether the continued existence of the employment relationship is claimed in court or the Company holds out the prospect of such a relationship. Mr./Ms. . . . remains obligated to actively seek employment. § 24

Statements

The Parties shall issue press releases and other announcements to an undefined group of people only in a form agreed upon between them. The Parties agree upon the following wording as a guiding principle: “. . .”/shall develop a text to be used as a guiding principle immediately following the conclusion of this Agreement. § 25

Securities

With five days of signing this Termination Agreement, the Company shall be obligated to present an absolute, irrevocable bank guarantee for an unlimited period issued by a German bank in the amount of EUR . . . as security for the severance payment owed pursuant to sec. 2. Should the bank guarantee not be presented in time and legally proper form, this Termination Agreement shall be deemed not to have been concluded. § 26

Discharge clause

The Parties agree that with the fulfillment of this Agreement, all reciprocal claims arising from the employment relationship and its termination, regardless of their legal grounds, be they known or unknown, are discharged. The same applies to claims in connection with the employment relationship and its termination. However, the following claims arising from the employment relationship are not discharged . . . if applicable Should the Company draw up a social plan (Sozialplan) in the year . . ., which provides for compensation payments for employees who lose their jobs, and should a higher compensation sum for Mr./Ms. . . . result from this social plan than that provided for in this Agreement, then notwithstanding this Agreement, the severance payment shall be calculated in accordance with the social plan. The claim deriving from the social plan shall then be set off against the severance payment pursuant to sec. 2 of this Agreement. § 27

Severability clause

Should a provision of this Agreement be invalid, this shall not affect the validity of the remaining provisions. In the event of an invalid provision, the Parties shall be obliged to negotiate a valid and reasonable substitute provision which comes as close as possible to the economic purpose the Parties had pursued with the invalid provision. ... (City, date)

... (signature of employee and employer) Lingemann 969

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

M 23.2

Return of the employment documents: Mr./Ms. . . . hereby confirms that he/she has received his/her employment documents. ... (City, date)

23.2

... (signature of employee)

u

Abwicklungsvertrag § 1 Beendigung

Beide Seiten sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund der Kündigung vom . . . mit Ablauf des . . . enden wird. oder Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis am . . . fristgerecht aus betriebsbedingten Gründen zum . . . gekündigt. §2

Klageverfahren/Kosten

(1) Herr/Frau . . . erhebt keine Kündigungsschutzklage. oder Herr/Frau . . . verpflichtet sich, die beim ArbG . . ./LAG . . ./BAG anhängige Klage (Az. . . .) unverzüglich nach Unterzeichnung dieses Vertrages/nach Erhalt der Sicherheiten gemäß § . . ./nach Erhalt der Abfindung gemäß § . . . zurückzunehmen.1 (2) Jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten und die Hälfte der entstandenen Gerichtskosten. oder (2) Der Arbeitgeber übernimmt die entstandenen Gerichtskosten; jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. oder (2) Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. oder (2) Der Arbeitgeber erstattet Herrn/Frau . . . die diesem/dieser durch die Inanspruchnahme von Rechtsanwalt . . . entstandenen Kosten iHv. Euro . . . §§ 3 ff. (vgl. M 23.1a) 1 Eine solche Regelung zum Verzicht auf gerichtliche Geltendmachung seiner Rechte bzw. Klagrücknahme durch den Arbeitnehmer soll als unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein, wenn sie ohne Gegenleistung, etwa in Form einer Abfin-

970 Lingemann

M 23.3

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

dung, erfolgt (BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, 219 sowie Einf. Fn. 75). Sie sollte vorsorglich drucktechnisch besonders hervorgehoben werden, damit sie nicht als überraschend nach § 305c BGB eingestuft wird (vgl. auch LAG Köln v. 24.11.1999, LAGE § 4 KSchG Ausgleichsquittung Nr. 4 und LAG Berlin v. 18.1.1993, LAGE § 4 KSchG Ausgleichsquittung Nr. 3).

u

Klage wegen Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:

1. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Aufhebungsvertrag vom . . . unwirksam ist. 2. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom . . . nicht geendet hat. 3. und 4. (s. M 22.17, Ziff. 2 und 3) Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl., die ständig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit . . . als Abteilungsleiter mit einem Gehalt von zuletzt Euro . . . monatlich tätig. Am . . . wurde der Kl. überraschend in das Büro des Personalleiters gebeten. Dort wurde ihm ein Schreiben überreicht, in dem eine fristlose Kündigung ausgesprochen wurde. Beweis: Kündigungsschreiben vom . . ., Anlage K 1 Mündlich wurde die Kündigung damit begründet, der Kl. habe hinter dem Rücken der Bekl. eine Beratertätigkeit für das Konkurrenzunternehmen Y-GmbH aufgenommen. Der Kl. bestritt diese Vorwürfe sofort. Der Personalleiter erklärte daraufhin, für das Unternehmen sei die Indizienkette lückenlos. Der Kl. habe aber die Möglichkeit, die Sache „aus der Welt zu schaffen“. Der Personalleiter legte dem Kl. daraufhin einen Aufhebungsvertrag vor, der eine Beendigung des Anstellungsverhältnisses zum . . . nebst sofortiger Freistellung sowie eine Abfindung von Euro 2 000,– vorsah. Als der Kl. sich weigerte, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, drohte ihm der Personalleiter eine Schadensersatzklage „in Millionenhöhe“ an. Außerdem werde man ansonsten am nächsten Tag die Belegschaft durch Aushang darüber informieren, dass der Kl. ab sofort „wegen gravierender Verstöße gegen seine Treuepflicht“ nicht mehr im Hause tätig sei. Aus Angst, von der Bekl. in ruinöse Schadensersatzprozesse verwickelt zu werden und seinen guten Ruf zu verlieren, unterzeichnete der Kl. daraufhin den Aufhebungsvertrag. Vor Unterzeichnung bat er noch um einen Tag Bedenkzeit, 1 S. M 101.1 und M 101.2.

Lingemann/Diller

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23.3

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

M 23.3

um die Sache in Ruhe überlegen zu können. Daraufhin erwiderte der Personalleiter, wenn der Kl. den Raum verlasse, ohne unterschrieben zu haben, sei das Angebot des Unternehmens vom Tisch und man werde wie angekündigt vorgehen. Beweis:2 Zeugnis des Personalleiters . . . der Bekl., zu laden über diese Der Kl. hat den Aufhebungsvertrag am . . . mit Anwaltsschreiben vom . . . widerrufen und zugleich unter allen denkbaren Gesichtspunkten angefochten. Beweis: Schreiben des Unterzeichners vom . . ., Anlage K 2 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 macht der Kl. die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages gemäß §§ 123, 142 BGB geltend. Die Anfechtung ist wegen widerrechtlicher Drohung begründet. Der Kl. ist nie für eine Konkurrenzfirma tätig gewesen. Folglich können der Bekl. auch keine Schadensersatzansprüche entstanden sein. Die Bekl. hatte keine vernünftigen Anhaltspunkte, eine Konkurrenztätigkeit des Kl. zu vermuten. Noch weniger Anhaltspunkte hatte sie für das Entstehen eines hohen Schadens. Sie hätte deshalb dem Kl. nicht mit einer Schadensersatzklage in Millionenhöhe drohen dürfen. Noch viel weniger war die Bekl. berechtigt, dem Kl. ein öffentliches „an den Pranger stellen“ anzudrohen. Selbst wenn die Vorwürfe zuträfen und der Kl. tatsächlich für eine Konkurrenzfirma tätig geworden wäre, würde dies nicht eine öffentliche Beschimpfung rechtfertigen. Dass es der Bekl. mit ihrer Vorgehensweise darum ging, den Kl. unter massiven Druck zu setzen und zu überrumpeln, zeigt sich auch daran, dass ihm keine Bedenkzeit eingeräumt wurde. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 wendet sich der Kl. vorsorglich gegen die am . . . ausgesprochene fristlose Kündigung.3 Diese Kündigung sollte zwar gemäß § 3 des Aufhebungsvertrages vom gleichen Tag als zurückgenommen angesehen werden. Auf Grund der Anfechtung des Aufhebungsvertrages ist diese Rücknahmewirkung jedoch entfallen, so dass die Kündigung möglicherweise wieder in der Welt ist. Die Kündi2 Für das Vorliegen der Anfechtungsgründe trägt der Arbeitnehmer nach allgemeinen Beweislastregeln die volle Beweislast. Er muss also beweisen, dass der Arbeitgeber ihn widerrechtlich bedroht hat, wobei der Arbeitgeber sich das Verhalten von Vorgesetzten des Arbeitnehmers zurechnen lassen muss, da diese gemäß § 278 BGB insoweit seine Erfüllungsgehilfen sind. 3 Wichtig: Die isolierte Anfechtung des Aufhebungsvertrages ist nur dann ausreichend, wenn der Aufhebungsvertrag an Stelle einer Kündigung abgeschlossen wurde. Denn dann steht mit der erfolgreichen Anfechtung des Aufhebungsvertrages fest, dass das Arbeitsverhältnis weiter besteht. Anders ist es dagegen, wenn dem Aufhebungsvertrag eine Kündigung vorausgegangen ist. Denn dann lebt durch die Anfechtung des Aufhebungsvertrages die Kündigung wieder auf. Ist die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG noch nicht abgelaufen, ist das kein Problem. Unklar ist allerdings, was nach Ablauf der DreiWochen-Frist gilt. Es spricht einiges dafür, dass der Lauf der Drei-Wochen-Frist so lange gehemmt ist, wie der Aufhebungsvertrag unangefochten besteht, so dass bei Abschluss des Aufhebungsvertrages eine Woche nach der Kündigung nach einer wirksamen Anfechtung noch zwei Wochen für die Erhebung der Klage bleiben. Allerdings sollte immer vorsorglich der Antrag auf nachträgliche Zulassung gemäß § 5 KSchG (s. M 22.20) gestellt werden. Kein Weg vorbei geht allerdings an der sechsmonatigen Ausschlussfrist für Anträge auf nachträgliche Zulassung gemäß § 5 Abs. 3 KSchG. Lässt der Arbeitnehmer sich also länger als sechs Monate und drei Wochen mit der Anfechtung Zeit (nach § 124 BGB beträgt die Anfechtungsfrist bei widerrechtlicher Drohung ein Jahr), so beseitigt zwar die Anfechtung den Aufhebungsvertrag, gegen die Kündigung ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts mehr zu machen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG; Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. I.198).

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Kap. 24

Zeugnis

gung ist jedoch unwirksam, da keine Kündigungsgründe gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorliegen. Im Übrigen wird die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats mit Nichtwissen bestritten.4 ... (Unterschrift)5 4 S. M 22.17 Fn. 11. 5 Der Streitwert sollte hinsichtlich der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages analog § 42 Abs. 3 GKG mit einem Vierteljahresbezug angesetzt werden. Wird zusätzlich auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung geklagt, kommt es auf die alte Streitfrage an, ob beim Streit über mehrere Beendigungstatbestände jeweils ein Vierteljahresbezug anzusetzen ist oder nur einmal. Nach richtiger Auffassung ist der Streitwert nach § 42 Abs. 3 GKG für jeden streitigen Beendigungstatbestand anzusetzen. Dabei verringert sich der Streitwert der früheren Beendigungstatbestände, wenn zwischen ihnen und dem letzten Beendigungstatbestand weniger als drei Monate liegen, entsprechend, wobei allerdings der Streitwert jedes einzelnen Beendigungstatbestandes richtigerweise mindestens ein Bruttomonatsgehalt betragen sollte (LAG Niedersachsen v. 1.2.2006 – 4 Ta 31/06, AE 2007, Nr. 519).

u

Verzicht auf § 17 KSchG1 §1

Die Parteien haben am . . . einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Herr/Frau . . . bestätigt, dass der Vertrag auch wirksam ist, wenn keine Anzeige nach § 17 KSchG erfolgt. ... (Arbeitgeber)

... (Arbeitnehmer)

1 Auch die Entlassung auf Grund eines Aufhebungsvertrags bedarf, sofern sie Teil einer Massenentlassung ist, der Anzeige nach § 17 KSchG (vgl. Einf. Rz. 19 aE; BAG v. 11.3.1999, DB 1999, 1073). Neben dem hier vorgeschlagenen nachträglichen Verzicht kommt auch eine Nachholung der Anzeige nach § 17 KSchG in Betracht. Zu den Einzelheiten vgl. Bauer/Powietzka, DB 2000, 1073.

N N Q NNNN

Kapitel 24

Zeugnis

Literaturübersicht: Adam, Praxisprobleme des Zeugnisrechts, MDR 2005, 553; Berkowsky, Der arbeitsrechtliche Zeugnisanspruch in der Insolvenz, NZI 2008, 224; Berscheid, Zeugnis, in Handwörterbuch des Arbeitsrechts, Loseblatt; Dachrodt, Zeugnisse lesen und verstehen, 7. Aufl. 2003; Burkard-Pötter, Das Arbeitszeugnis, NJW-Spezial 2013, 50; Dachrodt, Zeugnisformulierungen und ihre Bedeutung, dbr 2006, Nr. 9, 16; Düwell/Dahl, Die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis, NZA 2011, 958; Fischer, Das Arbeitszeugnis: Zankapfel, Gefälligkeits-

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Kap. 24

Zeugnis

gung ist jedoch unwirksam, da keine Kündigungsgründe gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorliegen. Im Übrigen wird die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats mit Nichtwissen bestritten.4 ... (Unterschrift)5 4 S. M 22.17 Fn. 11. 5 Der Streitwert sollte hinsichtlich der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages analog § 42 Abs. 3 GKG mit einem Vierteljahresbezug angesetzt werden. Wird zusätzlich auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung geklagt, kommt es auf die alte Streitfrage an, ob beim Streit über mehrere Beendigungstatbestände jeweils ein Vierteljahresbezug anzusetzen ist oder nur einmal. Nach richtiger Auffassung ist der Streitwert nach § 42 Abs. 3 GKG für jeden streitigen Beendigungstatbestand anzusetzen. Dabei verringert sich der Streitwert der früheren Beendigungstatbestände, wenn zwischen ihnen und dem letzten Beendigungstatbestand weniger als drei Monate liegen, entsprechend, wobei allerdings der Streitwert jedes einzelnen Beendigungstatbestandes richtigerweise mindestens ein Bruttomonatsgehalt betragen sollte (LAG Niedersachsen v. 1.2.2006 – 4 Ta 31/06, AE 2007, Nr. 519).

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Verzicht auf § 17 KSchG1 §1

Die Parteien haben am . . . einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Herr/Frau . . . bestätigt, dass der Vertrag auch wirksam ist, wenn keine Anzeige nach § 17 KSchG erfolgt. ... (Arbeitgeber)

... (Arbeitnehmer)

1 Auch die Entlassung auf Grund eines Aufhebungsvertrags bedarf, sofern sie Teil einer Massenentlassung ist, der Anzeige nach § 17 KSchG (vgl. Einf. Rz. 19 aE; BAG v. 11.3.1999, DB 1999, 1073). Neben dem hier vorgeschlagenen nachträglichen Verzicht kommt auch eine Nachholung der Anzeige nach § 17 KSchG in Betracht. Zu den Einzelheiten vgl. Bauer/Powietzka, DB 2000, 1073.

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Zeugnis

Literaturübersicht: Adam, Praxisprobleme des Zeugnisrechts, MDR 2005, 553; Berkowsky, Der arbeitsrechtliche Zeugnisanspruch in der Insolvenz, NZI 2008, 224; Berscheid, Zeugnis, in Handwörterbuch des Arbeitsrechts, Loseblatt; Dachrodt, Zeugnisse lesen und verstehen, 7. Aufl. 2003; Burkard-Pötter, Das Arbeitszeugnis, NJW-Spezial 2013, 50; Dachrodt, Zeugnisformulierungen und ihre Bedeutung, dbr 2006, Nr. 9, 16; Düwell/Dahl, Die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis, NZA 2011, 958; Fischer, Das Arbeitszeugnis: Zankapfel, Gefälligkeits-

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Zeugnis

papier oder Transferhilfe? Versuch einer Standortbestimmung, FA 2004, 7; Fischer, „Zu unserer vollen Zufriedenheit“, AiB 2005, 425; Grimm, Das Zeugnis, AR-Blattei SD 1850; Grotmann-Höfling, Wohlwollende Wahrheit – Zeugnisse vor dem Arbeitsgericht, ArbuR 2003, 210; Höfers/Hinrichs, Personalbeurteilung einerseits – Zeugniserstellung andererseits, AiB 2009, 703; Howald, Die Durchsetzung von Zeugnisansprüchen, FA 2012, 197; Huber/Müller, Das Arbeitszeugnis in Recht und Praxis, 14. Aufl. 2012; Korinth, Prozessuale Stolpersteine auf dem Weg zum Arbeitszeugnis, ArbRB 2004, 321; Löw, Neues vom Arbeitszeugnis, NZA-RR 2008, 561; Löw, Aktuelle Rechtsfragen zum Arbeitszeugnis, NJW 2005, 3605; Mauritz/Wischnath, Arbeitszeugnisse, AiB 2006, 222; Moderegger, Zeugnisse – Sein oder Schein?, ArbRB 2006, 240; Mühlhausen, Die Erwähnung von Ausfallzeiten im Arbeitszeugnis, NZA-RR 2006, 337; Noe, Ansprüche auf Arbeitszeugnisse erfolgreich vollstrecken, AA 2009, 2; Ostermaier, Das Arbeitszeugnis in der Zwangsvollstreckung, FA 2009, 297; Roth, Das Arbeitszeugnis – Einzelfragen, FA 2002, 9; Schleßmann, Historisches zum Arbeitszeugnis, NZA 2006, 1392; Schulz, Alles über Arbeitszeugnisse, 8. Aufl. 2009; Schwirtzek, Zeugnisse „stets einwandfrei“ – Rechtsprechung und Checklisten, AuA 2005, 714; Spiegelhalter, Beck’sches Personalhandbuch Bd. I, Arbeitsrechtslexikon, Loseblatt, Stichwort Zeugnis; Stiller, Der Zeugnisanspruch in der Insolvenz des Arbeitgebers, NZA 2005, 330; Stück, Das Arbeitszeugnis, MDR 2006, 791.

I. Einführung 1. Zeugnisanspruch 1

Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis.

2

Anspruchsberechtigt sind alle Arbeitnehmer, also auch Teilzeitbeschäftigte, leitende Angestellte, Heimarbeiter, Werkstudenten sowie Arbeitnehmer in einem Probe- und Aushilfsverhältnis, ferner Handlungsgehilfen iSd. § 84 Abs. 2 HGB. Der Zeugnisanspruch des Auszubildenden ist in § 16 BBiG geregelt, auf den § 26 BBiG für Praktikanten und Volontäre verweist. Bei Leiharbeitnehmern richtet sich der Zeugnisanspruch gegen den Verleiher. Auch Organmitglieder haben jedenfalls dann einen Anspruch auf Zeugniserteilung, wenn sie keine oder nur unwesentliche Gesellschaftsanteile besitzen.1

3

Arbeitnehmerähnliche Personen und Heimarbeiter, Einfirmenvertreter nach § 92a HGB können ein Zeugnis nach § 630 Satz 1 BGB verlangen; freie Handelsvertreter iSd. § 84 Abs. 1 HGB haben hingegen keinen Anspruch, denn sie sind nicht Arbeitnehmer, sondern Kaufleute. Freie Mitarbeiter haben einen Anspruch auf ein Zeugnis wohl nur, wenn es sich um ein dauerndes Dienstverhältnis handelt, nicht aber bei gelegentlicher Übernahme von Beratungsaufträgen.2

4

Verpflichtet zur Erteilung des Zeugnisses ist der Arbeitgeber, der sich durch Betriebsangehörige vertreten lassen kann, soweit diese in der Hierarchie über dem anspruchstellenden Arbeitnehmer angesiedelt sind.3 Eine Vertretung durch Externe, zB einen Rechtsanwalt, scheidet aus.4 Bei Insolvenz des Arbeitgebers richtet sich der Anspruch gegen den Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausscheidet, andernfalls gegen den Insolvenzverwalter, der sich ggf. beim Gemeinschuldner über die zur Beurteilung erforderlichen Tatsachen unterrich1 2 3 4

Vgl. KG Berlin v. 6.11.1978, BB 1979, 988. Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 630 BGB Rz. 2; PWW/Lingemann, § 630 BGB Rz. 1. Vgl. BAG v. 26.6.2001, AP Nr. 27 zu § 630 BGB. Vgl. LAG Hamm v. 17.6.1999, MDR 2000, 590; v. 2.11.1966, DB 1966, 1815.

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ten muss.5 Das Gleiche gilt sinngemäß, soweit nach dem Tod des Arbeitgebers die Erben zur Zeugniserteilung verpflichtet sind.6 Scheidet der Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB aus, so muss der Übernehmer das Zeugnis erstellen. Der Arbeitnehmer hat gegen den früheren Arbeitgeber jedoch unter Umständen einen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis.7 Ein Zeugnis ist nur auf Verlangen des Arbeitnehmers zu erstellen; nur Auszubildende (§ 16 Abs. 1 BBiG), Praktikanten und Volontäre (vgl. § 26 iVm. § 16 Abs. 1 BBiG) haben davon unabhängig einen Anspruch.8 Das Verlangen muss sich auch darauf erstrecken, welche Art Zeugnis gewünscht ist, insbesondere, ob ein qualifiziertes oder ein einfaches Zeugnis verlangt wird (dazu unten unter Rz. 7).

5

Fällig ist das Zeugnis gemäß § 109 GewO, § 630 BGB, § 16 BBiG „bei Beendigung“ des Vertrages. Das Zeugnis wird jedoch nicht erst fällig, wenn das Arbeitsverhältnis auch rechtlich beendet ist; es reicht aus, wenn die Beendigung auf Grund der rechtlichen Rahmenbedingungen absehbar ist. Das ist der Fall, wenn eine Kündigung ausgesprochen oder ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde oder der Ablauf der Befristung bevorsteht. Auch die Erhebung der Kündigungsschutzklage schiebt die Fälligkeit des Zeugnisses nicht hinaus.9 Trotz Fälligkeit ist der Zeugnisanspruch für den Arbeitgeber regelmäßig erst dann erfüllbar, wenn der Arbeitnehmer von seinem Wahlrecht, ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis zu verlangen, Gebrauch gemacht hat.10 Das Zeugnis ist unverzüglich nach Ausübung des Wahlrechtes zu erstellen. Notwendig ist allerdings die Einräumung einer angemessenen Bearbeitungszeit, die von den betrieblichen Umständen abhängt. Dabei kann eine Bearbeitungszeit von zwei bis drei Wochen noch angemessen sein.11 Bei Verzug haftet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB auf Schadensersatz.

6

2. Zeugnisarten Nach dem Inhalt des Zeugnisses unterscheidet man zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Zeugnis, nach dem Zeitpunkt der Zeugniserteilung zwischen einem vorläufigen Zeugnis, einem Zwischenzeugnis und einem Endzeugnis.

7

Das einfache Zeugnis nach § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (M 24.1 und M 24.2). Das qualifizierte Zeugnis nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO enthält darüber hinaus Aussagen über die Leistung und Führung im Arbeitsverhältnis (M 24.3 ff.).

8

Ist der Zeugnisanspruch schon fällig, das Arbeitsverhältnis aber rechtlich noch nicht beendet, so kann der Arbeitgeber das Zeugnis als „vorläufiges“ Zeugnis bezeichnen, das mit rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen ein „End“-Zeugnis ausgetauscht werden kann. Das in der Praxis häufige Zwischenzeugnis kann der Arbeit-

9

5 BAG v. 23.6.2004, NZA 2004, 1392. 6 Vgl. BAG v. 30.1.1991, DB 1991, 1626. 7 Vgl. Küttner/Reinecke, Zeugnis, Rz. 11; nach ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 102, besteht der Anspruch nur, wenn der Beurteilende den Arbeitgeber nicht wechselt. 8 LAG Hamm v. 27.7.1997, NZA-RR 1998, 151. 9 BAG v. 27.2.1987, DB 1987, 1845. 10 LAG Schl.-Holst. v. 1.4.2009, AuA 2009, 485; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 7. 11 Vgl. LAG Schl.-Holst. v. 1.4.2009 – 1 Sa 370/08.

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nehmer verlangen, wenn das Arbeitsverhältnis noch besteht12 und ein berechtigtes Interesse dafür vorliegt (M 24.3).13 Häufigster Fall sind Änderungen im Arbeitsbereich wie Versetzungen oder Bewerbungen innerhalb des Betriebes, Unternehmens oder Konzerns, der Wechsel eines Vorgesetzten,14 Kündigungen mit längerer Kündigungsfrist,15 ein zu erwartender Betriebsübergang16 oder vergleichbare Änderungen der Unternehmensstruktur. In Betracht kommen aber auch Maßnahmen, die Dritte von der Vorlage eines Zeugnisses abhängig machen, beispielsweise Kreditanträge, Bewerbungen oder beabsichtigte Fort- oder Weiterbildungen. Schließlich kann ein Zwischenzeugnis auch verlangt werden, wenn mit einem längeren Ruhen des Arbeitsverhältnisses zu rechnen ist, beispielsweise bei bevorstehendem Wehr- oder Zivildienst oder auch Elternzeit17 (vgl. dazu Kap. 17). Während des Verlaufs eines Kündigungsschutzprozesses hat der Arbeitnehmer ein Wahlrecht, ob er ein Endzeugnis oder ein Zwischenzeugnis verlangt.18 Die Anspruchsvoraussetzungen sind relativ weit; das Zwischenzeugnis soll meist verhindern, dass infolge eines Wechsels der beurteilenden Person oder des Arbeitgebers die Beurteilung für spätere Zeugnisse verloren geht. Hat ein Arbeitgeber vor Ausscheiden eines Arbeitnehmers ein Zwischenzeugnis erteilt, so ist er an die in dem Zwischenzeugnis enthaltene Bewertung von Führung und Leistung des Mitarbeiters gebunden, es sei denn, es sind inzwischen Tatsachen bekannt geworden, die eine Änderung verlangen.19 Dies gilt auch, wenn bei einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB der Betriebsveräußerer das Zwischenzeugnis vor dem Übergang bereits erteilt hat und der Arbeitnehmer das Endzeugnis vom Betriebserwerber verlangt.20

3. Holschuld 10

Da das Zeugnis zu den Arbeitspapieren zählt, muss der Arbeitnehmer es nach Maßgabe von § 269 Abs. 2 BGB beim Arbeitgeber abholen.21 In der Praxis wird es jedoch häufig vom Arbeitgeber geschickt. Hatte der Arbeitnehmer das Zeugnis rechtzeitig vorher verlangt und hält der Arbeitgeber es nicht bei Fälligkeit bereit, so soll er jedoch auf Grund des entstehenden Verzuges zur Übermittlung des Zeugnisses an den Arbeitnehmer verpflichtet sein.22

4. Verzicht, Verwirkung 11

Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer nicht auf das Zeugnis verzichten; auch allgemeine Ausgleichsklauseln erfassen den Zeugnis12 Vgl. LAG Rh.-Pf. v. 26.10.2007 – 9 Sa 307/07, das den Antrag einer Arbeitnehmerin, die trotz Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses im Berufungsverfahren weiterhin die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses geltend machte, als unbegründet abgewiesen hat. 13 Vgl. BAG v. 21.1.1993, DB 1993, 2134; v. 1.10.1998, NZA 1999, 894. 14 BAG v. 1.10.1998, NZA 1999, 894; LAG Köln v. 2.2.2000, NZA-RR 2000, 419. 15 LAG Hamm v. 13.2.2007, NZA-RR 2007, 486. 16 BAG v. 21.1.1993, DB 1993, 2134. 17 Vgl. hierzu LAG Köln v. 30.8.2007, AE 2008, 276. 18 LAG Hamm v. 13.2.2007, NZA-RR 2007, 486. 19 BAG v. 16.10.2007, NZA 2008, 298, 300; vgl. auch LAG Schl.-Holst. v. 23.10.2007, LAGE § 109 GewO 2003 Nr. 5. 20 BAG v. 16.10.2007, NZA 2008, 298. 21 BAG v. 8.3.1995, BB 1995, 1355. 22 BAG v. 8.3.1995, BB 1995, 1355.

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anspruch nicht.23 Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dürfte der Anspruch jedoch verzichtbar sein.24 In Formularverträgen vereinbarte Ausschlussfristen unterliegen allerdings der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.25 Grundsätzlich gelten auch tarifliche Ausschlussfristen.26 Davon unabhängig kann der Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis verwirken, wenn vom Arbeitgeber nach einer längeren Zeit nicht mehr erwartet werden kann, dass er Führung und Leistung noch zutreffend beurteilt. Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer sein Recht über längere Zeit hinweg nicht ausgeübt hat (Zeitmoment) und bei dem Arbeitgeber dadurch die Überzeugung hervorgerufen hat, er werde sein Recht nicht mehr durchsetzen (Umstandsmoment).27 Ein Zeitraum von zehn Monaten kann im Einzelfall ausreichen, wenn der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum gänzlich untätig geblieben ist,28 aber natürlich nicht, wenn er gegenüber dem Arbeitgeber mehrfach versucht hat, seinen Zeugnisanspruch durchzusetzen.29 Für ein einfaches Zeugnis dürfte die Verwirkung wesentlich später eintreten, da dieses auch problemlos später noch erstellt werden kann.30

5. Formalien Im Zeugnis ist die Person des Arbeitnehmers mit vollständigem Namen und offiziell verliehenen Titeln aufzunehmen.31 Die Zeugnissprache ist – auch für ausländische Arbeitnehmer – deutsch. Das hindert den Arbeitgeber natürlich nicht, das Zeugnis auf Wunsch auch in anderer Sprache zu verfassen. Das Zeugnisdatum muss grundsätzlich dem tatsächlichen Ausscheidensdatum entsprechen. Auch wenn der Arbeitgeber das Zeugnis auf Grund eines Zeugnisrechtsstreits oder Zeugnisberichtigungsrechtsstreits erst wesentlich später ausgestellt, ist das Datum zu verwenden, zu dem das Zeugnis hätte ausgestellt werden müssen, im Zweifel also das Ausscheidensdatum.32

23 BAG v. 16.9.1974, DB 1975, 155. 24 Im Rahmen von Prozessvergleichen finden sich häufig Formulierungen mit dem Inhalt, dass mit Erfüllung des Vergleichs „sämtliche gegenseitige Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis, dessen Beendigung und dem Rechtsstreit“ ausgeglichen seien. Eine solche Klausel umfasst nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg v. 6.12.2011, BB 2012, 380, auch den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses; anders BAG v. 16.9.1974, DB 1975, 155. 25 Eine Frist von weniger als drei Monaten stellt eine unangemessene Benachteiligung dar, auch eine geltungserhaltende Reduktion kommt nicht in Betracht (BAG v. 28.9.2005, NZA 2006, 149). Bei zweistufigen Ausschlussfristen muss die Frist auf beiden Stufen jeweils mindestens drei Monate betragen (BAG v. 25.5.2005, NZA 2005, 1111). S. dazu Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff. sowie M 2.1a Ziff. 10 m. Anm. 26 BAG v. 4.10.2005, NZA 2006, 436, 438; v. 23.2.1983, DB 1983, 2043, beide zu § 70 BAT. 27 BAG v. 16.10.2007, NZA 2008, 298, 301. 28 BAG v. 17.2.1988, DB 1988, 1071 für den Zeugnisberichtigungsanspruch; zur Verwirkung vgl. auch LAG Schl.-Holst. v. 30.9.2009 – 3 Ta 162/09, wonach jedenfalls nach fünf Jahren eine Berichtigung unzumutbar ist. 29 Vgl. BAG v. 16.10.2007, NZA 2008, 298, 301 für einen Zeitraum von etwa 22 Monaten. 30 LAG Hamm v. 28.3.2000, BuW 2001, 308. 31 Vgl. BAG v. 8.2.1984, NZA 1984, 225. Eine fehlerhafte Schreibweise hindert die Erfüllung des Zeugnisanspruchs, vgl. LAG Hessen v. 23.9.2008, AuA 2009, 242. 32 Vgl. BAG v. 9.9.1992, NZA 1993, 698; LAG Hamm v. 27.2.1997, NZA-RR 1998, 151. Macht der Arbeitnehmer seinen Zeugnisanspruch allerdings erst lange nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend, so soll das tatsächliche Datum anzugeben sein, Löw, NJW 2005, 3605, 3606 mwN.

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§ 109 Abs. 2 Satz 1 GewO bestimmt gesetzlich, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss.33 Gemäß § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO darf das Zeugnis keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Damit sind dem Arbeitgeber unzulässige Auslassungen und Geheimzeichen untersagt.34 Die Bescheinigung eines Arbeitgebers, den Arbeitnehmer „als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt zu haben, der stets eine hohe Einsatzbereitschaft zeigte“, genügt diesen Anforderungen, solange sich kontextbezogen kein abweichendes Bild ergibt.35

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Unterschreiben muss das Zeugnis der Arbeitgeber oder der für ihn handelnde Vertreter eigenhändig. Eine Vertretung in der Unterschrift36 oder gar ein Faksimile oder eine fotokopierte Unterschrift37 reichen nicht aus. Die Person und der Rang des Unterzeichnenden gibt Aufschluss über die Wertschätzung des Arbeitnehmers und die Beurteilungskompetenz des Arbeitgebers.38 Diesen Zweck erfüllt das Zeugnis nur, wenn es von einem „erkennbar Ranghöheren“ (vgl. Rz. 4) ausgestellt ist.39 Bei einer Vertretung bedeutet dies, dass der ausstellende Vertreter gegenüber dem Arbeitnehmer weisungsbefugt gewesen sein muss. Der Zeugnisleser muss den höheren Rang des Vertreters ohne weitere Nachforschungen aus dem Zeugnis ablesen können.40 Der Vertreter muss außerdem das Vertretungsverhältnis und seine Funktion angeben, um obigen Zweck zu erfüllen.41 Bei leitenden Angestellten ist das Zeugnis von einem Mitglied der Geschäftsleitung auszustellen, das auf seine Position als Mitglied der Geschäftsleitung hinweisen muss.42

6. Einfaches Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 2 GewO) 15

Neben diesen Grundangaben sind im einfachen Zeugnis Art und Dauer der Beschäftigung darzustellen, wobei alles anzugeben ist, was ein Urteil über Kenntnis und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erlaubt und ihn für einen künftigen Arbeitgeber interessant erscheinen lässt.43 Maßgeblich für die Dauer ist die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses.44 Unterbrechungen (zB durch Elternzeit45) sind nur 33 Vgl. auch BAG v. 12.8.2008, NZA 2008, 1349 mwN und Beispielen. 34 Vgl. BT-Drucks. 14/8796, S. 25 mit Bezug auf den Rechtsgedanken des § 113 Abs. 3 GewO aF. Vgl. dazu auch BAG v. 12.8.2008, NZA 2008, 1349 sowie Löw, NJW 2005, 3605, 3606; Stück, MDR 2006, 791, 792. 35 BAG v. 15.11.2011, NZA 2012, 448. Mit der Wendung „kennen gelernt“ bringe der Arbeitgeber nicht zum Ausdruck, dass die im Zusammenhang angeführten Eigenschaften tatsächlich nicht vorliegen. 36 BAG v. 21.9.1999, NZA 2000, 257. 37 LAG Bremen v. 23.6.1989, BB 1989, 1825. 38 Vgl. BAG v. 4.10.2005, NZA 2006, 436, 437; v. 21.9.1999, EzA § 630 BGB Nr. 22. 39 Vgl. BAG v. 4.10.2005, NZA 2006, 436, 437; v. 16.11.1995, EzA § 630 BGB Nr. 20. 40 BAG v. 4.10.2005, NZA 2006, 436, 437. 41 Vgl. BAG v. 26.6.2001, AP Nr. 27 zu § 630 BGB. 42 Vgl. BAG v. 26.6.2001, AP Nr. 27 zu § 630 BGB. 43 Vgl. BAG v. 12.8.1976, DB 1976, 2211. 44 Vgl. auch LAG Köln v. 4.3.2009 – 3 Sa 1419/08. 45 Nach dem BAG darf die Elternzeit nur erwähnt werden, sofern die Ausfallzeit „eine wesentliche tatsächliche Unterbrechung der Beschäftigung darstellt“. Das sei dann der Fall, „wenn diese nach Lage und Dauer erheblich ist und wenn bei ihrer Nichterwähnung für Dritte der falsche Eindruck entstünde, die Beurteilung des Arbeitnehmers beruhe auf einer der Dauer

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anzugeben, wenn sie erheblich ins Gewicht fallen, insbesondere im Verhältnis zur Gesamtdauer der Beschäftigung.46 Nicht aufzunehmen ist der Grund des Ausscheidens des Arbeitnehmers, es sei denn, dies wäre sein ausdrücklicher Wunsch.47

7. Qualifiziertes Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 3 GewO) Beim qualifizierten Zeugnis müssen über diese Anforderungen hinaus auch Angaben zu Führung und Leistung gemacht werden.48

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Diese Ergänzung ist allerdings nur auf Verlangen des Arbeitnehmers vorzunehmen. Ein einmal geäußertes Verlangen nach einem qualifizierten Zeugnis ist verbindlich und nicht mehr rücknehmbar. Das Zeugnis muss den Tatsachen entsprechen (Gebot der Zeugniswahrheit). Es darf nichts Wesentliches weggelassen oder hinzugefügt werden.49 Dies korrespondiert mit dem Grundsatz der wohlwollenden Zeugniserteilung: Das Zeugnis darf den Arbeitnehmer in seinem Fortkommen nicht ungerechtfertigt behindern.50 Daher ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine wohlwollende Zeugnissprache zu verwenden.51 Führung des Arbeitnehmers gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO betrifft das Sozialverhalten des Arbeitnehmers gegenüber Vorgesetzten und gleichgestellten Mitarbeitern sowie gegenüber Kunden und Geschäftspartnern. Allerdings beschränken sich die Angaben auf das dienstliche Verhalten, es sei denn, dass sich privates Verhalten in erheblichem Umfang dienstlich ausgewirkt hat; Letzteres kann bei Alkohol-/Drogenmissbrauch oder bei Verschwendungssucht bei einem Kassierer52 der Fall sein. Der Arbeitgeber ist auch berechtigt, im Zwischenzeugnis für eine Krankenschwester ein gegen diese noch laufendes Ermittlungsverfahren wegen Mordversuchs an Patienten zu erwähnen.53

17

In den Grenzen der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit ist der Arbeitgeber in der Formulierung des Zeugnisses grundsätzlich frei, solange es nichts Falsches enthält.54 Der Arbeitgeber hat insbesondere einen erheblichen Beurteilungsspielraum bei der Frage, welche Leistungen und Eigenschaften er aufnimmt. Er muss sich jedoch auf wesentliche Vorfälle oder Umstände beschränken. Entscheidend ist der Maßstab eines wohl wollenden verständigen Arbeitgebers. Bloße Vermutungen oder Verdächtigungen,55 Angaben über den Gesundheitszustand56 oder auch die Mitglied-

18

46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56

des rechtlichen Bestands des Arbeitsverhältnisses entsprechenden tatsächlichen Arbeitsleistung“, BAG v. 10.5.2005, NZA 2005, 1237. Vgl. auch LAG Köln v. 30.8.2007, AE 2008, 276. LAG Düsseldorf v. 22.1.1988, NZA 1988, 399. Zur Frage, aus welchen Grundelementen ein qualifiziertes Arbeitszeugnis besteht, vgl. auch LAG Hamm v. 4.9.1997 – 4 Sa 391/97. So schon BAG v. 23.6.1960, NJW 1960, 1963. Vgl. BAG v. 23.6.1960, NJW 1960, 1963; v. 10.5.2005, NZA 2005, 1237 mwN. Vgl. dazu Schwirtzek, AuA 2005, 714, 716. Vgl. BAG v. 29.1.1986, NZA 1987, 384. So LAG BW v. 29.11.2007, LAGE § 630 BGB 2002 Nr. 4 (dies gilt jedoch nicht bei einer überlangen Dauer des Ermittlungsverfahrens). BAG v. 12.8.2008, NZA 2008, 1349, 1350. Auch, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den Arbeitnehmer anhängig ist, lässt einen Verdacht noch nicht zu einer zu erwähnenden Tatsache werden, LAG Düsseldorf v. 3.5.2005, DB 2005, 1799. LAG Sachsen v. 30.1.1996, NZA 1997, 46.

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schaft im Betriebsrat oder gewerkschaftliche Betätigung57 gehören nicht in das Zeugnis, es sei denn, dass der Arbeitnehmer ihre Aufnahme ausdrücklich wünscht.58 Je nach der Art der Tätigkeit müssen bestimmte Eigenschaften genannt werden, damit das Zeugnis nicht durch „beredtes Schweigen“ unwahr wird. Soweit daher für eine Berufsgruppe oder in einer Branche der allgemeine Brauch besteht, bestimmte Leistungen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers im Zeugnis zu erwähnen, ist deren Auslassung regelmäßig ein (versteckter) Hinweis für den Zeugnisleser, der Arbeitnehmer sei in diesem Merkmal unterdurchschnittlich oder allenfalls durchschnittlich zu bewerten.59 So ist etwa bei Kassierern und anderen Bankangestellten, aber auch bei Hausangestellten Ehrlichkeit zu attestieren, soweit das Gegenteil nicht feststeht. Der Hinweis des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer habe sich „stets bemüht“, ist als Bewertung unterdurchschnittlicher Leistung zu verstehen, solange das Zeugnis zum Erfolg des Bemühens schweigt.60 18a

Die Formulierungshoheit kann übertragen werden, zB indem die Parteien in einem Prozessvergleich vereinbaren, dass ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis entsprechend einem vom Arbeitnehmer vorzulegenden Entwurf zu erstellen ist. Dann liegt es im Ermessen des Arbeitnehmers, darüber zu entscheiden, welche Leistungen besonders hervorgehoben werden sollen. Der Arbeitgeber muss aber nicht den Vorschlag des Arbeitnehmers ungeprüft und ohne jede Änderung übernehmen.61 Die Fomulierung „entsprechend“ erlaubt es ihm vielmehr zu überprüfen, ob der Entwurf einem pflichtgemäßen qualifizierten Zeugnis sowie dem Gebot der Zeugnisklarheit und Zeugniswahrheit entspricht, um ihn ggf. an die Vorgaben des § 109 GewO anzupassen.62

18b

Aus dem Gebot der Zeugniswahrheit folgt auch, dass sich der Arbeitgeber an einer bestimmten Beurteilung grundsätzlich festhalten lassen muss. Ein Zeugnis, in welchem der Arbeitnehmer ohne jeden Vorbehalt und ohne jede Einschränkung als ehrlich und gewissenhaft beurteilt wird, hat somit zur Folge, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nachträglich nicht mehr für etwaige – vor Erteilung des Zeugnisses festgestellte – Fehlbestände im Warenlager haftbar machen kann.63 Auch eine fristlose Kündigung soll nach abzulehnender Auffassung nicht möglich sein, wenn dem Arbeitnehmer trotz Kenntnis der kündigungsrelevanten Umstände ausschließlich positive Leistungen und Fähigkeiten bescheinigt wurden.64

19

Anders als bei der Beurteilung der Leistung (dazu sogleich Rz. 20) gibt es bei der Beurteilung der Führung65 keine allgemein anerkannten Zeugniscodes. Es dürfte wie folgt zu differenzieren sein:

57 58 59 60 61 62 63 64

LAG Hamm v. 12.4.1976, DB 1976, 112. Vgl. Witt, BB 1996, 2194. BAG v. 12.8.2008, NZA 2008, 1349, 1350. BAG v. 15.11.2011, NZA 2012, 448. BAG v. 9.9.2011, NZA 2012, 1244. BAG v. 9.9.2011, NZA 2012, 1244. BAG v. 8.2.1972, NJW 1972, 1214. LAG Bremen v. 22.11.1983, BB 1984, 473. Diese Entscheidung wird in der Literatur als „zu weitgehend“ kritisiert, vgl. Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 147 Rz. 29. 65 ZT wird vorgeschlagen, den Begriff „Führung“ durch „Verhalten“ zu ersetzen. Allerdings spricht § 630 Satz 2 BGB ausdrücklich von „Leistungen und die Führung im Dienst“. Das spricht dafür, diese Terminologie auch im Zeugnis beizubehalten.

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Sein Auftreten war geprägt von höchster persönlicher Integrität, vorbildlichem Einsatz und herausragendem Führungsvermögen. Er war bei Vorgesetzten, Kollegen und nachgeordneten Mitarbeitern gleichermaßen anerkannt und geschätzt. = sehr gute Führung Er war durch sein ausgeglichenes und freundliches Wesen, seine hohe Integrität und sein Führungsvermögen bei Vorgesetzten, Kollegen66 und nachgeordneten Mitarbeitern gleichermaßen geschätzt. oder Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und nachgeordneten Mitarbeitern war stets höflich und korrekt. = gute Führung Durch sein Auftreten war er bei Vorgesetzten, Kollegen und nachgeordneten Mitarbeitern gleichermaßen geschätzt. = gute durchschnittliche Leistung Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und nachgeordneten Mitarbeitern gab zu Beanstandungen keinen Anlass. = unterdurchschnittliche Leistung Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern war zufriedenstellend. oder Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern war im Großen und Ganzen einwandfrei. = mangelhafte Führung Bei der Beurteilung der Leistung haben sich bestimmte Formulierungen eingebürgert, die trotz des Erfordernisses der wohlwollenden Zeugnissprache eine klare Bewertung enthalten: Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt. oder stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unsere Erwartungen in jeder Hinsicht übertroffen.67 = sehr gute Leistungen

66 Es besteht kein Anspruch auf die Einhaltung der Wortreihenfolge „Vorgesetzte – Kollegen“ bei der Verhaltensbeurteilung, vgl. LAG Köln v. 30.8.2007, AE 2008, 276. 67 Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Formulierung „vollste“ Zufriedenheit zu benutzen, weil es kein voller als voll gibt. Eine sehr gute Leistung ist dann jedoch mit anderen Worten zu bescheinigen, BAG v. 21.6.2005, NZA 2006, 104.

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stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. = gute Leistungen68 zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. = gute durchschnittliche Leistung69 zu unserer Zufriedenheit erledigt. = unterdurchschnittliche, aber noch ausreichende Leistung70 im Großen und Ganzen/insgesamt zu unserer Zufriedenheit erledigt. = mangelhafte Leistung Er/Sie hat sich bemüht, die ihm/ihr übertragenen Arbeiten zu unserer Zufriedenheit zu erledigen. oder Er/Sie führte die ihm/ihr übertragenen Aufgaben mit großem Fleiß und Interesse aus. = völlig unzureichende Leistung71 21

Die so attestierte Leistung muss zum sonstigen Inhalt des Zeugnisses passen;72 ergibt sich also aus dem sonstigen Text des Zeugnisses eine sehr gute Leistung, so darf die „Leistungsklausel“ dahinter nicht zurückbleiben. Hingegen darf der Arbeitgeber bei der Bewertung von Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers unterschiedliche Bewertungen im Zeugnis zum Ausdruck bringen. Erhält der Arbeitnehmer etwa die überdurchschnittliche Leistungsbeurteilung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“, so kann er daraus kein Recht herleiten, dass der Arbeitgeber auch sein Verhalten als „stets einwandfrei“ bewertet.73

8. Schlussformulierung 22

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, in das Arbeitszeugnis Zukunftswünsche aufzunehmen, in denen er dem Arbeitnehmer für die gute Zusammenarbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht.74 Da Schlusssätze bloß „üblicher“ Zeugnisinhalt seien, obliegt es der Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers zu entscheiden, ob er das Zeugnis damit anreichert. Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers gehören damit nicht zum notwendigen Zeugnisinhalt. Auch wenn in der Praxis überdurchschnittliche Leistungs- und Verhaltensbeurteilungen häufig mit einer „Dankes- und Wunschformel“ versehen werden, hat der Arbeitnehmer mangels gesetzlicher Grundlage darauf keinen Anspruch.75 Wird eine Schlussformel jedoch ver68 69 70 71 72 73 74 75

LAG Düsseldorf v. 26.2.1985, DB 1985, 2692; LAG Köln v. 8.7.1993, LAGE § 630 BGB Nr. 18. LAG Köln v. 18.5.1995, NZA-RR 1996, 41. Vgl. LAG Hessen v. 10.9.1987, DB 1988, 1071. LAG Hamm v. 16.3.1989, BB 1989, 1486. BAG v. 23.9.1992, EzA § 630 BGB Nr. 16. Vgl. hierzu LAG Rh.-Pf. v. 14.5.2009, NZA-RR 2010, 69. BAG v. 11.12.2012, NZA 2013, 324; v. 20.2.2001, NZA 2001, 843. BAG v. 11.12.2012, NZA 2013, 324; anders noch LAG Köln v. 29.2.2008, AE 2009, 155; LAG Düsseldorf v. 3.11.2010, NZA-RR 2011, 123.

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wendet, muss sie mit dem übrigen Zeugnisinhalt in Einklang stehen.76 Unklar ist, ob auf Wunsch des Arbeitnehmers eine Verpflichtung zur Aufnahme eines Beendigungsgrundes besteht (zB „Das Arbeitsverhältnis endet auf Wunsch des Arbeitnehmers.“).77

9. Form Das Zeugnis bedarf naturgemäß der Schriftform. Das Papier muss haltbar und von guter Qualität sein.78 Streichungen, Ausbesserungen, Anführungszeichen, Frage- und Ausrufezeichen haben im Zeugnis nichts zu suchen. Alles, was den Eindruck eines gestörten Arbeitsverhältnisses oder einer Herabsetzung des Arbeitnehmers erwecken könnte, ist zu vermeiden. Das Zeugnis ist daher auf dem offiziellen Firmen-/ Geschäftsbriefbogen zu erteilen.79 Der Streit, ob das Zeugnis zweimal gefaltet werden darf, so dass es in einem Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen ist, oder ob es ungefaltet übergeben werden muss,80 ist in ersterem Sinne geklärt.81

23

10. Berichtigung und Widerruf Soweit das Zeugnis den vorgenannten inhaltlichen und formalen Anforderungen nicht entspricht, kann der Arbeitnehmer Zeugnisberichtigung verlangen.82 Seltener ist der Fall des Zeugniswiderrufs, weil der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Zeugnishaftung das Zeugnis noch um spätere Erkenntnisse ergänzen will. Ansprüche auf Zeugniserteilung, Zeugnisberichtigung und Zeugniswiderruf können im Urteilsverfahren geltend gemacht werden. Gegenstand der Klage ist hierbei genau genommen die Erfüllung des Zeugnisanspruchs und kein (dem Gesetz fremder) Berichtigungs- oder Ergänzungsanspruch.83 Beim Zeugnisberichtigungsanspruch muss im Klageantrag bereits die geänderte Zeugnisformulierung angegeben werden. Zwar trägt der Arbeitgeber nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für die Erfüllung des Zeugnisanspruches. Für die häufigsten Einwände des Arbeitnehmers aber, seine Tätigkeit sei nicht vollständig bezeichnet oder seine Bewertung sei zu schlecht, gilt dies nur eingeschränkt: Sind nach dem Vortrag des Arbeitnehmers wesentliche Tätigkeiten im Zeugnis nicht angegeben, so muss der Arbeitnehmer beweisen, dass er diese Tätigkeiten ausgeübt hat.84 Sofern er keine nachteiligen Tatsachen beweisen kann, muss der Arbeitgeber eine durchschnittliche Leistung „zu unserer vollen Zufriedenheit“ beschei76 Vgl. auch LAG Köln v. 29.2.2008, AE 2009, 155; LAG Hamm v. 28.3.2000, BuW 2001, 220. 77 Dafür LAG Köln v. 29.10.1990, LAGE § 630 BGB Nr. 11; unklar LAG Berlin-Brandenburg v. 25.1.2007, NZA-RR 2007, 373. 78 Vgl. BAG v. 3.3.1993, NZA 1993, 697. 79 LAG Hamm v. 27.2.1997, NZA-RR 1998, 151; BAG v. 3.3.1993, NZA 1993, 697. 80 So noch LAG Hamburg v. 7.9.1993, NZA 1994, 890. 81 BAG v. 21.9.1999, AP Nr. 23 zu § 630 BGB. 82 In diesem Fall ist der Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers beim Verfassen des „neuen“ Zeugnisses stark eingeschränkt, er ist grundsätzlich an seine bisherige Verhaltensbeurteilung gebunden, es sei denn, neue Umstände rechtfertigen eine schlechtere Beurteilung, BAG v. 21.6.2005, NZA 2006, 104. 83 BAG v. 12.8.2008, NZA 2008, 1349. 84 Vgl. auch LAG Schl.-Holst. v. 30.9.2009 – 3 Ta 162/09, wonach ein Berichtigungsanspruch von vornherein nicht besteht, wenn das Zeugnis bereits derart umfassend ist, dass es einen hinreichenden Überblick über die Tätigkeit des Arbeitnehmers gewährt.

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nigen.85 Wünscht der Arbeitnehmer die Bescheinigung einer überdurchschnittlichen Leistung, so trifft insoweit ihn die Beweislast für die zugrunde liegenden Tatsachen.86 25

Vollstreckt wird der Zeugnisanspruch und der Zeugnisberichtigungsanspruch nach § 888 ZPO.87 Die Fiktion des § 894 ZPO würde den Interessen des Arbeitnehmers naturgemäß nicht entsprechen. Maßgeblich für das streng formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren ist der Titel, aus dem sich mit hinreichender Bestimmtheit der Inhalt der Verpflichtung zur Zeugniserteilung ergeben muss. Inhaltsfragen sind demgegenüber im Erkenntnisverfahren zu klären. Gerichtliche Vergleiche, aus denen sich die Verpflichtung ergibt, ein „wohlwollendes“ Zeugnis auszustellen, sind im Rahmen der Zwangsvollstreckung insofern nur daraufhin überprüfbar, ob überhaupt ein Zeugnis ausgestellt wurde, das den Formvorgaben entspricht.88 Ebenso können gerichtliche Vergleiche mit dem Inhalt, dass ein Endzeugnis auf Basis eines bestimmten Zwischenzeugnisses zu erteilen ist, nicht vollstreckt werden, wenn der Wortlaut des Zwischenzeugnisses nicht im Tenor enthalten ist.89 Demgegenüber soll die Regelung in einem gerichtlichen Vergleich, nach dem der Arbeitgeber ein pflichtgemäßes qualifizierendes Zeugnis entsprechend einem vom Arbeitnehmer noch anzufertigenden Entwurf zu erstellen habe, grundsätzlich einen vollstreckbaren Inhalt haben.90 Im Zwangsvollstreckungsverfahren kann der Arbeitgeber jedoch nicht gezwungen werden, ein Zeugnis zu erteilen, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt. Trägt der Arbeitgeber insofern glaubhaft Umstände vor, die ergeben, dass das verlangte Zeugnis nicht der Wahrheit entspricht, so kann der Antrag zurückgewiesen werden, um den maßgeblichen Inhalt des Zeugnisses in einem neuen Erkenntnisverfahren klären zu lassen.91

11. Haftung des Arbeitgebers 26

Eine Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn das Zeugnis zu Unrecht nicht, nicht ordnungsgemäß oder zu schlecht ausgestellt wurde.92 Zu ersetzen ist hier der kausal verursachte entgangene Verdienst; die Kausalität, für die der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig ist,93 ist in der Praxis allerdings kaum nachweisbar. Allerdings hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen verspäteter Erteilung des Zeugnisses, wenn er den Arbeitgeber nicht durch ausdrückliches Verlangen in Verzug gesetzt hat.94 85 BAG v. 14.10.2003, DB 2004, 1270; nach aA muss der Arbeitgeber im Zweifel eine „gute“ Leistung bescheinigen, also „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“, so noch LAG Köln v. 8.7.1993, LAGE § 630 BGB Nr. 18. 86 BAG v. 14.10.2003, DB 2004, 1270; LAG München v. 11.11.2008, AE 2009, 153; nach aA trifft den Arbeitnehmer die Beweislast erst für Tatsachen, aus denen er eine „sehr gute“ Leistung herleiten will, LAG Köln v. 8.7.1993, LAGE § 630 BGB Nr. 18. 87 Zum Arbeitszeugnis in der Zwangsvollstreckung vgl. Ostermaier, FA 2009, 297; Howald, FA 2012, 197. 88 LAG Sachsen v. 6.8.2012, NZA-RR 2013, 215. 89 Howald, FA 2012, 197. 90 BAG v. 9.9.2011, NZA 2012, 1244. 91 BAG v. 9.9.2011, NZA 2012, 1244. 92 Vgl. Kölsch, NZA 1980, 382. Zur verspäteten Zeugniserteilung vgl. Rz. 6. 93 BAG v. 16.11.1995, EzA § 630 BGB Nr. 20; vgl. auch LAG Hessen v. 31.3.2009 – 13 Sa 1267/08. 94 BAG v. 12.2.2013 – 3 AZR 121/11.

984 Lingemann

M 24.2

Zeugnis

Kap. 24

Gegenüber einem anderen Arbeitgeber haftet der zeugnisausstellende Arbeitgeber, wenn er schuldhaft ein zu Gunsten des Arbeitnehmers unrichtiges Zeugnis ausgestellt hat und dadurch bei dem späteren Arbeitgeber ein Schaden entstanden ist. Typischer Fall ist die Angabe, der Kassierer sei ehrlich, obwohl er bei dem zeugnisausstellenden Arbeitgeber Unterschlagungen begangen hat.95

27

95 Vgl. BGH v. 15.5.1979, DB 1979, 2378.

II. Muster

u

Einfaches Zeugnis – kurze Form

24.1

Herr/Frau . . ., war ab dem . . . bei uns als . . . beschäftigt. Er/Sie verlässt uns zum . . . auf eigenen Wunsch.1 ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift [Firma])

1 Der Grund des Ausscheidens ist nur dann anzugeben, wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist (vgl. Popp, NZA 1997, 588). Bei der Angabe, der Arbeitnehmer verlasse den Arbeitgeber auf eigenen Wunsch, kann dies regelmäßig unterstellt werden. Ob der Arbeitgeber auf Wunsch des Arbeitnehmers zur Angabe des Ausscheidensgrundes verpflichtet ist, ist bisher offen, vgl. dazu die Nachweise Einf. Rz. 22.

u

Einfaches Zeugnis – ausführliche Form Herr . . ., war ab dem . . . bei uns als Kranführer beschäftigt.

Zu seinen Aufgaben gehörte vorwiegend die koordinierte Kranführung auf Baustellen, insbesondere der Großbaustelle Elbphilharmonie. Herr . . . verlässt uns auf eigenen Wunsch. Wir bedauern seinen Fortgang und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute. ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift [Firma])

Lingemann 985

24.2

Kap. 24

24.3

u

Zeugnis

M 24.3

Zwischenzeugnis für einen/eine Buchhalter/Buchhalterin mit guter Bewertung

Herr/Frau . . ., ist seit dem . . . als Buchhalter/Buchhalterin im Berliner Büro unserer Sozietät tätig. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit führt Herr/Frau . . . nun die umfangreiche Buchhaltung unseres Büros selbständig. Dazu gehört neben der Buchung von Ein- und Ausgängen auch die kanzleiinterne Rechnungsanalyse, die Führung von Anderkonten und die Personalverwaltung. Bei der Einführung eines neuen komplexen Buchhaltungsprogrammes hat sich Herr/Frau . . . in besonderer Weise bewährt. Herr/Frau . . . ist absolut zuverlässig, ehrlich und verantwortungsbewusst. Er/Sie erfüllt alle ihm/ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft und stets zu unserer vollen Zufriedenheit. Diese Zwischenzeugnis wird auf Wunsch von Herrn/Frau . . . ausgestellt. Wir bedanken uns für die bisherige Zusammenarbeit mit Herrn/Frau . . . und freuen uns, auch in Zukunft mit ihm/ihr zusammenarbeiten zu können. ... (Ort, Datum)

24.4

... (Unterschrift [Firma])

u

Qualifiziertes Zeugnis mit guter Bewertung

Herr/Frau . . ., war vom . . . bis zum . . . als Bürobote/Bürobotin in dem Hamburger Büro unserer Sozietät tätig. Seine/Ihre Aufgabe bestand darin, sowohl innerhalb des Büros als auch im Stadtgebiet von Hamburg Botendienste zu verrichten. Dazu gehörte auch die selbständige Zustellung fristgebundener Schriftstücke bei Mandanten, Gegnern und Gerichten. Herr/Frau . . . ist ein/eine gründlicher/gründliche und gewissenhafter/gewissenhafte Mitarbeiter/Mitarbeiterin. Er/Sie führte seine/ihre Botengänge stets zuverlässig aus, wobei seine/ihre gleichzeitig zügige Arbeitsweise hervorzuheben ist. Sein/Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Dritten war stets höflich und korrekt. Die Zusammenarbeit mit ihm/ihr war immer angenehm. Herr/Frau . . . scheidet auf eigenen Wunsch aus. Wir bedauern dies und wünschen ihm/ihr für seinen/ihren weiteren Lebensweg alles Gute. ... (Ort, Datum)

986 Lingemann

... (Unterschrift [Firma])

M 24.6

Zeugnis

Kap. 24

u

Qualifiziertes Zeugnis für einen Buchhalter/eine Buchhalterin mit guter Bewertung

24.5

Herr/Frau . . ., war vom . . . bis zum . . . als Buchhalter/Buchhalterin im Berliner Büro unserer Sozietät tätig. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit führte Herr/Frau . . . die umfangreiche Buchhaltung unseres Büros selbständig. Dazu gehörte neben der Buchung von Ein- und Ausgängen auch die kanzleiinterne Rechnungsanalyse, die Führung von Anderkonten und die Personalverwaltung. Bei der Einführung eines neuen komplexen Buchhaltungsprogrammes hat sich Herr/Frau . . . in besonderer Weise bewährt. Herr/Frau . . . war stets absolut zuverlässig, ehrlich und verantwortungsbewusst. Er/ Sie hat alle ihm/ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft und stets zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt. Herr/Frau . . . verlässt uns auf eigenen Wunsch, um eine Stelle in einem größeren Unternehmen außerhalb Berlins anzutreten. Wir bedauern dies und wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute. ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift [Firma])

u

Qualifiziertes Zeugnis für einen Leiter/eine Leiterin Controlling mit sehr guter Bewertung Herr/Frau . . .,

war vom . . . bis zum . . . als Leiter/Leiterin der Abteilung Controlling tätig. Er/Sie hatte Führungsverantwortung für fünf Controller. Seine/Ihre Abteilung war zuständig insbesondere für das Controlling des Einkaufs. Er/ Sie war dem Vorstand Finanzen unmittelbar unterstellt. Der Tätigkeit von Herrn/Frau . . . ist es in erster Linie zu verdanken, dass während der Zeit seiner/ihrer Tätigkeit unser Unternehmen die Kosten im Einkauf trotz steigender Umsätze senken konnte. Herr/Frau . . . ist außerordentlich zuverlässig und in hohem Maße belastbar. Seine/Ihre Aufgaben erledigte er/sie stets zu unserer vollsten Zufriedenheit. Auch schwierige Situationen erfasste er/sie jederzeit sofort zutreffend und zog daraus die richtigen Schlüsse. Besonders hervorzuheben ist seine/ihre Fähigkeit, sich schnell in neue Sachverhalte einzuarbeiten und sehr zügig zu tragfähigen und ausgewogenen Lösungen zu gelangen. Das persönliche Verhalten von Herrn/Frau . . . war stets vorbildlich. Dies gilt gleichermaßen für sein/ihr Verhalten gegenüber der Geschäftsleitung wie auch gegenüber anderen Abteilungsleitern und . . . Kollegen. Besonders hervorzuheben ist seine/ihre Fähigkeit, seine/ihre Mitarbeiter auch in schwierigen Zeiten oder unter starker Belastung zu motivieren. Lingemann 987

24.6

Kap. 24

Zeugnis

M 24.7

Herr/Frau . . . scheidet zum . . . aus unserem Unternehmen aus, um eine Stelle in der Geschäftsleitung eines größeren Unternehmens zu übernehmen. Wir verlieren in ihm/ ihr einen/eine hervorragenden/hervorragende Mitarbeiter/Mitarbeiterin und bedauern sein/ihr Ausscheiden sehr. Wir danken ihm/ihr für seine/ihre langjährige Tätigkeit in unserem Unternehmen und wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute. ... (Ort, Datum)

24.7

... (Unterschrift [Firma])

u

Qualifiziertes Zeugnis für eine Assistentin mit unterdurchschnittlicher Bewertung

Frau . . ., geboren am . . . in . . ., war vom . . . bis zum . . . als Assistentin in unserer Hamburger Niederlassung tätig. Ihre Aufgabe bestand in der Erledigung von Schreibarbeiten nach Phonodiktat und der Ablage. Frau . . . schreibt zügig und im Wesentlichen fehlerfrei. Auch die Ablage gab nur in Einzelfällen zu Beanstandungen Anlass. Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt. Ihr Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen gab zu wesentlichen Beanstandungen keinen Anlass. Infolge einer Restrukturierung ist der Arbeitsplatz von Frau . . . weggefallen.1 Wir wünschen ihr für ihren weiteren Lebensweg alles Gute. ... (Ort, Datum)

... (Unterschrift [Firma])

1 Der Grund des Ausscheidens ist nur dann anzugeben, wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist (vgl. M 24.1, Fn. 1).

24.8

u

Klage auf Erteilung eines Zeugnisses

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 1 S. M 101.1 und M 101.2.

988 Lingemann/Diller

M 24.9

Zeugnis

Kap. 24

vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:2 Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistungen im Arbeitsverhältnis erstreckt. Begründung: Der Kl. war in der Zeit vom . . . bis . . . bei der Bekl. als . . . beschäftigt, sein Monatsgehalt betrug zuletzt Euro . . .3 Trotz mehrfacher Aufforderung4 hat die Bekl. dem Kl. bislang kein Zeugnis ausgestellt, obwohl der Kl. nach § 109 GewO einen Anspruch darauf hat.5 ... (Unterschrift)6 2

3 4

5

6

Wichtig: Die konkrete Formulierung des Zeugnisses ist Sache des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber das Zeugnis mit einem bestimmten Wortlaut ausstellt. Der Arbeitnehmer kann deshalb nicht den Antrag stellen, den Arbeitgeber zur Ausstellung eines der Klageschrift beigefügten fertig formulierten Zeugnisses zu verurteilen. In Betracht kommt nur eine nachträgliche Zeugnisberichtigungsklage, wenn der Arbeitnehmer mit dem vom Arbeitgeber ausgestellten Zeugnis in einzelnen Punkten nicht zufrieden ist (s. M 24.9). Die Angabe des Gehalts ist für die Schlüssigkeit der Klage nicht erforderlich, erleichtert aber dem Gericht die Streitwertberechnung (s. Fn. 6). Der Arbeitgeber hat ein Arbeitszeugnis grundsätzlich nur auf Verlangen des Arbeitnehmers auszustellen (§ 109 GewO). Es muss deshalb vorgetragen werden, dass außergerichtlich der Arbeitgeber erfolglos zur Erstellung des Zeugnisses aufgefordert worden war. Anderenfalls droht bei sofortigem Anerkenntnis des Arbeitgebers die negative Kostenfolge des § 93 ZPO. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Anspruch auf Erteilung des qualifizierten Zeugnisses tariflichen Verfallfristen unterfällt (vgl. BAG v. 23.2.1983, AP Nr. 10 zu § 70 BAT). Eine Verwirkung wird nur selten in Betracht kommen, da der Arbeitnehmer häufig bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht weiß, ob er das Arbeitszeugnis benötigt (s. allerdings BAG v. 17.2.1988, NZA 1988, 427). Der Streitwert einer Zeugnisklage beträgt im Regelfall ein Bruttomonatsgehalt (LAG Düsseldorf v. 5.11.1987, JurBüro 1988, 725; BAG v. 27.2.1987, AP Nr. 16 zu § 630 BGB). Die Dauer des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses ist für den Streitwert unerheblich (LAG Köln v. 26.8.1991, JurBüro 1992, 24).

u

Klage auf Berichtigung eines Zeugnisses1 An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . .

1 Tarifliche Ausschlussfristen sind zu beachten. Für den Berichtigungsanspruch beginnt allerdings die Ausschlussfrist erst zu laufen, wenn der Arbeitnehmer die erste Fassung des Zeugnisses erhalten hat, da er erst ab diesem Zeitpunkt beurteilen kann, ob das Zeugnis in Ordnung ist (BAG v. 23.2.1983, AP Nr. 10 zu § 70 BAT). Von besonderer Bedeutung hinsichtlich

Diller

989

24.9

Kap. 24

Zeugnis

M 24.9

(volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, das dem Kläger am . . . ausgehändigte Zeugnis in folgenden Punkten zu ändern bzw. zu berichtigen:3 1. Das Zeugnis ist auf dem offiziellen Briefbogen des Unternehmens neu auszustellen. 2. In der dritten Zeile ist der Schreibfehler „Vertrib“ in „Vertrieb“ zu korrigieren. 3. Der Auflistung der Aufgaben des Klägers im zweiten Absatz ist folgender Spiegelstrich anzufügen: „– Erstellung des Budgets für die gesamte Abteilung“. 4. Der letzte Satz des 5. Absatzes wird wie folgt gefasst: „Der Kläger hat die ihm obliegenden Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.“ 5. Das Zeugnis ist vom Geschäftsführer oder von einem Prokuristen zu unterschreiben. 6. Das Zeugnis ist auf den . . . zu datieren. Begründung: Der Kl. war bis zum . . . bei der Bekl. als . . . tätig, sein letztes Gehalt4 betrug Euro . . . pro Monat. Am . . . erteilte die Bekl. dem Kl. das als Anlage K 1 beigefügte Zeugnis, mit dem der Kl. jedoch in verschiedenen Punkten nicht einverstanden sein kann. Es ist anerkannt, dass ein Arbeitszeugnis auf ordnungsgemäßem Firmenbriefbogen geschrieben sein muss, nicht auf Blankopapier.5 Selbstverständlich darf das Arbeitszeugnis keine Schreibfehler enthalten.6 Ein Arbeitszeugnis muss – von Belanglosigkeiten abgesehen – die Aktivitäten des Arbeitnehmers umfassend darstellen. Der Kl. hatte unstreitig für die Aufstellung des Budgets seiner Abteilung zu sorgen. Dies ist eine außerordentlich verantwortungsvolle und schwierige Aufgabe. Dass der Kl. diese Aufgabe hatte, zeigt, welches Vertrauen die Bekl. in seine Leistungsfähigkeit hatte. Der Kl. hat deshalb einen Anspruch darauf, dass dieser Umstand im Zeugnis erwähnt wird.

2 3

4 5 6

des Zeugnisberichtigungsanspruchs ist die Verwirkung, die schon nach recht kurzen Zeiträumen in Betracht kommt (vgl. LAG Hamm v. 16.3.1989, BB 1989, 1486: 2 1/ 2 Monate; BAG v. 17.10.1972, BB 1973, 195: 5 Monate; BAG v. 12.1.1988, BB 1988, 978: 10 Monate). S. M 101.1 und M 101.2. Wichtig: Bei der Zeugnisberichtigungsklage reicht es nicht aus, wenn der Arbeitnehmer bestimmte Mängel des Zeugnisses rügt. Er muss zugleich im Klageantrag klarstellen, auf welche Weise die Mängel behoben werden sollen. Dazu ist es regelmäßig erforderlich, konkrete Formulierungen anzugeben, die in dem geänderten Zeugnis verwendet werden sollen (LAG Düsseldorf v. 21.8.1973, DB 1973, 1853). Die Angabe des Gehalts in der Klageschrift ist sinnvoll, da sie dem Gericht die Streitwertberechnung erleichtert. Das Zeugnis ist stets auf Firmenpapier zu verfassen, wenn das Unternehmen ein solches besitzt (BAG v. 3.3.1993, AP Nr. 20 zu § 630 BGB). Schreibfehler sind grundsätzlich zu berichtigen (zweifelhaft ArbG Düsseldorf v. 19.12.1984, NJW 1986, 1281).

990 Diller

M 24.9

Zeugnis

Kap. 24

Unzutreffend ist die Gesamtbewertung des Kl. im letzten Satz des 5. Absatzes des Zeugnisses vom . . . Es heißt dort wie folgt: „Die ihm übertragenen Aufgaben erledigte Herr . . . zu unserer Zufriedenheit“. Eine solche Beurteilung ist nach allgemeiner Auffassung erheblich unterdurchschnittlich. Die Leistungen des Kl. waren aber überdurchschnittlich, so dass sie die im Klageantrag begehrte überdurchschnittliche Bewertung rechtfertigen.7 Die Bekl. hat sich bis zuletzt immer lobend über den Kl. erwähnt. Zuletzt wurde ihm im Dezember . . . wegen besonderer Leistungen eine Gehaltserhöhung von Euro . . . bewilligt. Beweis: Belobigungsschreiben vom . . ., Anlage K 2 Nach allgemeiner Auffassung muss ein Arbeitszeugnis von der Geschäftsleitung oder zumindest einem Prokuristen unterschrieben sein. Die Unterschrift des Abteilungsleiters reicht nicht. Außerdem muss das Zeugnis stets auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses datiert sein.8, 9 ... (Unterschrift)10 7 Äußerst umstritten ist die Beweislastverteilung. Nach Auffassung des BAG trägt grundsätzlich der Arbeitgeber die Beweislast (BAG v. 25.10.1957, AP Nr. 1 zu § 630 BGB). Der Arbeitgeber habe grundsätzlich ein richtiges Zeugnis auszustellen, deshalb sei er für die gehörige Erfüllung nach den allgemeinen Regeln des BGB beweispflichtig. Allerdings gilt diese Beweislast nur eingeschränkt hinsichtlich der bewertenden Leistungsbeurteilung. Hier trifft den Arbeitgeber die Beweislast nur für die Richtigkeit einer unterdurchschnittlichen oder durchschnittlichen Bewertung. Verlangt der Arbeitnehmer dagegen eine überdurchschnittliche Bewertung, muss er darlegen, dass er tatsächlich überdurchschnittlich gut gewesen ist (BAG v. 14.10.2003, NZA 2004, 842). Allerdings hat das Arbeitsgericht Berlin (v. 26.10.2012 – 28 Ca 18230/11) darauf hingewiesen, dass mittlerweile in 86,6 % aller Zeugnisse „gute“ oder „sehr gute“ Leistungen bescheinigt werden. Deshalb könne einem Arbeitnehmer, der statt einer befriedigenden eine „gute“ Beurteilung erstrebe, nicht länger die Beweislast auferlegt werden, dass er tatsächlich gute Leistungen erbracht habe. Vielmehr habe der Arbeitgeber zu beweisen, dass dies nicht der Fall war. 8 Ein vom Arbeitgeber berichtigtes Zeugnis ist auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum zurückzudatieren (BAG v. 9.9.1992, AP Nr. 19 zu § 630 BGB). Dabei darf im Zeugnis weder die Tatsache vermerkt sein, dass es nachträglich ergänzt wurde, noch dass die Parteien gerichtlich darum gestritten haben (LAG BW v. 27.10.1966, BB 1967, 161). 9 Die Zeugniserteilung ist eine unvertretbare Handlung iSd. § 888 ZPO, insbesondere weil sie auf Firmenpapier erfolgen muss (BAG v. 29.1.1986, NZA 1987, 384). Die Zwangsvollstreckung erfolgt deshalb durch Zwangsgeld bzw. Zwangshaft. In Betracht kommt auch ein Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG (s. M 108.2). 10 Die Praxis der Arbeitsgerichte bei der Streitwertfestsetzung ist unterschiedlich. Teilweise wird wie bei der Klage auf Erteilung des Zeugnisses ein Streitwert von einem Monatsgehalt für angemessen erachtet (LAG Köln v. 26.8.1991, MDR 1991, 1177; LAG Rh.-Pf. v. 31.7.1991, NZA 1992, 524), teilweise auch nur von einem halben Monatsgehalt (LAG BW v. 30.11.1976, BB 1977, 400).

Diller

991

Kap. 25

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Kapitel 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Literaturübersicht: Bauer/Diller, Indirekte Wettbewerbsverbote, DB 1995, 426; Bauer/Diller, Karenzentschädigung und bedingte Wettbewerbsverbote bei Organmitgliedern, BB 1995, 1134; Bauer/Diller, Wechselwirkungen zwischen Wettbewerbstätigkeit, Ruhestand und betrieblicher Altersversorgung, BB 1997, 990; Bauer/Diller, Zulässige und unzulässige Bedingungen in Wettbewerbsverboten, DB 1997, 94; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 6. Aufl. 2012; Bauer/Diller, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote: Änderungen durch die Schuldrechtsreform, NJW 2002, 1609; Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl. 2012; Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, 1990; Bergwitz, Möglichkeiten des abberufenen GmbHGeschäftsführers zur Befreiung vom Wettbewerbsverbot, GmbHR 2006, 1129; Bergwitz, Befreiung der GmbH von der Karenzentschädigungspflicht beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot des abberufenen Geschäftsführers, GmbHR 2007, 523; Bossmann, Die Auswirkungen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer, 1993; Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, 1987; Brune, Bedingte Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 1989; Buchner, Wettbewerbsverbote während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 2. Aufl. 1995; Diller, Parallele nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Anstellungs-, Gesellschafts- und Unternehmenskaufverträgen, FS Buchner, 2009, S. 177; Diller/Wilske, Grenzüberschreitende Durchsetzung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote, DB 2007, 1866; Dorndorf, Freie Arbeitsplatzwahl und Recht am Arbeitsergebnis, 1979; Gaul/Khanian, Zulässigkeit und Grenzen arbeitsrechtlicher Regelungen zu Wettbewerbsverboten, MDR 2006, 181; Görg, Nachträgliche Geltungshindernisse und Leistungsstörungen bei Wettbewerbsvereinbarungen für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 1969; Gravenhorst, Die Zusage der Karenzentschädigung nach § 74 II HGB, NJW 2006, 3609; Grüll/Janert, Die Konkurrenzklausel, 5. Aufl. 1993; Grunsky, Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 2. Aufl. 1987; Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, 5. Aufl. 2009; Hunold, Rechtsprechung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, NZA-RR 2007, 617; Karlsfeld, Die Lösung vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot – Vorsicht, Haftungsfalle!, ArbRB 2007, 248; Koch, Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im einseitig vorformulierten Arbeitsvertrag, RdA 2006, 28; Löwe, Der Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, 1988; Menke, Gestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, NJW 2009, 636; Mückl, Erfolgreiche Taktik beim Umgang mit Wettbewerbsverboten, FA 2008, 194; Reinfeld, Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 1993; Reinhard, Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeitsrecht, ArbRB 2007, 297; Reufels/Schewiola, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern, ArbRB 2008, 57; Röhsler/Borrmann, Wettbewerbsbeschränkungen für Arbeitnehmer und Handelsvertreter, 1981; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, 1998.

I. Einführung 1. Rechtsgrundlagen 1

§ 74 HGB definiert das Wettbewerbsverbot als eine Vereinbarung, die den Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Die §§ 74 ff. HGB galten ursprünglich nur für kaufmännische Angestellte. Die Rechtsprechung wendet aber seit den 1960er Jahren die Vorschriften generell auf Wettbewerbsverbote mit allen Arbeitnehmern an; dies ist jetzt in § 110 GewO auch gesetzlich verankert.1 Nicht unmittelbar anwendbar sind die §§ 74 ff. HGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dagegen für GmbH1 Seit BAG v. 13.9.1969, AP Nr. 24 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel.

992 Diller

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und sonstige Organmitglieder.2 Hier ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die analoge Anwendung einzelner Vorschriften der §§ 74 ff. HGB in Betracht kommt. Bejaht wird dies beispielsweise bei den §§ 75 und 75a HGB3 (Lösung, Verzicht), nicht dagegen bei § 74c HGB4 (Anrechnung anderweitigen Verdiensts) und § 74 Abs. 2 HGB (Erfordernis einer mindestens 50%igen Karenzentschädigung).5

2. Form § 74 Abs. 1 HGB enthält für nachvertragliche Wettbewerbsverbote eine äußerst scharfe Formvorschrift, die in der Praxis häufig missachtet wird. Erforderlich ist nicht nur Schriftform, sondern auch die Aushändigung einer vom Arbeitgeber original unterzeichneten Abschrift der Vereinbarung.

2

Praxistipp: Da der Arbeitgeber die Beweislast dafür trägt, dass dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss die Abschrift ausgehändigt wurde, und der Abschluss des Wettbewerbsverbots beim Ausscheiden des Arbeitnehmers oft Jahrzehnte zurückliegt, entstehen hier schnell Beweisprobleme. Unverzichtbar für den Arbeitgeber ist es deshalb, sich den Erhalt der unterschriebenen Abschrift vom Arbeitnehmer schriftlich bestätigen zu lassen. Wegen § 309 Nr. 12b BGB sollte die Bestätigung vom Arbeitnehmer unbedingt getrennt unterschrieben werden (s. M 25.1). § 74 Abs. 1 HGB verlangt, dass die vom Arbeitgeber unterzeichnete Abschrift unmittelbar bei oder nach Abschluss des Wettbewerbsverbots ausgehändigt wird, eine spätere Aushändigung heilt das Wettbewerbsverbot nicht mehr.

3

3. Karenzentschädigung Gemäß § 74 Abs. 2 HGB ist das Wettbewerbsverbot nur verbindlich, wenn dem Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zugesagt wird, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der vertragsgemäßen Leistungen erreicht. Liegt die zugesagte Entschädigung auch nur 1 Euro darunter, ist das Verbot unverbindlich. In der Praxis werden hier häufig Fehler gemacht.

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Praxistipp: Am sichersten ist es, den Text des § 74 Abs. 2 HGB (ohne das Wort „mindestens“!) wörtlich abzuschreiben. Jede andere Formulierung birgt die Gefahr, dass die Rechtsprechung vermutet, mit der vom Gesetz abweichenden Formulierung habe der Arbeitgeber die zugesagte Entschädigung bewusst niedriger als in § 74 Abs. 2 HGB gefordert festsetzen wollen.6

5

Die Berechnung der Karenzentschädigung erfolgt zweistufig. Soweit es um Festbezüge (Lohn, Gehalt) geht, kommt es nur auf die „zuletzt bezogenen“ Leistungen an. Maßgeblich ist also der letzte Monatslohn bzw. das letzte Monatsgehalt vor dem Ausscheiden. Deshalb ist es nicht ausreichend, wenn dem Arbeitnehmer zB der Durchschnitt des letzten Jahres oder der letzten drei Jahre zugesagt wird. Anders ist es dagegen bei variablen Vergütungen wie Prämien, Tantiemen, Provisionen, Boni

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BGH v. 26.3.1984, BGHZ 91, 1. BGH v. 17.2.1992, DB 1992, 936; OLG Celle v. 21.9.1979, GmbHR 1980, 36. BGH v. 15.4.1991, DB 1991, 1508; v. 28.4.2008, NZG 2008, 664. Vgl. im Einzelnen M 25.2. Vgl. die umfassenden Beispiele bei Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 451.

Diller

993

Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

etc. Hier regelt § 74b Abs. 2 HGB ausdrücklich, dass es auf den Zeitraum der letzten 36 Monate vor dem Ausscheiden ankommt. In die Berechnung der Karenzentschädigung einzubeziehen sind sämtliche geldwerten Leistungen, die der Arbeitnehmer erhält, egal um welche Leistungen es sich handelt (Dienstwagen, Sozialleistungen, Weihnachtsgeld, Mietzuschuss etc.). Ob auf die Leistungen ein Rechtsanspruch besteht oder der Arbeitnehmer sie freiwillig erhalten hat, spielt keine Rolle.7 7

Ist eine zu niedrige Entschädigung zugesagt, ist das Wettbewerbsverbot nicht nichtig, sondern „unverbindlich“. Nach der Rechtsprechung hat der Arbeitnehmer bei einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot ein Wahlrecht.8 Er kann sich beim Ausscheiden für die Einhaltung des Verbots entscheiden und erhält dann die zugesagte (zu niedrige) Karenzentschädigung. Der Arbeitnehmer kann sich aber auch für die Nicht-Einhaltung des Verbots entscheiden, erhält dann aber natürlich keine Karenzentschädigung.

4. Bedingte Wettbewerbsverbote 8

Ein Dauerbrenner in der Rechtsprechung sind die sog. „bedingten“ Wettbewerbsverbote.9 Darunter versteht man Vertragsgestaltungen, bei denen sich der Arbeitgeber letztlich vorbehalten will, ob er das Verbot im Ernstfall in Kraft setzt oder nicht. Hierunter fallen Klauseln, nach denen der Arbeitgeber sich vorbehält, ein Wettbewerbsverbot auszusprechen, es dem Arbeitnehmer aufzuerlegen, es in Kraft zu setzen oder geltend zu machen. Den gleichen Effekt versuchen Arbeitgeber häufig auch durch eine Klausel zu erreichen, wonach sie bis zuletzt von dem Verbot zurücktreten oder darauf verzichten können oder die Zustimmung zu einer Konkurrenztätigkeit erteilt werden kann. Diese Konstruktionen dienen letztlich nur dazu, den Arbeitnehmer um die Karenzentschädigung zu bringen. Der Arbeitgeber will abwarten, ob der Arbeitnehmer sich nach dem Ausscheiden in der gleichen Branche orientiert, und das Verbot nur in diesem Fall geltend machen. Dies würde dazu führen, dass der Arbeitnehmer von vornherein eine konkurrenzfreie Tätigkeit aufnimmt und dann um die Entschädigung gebracht würde. Der Arbeitgeber hätte also sein Ziel erreicht, ohne Karenzentschädigung zahlen zu müssen. Deshalb verweigert die Rechtsprechung10 solchen „bedingten Wettbewerbsverboten“ die Anerkennung und behandelt sie als unverbindlich mit der Maßgabe, dass der Arbeitnehmer (wie bei einer zu niedrigen Karenzentschädigung) die Wahl hat, ob er das bedingte Wettbewerbsverbot einhält und die (eigentlich nur vorbehaltlich zugesagte) Karenzentschädigung bekommen will oder ob er das Verbot ignoriert.

5. Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers/unbillige Erschwerung 9

Eine weitere Grenze für Wettbewerbsverbote enthält § 74a Abs. 1 HGB. Danach ist ein Wettbewerbsverbot – auch bei ausreichender Entschädigungszusage! – unverbindlich, soweit es nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Rechtsfolge der Unverbindlichkeit ist ein Wahlrecht des Ar7 8 9 10

BAG v. 16.11.1973, AP Nr. 34 zu § 74 HGB. BAG v. 13.9.1969, AP Nr. 24 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel. Ausführlich Bauer/Diller, DB 1997, 94. Nachweise bei Bauer/Diller, DB 1997, 94.

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beitnehmers (s. oben Rz. 8). Als berechtigtes geschäftliches Interesse anerkannt ist der Wunsch nach Geheimhaltung von innerbetrieblichem Know-how (Rezepturen, Fertigungsverfahren, Marketing-Strategien etc.) sowie der Schutz von Kunden und Lieferanten. Dementsprechend sind Wettbewerbsverbote vor allem bei Ingenieuren in Forschung und Entwicklung sowie bei Vertriebsmitarbeitern in leitender Stellung anzutreffen. Nicht ausreichend ist dagegen der bloße Wunsch des Arbeitgebers, eine fähige Kraft für die Konkurrenz zu sperren.11 Nach § 74a Abs. 1 HGB ist ein Wettbewerbsverbot weiter unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der zugesagten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält. Insbesondere bei hoch spezialisierten Arbeitnehmern mit schnell veraltendem Knowhow kann ein Wettbewerbsverbot eine unbillige Erschwerung darstellen, wenn nur eine 50%ige Karenzentschädigung zugesagt ist und der Arbeitnehmer de facto nach seinem Ausscheiden einen komplett neuen Beruf erlernen muss.

10

Die Höchstdauer des Wettbewerbsverbots beträgt gemäß § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB zwei Jahre. Die Zwei-Jahres-Frist rechnet ab der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (nicht ab einer früheren Freistellung). Ist ein Verbot von mehr als zwei Jahren vereinbart, bleibt es für die ersten beiden Jahre verbindlich, während es für die Zeit danach unverbindlich ist (Wahlrecht des Arbeitnehmers).

11

6. Anrechnung anderweitigen Erwerbs Tritt das Wettbewerbsverbot in Kraft, hat sich der Arbeitnehmer auf die zu zahlende Karenzentschädigung gemäß § 74c HGB einen anderweitigen Erwerb anrechnen zu lassen. Es gilt das Prinzip der „Gleichheit von Berechnung und Anrechnung“.12 Anrechnen lassen muss sich der Arbeitnehmer also alles, was auch bei der Berechnung der Karenzentschädigung13 zugrunde zu legen ist. Anzurechnen sind also sämtliche geldwerten Leistungen, die der Arbeitnehmer von einem neuen Arbeitgeber erhält. Anrechenbar ist auch Arbeitslosengeld.14 Um die Anrechnung durchführen zu können, gibt § 74c Abs. 2 HGB dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunftserteilung über anderweitigen Erwerb, was nach der Rechtsprechung15 die Vorlage geeigneter Nachweise einschließt (vgl. M 25.7). Die Anrechnung anderweitigen Erwerbs nach § 74c HGB beginnt erst dann, wenn der neue Verdienst des Arbeitnehmers zusammen mit der gezahlten Entschädigung 110 % seiner letzten Bezüge übersteigt. War der Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so greift statt der 110 % eine Grenze von 125 %.

12

7. Lösung vom Verbot bei Kündigung In der Praxis besonders fehlerträchtig ist die unübersichtliche Lösungsregelung des § 75 HGB. Kündigt der Arbeitnehmer berechtigt fristlos wegen vertragswidrigen 11 12 13 14

BAG v. 1.8.1995, AP Nr. 5 zu § 74a HGB. BAG v. 16.11.1973, AP Nr. 34 zu § 74 HGB. S. die Erläuterungen oben unter Rz. 4 ff. So früher BAG v. 25.6.1985, AP Nr. 11 zu § 74c HGB. Ob das heute noch gilt, ist allerdings fraglich (offen gelassen in BAG v. 14.9.2011, NZA-RR 2012, 98). 15 BAG v. 25.2.1975, AP Nr. 6 zu § 74c HGB.

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Verhaltens des Arbeitgebers, so kann er sich durch Erklärung binnen eines Monats gemäß § 75 Abs. 1 HGB von dem Wettbewerbsverbot lösen (vgl. M 25.4). Das gleiche Lösungsrecht hat der Arbeitgeber, wenn er berechtigt fristlos wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kündigt (vgl. M 25.6). Die ursprünglich für diesen Fall in § 75 Abs. 3 HGB vorgesehene Rechtsfolge (Bestehenbleiben des Verbots bei Wegfall der Entschädigungsfrist) ist vom Bundesverfassungsgericht16 für verfassungswidrig erklärt worden; die entstandene Lücke wurde durch entsprechende Anwendung des Abs. 1 geschlossen. 14

Besonders unübersichtlich ist das Lösungsrecht des Arbeitnehmers gemäß § 75 Abs. 2 HGB, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigt, ohne dass Gründe in der Person des Arbeitnehmers vorliegen. Hauptfall ist die betriebsbedingte Kündigung. In solchen Fällen ergibt sich aus der in § 75 Abs. 2 HGB vorgesehenen entsprechenden Geltung des § 75 Abs. 1 HGB, dass der Arbeitnehmer sich binnen eines Monats nach Kündigungserklärung von dem Verbot lösen kann. Der Arbeitgeber kann das Lösungsrecht nur dadurch abwenden, dass er zugleich mit der Kündigungserklärung die Karenzentschädigung auf 100 % aufstockt (vgl. M 25.5).

8. Verzicht des Arbeitgebers 15

Nicht mit dem Lösungsrecht des § 75 HGB verwechselt werden darf das Verzichtsrecht des § 75a HGB. Dieses Recht steht nur dem Arbeitgeber zu. Der Verzicht kann nur während der Dauer des Anstellungsverhältnisses erklärt werden, nach seinem Ende nicht mehr. Die Wirkung eines erklärten Verzichts auf die wechselseitigen Hauptleistungspflichten ist unterschiedlich geregelt. Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Wettbewerbsunterlassung fällt unmittelbar mit dem Ausspruch des Verzichts weg. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Karenzentschädigung entfällt dagegen erst zwölf Monate später. Endet also das Arbeitsverhältnis früher als zwölf Monate nach Ausspruch des Verzichts, muss noch anteilige Karenzentschädigung gezahlt werden (s. dazu im Einzelnen M 25.3). Das Verzichtsrecht aus § 75a HGB ist für den Arbeitgeber deshalb besonders bedeutsam, weil es ihm die Möglichkeit bietet, sich von einem unverbindlich oder uninteressant gewordenen Wettbewerbsverbot rechtzeitig zu befreien.

9. Streitigkeiten 16

Tritt das Wettbewerbsverbot mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers in Kraft, so hat dieser jegliche Wettbewerbstätigkeit zu unterlassen. Verstößt er gegen das Verbot, verliert er für die Dauer des Verstoßes den Entschädigungsanspruch. Zugleich kann ihn der Arbeitgeber per einstweiliger Verfügung zur Einhaltung des Verbots anhalten (vgl. M 25.11). Hat die weitere Einhaltung des Wettbewerbsverbots wegen der bereits erfolgten Verstöße des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber kein Interesse mehr, kann dieser sich unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 323 BGB von dem Verbot lösen (vgl. M 25.8). Zahlt der Arbeitgeber nicht die zugesagte Karenzentschädigung, kann der Arbeitnehmer auf Zahlung klagen (vgl. M 25.10). Der Arbeitnehmer kann auch eine Nachfrist setzen und sich bei beharrlicher Nicht-Zahlung 16 BVerfG v. 23.2.1977, AP Nr. 6 zu § 75 HGB.

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der Entschädigung vom Wettbewerbsverbot lösen (vgl. M 25.9). Besteht Streit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Wirksamkeit des Verbots, kann der Streit vorab durch Feststellungsklage geklärt werden (vgl. M 25.13).

II. Muster

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Wettbewerbsverbot mit einem Arbeitnehmer Vereinbarung Zwischen der Firma . . . (im Folgenden: Firma) und Herrn/Frau . . . (im Folgenden: Mitarbeiter) wird folgendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart:

1. Dem Mitarbeiter ist es untersagt, auf die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Mitarbeiter untersagt, während der Dauer dieses Verbots ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten der mit der Firma verbundenen Unternehmen.1 2. Während der Dauer des Wettbewerbsverbots erhält der Mitarbeiter eine Entschädigung, die für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der von dem Mitarbeiter zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen beträgt.2 3. Der Mitarbeiter muss sich anderweitigen Erwerb nach Maßgabe von § 74c HGB auf die Entschädigung anrechnen lassen. Der Mitarbeiter hat jeweils zum Quartalsende unaufgefordert mitzuteilen, ob und in welcher Höhe er anderweitige Einkünfte bezieht. Auf Verlangen sind die Angaben zu belegen. 4. Für jede Handlung, durch die der Mitarbeiter das Verbot schuldhaft verletzt, hat er eine Vertragsstrafe in Höhe des letzten Bruttomonatsgehalts zu zahlen. Besteht die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreter- oder Beraterverhältnis), wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die kapitalmäßige Beteiligung oder das Dauer1 Die hier gewählten Formulierungen sind sehr weitgehend. Teile des Verbots werden nicht von dem nach § 74a Abs. 1 HGB erforderlichen geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers gedeckt sein. Das ist jedoch unschädlich, da § 74a Abs. 1 HGB ausdrücklich eine geltungserhaltende Reduktion vorsieht. 2 Praxistipp: Vor einer genauen Beschreibung der Berechnungsmechanismen kann nur dringend gewarnt werden, da die Rechtsprechung bei jeder noch so marginalen Abweichung von den §§ 74 ff. HGB das Verbot für unverbindlich erklärt.

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Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.1

schuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Bei Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen ist der gesamte Betrag der zu zahlenden Vertragsstrafen auf das Sechsfache des letzten Bruttomonatsgehalts begrenzt. Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung (zB Unterlassungsansprüche, Wegfall des Anspruchs auf Karenzentschädigung für die Dauer des Verstoßes etc.).3 5. Das Wettbewerbsverbot gilt auch mit einem Rechtsnachfolger des Betriebs, insbesondere geht es bei einer Veräußerung auf den Erwerber über. Der Arbeitnehmer ist mit dem Übergang der Rechte aus dieser Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger einverstanden.4 6. Das Wettbewerbsverbot tritt nicht in Kraft, wenn der Mitarbeiter bei seinem Ausscheiden die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht oder das Arbeitsverhältnis weniger als ein Jahr bestanden hat.5 7. Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB.6 ... (Ort, Datum) ... (Firma)

... (Mitarbeiter)

Der Mitarbeiter bestätigt, eine von der Firma unterschriebene vollständige Abschrift dieser Vereinbarung erhalten zu haben.7 ... (Mitarbeiter) 3

4

5 6 7

Praxistipp: Ein Wettbewerbsverbot ohne Vertragsstrafe ist das Papier nicht wert, auf dem es steht, da ohne Vertragsstrafe keine wirksame Abschreckung erzielt werden kann. Auch nach der Schuldrechtsreform sind trotz § 309 Nr. 6 BGB Vertragsstrafen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote zulässig (Bauer/Diller, NJW 2002, 1614). Die früher verbreiteten Standardvertragsstrafeklauseln (s. 3. Aufl.) hat das BAG mit Entscheidung v. 14.8.2007 (NZA 2008, 170) für unwirksam erklärt, da sie dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht genügten (ausf. Diller, NZA 2008, 574). Diese Klausel ist sinnvoll, da umstritten ist, ob im Zuge einer Betriebsveräußerung nach § 613a BGB Wettbewerbsverbote auf den Erwerber übergehen, insbesondere wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist (im Einzelnen Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 984 ff.). Die Zulässigkeit dieser Klausel ist allerdings wegen § 309 Nr. 10 BGB nicht unumstritten (dazu Bauer/Diller, NJW 2002, 1614). Solche „objektiven“, also willensunabhängigen Bedingungen sind zulässig und führen nicht zu einem unverbindlich „bedingten Wettbewerbsverbot“. Dieser Hinweis ist zwar rechtlich nicht erforderlich, weil §§ 74 ff. HGB ohnehin gelten. Der Hinweis verdeutlicht aber, dass grundsätzlich keine Abweichungen von den §§ 74 ff. HGB beabsichtigt sind (was die Wirksamkeit des Verbots in Frage stellen könnte). Vgl. oben Einf. Rz. 2 f.

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M 25.2

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

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Wettbewerbsverbot mit einem Organmitglied1

1. Herrn . . . ist es untersagt, auf die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma im direkten oder indirekten Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es Herrn . . . untersagt, während der Dauer dieses Verbots ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten der mit der Firma verbundenen Unternehmen. 2. Für die Dauer des Verbots erhält Herr . . . eine Entschädigung in Höhe von 50 % seiner letzten festen Vergütung. Die Entschädigung wird auf laufende Leistungen aus der Versorgungszusage angerechnet.2 3. Das Verbot gilt räumlich für [Deutschland/Europa/alle Länder, in denen die Firma selbst oder über Tochtergesellschaften im Moment des Ausscheidens von Herrn . . . tätig ist]. 4. Auf die Entschädigung muss sich Herr . . . anderweitige Bezüge insofern anrechnen lassen, wie diese zusammen mit der Entschädigung 100 % der zuletzt bezogenen festen Vergütung übersteigen.3 Herr . . . hat über anderweitige Einkünfte zum Ende eines jeden Quartals unaufgefordert Auskunft zu geben, die Auskunft ist auf Anforderung zu belegen. 5. Für jede Handlung, durch die Herr . . . das Verbot schuldhaft verletzt, hat er eine Vertragsstrafe in Höhe des letzten Bruttomonatsgehalts zu zahlen. Besteht die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreter- oder Beraterverhältnis), wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die kapitalmäßige Beteiligung oder das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Bei Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen ist der gesamte Betrag der zu zahlenden Vertragsstrafen auf das Sechsfache des letzten Bruttomonatsgehalts begrenzt. Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetz1 Umfassend dazu Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885 ff. 2 Nach herrschender Auffassung (ausführlich Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885) ist jedenfalls bei umfassenden Tätigkeitsverboten auch für GmbH-Geschäftsführer eine Karenzentschädigung zuzusagen, weil sonst das Verbot gegen § 138 BGB verstößt. Allerdings braucht die Höhe der Karenzentschädigung nicht § 74 Abs. 2 HGB zu entsprechen (BGH v. 26.3.1984, BGHZ 91, 5). Nach verbreiteter Auffassung (Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885) ist bspw. eine Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der Festbezüge (ohne variable Vergütungen, vgl. aber § 74b HGB) ausreichend, jedenfalls wenn nicht die variable Vergütung die Festvergütung übersteigt. 3 Praxistipp: Nach der Rechtsprechung des BGH gilt für GmbH-Geschäftsführer § 74c HGB nicht analog (BGH v. 15.4.1991, DB 1991, 1508; v. 28.4.2008, NZG 2008, 664). Deshalb muss die Anrechnung anderweitigen Erwerbs bei GmbH-Geschäftsführern ausdrücklich geregelt werden. Dabei sind die Parteien nicht an die 110 %-Grenze des § 74c HGB gebunden.

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25.2

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Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.3

lichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung (zB Unterlassungsansprüche, Wegfall des Anspruchs auf Karenzentschädigung für die Dauer des Verstoßes etc.).4 6. Das Wettbewerbsverbot tritt nicht in Kraft, wenn Herr . . . bei seinem Ausscheiden die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Sozialversicherung erreicht oder das Anstellungsverhältnis weniger als ein Jahr bestanden hat. 7. Soweit vorstehende Regelungen nichts anderes bestimmen, gelten §§ 74 ff. HGB entsprechend, insbesondere § 74a HGB (geltungserhaltende Reduktion).5 8. Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden, so wird hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt diejenige wirksame Bestimmung als vereinbart, welche dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt. Dies gilt auch dann, wenn die Unwirksamkeit einer Bestimmung auf einem Maß der Leistung oder der Zeit beruht; es gilt dann das rechtlich zulässige Maß.6 Praxistipp: Ein Wettbewerbsverbot ohne Vertragsstrafe ist das Papier nicht wert, auf dem es steht, da ohne Vertragsstrafe keine wirksame Abschreckung erzielt werden kann. Auch nach der Schuldrechtsreform sind trotz § 309 Nr. 6 BGB Vertragsstrafen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote zulässig (Bauer/Diller, NJW 2002, 1614). Die früher verbreiteten Standardvertragsstrafeklauseln (s. 3. Aufl.) hat das BAG mit Entscheidung v. 14.8.2007 (NZA 2008, 170) für unwirksam erklärt, da sie dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht genügten (ausf. Diller, NZA 2008, 574). 5 Das zentrale Problem bei Wettbewerbsverboten mit Organmitgliedern ist die Frage der geltungserhaltenden Reduktion. Diese ergibt sich bei Arbeitnehmern aus der gesetzlichen Regelung in § 74a HGB. Für Organmitglieder dagegen, deren Wettbewerbsverbote die Rechtsprechung an § 138 BGB misst, soll nach der – verfehlten – Rechtsprechung des BGH eine geltungserhaltende Reduktion ausscheiden, wenn sich die Unwirksamkeit des Verbots aus einer unangemessen weit reichenden sachlichen oder geografischen Reichweite des Verbots ergibt. Zulässig sein muss aber, durch ausdrückliche Inbezugnahme von § 74a HGB vertraglich die geltungserhaltende Reduktion auch bei Organmitgliedern zu vereinbaren. 6 Wichtig: Eine solche salvatorische Klausel ist bei Wettbewerbsverboten mit GmbH-Geschäftsführern unerlässlich. Denn nach der Rechtsprechung des BGH kommt bei einem zu weit gefassten Wettbewerbsverbot entgegen der für Arbeitnehmer geltenden Regelung des § 74a HGB bei GmbH-Geschäftsführern grundsätzlich keine geltungserhaltende Reduktion in Betracht (BGH v. 28.4.1986, WM 1986, 1252 und v. 29.10.1990, GmbHR 1991, 17, s. Fn. 5). Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern, die keine salvatorischen Klauseln enthalten, sind daher so gut wie wertlos. 4

25.3

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Verzicht des Arbeitgebers gemäß § 75a HGB1, 2, 3, 4

Sehr geehrter Herr/Frau . . ., hiermit verzichten wir nach § 75a HGB auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gemäß § . . . Ihres Anstellungsvertrages. Auf Grund des Verzichts wird unser Unter1 Gemäß § 75a HGB kann der Arbeitgeber vor Beendigung des Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot verzichten. Der Verzicht wirkt – was in der Praxis oft verkannt wird – auf die wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Wettbewerbsverbot unterschiedlich. Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Unterlassung von Wettbewerb erlischt mit Zu-

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Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

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nehmen mit Ablauf eines Jahres seit dem Zugang dieser Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung frei. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) gang der Verzichtserklärung mit sofortiger Wirkung. Allerdings bleibt trotz der Verzichtserklärung das gesetzliche Wettbewerbsverbot aus § 60 HGB, § 241 BGB noch solange bestehen, wie das Arbeitsverhältnis rechtlich besteht. Die Entschädigungspflicht des Arbeitgebers endet jedoch erst ein Jahr nach Zugang der Verzichtserklärung, wobei selbstverständlich die Entschädigungspflicht erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses beginnt, nicht schon mit dem Zugang der Verzichtserklärung. In der Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist während der Jahresfrist die Entschädigung auch dann zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer bei einem Konkurrenzunternehmen tätig ist (ArbG Stuttgart v. 30.11.1995, NZA-RR 1996, 165; LAG BW v. 4.11.1997 – 7 Sa 29/97, nv.; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 594). Erklärt der Arbeitgeber beispielsweise am 28.9. dem Arbeitnehmer die fristgemäße ordentliche Kündigung zum 31.12. und verzichtet er gleichzeitig auf das Wettbewerbsverbot, so ergeben sich folgende Konsequenzen: Der Arbeitnehmer ist in der Zeit bis zum 31.12. noch an das gesetzliche Wettbewerbsverbot aus § 60 HGB, § 241 BGB gebunden, kann aber ab dem 1.1. unbeschränkt Wettbewerb machen. In der Zeit zwischen dem 28.9. und dem 31.12. erhält der Arbeitnehmer seine normalen Bezüge. In der Zeit vom 1.1. bis zum 27.9. des Folgejahres erhält der Arbeitnehmer dann die Karenzentschädigung, egal ob er für die Konkurrenz tätig ist oder nicht. 2 Wichtig: Das Verzichtsrecht nach § 75a HGB besteht auch bei einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot (BAG v. 19.1.1978, AP Nr. 36 zu § 74 HGB; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 570). Bei unverbindlichen Wettbewerbsverboten ist das Verzichtsrecht sogar besonders wichtig, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dessen Wahlrecht nur durch rechtzeitigen Verzicht aus der Hand nehmen kann. 3 Oft übersehen wird, dass der Verzicht nach § 75a HGB nur während des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werden kann. Auf die Kündigungsfrist des Arbeitsverhältnisses kommt es nicht an, so dass der Verzicht wirksam noch am letzten Tag erklärt werden kann, auch wenn der Arbeitnehmer vorher schon gekündigt und freigestellt war (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 571 mwN). Bei einer fristlosen Kündigung muss der Verzicht spätestens zusammen mit der Kündigung ausgesprochen werden (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 573). Klauseln, nach denen der Arbeitgeber den Verzicht auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen kann, sind unzulässig und führen zu einem unverbindlichen „bedingten“ Wettbewerbsverbot (s. oben Einf. Rz. 8). Wird der Verzicht erst nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen, kann er nicht mehr nach § 75a HGB wirksam werden. Unter bestimmten Umständen (näher dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 612) kann die Verzichtserklärung dann jedoch umgedeutet werden in ein Angebot auf einvernehmliche Aufhebung des Wettbewerbsverbots. 4 Wichtig: Für die Verzichtserklärung nach § 75a HGB ist Schriftform erforderlich. Da es sich um eine gesetzliche Formvorschrift iSd. § 126 BGB handelt, reicht eine Verzichtserklärung per Fax nicht aus, BGH v. 28.1.1993, NJW 1993, 1126 (näher dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 575). Als einseitiges Gestaltungsrecht ist der Verzicht grundsätzlich bedingungsfeindlich. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass eine Verzichtserklärung nach § 75a HGB keine Vorbehalte enthalten darf. Unwirksam ist die Verzichtserklärung auch dann, wenn sie so formuliert ist, dass der Arbeitnehmer nicht sofort, sondern erst ein Jahr nach der Erklärung von der Wettbewerbsunterlassung frei werden soll (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 579 ff., 586 f. mwN).

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25.4

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.4

Lösungserklärung des Arbeitnehmers1 gemäß § 75 Abs. 12, 3, 4 oder 25, 6, 7, 8 HGB

Sehr geehrter Herr (Geschäftsführer), hiermit erkläre ich gemäß § 75 Abs. 1/Abs. 2 HGB, dass ich mich an das Wettbewerbsverbot ab sofort nicht mehr gebunden erachte. 1

2

3

4

5

Wichtig: § 75 HGB ist eine völlig missglückte Regelung, die sich bei unbefangenem Lesen des Gesetzestextes in keiner Weise erschließt. Für den Arbeitnehmer hält § 75 HGB zwei verschiedene Lösungsmöglichkeiten bereit: Zum einen besteht das Lösungsrecht nach § 75 Abs. 1 HGB für den (in der Praxis seltenen) Fall, dass der Arbeitnehmer wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers selbst fristlos kündigt. Größere Bedeutung hat dagegen die Verzichtsmöglichkeit nach § 75 Abs. 2 HGB bei Ausspruch einer nicht-personenbedingten ordentlichen Kündigung seitens des Arbeitgebers (insbesondere bei betriebsbedingter Kündigung). Zu beachten ist, dass in beiden Varianten das Wettbewerbsverbot nicht von selbst entfällt, sondern nur, wenn der Arbeitnehmer binnen eines Monats und schriftlich die Lösung vom Verbot erklärt. Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers kommt beispielsweise in Betracht, wenn der Arbeitgeber das Gehalt nicht mehr zahlt, den Arbeitnehmer zur Begehung von Straftaten nötigt etc. Entsprechend § 90a Abs. 3 HGB muss das zur Kündigung führende Verhalten des Arbeitgebers allerdings „schuldhaft“ sein, was zB bei einer Insolvenz auf Grund unvorhergesehener Umstände fehlen kann (dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 623). Das Lösungsrecht des Arbeitnehmers nach § 75 Abs. 1 HGB setzt nicht voraus, dass tatsächlich eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen wird (BAG v. 26.9.1963, AP Nr. 1 zu § 75 HGB). Das Lösungsrecht besteht vielmehr auch dann, wenn der Arbeitnehmer zwar zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigt wäre, aber stattdessen nur ordentlich kündigt (etwa um sich für eine gewisse Zeit das Einkommen zu sichern) oder einen Aufhebungsvertrag abschließt. Allerdings muss der Arbeitnehmer, wenn er sich die Rechte aus § 75 Abs. 1 HGB erhalten will, beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder beim Ausspruch einer ordentlichen Kündigung klar zu erkennen geben, dass er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade wegen des vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers will (ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 628 ff.). Die Monatsfrist für die Abgabe der Lösungserklärung nach § 75 Abs. 1 HGB läuft grundsätzlich ab dem Zugang der Kündigung, nicht ab der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Lösungserklärung muss schriftlich erfolgen, so dass insbesondere konkludente Erklärungen oder Faxe nicht ausreichen. Zu beachten ist im Zusammenhang mit einer Lösungserklärung nach § 75 Abs. 1 HGB immer auch § 628 Abs. 2 BGB. Danach ist der Vertragspartner, der durch vertragswidriges Verhalten eine außerordentliche Kündigung verursacht, dem Kündigenden zu Schadensersatz verpflichtet. Der Arbeitnehmer kann deshalb nach Abgabe der Lösungserklärung nach § 75 Abs. 1 HGB die ihm entgehende Karenzentschädigung unter Umständen gemäß § 628 Abs. 2 BGB als Schadensersatz verlangen (BAG v. 23.2.1977, AP Nr. 6 zu § 75 HGB unter I.2.d der Gründe). Spricht der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung aus (bei außerordentlicher Kündigung gilt § 75 Abs. 3 HGB, dazu s. M 25.6), hat er kein Lösungsrecht. Vielmehr hat der Arbeitnehmer ein Lösungsrecht, wenn die Kündigung nicht auf personenbedingten Gründen beruht. Dieses Lösungsrecht kann der Arbeitgeber dadurch abwenden, dass er bei Ausspruch der Kündigung die Karenzentschädigung auf 100 % der letzten Bezüge erhöht (M 25.5). Nach seinem Wortlaut setzt § 75 Abs. 2 HGB zwar eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers voraus. Nach einhelliger Auffassung ist aber ein Aufhebungsvertrag grundsätzlich gleichzustellen, der auf Veranlassung des Arbeitgebers geschlossen wird (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 628). Das Lösungsrecht ist davon abhängig, dass nicht ein „erheblicher Anlass in der Person des Arbeitnehmers“ zur Kündigung geführt hat. Entgegen dem irreführenden Wortlaut schließen

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M 25.5

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) nicht nur personenbedingte, sondern vor allem auch verhaltensbedingte Kündigungsgründe das Lösungsrecht aus. Auf Verschulden des Arbeitnehmers kommt es nicht an, so dass auch eine ordentliche Kündigung wegen Krankheit nicht zu einem Lösungsrecht führt (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 665). Hauptfall des Lösungsrechts nach § 75 Abs. 2 HGB ist die betriebsbedingte Kündigung, die grundsätzlich nie auf „der Person“ des Arbeitnehmers beruht, und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer nur auf Grund einer für ihn ungünstig ausgegangenen Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) Opfer der Kündigung wird. Den Arbeitgeber trifft die Beweislast dafür, dass die Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen erfolgte (statt aller Heymann/Henssler, § 75 HGB Rz. 15; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 667). Gelingt ihm dieser Beweis nicht, hat der Arbeitnehmer das Lösungsrecht. Deshalb ist Vorsicht hinsichtlich der allgemein geübten Praxis geboten, in gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe hinter „betrieblichen Gründen“ zu verstecken. 6 Hat der Arbeitgeber betriebsbedingt gekündigt, so kann er das Lösungsrecht des Arbeitnehmers nach § 75 Abs. 2 HGB nur dadurch abwenden, dass er bei Ausspruch der Kündigung die Karenzentschädigung auf 100 % aufstockt. Die Aufstockung muss zusammen mit der Kündigung angeboten werden. Der Arbeitgeber kann also nicht zunächst abwarten, ob der Arbeitnehmer das Lösungsrecht aus § 75 Abs. 2 HGB ausübt (s. M 25.5 nebst Erläuterungen). 7 Die Lösungserklärung des Arbeitnehmers muss auf Grund der Verweisung in § 75 Abs. 2 HGB auf Abs. 1 schriftlich und innerhalb eines Monats nach Zugang einer Kündigung erfolgen. Dies wird häufig übersehen. 8 Unzulässig sind vertragliche Vereinbarungen, die das Verzichtsrecht nach § 75 Abs. 2 HGB zu Lasten des Arbeitnehmers verändern. Dies gilt zB für Klauseln, wonach das Wettbewerbsverbot bei Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung automatisch entfallen oder überhaupt nur bei Ausspruch einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers in Kraft treten soll. Ebenfalls unzulässig sind Klauseln, nach denen das Wettbewerbsverbot nur bei unverschuldeter Kündigung gelten soll. In allen genannten Fällen nimmt die Rechtsprechung ein unverbindliches „bedingtes Wettbewerbsverbot“ an (BAG v. 14.7.1981, AP Nr. 8 zu § 75 HGB; v. 10.12.1985, AP Nr. 31 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; v. 25.6.1985, AP Nr. 11 zu § 74c HGB unter I.2. der Gründe; umfassend Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 684 ff.).

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Angebot einer erhöhten Karenzentschädigung nach § 75 Abs. 2 HGB1, 2, 3, 4 Sehr geehrter Herr/Frau . . .,

hiermit müssen wir Ihnen leider ordentlich betriebsbedingt wegen Betriebsschließung zum . . . kündigen. 1 Zum Lösungsrecht des Arbeitnehmers bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung s. die Anmerkungen zum M 25.4, insbesondere Fn. 5. 2 Nach herrschender Auffassung ist § 74c HGB (Anrechnung anderweitigen Erwerbs) auch auf die erhöhte Karenzentschädigung anwendbar, wobei sich die 110 %-Grenze des § 74c HGB allerdings nicht nach oben verschiebt (bestr., s. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 675).

Diller

1003

25.5

Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.6

Trotz der Kündigung halten wir an dem mit Ihnen vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot (§ . . . Ihres Anstellungsvertrages) fest, und erklären deshalb gemäß § 75 Abs. 2 HGB hiermit,5 dass wir Ihnen während der Dauer des Wettbewerbsverbots an Stelle der im Vertrag zugesagten 50%igen Karenzentschädigung die vollen6 zuletzt von Ihnen bezogenen vertragsmäßigen Leistungen gewähren. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) 3 Hat der Arbeitgeber von vornherein eine 100%ige Karenzentschädigung vertraglich zugesagt, hat der Arbeitnehmer in keinem Fall das Lösungsrecht des § 75 Abs. 2 HGB (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 674). 4 Das Angebot der 100%igen Karenzentschädigung nimmt dem Arbeitnehmer nur dessen Lösungsrecht nach § 75 Abs. 2 HGB, heilt aber nicht sonstige Mängel des Wettbewerbsverbots. Bei einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot hat das Angebot erhöhter Karenzentschädigung also keinen Sinn (s. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 677). 5 Das Angebot der 100%igen Karenzentschädigung kann der Arbeitgeber nicht widerrufen, auch dann nicht, wenn er nachträglich erfährt, dass der Arbeitnehmer nie vorhatte, sich vom Wettbewerbsverbot zu lösen (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 672). 6 Wichtig: Ebenso wie bei der Formulierung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots muss auch bei der Formulierung des Erhöhungsangebots nach § 75 Abs. 2 HGB darauf geachtet werden, dass 100 % der gesamten Bezüge angeboten werden. Es reicht also beispielsweise nicht aus, nur 100 % der Grundvergütung ohne Zusatzleistungen anzubieten (ausf. dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 434 ff.). Schriftform sieht das Gesetz für die Erklärung nicht vor, sie empfiehlt sich aber aus Beweisgründen.

25.6

u

Lösungserklärung des Arbeitgebers bei fristloser Kündigung nach § 75 Abs. 1, 3 HGB1, 2, 3, 4

Sehr geehrter Herr/Frau . . ., hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Anstellungsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich mit sofortiger Wirkung. Zugleich erklären wir gemäß § 75 1 § 75 Abs. 3 HGB hatte ursprünglich vorgesehen, dass bei berechtigter arbeitgeberseitiger außerordentlicher Kündigung das Wettbewerbsverbot bestehen bleiben sollte, während der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Karenzentschädigung entfiel. Das BAG hat die Vorschrift jedoch für verfassungswidrig und nichtig erklärt, weil sie im Vergleich zu § 75 Abs. 1 HGB im Fall einer fristlosen Kündigung den Arbeitnehmer schlechter stellt als den Arbeitgeber (BVerfG v. 23.2.1977, AP Nr. 6 zu § 75 HGB); das Bundesverfassungsgericht hat in der Folge die für Handelsvertreter geltende Parallelregelung des § 90a Abs. 2 Satz 2 HGB aF ebenfalls für verfassungswidrig und nichtig erklärt (BVerfG v. 7.2.1990, BVerfGE 81, 242). Die durch die Verfassungswidrigkeit von § 75 Abs. 3 HGB entstandene Lücke hat das BAG durch eine Analogie zum Lösungsrecht des Arbeitnehmers aus § 75 Abs. 1 HGB geschlossen (BAG v. 23.2.1977, AP Nr. 6 zu § 75 HGB; ebenso die 1998 erfolgte Neuregelung des § 90a Abs. 3 HGB für Handelsvertreter). Die Analogie zu § 75 Abs. 1 HGB bedeutet, dass die Lösungserklärung des Arbeitgebers schriftlich und innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung erfolgen muss (das Muster geht davon aus, dass wie üblich der Verzicht gleich zusammen mit der Kündigung erklärt wird, was aber nicht zwingend ist). Eine formunwirksame oder

1004 Diller

M 25.7

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

Abs. 1 und 3 HGB, dass wir uns an das Wettbewerbsverbot gemäß § . . . Ihres Anstellungsvertrages nicht gebunden erachten. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) verspätete Lösungserklärung kann unter Umständen in das Angebot zur einvernehmlichen Aufhebung des Wettbewerbsverbots umgedeutet werden (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 655). 2 Das Lösungsrecht aus § 75 Abs. 3, 1 HGB hat der Arbeitgeber auch dann, wenn er zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt ist, stattdessen aber einen Aufhebungsvertrag abschließt oder eine ordentliche Kündigung erklärt. Voraussetzung des Lösungsrechts ist in solchen Fällen allerdings, dass der Arbeitnehmer weiß oder wissen muss, dass das Arbeitsverhältnis wegen seines vertragswidrigen Verhaltens aufgelöst wird (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 651). 3 Ob die ausgesprochene Kündigung wirksam ist oder (zB wegen Formfehlern) unwirksam, spielt für das Lösungsrecht gemäß § 75 Abs. 3/Abs. 1 HGB keine Rolle. Das Lösungsrecht besteht also auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine wegen Formfehlern unwirksame Kündigung widerspruchslos hinnimmt oder darüber einen Abfindungsvergleich schließt (Bauer/ Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 650). 4 Zu beachten ist, dass bei berechtigter fristloser Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers zum Lösungsrecht des Arbeitgebers nach § 75 Abs. 3/Abs. 1 HGB noch der Anspruch auf Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB hinzutritt. Als Schaden kann der Arbeitgeber den Wegfall des Wettbewerbsverbots geltend machen. Da als Schadensersatz grundsätzlich Naturalrestitution gemäß § 249 BGB verlangt werden kann, hat der Arbeitnehmer also unter Umständen bis zum nächstmöglichen Termin für eine ordentliche Kündigung entschädigungslos Wettbewerb zu unterlassen (BAG v. 23.2.1977, AP Nr. 6 zu § 75 HGB; aA OLG Frankfurt aM v. 13.5.1997, GmbHR 1998, 3776; dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 658).

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Aufforderung zur Mitteilung anderweitigen Erwerbs Sehr geehrter Herr/Frau . . .,

gemäß § 74 HGB müssen Sie sich anderweitigen Erwerb auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen, die Sie auf Grund des mit uns vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots erhalten.1, 2, 3 Gemäß § 74c Abs. 2 HGB sind Sie verpflichtet, 1 Nach § 74c HGB muss sich der Arbeitnehmer anderweitigen Erwerb auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen, soweit Karenzentschädigung und Hinzuverdienst 110 % der früheren Bezüge übersteigen. Die Hinzuverdienstgrenze erhöht sich gemäß § 74c Abs. 1 Satz 2 HGB auf 125 %, wenn der Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot gezwungen wurde, seinen Wohnsitz zu verlegen. 2 Anrechenbar sind alle Einkünfte, die der Arbeitnehmer durch die Verwertung seiner Arbeitskraft erzielt. Dazu gehören nicht nur die Vergütung aus einem neuen Anstellungsverhältnis, sondern auch Honorare für freie Mitarbeit, Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit etc. Anrechnungsfrei bleiben nur solche Einkünfte, die nichts mit der Verwertung der Arbeitskraft zu tun haben (zB Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung). Anrechnungsfrei bleiben auch Zahlungen, die der Arbeitnehmer nachträglich noch aus dem beendeten Arbeitsverhältnis erhält (zB Abfindung, Tan-

Diller

1005

25.7

Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.7

uns während der Dauer des Wettbewerbsverbots Auskunft über anderweitige Einkünfte zu erteilen. Bitte4 teilen Sie uns im Hinblick auf die Monate Januar bis März d.J. schriftlich5 mit, welche Einkünfte aus welchen Quellen Sie erzielt haben. Aussagekräftige Belege fügen Sie bitte bei. Den Eingang Ihrer Auskunft erwarten wir binnen zwei Wochen. Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass wir die Zahlung der Karenzentschädigung zurückbehalten werden, falls Sie nicht rechtzeitig und vollständig Auskunft erteilen.6

3

4

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tiemenachzahlungen, Überhangprovisionen etc.). Nebeneinkünfte, die der Arbeitnehmer schon neben seiner aktiven Tätigkeit erzielt hatte, bleiben ebenfalls anrechnungsfrei (die Einzelheiten sind streitig, ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 784). Umstritten ist die Anrechenbarkeit von Sozialleistungen. Für das Arbeitslosengeld ordnete § 148 SGB III aF ausdrücklich die Anrechenbarkeit an. An der Anrechenbarkeit hat sich durch die Streichung des § 148 SGB III per 1.1.2004 nichts geändert (offen gelassen allerdings in BAG v. 14.9.2011, NZR-RR 2012, 98). Denn die Anrechenbarkeit von Arbeitslosengeld war bereits vor Inkrafttreten von § 148 SGB III und der Vorgängerregelung § 128a AFG höchstrichterlich anerkannt (BAG v. 25.6.1985, AP Nr. 11 zu § 74c HGB). Nicht anrechenbar soll dagegen das Übergangsgeld (§§ 20 ff. SGB VI) sein (BAG v. 7.11.1989, AP Nr. 15 zu § 74c HGB; zu weiteren Sozialleistungen s. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 795, insbesondere auch zum Kurzarbeiter- und Krankengeld). Anrechenbar ist nach der 2. Alternative des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nicht nur tatsächlich erzieltes anderweitiges Einkommen, sondern auch böswillig unterlassener Erwerb. Allerdings handelt der Arbeitnehmer nicht schon dann böswillig, wenn er seine eigene Lebensplanung ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeitgebers verfolgt (zB Aufnahme eines Studiums, dazu BAG v. 13.2.1996, AP Nr. 18 zu § 74c HGB) oder Aufbau einer selbständigen Existenz (BAG v. 8.2.1974 und v. 2.6.1987, AP Nr. 4, 13 zu § 74c HGB; ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 806). Die Beweislast für das böswillige Unterlassen trägt der Arbeitgeber (BAG v. 13.2.1996, AP Nr. 18 zu § 74c HGB). Die bloße Darlegung, die Bewerbungsaktivitäten des Arbeitnehmers seien zu gering und/oder untauglich gewesen, reicht insoweit nicht aus (LG Frankfurt v. 20.4.1994, GmbHR 1994, 803). Auch begründet eine unterlassene Arbeitslosmeldung keine Vermutung dafür, dass bei erfolgter Arbeitslosmeldung eine adäquate Stelle vermittelt worden wäre (LG Frankfurt v. 20.4.1994, GmbHR 1994, 803). In bestimmten Konstellationen kann jedoch ein Anscheinsbeweis des Arbeitgebers in Betracht kommen. Gibt sich beispielsweise der Arbeitnehmer mit einer untertariflichen Bezahlung zufrieden, spricht alles dafür, dass er mehr hätte herausholen können und/oder durch kollusives Zusammenwirken mit seinem neuen Arbeitgeber Teile seiner Vergütung in die Zeit nach Ablauf des Wettbewerbsverbots verschoben hat (ausführlich Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 812). Nach § 74c Abs. 2 HGB muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf Anforderung über die Höhe anderweitigen Erwerbs Auskunft erteilen. Nach herrschender Auffassung kann der Arbeitgeber die Auskunft monatlich verlangen (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 829). Wird die Auskunftspflicht unter Festlegung bestimmter Zeitpunkte oder Zeiträume (monatlich, quartalsweise) bereits in der Wettbewerbsklausel vereinbart, ist eine spätere erneute Aufforderung zur Auskunftserteilung überflüssig. Die Auskunft muss vollständig, klar und überprüfbar erteilt werden, und zwar in schriftlicher Form (Heymann/Henssler, § 74c HGB Rz. 23; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 831). Die erteilten Auskünfte sind durch Nachweise zu belegen, weil sonst das Auskunftsrecht eine Farce wäre (BAG v. 25.2.1975, AP Nr. 6 zu § 74c HGB). Bei Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung müssen die Bruttobezüge mitgeteilt werden, auf Verlangen sind Lohn- bzw. Gehaltsabrechnungen und/oder Lohnsteuerkarte vorzulegen (BAG v. 25.2.1975, AP Nr. 6 zu § 74c HGB). Bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ist streitig, ob nur die Vorlage des Einkommensteuerbescheides verlangt werden kann (so BAG v. 25.2.1975, AP Nr. 6 zu § 74c HGB unter II.2. der Gründe) oder ob Bilanz und/oder Gewinn- und Verlustrechnung vorzulegen sind (LAG Kiel v. 5.11.1957, BB 1957, 1275; ausführlich zum Streitstand Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 836 ff.). Nach herrschender Auffassung kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Erteilung der Auskunft verklagen und einen Titel nach § 888 ZPO vollstrecken (BAG v. 13.11.1975, AP Nr. 7 zu

1006 Diller

M 25.8

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

Gleichzeitig fordern wir Sie hiermit auf, künftig unaufgefordert an jedem Quartalsende Auskunft über anderweitigen Erwerb und dessen Herkunft zu geben. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) § 74c HGB). Üblicherweise wartet der Arbeitgeber jedoch ab, bis der Arbeitnehmer die Karenzentschädigung verlangt, und übt dann bis zur Erteilung der Auskunft ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 273 BGB aus. Eine Zug-um-Zug-Verurteilung des Arbeitgebers nach § 273 BGB ist in diesem Fall ausgeschlossen, da der Arbeitnehmer mit der Auskunft grundsätzlich vorleistungspflichtig ist (BAG v. 12.1.1978, AP Nr. 8 zu § 74c HGB). Ob der Arbeitgeber über die Vorlage von Nachweisen hinaus die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung entsprechend §§ 259, 260 BGB verlangen kann, ist umstritten (bejahend wohl BAG v. 25.2.1975, AP Nr. 6 zu § 74c HGB unter II.1. der Gründe; ebenso LAG Hamm v. 28.1.1974, DB 1974, 972; ablehnend zB Buchner, C. 386; umfassend dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 842).

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Erfüllungsablehnung des Arbeitgebers nach Verstößen des Arbeitnehmers1 Sehr geehrter Herr/Frau . . .,

wie wir erfahren haben, sind Sie inzwischen für die Firma . . . GmbH als kaufmännischer Angestellter tätig. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um einen unserer schärfsten Konkurrenten. Mit dieser Tätigkeit haben Sie gegen das nachvertragliche 1 Verletzt der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot, bieten sich dem Arbeitgeber eine Vielzahl verschiedener Reaktionsmöglichkeiten. Am wirkungsvollsten gesichert wird das Wettbewerbsverbot durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, bei Verstoß kann dann nach §§ 344 ff. BGB die Vertragsstrafe geltend gemacht werden. Stattdessen kann der Arbeitgeber auch durch Unterlassungsklage oder durch Unterlassungsverfügung die künftige Einhaltung des Wettbewerbsverbots durchsetzen (s. dazu M 25.11). Häufig ist der Arbeitgeber jedoch daran interessiert, sich von dem Wettbewerbsverbot zu lösen. Einen Weg dazu eröffnet § 323 BGB. Diese Vorschrift mit ihren verwirrenden Alternativen räumt dem Arbeitgeber allerdings nur dann eine sofortige Lösungsmöglichkeit ein, wenn er auf Grund des stattgefundenen Verstoßes kein Interesse mehr an der Erfüllung des restlichen Vertrages hat (§ 323 Abs. 5 BGB). Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Wettbewerbsverbot nur dem Schutz bestimmter Geschäftsgeheimnisse dienen sollte und der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass diese auf Grund des stattgefundenen Verstoßes bereits aufgedeckt sind (ausführlich Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 914; BAG v. 10.9.1985, AP Nr. 49 zu § 74 HGB). Lässt sich dagegen ein Wegfall des Interesses trotz des erfolgten Verstoßes nicht darlegen (zB wenn der Arbeitnehmer zu einem unbedeutenden Wettbewerber gewechselt ist), so kann sich der Arbeitgeber nur nach § 323 Abs. 1 BGB von dem Wettbewerbsverbot lösen. Dazu muss er den Arbeitnehmer zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots auffordern und ihm eine Frist setzen (s. das Muster bei Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Anh. I Nr. 12). Die nach früherem Recht (§ 326 BGB aF) zugleich erforderliche Ablehnungsandrohung ist jetzt nach § 323 BGB nicht mehr notwendig. Ein Lösungsrecht kann sich des Weiteren aus § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ergeben, zB wenn der Arbeitnehmer von vornherein kategorisch erklärt, er werde das Verbot nicht einhalten (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 920).

Diller

1007

25.8

Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.9

Wettbewerbsverbot verstoßen, das in § . . . Ihres Anstellungsvertrages vereinbart war. Da Sie bereits seit mehreren Wochen bei der . . .-GmbH tätig sind, gehen wir davon aus, dass dieses Unternehmen bereits alle unsere geheimhaltungsbedürftigen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erfahren hat, wegen derer wir mit Ihnen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart hatten. Auf Grund Ihres Verstoßes haben wir daher an der weiteren Einhaltung des Wettbewerbsverbots kein Interesse mehr. Wir treten deshalb hiermit vom Wettbewerbsverbot nach § 323 Abs. 5 BGB zurück. Zugleich machen wir gemäß § 280 BGB Schadensersatz geltend mit der Wirkung, dass die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung ab sofort entfällt. An das Wettbewerbsverbot sind Sie ab sofort nicht mehr gebunden. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift)

25.9

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Fristsetzung/Ablehnungsandrohung des Arbeitnehmers bei Nichtzahlung der Karenzentschädigung1, 2

Sehr geehrter Herr (Geschäftsführer), aus dem Wettbewerbsverbot gemäß § . . . meines Anstellungsvertrages steht mir eine monatliche Karenzentschädigung von Euro . . . zu, fällig jeweils am Monatsletzten. Die Rate für den Monat . . . ist bei mir bislang nicht eingegangen. Ich setze Ihnen hiermit eine Zahlungsfrist bis zum . . . (drei Wochen). Sollte die Zahlung bis dahin nicht eingegangen sein, werde ich von dem Wettbewerbsverbot zurücktreten.3 Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift) 1 Das Wettbewerbsverbot ist ein gegenseitiger Vertrag iSd. § 320 BGB (BAG v. 20.10.1960 und v. 5.8.1968, AP Nr. 16, 24 zu § 74 HGB). Zahlt der Arbeitgeber nicht fristgerecht, gerät er in Verzug mit den üblichen Folgen (Verzugszinsen, Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 ff. BGB). Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer nach den allgemeinen Vorschriften dem Arbeitgeber gemäß § 323 Abs. 1 BGB eine Nachfrist setzen. Eine Frist von drei Wochen ist stets angemessen, meist dürften auch zwei Wochen genügen. 2 Nach herrschender Auffassung verdrängt § 323 Abs. 1 BGB die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § 320 BGB. Bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer also nicht solange gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen, bis die Zahlung bewirkt ist. Vielmehr muss er den Weg des § 323 BGB gehen (BAG v. 5.10.1982, AP Nr. 42 zu § 74 HGB). 3 Die nach früherem Recht (§ 326 BGB aF) zusätzlich zur Fristsetzung erforderliche Ablehnungsandrohung verlangt § 323 Abs. 1 BGB jetzt nicht mehr. Sie ist aber sinnvoll, um den Druck zu erhöhen.

1008 Diller

M 25.10

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

u

Klage auf Zahlung von Karenzentschädigung

25.10

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro 10 000,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz2 seit dem 1.8. . . . an den Kläger zu zahlen. 2. Es wird festgestellt,3 dass die Beklagte verpflichtet ist, künftig an jedem Monatsletzten, beginnend mit dem 30.8. . . . und letztmals am 30.6. . . ., Euro 10 000,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit an den Kläger zu zahlen. Begründung: Der Kl. war seit . . . bei der Bekl. als . . . tätig. Grundlage der Tätigkeit war der Anstellungsvertrag vom . . . In Ziff. . . . dieses Vertrages war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, für das die Bekl. eine Entschädigung in Höhe von 50 % des Grundgehalts unter Ausschluss aller darüber hinausgehenden freiwilligen Leistungen zahlen sollte. Beweis: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage K 1 Zusätzlich zum Festgehalt gewährte die Bekl. jährlich eine „freiwillige Weihnachtsgratifikation“, die üblicherweise ein Monatsgehalt betrug. Beweis: Zeugnis des Personalleiters . . ., zu laden über die Bekl. Auf Grund seiner am . . . erklärten Eigenkündigung schied der Kl. zum 30.6. . . . bei der Bekl. aus. Beweis: Kündigungsschreiben des Kl. vom . . ., Anlage K 2 Das letzte Festgehalt des Kl. betrug Euro 240 000,–, das Gehalt wurde in zwölf gleichen Raten jeweils zum Monatsletzten gezahlt. Beweis: Gehaltsabrechnung für den Monat . . ., Anlage K 3 Dem Kl. steht die vertraglich zugesagte Karenzentschädigung für die Zeit ab dem 1.7. . . . zu. Zwar war das Wettbewerbsverbot unverbindlich, da die zugesagte Karenzentschädigung nicht § 74 Abs. 2 HGB entsprach. Nach ständiger Rechtsprechung muss eine Karenzentschädigung mindestens 50 % aller Bezüge betragen, wobei freiwillige Leistungen mit einzurechnen sind. Ein Wettbewerbsverbot, dessen Entschädigung § 74 Abs. 2 HGB nicht genügt, ist allerdings nicht unwirksam. Viel1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Zum Zinsanspruch s. M 101.3 Fn. 5–7. 3 Insoweit scheidet eine in die Zukunft gerichtete Leistungsklage aus, da die künftigen Ansprüche von einer Gegenleistung abhängen, nämlich der Einhaltung der Pflicht zur Wettbewerbsenthaltsamkeit (§§ 257, 258 ZPO).

Diller

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Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.11

mehr ist es nach ständiger Rechtsprechung nur unverbindlich. Der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht, ob er das Wettbewerbsverbot einhält und die zugesagte Karenzentschädigung geltend macht, oder ob er sich vom Wettbewerbsverbot lösen will. Der Kl. hat der Bekl. mit Einschreiben vom . . . mitgeteilt, dass er sich an das Wettbewerbsverbot halten werde. Beweis: Schreiben des Kl. vom . . ., Anlage K 4 Der Kl. hat sich seit seinem Ausscheiden am 1.7. . . . an das Verbot gehalten. Ihm stehen also 50 % seines letzten Gehalts zu, das sind monatlich Euro 10 000,–. Anrechenbare anderweitige Einkünfte gemäß § 74c HGB hat der Kl. nicht. Zwar ist es ihm gelungen, unmittelbar ab dem 1.7. . . . eine Anschlussbeschäftigung bei der . . .-GmbH in . . . zu finden, die kein Konkurrenzunternehmen zur Bekl. ist. Dort verdient er jedoch nur Euro 13 000,– pro Monat. Der neue Verdienst macht zusammen mit der Karenzentschädigung von Euro 10 000,– einen monatlichen Gesamtbezug von Euro 23 000,– aus. Damit ist zwar die in § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB festgelegte Anrechnungsgrenze von 110 % überschritten. Der Kl. war jedoch durch das Wettbewerbsverbot gezwungen, seinen Wohnsitz zu verlegen. Im Umkreis um seinen bisherigen Wohnort konnte er auf Grund des Wettbewerbsverbots keine andere adäquate Stelle finden. Vielmehr musste er nach . . . umziehen, um bei der Firma . . .-GmbH anfangen zu können. Deshalb gilt für den Kl. die erhöhte Anrechnungsgrenze von 125 % gemäß § 74c Abs. 1 Satz 2 HGB, die nicht überschritten ist. Eine außergerichtliche Zahlungsaufforderung ist erfolglos geblieben. Daher ist Klage geboten. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 wird die Karenzentschädigung für den Monat Juli . . . geltend gemacht, die zum 30.7. . . . fällig war und deshalb ab dem 1.8. . . . zu verzinsen ist. Der Feststellungsantrag Ziff. 2 richtet sich auf die Zahlung der weiteren Entschädigungsraten. ... (Unterschrift)4 4 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

25.11

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Einstweilige Verfügung1 auf Unterlassung von nachvertraglichem Wettbewerb2

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . 1 Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis 107.3. 2 Es ist anerkannt, dass der Unterlassungsanspruch aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot durch Unterlassungsverfügung durchgesetzt werden kann (LAG Hessen v. 24.7.1956, BB 1956, 853 und v. 16.2.1962, BB 1962, 922; ausf. Heinze, RdA 1986, 280; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 888). Denn ein Hauptsacheverfahren käme regelmäßig zu spät.

1010 Diller

M 25.11

Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

(volles Rubrum)3 vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin beantragen wir: 1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung – wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein4 – bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von Euro 250 000,– bzw. Zwangshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache für Unternehmen tätig zu werden, die . . . herstellen und mit der Antragstellerin in Konkurrenz stehen, insbesondere für die Firma . . .-GmbH in . . .; 2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung auf Grund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Die ASt. ist die führende Herstellerin von . . . in Deutschland. Als Anlage AS 1 überreichen wir einen Firmenprospekt der ASt., als Anlage AS 2 fügen wir unsere Vollmacht bei. Der AGg. war bei der ASt. zuletzt als Leiter ihres Produktionswerkes tätig. Grundlage der Tätigkeit war der Anstellungsvertrag vom . . . In Ziff. . . . des Anstellungsvertrages war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Das Verbot untersagte dem AGg., für die Dauer von zwei Jahren nach seinem Ausscheiden für ein Konkurrenzunternehmen der ASt. tätig zu werden. Zur Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage AS 3 Der AGg. ist auf Grund seiner Eigenkündigung vom . . . zum . . . bei der ASt. ausgeschieden. Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben des AGg. vom . . ., Anlage AS 4 Wie die ASt. inzwischen erfahren hat, ist der AGg. seit dem 1.7. . . . für die . . .-GmbH in . . . als Produktionsleiter tätig. Die . . .-GmbH stellt ebenfalls . . . her, sie ist die schärfste Konkurrentin der ASt. auf dem deutschen Markt. Zur Sicherheit hat der Personalleiter der ASt. vor drei Tagen bei der . . .-GmbH angerufen und nach dem Produktionsleiter gefragt. Daraufhin wurde er mit dem AGg. verbunden. Gegen die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots bestehen keine Bedenken. Solche Wettbewerbsverbote sind mit Führungskräften wie dem AGg. üblich und auch rechtlich unbedenklich. Die Einhaltung des Wettbewerbsverbots durch den AGg. ist zum Schutz der berechtigten geschäftlichen Interessen der ASt. erforderlich, da es um wichtige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der ASt. geht. Der AGg. hat bei der ASt. an wichtigen technischen Neuentwicklungen gearbeitet. Es ist davon auszuge-

3 S. M 101.1 und M 101.2. 4 In Fällen einer eklatanten Verletzung des Wettbewerbsverbots, wie sie im vorliegenden Fall gegeben ist, kommt auch eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in Betracht (zB ArbG München v. 18.6.1996 – 5 Ga 109/96, nv.).

Diller

1011

Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.12

hen, dass er diese nunmehr der . . .-GmbH preisgeben könnte, die sich dadurch einen erheblichen Wirtschaftsvorteil verschaffen würde.5 Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des Personalleiters der ASt., Anlage AS 5 Der Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit ist gegeben. Die durchschnittliche Verfahrensdauer der ersten Instanz beim Arbeitsgericht beträgt inzwischen im Durchschnitt mehr als sechs Monate. Würde die ASt. auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen, würde dies bedeuten, dass der AGg. zunächst ca. ein dreiviertel Jahr unbehelligt Wettbewerb machen und alle wesentlichen Geschäftsgeheimnisse der . . .-GmbH mitteilen könnte. Das vereinbarte Wettbewerbsverbot, für das die ASt. eine hohe Karenzentschädigung zahlt, wäre damit praktisch wertlos. ... (Unterschrift)6 5 Zu dem Schaden, der dem Arbeitgeber auf Grund der Verletzung des Verbots droht, muss unbedingt vorgetragen werden. Denn allein in der Verletzung des Verbots liegt noch kein ausreichender Verfügungsgrund (LAG BW v. 7.9.1967, BB 1967, 1426; ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 892. 6 Der Streitwert einer Unterlassungsklage richtet sich nach einhelliger Auffassung nach dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist dieses Interesse mit dem Wert der für die gesamte Laufzeit des Verbots insgesamt zugesagten Karenzentschädigung anzusetzen (LAG Düsseldorf v. 8.11.1984, JurBüro 1985, 763; LAG Hamm v. 23.12.1980, AnwBl 1981, 106; LAG Nürnberg v. 25.6.1999, BB 1999, 1929). Der Wert kann aber auch deutlich höher sein, wenn es um die Existenzgefährdung des Arbeitgebers geht (LAG Nürnberg v. 25.6.1999, BB 1999, 1929; ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 603a). Die üblichen Abschläge beim Streitwert im Eilverfahren gegenüber dem Hauptsacheverfahren sind bei Wettbewerbsverboten nicht gerechtfertigt, da hier das Hauptsacheverfahren regelmäßig nicht vor Ablauf der Verbotsdauer rechtskräftig beendet werden kann (LAG Hamm v. 23.12.1980, AnwBl 1981, 106; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 897).

25.12

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Schutzschrift1 gegen eine mögliche Unterlassungsverfügung wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots

An das Arbeitsgericht In Sachen Firma . . .-GmbH – mögliche Antragstellerin – gegen

1 Allgemein zur arbeitsgerichtlichen Schutzschrift s. M 107.2.

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Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Herrn . . . – möglicher Antragsgegner – wegen Abwehr einer einstweiligen Verfügung vertreten wir den möglichen Antragsgegner (im Folgenden: AGg.) Namens und im Auftrag des Antragsgegners beantragen wir: 1. einen möglichen Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner eine Tätigkeit für die Firma . . . oHG zu untersagen, zurückzuweisen; 2. hilfsweise, über den möglichen Antrag nur nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Begründung: Der AGg. war seit . . . bei der ASt. als Vertriebsleiter tätig. Grundlage der Tätigkeit war der Anstellungsvertrag vom . . . In Ziff. . . . dieses Vertrages war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, für das die ASt. eine Entschädigung in Höhe von 50 % des Grundgehalts unter Ausschluss aller darüber hinausgehenden freiwilligen Leistungen zahlen sollte. Zur Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage AG 1 Zusätzlich zum Festgehalt gewährte die ASt. jährlich eine „freiwillige Weihnachtsgratifikation“, die üblicherweise ein Monatsgehalt betrug. Zur Glaubhaftmachung: Gehaltsabrechnung für den Monat Dezember . . ., Anlage AG 2 Auf Grund seiner am . . . erklärten Eigenkündigung schied der AGg. zum 30.6. . . . bei der ASt. aus. Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben des AGg. vom . . ., Anlage AG 3 Das letzte Festgehalt des AGg. betrug Euro . . ., das Gehalt wurde in zwölf gleichen Raten jeweils zum Monatsletzten ausbezahlt. Zur Glaubhaftmachung: Gehaltsabrechnung für den Monat . . ., Anlage AG 4 Das Wettbewerbsverbot gemäß Ziff. . . . des Anstellungsvertrages ist unverbindlich, da die zugesagte Karenzentschädigung nicht § 74 Abs. 2 HGB entspricht. Nach ständiger Rechtsprechung muss eine Karenzentschädigung mindestens 50 % aller Bezüge betragen, wobei freiwillige Leistungen miteinzurechnen sind. Ein Wettbewerbsverbot, dessen Entschädigung § 74 Abs. 2 HGB nicht genügt, ist unverbindlich. Der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht, ob er das Wettbewerbsverbot einhält und die zugesagte Karenzentschädigung geltend macht, oder ob er sich vom Wettbewerbsverbot lösen will. Der AGg. hat der ASt. mit Einschreiben vom 15.6. . . . mitgeteilt, dass er sich nicht an das Wettbewerbsverbot halten wird. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des AGg. vom 15.6. . . ., Anlage AG 5 Dadurch ist das Wettbewerbsverbot weggefallen, so dass für eine mögliche einstweilige Verfügung bereits der Verfügungsanspruch fehlen würde. Im Übrigen würde es auch an einem Verfügungsgrund fehlen. Denn die Tätigkeit für die . . . oHG fällt nicht unter die sachliche Reichweite des Wettbewerbsverbots. In dem Wettbewerbsverbot ist dem AGg. lediglich untersagt worden, „nach seinem Ausscheiden im Vertrieb von . . . tätig zu werden“. Das Wettbewerbsverbot war also tätigkeitsbezogen, nicht unterDiller

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Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.13

nehmensbezogen. Der AGg. ist seit 1.9. . . . für die Firma . . . oHG tätig. Die Firma . . . oHG stellt zwar auch . . . her und vertreibt sie. Der AGg. ist jedoch nicht in diesem Bereich tätig, sondern im Geschäftsfeld . . . Zur Glaubhaftmachung: Tätigkeitsbeschreibung gemäß § . . . des Anstellungsvertrages zwischen dem AGg. und der Firma . . . oHG vom . . ., Anlage AG 6 Eine Vollmacht ist als Anlage AG 7 beigefügt. ... (Unterschrift)

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Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes

An das Arbeitsgericht In Sachen . . ./. . . (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien vereinbarte Wettbewerbsverbot gemäß Ziff. . . . des Anstellungsvertrages vom . . . unwirksam ist. Begründung: Der Kl. ist seit . . . bei der Bekl. als Fahrlehrer tätig. Die Bekl. betreibt eine Fahrschule mit insgesamt zehn Fahrlehrern. Im Anstellungsvertrag zwischen den Parteien vom . . . wurde unter Ziff. . . . des Vertrages ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Danach war es dem Kl. untersagt, „während der Dauer von zwei Jahren nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Umkreis von 100 km um die Stadt . . . als Fahrlehrer tätig zu werden“. Beweis: Anstellungsvertrag vom . . ., Anlage K 1 Der Kl. hat mit Kündigungsschreiben vom . . . sein Anstellungsverhältnis unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartal zum 30.9. . . . gekündigt. Beweis: Kündigungsschreiben vom . . ., Anlage K 2 Auf Befragen der Bekl. hat der Kl. im April . . . erklärt, er plane, sich nach seinem Ausscheiden bei der Bekl. als Fahrlehrer in . . . selbständig zu machen. Die Bekl. hat daraufhin mit Schreiben vom 2.5. . . . vom Kl. verlangt, er solle verbindlich anerkennen, 1 S. M 101.1 und M 101.2.

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Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

dass er auf Grund des Wettbewerbsverbotes gemäß Ziff. . . . des Anstellungsvertrages nach seinem Ausscheiden nicht wie geplant in . . . als Fahrlehrer tätig werde. Beweis: Schreiben der Beklagten vom 2.5. . . ., Anlage K 3 Der Kl. hat daraufhin der Bekl. mit Einschreiben vom 10.5. . . . mitgeteilt, er werde sich nach seinem Ausscheiden nicht an das Wettbewerbsverbot halten, da es unverbindlich sei. Beweis: Schreiben des Kl. vom 10.5. . . ., Anlage K 4 Das Wettbewerbsverbot in Ziff. . . . des Anstellungsvertrages war unverbindlich, da es an einem berechtigten geschäftlichen Interesse der Bekl. gemäß § 74a HGB fehlte. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG besteht ein berechtigtes geschäftliches Interesse iSv. § 74a HGB nur dann, wenn das Wettbewerbsverbot entweder dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder dem Schutz des Kundenbzw. Lieferantenstamms dient. Beides ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gibt es im Fahrlehrergeschäft praktisch nicht, jedenfalls sind dem Kl. solche Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse nicht bekannt. Es gibt auch keinen schützenswerten Kunden- bzw. Lieferantenstamm. Das Fahrschulgeschäft basiert auf Laufkundschaft, typischerweise kommt jeder Kunde nur einmal (nämlich zum Erwerb des Führerscheins) und dann nicht wieder. Es geht der Bekl. bei dem Wettbewerbsverbot also offensichtlich nur darum, mit dem Kl. eine qualifizierte Kraft als Konkurrenten auszuschalten, der unter Jugendlichen einen erstklassigen Ruf hat und immer wieder weiterempfohlen wird. Das reicht als Rechtfertigung für ein Wettbewerbsverbot nicht.2 Ein unverbindliches Wettbewerbsverbot gibt dem Arbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung ein Wahlrecht, ob er das Verbot gegen Zahlung der vereinbarten Entschädigung einhalten oder sich von ihm lösen will.3 Aufgrund der Erklärung des Kl. vom . . . ist das Verbot endgültig unwirksam geworden. Der Kl. hat ein rechtliches Interesse iSv. § 256 ZPO an der Feststellung der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots. Die Bekl. hat mehrfach mündlich erklärt, sie werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um den Kl. daran zu hindern, sich nach seinem Ausscheiden wie geplant selbständig zu machen. ... (Unterschrift)4 2 BAG v. 21.3.1964, AP Nr. 15 zu § 133f GewO; v. 1.8.1995, AP Nr. 5 zu § 74a HGB. 3 S. oben Einf. Rz. 8. 4 Zum Streitwert s. M 25.11 Fn. 6.

Kapitel 26–29 frei.

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Zweiter Teil

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Kapitel 30

Betriebsverfassung/ Personalvertretung Errichtung des Betriebsrats

Literaturübersicht: Ahlburg, Das Minderheitengeschlecht und die Quote, AiB 2009; Berg, Der Schutz der Betriebsratswahl, AiB 2009, 514; Blank, Die Betriebsratswahl, 9. Aufl. 1997; Blanke/ Berg/Kamm/Lemcke/Ratayczak/Schneider/Trümner/Trümner, Betriebsratswahl, 4. Aufl. 2002; Böhm, Leiharbeitnehmer: Wahlrecht zum Betriebsrat im Kundenbetrieb?, DB 2006, 104; Boewer, Die Betriebsratswahl, 3. Aufl. 1994; Bram, Wahlstop im Eilbeschlussverfahren, FA 2006, 66; Burger, Die Nichtigkeit von Betriebsratswahlen, Diss. 2008; Haas/Salamon, Betrieb, Betriebsteil und Hauptbetrieb – Die Zuordnung und Reichweite des Leitungsapparates, NZA 2009, 299; Hahn/Rudolph, Betriebsratswahlen außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums, AiB 2008, 651; Henssler, Betriebsratswahlen bei Unternehmen mit bundesweiter Vertriebsstruktur, FS Küttner, 2006, S. 479; Hess/Marienhagen, Betriebsratswahlen, 7. Aufl. 1972; Kamanabrou, Betriebsratswahl – Geschlechterquote, RdA 2006, 186; Kaus, Abbruch, Verschleppung oder Verhinderung einer Betriebsratswahl durch den Arbeitgeber, AiB 2007, 298; Kolmhuber, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit der Betriebsratswahl, FA 2006, 68; Lerch/Sparchholz, Wahlanfechtung und nachwirkender Kündigungsschutz, AiB 2007, 594; Maschmann, Virtueller Belegschaftswahlkampf im Netz des Arbeitgebers?, NZA 2008, 613; Mückl/Köhler, Rechtsfolgen unwirksamer Vereinbarungen über die Organisation der Betriebsverfassung, NZA-RR 2009, 513; Nägele, Die Anfechtung der Betriebsratswahl, ArbRB 2006, 58; Nießen, Fehlerhafte Betriebsratswahlen, Diss. 2006; Podewin/Schöne, Betriebsratswahlen 2010, 2. Aufl. 2009; Richardi, Die Wahl des Betriebsrats, DB 1972, 483; Rieble/Triskatis, Vorläufiger Rechtsschutz im Betriebsratswahlverfahren, NZA 2006, 233; Scheriau, Die Durchführung der Betriebsratswahl, 2. Aufl. 2009; Schneider, Betriebsratswahl, 1978; Schneider/Berg/Hayen/Heilmann/Ratayczak, Wahl des Betriebsrats, 2009; Sieg, Qualen bei Arbeitnehmerwahlen, FS Hromadka, 2008, S. 437; Soltmann, Betriebsratswahl 2010 erfolgreich meistern, AiB 2009, 502; Veith/Wichert, Betriebsratswahlen – Einstweilige Verfügung gegen rechtswidrige Maßnahmen des Wahlvorstands, DB 2006, 390; Wenzel, Die Betriebsratswahl, DB Beilage 2/1975; Wiesner, Korrekturen von Fehlern der Betriebsratswahl, FA 2007, 38; Will, Das vereinfachte Wahlverfahren für Kleinbetriebe, FA 2006, 71; Zwanziger, Gerichtliche Eingriffe in laufende Betriebsratswahlen, DB 1999, 2264.

I. Einführung 1. Vorfragen § 1 BetrVG spricht davon, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern (davon drei wählbar) Betriebsräte „gewählt werden“. Das ist wie eine Rechtspflicht formuliert, nach einhelliger Auffassung trifft den Arbeitgeber allerdings keine Pflicht, für die Errichtung eines Betriebsrats zu sorgen. Vielmehr ist es allein Sache der Belegschaft, einen Betriebsrat zu errichten.

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Soll ein Betriebsrat errichtet werden, ist zunächst zu klären, für welche betriebsverfassungsrechtliche Einheiten zu wählen ist. Häufig ist streitig, ob in Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten ein einheitlicher Betriebsrat oder getrennte Betriebsräte zu wählen sind (vgl. M 30.3). Insoweit ist zu beachten, dass die vom BetrVG vorgegebene Organisation der Betriebsverfassung grundsätzlich zwingend ist. Es steht den Beteiligten (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Betriebsrat, Gewerkschaften) nicht frei, nach

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Kap. 30

Errichtung des Betriebsrats

(vermeintlichen) Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten einseitig oder einvernehmlich von den Vorschriften des BetrVG abzuweichen. Wirksam kann von den Vorschriften des BetrVG nur in den Grenzen des § 3 BetrVG durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag abgewichen werden (zu Gestaltungen durch Tarifvertrag s. M 50.4 und M 50.5). Allerdings ist in der Praxis häufig zu beobachten, dass sich die Beteiligten „auf dem kleinen Dienstweg“ auf eine bestimmte zweckmäßige Organisationsform einigen, auch wenn diese nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht. 3

Im zweiten Schritt ist zu klären, welche Arbeitnehmer aktives und passives Wahlrecht haben. Hier spielt insbesondere die gesetzestechnisch verunglückte Abgrenzung des leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG eine große Rolle (s. M 32.2).

2. Wahlverfahren 4

Das Wahlverfahren ist im BetrVG nur rudimentär geregelt (§§ 7–20 BetrVG), die Einzelheiten ergeben sich aus der Wahlordnung (vgl. § 126 BetrVG). Es besteht Einigkeit darüber, dass das Wahlverfahren nach der Wahlordnung viel zu kompliziert ist und zahllose unnütze Formalismen enthält. In der Praxis ist fast jede Betriebsratswahl anfechtbar, wenn man nur lange genug akribisch nach Fehlern sucht, wobei allerdings die Novelle von 2001 ein gewisses Maß an Vereinfachung gebracht hat.

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Das Wahlverfahren beginnt mit der Bestellung eines Wahlvorstands (§ 16 BetrVG). Besteht noch kein Betriebsrat, wird der Wahlvorstand in einer Betriebsversammlung mehrheitlich gewählt (§ 17 BetrVG). Zu der Betriebsversammlung können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen. Findet trotz Einladung keine Betriebsversammlung statt oder wählt die Betriebsversammlung keinen Wahlvorstand, wird er vom Arbeitsgericht auf Antrag von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft bestellt (§ 17 Abs. 3 und 4 BetrVG, vgl. M 30.1). Der Wahlvorstand hat dann für die Einreichung von Wahlvorschlägen zu sorgen und schließlich die Wahl durchzuführen. In Kleinbetrieben mit maximal 50 Arbeitnehmern wird gemäß § 14a BetrVG im „vereinfachten Wahlverfahren“ in einer Wahlversammlung gewählt. Das vereinfachte Wahlverfahren kann durch Vereinbarung zwischen Wahlvorstand und Arbeitgeber gemäß § 14a Abs. 5 BetrVG auch in Betrieben mit 51–100 Arbeitnehmern angewendet werden. Während des Wahlverfahrens sind beim Auftreten gravierender Fehler einstweilige Verfügungen möglich, mit denen die Fehler korrigiert werden oder das weitere Wahlverfahren unterbunden wird (s. M 30.2). Ansonsten sind Fehler im Wahlverfahren durch Anfechtung der Wahl vor dem Arbeitsgericht gemäß § 19 BetrVG geltend zu machen (s. M 30.4).

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M 30.1

Errichtung des Betriebsrats

II. Muster

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Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstands An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten

1. IG Metall2 Bezirksleitung . . ., vertreten durch den Bezirkssekretär (Name, Adresse) – Antragstellerin – 2. Metallwerke GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer (Name, Firmenadresse) – Antragsgegnerin3 – 3. Betriebsrat der . . . Metallwerke GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden (Name, Firmenadresse) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Zur Durchführung einer Betriebsratswahl wird im Betrieb . . . der Antragsgegnerin ein Wahlvorstand bestellt, der aus 1. Herrn . . . (Privatadresse) als Vorsitzendem, 2. der Angestellten Frau4 . . . (Privatadresse) und 3. dem gewerblichen Arbeitnehmer Herrn . . . (Privatadresse) als Beisitzer besteht.5

1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Allgemein zur Beteiligung von Gewerkschaften im Beschlussverfahren s. M 104.2. 3 Praxistipp: Umstritten ist, ob bei Untätigkeit des Betriebsrats dieser oder der Arbeitgeber Antragsgegner ist. Die besseren Gründe sprechen dafür, den Arbeitgeber als Antragsgegner anzusehen (aA Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 741). Die Unklarheiten sind aber unproblematisch, da das Gericht von sich aus die (nach seiner Auffassung) Beteiligten zu laden und um sachgerechte Antragstellung zu bitten hat. Anträge können grundsätzlich alle Beteiligten stellen, unabhängig davon, ob sie Antragsgegner, Antragsteller oder sonstige Beteiligte sind (§ 83 ArbGG). 4 Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG sollen im Wahlvorstand Männer und Frauen vertreten sein. 5 Nach herrschender Auffassung ist es nicht notwendig, unmittelbar im Antrag die Mitglieder des Wahlvorstandes namentlich vorzuschlagen. Wird ohne konkrete Namensnennung schlicht beantragt, einen Wahlvorstand zu bestellen, hat das Arbeitsgericht von sich aus in der Verhandlung oder durch vorbereitende Verfügung um geeignete Vorschläge zu bitten. Nach § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG kann das Arbeitsgericht in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern auch betriebsfremde Gewerkschaftsmitglieder zu Wahlvorständen bestellen, was sinnvoll ist, wenn der Arbeitgeber die Wahlen massiv behindert.

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Errichtung des Betriebsrats

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Begründung: Im Betrieb . . . der Antragsgegnerin besteht ein Betriebsrat6 (der Beteiligte zu 3.). Obwohl die Amtsperiode des Betriebsrats in diesen Wochen abläuft, hat er noch keinen Wahlvorstand bestellt.7 Beweis: Zeugnis des Betriebsratsvorsitzenden (Name), zu laden über die Antragsgegnerin Auf Anfrage, warum noch kein Wahlvorstand bestellt sei, hat der Betriebsratsvorsitzende mitgeteilt, zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat „laufe es derzeit prima“, man brauche keine Neuwahlen. Beweis: Wie vor. Es steht jedoch nicht im Belieben des Betriebsrats, ob neu gewählt wird oder nicht. Daher hat das Arbeitsgericht einen Wahlvorstand zu bestellen. Dazu werden die im Antrag genannten Personen vorgeschlagen, die für das Amt geeignet sind und sich auf Anfrage zur Übernahme des Amtes bereit erklärt haben. Beweis: Zeugnis des Gewerkschaftssekretärs (Name, Adresse). Die Antragstellerin ist eine im Betrieb der Antragsgegnerin vertretene Gewerkschaft, ihr gehören drei Arbeitnehmer des Betriebes an (wird ausgeführt).8 ... (Unterschrift)9 6 Das Muster bezieht sich auf den Fall, dass bereits ein Betriebsrat besteht. Weigert sich dieser, einen Wahlvorstand zu bestellen, so kann der Arbeitgeber und jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft beim Arbeitsgericht die Bestellung eines Wahlvorstandes beantragen. Geht es um die erstmalige Wahl, so ist Voraussetzung der arbeitsgerichtlichen Bestellung des Wahlvorstands, dass vorher zu einer Betriebsversammlung eingeladen worden war, die jedoch entweder nicht stattgefunden hat oder aber auf der kein Wahlvorstand gewählt wurde (§§ 16, 17 BetrVG). Den Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstands können auch drei wahlberechtigte Arbeitnehmer stellen. Die Bestellung des Wahlvorstands kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Beschlussverfahren nachgeholt werden (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 17 BetrVG Rz. 17 und § 16 BetrVG Rz. 24), das Beschlussverfahren erledigt sich dadurch. 7 Der Anspruch kann ggf. auch per einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden (grds. ablehnend allerdings Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 744). Fraglich ist allerdings, ob es insoweit als Verfügungsgrund ausreicht, dass bis zur rechtskräftigen Einsetzung des Wahlvorstands und Durchführung der Betriebsratswahl ein betriebsratsloser Zustand eintritt, oder ob besondere Dringlichkeitsgründe erforderlich sind. 8 Zum Nachweis, dass die Gewerkschaft im Betrieb vertreten ist, s. M 104.2. 9 In Verfahren im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen orientiert sich die Rechtsprechung hinsichtlich des Streitwerts an der Größe des zu errichtenden Betriebsrats. Meist wird der Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (Euro 4 000,–) auf Euro 8 000,– verdoppelt und dann für jede weitere Größenstufe des § 9 BetrVG noch einmal erhöht (vgl. zB BAG v. 17.10.2001 – 7 ABR 42/99; LAG Rh.-Pf. v. 21.5.2007, AE 2007, Nr. 366; LAG Hessen v. 3.1.2003 – 4 Ta 499/02; LAG Niedersachsen v. 12.8.2002 – 8 Ta 269/02; LAG Hamm v. 9.3.2001, NZA-RR 2002, 104). Für das Verfahren auf Bestellung des Wahlvorstands wird das entsprechend gelten (LAG Hessen v. 8.8.2002 – 6 Ta 398/02).

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Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Durchführung einer Betriebsratswahl1, 2 An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren3 mit den Beteiligten

1. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer (Name, Firmenadresse) – Antragstellerin – 2. Wahlvorstand4 der Firma . . . GmbH, vertreten durch den Vorsitzenden des Wahlvorstands . . . (Privatadresse)5 – Antragsgegner – vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen wegen der Dringlichkeit des Falles ohne mündliche Anhörung der Beteiligten durch den Vorsitzenden allein im Wege der einstweiligen Verfügung:6 1. Dem Antragsgegner zu untersagen, die laufende Betriebsratswahl fortzusetzen. 1

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Praxistipp: Einstweilige Verfügungen auf Unterbrechung von Betriebsratswahlen haben in der Praxis große Bedeutung. Das liegt daran, dass ein erst nach der Wahl eingeleitetes Anfechtungsverfahren auf Grund der langen Terminierungsfristen von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht sowie auf Grund des dreigliedrigen Instanzenzugs (inklusive Nichtzulassungsbeschwerde) nicht selten fast genauso lange dauert wie die Amtsperiode des Betriebsrats. Das Verfahren hat keine aufschiebende Wirkung. De facto kann also eine fehlerhafte Betriebsratswahl nachträglich kaum noch korrigiert werden. Umso interessanter ist es in der Praxis, fehlerhafte Betriebsratswahlen von vornherein zu unterbinden. Im Vorfeld mit einer erstmals durchgeführten Betriebsratswahl kommt es mitunter zu endlosen Streitereien über Kleinigkeiten, insbesondere wenn der Arbeitgeber mit allen Mitteln die Wahl zu behindern versucht. Wegen der Zeitdauer eines Hauptsacheverfahrens bleibt für den Betriebsrat häufig nur der Weg, selbst wegen Kleinigkeiten einstweilige Verfügungen zu beantragen, etwa im Hinblick auf Auskunftserteilung für die Erstellung der Wählerliste, Bereitstellung von Sachmitteln (Urnen, Wahlzettel, Vordrucke, Schreibgerät), Zugang des Wahlvorstands zum Betrieb (bei gekündigten Wahlvorständen oder der ausnahmsweisen Bestellung von externen Gewerkschaftsmitgliedern zum Wahlvorstand; vgl. dazu die Muster bei Herbst/ Bertelsmann/Reiter, Rz. 745 ff.). Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. Anträge auf Abbruch einer Betriebsratswahl sind stets gegen den Wahlvorstand zu richten, nicht gegen den Betriebsrat oder die Gewerkschaft, auch wenn diese hinter der Wahl stehen. Untersagungsanträge können von allen Beteiligten gestellt werden, die ansonsten zur Wahlanfechtung berechtigt wären (BAG v. 28.11.1977, AP Nr. 6 zu § 19 BetrVG 1972; v. 14.12.1965, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG). Umstritten ist, ob neben Antragsteller und Wahlvorstand noch weitere Beteiligte hinzuzuziehen sind (zB Arbeitgeber und Betriebsrat). Teilweise wird vorgeschlagen, die einstweilige Verfügung nicht nur gegen den Wahlvorstand als Organ, sondern zusätzlich auch noch gegen die einzelnen Mitglieder des Wahlvorstands persönlich zu beantragen. Zwar ist der Wahlvorstand (wie alle anderen Organe der Betriebsverfassung) nicht rechtsfähig. Seine Prozessfähigkeit ergibt sich aber aus § 10 ArbGG. Prozessuale Probleme erfordern also nicht, den Antrag auch gegen die Mitglieder des Wahlvorstands persönlich zu stellen. Eine solche Antragstellung wird aber mit dem Argument befürwortet, dass dann ggf. die Vollstreckung gegenüber den natürlichen Personen in Betracht käme. Das wiederum setzt gedanklich voraus, dass man überhaupt eine Vollstreckung mittels Zwangsgeld (weil unvertretbare Handlungen nach § 888 ZPO) für zulässig hält, was aber unrichtig ist. Zur einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren allgemein s. M 107.5.

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Kap. 30

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2. Hilfsweise: Die beantragte einstweilige Verfügung nach Anhörung der Beteiligten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Die Antragstellerin ist ein Einzelhandelsunternehmen in . . . mit 100 Arbeitnehmern. Es besteht derzeit kein Betriebsrat. Am 17.5. . . . hat die Gewerkschaft ver. di zu einer Betriebsversammlung für den 25.6. . . . in die Gaststätte „ . . .“ geladen, um einen Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl zu bilden. Am 23.6., also zwei Tage bevor diese Betriebsversammlung stattfinden sollte, hat sich bei der Geschäftsführung ein dreiköpfiger „Wahlvorstand“ unter Leitung des Herrn . . . gemeldet und mitgeteilt, er werde für die Durchführung der Betriebsratswahl sorgen. Zugleich hat der „Wahlvorstand“ am schwarzen Brett die Betriebsversammlung abgesagt, die zwei Tage später stattfinden sollte. Auf die Frage, wann denn der „Wahlvorstand“ gewählt worden sei, hat Herr . . . der Geschäftsführung mitgeteilt, es habe am Vorabend (22.6.) bereits eine Betriebsversammlung stattgefunden, zu der die Gewerkschaft „Proletarische Initiative“ eingeladen habe. An dieser Versammlung hätten vier Mitarbeiter teilgenommen, die mit Unterstützung des örtlichen Sekretärs der „Proletarischen Initiative“ den Wahlvorstand gewählt hätten. In dem Betrieb ist über eine Einladung der Gewerkschaft „Proletarische Initiative“ zu einer Betriebsversammlung am 22.6. . . . nichts bekannt. Überhaupt ist diese angeblich existierende Organisation niemandem im Betrieb bekannt. Eine ordnungsgemäße Einladung durch eine „Gewerkschaft“ im Sinne des § 17 Abs. 3 BetrVG hat es offensichtlich nie gegeben. Offensichtlich hat eine kleine Gruppe von Mitarbeitern auf eigene Faust einen Wahlvorstand gebildet, möglicherweise um der für zwei Tage später angesetzten Betriebsversammlung zuvorzukommen. Der angeblich am 22.6. gewählte „Wahlvorstand“ hat unverzüglich mit den Vorbereitungen zur Durchführung einer Betriebsratswahl begonnen und insbesondere auch am schwarzen Brett um Wahlvorschläge gebeten. Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des Personalleiters . . ., Anlage AS 1 Dem „Wahlvorstand“ ist seine weitere Tätigkeit zu untersagen, da er nicht ordnungsgemäß gebildet worden ist. Zu der Veranstaltung, auf der angeblich die Wahl stattgefunden haben soll, ist in keiner Weise im Betrieb eingeladen worden, so dass die Masse der Belegschaft keinerlei Möglichkeit hatte, an der Bildung des Wahlvorstands teilzunehmen. Dieser Mangel ist so schwerwiegend, dass er zur Nichtigkeit der Bildung des Wahlvorstands führt. Eine von einem nichtigen Wahlvorstand durchgeführte Betriebsratswahl ist ihrerseits nichtig. Es ist anerkannt, dass die weitere Durchführung eines Wahlverfahrens untersagt werden kann, wenn ansonsten die Wahl des Betriebsrates nichtig wäre.7 Das ist vorliegend der Fall. 7

Wichtig: Wie so häufig beim einstweiligen Rechtsschutz divergieren auch hier die Anforderungen, die die einzelnen Landesarbeitsgerichte an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes stellen. Dass meist hohe Anforderungen gestellt werden, ist verständlich, da der Abbruch einer Betriebsratswahl zu einer je nach den Umständen nicht unerheblichen betriebsratslosen Zeit führen kann. Anerkannt ist die Zulässigkeit von einstweiligen Verfügungen auf Wahlabbruch, wenn das Wahlverfahren einen so gravierenden Mangel aufweist, dass dieser die Betriebsratswahl nichtig machen würde und der Mangel auch nicht mehr zu korrigieren

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... (Unterschrift)8 ist (zB LAG Köln v. 27.12.1989, DB 1990, 539 und v. 5.7.1987, DB 1987, 1996; LAG Hessen v. 21.3.1990, DB 1991, 239; LAG München v. 3.8.1988, NZA 1989, 444). Dieser Rechtsprechung ist uneingeschränkt beizupflichten, da auch eine nichtige Betriebsratswahl letztlich zu einem betriebsratslosen Zustand führt, also durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Abbruch der Wahl kein Nachteil entstehen kann. Umstritten ist allerdings, ob auch die hohe Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Wahlanfechtung ausreicht (so zB Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, § 85 ArbGG Rz. 38; LAG Niedersachsen v. 4.12.2003, NZA-RR 2004, 197; LAG Düsseldorf v. 19.12.1977, DB 1978, 255; LAG Hamm v. 10.4.1975, DB 1975, 1176). Andere Grundsätze müssen allerdings gelten, soweit mit der einstweiligen Verfügung nicht der Abbruch der Wahl erreicht werden soll, sondern bestimmte Handlungen des Wahlvorstands erzwungen werden sollen. Das spielt beispielsweise eine Rolle, wenn der Wahlvorstand bestimmte Arbeitnehmer oder bestimmte Kandidaten-Listen (nicht) zur Wahl zulässt. Hat beispielsweise der Wahlvorstand eine bestimmte Liste wegen angeblicher Mängel des Wahlvorschlags nicht zugelassen, wäre die Wahl anfechtbar, wenn die Mängel tatsächlich nicht bestanden. Hier muss es im Interesse aller Beteiligten sein, dass dem Wahlvorstand im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben werden kann, die Liste nachträglich noch zuzulassen. Denn damit ersparen sich alle Beteiligten ein nachträgliches Anfechtungsverfahren, das mit Sicherheit erfolgreich wäre (dazu ArbG Bielefeld v. 20.5.1987, BB 1987, 1458; LAG München v. 14.4.1987, DB 1988, 347; ArbG Emden v. 3.4.1984, NZA 1985, 228; LAG Hessen v. 21.3.1990, DB 1991, 239). 8 Hinsichtlich des Streitwerts s. allg. M 30.1 Fn. 9. Die einstweilige Verfügung wird regelmäßig mit 80 % des Werts des Hauptsacheverfahrens bewertet (LAG Köln v. 10.10.2002, NZA-RR 2003, 493; LAG Hessen v. 8.8.2002 – 5 Ta 399/02; aA LAG Hamm v. 28.4.2005, NZA-RR 2005, 435).

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Antrag auf Klärung des Betriebsbegriffs1

30.3

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten (Arbeitgeber/Betriebsrat, volles Rubrum) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Es wird festgestellt, dass die Betriebsstätten der Antragstellerin in . . . und . . . getrennte Betriebe im Sinne des BetrVG sind. 1 Streitigkeiten über die richtigen Betriebsratsstrukturen kommen recht häufig vor, da die gesetzlichen Regeln unklar und schwammig sind. So wird häufig wie im Muster darüber gestritten, ob zwei selbständige oder ein gemeinsamer Betrieb vorliegt (BAG v. 17.1.1978, AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG) oder ob Nebenbetriebe/Betriebsteile selbständig oder dem Hauptbetrieb zuzuordnen sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, § 4 BetrVG). Problematisch und recht häufig Gegenstand eines Beschlussverfahrens ist auch die Klärung der Frage, ob mehrere Unternehmen einen einheitlichen Betrieb iSd. § 1 Abs. 2 BetrVG (Gemeinschaftsbetrieb) führen (BAG v. 25.9.1986 und v. 14.9.1988, AP Nr. 7, 9 zu § 1 BetrVG). 2 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1.

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Kap. 30

Errichtung des Betriebsrats

M 30.3

Begründung: Die Antragstellerin ist ein metallverarbeitendes Unternehmen. Zum Unternehmen gehören zwei Betriebsstätten, eine Fertigungsstätte im Industriegebiet . . . mit 100 Mitarbeitern sowie eine weitere Fertigungsstätte in . . . mit ca. 90 Mitarbeitern. Antragsgegner ist der einzige im Unternehmen existierende Betriebsrat, der im Jahr . . . erstmals gewählt wurde, und zwar gemeinsam für die Betriebsstätten . . . und . . . In der Zeit seit der Betriebsratswahl ist es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten über verschiedene betriebsverfassungsrechtliche Fragen gekommen. Im Zuge dieser Meinungsverschiedenheiten hat sich die Antragstellerin von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen. Dieser hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Betriebsratswahl des Jahres . . . nicht korrekt erfolgt ist, da die Betriebsstätten . . . und . . . keinen gemeinsamen Betrieb darstellen, sondern als getrennte Betriebe im Sinne des BetrVG anzusehen sind. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner auf diesen Umstand hingewiesen und erklärt, man werde zwar den gemeinsam gewählten Betriebsrat bis zum Ablauf seiner Amtsperiode im Jahr . . . als vollwertigen Betriebsrat anerkennen und respektieren, im Jahre . . . müssten jedoch getrennte Betriebsratswahlen in . . . und . . . stattfinden. Der Antragsgegner hat dieser Auffassung vehement widersprochen und mitgeteilt, er werde sich der Aufspaltung in zwei getrennte Betriebsräte mit allen Mitteln widersetzen. Es ist in mehreren Gesprächsrunden den Beteiligten nicht gelungen, die Meinungsverschiedenheiten auszuräumen.3 Deswegen hat die Antragstellerin beschlossen, bereits jetzt das vorliegende Verfahren einzuleiten, um noch rechtzeitig vor der Betriebsratswahl im Jahre . . . Klarheit über die Rechtslage zu erhalten.4 Die Betriebsstätten in . . . und . . . sind schon deshalb nicht als einheitliche Betriebe im Sinne des BetrVG anzusehen, weil . . . (wird ausgeführt). ... (Unterschrift)5 Praxistipp: In der Praxis werden Streitigkeiten über die richtige Betriebsratsstruktur häufig durch vertragliche Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Unternehmen geregelt. Solche Vereinbarungen sind häufig unwirksam, da das BetrVG eine gesetzlich zwingende Betriebsratsstruktur vorschreibt, die nur in den Grenzen des § 3 BetrVG zur Disposition der Betriebspartner steht (s. ausf. M 50.4). Vereinbarungen zwischen den Betriebspartnern entfalten aber starke faktische Wirkung, selbst wenn sie von § 3 BetrVG nicht gedeckt sind. Insbesondere ist die Wahl der Betriebsräte nicht unwirksam, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die vereinbarte Betriebsratsstruktur mit dem BetrVG unvereinbar ist. Es ist den Betriebspartnern darüber hinaus verwehrt, sich später hinsichtlich einzelner Beteiligungsrechte des Betriebsrats auf eine abweichende Betriebs- und Unternehmensstruktur zu berufen (zB bei Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan). 4 Am Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Antrag ist nicht zu zweifeln, da das Verfahren den Beteiligten eine Wahlanfechtung erspart, die für den Betrieb mit erheblich größerer Unsicherheit verbunden wäre. Im Übrigen ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung des BAG die Zulässigkeit solcher Feststellungsanträge schon aus entsprechender Anwendung von § 18 Abs. 2 BetrVG (BAG v. 29.1.1987, AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG). 5 Auch bei Verfahren zur Klärung des Betriebsbegriffs richtet sich der Streitwert nach herrschender Ansicht nach den für Streitigkeiten um Betriebsratswahlen entwickelten Grundsätzen (LAG Köln v. 3.1.2008 – 8 Ta 277/07; LAG Berlin v. 19.10.2005 – 17 Ta (Kost) 6062/05), s. M 30.1 Fn. 9. 3

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M 30.4

Errichtung des Betriebsrats

Kap. 30

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Anfechtung der Betriebsratswahl

30.4

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten2, 3, 4 (Arbeitgeber/Betriebsrat, volles Rubrum) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Die Betriebsratswahl5 vom . . . wird für unwirksam erklärt.6, 7

1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Anfechtungsberechtigt sind der Arbeitgeber, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer (§ 19 BetrVG). Nicht anfechtungsberechtigt ist dagegen der neu gewählte Betriebsrat selbst. Hat der Betriebsrat Bedenken gegen die Korrektheit der Wahl, so steht ihm als einfacher Weg der Rücktritt mit anschließender Neuwahl offen. Wird nicht nur Anfechtbarkeit, sondern auch Nichtigkeit (vgl. Fn. 6) geltend gemacht, ist jedermann anfechtungsberechtigt, also auch ein einzelner Arbeitnehmer (LAG Berlin v. 8.4.2003, NZA-RR 2003, 587). 3 Antragsgegner ist stets der neu gewählte Betriebsrat, obwohl der Wahlfehler meist auf Fehlern des Wahlvorstands beruht. Wird nur die Wahl eines einzelnen Betriebsratsmitglieds (etwa wegen fehlender Wählbarkeit) angefochten, so ist dieses Mitglied allein Antragsgegner (BAG v. 28.11.1977, AP Nr. 2 zu § 8 BetrVG unter II 1e) der Gründe). 4 Beteiligte des Verfahrens sind in jedem Fall der Arbeitgeber (auch wenn er nicht Antragsteller ist). Richtet sich das Verfahren gegen die Wahl eines einzelnen Betriebsratsmitglieds, so ist der gesamte Betriebsrat weiterer Beteiligter. Die Gewerkschaft ist (soweit sie nicht Antragsteller ist) grundsätzlich nicht zu beteiligen (BAG v. 19.9.1985, AP Nr. 12 zu § 19 BetrVG). 5 Die Wahl muss (und kann!) nicht insgesamt angefochten werden, wenn der Wahlfehler sich nur auf einen Teil der Wahl auswirken konnte. 6 Bei der Wahlanfechtung handelt es sich grundsätzlich um eine Gestaltungsklage. Nur bei ganz gravierenden Fehlern ist die Wahl von selbst nichtig. Das ist nur der Fall, wenn der Fehler so gravierend ist, dass schon der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl fehlt. In solchen Fällen ist der Betriebsrat von vornherein nicht existent, so dass beim Arbeitsgericht nur die Feststellung beantragt werden muss, dass die Wahl nichtig war (BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG unter B II 2a) aa)). Für den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit gilt die ZweiWochen-Frist des § 19 BetrVG (s. Fn. 9) nicht (BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG unter B II 1a); Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 19 BetrVG Rz. 45). Bezüglich der Frage, ob der Wahlfehler die Wahl nichtig oder nur anfechtbar macht, wird häufig mit gestaffelten Anträgen gearbeitet, indem zunächst die Feststellung der Nichtigkeit und nur hilfsweise die Unwirksamerklärung beantragt wird. Erforderlich ist dies aber nicht, da der Anfechtungsantrag nach ständiger Rechtsprechung des BAG grundsätzlich auch den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit umfasst (BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG unter B I 2 der Gründe). In der Praxis sind verschiedene Antragsformulierungen gebräuchlich und auch zulässig. So wird beispielsweise häufig beantragt, die Wahl „aufzuheben“ oder „für unwirksam zu erklären“ oder „für ungültig zu erklären“. Ungenau formulierte Anträge sind stets von Amts wegen zu korrigieren. Die Beschränkungen der Anfechtungsberechtigung für Betriebsratswahlen in § 19 BetrVG gelten für die Geltendmachung der Nichtigkeit nicht, die Nichtigkeit kann jederzeit von jedermann geltend gemacht werden, also auch von einem einzelnen Arbeitnehmer (LAG Berlin v. 8.4.2003, NZA-RR 2003, 587). 7 Ist das Wahlverfahren ordnungsgemäß abgelaufen und nur bei der Stimmenauszählung ein Fehler passiert, so ist nicht die Unwirksamerklärung zu beantragen, sondern die Feststellung des richtigen Wahlergebnisses (BAG v. 26.11.1968, AP Nr. 18 zu § 76 BetrVG; v. 15.7.1960, AP Nr. 10 zu § 76 BetrVG). Es wird dann zB die Feststellung beantragt, dass „statt des Mitarbeiters X der Mitarbeiter Y gewählt ist“.

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Kap. 30

Errichtung des Betriebsrats

M 30.4

Begründung: Am . . . hat im Betrieb der Antragstellerin in . . . eine Betriebsratswahl stattgefunden. Für diese Wahl waren zwei Vorschlagslisten eingereicht worden („Liste A“ und „Liste B“). Auf Liste A kandidierten alle drei Mitglieder des Wahlvorstands. Der Wahlvorstand hat die gleichfalls eingereichte Liste B nicht zur Wahl zugelassen mit der Begründung, die Liste sei „vom Unternehmen gekauft“. Auf der Liste hätten nur solche Mitarbeiter kandidiert, die von der Geschäftsführung ausdrücklich zur Kandidatur aufgefordert worden seien. Damit biete diese Liste keine Gewähr dafür, engagiert für die Belange der Arbeitnehmer einzutreten. Beweis: Zeugnis des Vorsitzenden des Wahlvorstands (Name, Adresse) Die Entscheidung des Wahlvorstands war rechtswidrig. Richtigerweise hätte der Wahlvorstand auch die „Liste B“ zulassen müssen. Seine Unterstellung, die Kandidaturen auf der Liste B seien nur durch entsprechende Aufforderung der Geschäftsführung zustande gekommen, ist unrichtig. Letztlich kommt es darauf aber nicht an. Auch eine Liste mit Kandidaten, die sämtlich nur auf Initiative der Geschäftsführung kandidieren, ist ohne jede Einschränkung zulässig. Dass die „Liste B“ nicht zugelassen wurde, führt zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl. Denn es liegt auf der Hand, dass bei Zulassung der Liste B das Wahlergebnis anders hätte ausfallen können, da dann Listenwahl stattgefunden hätte und nicht eine Personenwahl unter den Kandidaten der Liste A.8 Die Zwei-Wochen-Frist ist eingehalten worden.9 Das Wahlergebnis wurde am . . . durch den Wahlvorstand ausgehängt.10, 11, 12 8 Wahlfehler berechtigen nur dann zur Wahlanfechtung, wenn ohne den Fehler ein anderes Wahlergebnis möglich gewesen wäre. Ist zB ein leitender Angestellter zu Unrecht in die Wählerliste aufgenommen worden, hat er aber nachweislich nicht gewählt, so kommt eine Wahlanfechtung nicht in Betracht. Ist umgekehrt ein einzelner Mitarbeiter zu Unrecht nicht in die Wählerliste aufgenommen worden, so ist eine Anfechtung der Wahl nur möglich, wenn sich durch diese eine Stimme das Ergebnis hätte verändern können (zB wenn zwei Kandidaten gleiche Stimmzahl erreicht haben oder nur durch eine Stimme getrennt sind). 9 Wichtig: Von größter Bedeutung in der Praxis ist die Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 BetrVG. Diese Frist ist deshalb so tückisch, weil innerhalb der zwei Wochen (gerechnet ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses) nicht nur der Anfechtungsantrag beim Arbeitsgericht eingegangen sein muss. Vielmehr muss – entgegen dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 BetrVG! – der Antrag auch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist so umfassend begründet sein, dass für das Gericht erkennbar ist, aus welchem Grund die Wahl in welchem Umfang angefochten wird. Es reicht also (anders zB als bei der Einlegung einer Berufung) nicht, zunächst nur den Antrag zu stellen und die Begründung erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist nachzuschieben. Die Zwei-Wochen-Frist hat allerdings keine Präklusionswirkung hinsichtlich anderer Unwirksamkeitsgründe. Hat der Anfechtende innerhalb der Zwei-Wochen-Frist einen Wahlmangel hinreichend konkret behauptet, muss das Arbeitsgericht vielmehr im weiteren Verfahren von Amts wegen allen für eine Wahlanfechtung in Betracht kommenden Wahlverstößen nachgehen, die sich aus dem späteren Vortrag der Beteiligten ergeben (BAG v. 3.6.1969, DB 1969, 1707; v. 4.12.1986, NZA 1987, 166). Wird in einem Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten die Wahl mit der Begründung angefochten, statt mehrerer Einzelbetriebsstätten hätte nur ein zentraler Betriebsrat gewählt werden dürfen, so müssen die Wahlen aller einzelner Betriebsräte innerhalb der Zwei-Wochen-Frist angefochten werden (BAG v. 7.12.1988, AP Nr. 15 zu § 19 BetrVG). 10 Mit der Rechtskraft der Entscheidung endet das Amt des Betriebsrats. Ein Übergangsmandat besteht in diesem Fall nicht, der Betrieb wird mit sofortiger Wirkung betriebsratslos. Dagegen bleiben bis zum Eintritt der Rechtskraft alle vorgenommenen Handlungen des Betriebs-

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M 30.5

Errichtung des Betriebsrats

Kap. 30

... (Unterschrift)13 rats voll wirksam. Auch der Arbeitgeber muss sich hinsichtlich der Zeit bis zum Eintritt der Rechtskraft so behandeln lassen, als habe es einen wirksam gewählten Betriebsrat gegeben. Ist beispielsweise vor Eintritt der Rechtskraft eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG ausgesprochen worden, so bleibt sie auch dann unwirksam, wenn später die Wahl des Betriebsrats erfolgreich angefochten wird. Anders ist es nur in den seltenen Fällen, in denen die Wahl für nichtig erklärt wird. Hier hat es nie einen wirksam gewählten Betriebsrat gegeben, so dass in der Vergangenheit stattgefundene Verletzungen des BetrVG (zB unterlassene Anhörung vor einer Kündigung) für den Arbeitgeber folgenlos bleiben. Allerdings hat der (Schein-)Betriebsrat Anspruch auf Erstattung seiner Kosten nach § 40 BetrVG, wenn er mit vertretbaren Gründen von der Wirksamkeit oder jedenfalls nur Anfechtbarkeit der Wahl ausgehen konnte (BAG v. 29.4.1998, DB 1998, 992). 11 Eine Zwangsvollstreckung findet nicht statt, da es entweder um eine gestaltende Entscheidung (Unwirksamkeitserklärung) oder um eine Feststellung (Nichtigkeit) geht. 12 Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts ist Beschwerde zum LAG möglich. Der Gegenstandswert wird je nach Größe des Betriebs meist auf ein Vielfaches des Hilfswerts (§ 23 Abs. 3 RVG) festgesetzt (zB LAG Hamm v. 28.4.1976, DB 1977, 357: DM 75 000 in einem Großbetrieb mit 3 500 Mitarbeitern). 13 Zum Streitwert s. die Erläuterungen zu M 30.1 Fn. 9.

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Strafanzeige wegen Wahlbehinderung nach § 119 BetrVG An die Staatsanwaltschaft beim Landgericht1 Sehr geehrte Damen und Herren,

wir vertreten den im Betrieb . . . der X GmbH gebildeten Wahlvorstand zur Durchführung der Betriebsratswahl 2010, bestehend aus (Namen, Adressen). Im Namen unseres Mandaten erstatten wir Strafanzeige nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Behinderung der Betriebsratswahl) und stellen Strafantrag gemäß § 119 Abs. 2 BetrVG2 gegen den Geschäftsführer der X GmbH, Herrn . . . Der Strafanzeige liegt folgender Sachverhalt zugrunde: In dem Betrieb . . . der X GmbH bestand jahrzehntelang kein Betriebsrat, obwohl der Betrieb mehr als 200 Arbeitnehmer 1 Da es sich bei der Behinderung der Betriebsratswahl nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG um eine Straftat und nicht um eine Ordnungswidrigkeit handelt, ist die Anzeige an die Staatsanwaltschaft beim örtlich zuständigen Landgericht zu richten, nicht wie bei Ordnungswidrigkeiten nach § 121 BetrVG (s. M 43.8) an die Verwaltungsbehörde. 2 Straftaten nach § 119 BetrVG sind Antragsdelikte. Den Strafantrag können stellen der Betriebsrat, der Gesamtbetriebsrat, der Konzernbetriebsrat, die Bordvertretung, der Seebetriebsrat, eine nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildete besondere Arbeitnehmervertretung, der Wahlvorstand, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Wird zunächst nur Anzeige erstattet, ohne dass gleich Strafantrag gestellt wird, wird die Staatsanwaltschaft nachfragen, ob der Anzeigende Strafantrag stellen will. Zu beachten ist, dass gemäß § 77b StGB der Strafantrag nur binnen drei Monaten nach Kenntnis des Antragstellers gestellt werden kann.

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Kap. 31

Interne Organisation des Betriebsrats

hat. Am . . . hat erstmals in einer nach § 17 BetrVG ordnungsgemäß einberufenen Betriebsversammlung die Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer einen Wahlvorstand (den Anzeigeerstatter) gewählt. Das Protokoll der Betriebsversammlung ist als Anlage 1 beigefügt. Der Wahlvorstand hat die Wahl ordnungsgemäß vorbereitet und zur Durchführung der Wahl den . . . von . . . bis . . . Uhr bestimmt (Wahlausschreiben, als Anlage 2 beigefügt). Eine Woche vor der beabsichtigten Betriebsratswahl hat der Geschäftsführer . . . die Belegschaft zu einer Versammlung zusammengerufen. Auf dieser Versammlung hat er erklärt, einen Betriebsrat könne sich die X GmbH nicht leisten. Falls die Wahl tatsächlich stattfinde, werde der Betrieb geschlossen und die Produktion nach Kasachstan verlagert. Der Geschäftsführer hat die anwesenden Belegschaftsmitglieder aufgefordert, auf den Wahlvorstand mit dem Ziel einzuwirken, dass dieser sein Amt niederlegt und die Wahl nicht durchführt. Beweis: Zeugnis der Mitarbeiter . . ., . . . und . . ., zu laden . . . ... (Unterschrift)3 3 Der Strafantrag kann bis zum Urteil zurückgenommen werden (§ 77d Abs. 1 Satz 1 StGB), ein einmal zurückgenommener Antrag kann nicht erneut gestellt werden (§ 77d Abs. 1 Satz 2 StGB). Bei Rücknahme des Antrags durch den Anzeigenden wird die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen daher unverzüglich vorläufig einstellen. Wenn auch seitens der anderen Antragsberechtigten (§ 119 Abs. 2 BetrVG) kein Strafantrag erfolgt, wird die Strafanzeige hinfällig und das Ermittlungsverfahren endgültig eingestellt. In der Praxis ist oft zu beobachten, dass in der Hitze des Gefechts Strafanzeigen nach § 119 BetrVG nebst Strafantrag erfolgen, sich dann aber kurzfristig die Wogen wieder glätten und der Strafantrag zurückgenommen wird. Viele Staatsanwaltschaften bearbeiten deshalb Strafanzeigen nach § 119 BetrVG recht schleppend, weil erfahrungsgemäß kaum je ein Urteil erfolgt. Der Gegenstandswert ist nicht an der Höhe der (erhofften) Geldbuße zu orientieren, sondern mit dem Hilfswert von Euro 4 000,– (§ 23 RVG) anzusetzen. Nach der – kaum nachvollziehbaren – Entscheidung des ArbG Gießen (v. 9.6.2009, AiB 2010, 120) soll der Arbeitgeber die Kosten des mit der Erstattung der Anzeige beauftragten Anwalts übernehmen müssen.

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Kapitel 31

Interne Organisation des Betriebsrats

Literaturübersicht: Balluf, Befreiung von der beruflichen Tätigkeit und Freistellung, AiB 2006, 611; Becker-Schaffner, Die Rechtsprechung zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern gemäß § 38 BetrVG, BB 1982, 498; Blanke/Trümner, Die Wahl der Betriebsausschussmitglieder und der freizustellenden Betriebsratsmitglieder, BetrR 1990, 25; Bützer, Organe und Geschäftsführung des Betriebsrats, 1972; Denecke, Freigestellte Betriebsratsmitglieder, AuA 2006, 80; Düttmann/ Zachmann, Aufgaben und Geschäftsführung des Betriebsrats, 1973; Felser, Beschlussfassung leicht gemacht, AiB 2006, 280; Fischer, Das Ehrenamtsprinzip der Betriebsverfassung „post Hartzem“ – antiquiert oder Systemerfordernis?, NZA 2007, 484; Frey, Nachprüfbarkeit von Wahlen im Betriebsrat, ArbuR 1954, 90; Fuchs, Geschäftsführung des Betriebsrats, 9. Aufl. 1993; Gillen/ Vahle, Umfang und Grenzen pauschaler Freistellungsansprüche des Betriebsrats, BB 2006, 2749; Göpfert/Fellenberg/Klarmann, Leistungsbezogene Vergütung für teilfreigestellte Betriebsräte, DB 2009, 2041; Hässler, Die Geschäftsführung des Betriebsrats, 5. Aufl. 1984; Hayen, Zukunftsfähige Betriebsratsarbeit, AiB 2008, 36; Heither, Minderheiten- und Gruppenschutz im neuen Betriebsverfassungsgesetz, NZA Beilage 1/1990, 11; Kleinebrink, Fehlerhafte Beschlüsse des Betriebs-

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Interne Organisation des Betriebsrats

hat. Am . . . hat erstmals in einer nach § 17 BetrVG ordnungsgemäß einberufenen Betriebsversammlung die Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer einen Wahlvorstand (den Anzeigeerstatter) gewählt. Das Protokoll der Betriebsversammlung ist als Anlage 1 beigefügt. Der Wahlvorstand hat die Wahl ordnungsgemäß vorbereitet und zur Durchführung der Wahl den . . . von . . . bis . . . Uhr bestimmt (Wahlausschreiben, als Anlage 2 beigefügt). Eine Woche vor der beabsichtigten Betriebsratswahl hat der Geschäftsführer . . . die Belegschaft zu einer Versammlung zusammengerufen. Auf dieser Versammlung hat er erklärt, einen Betriebsrat könne sich die X GmbH nicht leisten. Falls die Wahl tatsächlich stattfinde, werde der Betrieb geschlossen und die Produktion nach Kasachstan verlagert. Der Geschäftsführer hat die anwesenden Belegschaftsmitglieder aufgefordert, auf den Wahlvorstand mit dem Ziel einzuwirken, dass dieser sein Amt niederlegt und die Wahl nicht durchführt. Beweis: Zeugnis der Mitarbeiter . . ., . . . und . . ., zu laden . . . ... (Unterschrift)3 3 Der Strafantrag kann bis zum Urteil zurückgenommen werden (§ 77d Abs. 1 Satz 1 StGB), ein einmal zurückgenommener Antrag kann nicht erneut gestellt werden (§ 77d Abs. 1 Satz 2 StGB). Bei Rücknahme des Antrags durch den Anzeigenden wird die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen daher unverzüglich vorläufig einstellen. Wenn auch seitens der anderen Antragsberechtigten (§ 119 Abs. 2 BetrVG) kein Strafantrag erfolgt, wird die Strafanzeige hinfällig und das Ermittlungsverfahren endgültig eingestellt. In der Praxis ist oft zu beobachten, dass in der Hitze des Gefechts Strafanzeigen nach § 119 BetrVG nebst Strafantrag erfolgen, sich dann aber kurzfristig die Wogen wieder glätten und der Strafantrag zurückgenommen wird. Viele Staatsanwaltschaften bearbeiten deshalb Strafanzeigen nach § 119 BetrVG recht schleppend, weil erfahrungsgemäß kaum je ein Urteil erfolgt. Der Gegenstandswert ist nicht an der Höhe der (erhofften) Geldbuße zu orientieren, sondern mit dem Hilfswert von Euro 4 000,– (§ 23 RVG) anzusetzen. Nach der – kaum nachvollziehbaren – Entscheidung des ArbG Gießen (v. 9.6.2009, AiB 2010, 120) soll der Arbeitgeber die Kosten des mit der Erstattung der Anzeige beauftragten Anwalts übernehmen müssen.

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Literaturübersicht: Balluf, Befreiung von der beruflichen Tätigkeit und Freistellung, AiB 2006, 611; Becker-Schaffner, Die Rechtsprechung zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern gemäß § 38 BetrVG, BB 1982, 498; Blanke/Trümner, Die Wahl der Betriebsausschussmitglieder und der freizustellenden Betriebsratsmitglieder, BetrR 1990, 25; Bützer, Organe und Geschäftsführung des Betriebsrats, 1972; Denecke, Freigestellte Betriebsratsmitglieder, AuA 2006, 80; Düttmann/ Zachmann, Aufgaben und Geschäftsführung des Betriebsrats, 1973; Felser, Beschlussfassung leicht gemacht, AiB 2006, 280; Fischer, Das Ehrenamtsprinzip der Betriebsverfassung „post Hartzem“ – antiquiert oder Systemerfordernis?, NZA 2007, 484; Frey, Nachprüfbarkeit von Wahlen im Betriebsrat, ArbuR 1954, 90; Fuchs, Geschäftsführung des Betriebsrats, 9. Aufl. 1993; Gillen/ Vahle, Umfang und Grenzen pauschaler Freistellungsansprüche des Betriebsrats, BB 2006, 2749; Göpfert/Fellenberg/Klarmann, Leistungsbezogene Vergütung für teilfreigestellte Betriebsräte, DB 2009, 2041; Hässler, Die Geschäftsführung des Betriebsrats, 5. Aufl. 1984; Hayen, Zukunftsfähige Betriebsratsarbeit, AiB 2008, 36; Heither, Minderheiten- und Gruppenschutz im neuen Betriebsverfassungsgesetz, NZA Beilage 1/1990, 11; Kleinebrink, Fehlerhafte Beschlüsse des Betriebs-

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rats: Auswirkungen und Möglichkeiten der Heilung, ArbRB 2009, 211; Klimaschewski, Nachträgliche Beschlussfassung des Betriebsrats – Genehmigung, AiB 2008, 419; Kraft, Die konstituierende Sitzung des Betriebsrats, ArbuR 1968, 66; Krampe, Die Anfechtbarkeit der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden, Diss. 2006; Linde, Übertragung von Aufgaben des Betriebsrats auf Arbeitsgruppen gemäß § 28a BetrVG, Diss. 2006; Löwisch/Rügenhagen, Angemessene arbeitsvertragliche Vergütung von Betriebsratsmitgliedern mit Führungsfunktionen, DB 2008, 466; Ottow, Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern, DB 1975, 646; Pfister, Die Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen gemäß § 28a BetrVG, Diss. 2007; Ratayczak, Interne Wahlen des Betriebsrats, AiB 2006, 270; Rieble, Die Betriebsratsvergütung, NZA 2008, 276; Rieble, Gewerkschaftsnützige Leistungen an Betriebsräte, BB 2009, 1016; Roos, Ungestörte Amtsausübung, AiB 2006, 316; Rudolph/Wassermann, Das Profil der Betriebsräte 2006, AiB 2007, 220; Schneider, Erhöhte Fahrtkosten eines freigestellten Betriebsratsmitglieds zwischen Wohnsitz und Betriebsratssitz, AiB 2007, 301; Schoof, Koppelungsgeschäfte in der Betriebsverfassung, ArbuR 2008, 271; Schweibert/Buse, Rechtliche Grenzen der Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern – Schattenbosse zwischen „Macht und Ohmacht“, NZA 2007, 1080; Stück, Handlungsmöglichkeiten bei überzogener BR-Tätigkeit, AuA 2006, 586; Thannheiser, Gehaltsanpassung für Betriebsräte, AiB 2007, 529; Tüttenberg, Die Arbeitsgruppe nach § 28a BetrVG, Diss. 2006; Wiesner/Siemer, Die „Falschberufung“ beim Nachrücken von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat, FA 2008, 66; Wolff, Vergütung von Betriebsratsmitgliedern, AuA 2008, 534; Wulff, Beschlüsse wirksam fassen, AiB 2008, 528; Zumbeck, Die Geschäftsführung des Betriebsrats, AiB 206, 272.

I. Einführung Die innere Organisation des Betriebsrats ist in den §§ 26 ff. BetrVG geregelt. Zunächst hat der Betriebsrat aus seiner Mitte den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter zu wählen (§ 26 BetrVG). Die Wahl findet in der konstituierenden Sitzung des Betriebsrats statt, die der Wahlvorstand binnen einer Woche nach dem Wahltag einzuberufen hat (§ 29 Abs. 1 BetrVG). Der Vorsitzende des Wahlvorstands leitet die konstituierende Sitzung, bis der Betriebsrat aus seiner Mitte einen Wahlleiter bestellt, der dann die Wahl des Vorsitzenden und dessen Stellvertreter durchführt (§ 29 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Das Amt des Vorsitzenden ist in der Praxis von großer Bedeutung und deshalb oft heftig umkämpft (vgl. M 31.1). Der Vorsitzende hat zwar keine besonderen Rechte nach dem BetrVG, nimmt aber de facto im Betrieb häufig eine herausgehobene Stellung ein.

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In Betrieben mit Betriebsräten, die aus neun oder mehr Mitgliedern bestehen, ist ein Betriebsausschuss zu bilden, der die laufenden Geschäfte führt (§ 27 BetrVG). Bestimmte Rechte nach dem BetrVG stehen ausdrücklich dem Betriebsausschuss und nicht dem Gesamtgremium zu, so zB das Recht auf Einsicht in die Lohn- und Gehaltslisten nach § 80 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat kann auch weitere Ausschüsse bilden (zB EDV-Ausschuss, Ausschuss für Frauenfragen, Akkordausschuss etc.), die Einzelheiten sind in § 28 BetrVG geregelt. Außerdem kann durch Rahmenvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat die Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen geregelt werden (§ 28a BetrVG).

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Von großer Bedeutung ist auch die Wahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder. Gemäß § 38 BetrVG soll die Betriebsratsarbeit in Betrieben mit unter 200 Mitarbeitern durch partielle Arbeitsbefreiung der Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG erfolgen. In Betrieben mit 200 oder mehr Mitarbeitern sind dagegen ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder vollständig von der Arbeit freizustellen. Der Betriebsrat kann eine ihm nach § 38 Abs. 1 BetrVG zustehende volle Freistellung anteilig auf mehrere Mitglieder verteilen (§ 38 Abs. 1 Satz 3 und 4 BetrVG). Eine vollständige Freistellung

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Interne Organisation des Betriebsrats

M 31.1

kann im Einzelfall auch in Betrieben mit weniger als 200 Mitarbeitern in Betracht kommen, wenn sich ungewöhnlich schwierige Aufgaben oder Arbeitsbedingungen für den Betriebsrat stellen (zB hoher Ausländeranteil, zersplitterte Einsatzorte, häufig wechselnde Arbeitsbedingungen etc.). Aber auch aus anstehenden außergewöhnlichen Maßnahmen wie Betriebsänderungen etc. kann sich der Bedarf nach einer ausnahmsweisen vollen Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ergeben. Allerdings muss der Betriebsrat in einem entsprechenden Beschlussverfahren die Erforderlichkeit einer über § 38 BetrVG hinausgehenden vollen Freistellung im Einzelnen darlegen. Insbesondere muss der Betriebsrat darlegen, warum es nicht möglich ist, die notwendigen Betriebsratsarbeiten durch (zusätzliche) Teilfreistellungen nach § 37 Abs. 2 BetrVG abzudecken.1 4

Die Entscheidung, welche Betriebsratsmitglieder nach § 38 Abs. 1 BetrVG vollständig freigestellt werden, trifft der Betriebsrat. Dabei stellt sich die schwierige Abgrenzung, ob bei Streit über die freigestellten Personen das Arbeitsgericht oder die Einigungsstelle entscheidet (vgl. M 31.2). 1 BAG v. 26.7.1989, AP Nr. 10 zu § 38 BetrVG; v. 13.11.1991, NZA 1992, 414.

II. Muster 31.1

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Anfechtung der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden1

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten3 1. Herrn . . ., Mitglied des Betriebsrats der . . . GmbH (Privatadresse) – Antragsteller4 – 2. Betriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch die Betriebsratsvorsitzende Frau . . . (Firmenadresse) – Antragsgegner5 – 1 Die Rechtsprechung wendet für die Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen weitgehend die Regeln über die Anfechtung von Betriebsratswahlen (§ 19 BetrVG) entsprechend an. Hinsichtlich der Antragstellung (Formulierung, Teilanfechtung, positive Feststellung etc.) kann deshalb auf das Muster zur Anfechtung der Betriebsratswahl (M 30.4) verwiesen werden. Es bestehen jedoch einige Besonderheiten. 2 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 3 Beteiligte des Verfahrens sind der Arbeitgeber und das Betriebsratsmitglied, dessen Wahl angefochten wird (BAG v. 19.3.1974, AP Nr. 1 zu § 26 BetrVG). 4 Antragsbefugt sind nur die einzelnen Betriebsratsmitglieder sowie eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft (BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 9 zu § 26 BetrVG; v. 16.2.1973, AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG). Nicht antragsbefugt sollen dagegen nach herrschender, aber nicht überzeugender Auffassung der Arbeitgeber sowie einzelne Arbeitnehmer des Betriebes sein, da ihnen keine Kontrolle der internen Geschäftsführung des Betriebsrats zustehe (Däubler/Kittner/Klebe/ Wedde, § 26 BetrVG Rz. 37). 5 Antragsgegner ist stets der gesamte Betriebsrat, nicht dasjenige Betriebsratsmitglied, dessen interne Wahl angefochten wird (BAG v. 12.10.1976, AP Nr. 2 zu § 26 BetrVG). Der Betriebsrat wird im Verfahren immer durch seinen Vorsitzenden vertreten, egal ob die Wahl des Vorsitzenden, seines Stellvertreters oder von Ausschussmitgliedern angefochten wird (BAG v. 12.10.1976, AP Nr. 2 zu § 26 BetrVG).

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M 31.1

Interne Organisation des Betriebsrats

Kap. 31

3. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer . . ., 4. die gewählte Betriebsratsvorsitzende Frau . . . (Firmenadresse) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Die Wahl der Betriebsratsvorsitzenden . . . vom . . . wird für unwirksam erklärt. Begründung: Der neu gewählte Betriebsrat der . . . GmbH mit insgesamt sieben Mitgliedern trat am . . . zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Für die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden wurden zwei Kandidaten vorgeschlagen, nämlich der Antragsteller, Herr . . ., sowie das weitere Betriebsratsmitglied Frau . . ., die Beteiligte zu 4. Das Betriebsratsmitglied . . . beantragte, geheim abzustimmen. Die Beteiligte zu 4., die die Wahl leitete, meinte jedoch, eine geheime Wahl sei im BetrVG nicht vorgesehen und komme deshalb nicht Betracht. Es müsse offen abgestimmt werden. Es ist im Betrieb bekannt, dass mehrere Vertreter der Wahlvorschlagsliste, die von der Beteiligte zu 4. angeführt wurde, erhebliche Vorbehalte gegen die Person der Beteiligte zu 4. haben, sich aber nicht trauen, diese Vorbehalte offen zu äußern. Mit der Ablehnung einer geheimen Wahl wollte die Beteiligte zu 4. offensichtlich verhindern, dass gewählte Betriebsratsmitglieder „ihrer“ Liste gegen sie und für den Antragsteller stimmen. Bei der Betriebsratswahl waren auf die vom Antragsteller geführte Liste drei Betriebsratssitze, auf die Liste der Beteiligte zu 4. vier Sitze entfallen. Bei der offenen Abstimmung über den Betriebsratsvorsitzenden stimmten, wie erwartet, alle vier Betriebsratsmitglieder der „Liste . . .“ für die Beteiligte zu 4., so dass diese als gewählt festgestellt wurde. Wäre eine geheime Abstimmung durchgeführt worden, was auf Antrag eines Mitglieds zu geschehen hat, so wäre die Wahl mit ziemlicher Sicherheit anders ausgefallen, der Antragsteller wäre gewählt worden. Die Wahl ist deshalb für unwirksam zu erklären.6, 7 ... (Unterschrift)8 Wichtig: Die entsprechende Anwendung der Grundsätze über die Anfechtung von Betriebsratswahlen führt dazu, dass auch bei der Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen grundsätzlich die Zwei-Wochen-Frist des § 29 Abs. 2 BetrVG gilt (BAG v. 12.10.1976, v. 13.11.1991 und v. 15.1.1992, AP Nr. 2, 9, 10 zu § 26 BetrVG). Streitig ist, ob die Anfechtungsfrist mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder erst mit Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund beginnt (Fitting, § 26 BetrVG Rz. 47). 7 Die Entscheidung kann mit Beschwerde nach §§ 87 ff. ArbGG angegriffen werden. Eine Zwangsvollstreckung findet nicht statt, da es sich um einen feststellenden oder gestaltenden Beschluss handelt. 8 Als Streitwert wird üblicherweise der Hilfswert nach § 23 Abs. 3 RVG (Euro 4 000,–) angesetzt. 6

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Kap. 31

31.2

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Interne Organisation des Betriebsrats

M 31.2

Anfechtung der Wahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds1, 2

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren3 mit den Beteiligten 1. Herrn A, Mitglied des Betriebsrats der . . . GmbH (Privatadresse) – Antragsteller4 – 2. Betriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden B (Firmenadresse) – Antragsgegner5 – 3. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer . . . 4. Herrn B, Mitglied des Betriebsrats der . . . GmbH (Privatadresse) 1 Es kann im Wesentlichen auf die Anmerkungen zur Anfechtung der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden verwiesen werden (M 31.1). Wichtig: Zu beachten ist auch hier die Zwei-Wochen-Frist, innerhalb deren nicht nur der Antrag, sondern auch die Begründung beim Arbeitsgericht eingegangen sein muss. 2 Ein gänzlich anderes Verfahren sieht das BetrVG für den Fall vor, dass der Arbeitgeber sich gegen die Wahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder wendet mit der Begründung, die freigestellten Mitglieder seien für den Betrieb unverzichtbar. Um solche Streitigkeiten zu vermeiden, sieht § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zunächst vor, dass die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder erst nach Beratung mit dem Arbeitgeber stattfinden darf. Auf diese Weise wird dem Arbeitgeber Gelegenheit gegeben, seine Bedenken gegen einzelne Freistellungskandidaten rechtzeitig zu äußern. Unterbleibt die Beratung mit dem Arbeitgeber, ist allerdings streitig, ob dies zur Unwirksamkeit der Freistellungswahl führt (offen gelassen vom BAG v. 29.4.1992, AP Nr. 15 zu § 38 BetrVG, bejahend zB Becker-Schaffner, BB 1982, 500; verneinend Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 38 BetrVG Rz. 40). Hat der Arbeitgeber – mit oder ohne vorherige Anhörung – gegen die vom Betriebsrat beschlossenen Freistellungen Bedenken, so muss er diese binnen zwei Wochen vorbringen (§ 38 Abs. 2 Satz 4 BetrVG). Äußert sich der Arbeitgeber binnen zwei Wochen nicht, gelten die Freistellungen als genehmigt. Der Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit, innerhalb der Zwei-Wochen-Frist die Einigungsstelle anzurufen (nicht: ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren einzuleiten!). Die Anrufung der Einigungsstelle kann nicht mit der Zahl der beschlossenen Freistellungen begründet werden, da diese gesetzlich bindend in § 38 Abs. 1 BetrVG geregelt ist. Vielmehr kann der Arbeitgeber nur betriebliche Bedenken gegen die Person des oder der Freigestellten vorbringen, zB wenn eine unersetzbare Schlüsselkraft freigestellt wird, die dringend für die Erledigung bestimmter betrieblicher Aufgaben gebraucht wird. Ruft der Arbeitgeber innerhalb der Zwei-Wochen-Frist irrtümlich das Arbeitsgericht an, kann er nach Fristablauf nicht mehr die Einigungsstelle anrufen. Ist die Einigungsstelle fristgemäß einberufen worden, muss sie, wenn sie dem Antrag des Arbeitgebers stattgibt, zugleich ein anderes Betriebsratsmitglied freistellen (Däubler/Kittner/ Klebe/Wedde, § 38 BetrVG Rz. 51). Der Spruch der Einigungsstelle kann von Arbeitgeber und Betriebsrat in entsprechender Anwendung von § 76 Abs. 5 BetrVG in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren daraufhin überprüft werden, ob er sachlich vertretbar ist, da der Begriff „sachlich vertretbar“ in § 38 BetrVG ein unbestimmter und damit gerichtlich überprüfbarer Rechtsbegriff ist (wenn auch mit weitem Beurteilungsspielraum, vgl. Henssler, RdA 1991, 272). 3 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 4 Antragsbefugt ist nur das einzelne Betriebsratsmitglied oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft, nicht dagegen der Arbeitgeber oder einzelne Arbeitnehmer (str.). 5 Antragsgegner ist stets der Betriebsrat, der auch dann durch den Vorsitzenden vertreten wird, wenn es um dessen Freistellung geht. Weitere Beteiligte sind der Arbeitgeber sowie diejenigen einzelnen Betriebsratsmitglieder, deren Wahl als freizustellende Mitglieder angefochten wird (BAG v. 26.2.1987, AP Nr. 5 zu § 26 BetrVG).

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Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Die Wahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds vom . . . wird für unwirksam erklärt. Begründung: Der frühere Betriebsratsvorsitzende und Vorsitzende des Wahlvorstands B lud den neu gewählten Betriebsrat der . . . GmbH (400 Mitarbeiter) zur konstituierenden Sitzung am . . ., 15.00 Uhr in das Betriebsratszimmer ein. Der neu gewählte Betriebsrat besteht aus neun Mitgliedern, unter ihnen der Antragsteller. Am . . . gegen 9.30 Uhr morgens telefonierte B im Betrieb herum und informierte die Mitglieder des neu gewählten Betriebsrats darüber, dass die konstituierende Sitzung von 15.00 Uhr auf 10.00 Uhr vorgezogen werden müsse, da er am Nachmittag dringend zu einer Besprechung ins Gewerkschaftshaus müsse. Es gelang Herrn B jedoch nicht, den Antragsteller zu erreichen, da dieser am Vormittag auf Montage war. Gleichwohl hielt Herr B die konstituierende Sitzung des Betriebsrats ab. In der Sitzung wurde mit den Stimmen der acht anwesenden Mitglieder über die Freistellung entschieden. Für das freizustellende Betriebsratsmitglied wurden zwei Vorschläge gemacht. Die Abstimmung endete vier zu vier, so dass ein Losentscheid erfolgen musste. Der Losentscheid fiel zu Gunsten der Freistellung des Herrn B aus. Als der Antragsteller gegen 14.00 Uhr in den Betrieb zurückkehrte, war die Wahl bereits gelaufen und die konstituierende Sitzung des Betriebsrats beendet. Es liegt auf der Hand, dass bei Anwesenheit des Antragstellers die Wahl anders hätte ausfallen können. Der Betriebsrat war nicht befugt, seine konstituierende Sitzung ohne den Antragsteller abzuhalten, zumal zu der vorverlegten Sitzung nicht ordnungsgemäß eingeladen worden war.6 ... (Unterschrift)7 6 Die Entscheidung kann mit Beschwerde nach § 87 ArbGG angegriffen werden. 7 Als Streitwert ist regelmäßig der Hilfswert gemäß § 23 Abs. 3 RVG in Höhe von Euro 4 000,– festzusetzen (s. BAG v. 26.2.1987, AP Nr. 5 zu § 26 BetrVG; LAG BW v. 21.3.1991, JurBüro 1991, 1484; LAG Düsseldorf v. 22.8.1991, JurBüro 1992, 94), während andere Gerichte § 42 Abs. 3 GKG (Vierteljahresbezug) entsprechend anwenden wollen (LAG BW v. 17.7.1980, BB 1980, 1695; LAG Rh.-Pf. v. 3.3.1993, ARST 1994, 14).

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Kapitel 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Literaturübersicht: Bützer, Organe und Geschäftsführung des Betriebsrats, 1972; Christoffer, Die Erforderlichkeit von Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für Jugend- und Auszubildendenvertreter, NZA-RR 2009, 572; Düttmann/Zachmann, Aufgaben und Geschäftsführung des Betriebsrats, 1973; Fuchs, Geschäftsführung des Betriebsrats, 9. Aufl. 1993; Hässler, Die Geschäftsführung des Betriebsrates, 5. Aufl. 1984; Korinth, Das Recht des Betriebsrates zur Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes, ArbRB 2008, 53; Lück, Internet als Sachmittel im Sinne des

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Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Die Wahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds vom . . . wird für unwirksam erklärt. Begründung: Der frühere Betriebsratsvorsitzende und Vorsitzende des Wahlvorstands B lud den neu gewählten Betriebsrat der . . . GmbH (400 Mitarbeiter) zur konstituierenden Sitzung am . . ., 15.00 Uhr in das Betriebsratszimmer ein. Der neu gewählte Betriebsrat besteht aus neun Mitgliedern, unter ihnen der Antragsteller. Am . . . gegen 9.30 Uhr morgens telefonierte B im Betrieb herum und informierte die Mitglieder des neu gewählten Betriebsrats darüber, dass die konstituierende Sitzung von 15.00 Uhr auf 10.00 Uhr vorgezogen werden müsse, da er am Nachmittag dringend zu einer Besprechung ins Gewerkschaftshaus müsse. Es gelang Herrn B jedoch nicht, den Antragsteller zu erreichen, da dieser am Vormittag auf Montage war. Gleichwohl hielt Herr B die konstituierende Sitzung des Betriebsrats ab. In der Sitzung wurde mit den Stimmen der acht anwesenden Mitglieder über die Freistellung entschieden. Für das freizustellende Betriebsratsmitglied wurden zwei Vorschläge gemacht. Die Abstimmung endete vier zu vier, so dass ein Losentscheid erfolgen musste. Der Losentscheid fiel zu Gunsten der Freistellung des Herrn B aus. Als der Antragsteller gegen 14.00 Uhr in den Betrieb zurückkehrte, war die Wahl bereits gelaufen und die konstituierende Sitzung des Betriebsrats beendet. Es liegt auf der Hand, dass bei Anwesenheit des Antragstellers die Wahl anders hätte ausfallen können. Der Betriebsrat war nicht befugt, seine konstituierende Sitzung ohne den Antragsteller abzuhalten, zumal zu der vorverlegten Sitzung nicht ordnungsgemäß eingeladen worden war.6 ... (Unterschrift)7 6 Die Entscheidung kann mit Beschwerde nach § 87 ArbGG angegriffen werden. 7 Als Streitwert ist regelmäßig der Hilfswert gemäß § 23 Abs. 3 RVG in Höhe von Euro 4 000,– festzusetzen (s. BAG v. 26.2.1987, AP Nr. 5 zu § 26 BetrVG; LAG BW v. 21.3.1991, JurBüro 1991, 1484; LAG Düsseldorf v. 22.8.1991, JurBüro 1992, 94), während andere Gerichte § 42 Abs. 3 GKG (Vierteljahresbezug) entsprechend anwenden wollen (LAG BW v. 17.7.1980, BB 1980, 1695; LAG Rh.-Pf. v. 3.3.1993, ARST 1994, 14).

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Kapitel 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Literaturübersicht: Bützer, Organe und Geschäftsführung des Betriebsrats, 1972; Christoffer, Die Erforderlichkeit von Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für Jugend- und Auszubildendenvertreter, NZA-RR 2009, 572; Düttmann/Zachmann, Aufgaben und Geschäftsführung des Betriebsrats, 1973; Fuchs, Geschäftsführung des Betriebsrats, 9. Aufl. 1993; Hässler, Die Geschäftsführung des Betriebsrates, 5. Aufl. 1984; Korinth, Das Recht des Betriebsrates zur Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes, ArbRB 2008, 53; Lück, Internet als Sachmittel im Sinne des

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Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

§ 40 BetrVG, AiB 2009, 96; Lück, Internetzugang für Betriebsräte, ArbuR 2009, 55; Peter, Betriebsratsschulungen, AiB 2006, 284; Schiefer, Betriebsratsschulungen – geänderte Spielregeln, DB 2008, 2649; Schneider/Sittard, Die Erforderlichkeit von Betriebsratsschulungen und ihre Erzwingung im Wege der einstweiligen Verfügung, ArbRB 2007, 241; Schoof, Koppelungsgeschäfte in der Betriebsverfassung, AuR 2007, 289.

I. Einführung 1

Zur Wahl des Vorsitzenden, eines Betriebsausschusses sowie der freigestellten Betriebsratsmitglieder s. Kap. 31. Die Geschäftsführung des Betriebsrats erfolgt vor allem in Betriebsratssitzungen (§§ 29–35 BetrVG). Die Sitzungen finden grundsätzlich während der Arbeitszeit statt und sind nicht öffentlich (§ 30 BetrVG). Der Arbeitgeber hat kein Teilnahmerecht. Ein Viertel der Mitglieder kann jedoch die Hinzuziehung eines Gewerkschaftsvertreters verlangen (§ 31 BetrVG), außerdem haben die Schwerbehindertenvertretung sowie die Jugend- und Auszubildendenvertretung ein Teilnahmerecht (§§ 32, 77 Abs. 1 BetrVG). Die Sitzungen werden vom Vorsitzenden des Betriebsrats einberufen und geleitet (§ 29 BetrVG).

2

Beschlüsse des Betriebsrats können nur in Sitzungen gefasst werden, und zwar regelmäßig mit einfacher Stimmenmehrheit (§ 33 Abs. 1 und 2 BetrVG). Beschlussfähig ist der Betriebsrat aber nur dann, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder (einschließlich der Ersatzmitglieder) teilnimmt. Nähere Einzelheiten können durch eine Geschäftsordnung geregelt werden, die der Betriebsrat sich selbst geben kann (§ 36 BetrVG).

3

Die Einrichtung von Sprechstunden regelt § 39 BetrVG.

4

Das BetrVG sieht ausdrücklich vor, dass der Betriebsrat sich durch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft unterstützen lassen kann (§ 2 BetrVG). Dazu regelt das Gesetz beispielsweise ausdrücklich, dass Gewerkschaftsvertreter zu Betriebsratssitzungen (§ 31 BetrVG) oder zu Betriebsversammlungen (§ 46 BetrVG) hinzugezogen werden können, wobei jeweils die Einzelheiten der entsprechenden Regelung genau zu beachten sind.

5

Zuständig ist der Betriebsrat grundsätzlich nur für die „Arbeitnehmer“ im Sinne des BetrVG. Als „Arbeitnehmer“ zählen nicht die Geschäftsführung sowie leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG. Insbesondere die Abgrenzung des leitenden Angestellten ist gesetzlich verunglückt und deshalb häufig Anlass von Streitigkeiten (s. M 32.2).

6

In der Praxis konfliktträchtig ist auch die Kostenregelung. Gemäß § 40 BetrVG trägt die Kosten der Betriebsratsarbeit grundsätzlich der Arbeitgeber. Er hat für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Räume, Sachmittel, Informations- und Kommunikationstechnik und Büropersonal zur Verfügung zu stellen (§ 40 BetrVG). Die Betriebsratskosten dürfen nicht auf die Arbeitnehmer umgelegt werden (§ 41 BetrVG). In der Praxis entsteht häufig Streit über die Erforderlichkeit von Kosten, insbesondere im Zusammenhang mit Schulungen nach § 37 BetrVG (vgl. die M 32.4 und M 32.5). Probleme bereitet häufig auch die Abgrenzung zu § 80 Abs. 3 BetrVG (Hinzuziehung von Sachverständigen, s. dazu M 32.6 und M 32.8).

7

Der Betriebsrat darf bei der Wahrnehmung seiner Amtsgeschäfte nicht gestört oder behindert werden, auch Benachteiligungen sind ausdrücklich verboten (§ 78 BetrVG). 1034 Diller

M 32.1

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

Verstöße des Arbeitgebers sind gemäß § 119 BetrVG Straftaten, die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden. Von Bedeutung ist in der Praxis vor allem die Behinderung der Betriebsratsarbeit durch grundlose Kündigungen oder Hausverbote für Betriebsratsmitglieder (s. M 32.1). Behindert der Arbeitgeber die Amtstätigkeit des Betriebsrats und verstößt er dabei grob gegen seine Pflichten aus dem BetrVG, so kann gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft Unterlassung und Androhung eines Ordnungsgeldes durch das Arbeitsgericht beantragen (s. das M 32.9). Umgekehrt kann bei groben Verstößen des Betriebsrats oder einzelner Mitglieder die Auflösung des Betriebsrats oder der Ausschluss einzelner Mitglieder aus dem Betriebsrat beantragt werden, und zwar entweder durch den Arbeitgeber, ein Viertel der Arbeitnehmer oder die Gewerkschaft (s. dazu Kap. 33). Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob den Gewerkschaften ein Unterlassungsanspruch zusteht, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam gegen bestehende Tarifverträge verstoßen (s. dazu das M 32.10 „Burda“).

II. Muster

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Einstweilige Verfügung1 wegen Zugangs eines Betriebsratsmitglieds zum Betrieb An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten 1. Betriebsratsmitglied . . . (Privatadresse)3 – Antragsteller – 2. GmbH (Firmenadresse) – Antragsgegnerin –

3. Betriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden . . . (Firmenadresse) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen, wegen der Dringlichkeit durch den Vorsitzenden allein und ohne mündliche Verhandlung im Wege der einstweiligen Verfügung: 1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zugang des Antragstellers zum Betrieb zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben während der betriebsüblichen Arbeitszeit zu dulden. 2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziff. 1 ein Ordnungsgeld anzudrohen,4 dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Ordnungshaft. 1 Zur einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren s. M 107.5. 2 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 3 Verwehrt der Arbeitgeber dem gesamten Betriebsrat den Zugang zum Betrieb, ist der Betriebsrat als Gesamtgremium antragsbefugt. 4 Praxistipp: Die Androhung des Ordnungsgeldes bereits im Erkenntnisverfahren ist sinnvoll, da dies die Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO (s. M 108.10) erheblich beschleunigt.

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1035

32.1

Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

M 32.1

3. Hilfsweise: Die beantragte Verfügung nach mündlicher Anhörung der Beteiligten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Die Antragsgegnerin versucht seit Monaten, den seit . . . bestehenden Betriebsrat in seiner Arbeit zu behindern. Die Antragsgegnerin missachtet insbesondere systematisch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 BetrVG. So hat sie vor kurzem eine neue Gleitzeitregelung erlassen und allgemeine Urlaubsgrundsätze aufgestellt, ohne den Betriebsrat ordnungsgemäß zu beteiligen. Des Weiteren hat die Antragsgegnerin wiederholt Einstellungen und Versetzungen vorgenommen, ohne den Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Der Betriebsrat unter Leitung seines Vorsitzenden . . . hat sich all dies mehr oder weniger klaglos gefallen lassen. Das einzige Betriebsratsmitglied, das den offenen Konflikt mit der Antragsgegnerin gesucht hat, war der Antragsteller. Er hat wiederholt schriftlich und auch mündlich gegen die eklatante Missachtung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats durch die Antragsgegnerin protestiert. Insbesondere hat der Antragsteller auf einer Abteilungsversammlung am . . . angekündigt, mit Hilfe der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft gegen die Antragsgegnerin arbeitsrechtliche Beschlussverfahren einzuleiten, sollte diese mit ihrer vorsätzlichen Verletzung des BetrVG nicht aufhören. Die Antragsgegnerin hat darauf sofort reagiert und dem Antragsteller am . . . ohne weitere Begründung fristlos gekündigt, hilfsweise ordentlich. Zugleich hat sie ihn freigestellt und ihm Hausverbot erteilt. Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben nebst Freistellung und Hausverbot vom . . ., Anlage AS 1 Selbstverständlich ist die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 103 BetrVG, § 15 KSchG nichtig. Dementsprechend gibt es auch keinen Anlass, den Antragsteller von der Arbeit freizustellen. Der Antragsteller hat deshalb vor dem Arbeitsgericht (Az. . . .) Klage gegen die Kündigung erhoben und zugleich beantragt, die Antragsgegnerin per einstweiliger Verfügung zur Weiterbeschäftigung zu verpflichten. Beide Verfahren sind noch nicht entschieden. Zur Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, Anlage AS 2 Unabhängig von der individualrechtlichen Zulässigkeit der Maßnahmen sind sie auf jeden Fall betriebsverfassungsrechtlich unwirksam, soweit sie den Antragsteller an der Ausübung seines Betriebsratsamts hindern. Insbesondere das Hausverbot zielte ersichtlich nur darauf ab, dem Antragsteller mit sofortiger Wirkung die weitere Ausübung seines Amtes unmöglich zu machen. Das ist mit dem BetrVG nicht vereinbar. Nach unstreitiger Auffassung hat es der Arbeitgeber nicht in der Hand, dem Betriebsrat oder einzelnen seiner Mitglieder nach Belieben durch den Ausspruch von Hausverboten die weitere Tätigkeit unmöglich zu machen. Betriebsratsarbeit kann sinnvoll nur im Betrieb wahrgenommen werden. Schon aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) ergibt sich das Zugangsrecht nicht nur des Betriebsrats als Organ, sondern auch der einzelnen Betriebsratsmitglieder (wird ausgeführt). Ein Verfügungsanspruch ist damit gegeben. Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass eine Entscheidung im ordentlichen Verfahren erst in Monaten zu erwarten wäre.5 5 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 2.9.2009, NZA-RR 2009, 646.

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M 32.2

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

Solange hätte die Antragsgegnerin ihr offensichtlich rechtswidriges Ziel erreicht, den Antragsteller an der Ausübung seines Amtes zu hindern. Das darf nicht sein, weder im Interesse des Antragstellers noch im Interesse der übrigen Belegschaft, die weitgehend schutzlos wäre, hätte es der Arbeitgeber in der Hand, einseitig jederzeit die Betriebsratsarbeit durch den Ausspruch von Hausverboten zu unterbinden.6, 7 ... (Unterschrift)8 6 Die Entscheidung kann mit Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG angegriffen werden. 7 Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach § 890 ZPO, s. M 108.10. 8 Der Streitwert sollte allenfalls mit dem Hilfswert nach § 23 Abs. 3 RVG von Euro 4 000,– angesetzt werden, ggf. auch niedriger.

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Antrag auf Feststellung des Status eines leitenden Angestellten An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten

1. Betriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden (Name, Firmenadresse) – Antragsteller2 – 2. Firma . . . GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer . . . (Firmenadresse) – Antragsgegnerin3 – 3. Kaufmännischer Angestellter . . . (Privatadresse)4 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Es wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 3. kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG ist.5 1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Der Streit um die Eigenschaft eines Mitarbeiters als leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG (sog. „Statusverfahren“) kommt in der Praxis in zahllosen verschiedenen Konstellationen vor. Nicht nur der Betriebsrat kann ein entsprechendes Verfahren zur Klarstellung vor dem Arbeitsgericht einleiten, sondern auch der Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmer, um dessen Status es geht (BAG v. 23.1.1986, AP Nr. 31 und 32 zu § 5 BetrVG). Zulässig, aber in der Praxis selten sind auch entsprechende Anträge einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft (BAG v. 5.3.1974, AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG), eines Sprecherausschusses oder (im Zusammenhang mit einer Betriebsrats- oder Sprecherausschusswahl) eines Wahlvorstandes. 3 Antragsgegner ist stets der Arbeitgeber. Nur wenn der Arbeitgeber Antragsteller ist, ist Antragsgegner der Betriebsrat. 4 Der betroffene Arbeitnehmer ist stets Beteiligter (BAG v. 25.10.1989, AP Nr. 42 zu § 5 BetrVG; v. 23.1.1986, AP Nr. 32 zu § 5 BetrVG). 5 Häufig wird der Status des Mitarbeiters ohne Einleitung eines besonderen Verfahrens inzidenter als Vorfrage in einem anderen Verfahren gerichtlich geklärt, etwa in einem Beschlussverfahren nach §§ 99–101 BetrVG.

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32.2

Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

M 32.3

Begründung: Die Antragsgegnerin betreibt in . . . ein metallverarbeitendes Unternehmen mit 200 Mitarbeitern. Der Antragsteller ist der Betriebsrat . . . Zwischen den Parteien ist anlässlich einer Versetzung des Bet. Ziff. 3 Streit darüber entstanden, ob dieser leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG ist und damit nicht in die Zuständigkeit des Antragstellers fällt. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller mit Schreiben vom . . . mitgeteilt, sie betrachte den Bet. Ziff. 3 als leitenden Angestellten und werde deshalb vor seiner geplanten Versetzung nicht das Verfahren nach § 99 BetrVG einleiten. Die Auffassung der Antragsgegnerin ist unrichtig. Der Bet. Ziff. 3 ist nicht leitender Angestellter. Insbesondere ist er weder zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder einer Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG), noch hat er Generalvollmacht oder Prokura (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG). Der Bet. Ziff. 3 nimmt auch nicht regelmäßig sonstige Aufgaben wahr, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens und des Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrung und Kenntnisse voraussetzt (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG). Im Einzelnen: . . . (wird ausgeführt).6 ... (Unterschrift)7 6 Die Entscheidung kann mit Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG angegriffen werden. 7 Der Streitwert wird üblicherweise mit dem Hilfswert von Euro 4 000,– angesetzt (§ 23 Abs. 3 RVG).

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32.3

Antrag auf Duldung des Zugangs von Gewerkschaftsbeauftragten zum Betrieb

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten2 1. Betriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden (Name, Firmenadresse) – Antragsteller – 1

Wichtig: Das Beschlussverfahren ist die richtige Verfahrensart, soweit es um Zutrittsrechte der Gewerkschaften geht, die aus dem BetrVG resultieren. Dagegen sind Streitigkeiten über sonstige Zugangsrechte der Gewerkschaften (zB im Hinblick auf die nach Art. 9 GG garantierte Mitgliederwerbung im Betrieb) im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren auszutragen, an dem der jeweilige Betriebsrat nicht beteiligt wird (vgl. Däubler, Gewerkschaftsrechte im Betrieb, Rz. 727). Im Übrigen zur Antragstellung und zu sonstigen Fragen des Beschlussverfahrens s. M 104.1. 2 Den Antrag kann sowohl die betreffende Gewerkschaft als auch der Betriebsrat stellen. Beteiligte des Verfahrens sind unabhängig von der Antragstellung immer Arbeitgeber, Gewerkschaft und Betriebsrat. Unklar ist, ob auch der einzelne Gewerkschaftssekretär zu beteiligen ist, um dessen Zugang gestritten wird (bejahend Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 713).

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M 32.3

Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

2. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer (Name, Firmenadresse) – Antragsgegnerin – 3. IG Metall,3 Verwaltungsstelle . . ., vertreten durch den Bezirkssekretär (Name, Geschäftsadresse) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Zugang des Gewerkschaftssekretärs . . . der IG-Metall, Verwaltungsstelle . . ., zum Betrieb am . . . sowie seine Teilnahme an der für diesen Tag anberaumten Betriebsversammlung zu dulden.4, 5 Begründung: Die Antragsgegnerin ist ein metallverarbeitendes Unternehmen mit 100 Mitarbeitern. Der einzige Betrieb des Unternehmens ist in . . . Der Antragsteller ist der in diesem Betrieb gebildete Betriebsrat. Der Betriebsrat hat zur ordentlichen Betriebsversammlung für den . . ., . . . Uhr in die Kantine auf dem Werksgelände eingeladen. Einwendungen gegen die Versammlung sowie deren Ort und Zeit hat die Antragsgegnerin nicht geäußert. Gemäß § 46 BetrVG hat der Antragsteller den Gewerkschaftssekretär . . . zur Teilnahme an der Veranstaltung eingeladen. Ca. 50 % der Belegschaft sind unstreitig in der IG Metall organisiert.6 Herr . . . soll auf der Betriebsversammlung insbesondere über die aktuelle Tarifauseinandersetzung berichten. Mit Vermerk vom . . . hat der Antragsteller die Antragsgegnerin darüber informiert, dass sie Herrn . . . eingeladen hatte. Daraufhin hat die Geschäftsführung mit Schreiben vom . . . kategorisch erklärt, man dulde „keine Gewerkschaftshansel“ im Betrieb, erteile Herrn . . . Hausverbot und werde dieses Hausverbot notfalls mit Polizeigewalt durchsetzen. Beweis: Schreiben der Geschäftsführung vom . . ., Anlage AS 1 Es ist nicht ersichtlich, warum die Antragsgegnerin sich gegen den Zugang von Herrn . . . zum Betrieb und seine Teilnahme an der Betriebsversammlung sperrt. Das Teilnahmerecht von Gewerkschaftsvertretern an Betriebsversammlungen ist in § 46 BetrVG ausdrücklich geregelt. Sofern Betriebsversammlungen auf dem Betriebsgelände stattfinden, folgt aus § 46 BetrVG notwendigerweise das Recht des eingeladenen Gewerkschaftsvertreters, den Betrieb zu betreten. Irgendwelche Bedenken 3 Allgemein zur Beteiligung von Gewerkschaften im Beschlussverfahren s. M 104.2. 4 Der Antrag muss genau beschreiben, zu welchem Zweck und – soweit möglich – an welchem Tag das Zugangsrecht geltend gemacht wird. Sind mehrere Betriebe vorhanden, muss sich aus dem Antrag ergeben, zu welchem Betrieb der Zugang begehrt wird. Nicht erforderlich dürfte dagegen die Angabe des Namens des jeweiligen Gewerkschaftssekretärs sein, da häufig im Vorhinein nicht feststeht, welcher Gewerkschaftsvertreter an einem bestimmten Tag verfügbar ist. 5 Praxistipp: Der Antrag könnte auch im einstweiligen Verfügungsverfahren gestellt werden, da eine Hauptsacheentscheidung höchstwahrscheinlich zu spät kommen wird. Mitunter vermeiden jedoch die Betriebspartner einstweilige Verfügungsverfahren, um die Atmosphäre nicht unnötig zu belasten. Sie wollen ihre Streitigkeiten in Ruhe und ohne Hektik geklärt haben, vor allem im Hinblick auf die zukünftige Handhabung. Ggf. ist der zunächst gestellte Antrag später auf eine vergangenheitsbezogene Feststellung umzustellen. Wegen der Wiederholungsgefahr wäre ein solcher Antrag ohne weiteres zulässig. 6 Zu den Anforderungen an den Nachweis im Bestreitensfall BAG v. 25.3.1992, NZA 1993, 134.

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Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

M 32.4

gegen die Person des Herrn . . . hat die Antragsgegnerin nicht vorgebracht, solche Bedenken existieren auch nicht.7 ... (Unterschrift)8 7 Die Entscheidung kann mit Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG angegriffen werden. 8 Der Streitwert wird üblicherweise mit dem Hilfswert von Euro 4 000,– angesetzt (§ 23 Abs. 3 RVG).

32.4

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Antrag auf Freistellung/Übernahme von Sachmittelkosten1

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten (Betriebsrat/Arbeitgeber, volles Rubrum) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren3 ein und beantragen:4

1 Nach § 40 BetrVG hat der Arbeitgeber die Kosten und den Sachaufwand der Betriebsratstätigkeit zu tragen. Zu den Einrichtungen und Büromitteln, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellen hat, gehören Büroräume mit angemessenem Mobiliar (statt aller: ArbG Bremerhaven v. 11.12.1985, AiB 1986, 167; ArbG Heilbronn v. 17.2.1984, BB 1984, 982), Schreibmaterial, Aktenordner, Briefmarken, Diktiergerät, inzwischen auch ohne weiteres PC nebst Drucker sowie Internet-Zugang etc. (BAG v. 20.1.2010 – 7 ABR 79/08; s. im Einzelnen Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 40 BetrVG Rz. 120 ff.). Einen eigenen Kopierer sowie ein eigenes Fax kann der Betriebsrat regelmäßig nur in größeren Betrieben verlangen. Es kommt jeweils darauf an, ob die Zurverfügungstellung erforderlich ist, um die Betriebsratsarbeit ordnungsgemäß abwickeln zu können. Dies hat im Streitfall der Betriebsrat darzulegen und zu beweisen (ausführlich Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 40 BetrVG Rz. 120 ff.). Der Betriebsrat hat des Weiteren Anspruch auf Fachliteratur in angemessenem Umfang, dazu gehören Gesetzestexte (LAG Schl.-Holst. v. 11.4.1995, LAGE § 14 BetrVG Nr. 46), aber auch Lehrbücher und Kommentare der wichtigsten arbeitsrechtlichen Gesetze, soweit sie für die Tätigkeit benötigt werden (LAG Bremen v. 3.5.1996, BB 1996, 2303 bzgl. Arbeitsrechts-Handbuch von Schaub; BAG v. 26.10.1994, NZA 1995, 386 bzgl. Kommentar zum BetrVG von Fitting). Des Weiteren hat der Betriebsrat Anspruch auf mindestens eine arbeits- und sozialrechtliche Fachzeitschrift (LAG Berlin v. 5.10.1992, BB 1993, 725). Je nach Größe und Aufgabe des Betriebsrats kann auch die Gestellung von Büropersonal in Betracht kommen (LAG BW v. 25.11.1987, AiB 1988, 185), außerdem hat der Betriebsrat Anspruch auf ein schwarzes Brett (BAG v. 21.11.1978, AP Nr. 15 zu § 40 BetrVG). 2 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 3 In Eilfällen kommt eine einstweilige Verfügung in Betracht, wenn die Verweigerung der Kostenübernahme oder der Sachmittelgestellung die Betriebsratsarbeit unzumutbar erschwert (Fitting, § 40 BetrVG Rz. 148). 4 Das Muster kombiniert die verschiedenen Möglichkeiten der Antragstellung. Der Antrag Ziff. 1 bezieht sich auf eine größere Anschaffung, die der Betriebsrat auf eigene Faust wegen

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M 32.4

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller einen betriebsüblichen Schwarzweiß-Kopierer nebst Zubehör (Toner, ausreichende Menge Kopierpapier etc.) auf ihre Kosten zur Verfügung zu stellen. 2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller von seiner Verpflichtung aus dem Kauf des Standardkommentars „Betriebsverfassungsgesetz“ von Fitting in Höhe von Euro . . . gegenüber der Buchhandlung . . . (Adresse) freizustellen. 3. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Betriebsratsmitglied . . . (Privatadresse) Euro . . . nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz5 seit Einleitung des Beschlussverfahrens zu erstatten. Begründung: Die Antragsgegnerin ist ein metallverarbeitendes Unternehmen in . . . mit 1 000 Arbeitnehmern. Der Antragsteller ist der beim Unternehmen gebildete Betriebsrat. Der Antragsteller wird seit Monaten von der Antragsgegnerin dadurch behindert, dass diese ihn von jeglichem Hilfsmaterial, insbesondere Büroausstattung und Büromaterial, konsequent abschneidet. War es in der Vergangenheit für den Antragsteller kein Problem, in der Materialausgabe entsprechende Büromaterialien zu bekommen, darf nunmehr die Materialausgabe auf Grund ausdrücklicher Anweisung der Geschäftsführung nichts mehr an den Antragsteller herausgeben. Des Weiteren war der Antragsteller in der Vergangenheit befugt, im Büro der Lohnbuchhaltung Kopien zu machen, die für seine tägliche Arbeit erforderlich sind. Diese Befugnis wurde ihm gemäß Schreiben der Geschäftsführung vom . . . entzogen. Beweis: Schreiben der Geschäftsführung vom . . ., Anlage AS 1 Der Antragsteller hat daraufhin in seiner Sitzung vom . . . einstimmig den Beschluss gefasst, dass die Anschaffung eines eigenen Kopierers, die Anschaffung eines Standes damit verbundenen Risikos nicht machen will. Hier ist ein Verpflichtungsantrag/Leistungsantrag zu stellen. Der Antrag Ziff. 2 betrifft den Fall, dass der Betriebsrat die Anschaffung selbst veranlasst, aber noch nicht bezahlt hat. In einem solchen Fall besteht ein Freistellungsanspruch. Dieser Anspruch kommt allerdings erst dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber innerhalb einer angemessenen Frist seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Ohne vorherige vergebliche Aufforderung des Arbeitgebers ist der Betriebsrat grundsätzlich nicht berechtigt, Sachmittel auf Kosten des Arbeitgebers selbst zu beschaffen und anschließend Kostenfreistellung zu verlangen (BAG v. 21.4.1983, AP Nr. 20 zu § 40 BetrVG). Ziff. 3 betrifft schließlich den Fall, dass ein einzelnes Betriebsratsmitglied auf eigene Faust Sachmittel angeschafft und auch bezahlt hat, was regelmäßig nur bei Bagatellbeträgen in Betracht kommt. Auch insoweit ist zu beachten, dass der Überlassungsanspruch nach § 40 Abs. 2 BetrVG grundsätzlich vorgeht und deshalb die Ersatzbeschaffung nur nach vergeblicher vorheriger Aufforderung des Arbeitgebers in Betracht kommt. Der Betriebsrat ist grundsätzlich befugt, Erstattungsansprüche (ebenso wie Freistellungsansprüche) eines seiner Mitglieder gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, wobei allerdings nur Freistellung des einzelnen Mitglieds und nicht des Gesamtgremiums verlangt werden kann (BAG v. 27.3.1979, AP Nr. 7 zu § 80 ArbGG). Den Antrag auf Kostenerstattung könnte auch das betroffene einzelne Betriebsratsmitglied geltend machen, und zwar ebenfalls im Beschlussverfahren. Der Betriebsrat wäre dann Beteiligter des Verfahrens (BAG v. 13.7.1977, AP Nr. 8 zu § 83 ArbGG). 5 Für Erstattungsansprüche können ausnahmsweise Verzugs- und Prozesszinsen verlangt werden (BAG v. 18.1.1989, AP Nr. 28 zu § 40 BetrVG). Dazu M 101.3 Fn. 5–7.

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Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

M 32.4

dardkommentars zum BetrVG sowie die Anschaffung von Schreibblöcken und Schreibstiften im Wert von Euro . . . erforderlich sind. Beweis: Beschluss des Antragstellers vom . . ., Anlage AS 2 Der Personalleiter der Antragsgegnerin hat eine Kopie des Beschlusses erhalten mit der Aufforderung, für die Bereitstellung der erforderlichen Gegenstände und Materialien zu sorgen. Er hat jedoch lapidar mitgeteilt, der Betriebsrat „solle sehen, wie er selbst zurechtkommt“. Beweis: Zeugnis des Personalleiters, zu laden über die Beklagte. Mit dem Antrag Ziff. 1 soll die Antragsgegnerin verpflichtet werden, einen handelsüblichen Kopierer anzuschaffen und dem Antragsteller zur Verfügung zu stellen. Der Kopierer ist für die ordnungsgemäße Erledigung der Betriebsratsarbeit erforderlich, weil . . . (wird ausgeführt). Des Weiteren hat der Antragsteller bei der Buchhandlung . . . in . . . den Standardkommentar von Fitting zum BetrVG zum Preis von Euro . . . bestellt. Der Kommentar ist auch bereits geliefert worden und wird vom Antragsteller genutzt. Beweis: Rechnung der Buchhandlung . . ., Anlage AS 3 Die Rechnung hat nach § 40 BetrVG die Antragsgegnerin zu bezahlen. Schließlich hat das Betriebsratsmitglied . . . am . . . auf eigene Faust Schreibblöcke und Schreibstifte im Wert von Euro . . . gekauft, um zunächst vorübergehend eine Weiterarbeit des Betriebsrats zu ermöglichen. Beweis: Quittungsbeleg des Schreibwarenladens vom . . ., Anlage AS 4 Für diese Aufwendungen schuldet die Antragsgegnerin Kostenerstattung nach § 40 BetrVG.6 ... (Unterschrift)7 6 Die Entscheidung kann mit Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG angegriffen werden. Da es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt, kommt eine vorläufige Vollstreckbarkeit nach §§ 85, 87 ArbGG in Betracht (sehr streitig, ausführlich Dütz, DB 1980, 1122; Rudolf, NZA 1988, 420). 7 Als Streitwert ist jeweils der Wert der beanspruchten Sachmittel anzusetzen.

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M 32.5

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

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Antrag auf Erstattung von Schulungskosten1, 2 An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren3 mit den Beteiligten (Betriebsrat/Arbeitgeber, volles Rubrum)

vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen:4 Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Betriebsratsmitglied . . . den Besuch des . . .-Seminars „Interessenausgleich und Sozialplan“ am . . . zu gestatten und die Seminargebühr von Euro . . . sowie die Fahrtkosten (Bahn 2. Klasse) und eine Verpflegungspauschale von Euro . . . zu übernehmen. Begründung: Die Antragsgegnerin ist ein metallverarbeitendes Unternehmen in . . . mit 1 000 Mitarbeitern. Der Antragsteller ist der bei der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat. 1 Streitigkeiten im Zusammenhang mit Schulungskosten sind in der außergerichtlichen und gerichtlichen Praxis außerordentlich häufig anzutreffen. Die fehlerfreie gerichtliche Abwicklung solcher Streitigkeiten ist allerdings eine Wissenschaft für sich. Praxistipp: Im Beschlussverfahren geltend zu machen ist nur die Freistellungsverpflichtung sowie die Übernahme der Schulungskosten nebst Anreise und Verpflegung. Geht es dagegen um die Fortzahlung von Lohn/Gehalt für die Dauer der Schulungsveranstaltung, soll nach Auffassung des BAG nur die übliche Lohnklage im Wege des Urteilsverfahrens in Betracht kommen (ständige Rechtsprechung, zB BAG v. 30.1.1973 sowie v. 18.6. und v. 17.9.1974, AP Nr. 1, 16 und 17 zu § 37 BetrVG), was in der Praxis äußerst misslich ist. Die Aufspaltung kann nämlich dazu führen, dass gleichzeitig zwei verschiedene Verfahren anhängig zu machen sind (so ausdrücklich BAG v. 18.6. und 17.9.1974, AP Nr. 16 und 17 zu § 37 BetrVG), wobei die Verbindung beider Verfahren unzulässig ist (Dütz, ArbuR 1973, 370). Der Freistellungsanspruch (der ebenfalls im Beschlussverfahren geltend zu machen ist) kann sowohl vom gesamten Betriebsrat als auch von dem zur Schulung vorgesehenen einzelnen Betriebsratsmitglied geltend gemacht werden (dann ist der Betriebsrat weiterer Beteiligter des Verfahrens, vgl. BAG v. 5.4.1984, AP Nr. 46 zu § 37 BetrVG). Allerdings ist stets sorgfältig zu prüfen, aus welchem Grund der Arbeitgeber die Freistellung zum Besuch der Fortbildungsveranstaltung ablehnt. Lehnt er die Erforderlichkeit der Fortbildung als solche ab, ist das Beschlussverfahren die richtige Verfahrensart. Anders ist es dagegen, wenn der Arbeitgeber die Erforderlichkeit der Schulung als solche nicht bezweifelt, aber Bedenken wegen der zeitlichen Lage der Schulungsveranstaltung hat. Hier muss der Arbeitgeber nach Mitteilung des entsprechenden Betriebsratsbeschlusses binnen kurzer Frist (herrschende Meinung: zwei Wochen, s. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 37 BetrVG Rz. 159 ff.) die Einigungsstelle anrufen (§ 37 Abs. 6 Satz 5 BetrVG). 2 Der Antrag des Musters bezieht sich auf den Fall, dass die Schulung noch nicht stattgefunden hat und auch noch nicht gebucht ist. Wäre das der Fall, so könnte entsprechend dem Muster zu den Sachkosten des Betriebsrats (s. M 32.4) Freistellung von den Kosten bzw. Kostenerstattung verlangt werden. Diese Ansprüche kann der Betriebsrat als Gesamtgremium nur zu Gunsten des betroffenen Betriebsratsmitglieds geltend machen (s. M 32.4 Fn. 4). Sehr häufig wird der Anspruch auf Kostenerstattung oder Freistellung an die Gewerkschaft abgetreten, wenn diese Träger der Schulung war. Der Anspruch kann dann nach wie vor im Beschlussverfahren geltend gemacht werden. 3 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 4 Je nach Zeitschiene kommt auch eine einstweilige Verfügung in Betracht.

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32.5

Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

M 32.5

Der Personalchef der Antragsgegnerin hat den Antragsteller in der vergangenen Woche darüber informiert, dass ein „großflächiger“ Personalabbau in der Größenordnung von ca. 150 Arbeitsplätzen erforderlich sei, um die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens wieder herzustellen. Man fordere deshalb den Betriebsrat auf, unverzüglich in Beratungen und Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan gemäß §§ 111 ff. BetrVG einzutreten. Beweis: Zeugnis des Personalleiters, zu laden über die Antragsgegnerin Der Antragsteller hat daraufhin in seiner Sitzung vom . . . beschlossen, dass das Betriebsratsmitglied . . . das Seminar „Interessenausgleich und Sozialplan“ besuchen müsse, das am . . . in . . . stattfindet. Beweis: Betriebsratsbeschluss vom . . ., Anlage AS 1 Veranstalter des Seminars ist die Firma . . .5 Als Referenten treten die Fachanwälte für Arbeitsrecht Prof. Dr. Gerhard Röder und Prof. Dr. Ulrich Baeck auf, die seit Jahrzehnten als ausgewiesene Spezialisten der Materie bekannt sind und auch durch einschlägige Publikationen hervorgetreten sind.6 Der Personalleiter der Antragsgegnerin erklärte jedoch am . . . kategorisch, eine Schulung von Betriebsratsmitgliedern wegen des anstehenden Personalabbaus sei „Quatsch“, einschlägige Kenntnisse könne man sich auch umsonst bei der örtlichen Gewerkschaft holen. Beweis: Zeugnis des Personalleiters, zu laden über die Antragsgegnerin Nach § 37 Abs. 6 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, in denen Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Im Betriebsrat befindet sich kein einziges Mitglied, das jemals über Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt hätte.7 Es ist nicht möglich, sich eine so komplexe Materie allein aus Büchern zu erschließen. Abgesehen davon sieht § 37 BetrVG ausdrücklich die Schulung durch den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen vor, nicht die Schulung durch Selbststudium mittels Büchern. Die Dauer der Schulungsveranstaltung (1 Tag) ist unter Berücksichtigung des zu vermit5 Geht es wie im Muster um die Gebühren eines privaten Seminarveranstalters, sind diese ohne weiteres als erforderlich anzusehen und deshalb vom Arbeitgeber zu erstatten. Problematisch ist es hingegen, wenn Gewerkschaften oder gewerkschaftsnahe Träger die Schulung durchführen. Die Rechtsprechung schränkt hier die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers durch den koalitionsrechtlichen Grundsatz ein, dass die Gewerkschaft aus den von den Arbeitgebern gezahlten Schulungsveranstaltungen keinen Gewinn erzielen darf (BAG v. 30.3.1994, NZA 1995, 282). Der Arbeitgeber kann deshalb verlangen, dass die Schulungskosten aufgeschlüsselt werden und braucht dann nur die „echten“ Selbstkosten der Veranstaltung zu tragen. 6 Erforderlich und damit erstattungsfähig ist nur eine Schulungsveranstaltung, die von einem seriösen Träger und fachlich qualifizierten Referenten durchgeführt wird. Das steht hier außer Zweifel. 7 Zur Begründetheit des Kostenübernahmeanspruchs nach §§ 37 Abs. 6, 40 Abs. 1 BetrVG ist die Darlegung erforderlich, dass die zu vermittelnden Kenntnisse angesichts der konkreten Situation im Betrieb erforderlich sind. Bei der Schulung zu Spezialthemen (hier: Interessenausgleich/Sozialplan) erfordert dies die Darlegung, dass entsprechende Verhandlungen anstehen und dass kein Mitglied des Betriebsrats die notwendigen Kenntnisse hat. Nur bei der Vermittlung von Grundkenntnissen des Betriebsverfassungsrechts und des allgemeinen Arbeitsrechts ist eine Darlegung der Erforderlichkeit der Kenntnisse nicht notwendig (BAG v. 29.4.1992, NZA 1993, 375), jedenfalls bei neu gewählten Mitgliedern des Betriebsrats.

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M 32.6

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

telnden Wissens mehr als angemessen, das Gleiche gilt für die Kosten. Folglich hat die Antragsgegnerin die Kosten der Veranstaltung nach § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen. Die Seminargebühr beläuft sich auf Euro . . . inklusive Mehrwertsteuer. Beweis: Seminarprospekt, Anlage AS 2 Die Kosten der Anreise sowie eine angemessene Verpflegungspauschale hat die Antragsgegnerin ebenfalls nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen.8 ... (Unterschrift)9 8 Die Entscheidung kann mit Beschwerde zum LAG nach § 87 ArbGG angegriffen werden. 9 Als Streitwert ist regelmäßig der Hilfswert gemäß § 23 Abs. 3 RVG in Höhe von Euro 4 000,– festzusetzen (zB LAG Rh.-Pf. v. 14.6.2007 – 1 Ta 150/07; LAG Schl.-Holst. v. 21.8.2002 – 4 Ta 112/02). In Betracht kommt aber auch eine niedrigere Wertfestsetzung, wenn die Seminarkosten erheblich niedriger waren, zB bei Eintagesseminaren.

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Antrag auf Gestattung der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständigen1

32.6

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten (Betriebsrat/Arbeitgeber, volles Rubrum) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen:3

1 Für die Vertretung des Betriebsrats durch einen Rechtsanwalt in einem anhängigen Gerichtsverfahren gilt nicht § 80 Abs. 3 BetrVG, sondern § 40 BetrVG, so dass insoweit für die Hinzuziehung des Anwalts keine vorherige Zustimmung des Arbeitgebers erfordert (BAG v. 25.4.1978, AP Nr. 11 zu § 80 BetrVG). Ebenfalls nicht erforderlich ist die Zustimmung des Arbeitgebers, wenn das Unternehmen mehr als 300 Arbeitnehmer hat und es um Beratung bezüglich Interessenausgleich und Sozialplan geht, hier gibt § 111 Satz 2 BetrVG dem Betriebsrat ein einseitiges Recht auf Hinzuziehung eines externen Beraters. 2 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 3 Praxistipp: Bei Streitigkeiten nach § 80 Abs. 3 BetrVG macht vor allem die korrekte Antragstellung häufig Kopfzerbrechen. Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass der Betriebsrat externe Sachverständige nur „nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber“ hinzuziehen kann. Selbst wenn der Sache nach ein Anspruch auf Hinzuziehung bestünde, könnte der Betriebsrat also nicht selbst einen entsprechenden Beschluss fassen und den Sachverständigen beauftragen. Vielmehr muss vorher eine „Vereinbarung“ mit dem Arbeitgeber erzielt werden und im Falle der verweigerten Vereinbarung muss der Betriebsrat die fehlende Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen (BAG v. 11.11.2009 – 7 ABR 26/08, DB 2010, 734). Das wird in der Praxis häufig übersehen mit der unerfreulichen Konsequenz, dass der Sachverständige vom Unternehmen kein Honorar erhält und schließlich (vergeblich) versucht, die handelnden Betriebsratsmitglieder persönlich in Regress zu nehmen (zu Fragen des Regresses ausf. BGH v. 25.10.2012, NZG 2012, 1389; s. auch M 32.8).

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Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

M 32.6

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Beauftragung des Rechtsanwalts . . . (Adresse) zur Beratung und Vertretung des Antragstellers im Zusammenhang mit der geplanten Schließung des Werkes . . . auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes4 zuzustimmen.5 Begründung: Die Antragsgegnerin ist ein metallverarbeitendes Unternehmen mit ca. 250 Arbeitnehmern.6 Antragsteller ist der Betriebsrat des Werkes . . . Der Personalchef des Werkes . . . hat dem Betriebsrat am . . . mitgeteilt, dass das Unternehmen plane, den Standort zu schließen und sämtliche Mitarbeiter zu entlassen. Er wolle mit dem Antragsteller über Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln. Beweis: Zeugnis des Personalleiters, zu laden über die Antragsgegnerin Da kein Mitglied des Antragstellers über irgendwelche rechtlichen Kenntnisse oder praktische Erfahrungen im Zusammenhang mit der Verhandlung von Interessenausgleich und Sozialplan verfügt, hat der Antragsteller in der Betriebsratssitzung vom . . . einstimmig beschlossen, den bekannten Arbeitsrechtsanwalt . . . als Sachverständigen gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG hinzuzuziehen. Beweis: Betriebsratsbeschluss vom . . ., Anlage AS 1 Der Antragsteller hat den Personalleiter des Werkes . . . am . . . über den gefassten Beschluss unterrichtet und darum gebeten, gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG der Beauftragung von Rechtsanwalt . . . zuzustimmen. Der Personalleiter hat dies jedoch kategorisch abgelehnt mit der Begründung, der Betriebsrat komme auch ohne Sachverstand aus und solle notfalls einen „Gewerkschaftshansel“ hinzuziehen. Beweis: Zeugnis des Personalleiters

4 Die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs nach § 80 Abs. 3 BetrVG setzt voraus, dass neben der Person des Sachverständigen und dem Thema auch die Honorargrundlage geklärt wird. 5 Statt der hier vorgeschlagenen „Verpflichtung zur Zustimmung“ wird häufig beantragt, das Arbeitsgericht möge „die fehlende Zustimmung ersetzen“ (so die Formulierung in BAG v. 11.11.2009 – 7 ABR 26/08, DB 2010, 734). Beides ist möglich. Wird der Antrag im ordentlichen Verfahren (immer Beschlussverfahren) geltend gemacht, so reicht der Antrag, den Arbeitgeber zur Zustimmung der Hinzuziehung zu verpflichten. Allerdings muss im Antrag klar geregelt sein, welcher Sachverständige zu welchem Thema hinzugezogen werden soll, und welche Honorare vereinbart werden sollen (die Bezugnahme auf eine Gebührenordnung reicht). Probleme entstehen allerdings, wenn die Sache eilbedürftig ist und der Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt werden soll, weil bei einem allgemein gefassten Antrag die Vollstreckbarkeit problematisch ist. Im einstweiligen Verfügungsverfahren muss deshalb die Verpflichtung des Arbeitgebers beantragt werden, einer im Antrag wörtlich vorgeschlagenen Vereinbarung über die Hinzuziehung zuzustimmen (problematisch deshalb das Muster bei Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 874). Allerdings stellt sich dann das weitere Problem, ob die Vollstreckung gemäß § 894 ZPO (mit Eintritt der Rechtskraft) schon mit stattgebender Verfügung der ersten Instanz eintritt oder erst nach rechtskräftiger Verfahrensbeendigung in der zweiten Instanz. 6 Hätte das Unternehmen mehr als 300 Arbeitnehmer, ergäbe sich der Anspruch des Betriebsrats auf Hinzuziehung des Anwalts bereits aus § 111 Satz 2 BetrVG, so dass keine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber erforderlich wäre (LAG Hessen v. 18.11.2009, LAGE § 111 BetrVG Nr. 9).

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M 32.7

Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Der Antragsteller hat sich daraufhin bei der IG Metall darum bemüht, von einem kompetenten Juristen mit Erfahrung hinsichtlich Interessenausgleich und Sozialplan beraten zu werden. Die Bezirksstelle der IG Metall hat jedoch kategorisch mitgeteilt, es stünden keine geeigneten Kräfte zur Verfügung, alle Rechtssekretäre seien hoffnungslos überlastet. Beweis: Zeugnis des Bezirkssekretärs der IG Metall (Name, Adresse) Der Antragsteller ist auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen angewiesen. Entsprechender Sachverstand, der dem Antragsteller laufend zur Verfügung gestellt werden könnte, ist im Unternehmen nicht vorhanden.7 Selbst der Personalleiter . . . verfügt nicht über entsprechende Kenntnisse und hat deshalb selbst einen Arbeitsrechtsanwalt eingeschaltet.8 Beweis: Zeugnis des Personalleiters ... (Unterschrift)9 7 Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (v. 26.2.1992, NZA 1993, 86) kann der Betriebsrat die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen nur verlangen, wenn er sich die erforderliche Sachkunde durch die Einschaltung betriebsangehöriger Mitarbeiter nicht verschaffen kann. Das wird von Betriebsratsseite häufig übersehen. Insbesondere bei der Sachverständigenberatung in EDV-Fragen muss der Betriebsrat grundsätzlich auf Fachkräfte der betrieblichen EDV-Abteilung zurückgreifen (BAG v. 26.2.1992, NZA 1993, 86; aA LAG Hessen v. 31.5.1990, ArbuR 1991, 1993). 8 Die Entscheidung kann mit Beschwerde zum LAG nach § 87 ArbGG angegriffen werden. 9 Als Streitwert wird meist die Höhe der Vergütung angesetzt, die der Sachverständige erhält bzw. erhalten soll (LAG Hamm v. 12.6.2001 – 10 Ta BV 50/01; LAG BW v. 26.9.1990 – 8 Ta 108/90).

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Antrag auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar wegen Prozessvertretung1, 2, 3 An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren4 mit den Beteiligten 1. Rechtsanwalt . . . (Adresse) – Antragsteller –

2. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer . . . (Firmenadresse) – Antragsgegnerin – 1 Wird der Betriebsrat vom Arbeitgeber in ein Gerichtsverfahren verwickelt (zB durch einen Zustimmungsersetzungsantrag nach §§ 99, 103 BetrVG) oder leitet der Betriebsrat selbst ein Verfahren gegen den Arbeitgeber ein, hat er grundsätzlich die Wahlmöglichkeit, ob er das Verfahren selbst führt, einen Gewerkschaftssekretär einschaltet oder einen Rechtsanwalt beauftragt. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts, die entsprechende Gebühren nach RVG auslöst, steht dem Betriebsrat immer dann offen, wenn die Sach- und Rechtslage so kompliziert ist, dass der Betriebsrat das Verfahren nicht selbst führen kann (was ohnehin nur in ganz

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32.7

Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

M 32.7

3. Betriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden . . . (Firmenadresse) leite ich ein Beschlussverfahren ein und beantrage: Die Antragsgegnerin wird zur Zahlung von Euro . . . zuzüglich Mehrwertsteuer an den Antragsteller verpflichtet. Der Antragsteller und Unterzeichner ist Rechtsanwalt. Der Antragsteller hat den Beteiligten zu 3. in einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht . . . (Az. . . .) sowie im nachfolgenden Beschwerdeverfahren vor dem LAG . . . (Az. . . .) gegen die Antragsgegnerin vertreten. In dem Verfahren ging es um die Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden gemäß § 103 BetrVG. Dem Zustimmungsantrag wurde in erster Instanz stattgegeben, in zweiter Instanz wurde auf die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 3 der Antrag jedoch zurückgewiesen.5 Beweis: Beiziehung der Akten Der Beteiligte zu 3. hat vor jeder Instanz in einem förmlichen Betriebsratsbeschluss beschlossen, den Antragsteller und Unterzeichner als Prozessbevollmächtigten hinzuzuziehen.6 Beweis: Betriebsratsbeschlüsse vom . . . und . . ., Anlagen AS 1 und AS 2 Die Hinzuziehung des Antragstellers und Unterzeichners war erforderlich im Sinne des § 40 BetrVG, da die Sach- und Rechtslage außerordentlich komplex war, wie sich schon an den divergierenden Entscheidungen von ArbG und LAG zeigt. Der Antragsteller und Unterzeichner hat die Antragsgegnerin nach Abschluss des LAG-Verfahrens zur Begleichung seiner Honoraransprüche gemäß Rechnung vom

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simplen Fällen in Betracht kommen dürfte), und wenn die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos und/oder mutwillig ist (BAG v. 3.4.1979, AP Nr. 1 zu § 13 BetrVG). Auf einen Gewerkschaftssekretär braucht der Betriebsrat sich regelmäßig nicht verweisen zu lassen (BAG v. 3.10.1978, AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG; enger BAG v. 26.11.1974, AP Nr. 6 zu § 20 BetrVG). Der Anspruch des Betriebsrats auf Kostenübernahme richtet sich bei der Hinzuziehung des Anwalts für gerichtliche Auseinandersetzungen anders als bei außergerichtlichen Auseinandersetzungen nicht nach § 80 Abs. 3 BetrVG, sondern nach § 40 BetrVG. Deshalb ist eine vorherige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, wie sie § 80 Abs. 3 BetrVG vorsieht, nicht erforderlich. Das Gleiche gilt für die Beratung durch einen Rechtsanwalt dahin gehend, ob der Betriebsrat ein Verfahren einleiten soll (die Einzelheiten sind streitig, vgl. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 40 BetrVG Rz. 26 ff.). Ein höheres Honorar als nach dem RVG darf der Betriebsrat dem Anwalt ohne Zustimmung des Arbeitgebers grundsätzlich nicht zusagen (BAG v. 20.10.1999, EzA § 40 BetrVG Nr. 89). Nach dem Grundsatz der Kostenschonung hat der Betriebsrat grundsätzlich einen ortsansässigen Anwalt einzuschalten, sofern es nicht um ganz außergewöhnlich komplizierte Sachverhalte geht, für die ein anerkannter Fachanwalt vor Ort nicht vorhanden ist (dazu LAG Schl.-Holst. v. 21.9.1988, DB 1988, 2656). Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. Für die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten ist grundsätzlich ohne Belang, wie das Verfahren ausgegangen ist (Obsiegen, Unterliegen, Vergleich). Wichtig: In der Praxis wird häufig übersehen, dass die Kostenerstattung nach § 40 BetrVG vom Arbeitgeber nur dann verlangt werden kann, wenn der Betriebsrat über die Beauftragung des Anwalts einen ordnungsgemäßen Beschluss gefasst hat, und zwar ausdrücklich für die jeweilige Instanz (LAG Berlin v. 26.1.1987, AP Nr. 25 zu § 40 BetrVG).

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. . . aufgefordert. Der Rechnungsbetrag beläuft sich gemäß RVG auf Euro . . . zuzüglich Euro . . . Auslagen und Mehrwertsteuer. Beweis: Schreiben an die Antragsgegnerin vom . . . nebst Honorarrechnung, Anlagen AS 3 und AS 4 Die Antragsgegnerin hat telefonisch auf das Schreiben nur mit der lapidaren Bemerkung reagiert, der Antragsteller und Unterzeichner solle zusehen, seine Honorare beim Betriebsrat geltend zu machen. Zur Vereinfachung des Verfahrens hat der Beteiligte zu 3. seinen Freistellungsanspruch hinsichtlich der Honorare des Antragstellers mit Beschluss vom . . . an den Antragsteller und Unterzeichner abgetreten, der die Abtretung angenommen hat. Beweis: Betriebsratsbeschluss vom . . . mit Annahmevermerk des Antragstellers/Unterzeichners, Anlage AS 5 Nach herrschender Auffassung (LAG Berlin v. 26.1.1987, AP Nr. 25 zu § 40 BetrVG; LAG Hamm v. 20.8.1986, DB 1987, 184) kann der Betriebsrat seinen betriebsverfassungsrechtlichen Freistellungsanspruch auf Kostenerstattung nach § 40 Abs. 1 BetrVG an den hinzugezogenen Rechtsanwalt abtreten, wodurch sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch des Anwalts umwandelt. Der Zahlungsanspruch ist dann in der gleichen Verfahrensart geltend zu machen, wie der Freistellungsanspruch hätte geltend gemacht werden müssen (also im Beschlussverfahren).7 ... (Unterschrift)8 7 Die Entscheidung kann mit Beschwerde zum LAG nach § 87 ArbGG angegriffen werden. 8 Der Streitwert entspricht der Höhe der Gebühren.

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Klage des Rechtsanwalts gegen den Betriebsrat auf Beratungshonorar bei eigenmächtiger Beauftragung1 An das Landgericht2 In Sachen Rechtsanwalt . . . gegen

1. den Betriebsrat der Firma Lehmann Maschinenbau GmbH (Adresse), bestehend aus den Betriebsratsmitgliedern . . .3, 1 Vgl. dazu BGH v. 25.10.2012 – III ZR 266/11, NZG 2012, 1389 sowie vorangegangen OLG Frankfurt v. 21.9.2011 – 1 U 184/10. 2 Es handelt sich zwar um eine Streitigkeit mit arbeitsrechtlichem Bezug, diese lässt sich aber keiner Kategorie des § 2 ArbGG zuordnen, so dass die ordentlichen Gerichte zuständig sind. 3 Bis zur Entscheidung des BGH v. 25.10.2012 (NZG 2012, 1389) war die Vermögensfähigkeit und damit die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit des Betriebsrats umstritten. Nunmehr geht der

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2. den Vorsitzenden des Betriebsrats der Firma Lehmann Maschinenbau GmbH, Metzingen, Herrn . . . (Adresse), 3. die stellvertretende Vorsitzende (usw.), Frau . . . (Adresse) wegen Anwaltsvergütung erheben wir Klage und beantragen: 1. Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, Euro 6 000,– zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen. 2. Hilfsweise: Die Beklagten zu 2 und 3 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, Euro 6 000,– zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen. Begründung: Der Kl. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in eigener Praxis. Der Bekl. zu 1 ist der bei der Firma Lehmann Maschinenbau GmbH gebildete Betriebsrat, bestehend aus den neun Mitgliedern . . . (Namen). Der Bekl. zu 2 ist der Vorsitzende des Betriebsrats, die Bekl. zu 3 die stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats. Am . . . riefen die Bekl. zu 2 und 3 gemeinsam den Kl. in dessen Büro an. Sie erläuterten, dass der Personalchef der Firma Lehmann ihnen am Vormittag desselben Tages eröffnet habe, die Geschäftsführung habe die Einstellung der Produktionslinie . . . beschlossen, was die Entlassung etwa der Hälfte des Personals bedeute. Der Betriebsrat sei aufgefordert worden, unverzüglich in Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111, 112 BetrVG einzutreten. Der Betriebsrat habe daraufhin gemäß § 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beschlossen, den Kl. als Berater zur Unterstützung in den anstehenden Verhandlungen über Interessenausgleich und Betriebsrat heranzuziehen. Der Kl. erklärte sich noch am Telefon bereit, das Mandat anzunehmen. Zugleich erläuterte er, dass er in solchen Angelegenheiten üblicherweise für einen Tagessatz von Euro 2 000,– tätig werde; dieser Tagessatz sei auch hier angemessen, da aufgrund der schlechten Verkehrsverbindungen zwischen der Kanzlei und dem Werk in erheblichem Umfang Reisezeiten anfallen würden, so dass jeder Beratertag für den Kl. lang sei. Die Bekl. zu 2 und 3 erklärten, die Konditionen seien in Ordnung. Daraufhin vereinbarten die Bekl. zu 2 und 3 mit dem Kl., dass dieser zunächst für drei Tage, nämlich für den darauffolgenden Montag, Dienstag und Mittwoch, für eine umfassende Erstberatung für ein Honorar von Euro 6 000,– engagiert werde. Der Kl. teilte mit, dass er umgehend einen entsprechenden Mandatsvertrag entwerfen und den Bekl. zu 2 und 3 zuleiten werde. BGH davon aus, dass der Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgaben vermögensfähig und damit auch rechtsfähig ist. Im Normalfall kommt es auf diese Frage nicht an, da der Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgaben einen korrespondierenden Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber gemäß § 40 BetrVG hat. Den umständlichen Weg, zunächst den Betriebsrat zu verklagen und dann bei Erfolg dessen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu pfänden, braucht der Berater im Regelfall nicht zu gehen; regelmäßig tritt der Betriebsrat seinen Freistellungsanspruch von vornherein an den Berater ab und dieser kann dann den Arbeitgeber unmittelbar in Anspruch nehmen. Die Frage nach der Vermögensfähigkeit/Rechtsfähigkeit des Betriebsrats stellt sich aber wie im vorliegenden Fall, wenn der Betriebsrat außerhalb seiner Kompetenzen gehandelt hat.

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Kap. 32

Noch am selben Abend übersandte der Kl. den Bekl. zu 2 und 3 eine Mandatsvereinbarung. Die Mandatsvereinbarung wurde von den Bekl. zu 2 und 3 namens des Bekl. zu 1 gegengezeichnet und dem Kl. am nächsten Tag zugeschickt. Beweis: Mandatsvereinbarung, Anlage K 1 In Ziff. 1 der Mandatsvereinbarung hieß es ausdrücklich wie folgt: „Der Betriebsrat hat die Beauftragung des Rechtsanwalts in einer ordnungsgemäß einberufenen Betriebsratssitzung wirksam beschlossen. Die Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG (Beratung hinsichtlich einer Betriebsänderung, Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern) liegen vor.“ Beweis: wie vor Der Kl. hat dann wie vereinbart den Bekl. zu 1 am darauffolgenden Montag, Dienstag und Mittwoch umfassend geschult und dabei insbesondere alle Aspekte der Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan durchgesprochen. Am Mittwochabend erfuhr der Kl. zufällig, dass tatsächlich die Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG im vorliegenden Fall möglicherweise gar nicht gegeben waren. Zwar hatte das Unternehmen, das nur den einen Betrieb in . . . hat, bei der letzten Betriebsratswahl noch etwas mehr als 300 Arbeitnehmer. Kurz nach der Betriebsratswahl war jedoch eine kleinere Betriebsabteilung stillgelegt worden, so dass seitdem nur noch 280 Mitarbeiter im Unternehmen sind. Es ist auch nicht absehbar, dass die Betriebsgröße wieder steigen könnte, ganz im Gegenteil steht ja sogar eine erhebliche weitere Reduzierung im Raum. Unseres Erachtens kann es hier im Interesse der Rechtssicherheit nur auf die Belegschaftsstärke bei der letzten Betriebsratswahl ankommen (wird ausgeführt). Demgemäß wäre die Beauftragung durch den Bekl. zu 1 wirksam und dieser würde auf das Honorar des Kl. haften. Dazu könnte der Bekl. zu 1 seinen korrespondierenden Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber abtreten. Wenn man hingegen § 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG so liest, dass es – entgegen dem Wortlaut – nicht auf die aktuelle, sondern auf die regelmäßige Beschäftigungslage ankommt (wird ausgeführt), sind die Anforderungen des § 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht erfüllt. Vom Kl. darauf angesprochen, meinten die Bekl. zu 2 und 3, den Wortlaut des § 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hätten sie sich in der Eile nicht genau durchgelesen. Sie hätten nur abstrakt auf einer Schulung mitgeteilt bekommen, „ab 300 Mitarbeiter“ habe der Betriebsrat einen eigenen Anspruch auf einen Berater bei Sozialplanverhandlungen. Sie seien davon ausgegangen, dass es ausreiche, wenn diese Mitarbeiterstärke bei der letzten Betriebsratswahl vorhanden gewesen sei. Der Kl. hat am . . . für die drei Tage vereinbarungsgemäß mit Rechnung vom . . . Euro 6 000,– zzgl. Auslagen und Mehrwertsteuer an Honorar abgerechnet und die Rechnung dem Arbeitgeber, der Firma Lehmann Maschinenbau GmbH, zur Bezahlung hereingereicht. Beweis: Vorlage der Rechnung, Anlage K 2 Mit Schreiben vom . . . hat die Geschäftsführung jedoch die Bezahlung der Rechnung abgelehnt. Man habe der Beauftragung des Kl. nie zugestimmt und die Voraussetzungen für eine eigenmächtige Beauftragung eines Beraters nach § 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG lägen nicht vor. Beweis: Schreiben des Arbeitgebers vom . . ., Anlage K 3 Der Bekl. zu 1 als Betriebsrat ist nach der Rechtsprechung des BGH (v. 25.10.2012 – III ZR 266/11) im Rahmen seiner Aufgaben vermögensfähig und zugleich teilrechtsDiller

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fähig. Der zwischen dem Bekl. zu 1 und dem Kl. abgeschlossene Mandatsvertrag war also wirksam. Im Fall eines Obsiegens des Kl. könnte er den Freistellungsanspruch des Bekl. zu 1 gegen den Arbeitgeber pfänden und durchsetzen. Sollte das Gericht hingegen zu dem Ergebnis kommen, dass wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG der Mandatsvertrag ganz oder teilweise unwirksam ist, würden jedenfalls die Bekl. zu 2 und 3 für das Honorar nach § 179 BGB (Vertreter ohne Vertretungsmacht) haften (BGH, a.a.O.). Dass die Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht vorlagen, war für den Kl. nicht erkennbar. Ganz im Gegenteil hatten die Bekl. zu 2 und 3 dem Kl. den Sachverhalt so geschildert, dass die Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorlagen. Dies haben die Bekl. zu 2 und 3 in der schriftlichen Mandatsvereinbarung auch noch einmal bekräftigt. ... (Unterschrift)4 4 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Betrag.

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Antrag auf Unterlassung und Ordnungsgeld gegen den Arbeitgeber wegen grober Pflichtverletzung nach § 23 BetrVG1

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten (Betriebsrat/Arbeitgeber, volles Rubrum) vertreten wir den Antragsteller.3 Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen:4, 5 1 Der Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG hat auf Grund der Entscheidung des BAG v. 3.5.1994 zum „allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch“ (ZIP 1995, 146 mit Anm. Bauer/Diller, ZIP 1995, 95) ganz erheblich an Bedeutung verloren. In dieser Entscheidung hat das BAG – zunächst allerdings nur für die Mitbestimmungstatbestände des § 87 BetrVG – den sog. „allgemeinen Unterlassungsanspruch“ des Betriebsrats anerkannt. Dieser Unterlassungsanspruch kann nach den allgemeinen Regeln der ZPO vollstreckt werden, regelmäßig durch Androhung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft nach § 890 ZPO. Damit ergeben sich im Wesentlichen die gleichen Vollstreckungsmöglichkeiten wie nach § 23 Abs. 3 BetrVG. Der allgemeine Unterlassungsanspruch und seine Vollstreckung nach § 890 ZPO sind aber gegenüber dem besonderen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG erheblich einfacher durchzusetzen. Insbesondere ist kein „grober Verstoß“ wie in § 23 Abs. 3 BetrVG erforderlich, außerdem kann statt Ordnungsgeld auch Ordnungshaft angedroht werden, und die Höhe des Ordnungsgeldes ist nicht auf Euro 10 000,– begrenzt, sondern kann bis zu Euro 250 000,– betragen. Im Bereich der sozialen Angelegenheiten spielt deshalb § 23 Abs. 3 BetrVG keine Rolle mehr. Eine Ausdehnung des allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs auf personelle Angelegenheiten hat das BAG abgelehnt (v. 23.6.2009, NZA 2009, 1430). Anerkannt ist im Übrigen

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Allgemeine Betriebsratsarbeit

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1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen,6, 7 den Antragsteller oder einzelne seiner Mitglieder in Aushängen am schwarzen Brett oder auf sonstige Weise zu beleidigen, insbesondere durch die Bezeichnung als „Faulenzer“, „Drückeberger“, „unverbesserliche Kommunisten“, „Querulanten“ oder „psychisch gestörte Quertreiber“. 2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziff. 1 wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld angedroht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber Euro . . . nicht unterschreiten sollte.8

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der allgemeine Unterlassungsanspruch bislang nur hinsichtlich der einseitigen Vornahme von mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten (insbesondere bei § 87 BetrVG) durch den Arbeitgeber. Geht es um ein Verhalten des Arbeitgebers außerhalb mitbestimmungspflichtiger Tatbestände, bleibt deshalb der spezielle Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG von Bedeutung. Gegenüber dem allgemeinen Unterlassungsanspruch bietet § 23 Abs. 3 BetrVG aber auch Vorteile. Insbesondere sind sowohl der Betriebsrat als auch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft stets antragsbefugt, egal gegen wen sich die grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers gerichtet hat. Demgegenüber kann der allgemeine Unterlassungsanspruch nur von dem jeweils betroffenen Organ geltend gemacht werden. Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. Antragsbefugt sind Betriebsrat und Gewerkschaft unabhängig davon, ob der Arbeitgeber Rechte des Betriebsrats oder der Gewerkschaft verletzt hat. Im Beispielsfall könnte also der Antrag auch von der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft ausgehen. Umstritten ist, ob der Antrag nach § 23 Abs. 3 BetrVG auch im einstweiligen Verfügungsverfahren gestellt werden kann (bejahend zB LAG Düsseldorf v. 16.5.1990, NZA 1991, 29; verneinend LAG Hamm v. 4.2.1977, EzA § 23 BetrVG Nr. 5; vgl. die Nachweise bei Däubler/ Kittner/Klebe/Wedde, § 23 BetrVG Rz. 95). Das Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG ist zweistufig. Zunächst ist im Erkenntnisverfahren zu klären, ob ein Unterlassungsanspruch wegen grober Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten besteht. Das angedrohte Ordnungsgeld wird aber nur dann fällig, wenn der Arbeitgeber nach Rechtskraft erneut gegen seine Verpflichtungen verstößt. Wegen des Verstoßes, der Gegenstand des Erkenntnisverfahrens ist, scheidet also die Vollstreckung aus. Nach § 23 Abs. 3 BetrVG kann dem Arbeitgeber aufgegeben werden, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Häufig besteht die Möglichkeit, das erstrebte Ziel sowohl mit einem Handlungsantrag als auch mit einem Unterlassungs- bzw. Duldungsantrag zu verfolgen. Geht es beispielsweise um die Einführung eines EDV-Systems, kann entweder „Unterlassung der Einführung“ beantragt werden, oder aber die Verpflichtung, „das EDV-System nur mit Zustimmung des Betriebsrats zu installieren“. Der auf den ersten Blick marginale Unterschied zwischen beiden Formulierungen ist in der Zwangsvollstreckung außerordentlich bedeutsam. Die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung (die im Bereich des BetrVG regelmäßig nicht vertretbar ist), geschieht nach § 888 ZPO durch Festsetzung von Zwangsgeld. Bei der Handlungsvollstreckung nach § 888 ZPO kann die Zahlung des Zwangsgelds durch nachträgliche Vornahme der geschuldeten Handlung solange vermieden werden, wie das Zwangsgeld noch nicht beigetrieben ist. Anders ist es dagegen bei der Vollstreckung von Verpflichtungen zur Unterlassung bzw. Duldung. Diese Vollstreckung erfolgt nach § 890 ZPO. Bei § 890 ZPO wird das angedrohte Ordnungsgeld mit jedem Verstoß verwirkt, ohne dass eine Heilung noch möglich wäre. Praxistipp: Unterlassungsverpflichtungen sind also im Hinblick auf die Vollstreckung erheblich schärfer als Handlungsverpflichtungen, so dass im Zweifel der Antrag immer auf Duldung/Unterlassung und nicht auf Vornahme einer Handlung gerichtet sein sollte. Wichtig: Besondere Probleme bei Unterlassungsanträgen stellen sich im Zusammenhang mit sog. „Globalanträgen“ (s. dazu M 35.7 Fn. 6). Die Höhe des Ordnungsgeldes ist – abweichend von § 890 ZPO – auf Euro 10 000,– begrenzt. Ordnungshaft für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht gezahlt wird, kann nicht angedroht werden (BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 71/09, NZA 2011, 174).

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Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

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3. Hilfsweise9 zu 1.: Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin durch die in Ziff. 1. erwähnten Beleidigungen gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten (insbesondere § 2 BetrVG) verstoßen hat. Begründung: Die Geschäftsführung der Antragsgegnerin hat sich bis heute mit der erstmaligen Bildung eines Betriebsrats im Jahre . . . nicht abgefunden. Der Betriebsrat wird mit allen erlaubten, vor allem aber unerlaubten Mitteln bekämpft. Seit neuestem hängt die Geschäftsführung an jedem Montag gegen den Betriebsrat gerichtete Pamphlete an das allen Mitarbeitern zugängliche schwarze Brett. Diese Pamphlete enthalten unter der Überschrift „Standpunkt“ regelmäßig Beiträge, in denen es von Beschimpfungen und Beleidigungen des Antragstellers und Einzelner seiner Mitglieder nur so wimmelt. Als Anlagen AS 1 bis AS 4 reichen wir die Pamphlete vom . . ., . . ., . . . und . . . zu den Gerichtsakten. In diesen Pamphleten finden sich die im Antrag Ziff. 1 aufgezählten Kraftausdrücke zum Teil mehrfach. Es ist anerkannt, dass massive und grundlose Beleidigungen des Betriebsrats oder Einzelner seiner Mitglieder einen groben Verstoß gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten im Sinne des § 23 BetrVG darstellen. Verletzt wird insbesondere das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG. Der Antragsteller hat mehrfach mündlich und schriftlich von der Geschäftsführung verlangt, das Aushängen von Pamphleten mit beleidigenden Inhalten zu unterlassen (wird ausgeführt). Alle Anstrengungen haben jedoch nichts gefruchtet. Deshalb ist gerichtliche Hilfe erforderlich.10 ... (Unterschrift)11 9 Der Antrag nach § 23 Abs. 3 BetrVG kann verbunden werden mit einem Feststellungsantrag, gerichtet auf die Feststellung, dass der Arbeitgeber durch die betreffenden Handlungen seine Pflichten verletzt hat. Ein solcher Hilfsantrag ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Gefahr besteht, dass das Arbeitsgericht einen groben Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG verneinen könnte. „Grob“ ist ein Verstoß regelmäßig nur im Wiederholungsfall. Nur in Ausnahmefällen reicht ein einmaliger schwerwiegender Pflichtverstoß (BAG v. 14.11.1989, AP Nr. 76 zu § 99 BetrVG). Auf Verschulden kommt es nicht an. Im Übrigen wird oft übersehen, dass eine juristische Person als Arbeitgeber sich zwar das Verhalten ihrer Geschäftsführer/Vorstände zurechnen lassen muss (BAG v. 22.10.1991, NZA 1990, 320), nicht aber ohne weiteres das Verhalten von beliebigen anderen Mitarbeitern. Ordnet beispielsweise in einem Großunternehmen ein kaufmännischer Angestellter der Abteilungssekretärin unter Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eine Überstunde an, so ist das noch kein Verstoß „des Arbeitgebers“ gegen das BetrVG (schon gar nicht ein schwerwiegender). An einem groben Pflichtenverstoß fehlt es auch dann, wenn der Arbeitgeber irrig eine unrichtige Rechtsauffassung vertritt, die nicht von vornherein als abwegig erscheint (BAG v. 18.4.1985, AP Nr. 5 zu § 23 BetrVG). 10 Die Entscheidung kann mit Beschwerde zum LAG nach § 87 ArbGG angegriffen werden. 11 Als Streitwert ist regelmäßig der Hilfswert gemäß § 23 Abs. 3 RVG von Euro 4 000,– festzusetzen. Bei bedeutsamen Angelegenheiten und/oder hartnäckigen Verstößen sind auch höhere Werte gerechtfertigt (zB LAG Köln v. 31.10.2006, RVG-Report 2007, 120; LAG Hamm v. 23.1.2006, AE 2006, Nr. 356).

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Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

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Antrag der Gewerkschaft auf Nicht-Durchführung einer tarifwidrigen Betriebsvereinbarung1

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An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten3 1. Gewerkschaft ver. di, vertreten durch den ersten Vorsitzenden . . . (Adresse) – Antragstellerin – 2. der Druckerei . . . GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer . . . Firmenadresse) – Antragsgegnerin – 3. Betriebsrat des Betriebs . . . der Antragsgegnerin, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden . . . (Name, Firmenadresse) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen 1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, es zu unterlassen, gegenüber den Mitarbeitern A bis Z (Namen)4 die Betriebsvereinbarung vom . . . durchzuführen, insbesondere insoweit, als nach dieser Betriebsvereinbarung keine Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit mehr gezahlt werden sollen. 2. Der Antragsgegnerin wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß Ziff. 1 ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld angedroht.5 1 Der Sachverhalt ist der „Burda“-Entscheidung des BAG v. 20.4.1999 (DB 1999, 1555) nachgebildet. Kern der „Burda“-Entscheidung war die Frage, ob die von einem Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG betroffene Gewerkschaft aus eigenem Recht einen Unterlassungsanspruch geltend machen kann. Das BAG hat den Unterlassungsanspruch der Gewerkschaften bejaht. Zwar sei eine Gewerkschaft nicht generell befugt, vor Gericht die Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG feststellen zu lassen (so schon BAG v. 23.2.1988, AP Nr. 9 zu § 81 ArbGG). Anders sei es jedoch, wenn die Betriebsvereinbarung konkret Regelungen eines mit der betreffenden Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrages verletze. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich aus §§ 1004, 823 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Diese Anspruchsgrundlage werde nicht durch § 23 Abs. 3 BetrVG als speziellere Norm verdrängt. 2 Nach Auffassung des BAG im „Burda“-Fall (BAG v. 20.4.1999, DB 1999, 1555) kann die Gewerkschaft ihren Anspruch im Beschlussverfahren geltend machen; bestätigt durch BAG v. 13.3.2001, EzA § 17a GVG Nr. 13. Zum Beschlussverfahren allgemein s. M 104.1, zur Stellung der Gewerkschaften im Beschlussverfahren M 104.2. 3 Zur Beteiligtenfähigkeit des Betriebsrats hat das BAG sich in der „Burda“-Entscheidung nicht geäußert. Richtigerweise ist aber von einer Beteiligtenstellung des Betriebsrats auszugehen, da dieser an der tarifwidrigen Betriebsvereinbarung beteiligt war. 4 Mit Urteil v. 19.3.2003 (NZA 2003, 1221) hat das BAG Unterlassungsklagen gegen tarifwidrige Betriebsvereinbarungen ganz erheblich erschwert. Der Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft könnte sich nur auf die Anwendung der beanstandeten Betriebsvereinbarung gegenüber ihren Mitgliedern erstrecken, nicht aber gegenüber Außenseitern. Dann setze die Zulässigkeit des Antrags jedoch voraus, dass im Klageantrag die gewerkschaftsangehörigen Arbeitnehmer namentlich genannt werden, ansonsten sei der Antrag unzulässig. Die Klärung der Frage, wem gegenüber ein Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden kann und wem gegenüber nicht, könne nicht in das Vollstreckungsverfahren verschoben werden (ausf. Sutschet, ZfA 2007, 207). 5 Praxistipp: Es ist zweckmäßig, bei Unterlassungsanträgen die Androhung von Ordnungsgeld bereits im Erkenntnisverfahren mit zu beantragen, um sich ein aufwändiges Vollstreckungsverfahren (§ 890 ZPO, s. M 108.10) zu sparen.

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Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

M 32.11

Begründung: Die Antragstellerin ist die für den Betrieb der Antragsgegnerin zuständige Gewerkschaft, ca. 50 % der Belegschaft sind unstreitig organisiert. Die Antragsgegnerin ist Mitglied des regionalen Arbeitgeberverbandes Druck, der mit der Antragstellerin einen Manteltarifvertrag abgeschlossen hat, der bis . . . unkündbar ist. § . . . des Manteltarifvertrages sieht für Überstunden sowie für Nacht- und Sonntagsarbeit Zuschläge vor. Am . . . schloss die Antragsgegnerin mit dem Beteiligten zu 3. eine Betriebsvereinbarung „Bündnis für Arbeit . . .“. Darin war eine Beschäftigungsgarantie für alle Mitarbeiter bis Ende . . . vorgesehen. Im Gegenzug verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen. Insbesondere sah Ziff. . . . der Betriebsvereinbarung vor, dass künftig entgegen den klaren Regelungen des Manteltarifvertrages keine Zuschläge für Überstunden sowie Nacht- und Sonntagsarbeit mehr gezahlt werden sollten. Beweis: Betriebsvereinbarung vom . . ., Anlage AS 1 Diese Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Sie verstößt gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (v. 20.4.1999 – 1 ABR 72/98) kann die Antragstellerin aus eigenem Recht Unterlassung der Anwendung dieser Betriebsvereinbarung verlangen.6 ... (Unterschrift)7 6 Gegen den Beschluss ist Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG zulässig. 7 Der Streitwert richtet sich nach der wirtschaftlichen Bedeutung, die die Abweichung vom Tarifvertrag hat. In Großunternehmen können also bei gravierenden Abweichungen vom Tarifvertrag erhebliche Größenordnungen als Gegenstandswert festgesetzt werden (zB LAG Düsseldorf v. 2.11.2001 – 7 Ta 382/01).

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Antrag auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten (Betriebsrat/Arbeitgeber, volles Rubrum) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen:

1 Allgemein zur Antragstellung und zu Verfahrensfragen in Beschlussverfahren s. M 104.1.

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M 32.11

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Betriebsvereinbarung Nr. 57 durchzuführen, insbesondere Schulungskurse zum Thema „Deutsch für Ausländer“ anzubieten.2, 3, 4 Begründung: Die Parteien haben am . . . die Betriebsvereinbarung Nr. 57 „Integration ausländischer Mitarbeiter“ abgeschlossen. Beweis: Betriebsvereinbarung Nr. 57, Anlage AS 1 Die Betriebsvereinbarung ist ausweislich ihres § 11 am 31.12. . . . in Kraft getreten. Gemäß § 7 der Betriebsvereinbarung Nr. 57 war die Antragsgegnerin verpflichtet, spätestens am 1.4. . . . auf eigene Kosten Sprachkurse „Deutsch für Ausländer“ den ausländischen Mitarbeitern des Betriebes anzubieten. Trotz mehrfacher Ermahnungen hat die Antragsgegnerin ihre Verpflichtung jedoch nicht erfüllt. Gegenüber dem Antragsteller hat die Antragsgegnerin sich auf „organisatorische Schwierigkeiten“ berufen. Solche Schwierigkeiten liegen jedoch nicht vor (wird ausgeführt). Überdies könnten solche organisatorischen Schwierigkeiten, selbst wenn sie vorlägen, die Nichtdurchführung der Betriebsvereinbarung nicht rechtfertigen. Die Antragsgegnerin müsste dann die Betriebsvereinbarung gemäß § 77 BetrVG kündigen. ... (Unterschrift)5 2 Die Pflicht des Arbeitgebers zur Durchführung einer Betriebsvereinbarung ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (zB LAG Schl.-Holst. v. 15.8.2009, NZA-RR 2010, 24). 3 Der Durchführungsantrag des Betriebsrats setzt keinen groben Verstoß des Arbeitgebers gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG v. 29.4.2004, NZA 2004, 670). 4 Der Durchführungsanspruch des Betriebsrats geht nicht so weit, dass er im Beschlussverfahren den Arbeitgeber verpflichten kann, individualrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer zu erfüllen, auch wenn diese auf einer Betriebsvereinbarung beruhen (zB BAG v. 17.10.1989, NZA 1990, 441: Zahlung der Abfindungen aus einem Sozialplan). In dem hier gebildeten Muster ist die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abhaltung von Sprachkursen tauglicher Gegenstand des betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruchs, da die Pflicht des Arbeitgebers noch nicht so weit konkretisiert ist, dass der einzelne Arbeitnehmer unmittelbar auf Erfüllung klagen könnte. 5 Der Streitwert wird sich im Zweifel anhand des Hilfswerts aus § 23 RVG (Euro 4 000,–) bemessen, bei bedeutenden Pflichten kann aber auch ein Vielfaches davon angesetzt werden (LAG Rh.-Pf. v. 22.7.2009, AE 2009, Nr. 423).

Diller

1057

Kap. 32

32.12

Allgemeine Betriebsratsarbeit

u

M 32.12

Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten (Betriebsrat/Arbeitgeber, volles Rubrum) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller bei der von der Antragsgegnerin geplanten Einführung einer Jahressonderzahlung im November . . . ein Mitbestimmungsrecht zusteht.2, 3, 4 Begründung: Die Antragsgegnerin hat in der Betriebsversammlung vom . . . durch den Personalleiter, Herrn . . ., angekündigt, bis zum November ein System für „gerechte“ Jahressonderzahlungen zu entwickeln. Der Antragsteller hat daraufhin unter Berufung auf § 87 BetrVG um Auskunft über die Planungen gebeten. Des Weiteren hat der Antragsteller um Bestätigung gebeten, dass die Mitbestimmungsrechte des Antragstellers aus § 87 BetrVG bei der geplanten Maßnahme berücksichtigt würden. Beweis: Schreiben des Antragstellers vom . . ., Anlage AS 1

1 Allgemein zur Antragstellung und zu Verfahrensfragen in Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Bei Anträgen auf Feststellung eines Mitbestimmungsrechts stellt sich mit besonderer Schärfe das Problem der sog. „Globalanträge“ (s. dazu M 35.7 Fn. 6). Der Antrag ist nur dann begründet, wenn in jeder denkbaren Konstellation, die vom Antrag erfasst ist, ein Mitbestimmungsrecht besteht. Das ist bei der Antragstellung in diesem Muster unproblematisch, da sich der Feststellungsantrag auf die Einführung einer ganz bestimmten Sonderzahlung zu einem bestimmten Zeitpunkt bezieht. Wird dagegen der Antrag dahingehend formuliert, dass bei jeder Einführung von Boni ein Mitbestimmungsrecht besteht, bestünde das Risiko der Abweisung, da zB gemäß § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG das Mitbestimmungsrecht entfällt, falls es eine tarifliche Regelung über Boni gibt. Deshalb darf dem Antrag, dass der Betriebsrat in jeder denkbaren Konstellation ein Mitbestimmungsrecht bei Boni hat, nicht stattgegeben werden. 3 Feststellungsanträge betr. das Bestehen von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats kommen häufig auch mit umgekehrten Vorzeichen in Betracht, dh. dass der Arbeitgeber auf Feststellung klagt, dass kein Mitbestimmungsrecht besteht. 4 Der Antrag ist nur zulässig, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Daran kann es fehlen, wenn die streitige Frage keine praktische Relevanz (mehr) hat. Dazu kann es kommen, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Maßnahme, hinsichtlich derer das Mitbestimmungsrecht streitig war, sich erledigt hat und auch ähnliche Konstellationen voraussichtlich nicht mehr auftreten werden. Im Regelfall allerdings folgt das Feststellungsinteresse schon daraus, dass der Betriebsrat bei Bestehen eines Mitbestimmungsrechts Anspruch auf Beteiligung bzw. Abschluss einer Betriebsvereinbarung hat (zB BAG v. 19.6.2001, NZA 2001, 1263; v. 2.10.2007, NZA 2008, 244). Nicht selten findet das Beschlussverfahren hinsichtlich der Feststellung von Mitbestimmungsrechten parallel zu Einigungsstellenverfahren statt, s. dazu insbesondere M 44.4 und 44.5.

1058 Diller

M 32.13

Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Die Antragsgegnerin hat jedoch mitgeteilt, es müsse immer noch ihr überlassen bleiben, wem sie eine Jahressonderzahlung zahle und in welcher Höhe. In solchen „ureigensten Lohnfragen“ habe sich der Antragsteller nicht einzumischen. Beweis: Schreiben der Antragsgegnerin vom . . ., Anlage AS 2 Am Bestehen eines Mitbestimmungsrechts ist nicht zu zweifeln. Eine tariflichen Regelung besteht nicht, so dass die Tarifsperren der §§ 77 Abs. 3 und 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG nicht greifen. Die geplante Maßnahme hat auch nach den eigenen Verlautbarungen der Antragsgegnerin einen kollektiven Charakter, es handelt sich nicht nur um punktuelle Sonderzahlungen an besonders verdiente Mitarbeiter (wird ausgeführt). ... (Unterschrift)5 5 Der Streitwert richtet sich nach Bedeutung und finanziellem Volumen der streitigen Angelegenheit. Geht es wie im Muster um eine finanziell bedeutende Angelegenheit, kommt die Festsetzung eines Vielfachen des Hilfswerts nach § 23 RVG (Euro 4 000,–) in Betracht.

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Antrag auf Feststellung eines Tendenzbetriebs

32.13

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten (Arbeitgeber/Betriebsrat, volles Rubrum) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass der Betrieb der Antragstellerin ein Tendenzbetrieb iSv. § 118 BetrVG ist.2 1 Allgemein zu Antragstellung, Rubrum und Verfahrensfragen in Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Da die Eigenschaft als Tendenzbetrieb nach § 118 BetrVG eine Vielzahl von Rechtsfolgen auslöst, ist an dem Rechtsschutzbedürfnis (§ 256 ZPO) für diesen abstrakten Feststellungsantrag nicht zu zweifeln. Daran ändert die Tatsache nichts, dass in Tendenzbetrieben die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht in toto entfällt, sondern nur soweit dies die Tendenzeigenschaft erfordert. Die Feststellung, dass ein Betrieb „Tendenzbetrieb“ iSv. § 118 BetrVG ist, macht also ggf. weitere Streitigkeiten über die Reichweite von Mitbestimmungsrechten nicht entbehrlich. Gleichwohl besteht ein ausreichendes Interesse an der Klärung der Vorfrage, ob überhaupt ein Tendenzbetrieb vorliegt, auch weil im Tendenzbetrieb gemäß § 118 BetrVG kein Wirtschaftsausschuss zu bilden ist. Im vorliegenden Beispiel könnte die Frage nach der Tendenzeigenschaft natürlich auch im Rahmen des Klagantrags Ziff. 2 als Vorfrage geklärt werden. Die Feststellung würde dann aber nicht in Rechtskraft erwachsen und deshalb für andere Streitigkeiten keine Bindungswirkung entfalten.

Diller

1059

Kap. 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

M 32.14

2. Es wird festgestellt, dass dem Antragsgegner kein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung von Redakteuren nach § 99 BetrVG zusteht. Begründung: Die Antragstellerin betreibt einen Verlag und ein Zeitungshaus. Sie ist der Auffassung, dass die Merkmale eines Tendenzbetriebes iSv. § 118 BetrVG erfüllt sind (wird ausgeführt). Demgegenüber beruft sich der bei der Antragstellerin gebildete Betriebsrat (der Antragsgegner) darauf, dass die Antragstellerin inzwischen ein „knallhart durchorganisierter“ Betrieb sei, der nur auf Profit ausgerichtet sei. Beweis: Flugblatt des Antragsgegners vom . . ., Anlage AS 1 Der Antragsgegner übersieht jedoch, dass die Frage der Gewinnerzielungsabsicht nichts mit der Tendenzeigenschaft nach § 118 BetrVG zu tun hat (wird ausgeführt). Zwischen den Parteien ist vor einigen Wochen offener Streit über die Mitbestimmungsrechte des Antragsgegners bei Einstellungen (§ 99 BetrVG) ausgebrochen. Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner mitgeteilt, dass sie beabsichtige, zehn neue Redakteure einzustellen. Auf Nachfragen des Antragsgegners hat die Antragstellerin diesen mitgeteilt, dass sie nicht beabsichtige, den Antragsgegner bei den geplanten Einstellungen nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Denn bei den einzustellenden Redakteuren handle es sich um sog. „Tendenzträger“, bei denen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats grundsätzlich nicht bestehe. Demgegenüber hat der Antragsgegner geltend gemacht, weder handle es sich bei der Antragstellerin um einen Tendenzbetrieb, noch seien die Redakteure „Tendenzträger“, so dass ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG bestehe. Beweis: Schreiben des Antragsgegners vom . . ., Anlage AS 2 Deshalb ist die Klärung der Streitfrage geboten. ... (Unterschrift)3 3 Obwohl die Eigenschaft als Tendenzbetrieb weit reichende Folgen hat, erscheint der Ansatz des Streitwerts mit dem Hilfswert nach § 23 RVG (Euro 4 000,–) sachgerecht, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für einen höheren Wert bestehen.

32.14

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Einstweilige Verfügung auf Unterlassung einer mitbestimmungspflichtigen Handlung

S. M 35.7 (Unterlassung von Überstunden) und M 37.7 (Unterlassung der Inbetriebnahme eines EDV-Systems).

1060 Diller

Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Mitgliedern

Kap. 33

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Strafanzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit

32.15

Die Strafbarkeit ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Strafanzeige kann analog zu dem Muster M 30.5 formuliert werden, welches sich auf die Behinderung einer Betriebsratswahl nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bezieht.

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Kapitel 33

Auflösung des Betriebsrats/ Ausschluss von Mitgliedern

Literaturübersicht: Bender, Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds wegen einer Pflichtverletzung während der vorhergehenden Amtszeit?, DB 1982, 1271; Bieszk/Maaß, BR-Mitglied ausschließen?, AuA 2007, 469; Säcker, Betriebsratsamt und Arbeitsverhältnis, RdA 1965, 372; Stück, Handlungsmöglichkeiten bei überzogener BR-Tätigkeit, AuA 2006, 586; Weber, Die Rechtsfolgen von Amtspflichtverletzungen des Betriebsrats und seiner Mitglieder, DB 1992, 2135.

I. Einführung Dass Betriebsräte oder jedenfalls einzelne Betriebsratsmitglieder gegen ihre gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsratsamt verstoßen, kommt häufig vor. Meist liegt das an Unkenntnis über die Vorschriften des BetrVG, in der Praxis kommt es mitunter aber auch zu vorsätzlichen Pflichtverletzungen. Leichte Verstöße bleiben grundsätzlich folgenlos. Bei groben Verstößen sieht hingegen § 23 Abs. 1 BetrVG vor, dass beim Arbeitsgericht die Auflösung des Betriebsrats oder jedenfalls der Ausschluss des betreffenden Mitglieds aus dem Betriebsrat beantragt werden kann. Der Antrag kann vom Arbeitgeber, einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer gestellt werden. Der Antrag auf Ausschluss eines einzelnen Mitglieds kann auch vom Betriebsrat gestellt werden.

1

§ 23 Abs. 1 BetrVG gilt nur bei groben Verstößen gegen diejenigen Pflichten, die aus dem Betriebsverfassungsgesetz folgen. Begeht dagegen der Betriebsrat oder das einzelne Mitglied eine Verletzung seiner Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, ist § 23 BetrVG unanwendbar, und der Arbeitgeber muss abmahnen und/oder kündigen.

2

Ein grober Verstoß liegt regelmäßig nur im Wiederholungsfall vor, bei besonders gravierenden Pflichtverletzungen kann allerdings auch ein einmaliger Verstoß ausreichen.1 Verschulden ist nicht erforderlich, ebenso wenig ein vorsätzliches Handeln.2 In der Praxis spielen sowohl „aktive“ als auch „passive“ Verstöße gegen das BetrVG eine Rolle. Anträge des Arbeitgebers nach § 23 Abs. 1 BetrVG beruhen meist darauf, dass der Betriebsrat oder das einzelne Mitglied seine Kompetenzen erheblich überschreitet und Aktionen durchführt, die mit dem BetrVG unvereinbar sind. Anträge der

3

1 BAG v. 4.5.1955, AP Nr. 1 zu § 44 BetrVG. 2 BAG v. 5.9.1967, AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG.

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1061

Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Mitgliedern

Kap. 33

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Strafanzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit

32.15

Die Strafbarkeit ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Strafanzeige kann analog zu dem Muster M 30.5 formuliert werden, welches sich auf die Behinderung einer Betriebsratswahl nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bezieht.

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Kapitel 33

Auflösung des Betriebsrats/ Ausschluss von Mitgliedern

Literaturübersicht: Bender, Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds wegen einer Pflichtverletzung während der vorhergehenden Amtszeit?, DB 1982, 1271; Bieszk/Maaß, BR-Mitglied ausschließen?, AuA 2007, 469; Säcker, Betriebsratsamt und Arbeitsverhältnis, RdA 1965, 372; Stück, Handlungsmöglichkeiten bei überzogener BR-Tätigkeit, AuA 2006, 586; Weber, Die Rechtsfolgen von Amtspflichtverletzungen des Betriebsrats und seiner Mitglieder, DB 1992, 2135.

I. Einführung Dass Betriebsräte oder jedenfalls einzelne Betriebsratsmitglieder gegen ihre gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsratsamt verstoßen, kommt häufig vor. Meist liegt das an Unkenntnis über die Vorschriften des BetrVG, in der Praxis kommt es mitunter aber auch zu vorsätzlichen Pflichtverletzungen. Leichte Verstöße bleiben grundsätzlich folgenlos. Bei groben Verstößen sieht hingegen § 23 Abs. 1 BetrVG vor, dass beim Arbeitsgericht die Auflösung des Betriebsrats oder jedenfalls der Ausschluss des betreffenden Mitglieds aus dem Betriebsrat beantragt werden kann. Der Antrag kann vom Arbeitgeber, einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer gestellt werden. Der Antrag auf Ausschluss eines einzelnen Mitglieds kann auch vom Betriebsrat gestellt werden.

1

§ 23 Abs. 1 BetrVG gilt nur bei groben Verstößen gegen diejenigen Pflichten, die aus dem Betriebsverfassungsgesetz folgen. Begeht dagegen der Betriebsrat oder das einzelne Mitglied eine Verletzung seiner Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, ist § 23 BetrVG unanwendbar, und der Arbeitgeber muss abmahnen und/oder kündigen.

2

Ein grober Verstoß liegt regelmäßig nur im Wiederholungsfall vor, bei besonders gravierenden Pflichtverletzungen kann allerdings auch ein einmaliger Verstoß ausreichen.1 Verschulden ist nicht erforderlich, ebenso wenig ein vorsätzliches Handeln.2 In der Praxis spielen sowohl „aktive“ als auch „passive“ Verstöße gegen das BetrVG eine Rolle. Anträge des Arbeitgebers nach § 23 Abs. 1 BetrVG beruhen meist darauf, dass der Betriebsrat oder das einzelne Mitglied seine Kompetenzen erheblich überschreitet und Aktionen durchführt, die mit dem BetrVG unvereinbar sind. Anträge der

3

1 BAG v. 4.5.1955, AP Nr. 1 zu § 44 BetrVG. 2 BAG v. 5.9.1967, AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG.

Diller

1061

Kap. 33

Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Mitgliedern

M 33.1

Gewerkschaften nach § 23 Abs. 1 BetrVG beruhen dagegen meist darauf, dass der Betriebsrat seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten „unterschreitet“, also beispielsweise keine Betriebsversammlungen abhält, keine Neuwahlen ausschreibt oder sonst Rechte aus dem BetrVG nicht wahrnimmt (s. M 33.1). Daneben haben Gewerkschaftsanträge wegen Unterlaufens der Tarifautonomie (§ 77 Abs. 3 BetrVG, „Bündnisse für Arbeit“, vgl. auch M 32.10) an Bedeutung gewonnen. Anträge aus der Arbeitnehmerschaft sind sehr selten. 4

Anträge nach § 23 Abs. 1 BetrVG sind in der Praxis recht selten. Dies liegt an einem Webfehler des Gesetzes. Das Gesetz sieht nämlich keine Sperrfrist für eine Wiederwahl vor. Ein durch Gerichtsbeschluss ausgeschlossenes Betriebsratsmitglied kann also bei der nächsten Wahl sofort wiedergewählt werden, und ein Ausschlussverfahren durch drei Instanzen dauert allemal bis zur nächsten Wahl. Ein insgesamt aufgelöster Betriebsrat kann bei den erforderlichen Neuwahlen sofort geschlossen wieder zur Wahl antreten. In der Praxis lassen sich also Dauerkonflikte nicht durch Anträge nach § 23 BetrVG lösen, der Arbeitgeber kann allenfalls eine gewisse Signalwirkung erzielen.

II. Muster 33.1

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Antrag auf Auflösung des Betriebsrats wegen grober Pflichtverletzung1, 2

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren3 mit den Beteiligten 1. Gewerkschaft . . ., vertreten durch den ersten Vorsitzenden . . . (Adresse) – Antragstellerin – 2. Betriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch den Vorsitzenden Herrn . . . (Firmenadresse) – Antragsgegner – 3. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer . . . (Name, Firmenadresse) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen:

1 Das Verfahren nach § 23 BetrVG betrifft nur die Auflösung des Betriebsrats bzw. den Ausschluss einzelner Mitglieder. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, bei Verstößen des Betriebsrats oder eines Betriebsratsmitglieds stets den Weg über § 23 BetrVG zu gehen. Vielmehr ist der Arbeitgeber auch berechtigt, im Beschlussverfahren die Unterlassung rechtswidriger Maßnahmen zu verlangen, ggf. im Wege der einstweiligen Verfügung (BAG v. 22.7.1980, AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG; LAG BW v. 10.11.1977, DB 1978, 798). 2 Eine Auflösung des Betriebsrats im Wege einer einstweiligen Verfügung kommt regelmäßig nicht in Betracht, da darin die Vorwegnahme der Hauptsache läge (ArbG Aachen v. 19.3.2009, AE 2009, Nr. 387). 3 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1.

1062 Diller

M 33.1

Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Mitgliedern

Kap. 33

1. Der im Betrieb . . . der Firma . . . GmbH bestehende Betriebsrat wird aufgelöst.4, 5 2. Zur Durchführung der Neuwahl des Betriebsrats wird ein Wahlvorstand bestellt, bestehend aus den Mitgliedern (Namen 1 bis 3).6 Begründung: Antragstellerin ist die im Betrieb . . . der . . . GmbH vertretene Gewerkschaft. Zum Nachweis, dass die Antragstellerin im Betrieb vertreten ist, . . . (wird ausgeführt).7 Antragsgegner ist der im Betrieb . . . der . . . GmbH bestehende Betriebsrat. Der Betriebsrat ist aufzulösen, da er grob gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstößt.8 Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mehrfach aufgefordert, die im Gesetz vorgesehenen Betriebsversammlungen abzuhalten und seine Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 10 BetrVG wahrzunehmen. Beweis: Schreiben der Antragstellerin an den Antragsgegner vom . . ., . . ., . . . und . . ., Anlagen AS 1 bis AS 4 Der Antragsgegner hat auf diese Schreiben jedoch nicht reagiert. Er hat insbesondere seit seiner Wahl vor nunmehr 20 Monaten keine einzige Betriebsversammlung abgehalten. Des Weiteren hat er seine Mitbestimmungsrechte bei der Einführung einer Betriebsordnung im Juni . . . sowie bei der Änderung des betrieblichen Zulagenwesens im Mai . . . nicht wahrgenommen (§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 10 BetrVG). Außerdem toleriert 4 Es handelt sich um einen Gestaltungsantrag. Egal wie schwerwiegend die Verstöße sind, bleibt der Betriebsrat also auf jeden Fall bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Amt. Mit Rechtskraft der arbeitsgerichtlichen Entscheidung endet die Amtszeit des Betriebsrats dann jedoch sofort und unmittelbar, auch hinsichtlich sämtlicher Ersatzmitglieder. Der Betrieb wird also mit Rechtskraft des Auflösungsbeschlusses betriebsratslos, es gibt auch kein kommissarisches Übergangsmandat (§ 22 BetrVG). Mit der Rechtskraft des Auflösungsbeschlusses erlischt auch der besondere Kündigungsschutz nach § 103 BetrVG (nicht dagegen der nachwirkende Kündigungsschutz nach § 15 KSchG). 5 Praxistipp: Der Antrag auf Auflösung des Betriebsrats kann hilfsweise verbunden werden mit dem Antrag auf Ausschluss eines einzelnen Mitglieds, wenn die Pflichtverletzung des Gesamtgremiums überwiegend auf die Initiative einzelner Mitglieder zurückgeht (GKBetrVG/Oetker, § 23 Rz. 76). 6 Da die Bestellung des Wahlvorstandes vom Gericht von Amts wegen vorzunehmen ist, ist der Antrag an sich entbehrlich. Der Antrag ist aber sinnvoll, um dem Arbeitsgericht die Auswahl der Personen zu erleichtern, die zu Wahlvorständen bestellt werden. Mit dem Antrag wird insbesondere der Gefahr vorgebeugt, dass das Arbeitsgericht mangels besserer Alternativen Mitglieder des gerade aufgelösten Betriebsrats zu Wahlvorständen bestellt, was untunlich ist. 7 S. M 104.2. 8 Geht der Antrag von einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer oder von einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft aus, so ist es gleichgültig, welche Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten Anlass des Antrags ist. Stellt dagegen der Arbeitgeber den Antrag, soll er nach herrschender Meinung nur dann antragsbefugt sein, wenn die behauptete Amtspflichtverletzung das Verhältnis zwischen ihm und dem Betriebsrat bzw. dem betreffenden Betriebsratsmitglied betrifft. Dagegen soll der Arbeitgeber nicht antragsbefugt sein, soweit es um Amtspflichtverletzungen gegenüber der Belegschaft, gegenüber der Gewerkschaft oder gegenüber dem Betriebsrat (beim Ausschluss eines einzelnen Mitglieds) geht, weil der Arbeitgeber nicht Interessenwahrer oder Anwalt von Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaft sei (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 23 BetrVG Rz. 83 mwN).

Diller

1063

Kap. 33

Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Mitgliedern

M 33.2

der Antragsgegner seit Monaten, dass Mitarbeiter – teilweise gegen ihren Willen – in massivem Umfang zu Überstunden herangezogen werden, die teilweise bis zu 50 Stunden im Monat betragen (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Auf Vorhaltungen der Antragstellerin hat der Vorsitzende des Antragsgegners lapidar mitgeteilt, Überstunden seien Sache des Arbeitgebers, da mische man sich nicht ein. Es ist anerkannt, dass eine grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG auch dann vorliegt, wenn der Betriebsrat schlicht untätig bleibt. Das ist vorliegend der Fall. Der Betriebsrat ist deshalb aufzulösen.9 ... (Unterschrift)10 9 Die Entscheidung ist mit Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG anfechtbar. 10 Hinsichtlich des Streitwerts erscheint es angebracht, die für die Anfechtung einer Betriebsratswahl entwickelten Grundsätze heranzuziehen (s. M 30.1 Fn. 9, LAG Hessen v. 16.3.2009, AE 2009, Nr. 352).

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33.2

Antrag auf Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds wegen Vorteilsannahme1, 2, 3

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren4 mit den Beteiligten5 1. Betriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden . . . (Firmenadresse) – Antragsteller – 2. Betriebsratsmitglied . . . (Privatadresse) – Antragsgegner – vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen:6 Der Antragsgegner wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen. 1

Wichtig: Das Rechtsschutzinteresse für den Ausschlussantrag muss nicht nur bei Antragstellung gegeben sein, sondern bis zur letzten mündlichen Verhandlung (ggf. der Beschwerdeinstanz) weiter bestehen. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn die Amtszeit des auszuschließenden Mitglieds vorher endet, sei es durch Amtsniederlegung oder Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats. Das Verfahren ist dann für erledigt zu erklären, ansonsten wird der Antrag zurückgewiesen. Das betroffene Betriebsratsmitglied kann das Verfahren deshalb jederzeit durch Amtsniederlegung gegenstandslos machen. Der Ausschlussantrag ist dann als unzulässig abzuweisen, wenn das Verfahren nicht vorher für erledigt erklärt wird (BAG v. 8.12.1961 und v. 29.4.1969, AP Nr. 7, 9 zu § 23 BetrVG). Da § 23 Abs. 1 BetrVG keine Wahlsperre vorsieht, kann das erfolgreich ausgeschlossene Betriebsratsmitglied bei nächster Gelegenheit sofort wieder für den Betriebsrat kandidieren, auch bei vorzeitiger Neuwahl gemäß § 13 Abs. 2 BetrVG (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 23 BetrVG Rz. 99). 2 Als grobe Pflichtverletzungen kommen in Betracht Beleidigungen oder gar der tätliche Angriff auf andere Betriebsratsmitglieder (LAG Hamm v. 25.9.1958, BB 1959, 376; LAG Düsseldorf v.

1064 Diller

M 33.2

Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Mitgliedern

Kap. 33

Begründung: Der Antragsteller ist der bei der . . . GmbH gebildete siebenköpfige Betriebsrat. Eines der sieben Betriebsratsmitglieder7 ist der Antragsgegner. Der Antragsgegner ist aus dem Betriebsrat auszuschließen, weil die weitere Zusammenarbeit mit ihm untragbar geworden ist. Der Antragsgegner hat die Betriebsratssitzung vom . . . heimlich mittels eines Diktiergerätes mitgeschnitten. Auf dieser Betriebsratssitzung legte der Antragsteller zusammen mit einem hinzugezogenen Rechtsanwalt die weiteren Strategien für die anstehenden Sozialplanverhandlungen (Entlassung von 100 Mitarbeitern) fest. Nach Ende der Sitzung ging der Antragsgegner zur Geschäftsführung und bot an, ihr das Band gegen Zahlung von Euro . . . in bar zu überlassen. Als der Antragsgegner dem Geschäftsführer . . . dieses Angebot machte, stand zufällig die Tür zum Nebenraum offen, so dass die Sekretärin des Geschäftsführers das Gespräch mithören konnte. Beweis: Anhörung des Geschäftsführers Herrn . . . Zeugnis der Sekretärin Frau . . . (Adressen). Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung am . . ., nachdem er von dem Vorfall erfahren hat, einstimmig die Einleitung eines Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG beschlossen.8 Dem Antragsgegner war vorher Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Der Antragsgegner hat jedoch erklärt, er werde sich nicht äußern. An-

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27.2.1967, BB 1967, 1123; ArbG Berlin v. 19.5.1981, ArbuR 1982, 260), Verletzung der Schweigepflicht, Weitergabe von Unterlagen, Vorteilsannahme (LAG München v. 15.11.1977, DB 1978, 894), aber auch der Aufruf zu einem wilden Streik unter Ausnutzung des Betriebsratsamts (LAG Hamm v. 23.9.1955, BB 1956, 41). Dagegen kann das Abstimmverhalten innerhalb des Betriebsrats niemals einen Ausschlussgrund darstellen, auch wenn ein Mitglied konsequent andere Auffassungen vertritt als die Mehrheit (BAG v. 5.9.1967, AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG). Liegt in der Amtspflichtverletzung des Betriebsratsmitglieds zugleich eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten, kann der Ausschlussantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG kombiniert werden mit einem Kündigungsverfahren nach § 103 BetrVG. Stimmt der Betriebsrat der beantragten fristlosen Kündigung nach § 103 BetrVG nicht innerhalb von drei Tagen zu, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung zu ersetzen (s. M 42.5) und gleichzeitig oder hilfsweise das Betriebsratsmitglied auszuschließen (die Einzelheiten sind streitig, vgl. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 23 BetrVG Rz. 89 ff.). Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. Geht der Antrag vom Arbeitgeber, von der Gewerkschaft oder von einem Viertel der Arbeitnehmer aus, ist neben dem auszuschließenden Betriebsratsmitglied auch der Betriebsrat Beteiligter des Verfahrens. Praxistipp: In Extremfällen kommt der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht, mit der dem betreffenden Betriebsratsmitglied bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts vorläufig die Amtsausübung untersagt wird (BAG v. 29.4.1969, AP Nr. 9 zu § 23 BetrVG). Das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG gilt entsprechend für Ersatzmitglieder, die während ihrer vertretungsweisen Betriebsratstätigkeit Amtspflichten verletzt haben. Praxistipp: Die Antragstellung setzt einen ordnungsgemäßen Mehrheitsbeschluss des Betriebsrats voraus, was in der Praxis oft verkannt wird. Das betroffene Betriebsratsmitglied darf weder an der Beratung noch an der Abstimmung teilnehmen, ist aber vorher zu hören. An seiner Stelle nimmt das turnusgemäße Ersatzmitglied an Beratung und Beschlussfassung teil (ausführlich Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 23 BetrVG Rz. 87). Eine Minderheitsgruppe des Betriebsrats hat grundsätzlich kein Antragsrecht. Will eine Betriebsrats-Minderheit ein Betriebsratsmitglied ausschließen lassen, bleibt nur der Weg, ein Viertel der Arbeitnehmer zu einem eigenen Antrag zu bewegen (LAG Düsseldorf v. 24.10.1989, DB 1990, 283).

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1065

Kap. 34

Betriebsversammlung

stelle des Antragsgegners hat an der Abstimmung das geschäftsplanmäßige Ersatzmitglied teilgenommen.9 Beweis: Beschluss des Antragstellers vom . . ., Anlage AS 1 ... (Unterschrift)10 9 Die Entscheidung ist mit Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG anfechtbar. 10 Als Streitwert wird üblicherweise der Hilfswert von Euro 4 000,– angesetzt (§ 23 Abs. 3 RVG).

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Kapitel 34

Betriebsversammlung

Literaturübersicht: Altvater, Untersagung einer Betriebsversammlung durch einstweilige Verfügung, AiB 1985, 85; Bischoff, Die Arten der Betriebsversammlungen und ihre zeitliche Lage, BB 1993, 1937; Brill, Die Betriebsversammlung in der Rechtsprechung, DB 1980, 736; Brötzmann, Probleme der Betriebsversammlung, BB 1990, 1055; Rieble, Zur Teilbarkeit von Betriebsversammlungen, ArbuR 1995, 245; Rüthers, Rechtsprobleme der Organisation und der Thematik von Betriebsversammlungen, ZfA 1974, 207.

I. Einführung 1

Das Recht der Betriebsversammlungen ist in den §§ 42 ff. BetrVG außerordentlich unsystematisch geregelt. Die Betriebsversammlung ist das Forum der Aussprache zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern und dient zugleich der Unterrichtung der Arbeitnehmer über Fragen und Probleme des Betriebes. Des Weiteren hat der Betriebsrat in der Betriebsversammlung Rechenschaft über seine Tätigkeit zu geben. Dagegen ist die Betriebsversammlung grundsätzlich nicht als Instrument der Unterrichtung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber gedacht, der Arbeitgeber hat lediglich einmal pro Kalenderjahr in einer Betriebsversammlung einen Bericht über das Personalund Sozialwesen, die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Betriebes sowie über den betrieblichen Umweltschutz zu geben (§ 43 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Will der Arbeitgeber die Belegschaft selbst über bestimmte Themen informieren, muss er eigene Versammlungen anberaumen, die mit den §§ 42 ff. BetrVG nichts zu tun haben. Solche Versammlungen dürfen jedoch nicht zu „Gegenveranstaltungen“ gegenüber der Betriebsversammlung missbraucht werden.1

2

An der Betriebsversammlung sollen alle Arbeitnehmer des Betriebes teilnehmen (gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG jedoch nicht die leitenden Angestellten). Während der Teilnahme ist die Vergütung fortzuzahlen. Eine Teilnahmepflicht besteht allerdings nicht. Nimmt ein Arbeitnehmer nicht teil, so muss er weiterarbeiten.

3

Die Betriebsversammlung ist grundsätzlich nicht-öffentlich. Außer dem Betriebsrat und den Arbeitnehmern ist auch der Arbeitgeber einzuladen (§ 43 Abs. 2 und 3 1 BAG v. 27.6.1989, AP Nr. 5 zu § 42 BetrVG.

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Kap. 34

Betriebsversammlung

stelle des Antragsgegners hat an der Abstimmung das geschäftsplanmäßige Ersatzmitglied teilgenommen.9 Beweis: Beschluss des Antragstellers vom . . ., Anlage AS 1 ... (Unterschrift)10 9 Die Entscheidung ist mit Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG anfechtbar. 10 Als Streitwert wird üblicherweise der Hilfswert von Euro 4 000,– angesetzt (§ 23 Abs. 3 RVG).

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Kapitel 34

Betriebsversammlung

Literaturübersicht: Altvater, Untersagung einer Betriebsversammlung durch einstweilige Verfügung, AiB 1985, 85; Bischoff, Die Arten der Betriebsversammlungen und ihre zeitliche Lage, BB 1993, 1937; Brill, Die Betriebsversammlung in der Rechtsprechung, DB 1980, 736; Brötzmann, Probleme der Betriebsversammlung, BB 1990, 1055; Rieble, Zur Teilbarkeit von Betriebsversammlungen, ArbuR 1995, 245; Rüthers, Rechtsprobleme der Organisation und der Thematik von Betriebsversammlungen, ZfA 1974, 207.

I. Einführung 1

Das Recht der Betriebsversammlungen ist in den §§ 42 ff. BetrVG außerordentlich unsystematisch geregelt. Die Betriebsversammlung ist das Forum der Aussprache zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern und dient zugleich der Unterrichtung der Arbeitnehmer über Fragen und Probleme des Betriebes. Des Weiteren hat der Betriebsrat in der Betriebsversammlung Rechenschaft über seine Tätigkeit zu geben. Dagegen ist die Betriebsversammlung grundsätzlich nicht als Instrument der Unterrichtung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber gedacht, der Arbeitgeber hat lediglich einmal pro Kalenderjahr in einer Betriebsversammlung einen Bericht über das Personalund Sozialwesen, die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Betriebes sowie über den betrieblichen Umweltschutz zu geben (§ 43 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Will der Arbeitgeber die Belegschaft selbst über bestimmte Themen informieren, muss er eigene Versammlungen anberaumen, die mit den §§ 42 ff. BetrVG nichts zu tun haben. Solche Versammlungen dürfen jedoch nicht zu „Gegenveranstaltungen“ gegenüber der Betriebsversammlung missbraucht werden.1

2

An der Betriebsversammlung sollen alle Arbeitnehmer des Betriebes teilnehmen (gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG jedoch nicht die leitenden Angestellten). Während der Teilnahme ist die Vergütung fortzuzahlen. Eine Teilnahmepflicht besteht allerdings nicht. Nimmt ein Arbeitnehmer nicht teil, so muss er weiterarbeiten.

3

Die Betriebsversammlung ist grundsätzlich nicht-öffentlich. Außer dem Betriebsrat und den Arbeitnehmern ist auch der Arbeitgeber einzuladen (§ 43 Abs. 2 und 3 1 BAG v. 27.6.1989, AP Nr. 5 zu § 42 BetrVG.

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Betriebsversammlung

Kap. 34

BetrVG), außerdem haben die Beauftragten der Gewerkschaften ein Teilnahmerecht, selbst wenn der Betriebsrat sie nicht eingeladen hat (§ 46 Abs. 1 BetrVG). Zu der Betriebsversammlung lädt grundsätzlich der Betriebsrat ein, er bestimmt auch Ort, Zeit und Tagesordnung und hat die Versammlungsleitung sowie das Hausrecht. Auf den Betriebsversammlungen können alle Angelegenheiten behandelt werden, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, einschließlich tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Fragen. Das Gesetz sieht Betriebsversammlungen einmal pro Kalenderquartal vor (§ 43 Abs. 1 BetrVG). Außerdem kann in jedem Kalenderhalbjahr der Betriebsrat eine weitere Betriebsversammlung abhalten, wenn dies aus besonderen Gründen zweckmäßig erscheint (§ 43 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Schließlich kann bei Vorliegen besonderer Gründe (zB angekündigte Betriebsschließung) auch eine außerordentliche Betriebsversammlung stattfinden (§ 43 Abs. 3 BetrVG), die dann allerdings außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden muss (§ 44 Abs. 2 BetrVG), was oft verkannt wird.

4

In der Praxis entsteht häufig Streit über die zeitliche Lage der Betriebsversammlung (s. M 34.1). Insbesondere während Tarifverhandlungen oder Arbeitskämpfen, aber auch während der Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan anlässlich einer Betriebsänderung (§§ 111 ff. BetrVG) wird die Betriebsversammlung mitunter als verdecktes Arbeitskampfmittel eingesetzt, indem die Versammlung bewusst zu einem für den Arbeitgeber besonders nachteiligen Zeitpunkt einberufen wird. Mitunter versuchen Betriebsräte auch, den Arbeitgeber durch missbräuchliche wiederholte Einberufung außerordentlicher Betriebsversammlungen in ganz kurzen Abständen oder gar durch Abhalten einer tage- oder sogar wochenlangen Dauerbetriebsversammlung2 unter Druck zu setzen. Hier hilft dem Arbeitgeber nur die Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegen den Betriebsrat sowie die Androhung, den beteiligten Arbeitnehmern keine Vergütung mehr zu zahlen. Unzulässige Betriebsversammlungen sind ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der mit einem Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB abgewehrt werden kann. In der Praxis werden solche Verfahren fast ausschließlich im einstweiligen Rechtsschutz entschieden, da eine Hauptsacheentscheidung regelmäßig zu spät käme. In der Praxis vor allem bedeutsam sind einstweilige Verfügungen gegen eine mit den betrieblichen Notwendigkeiten nicht vereinbare Terminierung der Betriebsversammlung.3

5

2 Vgl. LAG Schl.-Holst. v. 4.7.2000 – 3 TaBV 15/00, NZA-RR 2000, 590. 3 LAG Düsseldorf v. 24.10.1972, DB 1972, 2212; LAG BW v. 12.7.1979, BB 1980, 1267; ArbG Wuppertal v. 23.1.1975, DB 1975, 1084.

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Kap. 34

Betriebsversammlung

M 34.1

II. Muster 34.1

u

Einstweilige Verfügung gegen geplante Betriebsversammlung1

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten (Arbeitgeber/Betriebsrat, volles Rubrum) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen wegen der Dringlichkeit des Falles ohne mündliche Anhörung der Beteiligten durch den Vorsitzenden allein im Wege der einstweiligen Verfügung:3 1. dem Antragsgegner zu untersagen, am Donnerstag, dem . . ., in der Zeit von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr eine Betriebsversammlung abzuhalten und dazu einzuladen; 2. dem Antragsgegner zu untersagen, Betriebsversammlungen an anderen Tagen vor 14.00 Uhr abzuhalten und dazu einzuladen; 3. hilfsweise zu 1. und 2.: Den Antragsgegner zu verpflichten, die Betriebsversammlung am . . . von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr sowie eventuelle weitere Betriebsversammlungen in der Zeit vor 14.00 Uhr nur als Teilversammlungen und nur in einer Weise abzuhalten, dass der gesamte Flugbetrieb der Antragstellerin ohne wesentliche Störungen aufrechterhalten werden kann. 4. Hilfsweise: Die beantragte einstweilige Verfügung nach Anhörung der Beteiligten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Die Antragstellerin ist eine weltweit tätige Fluggesellschaft. Sitz des deutschen Betriebs ist der Frankfurter Flughafen. Antragsgegner ist der im Frankfurter Betrieb der Antragstellerin gebildete Betriebsrat. Die Antragstellerin wickelt über den Frankfurter Flughafen die Verbindung ihrer transatlantischen mit ihren europäischen Flugrouten ab. An jedem Morgen zwischen 9.00 Uhr und 14.00 Uhr kommen gleichzeitig sechs Transatlantikflüge und sechs Flüge aus Kontinentaleuropa am Frankfurter Flughafen an, so dass Fluggäste jeweils auf Verbindungsflüge umsteigen können. Der letzte Flug verlässt Frankfurt planmäßig um 13.30 Uhr. Den Nachmittag verbringen die Beschäftigten mit Aufräumarbeiten sowie der Organisation der Flugabwicklung für den kommenden Tag. 1 Unklar ist, wer beim Streit über die Abhaltung einer Betriebsversammlung die Angriffslast hat. Klar ist, dass der Betriebsrat per einstweiliger Verfügung die Abhaltung der Betriebsversammlung erzwingen kann, wenn der Arbeitgeber ohne Grund die Betriebsversammlung nicht stattfinden lassen will. Es fragt sich aber, ob der Betriebsrat dazu auch verpflichtet ist oder ob er nicht einfach aus eigener Initiative die Versammlung abhalten kann (zu taktischen Überlegungen Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 884 ff.). 2 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 3 Zur einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren allgemein s. M 107.5.

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M 34.1

Betriebsversammlung

Kap. 34

Zwischen den Betriebsparteien herrscht derzeit ein äußerst angespanntes Klima, da die Antragstellerin den Abbau von 100 Arbeitsplätzen angekündigt hat. Die Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan sind festgefahren. Mit Schreiben vom . . . teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, er habe in seiner Sitzung am . . . beschlossen, die nächste Betriebsversammlung am . . . im Kongress-Zentrum des Flughafenhotels in der Zeit von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr abzuhalten. Mit Schreiben vom nächsten Tag teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass sie die Abhaltung einer Betriebsversammlung vor 14.00 Uhr wegen der fatalen Auswirkungen auf den Flugbetrieb nicht akzeptieren könne. Der Antragsteller hielt jedoch an seinem Plan fest, obwohl frühere Betriebsversammlungen immer nachmittags nach 14.00 Uhr stattgefunden hatten. Zur Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des Betriebsleiters . . ., Anlage AS 1 Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG haben zwar Betriebsversammlungen grundsätzlich während der Arbeitszeit stattzufinden. Der Betriebsrat hat jedoch die Pflicht, die Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit anzuberaumen, „soweit . . . die Eigenart des Betriebes eine andere Regelung zwingend erfordert“. Im vorliegenden Fall erfordert die Eigenart des Betriebes zwingend eine andere Regelung. Eine Abhaltung der Betriebsversammlung zur Zeit des Haupt-Flugbetriebes wäre technisch und organisatorisch unmöglich und darüber hinaus auch wirtschaftlich unzumutbar. Die Abhaltung der Betriebsversammlung würde die Streichung sämtlicher vorgesehener Flüge erfordern, da die Flüge nicht abgewickelt werden könnten. Eine Umbuchung der Passagiere auf parallele Flüge anderer Fluggesellschaften scheidet aus, weil entweder überhaupt keine Parallelflüge existieren oder sie ausgebucht sind (wird ausgeführt). Von der Streichung der Flüge wären weltweit ca. 3 000 Passagiere betroffen, die in den jeweiligen Ausgangsflughäfen bzw. in Frankfurt provisorisch untergebracht werden müssten. Außerdem wäre die Streichung der Flüge keineswegs das isolierte Problem eines einzigen Tages. Denn sowohl die Flugzeuge als auch die mitfliegenden Crews rollieren durch die ganze Welt. Fallen einzelne Flüge aus, fehlen für die Anschlussflüge die Maschinen und Crews am jeweiligen Einsatzort. Abgesehen davon wären die finanziellen Kosten der Flugstreichungen unübersehbar. Da es sich um bereits fest gebuchte Reiseleistungen handelt, würde die Antragstellerin sich schadensersatzpflichtig machen, was Forderungen in Millionenhöhe nach sich ziehen würde.4 Zur Glaubhaftmachung: Wie vor.

4 Dass das Erfordernis, eine Betriebsversammlung außerhalb der üblichen Arbeitszeiten abzuhalten, auch aus wirtschaftlichen Zumutbarkeitserwägungen folgen kann, ist anerkannt (BAG v. 9.3.1976, AP Nr. 3 zu § 44 BetrVG; noch weiter gehend BAG v. 27.11.1987, AP Nr. 7 zu § 44 BetrVG). Allerdings reicht nicht jede Umsatzeinbuße aus, um die Abhaltung der Betriebsversammlung außerhalb der üblichen Arbeitszeit verlangen zu können. Dies ist am Beispiel der Schließung eines Warenhauses entschieden worden. Bei einem Warenhaus muss aber immerhin auf die umsatzstarken und umsatzschwachen Wochentage bzw. Tageszeiten Rücksicht genommen werden, so dass zB eine Betriebsversammlung während der Sommeroder Winter-Schlussverkäufe oder an den Samstagen vor Weihnachten unzulässig wäre (BAG v. 9.3.1976, AP Nr. 3 zu § 44 BetrVG; LAG Berlin v. 26.10.1962, DB 1963, 1327; LAG BW v. 12.7.1979, BB 1980, 1267). Instruktiv auch LAG Berlin-Brandenburg v. 8.4.2011 – 9 TaBV 2765/10 betreffend drohender gleichzeitiger Schließung der Flughäfen Berlin-Tegel und Schönefeld wegen Betriebsversammlung der Flughafen-Betreibergesellschaft.

Diller

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Kap. 34

Betriebsversammlung

M 34.2

Der Antragsgegner ist sich der katastrophalen Auswirkungen einer Betriebsversammlung am Vormittag auch stets bewusst gewesen. Dies zeigt sich schon daran, dass in der Vergangenheit Betriebsversammlungen immer erst in der Zeit ab 14.00 Uhr stattfanden. Auch alle anderen Airlines am Frankfurter Flughafen halten Betriebsversammlungen außerhalb der Kern-Flugzeiten ab oder führen von vornherein nur Abteilungsversammlungen durch. Zur Glaubhaftmachung: Wie vor. Sollte das Gericht zu der Auffassung gelangen, dass entgegen der gestellten Hauptanträge der Antragsgegner das Recht hat, Betriebsversammlungen schon vor 14.00 Uhr anzuberaumen, so wären diese Betriebsversammlungen jedenfalls nur als Teilversammlungen gemäß § 42 BetrVG zulässig (wird ausgeführt). ... (Unterschrift)5 5 Hinsichtlich des Streitwerts wird man entweder den Hilfswert (Euro 4 000,–) nach § 23 RVG ansetzen oder sich an dem vom Arbeitgeber geltend gemachten drohenden Schaden orientieren.

34.2

u

Einstweilige Verfügung wegen Teilnahme eines Gewerkschaftsbeauftragten an Betriebsversammlung

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten 1. Gewerkschaft . . ., vertreten durch den 1. Vorsitzenden . . . 2. Betriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden . . . – gemeinsam Antragsteller – 3. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer . . . – Antragsgegnerin – vertreten wir die Antragsteller. Namens und im Auftrag der Antragsteller leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen, wegen der Dringlichkeit des Falles ohne mündliche Anhörung der Beteiligten durch den Vorsitzenden allein im Wege der einstweiligen Verfügung:2 1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, es zu unterlassen, den Zugang von Beauftragten der Beteiligten zu 1. zu Betriebsversammlungen des Beteiligten zu 2. zu unterbinden oder zu behindern. 2. Hilfsweise: Die beantragte einstweilige Verfügung nach Anhörung der Beteiligten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. 1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen in Beschlussverfahren s. M 104.1, zur Einleitung von Beschlussverfahren durch Gewerkschaften s. auch M 104.2. 2 Zur einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren allgemein s. M 107.5.

1070 Diller

M 34.2

Betriebsversammlung

Kap. 34

Begründung: Der Beteiligte zu 2. ist der Betriebsrat der Beteiligten zu 3. Der Beteiligte zu 1. ist eine Gewerkschaft, die im Betrieb der Beteiligten zu 3. unstreitig mehr als 50 Mitglieder hat. Der Beteiligte zu 2. hat am . . . zur ordentlichen Betriebsversammlung für den . . . um . . . Uhr in die Betriebskantine eingeladen. Die Betriebskantine liegt im Werksgelände, der Zugang zum Werksgelände wird durch Pförtner kontrolliert und ist nur mit besonderem Ausweis möglich. Der Beteiligte zu 2. hat gemäß § 46 Abs. 2 BetrVG mit Schreiben vom . . . die Beteiligte zu 1. über die Betriebsversammlung informiert und sie eingeladen, einen Vertreter zu entsenden. Daraufhin hat die Beteiligte zu 1. mit Schreiben vom . . . dem Geschäftsführer der Beteiligten zu 3. mitgeteilt, dass der Beauftragte der Beteiligten zu 1., Herr . . ., gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 BetrVG an der Betriebsversammlung teilnehmen werde. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des Beteiligten zu 1. vom . . ., Anlage AS 1 Der Beteiligte zu 3. hat jedoch mit Schreiben vom . . . mitgeteilt, dass er eine Teilnahme von Gewerkschaftsvertretern an der Versammlung nicht zulassen werde. Denn auf der Versammlung werde er den jährlichen Lagebericht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 BetrVG halten, der höchst vertrauliche Wirtschaftsdaten enthalte. Wenn ein Gewerkschaftsvertreter teilnehme, sei damit zu rechnen, dass diese Daten bei der Konkurrenz bekannt würden, was das Unternehmen schwer schädigen könne. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des Beteiligten zu 3. vom . . ., Anlage AS 2 Die Auffassung des Beteiligten zu 3. ist unzutreffend. Selbstverständlich unterliegen die an der Betriebsversammlung teilnehmenden Vertreter der Gewerkschaften der Geheimhaltungspflicht. Die Beauftragten der Beteiligen zu 1. halten sich auch stets peinlich genau an ihre Geheimhaltungspflicht. Der Beteiligte zu 3. hat auch nicht vorgetragen, dass es in der Vergangenheit zu irgendwelchen Verletzungen der Geheimhaltungspflicht gekommen wäre. Der vorliegende Antrag wird gleichermaßen im Namen der Beteiligten zu 1. und 2. gestellt. Der Beteiligte zu 1. hat ein eigenes Teilnahmerecht gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Es ist aber davon auszugehen, dass die Teilnahme von Gewerkschaftsvertretern auch im Betriebsratsinteresse liegt, jedenfalls wenn der Betriebsrat um Teilnahme eines Gewerkschaftsvertreters bittet, so dass richtigerweise auch der Beteiligte zu 2. einen Anspruch auf Duldung des Zugangs eines Gewerkschaftsvertreters zur Betriebsversammlung hat (wird ausgeführt). Einwendungen gegen die Auswahl von Herrn . . . als Vertreter der Gewerkschaft hat der Beteiligte zu 3. nicht vorgebracht, solche bestehen auch nicht.3 Der Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit ist gegeben, da ansonsten der Beteiligte zu 3. das Teilnahmerecht des Beteiligten zu 1. auf Jahre hinaus vereiteln könnte.4 3 Im Einzelfall wird man dem Arbeitgeber das Recht zugestehen müssen, einen konkreten Beauftragten abzulehnen, etwa wenn dieser im Aufsichtsrat eines Konkurrenzunternehmens sitzt. Dann darf die Gewerkschaft selbstverständlich einen anderen Vertreter entsenden. 4 Es erscheint zweifelhaft, ob der bloße Zeitablauf als Verfügungsgrund ausreicht. Wenn Betriebsrat und Gewerkschaft keine konkreten Nachteile geltend machen können, die ihnen bei Nichtteilnahme eines Gewerkschaftsvertreters drohen, kommt der Erlass einer einstweiligen Verfügung wohl nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber offensichtlich rechtswidrig bzw. willkürlich agiert.

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Kap. 35

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

... (Unterschrift)5 5 Der Streitwert wird hier dem Hilfswert von Euro 4 000,– (§ 23 RVG) entsprechen.

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Kapitel 35

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Arbeitszeit

Literaturübersicht: Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 2. Aufl. 2004; Bauer, Kurzarbeit bei Führungskräften, BB 1993, 1098; Bauer/Günther, Heute lang, morgen kurz – Arbeitszeit nach Maß!, DB 2006, 950; Benecke, Flexibilisierungsklauseln im Arbeitsrecht und AGB-Kontrolle, AuR 2006, 337; Bischof, Mitbestimmung bei Einführung und Abbau von Kurzarbeit, NZA 1995, 1021; Gaul, Änderungskündigung zur Absenkung oder Flexibilisierung der Arbeitszeit und/oder Arbeitsentgelt, DB 1998, 1913; Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme oder die Geister, die ich rief . . ., AiB 2003, 228; Hamm, Möglichkeiten und Grenzen der Mitbestimmung bei der Gestaltung der Arbeitszeit, AiB 2008, 330; Hamm, Betriebsvereinbarungen zu flexiblen Arbeitszeiten, AiB 2008, 346; Heinze, Flexible Arbeitszeitmodelle, NZA 1997, 681; Höfer/Greiwe, Einführung von Langzeitkonten, BB 2006, 2242; Hohenstatt/Schramm, Neue Gestaltungsmöglichkeiten zur flexiblen Arbeitszeit, NZA 2007, 238; Hümmerich, Flexibilisierung der Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung, DB 1996, 1182; Hunold, Dienstreise als Arbeitszeit, AuA 2007, 341; Mölders, Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen für Cafeteria-Systeme, DB 1996, 213, 218; Richardi, Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei flexibler Arbeitszeitgestaltung, NZA 1994, 593; Rombach, Das sozialversicherungsrechtliche Flexigesetz unter Berücksichtigung seiner Anwendung im Rahmen der Altersteilzeit, RdA 1999, 194; Uckermann, Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen von Zeitwertkonten, BB 2008, 1281; Wellisch/Lenz, Wertkonten und andere Arbeitszeitkonten, DB 2008, 2762; Zwanziger, Das BAG und das Arbeitszeitgesetz – Aktuelle Tendenzen, DB 2007, 1356.

I. Einführung 1. Vorrang von Gesetz und Tarifvertrag (§ 87 Abs. 1 BetrVG) 1

§ 87 BetrVG stellt den Kernbereich der Mitbestimmung des Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten dar. Das Gesetz legt in einer abschließenden Aufzählung fest, welche Gegenstände der Arbeitgeber nicht regeln darf, ohne sich mit dem Betriebsrat zu einigen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates endet dort, wo eine gesetzliche oder tarifvertragliche Regelung besteht. Es reicht nur so weit, wie der Arbeitgeber selbst etwas bestimmen kann.1 Ein Tarifvertrag hindert die Mitbestimmung nur, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist und die Gewerkschaftsmitgliedschaft der Arbeitnehmer die unmittelbare und zwingende Tarifwirkung herbeiführen könnte.2 Die bloße Üblichkeit einer tariflichen Regelung, der Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 BetrVG steht einer Betriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 BetrVG nicht entgegen.3 Auch ein nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkender Tarifvertrag schließt die Mitbestimmung nach § 87 BetrVG 1 BAG v. 26.5.1988 – 1 ABR 9/87, BB 1988, 2316. 2 BAG v. 24.2.1987 – 1 ABR 18/85, BB 1987, 1246. 3 BAG v. 20.8.1991 – 1 ABR 85/90, BB 1992, 490; v. 26.4.2005 – 1 ABR 1/04, DB 2005, 2030.

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Kap. 35

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

... (Unterschrift)5 5 Der Streitwert wird hier dem Hilfswert von Euro 4 000,– (§ 23 RVG) entsprechen.

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Kapitel 35

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Arbeitszeit

Literaturübersicht: Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 2. Aufl. 2004; Bauer, Kurzarbeit bei Führungskräften, BB 1993, 1098; Bauer/Günther, Heute lang, morgen kurz – Arbeitszeit nach Maß!, DB 2006, 950; Benecke, Flexibilisierungsklauseln im Arbeitsrecht und AGB-Kontrolle, AuR 2006, 337; Bischof, Mitbestimmung bei Einführung und Abbau von Kurzarbeit, NZA 1995, 1021; Gaul, Änderungskündigung zur Absenkung oder Flexibilisierung der Arbeitszeit und/oder Arbeitsentgelt, DB 1998, 1913; Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme oder die Geister, die ich rief . . ., AiB 2003, 228; Hamm, Möglichkeiten und Grenzen der Mitbestimmung bei der Gestaltung der Arbeitszeit, AiB 2008, 330; Hamm, Betriebsvereinbarungen zu flexiblen Arbeitszeiten, AiB 2008, 346; Heinze, Flexible Arbeitszeitmodelle, NZA 1997, 681; Höfer/Greiwe, Einführung von Langzeitkonten, BB 2006, 2242; Hohenstatt/Schramm, Neue Gestaltungsmöglichkeiten zur flexiblen Arbeitszeit, NZA 2007, 238; Hümmerich, Flexibilisierung der Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung, DB 1996, 1182; Hunold, Dienstreise als Arbeitszeit, AuA 2007, 341; Mölders, Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen für Cafeteria-Systeme, DB 1996, 213, 218; Richardi, Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei flexibler Arbeitszeitgestaltung, NZA 1994, 593; Rombach, Das sozialversicherungsrechtliche Flexigesetz unter Berücksichtigung seiner Anwendung im Rahmen der Altersteilzeit, RdA 1999, 194; Uckermann, Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen von Zeitwertkonten, BB 2008, 1281; Wellisch/Lenz, Wertkonten und andere Arbeitszeitkonten, DB 2008, 2762; Zwanziger, Das BAG und das Arbeitszeitgesetz – Aktuelle Tendenzen, DB 2007, 1356.

I. Einführung 1. Vorrang von Gesetz und Tarifvertrag (§ 87 Abs. 1 BetrVG) 1

§ 87 BetrVG stellt den Kernbereich der Mitbestimmung des Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten dar. Das Gesetz legt in einer abschließenden Aufzählung fest, welche Gegenstände der Arbeitgeber nicht regeln darf, ohne sich mit dem Betriebsrat zu einigen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates endet dort, wo eine gesetzliche oder tarifvertragliche Regelung besteht. Es reicht nur so weit, wie der Arbeitgeber selbst etwas bestimmen kann.1 Ein Tarifvertrag hindert die Mitbestimmung nur, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist und die Gewerkschaftsmitgliedschaft der Arbeitnehmer die unmittelbare und zwingende Tarifwirkung herbeiführen könnte.2 Die bloße Üblichkeit einer tariflichen Regelung, der Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 BetrVG steht einer Betriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 BetrVG nicht entgegen.3 Auch ein nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkender Tarifvertrag schließt die Mitbestimmung nach § 87 BetrVG 1 BAG v. 26.5.1988 – 1 ABR 9/87, BB 1988, 2316. 2 BAG v. 24.2.1987 – 1 ABR 18/85, BB 1987, 1246. 3 BAG v. 20.8.1991 – 1 ABR 85/90, BB 1992, 490; v. 26.4.2005 – 1 ABR 1/04, DB 2005, 2030.

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 35

nicht aus.4 Besteht eine tarifliche Regelung, sperrt sie die Mitbestimmung des Betriebsrates nicht, soweit sie den Betriebspartnern die nähere Ausgestaltung überlässt.5

2. Initiativrecht des Betriebsrates Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entsteht nicht erst, wenn der Arbeitgeber sich zu einer Regelung entschließt. Der Betriebsrat kann von sich aus eine Regelung vorschlagen.6 Der Betriebsrat kann aber keine Regelung erzwingen, die ihm bestimmte Auskunfts-, Überwachungs- und Kontrollrechte verschafft.7

2

3. Verfahrensfragen Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht, kann jeder der Betriebspartner die Einigungsstelle anrufen (§§ 87 Abs. 2, 76 BetrVG). Die Einigungsstelle prüft als Vorfrage ihrer Tätigkeit ihre Zuständigkeit.8 Besteht Streit über die Zuständigkeit der Einigungsstelle, ist die Mitwirkung am Einigungsstellenverfahren nicht als Anerkennung deren Zuständigkeit anzusehen.9 Überlässt ein Tarifvertrag den Betriebsparteien einen Entscheidungsrahmen, ist daran auch die Einigungsstelle gebunden.10 Zur Errichtung der Einigungsstelle im gerichtlichen Bestellungsverfahren nach § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG s. M 44.2.

3

Verletzt der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 BetrVG, steht dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zu11 (s. M 35.7). Dem örtlichen Betriebsrat steht der Unterlassungsanspruch nur bei Verletzung seiner eigenen Rechte, nicht bei Verletzung der Rechte des Konzernbetriebsrats zu.12 Die unter Verstoß gegen § 87 BetrVG vorgenommene Maßnahme ist kollektiv- und individualrechtlich unwirksam, da die Beachtung der Mitbestimmungsrechte Wirksamkeitsvoraussetzung ist.13 Das Mitbestimmungsrecht besteht auch in Eilfällen.14 Allerdings kann der Betriebsrat zu immer wieder auftretenden Eilfällen im Voraus seine Zustimmung erteilen,15 den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung kann der Arbeitgeber über die Einigungsstelle erzwingen. Eine Vertragsstrafe für den Fall der Verletzung von Mitbestimmungsrechten können die Betriebsparteien nicht vereinbaren.16

4

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BAG v. 24.2.1987 – 1 ABR 18/85, BB 1987, 1246 und v. 14.2.1989, BB 1989, 1346. BAG v. 22.12.1981 – 1 ABR 38/79, BB 1982, 1920. BAG v. 14.11.1974 – 1 ABR 65/73, BB 1975, 420. BAG v. 6.12.1983 – 1 ABR 43/81, BB 1984, 850. BAG v. 22.1.1980 – 1 ABR 48/77, BB 1982, 432. BAG v. 20.4.1982 – 1 ABR 22/80, DB 1982, 1674. BAG v. 9.11.2010 – 1 ABR 75/09, DB 2011, 1454. BAG v. 22.1.1980 – 1 ABR 48/73, BB 1982, 432; v. 3.5.1994 – 1 ABR 24/93, BB 1994, 2273. BAG v. 17.5.2011, NZA 2011, 2099. St. Rspr., BAG v. 7.9.1956 – 1 AZR 646/54, AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG 1952; BAG GS v. 3.12.1991 – GS 2/90, AP Nr. 51, 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 14 BAG v. 13.7.1977 – 1 AZR 336/75, BB 1977, 2235. 15 BAG v. 2.3.1982 – 1 ABR 74/79, BB 1982, 1236; v. 21.12.1982 – 1 ABR 14/81, BB 1983, 503. 16 BAG v. 29.9.2004 – 1 ABR 30/03, NZA 2005, 123; v. 19.1.2010 – 1 ABR 62/08, ArbR Aktuell 2010, 221.

Bauer/Haußmann

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Kap. 35

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

4. Arbeitszeit 5

Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage zu (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). Arbeitszeit kann auch die Teilnahme an Schulungen sein.17 Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG erstreckt sich sein Mitbestimmungsrecht auch auf Fragen der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Dabei wird das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 3 als Unterfall der Nr. 2 angesehen. Die Festlegung, ob Nachtarbeit in Geld oder Freizeit ausgeglichen wird (§ 6 Abs. 5 ArbZG), berührt zugleich das Mitbestimmungsrecht zum Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). § 8 TzBfG begründet keinen das Mitbestimmungsrecht ausschließenden Gesetzesvorbehalt. Die Regelungen einer Betriebsvereinbarung zur Lage der Arbeitszeit können allerdings der Neuverteilung der Arbeitszeit eines Teilzeitarbeitnehmers entgegen stehen.18 Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG greift ein, wenn ein Zeiterfassungssystem eingeführt wird. a) Vereinbarungen zur Dauer der Arbeitszeit

6

Die erzwingbare Mitbestimmung erfasst nicht die Regelung der Dauer der Arbeitszeit. Sie ist üblicherweise tariflich geregelt oder im Einzelarbeitsvertrag festzusetzen. Höchstgrenzen gibt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vor. Dies gilt auch für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit von Teilzeitkräften.19 Allerdings werden in der Praxis immer häufiger Betriebsvereinbarungen über die Dauer der Arbeitszeit abgeschlossen. Damit wird zT gegen geltende Tarifverträge verstoßen. Soweit die Arbeitnehmer nicht tarifgebunden sind, ist die vertragliche Vereinbarung höherer Wochenarbeitszeiten individualrechtlich wirksam. Das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG gilt nur bei unmittelbarer und zwingender Geltung der jeweiligen Tarifverträge. Die Regelung in einer Betriebsvereinbarung verstößt bei Üblichkeit einer tariflichen Regelung gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG. Ohne eine grundsätzliche Einigung mit dem Betriebsrat lassen sich einzelvertragliche Vereinbarungen über eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit aber selten durchsetzen. Deshalb kann eine Regelungsabrede mit dem Betriebsrat das Ziel einer betriebsweiten Regelung beschreiben und den Rahmen für arbeitsvertragliche (Zusatz-)Vereinbarungen mit den nicht-tarifgebundenen Arbeitnehmern bilden.20 b) Flexibilisierung

7

Entscheidende Bedeutung hat das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Gestaltung von Gleitzeitsystemen und der in der Praxis immer häufiger werdenden Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die Gleitzeitmodelle erlauben den Arbeitnehmern, Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit weitgehend selbst zu bestimmen. Ein flexibles Arbeitszeitmodell kann aber auch dem Arbeitgeber überlassen, bedarfsorientiert die Lage der täglichen Arbeitszeit und auch deren Dauer vorzuge17 18 19 20

BAG v. 15.4.2008 – 1 ABR 44/07, BB 2008, 2066. BAG v. 24.6.2008 – 8 AZR 313/07, NZA 2008, 1309. BAG v. 28.9.1988 – 1 ABR 41/87, BB 1989, 423; v. 16.7.1991 – 1 ABR 71/90, BB 1991, 2370. S. zur Zulässigkeit solcher Vereinbarungen BAG v. 20.4.1999 – 1 ABR 72/98, NZA 1999, 887.

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ben. Notwendig ist allerdings, dass die Dauer einer durchschnittlichen Arbeitszeit vereinbart wird, um das Verhältnis von Arbeit und Entgelt festzuschreiben. Fehlt eine solche Vereinbarung, gilt eine Arbeitszeit von mindestens zehn Stunden pro Woche als vereinbart (§ 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG). Behält sich der Arbeitgeber vor, die Arbeitskraft im Bedarfsfalle abzurufen (sog. kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit), hat er eine Ankündigungsfrist von vier Tagen zu beachten (§ 12 Abs. 2 TzBfG). Außerdem unterliegen Vereinbarungen zur einseitigen Erhöhung oder Verringerung der Arbeitszeit in Formularverträgen der AGB-Kontrolle. Sie dürfen einen flexiblen Anteil der Arbeitszeit bis zu 25 % der Mindesarbeitszeitdauer bestimmen.21 Praxistipp: Zur Gestaltung eines flexiblen Arbeitszeitmodells sollten immer folgende Fragen – ggf. in einer ersten Verhandlungsrunde mit dem Betriebsrat – inhaltlich geklärt werden:

8

– Gibt ein Tarifvertrag äußere Grenzen der Flexibilisierung vor? – Soll nur die Lage der täglichen Arbeitszeit oder auch ihre Dauer flexibel sein? – Entscheidet der Arbeitgeber oder der Mitarbeiter über die Dauer der täglichen Arbeitszeit? – Welche durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit soll der vereinbarten regelmäßigen Vergütung entsprechen? – In welchem Ausgleichszeitraum ist der Durchschnitt zu erreichen? – Gibt es saisonbedingte Schwankungen, die bei der Festlegung des Beginns des Ausgleichszeitraumes zu berücksichtigen sind? – Besteht schon ein Arbeitszeiterfassungssystem, oder muss es zur Kontrolle des flexiblen Arbeitszeitsystems eingeführt werden? – Wie soll zwischen Zeitguthaben und Überstunden differenziert werden? Werden sie getrennt erfasst? Werden sie auf verschiedene Weise ausgeglichen? – Wie werden Zeitguthaben oder Unterschreitungen des Arbeitszeitdurchschnitts behandelt, wenn ein Arbeitsverhältnis endet/wenn die Betriebsvereinbarung abläuft oder gekündigt wird? c) Überstunden und Kurzarbeit Die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der vorübergehenden Verlängerung22 oder Verkürzung der Arbeitszeit betrifft im Wesentlichen Überstundenregelungen und die Anordnung von Kurzarbeit. Soll die Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit Rechtsgrundlage zur Anordnung der Kurzarbeit sein, muss sie nach überwiegender Auffassung die Lage und Verteilung der Kurzarbeit, die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer und die Zeiträume regeln.23 Nicht mitbestimmungspflichtig ist dagegen die Anordnung von Dienstreisen, während derer keine Arbeitsleistung zu erbringen ist.24 In flexiblen Arbeitszeitmodellen bietet es sich an, die Überstundenregelungen in die Gesamtregelung des Modells mit aufzunehmen. Dabei ist der Begriff der Überstunde bezogen auf das Arbeitszeitmodell zu definieren und klarzustellen, ob die Überstun21 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, DB 2006, 897. 22 S. zum Begriff der vorübergehenden Verlängerung BAG v. 24.4.2007 – 1 ABR 47/06, NZA 2007, 818. 23 LAG BW v. 25.11.2005 – 20 Sa 112/04. 24 BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06, EzA § 87 BetrVG 2004 Arbeitszeit Nr. 10.

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9

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M 35.1

den getrennt von den Zeitguthaben oder als Zeitguthaben erfasst werden. Die getrennte Erfassung bietet sich jedenfalls dann an, wenn Überstunden – anders als Zeitguthaben – nicht in Freizeit, sondern in Geld ausgeglichen werden sollen.

II. Muster 35.1

u

Betriebsvereinbarung zur Lage der Arbeitszeit

1. Geltungsbereich Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle1 vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer.2 2. Normalschicht Die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit in der Normalschicht beginnt von montags bis freitags um 8.00 Uhr und endet einschließlich unbezahlter Pausen um 16.30 Uhr. 3. Schichtarbeit3 In den Abteilungen . . . gelten im Schichtbetrieb folgende Arbeitszeiten: 1. Schicht: montags bis freitags von . . . Uhr bis . . . Uhr 2. Schicht: montags bis freitags von . . . Uhr bis . . . Uhr, jeweils einschließlich unbezahlter Pausen. 4. Pausen4 In der Normalschicht findet die Frühstückspause von 9.45 Uhr bis 10.00 Uhr und die Mittagspause von 12.15 Uhr bis 13.00 Uhr statt.5 Im Schichtbetrieb finden jeweils 15-minütige Pausen von . . . Uhr bis . . . Uhr . . . Uhr bis . . . Uhr 1 Es werden auch im Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer erfasst. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der entleihende Arbeitgeber die mitbestimmungspflichtige Entscheidung über die Lage der Arbeitszeit trifft, BAG v. 19.6.2001 – 1 ABR 43/00, DB 2001, 2301. 2 Da der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auch mitzubestimmen hat, ob Teilzeitkräfte zu festen Zeiten und ggf. zu welchen Zeiten oder nach Bedarf beschäftigt werden sollen, empfiehlt sich uU eine zusätzliche Betriebsvereinbarung speziell für Teilzeit-Mitarbeiter. 3 Mitbestimmungspflichtig ist auch die Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Schichten, BAG v. 26.4.2004 – 1 ABR 1/04, DB 2005, 2030. Die Betriebsparteien können an Stelle der Abstimmung jedes einzelnen Schichtplans Grundsätze und Kriterien der Einteilung regeln. Innerhalb dieser Festlegungen kann der Arbeitgeber dann die Schichtpläne einseitig festlegen, BAG v. 26.4.2004 – 1 ABR 1/04, DB 2005, 2030. 4 Diese Pausenregelung bestimmt die Lage der unbezahlten Pausen nach dem ArbZG. Bestimmt ein Tarifvertrag vergütungspflichtige Pausen, ist auch deren Lage mitbestimmungspflichtig, BAG v. 1.7.2003 – 1 ABR 20/02, DB 2005, 170. 5 Das Arbeitszeitgesetz schreibt bei Arbeitszeiten von 6–9 Stunden eine mindestens 30-minütige Pause vor. Die Frühstückspause könnte also weggelassen und die Mittagspause auf 30 Minuten verkürzt werden. Gesetzlich vorgeschrieben ist die 45-minütige Mittagspause bei Arbeitszeiten ab 9 Stunden pro Tag.

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. . . Uhr bis . . . Uhr . . . Uhr bis . . . Uhr statt.6 6 Gesetzlich zulässig ist es, die Pausenzeiten in Abschnitte von 15 Minuten aufzuteilen (§ 4 Satz 2 ArbZG).

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Betriebsvereinbarung zu flexibler Arbeitszeit Präambel

Die Arbeitszeit ist im Rahmen dieser Vereinbarung flexibel zu gestalten. Die Arbeitszeitordnung des Unternehmens sieht drei Flexibilisierungselemente vor. Die Mitarbeiter können selbst im Rahmen der Gleitzeit die Verteilung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage mitgestalten. Dieses Arbeitszeitmodell setzt ein hohes Verantwortungsbewusstsein jedes Mitarbeiters voraus. Abhängig vom Arbeitsanfall können Arbeitgeber und Mitarbeiter gemeinsam eine vorübergehende Erhöhung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit vereinbaren. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber in einem flexiblen Korridor solche Kapazitätsschwankungen ausgleichen, die sich nicht langfristig vorhersehen lassen, kurzfristig jedoch planbar sind. Nur soweit diese Flexibilisierungsmöglichkeiten nicht ausreichen, können Überstunden angeordnet werden. 1. Geltungsbereich 1.1 Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter der Abteilungen . . ., . . ., . . . 1.2 Die Betriebsvereinbarung gilt nicht für Teilzeit-Mitarbeiter. Sie gilt auch nicht für AT-Mitarbeiter. 2. Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit 2.1 Mit jedem Mitarbeiter ist eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit vereinbart, die sich aus seinem Arbeitsvertrag und ggf. aus einer Zusatzvereinbarung zu seinem Arbeitsvertrag ergibt. 2.2 Der Arbeitgeber kann je nach Auftragslage und Personalbedarf Verlängerungen der wöchentlichen Arbeitszeit für den gesamten Betrieb, einzelne Organisationseinheiten oder Mitarbeiter bestimmen. Die auf diese Weise erhöhte Arbeitszeit eines Mitarbeiters kann bis zu 40 Stunden pro Woche betragen.1 2.3 Die individuelle durchschnittliche Wochenarbeitszeit ist Berechnungsgrundlage für die regelmäßige Vergütung. 1 Neben den gesetzlichen sind ggf. Höchstgrenzen aus einem Tarifvertrag zu beachten.

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35.2

Kap. 35

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 35.2

3. Flexibler Korridor 3.1 Soweit Anforderungen an flexible Arbeitszeiten oder Kapazitätsschwankungen bestehen, können für einzelne Mitarbeiter, Gruppen oder Abteilungen darüber hinaus vorübergehend abweichende wöchentliche Arbeitszeiten angeordnet werden. Die auf diese Weise angeordneten Wochenarbeitszeiten können mindestens 30 und höchstens 42 Stunden betragen.2 Sie sind mit einer einwöchigen Ankündigungsfrist befristet festzulegen. 3.2 Die daraus entstehenden Mehr- oder Minderstunden bleiben ohne Auswirkung auf die regelmäßige Vergütung. Sie werden über ein Regelarbeitszeitkonto (RAZ) ausgeglichen. Das RAZ darf die Grenzwerte von – 200/+ 200 Stunden nicht überschreiten und ist einmal in zwei Jahren auszugleichen. Das Regelarbeitszeitkonto kann nicht mit anderen Zeitkonten verrechnet werden. Ein Zeitausgleich findet in der Regel durch die flexiblen Arbeitszeitanordnungen der Vorgesetzten statt. Darüber hinaus können Plusstunden stunden- oder tageweise durch Freizeit ausgeglichen werden. Der Zeitausgleich bedarf der Zustimmung der Vorgesetzten, die spätestens3 eine Woche vor dem geplanten Zeitausgleich erteilt wird, soweit betriebliche Interessen nicht entgegenstehen. Ist über eine längere Periode mit einer hohen Auslastung zu rechnen, kann im Einvernehmen zwischen Unternehmen und den Mitarbeitern die Vergütung unter Berücksichtigung der vorübergehend erhöhten Wochenarbeitszeit angehoben werden. In diesem Fall fließen nur die mit der erhöhten Vergütung nicht wertmäßig abgegoltenen Stunden in das RAZ. 3.3 Im Schichtbetrieb können in Abhängigkeit von der erforderlichen Betriebsnutzungszeit feste Schichtmodelle nach folgendem Muster eingestellt werden.4 Wöchentliche Betriebsnutzungszeit 35 Std. 1×7

37,5 Std. 1 × 7,5

40 Std. 1×8

70 Std. 2×7

75 Std. 2 × 7,5

80 Std. 2×8

105 Std. 112,5 Std. 120 Std. 3×7 3 × 7,5 3×8

4. Gleitzeit 4.1 Jeder Mitarbeiter kann innerhalb des Gleitzeitrahmens Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit bestimmen. Damit legt er auch die Dauer seiner täglichen Arbeitszeit fest. Er ist verpflichtet, seinen Beitrag zu den Funktionszeiten zu gewährleisten. 4.2 Die Funktionszeit wird in Abteilungsbesprechungen für jede Organisationseinheit festgelegt. Der Vorgesetzte der Organisationseinheit formuliert daraus einen Vorschlag, der der Zustimmung der Geschäftsleitung und des Betriebsrates bedarf. Zur Gewährleistung der Funktionszeiten legt der Vorgesetzte darin auch fest, wie viele Mitarbeiter während der Funktionszeit anwesend sein müssen und welche Mitarbeiter dazu jeweils eingeteilt werden. 2 Hier ist eine weiterreichende Flexibilisierung zulässig, als das BAG in KAPOVAZ-Vereinbarungen gestattet (BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423), weil die Vergütung gleichbleibend gezahlt wird, dh. die Arbeitszeit nicht verringert, sondern nur anders verteilt wird. 3 Diese Freizeiten können die Mitarbeiter einplanen. 4 Ist an Stelle der alternativen Schichtmodelle ein festes Schichtmodell geregelt, hat der Betriebsrat auch dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber davon abweichen will, BAG v. 1.7.2003 – 1 ABR 20/02, DB 2005, 170.

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4.3 Die Mitarbeiter leisten ihre individuelle Arbeitszeit unter Berücksichtigung der betrieblichen Anforderungen nach Abstimmung mit Vorgesetzten und Kollegen der Abteilung. Der Gleitzeitrahmen der Arbeitszeit liegt täglich zwischen 7.00 Uhr und 19.00 Uhr. Der Mitarbeiter kann nach Maßgabe folgender Regeln seine Arbeitszeit individuell gestalten: Rot: > +30

nur bis zu einem Monat zulässig bei vorab vereinbarter Form des Zeitausgleiches mit Zustimmung des Vorgesetzten

Gelb: +20 s +30

mit Zustimmung des Vorgesetzten

Grün: –20 s +20

eigenverantwortliche Disposition der Arbeitszeit durch den Mitarbeiter

Gelb: –20 s –30

mit Zustimmung des Vorgesetzten

Rot: < –30

nur bis zu einem Monat zulässig mit Zustimmung des Vorgesetzten

4.4 Der Ausgleich von Gleitzeitguthaben in Freizeit ist stunden- oder tageweise zulässig. Der Vorgesetzte erteilt seine Zustimmung, wenn keine betrieblichen Interessen entgegenstehen, frühestens5 jedoch eine Woche vor dem beabsichtigten Zeitpunkt zum Gleitzeitausgleich. Zeitguthaben oder -schulden im roten Bereich verfallen mit Ablauf eines Monats, wenn nicht zuvor der Zeitausgleich vereinbart ist. 4.5 Für Schichtarbeit kommen eingeschränkte Gleitzeitregelungen zur Anwendung. In Abhängigkeit von der betrieblichen Arbeitszeit erfolgt nur ein Eingleiten zu Beginn der Frühschicht zwischen 4.30 Uhr und 6.00 Uhr und ein Ausgleiten am Ende der Spätschicht zwischen 20.00 Uhr und 23.00 Uhr. Der Zeitpunkt der Schichtübergabe wird in den Gruppen zwischen 12.30 Uhr und 13.30 Uhr festgelegt. Die Dauer der Schichtübergabe ist auf 15 Minuten begrenzt. Eine Verlängerung ist in begründeten Fällen durch den Vorgesetzten möglich. Bei Bedarf kann der Vorgesetzte den Schichtwechsel auf 13.00 Uhr festlegen. Gleitzeitausgleich kann in Form von ganzen oder halben Freischichten erfolgen. Die Genehmigung durch den Vorgesetzten ist erforderlich. Gleittage können frühestens eine Woche im Voraus genehmigt werden. 5. Überzeit 5.1 Überstunden sind streng von den flexiblen Wochenarbeitszeiten (flexibler Korridor und Gleitzeit) zu trennen. Als Überstunde gilt jede Arbeitsstunde, die der Vorgesetzte als solche angeordnet hat. Sie ist frühestens dann als Überstunde anzurechnen, wenn der flexible Korridor von bis zu 42 Stunden pro Woche überschritten wird. SamstagsArbeit ist grundsätzlich Überzeit. Darüber hinaus kommt die Überzeit nur auf Anordnung der Vorgesetzten in Betracht und nur dann, wenn Kapazitätsschwankungen nicht langfristig voraussehbar waren oder sich durch die flexiblen Korridore nicht ausgleichen lassen, dies gilt insbesondere bei Personalausfall, außergewöhnlichem Arbeitsanfall oder dringenden termingebundenen Kundenaufträgen und in Notfällen. 5.2 Überzeit kann nach Wahl des Mitarbeiters unter Berücksichtigung betrieblicher Belange entweder dem RAZ gutgeschrieben werden oder ausgezahlt werden. In beiden Fällen sind folgende Überstundenzuschläge auszuzahlen: Für jede Stunde über 40 Stunden pro Woche samstags nach 12.00 Uhr

25 % 50 %

5 Diese Zeiten sollen nicht langfristig in die Freizeit- oder Urlaubsplanung eingehen.

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sonntags feiertags

M 35.3

50 % 100 %

6. Zeiterfassung6 Jeder Mitarbeiter erfasst seine Arbeitszeiten wahrheitsgemäß eigenverantwortlich. Er legt die Aufzeichnungen seinem Vorgesetzten monatlich vor. Der Vorgesetzte prüft die Richtigkeit und bestätigt sie durch Abzeichnung. Er gibt die der Lohnabrechnung zugrunde zu legenden Arbeitszeiten an die Personalabteilung weiter. 7. Übergangsbestimmungen Diese Betriebsvereinbarung ersetzt die Betriebsvereinbarung . . . vom . . . 6 Hier kann ggf. auf ein bestehendes Zeiterfassungssystem verwiesen werden. Achtung: Auch wenn sog. Vertrauensarbeitszeit vereinbart ist, muss der Arbeitgeber sich Kenntnis von Beginn und Ende der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit verschaffen und darf dem Betriebsrat nicht die Auskunft darüber verweigern (BAG v. 6.5.2003 – 1 ABR 13/02, ArbuR 2003, 477).

35.3

u

Betriebsvereinbarung zu Gleitzeit

Die Mitarbeiter können im Rahmen dieser Vereinbarung ihre Arbeitszeit flexibel gestalten. Sie sind dabei verpflichtet, ihre monatliche Arbeitszeit so auf die einzelnen Arbeitstage zu verteilen, dass die ihnen übertragenen Aufgaben erledigt werden und die Funktionsfähigkeit ihrer Tätigkeitsbereiche sichergestellt ist. Diese Flexibilisierung hat zum Ziel, Überstunden auf ein vertretbares Maß zu begrenzen. Dieses Arbeitszeitmodell setzt ein hohes Verantwortungsbewusstsein jedes Mitarbeiters voraus. Dies gilt auch für die Sicherheit am Arbeitsplatz. Alle Sicherheitsvorschriften sind vom Mitarbeiter auch dann einzuhalten, wenn der personelle oder fachliche Vorgesetzte oder eine andere aufsichtsführende Person abwesend ist. 1. Geltungsbereich Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter der . . . GmbH mit Ausnahme der Mitarbeiter im Telefon- oder Empfangsdienst.1 2. Gleitende Arbeitszeit Jeder Mitarbeiter kann innerhalb des Arbeitszeitrahmens Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen. Damit legt er auch die Dauer seiner täglichen Arbeitszeit fest. Er ist verpflichtet, die Kernzeit einzuhalten und die monatliche SollZeit zu erbringen.2 1 Diese Betriebsvereinbarung bezieht auch Teilzeit-Mitarbeiter ein. 2 Hier bestimmen die Mitarbeiter weitgehend selbst Lage und Dauer der täglichen Arbeitszeit. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob diese Gestaltungsbefugnis durch bedarfsorientierte Weisungsrechte des Arbeitgebers einzuschränken ist.

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M 35.3

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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3. Bandbreite Die Mitarbeiter leisten ihre vertragliche Arbeitszeit unter Berücksichtigung der betrieblichen Anforderungen nach Abstimmung mit Vorgesetzten und Kollegen der Abteilung. Die Bandbreite der Arbeitszeiten liegt täglich von 6.00–20.00 Uhr, soweit nicht mit dem Vorgesetzten Ausnahmen abgestimmt sind. 4. Kernzeit3 Die Kernzeit beginnt montags bis freitags um 9.00 Uhr und endet montags bis donnerstags um 16.00 Uhr, freitags um 14.00 Uhr. Während der Kernzeiten ist jeder Mitarbeiter zur Anwesenheit verpflichtet, sofern nicht mit dem Vorgesetzten berechtigte Ausnahmen abgestimmt sind. 5. Pausen Die tägliche Pausenzeit beträgt 45 Minuten. Die Pause kann frühestens um 11.30 Uhr begonnen werden und muss spätestens um 14.00 Uhr beendet sein.4 6. Soll-Arbeitszeit Die tägliche Soll-Arbeitszeit beträgt ein Fünftel der vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit ausschließlich der Pausenzeiten. Die monatliche Soll-Arbeitszeit errechnet sich durch Multiplikation der zu bezahlenden Arbeitstage des Kalendermonats mit der täglichen Soll-Arbeitszeit. 7. Normalarbeitszeit Die Normalarbeitszeit liegt für Vollzeitbeschäftigte von 8.00–17.00 Uhr (einschließlich Mittagspause). Treten innerhalb der Normalarbeitszeit Ansprüche auf bezahlte Freistellung auf, werden sie dem individuellen Gleitzeitkonto gutgeschrieben.5 8. Höchstarbeitszeit Die Arbeitszeitgrenzen bestimmen sich nach dem Arbeitszeitgesetz. Für die Einhaltung dieser Normen tragen Mitarbeiter und Vorgesetzte Sorge.6

3 Anstelle von Kernzeiten können auch sog. Ansprechzeiten vereinbart werden. Dann sind Gruppen von Arbeitnehmern zu bilden, die gemeinsam sicherstellen, dass mindestens einer von ihnen jeweils die Ansprechbarkeit ihres Arbeitsbereiches gewährleistet. 4 Bei Arbeitszeiten unter 9 Stunden könnte die Pausenzeit auf 30 Minuten verkürzt werden. Im flexiblen Arbeitszeitmodell empfiehlt es sich aber, gleich die bei 9-stündiger täglicher Arbeitszeit gesetzlich vorgeschriebene Pause einzusetzen, um Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz von vornherein auszuschließen. 5 Die Normalarbeitszeit dient als Berechnungsgrundlage bei weniger als ganztägigen Abwesenheiten der Mitarbeiter. 6 Für die Beachtung des Arbeitszeitgesetzes ist grundsätzlich der Arbeitgeber verantwortlich. Mit dieser Regelung wird dem Mitarbeiter eine Mitverantwortung übertragen, die der Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter in dem flexiblen Arbeitszeitsystem entspricht.

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9. Zeitguthaben/Zeitschulden 9.1 Die monatliche Differenz zwischen Ist-Stunden und Soll-Stunden ergibt den monatlichen Gleitzeitsaldo. Der Gleitzeitsaldo darf zu keinem Zeitpunkt auf mehr als plus/ minus 20 Stunden anwachsen. Der Mitarbeiter hat hierauf selbst zu achten. Gleitstunden von bis zu plus/minus 20 Stunden können in den Folgemonat übertragen werden. Das Gleitzeitkonto wird am Monatsende automatisch auf 20 Stunden zurückgesetzt. Weiter gehende Zeitschulden führen zu einem entsprechenden Entgeltabzug im Folgemonat. Verbliebene Guthaben werden gestrichen. Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung des Vorgesetzten zulässig.7 9.2 Jeder Mitarbeiter kann über zwei halbe Gleitzeittage pro Monat verfügen, um den Zeitausgleich durchzuführen.8 9.3 Bei Ausscheiden eines Mitarbeiters hat dieser bis zum Tage seines Ausscheidens sein Gleitzeitkonto auszugleichen. Ist dies nicht möglich, werden restliche Zeitguthaben ausgezahlt. Eine Zeitschuld führt zu einem entsprechenden Entgeltabzug. 10. Überstunden9 10.1 Die Gleitzeit ist von den Überstunden streng zu trennen. Die im Gleitzeitverfahren auszugleichenden Arbeitszeiten gelten grundsätzlich nicht als vergütungsberechtigte Überstunden. Als Überstunden gilt jede Arbeitsstunde, die der Vorgesetzte als Überstunde angeordnet hat.10 10.2 Jeder Mitarbeiter ist im Rahmen der betrieblichen Notwendigkeit verpflichtet, im rechtlich zulässigen Umfang Überstundenarbeit, in Ausnahmefällen auch Feiertags-, Sonntags- und Nachtarbeit zu leisten.11 10.3 Vergütungspflichtige Überstunden können nur auf Anordnung der Vorgesetzten entstehen. Die Vorgesetzten sind berechtigt, aus betrieblichen Gründen, insbesondere bei Personalausfall, außergewöhnlichem Arbeitsanfall oder dringenden termingebundenen Kundenaufträgen Überstunden anzuordnen. Bei der Anordnung sind die privaten Belange der Mitarbeiter angemessen zu berücksichtigen.

7 Diese Kappung der Zeitguthaben oder Zeitschulden ist nicht zwingend notwendig. Hier ist eine Regelung zu treffen, die den betrieblichen Bedürfnissen entspricht. Zu berücksichtigen sind in erster Linie der Umfang des Flexibilisierungsbedarfes und auch die Übersichtlichkeit in der Handhabung des Arbeitszeitmodells. Ist die Übertragung von Zeitguthaben nicht eingeschränkt, muss sichergestellt werden, dass die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes beachtet werden und in einem Zeitraum von sechs Monaten eine durchschnittliche Arbeitszeit von wöchentlich 48 Stunden nicht überschritten wird, § 3 ArbZG. 8 Auch hier sind weitergehende Gestaltungsspielräume denkbar. Dabei ist zu bedenken, ob zB der Zeitausgleich an mehreren aufeinander folgenden Arbeitstagen von anderen Mitarbeitern der Abteilung aufgefangen werden kann. 9 Das Überschreiten einer Jahresarbeitszeit ist nicht gleich bedeutend mit einer vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, BAG v. 11.12.2001 – 1 ABR 3/01, DB 2002, 2003. 10 Denkbar ist auch, als Überstunden nur solche Stunden zu bezeichnen, die außerhalb der Bandbreite liegen. Dann hat der Arbeitgeber aber keine Möglichkeit, innerhalb der Bandbreite bei Bedarf einen Mitarbeiter außerhalb der Kernzeit zur Arbeitsleistung zu verpflichten. 11 Wichtig: Die Verpflichtung der Mitarbeiter besteht nur, soweit schon der Arbeitsvertrag sie ausdrücklich zur Leistung von Überstunden verpflichtet oder Änderungen des Arbeitsvertrages durch Betriebsvereinbarung auch zu ihrem Nachteil zulässt.

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10.4 Der Betriebsrat wird in jedem Fall dafür Sorge tragen, im Interesse der Betriebsangehörigen möglichst kurzfristig sein Mitbestimmungsrecht auszuüben. 10.5 In Notfällen, insbesondere wenn zB – dem Unternehmen wirtschaftliche Schäden drohen, – einem Kunden wirtschaftliche Schäden drohen, – Regressansprüche eines Kunden gegen das Unternehmen zu befürchten sind, – der Verlust eines Auftrages droht, – zu befürchten ist, dass ein Auftrag nicht erteilt werden wird, ist der Betriebsrat mit der sofortigen Anordnung von Überstunden einverstanden.12 Der Betriebsrat ist unter diesen Umständen unverzüglich zu unterrichten, und das Unternehmen wird für die Unterrichtung der Angehörigen und ggf. für den Heimtransport der Mitarbeiter sorgen.13 11. Ausgleich von Überstunden 11.1 Überstunden werden vergütet oder in Freizeit ausgeglichen. Die Vergütung bzw. der Freizeitausgleich setzen die Anordnung oder nachträgliche Genehmigung der Überstunden voraus. 11.2 Der Mitarbeiter kann an Stelle von Überstundenvergütung die bezahlte Freistellung von der Arbeit verlangen. Er schlägt seinem zuständigen Vorgesetzten einen Freistellungstermin vor. 11.3 Die Vergütung von Überstunden errechnet sich aus der vereinbarten monatlichen Vergütung pro Soll-Arbeitsstunde im Monat.14 12. Ganztägige Abwesenheiten Bei ganztägigen Abwesenheiten durch Urlaub, Krankheit, an Wochenfeiertagen und bei Dienstreisen usw. wird von der täglichen Soll-Arbeitszeit ausgegangen. 13. Zeiterfassung15 Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie Beginn und Ende der Pausenzeiten verzeichnet der Arbeitnehmer im elektronischen Arbeitszeiterfassungssystem des Betriebes. Überstunden werden gesondert erfasst. 12 Eine solche Vereinbarung kann auch für mehrere Jahre unkündbar getroffen werden. Sie ist auch wirksam, wenn nicht Fallgruppen der Überstundenanordnung, sondern nur Umfang und Verteilung der Überstunden geregelt sind, BAG v. 3.6.2003 – 1 AZR 349/02, BB 2003, 2132. 13 Ob in Notfällen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auch ganz entfallen kann, hat das BAG zunächst offen gelassen (v. 13.7.1977 – 1 AZR 336/75, BB 1977, 1702). Deshalb empfiehlt es sich vorsorglich, in diesen Fällen vorab die Zustimmung des Betriebsrates zu regeln. Darin liegt kein unzulässiger Verzicht auf Mitbestimmungsrechte (BAG v. 2.3.1982 – 1 ABR 74/79, BB 1982, 1236; v. 21.12.1982 – 1 ABR 14/81, BB 1983, 503). Allerdings lässt die neuere Rechtsprechung (BAG v. 17.11.1998 – 1 ABR 12/98, NZA 1999, 662) die einseitige Anordnung nur in außergewöhnlichen Fällen zu. 14 Hier ist zu prüfen, ob ein einschlägiger Tarifvertrag eine bestimmte Vergütung, insbesondere Zuschläge vorgibt. Zur arbeitsvertraglichen Vereinbarung von Zuschlägen s. Kap. 12. 15 Zur sog. Vertrauensarbeitszeit vgl. M 35.2 Ziff. 6.

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M 35.4

Betriebsvereinbarung zu Überstunden

1. Definition Überstunden iSd. Betriebsvereinbarung sind Arbeitsstunden, die über die tarifliche/ vereinbarte tägliche Arbeitszeit hinausgehend angeordnet sind.1 oder Überstunden iSd. Betriebsvereinbarung sind Arbeitsstunden, die über die durchschnittliche regelmäßige vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehend angeordnet sind.2 2. Geltungsbereich Diese Betriebsvereinbarung gilt für die Arbeitnehmer folgender Abteilungen des Betriebes: . . . 3. Verfahren Geplante Überstunden beantragt der jeweilige Abteilungsleiter bei der Personalabteilung. Im Antrag nennt er stichwortartig die betriebliche Notwendigkeit und den voraussichtlichen Zeitraum der geplanten Überstunden. Die Personalabteilung holt die Zustimmung des Betriebsrates ein. 4. Verfahren in Eilfällen Bei kurzfristig erforderlicher (nicht vorhersehbarer) Mehrarbeit holt der zuständige Abteilungsleiter telefonisch bei der Personalabteilung und dem Betriebsrat eine Vorabgenehmigung ein. Der entsprechende Antrag ist unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Werktagen nachzureichen. 5. Notfälle In Notfällen, insbesondere wenn zB – dem Unternehmen wirtschaftliche Schäden drohen, – einem Kunden wirtschaftliche Schäden drohen, – Regressansprüche eines Kunden gegen das Unternehmen zu befürchten sind, – der Verlust eines Auftrages droht, – zu befürchten ist, dass ein Auftrag nicht erteilt werden kann, ist der Betriebsrat mit der sofortigen Anordnung von Überstunden einverstanden.3 Der zuständige Abteilungsleiter unterrichtet den Betriebsrat und die Personalabteilung unter diesen Umständen unverzüglich. 1 Zum gesetzlichen Begriff der vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vgl. BAG v. 24.4.2007 – 1 ABR 47/06, NZA 2007, 818. 2 Definition bei flexibler Verteilung der Arbeitszeit. In diesem Fall empfiehlt sich allerdings eine Überstunden-Regelung unmittelbar in der Betriebsvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit, da die Regelungen aufeinander abgestimmt sein müssen. 3 Die Ermächtigung zur einseitigen Überstunden-Anordnung durch den Arbeitgeber lässt die Rechtsprechung in außergewöhnlichen Fällen zu, vgl. BAG v. 17.11.1998 – 1 ABR 12/98, NZA 1999, 662. Die Betriebsvereinbarung muss nicht die Voraussetzungen der Überstundenver-

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6. Ausgleich der Überstunden Überstunden werden vergütet oder in Freizeit ausgeglichen. Vergütung und Freizeitausgleich setzen die Anordnung nach Ziff. 3 oder die nachträgliche Genehmigung der Überstunden nach Ziff. 4 voraus. Der Mitarbeiter erklärt bis spätestens zum 15. des Folgemonats, ob er sich für die Vergütung der Überstunden oder den Zeitausgleich entscheidet. 6.1 Entscheidet sich der Mitarbeiter für den Freizeitausgleich, ist dieser innerhalb von . . . Monaten durchzuführen. Hierzu schlägt der Mitarbeiter seinem Vorgesetzten einen Freistellungstermin vor, dem der Vorgesetzte aus betrieblichen Gründen widersprechen kann. Entscheidet sich der Mitarbeiter für den Zeitausgleich, werden die Überstunden seinem Zeitkonto/Gleitzeitsaldo gutgeschrieben.4 6.2 Entscheidet sich der Mitarbeiter für die Vergütung, werden die Überstunden im Folgemonat mit der anteiligen Monatsvergütung pro Arbeitsstunde zuzüglich tariflicher Überstundenzuschläge abgerechnet. ordnung regeln. Sie kann stattdessen das einseitige Anordnungsrecht des Arbeitgebers durch Regelungen zu Verteilung und Umfang der Überstunden begrenzen, BAG v. 3.6.2003 – 1 AZR 349/02, DB 2004, 385. 4 Diese Regelung setzt die Abstimmung mit einem flexiblen Arbeitszeitmodell/Gleitzeitmodell voraus.

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Betriebsvereinbarung zu Kurzarbeit1 1. Gegenstand

Auf Grund der . . .-krise verfügt das Unternehmen derzeit über praktisch keine Fertigungsaufträge mehr. Eine durchgreifende Verbesserung der Auftragslage ist kurzfristig nicht absehbar. Um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, ist deshalb die Einführung von Kurzarbeit erforderlich. Die Kurzarbeit wird dergestalt eingeführt, dass für die betroffenen Mitarbeiter bzw. Abteilungen die Arbeitszeit auf null reduziert wird. Die dieser Betriebsvereinbarung beigefügte Anlage 1, in der die einzelnen betroffenen Mitarbeiter2 bzw. Abteilungen mit dem jeweiligen Beginn der Kurzarbeit aufgeführt sind, ist Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung.3

1 Hier wird die Einführung der Kurzarbeit geregelt. Ihre Einführung erfordert eine normative oder vertragliche Grundlage, BAG v. 10.10.2006 – 1 AZR 811/05, NZA 2007, 637. 2 Str., ob formlose Absprache der Betriebsparteien zur personellen Festlegung genügt, s. dazu LAG Sachsen v. 31.7.2002 – 2 Sa 910/01, NZA-RR 2003, 367. 3 Zu prüfen ist, ob tarifvertragliche Regelungen die Anordnung von Kurzarbeit gestatten. Falls nicht, muss die Betriebsvereinbarung Lage und Verteilung sowie Umfang der Kurzarbeit und Kreis der Betroffenen regeln und darf dies nicht dem Arbeitgeber einseitig oder einer formlosen Absprache der Betriebsparteien überlassen.

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2. Information des Betriebsrats Der Arbeitgeber informiert den Betriebsrat wöchentlich über die Entwicklung des Auftragsbestandes umfassend anhand von Unterlagen. Er stimmt eine Unterbrechung oder vorzeitige Beendigung der Kurzarbeit rechtzeitig mit dem Betriebsrat ab. 3. Zahlung von Kurzarbeitergeld Die Geschäftsleitung stellt unverzüglich bei der zuständigen Agentur für Arbeit die erforderlichen Anträge zur Gewährung von Kurzarbeitergeld. Das Kurzarbeitergeld wird vom Betrieb bei der üblichen Lohnabrechnung im Folgemonat abgerechnet. Sollte die Agentur für Arbeit die Zahlung von Kurzarbeitergeld aus einem vom Betrieb zu vertretenden Grund ablehnen, ist die volle Vergütung/alternativ: die Vergütung in Höhe des (fiktiven) Kurzarbeitergeldes für die Kurzarbeitszeit zu zahlen.4 Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen, Lohn- und Gehaltsfortzahlungen im Krankheitsfall, entschädigungspflichtige Arbeitsverhinderungen sowie das Entgelt an gesetzlichen Feiertagen während der Kurzarbeitsphase werden so berechnet, als wäre normal gearbeitet worden. 4. Überstunden Während der Kurzarbeitsphase werden Überstunden nur in dringenden Ausnahmefällen genehmigt. Diese bedürfen in jedem Fall der vorherigen Zustimmung des Betriebsrates. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 87 BetrVG bleiben im Übrigen unberührt. 5. Auswärtsvergaben/Beschäftigungssicherung5 Während der Kurzarbeitsperiode werden keine zusätzlichen Aufträge nach außen vergeben, sofern diese Aufträge im Werk ausgeführt werden können. Unter Auswärtsvergaben sind auch Aufträge an verbundene Unternehmen zu verstehen. 6. Urlaub6 Den von der Kurzarbeit betroffenen Mitarbeitern ist für die vereinbarten Kurzarbeitstage Urlaub zu gewähren, sofern sie dies spätestens einen Monat vorher beim jeweiligen Vorgesetzten beantragen und die Personalabteilung dem Urlaubsantrag zustimmt. Bei Einverständnis des Mitarbeiters, des Vorgesetzten und der Personalabteilung können die Antragsfristen verkürzt werden. Arbeitnehmer, denen vor Abschluss dieser Betriebsvereinbarung Urlaub gewährt wurde, sind für die Dauer des gewährten Urlaubs von der Kurzarbeit ausgenommen.7 4 Nach BAG v. 11.7.1990 – 5 AZR 557/89, DB 1991, 392, trägt der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko und schuldet Vergütung in Höhe des Kurzarbeitergeldes. 5 Häufig wird außerdem ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen geregelt. Beruhen Kündigungen auf einem eigenständigen Grund (zB der Stilllegung einer Maschine), sind sie auch während der Kurzarbeit zulässig, BAG v. 26.6.1997 – 2 AZR 494/96, DB 1997, 2079. 6 Zu Urlaub, der vor der Vereinbarung von Kurzarbeit bereits bewilligt war, vgl. Walker, SAE 2010, 70. 7 BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 164/08, SAE 2010, 73.

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Kap. 35

7. Kontakt mit der Agentur für Arbeit Der Betriebsrat nimmt mit zwei Mitgliedern an allen Gesprächen der Geschäftsleitung mit der Agentur für Arbeit teil. Der Betriebsrat erhält von allen Unterlagen und Mitteilungen im Zusammenhang mit der Arbeitsagentur eine Kopie. 8. Veränderung der Kurzarbeitsperiode Sollte sich die Auftragslage überraschend verbessern, kann die Kurzarbeit kurzzeitig beendet werden.8 Besteht die Notwendigkeit, die Kurzarbeit über den vereinbarten Zeitraum hinaus zu verlängern, ist mit dem Betriebsrat vorher eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen und dies den Mitarbeitern unverzüglich bekannt zu geben. Sollte in Eil- oder Notfällen oder aus sonstigen produktionstechnischen Gründen, zB für die Erledigung fristgebundener Aufträge, eine Änderung der vereinbarten Kurzarbeitslage erforderlich werden, bedarf dies der vorherigen Zustimmung des Betriebsrates. 9. Geltungsdauer Diese Betriebsvereinbarung gilt zunächst befristet bis zum . . . Die Wirkung dieser Betriebsvereinbarung endet mit Ablauf der Kurzarbeitsperiode und der Abwicklung der sich aus der Betriebsvereinbarung ergebenden Verpflichtungen. Sollten sich Betriebsrat und Geschäftsleitung auf eine Verlängerung des Kurzarbeitszeitraumes einigen, bleibt die Betriebsvereinbarung für den Verlängerungszeitraum in Kraft. 8 Wird die Kurzarbeit wegen einer Verbesserung der Auftragslage abgebaut und auf die betriebsübliche Arbeitszeit zurückgeführt, steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nicht zu (BAG v. 21.11.1978 – 1 ABR 67/76, BB 1979, 576).

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Betriebliche1 Arbeitszeitvereinbarung Präambel

Betriebsrat und Geschäftsleitung stellen übereinstimmend fest, dass der internationale Wettbewerb den Kostendruck im Unternehmen erhöht und damit die Arbeitsplätze im Unternehmen gefährdet. Die Arbeitsplätze im Betrieb sollen mit dieser Vereinbarung erhalten und gesichert werden. Vor diesem Hintergrund schließen der Betriebsrat und die Geschäftsleitung folgende

1 In der betrieblichen Praxis werden immer häufiger höhere Wochenarbeitszeiten vereinbart, als die jeweils geltenden Tarifverträge zulassen. Betriebsvereinbarungen dieses Inhalts sind we-

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Regelungsabrede 1. Die . . . GmbH bietet Mitarbeitern an, an Stelle der bisherigen Arbeitsbedingungen folgende geänderte Arbeitsbedingungen zu wählen:2 (1) Das Urlaubsgeld beträgt 50 % des monatlichen Arbeitsentgeltes ohne Überstunden, Zulagen, Zuschläge etc. (2) Das Weihnachtsgeld beträgt 55 % des monatlichen Arbeitsentgeltes ohne Überstunden, Zulagen, Zuschläge etc. (3) Das Urlaubsgeld wird in dem Monat ausgezahlt, in dem die Betriebsferien stattfinden, ansonsten in dem Monat, der auf den Urlaubsmonat folgt. Das Weihnachtsgeld wird mit dem November-Lohn/Gehalt ausbezahlt. (4) Der Urlaubsanspruch eines jeden Mitarbeiters beträgt 30 Tage pro Jahr. Im Austrittsjahr wird der Urlaubsanspruch gezwölftelt. (5) Bei Bedarf leistet der Mitarbeiter 20 Überstunden monatlich ohne Zuschläge. Über diesen Sockel hinausgehende Überstunden werden mit 25 % Zuschlag bezahlt. Ein Ausgleich der geleisteten Überstunden durch Freizeit ist zulässig, bedarf jedoch der vorherigen Absprache mit dem Vorgesetzten. (6) Weitere Zulagen und Zuschläge etc. werden nicht bezahlt. (7) Die Einführung von Kurzarbeit ist zulässig. (8) Die wöchentliche Regelarbeitszeit beträgt 40 Stunden. Arbeitsbeginn und -ende sowie die Verteilung der Pausen werden in einer gesonderten Betriebsvereinbarung geregelt. (9) Die vorstehenden Regelungen ersetzen bestehende Regelungen derselben Gegenstände. Im Übrigen gelten die bestehenden Arbeitsbedingungen fort. 2. Betriebsrat und Geschäftsleitung sind sich einig, dass die angebotenen Arbeitsbedingungen eine einheitliche Regelung3 darstellen. Die Arbeitnehmer können diese Bedingungen nur einheitlich ablehnen oder annehmen. Ist eine Teilregelung unwirksam, wird dadurch die gesamte Vereinbarung nach Ziff. 1 unwirksam. gen der sog. Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam, soweit die Dauer der Wochenarbeitszeit üblicherweise tariflich geregelt ist. Einzelvertraglich ist die Vereinbarung tarifwidriger Arbeitszeiten wegen des Günstigkeitsprinzips, § 4 Abs. 3 TVG wirkungslos, soweit im einzelnen Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag unmittelbar und zwingend gilt. Ist dies nicht der Fall, ist die vertragliche Vereinbarung höherer Wochenarbeitszeiten zulässig. Die Regelungsabrede kann den Rahmen für betriebsweite einzelvertragliche Änderungsvereinbarungen mit den nicht-tarifgebundenen Mitarbeitern bilden. 2 Steht dem Mitarbeiter ein Wahlrecht zwischen den tariflichen und den angebotenen Arbeitsbedingungen zu und wählt er die angebotenen Arbeitsbedingungen, spricht dies unseres Erachtens für deren Günstigkeit (§ 4 Abs. 3 TVG) im Verhältnis zu unmittelbar und zwingend geltenden tariflichen Bedingungen in den Arbeitsverhältnissen der gewerkschaftlich Organisierten, s. dazu aber BAG v. 20.4.1999 – 1 ABR 72/98, NZA 1999, 887 (sog. Burda-Beschluss). 3 Fehlt diese Vereinbarung, könnten Mitarbeiter sich ggf. auf die Unwirksamkeit einzelner Bedingungen (zB tarifwidrige Arbeitszeitvereinbarungen) berufen und im Übrigen die Vorteile in Anspruch nehmen.

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 35

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Einstweilige Verfügung wegen Unterlassung von Überstunden ohne Zustimmung des Betriebsrats1, 2 In dem Beschlussverfahren3 mit den Beteiligten (Betriebsrat ./. Arbeitgeber, volles Rubrum)

vertreten wir den Antragsteller.4 Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen wegen der Dringlichkeit des Falles ohne mündliche Anhörung der Beteiligten durch den Vorsitzenden allein im Wege der einstweiligen Verfügung:5 1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, Überstunden ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats anzuordnen oder zu dulden, soweit nicht ein Notfall vorliegt, es sich um leitende Angestellte han1 Im Rahmen der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 BetrVG ist seit der Entscheidung des BAG v. 3.5.1994 (ZIP 1995, 146 mit kritischer Anmerkung Bauer/Diller, ZIP 1995, 95) anerkannt, dass der Betriebsrat einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gegen mitbestimmungswidrig durchgeführte Maßnahmen hat. Für den allgemeinen Unterlassungsanspruch im Bereich der sozialen Angelegenheiten ist (anders als bei § 23 Abs. 3 BetrVG) kein grober Verstoß erforderlich (s. im Einzelnen M 32.8). Der allgemeine Unterlassungsanspruch ist auch deswegen eine scharfe Waffe, weil er regelmäßig per einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden kann. Die Eilbedürftigkeit ergibt sich daraus, dass eine Entscheidung im normalen Beschlussverfahren Monate dauern würde und deshalb ein endgültiger Verlust der Mitbestimmungsrechte droht (statt aller BAG v. 18.4.1985, AP Nr. 5 zu § 23 BetrVG; LAG Düsseldorf v. 16.5.1990, NZA 1991, 29). Der Verfügungsanspruch ist nicht das Beteiligungsrecht des Betriebsrats als solches, sondern der Unterlassungsanspruch. 2 Problematisch ist, dass es sich bei der Unterlassungsverfügung regelmäßig um eine Befriedigungsverfügung handelt, die entgegen dem an und für sich gebotenen vorläufigen Charakter des einstweiligen Rechtsschutzes die Angelegenheit endgültig klärt. Deshalb sind grundsätzlich hohe Anforderungen an Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund zu stellen. Ist ernstlich zweifelhaft, ob der Verfügungsanspruch besteht (also ob eine Angelegenheit tatsächlich mitbestimmungspflichtig ist), darf eine Befriedigungsverfügung nicht ergehen. Erforderlich ist also eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Verfügungsanspruch besteht (LAG BW v. 7.11.1989, NZA 1990, 286; LAG München v. 26.8.1992, LAGE § 23 BetrVG Nr. 29). Des Weiteren ist nach richtiger Auffassung eine Interessenabwägung vorzunehmen. Eine Befriedigungsverfügung, die dem Arbeitgeber erhebliche Nachteile bringt, darf nur ergehen, wenn dem Betriebsrat und/oder der Belegschaft bei Unterbleiben der einstweiligen Verfügung wesentliche Nachteile drohen (Prütting, RdA 1995, 263). Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber möglicherweise gegen § 87 BetrVG verstößt, reicht also nicht. Im Einzelnen ist streitig, ob es bei der Interessenabwägung auf die Interessen des Betriebsrats oder die Interessen der Arbeitnehmer ankommt (ausführlich: Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 311c mzN). Die Problematik zeigt sich insbesondere, wenn der Betriebsrat die Untersagung von Überstunden begehrt, die die Arbeitnehmer freiwillig leisten wollen und für die erhebliche Zuschläge gezahlt werden sollen. Dogmatisch richtig ist wohl, auf die Interessen des Betriebsrats abzustellen. Gleichwohl sollte nicht außer Acht bleiben, ob daneben auch Interessen der Belegschaft berührt sind. Wichtig: Aus der Rechtsnatur der einstweiligen Verfügung als Sicherungsinstrument folgt, dass nur der für den Arbeitgeber schonendste Eingriff verlangt werden kann, der zur Sicherung der Mitbestimmungsrechte gerade noch ausreicht (ausführlich Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 312a). 3 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren M 104.1. 4 Antragsbefugt ist nur der Betriebsrat, also weder der einzelne Arbeitnehmer noch (anders als bei § 23 Abs. 3 BetrVG) eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. 5 Zur einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren allgemein s. M 107.5.

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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delt, keine kollektive Maßnahme vorliegt oder es um arbeitskampfbezogene Überstunden geht.6, 7 2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziff. 1 wird der Antragsgegnerin pro Tag und pro betroffenem Arbeitnehmer ein Ordnungsgeld angedroht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.8, 9 3. Hilfsweise: Die unter 1. und 2. beantragte einstweilige Verfügung nach Anhörung der Beteiligten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Die Antragsgegnerin missachtet konsequent das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Anordnung von Überstunden. Insbesondere hat die Antragsgegnerin unter Verletzung der Mitbestimmungsrechte an den Samstagen des . . ., . . . und . . . 6 Das Hauptproblem bei der Geltendmachung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs ist das Problem des sog. „Globalantrags“. Unter einem Globalantrag versteht man einen weit gefassten Leistungs- oder (meistens) Unterlassungsantrag, der eine Vielzahl verschiedener Fallgestaltungen erfasst. Ein typischer Globalantrag ist etwa der Antrag, den Arbeitgeber pauschal „zur Unterlassung von Überstunden ohne Zustimmung des Betriebsrats“ zu verpflichten. Von einem derart weit gefassten Antrag sind beispielsweise auch Überstunden in Notund Eilfällen, Überstunden von leitenden Angestellten, Überstunden nach Zustimmung der Einigungsstelle etc. erfasst. Die Rechtsprechung (zB BAG v. 10.3.1992, AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG Regelungsabrede) hält solche Globalanträge durchaus für zulässig. Das Problem liegt auf der Ebene der Begründetheit. Nach der Rechtsprechung soll der Antrag schon dann unbegründet sein, wenn aus der Vielzahl der in Betracht kommenden Fallkonstellationen auch nur eine einzelne Konstellation existiert, in der das geltend gemachte Recht nicht besteht. Dann sei der Antrag insgesamt abzuweisen (BAG v. 10.6.1986, AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG Arbeitszeit). Es komme nicht in Betracht, aus dem Globalantrag diejenigen Fallkonstellationen herauszulösen, in denen der Unterlassungsanspruch materiellrechtlich besteht, und dann unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen die Unterlassungsverpflichtung für die in Betracht kommenden Fallgestaltungen auszusprechen. Es ist nicht zu verkennen, dass diese Rechtsprechung die korrekte Antragstellung außerordentlich erschwert (kritisch zB Fiebig, NZA 1993, 58). Auf die Pflicht des Arbeitsgerichts, auf sachgerechte Anträge hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 ZPO), kann sich der Betriebsratsanwalt erfahrungsgemäß kaum verlassen. Praxistipp: Es bleibt also nur (wie im vorliegenden Muster), akribisch alle denkbaren Varianten zu ermitteln, in denen ein Mitbestimmungsrecht ausnahmsweise ausscheidet, und diese im Antrag ausdrücklich auszuklammern. Eine andere Alternative ist, auf den Globalantrag ganz zu verzichten und im Wege der Antragshäufung mit einer Fülle gestaffelter punktueller Anträge zu arbeiten (ausführlich zur Problematik auch Matthes, DB 1984, 453 ff.). 7 Umstritten ist, ob wegen der Einstweiligkeit des Rechtsschutzes der gestellte Antrag zeitlich zu begrenzen ist, etwa auf vier bis acht Wochen. In der Praxis werden regelmäßig zeitlich unbefristete Unterlassungsanträge gestellt. Das ist aus anwaltlicher Sicht auch taktisch richtig, da das Gericht bei Bedenken wegen der zeitlichen Unbefristetheit des Antrags den Antrag nicht insgesamt zurückweisen darf, sondern als Minus zeitlich beschränken muss. 8 Die Zwangsmittelandrohung nach § 890 ZPO kann nach allgemeiner Ansicht (statt aller Zöller/ Stöber, § 890 ZPO Rz. 12a) mit dem Antrag im Erkenntnisverfahren verbunden werden. 9 Der besondere Unterlassungsanspruch nach § 23 BetrVG, der grobes Verschulden des Arbeitgebers voraussetzt, begrenzt das mögliche Ordnungsgeld auf Euro 10 000,– und sieht keine Ordnungshaft vor. Es ist deshalb anerkannt, dass zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die Ordnungsmittel zur Durchsetzung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs nicht strenger sein dürfen (BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 71/09, NZA 2011, 174). Das schließt die Verhängung von Ordnungshaft ebenso aus wie ein Euro 10 000,– übersteigendes Ordnungsgeld.

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 35

jeweils ca. 50 Arbeitnehmer im Rahmen einer Sonderschicht Überstunden machen lassen. Zur Glaubhaftmachung: Zeugnis des Personalleiters . . ., zu laden über die Antragsgegnerin Der Antragsteller hat mehrfach schriftlich dagegen protestiert, dass Überstunden angeordnet werden, ohne dass vorher sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG beachtet wird. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des Antragstellers an die Antragsgegnerin vom . . ., . . . und . . ., Anlagen AS 1 bis AS 3 Die Aufforderungen haben jedoch nichts gefruchtet, so dass die Einleitung eines Beschlussverfahrens erforderlich ist. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist geboten, da davon auszugehen ist, dass die Antragsgegnerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im ordentlichen Verfahren die Mitbestimmungsrechte des Antragstellers weiter verletzen würde.10, 11 Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des Vorsitzenden des Antragstellers, Anlage AS 1 ... (Unterschrift)12 10 Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist regelmäßig die Wiederholungsgefahr (BAG v. 27.11.1990, NZA 1991, 382). Im Regelfall muss also vorgetragen werden, dass bereits Verstöße vorgekommen sind und weitere Verstöße drohen. Allerdings reicht nach herrschender Auffassung auch eine Erstbegehungsgefahr (zB Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 23 BetrVG Rz. 209), zumindest wenn es sich um einen unmittelbar drohenden schwerwiegenden Verstoß handelt. Die bloß fern liegende Möglichkeit, der Arbeitgeber könne mitbestimmungspflichtige Maßnahmen einseitig durchführen, reicht dabei allerdings nicht. Vielmehr muss der Verstoß „unmittelbar vor der Tür stehen“ (BAG v. 25.2.1997, NZA 1997, 955; ausführlich Baur, ZfA 1997, 445). 11 Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG möglich. 12 Der Streitwert wird üblicherweise nach der Bedeutung der streitigen Mitbestimmungsangelegenheit festgesetzt. Soweit es um Überstunden geht, wird meist mit dem Hilfswert nach § 23 Abs. 3 RVG von Euro 4 000,– gearbeitet. Geht es aber beispielsweise um die Unterlassung wirtschaftlich bedeutenderer Angelegenheiten wie die Installation eines unternehmensweiten EDV-Systems (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, s. M 37.7) oder eine groß angelegte Verrechnung von Tariferhöhungen mit betrieblicher Zulage (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG), können erheblich höhere Gegenstandswerte festgesetzt werden (zB LAG Köln v. 31.10.2006, NZA-RR 2007, 152: Euro 12 000,– bei insgesamt 18 Verstößen gegen eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit).

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Kapitel 36

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Literaturübersicht: Annuß, Arbeitsrechtliche Aspekte von Zielvereinbarungen in der Praxis, NZA 2007, 290; Gaul, Rechtsprobleme der Akkordentlohnung, BB 1990, 1549; Hase, Variable Vergütung, AiB 2006, 749; Heinze, Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei Provisionsentlohnung, NZA 1986, 1; Hromadka, Übertarifliche Zulagen mitbestimmungspflichtig?, DB 1986, 1921; Joost, Betriebliche Mitbestimmung bei der Lohngestaltung im System von Tarifautonomie und Privatautonomie, ZfA 1993, 257; Kraft, Die betriebliche Lohngestaltung im Spannungsfeld von Tarifautonomie, betrieblicher Mitbestimmung und Vertragsfreiheit, FS Karl Molitor, 1988, S. 207; Lieb, Die Mitbestimmung beim Prämienlohn, ZfA 1988, 413; Löwisch, Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Gehaltsfestsetzung für Angestellte nach Arbeitsplatzrangfolge und Leistungsbeurteilung, DB 1973, 1746; Löwisch, Rückzahlungs- und Bestandsklauseln in Betriebsvereinbarungen, NZA 2013, 549; Matthes, Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Mitbestimmung in Entgeltfragen, NZA 1987, 289; Otto/Walker, Entgeltflexibilisierung als Weg aus der Krise, BB 2010, 373; Pauly, Zu Umfang und Grenzen des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG im Bereich der betrieblichen Altersversorgung, DB 1985, 43; Plander, Zustandekommen, Wirksamkeit und Rechtsfolgen arbeitsrechtlicher Zielvereinbarungen, ZTR 2002, 155 und 402; Reichold, Entgeltmitbestimmung als Gleichbehandlungsproblem, RdA 1995, 1417; Richardi, Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Regelung des Arbeitsentgelts, ZfA 1976, 1; Richardi, Der Große Senat des BAG zur Mitbestimmung bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über- und außertarifliche Zulagen, NZA 1992, 961; Rumpff, Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Entgeltfragen, insbesondere beim Leistungslohn, nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1972, ArbuR 1972, 65; Schoof, Neue Vergütungssysteme-Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, AiB 2006, 591; Schrader/Müller, flexible Vergütungsvereinbarungen, RdA 2007, 145; Schüren, Mitbestimmung bei der automatischen Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf überbetriebliche Zulagen, RdA 1991, 139; Stege, Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Anrechnung übertariflicher Zulagen auf die Tariflohnerhöhung, DB 1991, 2386; Thüsing, Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Ausgestaltung freiwilliger Jahressonderzahlungen, DB 1997, 1130; Thüsing/Mengel, Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen und Entgelt, 2005; Willemsen/Jansen, Die Befristung von Entgeltbestandteilen als Alternative zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten, RdA 2010, 1.

I. Einführung 1. Umfang der Mitbestimmung S. auch Einf. Kap. 35 Rz. 1–4. 1

Die betriebliche Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates. Das Mitbestimmungsrecht erlaubt dem Betriebsrat, Einfluss auf die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit zu nehmen.1 Sämtliche Leistungen, die als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gewährt werden, unterliegen dieser Mitbestimmungspflicht. Ausgenommen von der Mitbestimmung des Betriebsrates ist die Lohnhöhe. Eine Sonderregelung trifft § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG. Nach dieser Vorschrift ist die Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte einschließlich der Geldfaktoren mitbestim1 BAG GS v. 3.12.1991 – GS 2/90, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung.

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 36

mungspflichtig. Nur soweit es sich um ein mit Akkord oder Prämien vergleichbares leistungsbezogenes Entgelt handelt, bestimmt der Betriebsrat über den Geldfaktor und damit über die Höhe der Leistung mit. Ein mit Akkord und Prämien vergleichbares Entgelt liegt vor, wenn die Leistung des Arbeitnehmers gemessen wird, diese Leistung mit einer vorgegebenen Bezugsleistung verglichen wird und sich das Entgelt des Arbeitnehmers nach dem Verhältnis der Leistung zur Bezugsleistung bemisst.2 Nach diesen Kriterien ist eine reine Abschlussprovision kein mit Akkord- oder Prämienleistungen vergleichbares Entgelt.3 Werden also neben dem Grundgehalt Vergütungsbestandteile gewährt, die an die Leistung des Arbeitnehmers anknüpfen, ist zu prüfen, welchem der Mitbestimmungstatbestände die Leistung zuzuordnen ist. Nur wenn die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG erfüllt sind, erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auf die Geldfaktoren. Andernfalls bestimmt der Betriebsrat über das Verhältnis von Festgehalt zu variablen Einkommensbestandteilen, das Verhältnis verschiedener variabler Bestandteile untereinander, dh. die Gestaltung des Leistungssystems mit.4 Mitbestimmungspflichtig ist auch die Änderung der Strukturformen des Entgelts.5 Verletzt der Arbeitgeber bei der Änderung einer betrieblichen Vergütungsordnung die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, gilt die bestehende Vergütungsordnung weiter, ggf. auch für neu eintretende Mitarbeiter.6

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2. Kollektiver Tatbestand Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates setzt immer einen sog. kollektiven Tatbestand voraus. Individuelle Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterliegen nicht der Mitbestimmung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitgeber beliebig die mitbestimmungspflichtige Gestaltung für alle Arbeitnehmer durch die Summe von Einzelvereinbarungen mit den Arbeitnehmern ohne Mitbestimmung des Betriebsrates ersetzen kann.7 Ob ein kollektiver Tatbestand vorliegt, bestimmt sich danach, ob ein innerer Zusammenhang mit den Leistungen anderer Arbeitnehmer vorliegt oder nur die Umstände des einzelnen Arbeitnehmers eine Rolle spielen. In der Regel bietet die Zahl der von einer Vergütungsregelung betroffenen Arbeitnehmer jedenfalls ein Indiz für einen kollektiven Tatbestand.

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3. AT-Angestellte Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates erstreckt sich auch auf die Lohngestaltung für AT-Angestellte. Nur die leitenden Angestellten iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG sind von der Zuständigkeit des Betriebsrates ausgenommen. Legt der Arbeitgeber für ATAngestellte Gehaltsgruppen fest oder stellt er in anderer Form abstrakt-generelle Grundsätze zur Lohnfindung für AT-Angestellte auf, entscheidet er, AT-Gehälter linear oder nach abstrakten Kriterien zu erhöhen oder legt er ein jährliches Budget für Ge2 3 4 5 6 7

BAG v. 28.7.1981 – 1 ABR 56/78, BB 1982, 1050. BAG v. 13.3.1984 – 1 ABR 57/82, BB 1984, 2128. BAG v. 6.12.1988 – 1 ABR 44/87, BB 1989, 1822; v. 26.7.1988 – 1 AZR 156/87, BB 1988, 2385. BAG v. 29.1.2008 – 3 AZR 42/06; v. 26.8.2008 – 1 AZR 354/07, DB 2008, 2709. BAG v. 11.6.2002 – 1 AZR 390/01, ZIP 2002, 2327. BAG GS v. 3.12.1991 – GS 2/90, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung.

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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haltserhöhungen unter bestimmten Voraussetzungen fest,8 besteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Nicht mitbestimmungspflichtig ist auch hier die Lohnhöhe, dh. auch die Festlegung zB des Wertunterschiedes von der letzten Tarifgruppe zur ersten AT-Gehaltsgruppe.9

4. Freiwillige Zulagen 5

Mitbestimmungsfrei ist die Entscheidung des Arbeitgebers, ob und in welchem Umfang er zusätzlich zur Vergütung freiwillige Zulagen gewährt. Dies hindert jedoch nicht die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Gestaltung der Zulage und der Verteilung des Zulagenvolumens (sog. Dotierungsrahmen). Mitbestimmungsfrei kann der Arbeitgeber entscheiden, die freiwillige Zulage vollständig wieder einzustellen. Jede Änderung, die die Umverteilung des Zulagenvolumens und damit eine Änderung der Verteilungsgrundsätze bewirkt, ist dagegen mitbestimmungspflichtig.10 Entscheidungen zur Anrechnung von Tariferhöhungen auf Zulagen sind nur mitbestimmungspflichtig, wenn ein Gestaltungsspielraum verbleibt.11 Die Mitbestimmung des Betriebsrates erstreckt sich nicht auf die Entscheidung über die Zweckbestimmung der Leistung und damit auch nicht auf die Entscheidung über den Personenkreis, dem die Leistung zukommen soll.12 8 BAG v. 21.1.2003 – 1 ABR 5/02, DB 2004, 260. 9 BAG v. 21.8.1990 – 1 ABR 72/89, NZA 1991, 434. 10 BAG v. 11.8.1992 – 1 AZR 279/90, AP Nr. 53 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; v. 3.5.1994 – 1 ABR 24/93, AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972. 11 BAG v. 10.3.2009 – 1 AZR 55/08, DB 2009, 1471. 12 BAG v. 8.12.1981 – 1 ABR 55/79, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie.

II. Muster 36.1

u

Vergütung von AT-Angestellten

1. Geltungsbereich Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Angestellten des Betriebes,1 die vom persönlichen Geltungsbereich des Gehaltstarifvertrages der . . .-Branche nicht erfasst sind.2 2. Gehaltsgruppen Gehaltsgruppe I Angestellte mit Führungsaufgaben Leiter von Abteilungen mit mindestens . . . Mitarbeitern ... 1 Zuständig ist im Zweifel der örtliche Betriebsrat, nicht der Gesamtbetriebsrat, BAG v. 23.3.2010 – 1 ABR 82/08, NZA 2011, 642. 2 Auch mit dieser Vereinbarung kann nicht die Zuständigkeit des Betriebsrates für leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG begründet werden. Für sie gilt die Betriebsvereinbarung nicht.

1094 Bauer/Haußmann

M 36.1

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 36

Gehaltsgruppe II Mitarbeiter mit Führungsaufgaben Projektleiter in Projektteams mit mindestens . . . Projektmitarbeitern Gehaltsgruppe III ... 3. Eingruppierung Geschäftsleitung und Betriebsrat haben sich in der als Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung beigefügten Liste auf die Zuordnung der zurzeit bestehenden AT-Arbeitsplätze zu den Gehaltsgruppen nach dieser Vereinbarung geeinigt. Werden neue ATStellen geschaffen oder bestehende AT-Stellen verändert, werden Geschäftsleitung und Betriebsrat unverzüglich die neue Zuordnung der Tätigkeit zu einer Gehaltsgruppe vornehmen und die Anlage 1 zu dieser Vereinbarung entsprechend ergänzen.3 4. Höhe4 der Gruppengehälter 4.1 Der Arbeitgeber unterrichtet den Betriebsrat jährlich über die Höhe der von ihm festgesetzten Gehälter für die Gehaltsgruppen nach dieser Vereinbarung. 4.2 Die Höhe der Gehälter wird regelmäßig nach Inkrafttreten der Tariflohnerhöhungen für Tarifangestellte überprüft und entsprechend dem Prozentsatz der Tariflohnerhöhung linear erhöht. 5. Überstunden 5.1 Mit der außertariflichen Vergütung der AT-Angestellten nach dieser Vereinbarung sind bis zu 15 Überstunden im Monat pro Mitarbeiter abgegolten.5 5.2 Darüber hinausgehende Überstunden werden im Folgemonat durch Freizeitausgleich abgegolten. Den Zeitpunkt des Freizeitausgleiches legt der AT-Angestellte in Absprache mit seinem Vertreter fest. Stehen dem Freizeitausgleich im Folgemonat betriebliche Gründe entgegen, werden die Überstunden mit der anteiligen Vergütung nach der Formel ¨ monatliche Vergutung monatliche Arbeitsstunden þ 15 ohne Zuschläge vergütet. Praxistipp: Häufig werden als AT-Angestellte auch Mitarbeiter bezeichnet, die sich im Tarif eingruppieren ließen, mit denen vertraglich aber etwas anderes vereinbart ist. Sie müssten ggf. durch nähere Bezeichnung der Führungsebene (zB „alle Ressortleiter“) einbezogen werden. 3 Hier könnte auch auf §§ 99 ff. BetrVG verwiesen werden. 4 Der Arbeitgeber entscheidet mitbestimmungsfrei, ob er erhöhen will, BAG v. 18.10.2011 – 1 AZR 376/10, DB 2012, 356. 5 Die Vereinbarkeit mit bestehenden vertraglichen Überstundenregelungen ist zu prüfen.

Bauer/Haußmann

1095

Kap. 36

36.2

u

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 36.2

Übertarifliche Zulagen

1. Geltungsbereich Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeiter und Angestellte des Betriebes mit Ausnahme der AT-Angestellten. 2. Übertarifliche Zulagen 2.1 Der Arbeitgeber gewährt eine übertarifliche Zulage in Höhe von . . . % des Grundgehaltes. 2.2 Die übertarifliche Zulage erhöht sich nach jeweils fünf Beschäftigungsjahren um weitere jeweils . . . % des Grundgehaltes. 3. Anrechnung von Tariflohnerhöhungen Der Arbeitgeber behält sich vor, Tariflohnerhöhungen auf die übertarifliche Zulage anzurechnen. Beschränkt er die Anrechnung auf bestimmte Arbeitnehmergruppen, steht dem Betriebsrat bei der Festlegung der betroffenen Personenkreise ein Mitbestimmungsrecht zu.1 4. Schlussbestimmungen Diese Betriebsvereinbarung tritt am . . . in Kraft. Sie löst alle bestehenden Betriebsvereinbarungen über übertarifliche Zulagen, insbesondere die Betriebsvereinbarungen vom . . . und . . . ab.2 1 BAG v. 10.3.2009 – 1 AZR 55/08, NZA 2009, 684. 2 Praxistipp: Häufig besteht nach Jahrzehnten eine Vielzahl von Betriebsvereinbarungen über Vergütungen, deren Zusammenspiel unübersichtlich ist. Der Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung sollte deshalb immer zur Bestandsaufnahme und Generalbereinigung genutzt werden.

36.3

u

Provisionen im Verkauf

1. Geltungsbereich Diese Provisionsvereinbarung gilt für sämtliche Mitarbeiter des Verkaufsaußen- und Innendienstes. 2. Provisionen Die Mitarbeiter des Verkaufsaußen- und Innendienstes erhalten Abschlussprovisionen für den Verkauf folgender Warengruppen: Warengruppe I

...

1096 Bauer/Haußmann

M 36.4 Warengruppe II Warengruppe III

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 36

... ...

3. Teamprovision Die Provisionen der Außendienst-Mitarbeiter werden als Teamprovisionen errechnet. Die Provision des einzelnen Außendienst-Mitarbeiters errechnet sich durch Teilung der Teamprovision geteilt durch die Zahl der Mitarbeiter des Verkaufsteams.1 Die Provisionen der Innendienst-Mitarbeiter entspricht der Provision der AußendienstMitarbeiter des Teams, das der Innendienst-Mitarbeiter betreut. Betreut er mehrere Teams, erhält er eine Provision in Höhe des Durchschnitts der Provisionen aller Außendienst-Mitarbeiter, die er betreut. 4. Provisionssätze Der Arbeitgeber legt jährlich Provisionssätze für die Warengruppen nach Ziff. 2 dieser Vereinbarung fest und informiert den Betriebsrat über die Höhe der Provisionssätze. 5. Schlussbestimmungen Diese Betriebsvereinbarung tritt am . . . in Kraft. Sie ersetzt alle bestehenden Provisionsregelungen für den Verkaufsaußen- und Innendienst. 1 Bei Bedarf sollte die Verteilung auch für den Fall der Vergrößerung oder Verkleinerung des Teams geregelt werden.

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Betriebsvereinbarung Erschwerniszulage im Vier-Schicht-Betrieb

1. Die im Vier-Schicht-Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer erhalten je Kalenderwoche als Erschwerniszulage für die Vier-Schicht-Arbeit zwei durchschnittliche persönliche Stundenverdienste. 2. Zukünftige tarifvertragliche Verbesserungen können auf diese Vereinbarung nicht angerechnet werden. Sie müssen sich für die von dieser Vereinbarung betroffenen Arbeitnehmer genauso vergütungserhöhend auswirken wie für alle anderen Arbeitnehmer des Betriebes. 3. Diese Vereinbarung tritt am . . . in Kraft. Sie läuft auf unbestimmte Zeit und kann mit einer Frist von sechs Monaten erstmals zum . . . gekündigt werden. Eine Nachwirkung entfällt.

Bauer/Haußmann

1097

36.4

Kap. 36

36.5

u

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 36.5

Betriebsvereinbarung über zielvereinbarungsgestützte variable Vergütung

1. Geltungsbereich Diese Betriebsvereinbarung regelt das Verfahren zur Berechnung einer zielvereinbarungsgestützten Vergütung für alle Mitarbeiter der ersten und zweiten Führungsebene sowie für Außendienstmitarbeiter im Vertrieb. 2. Höhe der Vergütung bei Zielerreichung Die variable Vergütung der Führungskräfte der ersten und zweiten Ebene beträgt bei 100%iger Zielerreichung maximal 20 % des jährlichen Fixgehaltes. Die variable Vergütung der Vertriebsmitarbeiter im Außendienst kann bis zu 25 % der Jahresfixvergütung betragen. 3. Gegenstand der Zielvereinbarung (1) Der Zielerfolg bestimmt sich aus einer auf das Ergebnis aus laufender Geschäftstätigkeit bezogenen Komponente (ergebnisabhängiger Teil) und einer individuellen Komponente (individueller Teil). (2) Die variable Vergütung wird zu mindestens 50 % durch die ergebnisabhängige Komponente bestimmt. Die Gewichtung der beiden Komponenten ist in der jährlichen Zielvereinbarung jeweils festzulegen. (3) Maßgeblich für den ergebnisabhängigen Teil ist der Unternehmensbereich, für den der Mitarbeiter überwiegend tätig ist, bzw. für den er als Führungskraft verantwortlich ist. Dieser Unternehmensbereich wird in jeder Zielvereinbarung bestimmt. (4) Die individuelle Komponente kann quantitative und qualitative Ziele enthalten. Diese und ihre Gewichtung sind in der Zielvereinbarung zu definieren. 4. Ermittlung der Höhe der variablen Vergütung (1) Bei 100%iger Zielerreichung beträgt die variable Vergütung 100 % des Zielbetrages, bei zufrieden stellender Zielerreichung . . . % davon. Die variable Vergütung verändert sich im gleichen prozentualen Verhältnis, in dem das festgestellte Ergebnis vom Zielergebnis abweicht. (2) Soweit der individuelle Teil nicht messbar ist, wird der Erfüllungsgrad nach pflichtgemäßem Ermessen durch den zuständigen Geschäftsführer ermittelt und festgelegt. (3) Der ergebnisabhängige Teil kann höchstens 200 % der anteiligen variablen Vergütung betragen, der individuelle Teil der variablen Vergütung höchstens 150 %. 5. Verfahren zur Zielvereinbarung Die Zielvereinbarung zwischen dem Mitarbeiter und der Unternehmensleitung wird unverzüglich nach Fertigstellung der Jahresplanung für die nächste Abrechnungsperiode getroffen. Zuständig ist jeweils der unmittelbare Vorgesetzte. Der Betriebsrat erhält auf Verlangen Abschriften der Zielvereinbarungen.

1098 Bauer/Haußmann

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 37

6. Fälligkeit Die variable Vergütung ist innerhalb von fünf Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres auf Basis der Zielvereinbarung abzurechnen und über die Gehaltsabrechnung auszuzahlen.1 1 Die variable Erfolgsvergütung kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Arbeitnehmer zu dem Auszahlungszeitpunkt nicht gekündigt hat, BAG v. 12.4.2011, BB 2011, 2811.

N N Q NNNN

Kapitel 37

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Technische Einrichtungen

Literaturübersicht: Beck, Die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Einführung und Anwendung der Personalinformationssysteme, 1987; Beckschulze, Internet und E-Mail-Einsatz am Arbeitsplatz, DB 2009, 2097; Besgen/Langner, Mitbestimmung des Betriebsrats bei biometrischen Zugangskontrollen im Kundenbetrieb, SAE 2006, 233; Borsulzky, Soziale Netzwerke – Regelungskompetenz des Arbeitgebers und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, NZA 2013, 647; Ehmann, Arbeitsschutz und Mitbestimmung bei neuen Technologien, 1981; Gaul, Die rechtliche Ordnung der Bildschirm-Arbeitsplätze, 2. Aufl. 1984; Gola/Wronka, Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, 5. Aufl. 2009; Göpfert/Wilke, Nutzung privater Smartphones für dienstliche Zwecke, NZA 2012, 765; Grosjean, Überwachung von Arbeitnehmern – Befugnisse des Arbeitgebers und mögliche Beweisverwertungsverbote, DB 2003, 2650; Hartmann/Pröpper, Internet und E-Mail am Arbeitsplatz, BB 2009, 1300; Haußmann/Krets, EDV-Betriebsvereinbarungen im Praxistest, NZA 2005, 259; Heither, Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Datenschutz für Arbeitnehmer, BB 1988, 1049; Hilgard, Archivierung und Löschung von E-Mails im Unternehmen, ZIP 2007, 958; Holzner, Private Nutzung von E-Mail und Internet am Arbeitsplatz, BB 2009, 2148; Jobs, Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei Personalinformationssystemen und Bildschirmarbeitsplätzen, DB 1983, 2307; Jordan/Bissels/ Löw, Arbeitnehmerkontrolle im Call-Center durch Silent Monitoring und Voice Recording, BB 2008, 2626; Kart, Datenschutzrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen bei ITSicherheitsmaßnahmen, NZA 2011, 1319; Lelley, Internet am Arbeitsplatz, 2006; Lenze, Datenschutz im Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht, ZTR 2002, 558; Matthes, Neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei der technischen Überwachung, RDV 1987, 1; Matthes, Möglichkeiten und Grenzen betrieblicher Telefondatenerfassung, CR 1987, 108; Schimmelpfennig/Wennig, Arbeitgeber als Telekommunikationsdienste-Anbieter, DB 2006, 2290; Schwarz, Die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Einführung und Anwendung technischer Kontrolleinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG), DB 1983, 226; Schwarz, Personalabrechnungs- und Informationssysteme und das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, BB 1983, 202; Söllner, Zur Beteiligung des Betriebsrats und zur Zuständigkeit der Einigungsstelle bei Einführung und Anwendung von Personalinformationssystemen, DB 1984, 1243; Wedde, Das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität in informationstechnischen Systemen aus arbeitsrechtlicher Sicht, AuR 2009, 273; Wilke, Videoüberwachung, AiB 2006, 31.

Bauer/Haußmann

1099

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 37

6. Fälligkeit Die variable Vergütung ist innerhalb von fünf Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres auf Basis der Zielvereinbarung abzurechnen und über die Gehaltsabrechnung auszuzahlen.1 1 Die variable Erfolgsvergütung kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Arbeitnehmer zu dem Auszahlungszeitpunkt nicht gekündigt hat, BAG v. 12.4.2011, BB 2011, 2811.

N N Q NNNN

Kapitel 37

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Technische Einrichtungen

Literaturübersicht: Beck, Die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Einführung und Anwendung der Personalinformationssysteme, 1987; Beckschulze, Internet und E-Mail-Einsatz am Arbeitsplatz, DB 2009, 2097; Besgen/Langner, Mitbestimmung des Betriebsrats bei biometrischen Zugangskontrollen im Kundenbetrieb, SAE 2006, 233; Borsulzky, Soziale Netzwerke – Regelungskompetenz des Arbeitgebers und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, NZA 2013, 647; Ehmann, Arbeitsschutz und Mitbestimmung bei neuen Technologien, 1981; Gaul, Die rechtliche Ordnung der Bildschirm-Arbeitsplätze, 2. Aufl. 1984; Gola/Wronka, Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, 5. Aufl. 2009; Göpfert/Wilke, Nutzung privater Smartphones für dienstliche Zwecke, NZA 2012, 765; Grosjean, Überwachung von Arbeitnehmern – Befugnisse des Arbeitgebers und mögliche Beweisverwertungsverbote, DB 2003, 2650; Hartmann/Pröpper, Internet und E-Mail am Arbeitsplatz, BB 2009, 1300; Haußmann/Krets, EDV-Betriebsvereinbarungen im Praxistest, NZA 2005, 259; Heither, Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Datenschutz für Arbeitnehmer, BB 1988, 1049; Hilgard, Archivierung und Löschung von E-Mails im Unternehmen, ZIP 2007, 958; Holzner, Private Nutzung von E-Mail und Internet am Arbeitsplatz, BB 2009, 2148; Jobs, Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei Personalinformationssystemen und Bildschirmarbeitsplätzen, DB 1983, 2307; Jordan/Bissels/ Löw, Arbeitnehmerkontrolle im Call-Center durch Silent Monitoring und Voice Recording, BB 2008, 2626; Kart, Datenschutzrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen bei ITSicherheitsmaßnahmen, NZA 2011, 1319; Lelley, Internet am Arbeitsplatz, 2006; Lenze, Datenschutz im Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht, ZTR 2002, 558; Matthes, Neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei der technischen Überwachung, RDV 1987, 1; Matthes, Möglichkeiten und Grenzen betrieblicher Telefondatenerfassung, CR 1987, 108; Schimmelpfennig/Wennig, Arbeitgeber als Telekommunikationsdienste-Anbieter, DB 2006, 2290; Schwarz, Die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Einführung und Anwendung technischer Kontrolleinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG), DB 1983, 226; Schwarz, Personalabrechnungs- und Informationssysteme und das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, BB 1983, 202; Söllner, Zur Beteiligung des Betriebsrats und zur Zuständigkeit der Einigungsstelle bei Einführung und Anwendung von Personalinformationssystemen, DB 1984, 1243; Wedde, Das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität in informationstechnischen Systemen aus arbeitsrechtlicher Sicht, AuR 2009, 273; Wilke, Videoüberwachung, AiB 2006, 31.

Bauer/Haußmann

1099

Kap. 37

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

I. Einführung 1. Umfang der Mitbestimmung 1

S. Einf. Kap. 35 Rz. 1–4.

2. EDV-Nutzung 2

Die Nutzung der EDV ist nur teilweise mitbestimmungspflichtig. Entscheidend ist, ob eine technische Einrichtung die Möglichkeit einer Überwachung des Verhaltens oder der Leistung bietet. EDV-Anlagen unterliegen in der Regel der Mitbestimmung, wenn sie Informationen oder Daten erfassen oder verarbeiten, die für sich allein keine Aussage über das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zulassen, die jedoch in Verknüpfung mit anderen Daten eine Verhaltens- oder Leistungskontrolle ermöglichen.1 Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit ausdrücklich klargestellt, dass entscheidend ist, ob eine Anlage objektiv zur Überwachung der Arbeitnehmer geeignet ist. Dabei sei unerheblich, ob dies ein Nebeneffekt der Einrichtung sei oder die Daten tatsächlich vom Arbeitgeber ausgewertet werden. Der Einsatz einer EDVAnlage wird jedenfalls dann als mitbestimmungspflichtig angesehen, wenn auf Grund bestehender Programmierung Leistungs- und Verhaltensdaten erhoben werden können. Häufig missverstanden wird der Zweck des Mitbestimmungsrechts: Er besteht nicht darin, jede Leistungs- und Verhaltenskontrolle zu verhindern, sondern darin, sie auf die Fälle zu begrenzen, in denen ein berechtigtes Interesse daran besteht.

3. Telefondatenerfassung und Internet-/E-Mail-Nutzung 3

Mitbestimmungspflichtig ist die automatische Erfassung von Daten oder Gebühren.2 Wesentlicher Gegenstand einer Vereinbarung über solche Systeme ist die Frage, inwieweit der Arbeitgeber die Kenntnisse aus der Datenerfassung verwerten darf. Regelungsbedürftig sind insbesondere folgende Fragen: – Werden Privatgespräche bzw. private E-Mail getrennt erfasst? – Trägt der Mitarbeiter die Kosten für eine Privatnutzung selbst? – Darf der Arbeitgeber kontrollieren, ob eine Privatnutzung zu Unrecht als dienstliche Nutzung verzeichnet wird? – Darf der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Sanktionen (Abmahnung oder Kündigung) auf Kenntnisse aus der Datenerfassung stützen?

4. „Whistleblowing-Hotlines“ 4

Während sich die Mitbestimmungspflicht sog. Ethikrichtlinien („Code of Conduct“) aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Betriebsordnung) ergibt (M 70.2), kann die Technik der Whistleblowing-Hotline mitbestimmungspflichtige technische Kontrolleinrichtung sein (M 70.1). Siehe dazu den 5. Teil Datenschutz/Compliance.

1 BAG v. 11.3.1986 – 1 ABR 12/84, AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972. 2 BAG v. 27.5.1986 – 1 ABR 48/84, AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972.

1100 Bauer/Haußmann

M 37.1

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 37

5. Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates Bei unternehmenseinheitlicher Einführung eines EDV-Systems mit einheitlichen Standards ist die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates begründet.3 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, begründet nur eine Delegation nach § 50 Abs. 2 BetrVG die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates. Die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ist nicht auf eine Rahmenregelung beschränkt.4

5

3 LAG Düsseldorf v. 21.8.1987, NZA 1988, 211; BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 4/06, NZA 2007, 399. 4 BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 4/06, NZA 2007, 399.

II. Muster

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Gesamtbetriebsvereinbarung EDV-Systeme und Schutz personenbezogener Daten Präambel

Zur Wahrung schutzwürdiger Belange und Rechte der Arbeitnehmer/innen in der Planung, Einführung, Änderung und Nutzung von EDV-Systemen werden mit dieser Betriebsvereinbarung Grundsätze zum Schutz personenbezogener Daten aufgestellt. 1. Geltungsbereich 1.1 Diese Betriebsvereinbarung gilt persönlich für alle Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einschließlich der Auszubildenden. 1.2 Die Betriebsvereinbarung gilt im Betrieb der . . . GmbH in . . . und den Niederlassungen . . . 1.3 Die Betriebsvereinbarung gilt fachlich für alle EDV-Systeme. Werden EDV-Arbeiten auf Drittfirmen übertragen, werden die Grundsätze dieser Vereinbarung entsprechend vereinbart. 2. Begriffsbestimmung EDV-Systeme iSd. Betriebsvereinbarung sind Hardware- und Softwaresysteme, die geeignet sind, Daten zu erfassen, zu speichern, zu verarbeiten und/oder zu vermitteln und auszuwerten. 3. Ergänzende Regelungen Vor der Einführung, Änderung oder Ergänzung von EDV-Systemen, mit denen personenbezogene oder -beziehbare Daten aus Verwaltungs-, Vertriebs- und Produktionsabläufen erfasst, gespeichert, verarbeitet und/oder übermittelt werden, werden speziellere Betriebsvereinbarungen abgeschlossen, soweit von dieser Betriebsvereinbarung abgewichen wird.1 1

Praxistipp: Ist der Regelungsbedarf überschaubar, können alle Systeme in einer einheitlichen Betriebsvereinbarung geregelt werden. Zur Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat dabei vgl. BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 4/06, NZA 2007, 399.

Bauer/Haußmann

1101

37.1

Kap. 37

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 37.1

4. Informationsrechte des Betriebsrates Der Gesamtbetriebsrat wird rechtzeitig und umfassend über die geplante Einführung, den Betrieb, den Ausbau und die Änderung von EDV-Systemen unterrichtet. Soweit es sich um örtlich spezifische Umstände handelt, werden die örtlichen Betriebsräte unterrichtet. Mit Abschluss dieser Vereinbarung werden dem Gesamtbetriebsrat folgende Informationen zur Verfügung gestellt: – Bildschirmmasken bestehender Personalinformationssysteme; – Liste der Zugriffsberechtigten; – ... 5. Datenschutz2 5.1 Personenbezogene Daten werden nur gespeichert, soweit und solange dies aus betriebsbedingten Gründen notwendig ist oder der Arbeitnehmer ausdrücklich zugestimmt hat. 5.2 Jeder Mitarbeiter hat das Recht, vom Arbeitgeber unentgeltlich und in lesbarer Form einmal jährlich darüber Auskunft zu bekommen, welche Informationen und Daten über ihn gespeichert sind. 5.3 Unrichtige Daten werden korrigiert. 5.4 Personenbezogene Daten werden grundsätzlich nicht an Dritte weitergegeben, es sei denn, der Personalleiter hat in begründeten Ausnahmefällen ausdrücklich seine Zustimmung erteilt oder die Weitergabe ist gesetzlich geregelt. Ausdrücklich gestattet ist die Übermittlung von Arbeitnehmerdaten im Konzern im Rahmen der Zweckbestimmung der Vertragsverhältnisse oder mit Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer. Konzernunternehmen sind nicht Dritte iSd. Betriebsvereinbarung. 5.5 Alle Personen, die mit personenbezogenen Daten arbeiten, sind ausdrücklich auf das Datengeheimnis zu verpflichten. 5.6 Der Arbeitgeber stellt mit geeigneten Mitteln sicher, dass die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes und ergänzender Regelungen gewahrt werden. 6. Personenbezogene Arbeitnehmerdaten Personenbezogene Daten werden insbesondere zu folgenden Zwecken erhoben und gespeichert: – soweit gesetzlich oder gesetzesgleich vorgeschrieben (zB steuerliche Belange, amtliche Statistiken, Sozialversicherung usw.); – zur Lohn- und Gehaltsabrechnung; – zur Personaleinsatzplanung und Disposition; 2

Praxistipp: Das BDSG regelt viele Fragen so, dass in der Betriebsvereinbarung kein nennenswerter Regelungsbedarf besteht. Die Betriebsvereinbarung wird leicht unleserlich, wenn sie mit Bestimmungen zum Datenschutz überfrachtet wird. Zu datenschutzrechtlichen Fragen s. auch Den 5. Teil Datenschutz/Compliance. Wesentliche Bedeutung hat für den Arbeitgeber, dass seine Kontrollrechte Inhalt der Betriebsvereinbarung sind, so dass diese als Erlaubnis iSd. § 4 Abs. 1 BDSG wirkt.

1102 Bauer/Haußmann

M 37.1

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 37

– zur Erfassung von An- und Abwesenheitszeiten; – zur Personalverwaltung (zB Darlehensabwicklung, Dienstwagenabwicklung, Versicherungen, Versorgungswerk uÄ); – zum Personalberichtswesen; – zur Personalplanung und Personalcontrolling; – zur Personalentwicklung (insbesondere Nachwuchssicherung zum Personalaustausch und im Rahmen der Aus- und Fortbildung bzw. Zielsetzung und Zielerreichung); – zur Speicherung von Wiedervorlagedaten (zB Ablauf der Probezeit, Befristung, Dauer des Mutterschutzes usw.). 7. Anonymisierung Soweit die Nutzung personenbezogener Daten nach der vorstehenden Ziffer oder zu vergleichbaren Zwecken nicht notwendig ist, werden die Daten in anonymer Form verwendet. Als anonym gilt eine Auswertung, in der keine personenidentifizierbaren Daten erhalten sind, wie zB Namen, Geburtsdaten, Personalnummern, Telefonnummern, Kostenstelle, Adresse, Kfz-Kennzeichen. Rückverfolgungen anonymer Auswertungen auf Einzelpersonen oder individualisierbare Gruppen sind nicht gestattet, soweit nicht in Ausnahmefällen der Personalleiter hierzu ausdrücklich seine Zustimmung erteilt hat. 8. Leistungs- und Verhaltenskontrollen 8.1 Zulässig sind Auswertungen, in denen anonymisierte Daten zu Analysen, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen (zB Standortvergleiche, auch anonymisierte Fehlzeitstatistiken) zusammengestellt werden. Sie sind auf Grund der Anonymisierung zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle nicht geeignet.3 8.2 Der Gesamtbetriebsrat stimmt den in der Anlage 1 genannten systematischen Auswertungen zu. Systematische Auswertungen in diesem Sinne sind solche Auswertungen, die durch programmgesteuerte Verknüpfung4 von Arbeitsplatzdaten und Mitarbeiterdaten eine maschinelle Leistungs- oder Verhaltensprüfung oder einen maschinellen Leistungs- oder Verhaltensvergleich zwischen Mitarbeitern zum Gegenstand haben (zB nicht-anonymisierte Fehlzeitenstatistiken, Umsatzvergleiche zwischen Vertriebsmitarbeitern). 8.3 Bei berechtigtem Interesse sind Einzelauswertungen zulässig. Einzelauswertungen in diesem Sinne sind Auswertungen der Daten eines einzelnen Mitarbeiters (zB individuelle Kommt-/Geht-Zeit, Internet-Protokolle des einzelnen Arbeitsplatzes). Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor, wenn die Einhaltung gesetzlicher, tarifvertraglicher oder durch Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag geregelter Pflichten zu prüfen ist. 8.4 Zur Aufdeckung von Straftaten und zur Gewährleistung der Systemsicherheit sind abweichend von Absatz 2 auch weitere systematische Auswertungen zulässig, zu denen – je nach Zuständigkeit – der Gesamtbetriebsratsvorsitzende oder sein Stellver3 Diese Regelung ist rein deklaratorisch. 4 Diese spezifische technische Möglichkeit ist der wesentliche Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

Bauer/Haußmann

1103

Kap. 37

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 37.2

treter oder der zuständige Vorsitzende des lokalen Betriebsrates oder sein Stellvertreter hinzuzuziehen sind. Sind sie kurzfristig nicht erreichbar, werden sie unverzüglich über die Auswertung unterrichtet.5 9. Zugriff auf personenbezogene Daten Der Geschäftsführer/Personalleiter erteilt Zugriffsberechtigungen auf personenbezogene Daten, soweit das Aufgabengebiet des Zugriffsberechtigten dies erfordert. 10. Schlussbestimmungen Die Betriebsvereinbarung tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft und kann mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. 5

37.2

Praxistipp: Verhandlungsgegenstand ist an dieser Stelle üblicherweise, ob der Betriebsrat vor der Auswertung hinzugezogen werden muss. Dies kann für den Fall, dass eine fristlose Kündigung danach ausgesprochen wird und um deren Wirksamkeit in einem Kündigungsschutzrechtsstreit gestritten wird, zusätzliche Risiken bei der Einhaltung der Zwei-WochenFrist des § 626 BGB hervorrufen.

u

Betriebsvereinbarung zur Nutzung der Telefonanlage1 Präambel

Die . . . GmbH ist ein Dienstleistungsunternehmen, dessen Bestreben, bei Kunden ständig präsent zu sein, durch die Einführung und Nutzung der neuen . . .-Telefonanlage unterstützt werden soll. Die Gewinnung der Daten, die diese Telefonanlage zur Verfügung stellt, ist für die Gesellschaft erforderlich, um ihren Kunden qualitativ hochwertige Leistungen anbieten zu können. Gleichzeitig soll den Mitarbeitern eine dem Stand der Technik entsprechend gerechte Arbeitsverteilung ermöglicht werden. § 1 Geltungsbereich (1) Die folgende Betriebsvereinbarung2 gilt für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in allen . . .-Büros mit einer . . .-Telefonanlage . . ., unabhängig, ob sie bereits eingeführt ist oder erst in Zukunft eingeführt wird. Der Arbeitgeber wird unverzüglich eine Anlagenbeschreibung über den Ist-Zustand erstellen und dem Gesamtbetriebsrat aushändigen. Vor jeder Änderung der Hard- oder Software ist der Gesamtbetriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, um mitbestimmungspflichtige Tatbestände prüfen zu können. Jede Änderung und Erweiterung der Anlage und der Datenfelder, soweit es sich nicht ausschließlich um eine Ausweitung der Bedienplätze handelt, bedarf der Zustimmung des Gesamtbetriebsrates. 1 BAG v. 30.8.1995 – 1 ABR 4/95, AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung. 2 Zur Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates vgl. LAG Köln v. 19.1.1983 – 5 TaBV 16/82, DB 1983, 1101.

1104 Bauer/Haußmann

M 37.2

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 37

(2) Die Anlage wird ausschließlich in dem durch diese Betriebsvereinbarung gesetzten Rahmen benutzt. § 2 Zweck der Anlagennutzung Der Zweck der Anlage besteht in einer automatischen Anrufverteilung, wobei die eingehenden Anrufe gerecht auf die einzelnen Bedienplätze verteilt werden. Es sollen auch die Zahl der eingehenden Anrufe vor Verteilung auf die einzelnen Bedienplätze sowie die Anzahl der nicht verteilten Anrufe summarisch erfasst werden. Hieraus sollen auch Rückschlüsse auf Personalbedarf und Büroöffnungszeiten zugelassen sein. § 3 Auswertungen (1) Die Anlage kann folgende Darstellungen gedruckt oder mittels Bildschirm abgeben: – Laufende Statusanzeige – Report 1 (Bedienplatzgruppenreport) – Report 2 (Warteschleifenreport) – Report 3 (Leitungsgruppenreport) – Report 4 (Bedienplatzreport) (2) Die Inhalte dieser Reports (Masken und Beschreibungen) sind in Anlage 1 dieser Betriebsvereinbarung beigefügt und sind auch Bestandteil dieser Vereinbarung. Ausdrucke der Reports erhalten der Leiter der Reservierungszentrale und der Supervisor, bzw. der Betriebsrat auf Anfrage. (3) Beabsichtigt der Arbeitgeber auf Grund der durch die Reports gesammelten Daten ein Kritikgespräch mit einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter, so verpflichtet er sich, den Betriebsrat rechtzeitig vorher zu informieren. Der Arbeitgeber verpflichtet sich weiterhin, der betroffenen Mitarbeiterin/dem betroffenen Mitarbeiter einen Hinweis auf die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Betriebsratsmitgliedes zu diesem Kritikgespräch zu geben. Basis eines solchen Kritikgespräches ist ein mindestens dreimonatiger Bezugszeitraum. §4

Verknüpfung von Daten

Eine automatische Verknüpfung und Verwertung von Daten aus dieser Anlage mit Daten aus anderen Dateien und/oder eigenen und/oder anderen Systemen findet nicht statt. Personenbezogene Daten aus dieser Anlage dürfen nicht mit anderen Systemen verknüpft werden. § 5 Aufzeichnen und Mithören von Gesprächen (1) Das Aufzeichnen und Mithören von Gesprächen ist grundsätzlich unzulässig. Als eine Ausnahme ist der durch einen Mitarbeiter auszulösende „Hilferuf“ (= Notruf) zu nennen. (2) Während der Probezeit ist zu Ausbildungszwecken das Mithören von Gesprächen durch den Supervisor oder einen anderen erfahrenen Mitarbeiter als dessen Beauftragten erlaubt. Hierbei kann sowohl der neue Mitarbeiter wie der Supervisor oder dessen Beauftragter bei Gesprächen gegenseitig mithören. Zweck hierbei ist ausschließBauer/Haußmann

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Kap. 37

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 37.3

lich, dem neuen Mitarbeiter ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln und im Problemfall kompetente Unterstützung zu gewährleisten. Das Mithören darf nur durch ein am Arbeitsplatz des betreffenden Mitarbeiters stattfindendes Einstecken des Sprechgerätes und nicht durch bloßes Aufschalten von einem anderen Bedienplatz aus erfolgen.3 § 6 Schulungen Der Arbeitgeber verpflichtet sich, alle an den Bedienplätzen Beschäftigten ausreichend in der Handhabung der Geräte zu schulen. Die Schulungen erfolgen auf Kosten der . . . GmbH während der Arbeitszeit. Der lokale Betriebsrat hat das Recht, ein Mitglied zu bestimmen, das an den Schulungen zu dieser Telefonanlage teilnimmt. § 7 Kontrolle der Vereinbarung Der Betriebsrat erhält jederzeit auf sein Verlangen hin Einsicht in das System sowie die Unterlagen über das System und aus dem System.4 3 Das Mithören der Gespräche erfüllt nicht den Tatbestand des § 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, BGH v. 8.10.1993 – 2 StR 400/93, BGHSt 39, 335, 343. 4 Sind dem Betriebsrat Kontroll- und Einsichtsrechte nicht eingeräumt, kann er auch im Rahmen des § 80 BetrVG keine Verhaltens- und Leistungsdaten verlangen, die der Arbeitgeber selbst nicht erheben und auswerten darf, LAG BW v. 18.2.2010 – 6 TaBV 8/09, nv.

37.3

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Betriebsvereinbarung zur Telefondatenerfassung § 1 Datenerfassung

(1) Bei Dienstgesprächen werden folgende Daten erfasst: – Nummer der Nebenstelle – Datum und Uhrzeit des Gespräches – Anzahl Gebühreneinheiten – Kosten des Gespräches – Zielnummer (2) Bei Privatgesprächen werden folgende Daten erfasst: – Nummer der Nebenstelle – Anzahl Gebühreneinheiten – Kosten des Gespräches – die ersten drei Ziffern der Zielnummer (und ggf. Ortskennzahl) §2

Verarbeitung und Auswertung der Daten

(1) Die alleinige Zugriffsberechtigung der Systembeauftragten ist durch ein Passwort zu sichern. Die Systembeauftragten werden im Anhang genannt. 1106 Bauer/Haußmann

M 37.3

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 37

Einzig die Systembeauftragten kennen das Passwort. Ein versiegelter Umschlag mit dem Passwort wird an einem im Anhang genannten Ort deponiert. (2) Verarbeitung Die Daten werden am Ende eines Monats automatisch ausgedruckt. (3) Dienstgespräche Die Listen werden automatisch monatlich ausgedruckt. Der Ausdruck erfolgt im Sekretariat. Die ausgedruckten Listen werden zentral im Sekretariat verwahrt. §3

Aufbewahrungsdauer

Dienstliche Daten werden nach einem halben Jahr gelöscht. Die ausgedruckten Listen werden ebenfalls nach einem halben Jahr vom Sekretariat vernichtet. Private Daten werden vier Wochen nach dem Ausdruck gelöscht. Die ausgedruckten Listen werden ebenfalls nach vier Wochen vom Sekretariat vernichtet. Verbleibverantwortliche: Fachbereichsleiterin . . . §4

Abrechnung Privatgespräche

Privatgespräche bis zu Euro 10,–/Monat sind kostenlos. Was darüber hinausgeht, muss der Mitarbeiter bezahlen.1 § 5 Standort Es ist sicherzustellen, dass ausschließlich die Systembeauftragten und der Datenschutzbeauftragte Zugang zum System haben. Es werden keine zusätzlichen Terminals eingerichtet. § 6 Zugriffsberechtigte Eine Anlage führt die Zugriffsberechtigten auf. Die Erweiterung des Kreises der Zugriffsberechtigten bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Betriebsrates. Jeder Zugriff auf das System wird einschließlich der anfordernden Person schriftlich protokolliert. Auf Anforderung erhält der Betriebsrat einen Ausdruck. § 7 Unzulässige Verwendung (1) Die durch die Anlage erfassten Daten dürfen weder mit anderen Daten maschinell verknüpft oder in anderen Programmen dieser oder anderer Anlagen verwendet werden. Eine Verbindung der Telefonanlage mit anderen Rechnungen oder eine Übertragung der Daten mittels Datenträger etc. ist unzulässig. (2) Die durch die Anlage erfassten Daten dürfen zur Berechnung der monatlichen privaten Telefonkosten verwendet werden. Sie dürfen auch dazu verwendet werden, den Missbrauch der Telefonanlage (Führen von Privatgesprächen als Dienstgespräche) festzustellen und diesem Missbrauch vorzubeugen.

1 Ggf. sollte an anderer Stelle vorgegeben werden, in welchem zeitlichen Umfang Privatgespräche während der Arbeitszeit gestattet werden.

Bauer/Haußmann

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Kap. 37

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 37.4

(3) Die Geschäftsleitung ist berechtigt, auf der Grundlage der durch die Anlage erfassten Telefondaten Mitarbeiter im Rahmen der personellen Führung Anordnungen zu erteilen. (4) Missbraucht der Mitarbeiter die Telefonanlage (Abs. 2) oder befolgt er im Rahmen der personellen Führung erteilte Anordnungen (Abs. 3) wiederholt nicht, ist die Geschäftsleitung berechtigt, personelle Maßnahmen (Verwarnung, Verweis, Abmahnung, Versetzung, Änderungskündigung, Kündigung) zu ergreifen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelnen vorliegen. (5) Die erfassten und ausgedruckten Daten dürfen nicht zu anderen Formen der maschinellen Verhaltens- und Leistungskontrolle verwandt werden. (6) Eine Abfrage der bei der Telekom erfassten Daten (Einzelgebührennachweis) darf nicht erfolgen. (7) Im Rahmen von Wartungs- und Serviceleistungen bekannt werdende Daten von Mitarbeitern dürfen nicht verwendet werden.

37.4

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Betriebsvereinbarung zur elektronischen Zeiterfassung und Zeitwirtschaft

1. Gegenstand und Zweckbestimmung Gegenstand dieser Betriebsvereinbarung ist der Einsatz des Zeitwirtschaftssystems . . . mit den in der Anlage 1 aufgeführten Modulen. Dieses Zeitwirtschaftssystem löst das bisherige Zeiterfassungssystem . . . ab. 1.1 Der Einsatz dieses Zeitwirtschaftssystems dient folgenden Zwecken: – Erfassung und Darstellung der Kommt-, Geht- und Unterbrechungszeiten; – Erfassung und Darstellung der Dienstreisezeiten, Abwesenheitszeiten auf Grund von Urlaub, Zeitausgleich, Arbeitsverhinderung, Freistellung und Krankheit; – Bereitstellung und Übergabe der erfassten Arbeitszeitdaten an die Lohn- und Gehaltssoftware . . . und umgekehrt; – Information über das individuelle Zeit- und Urlaubskonto; – bedarfsorientierte Auswertung der Zeit- und Urlaubskonten für Führungskräfte; – gesetzliche Auswertungen, Monats- und Jahresstatistiken; – ggf. Projektzeiterfassung; – Einhaltung geltender gesetzlicher, tariflicher und vertraglicher Arbeitszeitregeln. 1.2 Die Beschäftigten sind vor missbräuchlicher Verarbeitung ihrer im Rahmen der Zweckbestimmung erforderlichen personenbezogenen Daten zu schützen. 2. Geltungsbereich Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer iSd. § 5 BetrVG. 1108 Bauer/Haußmann

M 37.4

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 37

Folgende Mitarbeitergruppen sind von der Erfassung von Kommt-, Geht- und Unterbrechungszeiten ausgenommen: ... Für diese Mitarbeitergruppen gilt die Betriebsvereinbarung bezüglich der sonstigen erfassten Daten und deren Auswertung. 3. Verarbeitung personenbezogener Daten Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist nur im Rahmen der Zweckbestimmung zulässig. Die im Rahmen der Zweckbestimmung erforderlichen personenbezogenen Daten sind in Anlage 2 abschließend gelistet. 4. Erfassung am Arbeitsplatz Jeder Mitarbeiter, der an seinem Arbeitsplatz über einen PC verfügt, erfasst die Kommt-, Geht- und Unterbrechungszeiten an seinem PC.1 Arbeitnehmer, die keinen PC zur Verfügung haben, erfassen an dem ihrem Arbeitsplatz zugewiesenen Zeiterfassungsterminal. 5. Erfassung der Dienstreisezeiten Bei der Reiseplanung wird mit einer elektronischen Antragstellung die tägliche SollArbeitszeit als Reisezeit erfasst. Nach Abschluss der Dienstreise wird diese Zeit ggf. korrigiert [ist abzustimmen auf ggf. tarifliche oder betriebliche Regelungen zur Berechnung von Reisezeiten als Arbeitszeit]. 6. Erfassung von Abwesenheitszeiten Abwesenheitszeiten auf Grund von Urlaub, Zeitausgleich oder Arbeitsverhinderung werden auf Antrag des Mitarbeiters mit der elektronischen Genehmigung oder Ablehnung der Führungskraft in das Zeiterfassungssystem eingegeben. 7. Berichtigungen und nachträgliche Erfassung Zeitkorrekturen, zB vergessene Buchungen oder Stornierungen von geplanten Abwesenheitszeiten werden vom Mitarbeiter beantragt und mit der elektronischen Genehmigung der zuständigen Führungskraft in das System eingegeben. 8. Auswertungsmöglichkeiten (Auswertungskatalog) 8.1 Auswertungen von personenbezogenen Daten sind zulässig, soweit – sie auf Grund gesetzlicher oder tariflicher Vorschriften oder auf Grund behördlicher Auflagen erforderlich sind, oder – sie statistischen Zwecken dienen und keine Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiter ermöglichen. Dabei sind Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiter dann nicht mehr möglich, wenn Daten aus Gruppen von mindestens vier Mitarbeitern zusammengefasst werden. 1 Inwieweit Kaffee- oder Raucherpausen als Arbeitsunterbrechung zu erfassen sind, ist in der Praxis oft an anderer Stelle vorgegeben. Eine zu kleinliche Praxis der Zeitabzüge bewirkt gelegentlich den ebenso minutengenauen Umgang mit der Arbeitszeit im Übrigen.

Bauer/Haußmann

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Kap. 37

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 37.4

8.2 Auswertungen, die der Aufklärung von Verstößen gegen diese oder andere Betriebsvereinbarungen, gegen Gesetze oder Tarifverträge oder arbeitsvertragliche Regeln dienen, sind zulässig und dürfen als Beweis verwertet werden.2 Der Betriebsrat wird über Auswertungen unverzüglich informiert, soweit sie der Aufklärung eventueller Pflichtverstöße einzelner Arbeitnehmer dienen. Über regelmäßige Auswertungen wird er vierteljährlich informiert. 9. Schnittstellen Die im Rahmen der Zweckbestimmung erforderlichen Schnittstellen zu anderen Systemen sind in Anlage 3 mit folgenden Angaben abschließend aufgeführt: – Name des Systems – Liste der übermittelten Daten – Zweck der Übermittlung – regelmäßiger Zeitpunkt der Übermittlung. 10. Zugriffsberechtigung Die Zugriffsberechtigungen zu den Personaldaten ist organisatorisch und programmtechnisch geregelt und geprüft. Die Zugriffsberechtigungen sind gestuft zu vergeben und möglichst eng zu fassen. In der Anlage 4 sind die Berechtigungskonzepte getrennt nach Funktionsgruppen und Administrationszuordnung festgelegt. 11. Rechte der Mitarbeiter Jeder Mitarbeiter erhält auf Wunsch kostenlos Auskunft über die Art der über ihn gespeicherten Daten sowie über die konkret über ihn gespeicherten Daten bei näher zu bezeichnenden Datenarten, soweit eine Pflicht zur Auskunftserteilung besteht. Das Recht auf Einsichtnahme in die Personalakten gemäß § 83 BetrVG bleibt hiervon unbenommen. 12. Schlussbestimmungen Diese Betriebsvereinbarung ersetzt die Betriebsvereinbarung . . . vom . . . Sie tritt am Tag ihrer Unterzeichnung in Kraft und kann mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung wirkt diese Vereinbarung nach. 2 Dies kann sowohl der Vertragsverstoß eines zu spät kommenden Arbeitnehmers sein als auch ein vom Arbeitgeber zu verantwortender Verstoß gegen die Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes.

1110 Bauer/Haußmann

M 37.5

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 37

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Betriebsvereinbarung zur Nutzung von Internet und E-Mail 1. Dienstliche und private Nutzung

Den Mitarbeitern folgender Abteilungen/in folgenden Funktionen . . . wird ein Internet-Zugang zur Verfügung gestellt. Dieser Internet-Zugang dient ausschließlich der Erfüllung geschäftlicher Aufgaben. Die private Nutzung des Internet-Zugangs und des E-Mail-Anschlusses ist nicht gestattet.1 2. Datenerfassung Nutzt ein Mitarbeiter den Internet- und E-Mail-Zugang, werden die dabei entstehenden äußeren Daten, insbesondere Tag, Uhrzeit, Beginn und Dauer der Verbindung einschließlich der angefallenen Gebührenbeträge sowie Adresse des Absenders und Empfängers gespeichert. Darüber hinaus werden auch personenbezogene Daten gespeichert, die zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Betriebes des Systems, aus Sicherheitsgründen oder zur Missbrauchskontrolle erfasst werden müssen.2 3. Kodierung Nachrichten mit vertraulichem Inhalt dürfen per E-Mail nur kodiert verschickt werden. Als vertraulich gelten insbesondere, aber nicht ausschließlich, Nachrichten, die personenbezogene Daten enthalten. 4. E-Mail-Nutzung [Hier lassen sich zB automatisierte Vorgangssteuerungen regeln.] Der Arbeitgeber legt ggf. Regeln fest, nach denen unerwünschte E-Mails zu löschen sind. Entsprechendes gilt für Sicherheitsanordnungen, die dem Schutz vor Viren uÄ dienen. 5. Abwesenheitsregelungen Während vorübergehender Abwesenheiten (Urlaub, Krankheit oder andere ganztägige Abwesenheiten) hat der Mitarbeiter auf geeignete Weise sicherzustellen, dass an ihn gerichtete E-Mails an einen Vertreter weitergeleitet oder – soweit ihm dies durch gesonderte Vereinbarung ausdrücklich gestattet ist – an externe Mail-Adressen weitergeleitet werden. oder Für den Fall ein- oder mehrtägiger Abwesenheiten richtet der Mitarbeiter eigenverantwortlich eine automatisierte Antwort an den Absender eingehender E-Mails ein, unter Verweis auf den zuständigen Vertreter, dessen Telefonnummer usw. 6. Überwachung und Kontrolle Die im Rahmen dieser Betriebsvereinbarung erhobenen Daten dürfen/dürfen nicht zum Zwecke der Leistungs- oder Verhaltenskontrolle herangezogen werden. Aus1 Wird die private Nutzung erlaubt, sollte der maximale Umfang festgelegt werden. Außerdem kann die Erlaubnis zur privaten Nutzung widerruflich gestaltet werden. 2 Soweit die Speicherung von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 31 BDSG gedeckt ist, ist eine gesonderte Zustimmung der Arbeitnehmer nicht erforderlich.

Bauer/Haußmann

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Kap. 37

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 37.6

drücklich zulässig ist auf der Grundlage dieser Vereinbarung die Missbrauchskontrolle und die Kontrolle, ob und ggf. in welchem Umfang unzulässigerweise eine Privatnutzung stattfand und ob der Verdacht einer Straftat besteht.3 3 Zu Verwertungsverboten vgl. BAG v. 27.3.2003 – 2 AZR 51/02, DB 2003, 2230; v. 16.12.2010 – 2 AZR 485/08, NZA 2011, 571.

37.6

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Betriebsvereinbarung „Bring your own device“

1. Diese Betriebsvereinbarung gilt für [Kreis der berechtigten Mitarbeiter genau eingrenzen]. 2. Private und geschäftliche Daten sind getrennt zu halten.1 Die Nutzung eines Endgerätes, das dem Mitarbeiter gehört, zugleich aber den Zugriff auf IT-Ressourcen des Arbeitgebers erhält, bedarf der ausdrücklichen Erlaubnis durch den Arbeitgeber und ist durch eine gesonderte gegenseitige individuelle Vereinbarung zu regeln.2 3. Werden eigene Endgeräte, insbesondere Smartphones, Notebooks oder TabletPC, am Arbeitsplatz eingesetzt, sind folgende Bestimmungen zur Trennung der Daten, zum Zugriff und zur Löschung von Daten zu beachten: (1) Eigene Endgeräte des Mitarbeiters dürfen zu dienstlichen Zwecken nur eingesetzt werden, wenn das Gerät zuvor von dem hierfür zuständigen Mitarbeiter der IT-Abteilung technisch freigegeben ist. (2) Auf dem privaten Endgerät des Mitarbeiters sind für dienstliche und private Zwecke getrennte Accounts einzurichten und dem Administratorenteam des Arbeitgebers die Zugriffskontrolle auf den dienstlich genutzten Account einzuräumen, so dass insbesondere Funktionen der Fernlöschung und -sperrung von dem Administratorenteam benutzt werden können. (3) Der Arbeitgeber erhält durch Synchronisation mit seinen eigenen Daten Zugriff auf betriebliche Daten des Mitarbeiters wie zB E-Mails, Kalendereinträge oder andere Einträge.3

1 Ohne diese Trennung ergeben sich Strafbarkeitsrisiken nach § 206 Abs. 1 und 2 Nr. 3 StGB; s. auch zur Rolle des Arbeitgebers als Diensteanbieter iSd. Telekommunikationsrechtes LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2011 – 4 Sa 2132/10, NZA-RR 2011, 342. 2 In der Individualvereinbarung empfiehlt sich auch die Regelung der Lizenzen und Nutzungsrechte an installierter Software. Nutzt der Arbeitnehmer zum Privatgebrauch entgeltfrei Anwendungen (Apps), könnte die Benutzung der Apps im Rahmen der Arbeitstätigkeit Urheberrechte verletzen und zu einer verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitgebers nach § 99 UrhG führen, vgl. Söbbing/Miller, ITRB 2012, 15. 3 Auch wenn Individualvereinbarungen über die Endgeräte geschlossen werden (vgl. dazu Ziff. 2), hat die Betriebsvereinbarung nicht nur die Funktion, zugunsten des Betriebsrates Mitbestimmungsrechte zu wahren. Sie sichert zugleich zugunsten des Arbeitgebers die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten ab und wirkt als Rechtsvorschrift iSd. § 4 Abs. 1 BDSG.

1112 Bauer/Haußmann

M 37.7

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 37

(4) Der Mitarbeiter darf dienstlich genutzte Geräte Unbefugten nicht zur Nutzung zur Verfügung stellen, auch nicht Familienmitgliedern oder in häuslicher Gemeinschaft lebenden Dritten. (5) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Verlust seines dienstlich genutzten Endgerätes dem Arbeitgeber unverzüglich zu melden und Sicherheitsvorkehrungen abzustimmen, insbesondere Sperrungen zu veranlassen [ggf. Haftung und Wartung regeln]. (6) Im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder der Freistellung von den Arbeitspflichten sind dienstliche Daten auf den Server des Arbeitgebers zu übertragen4 und nach Prüfung des Übertragungsvorgangs durch den Arbeitgeber auf dem Endgerät zu löschen. (7) [Ggf. Kontrollrechte des Arbeitgebers gestalten und begrenzen, s. dazu M 37.2 und M 37.5.] Kontrollbefugnisse stehen dem Arbeitgeber insbesondere zu, soweit gespeicherte Daten für Kontrollen von Aufsichtsbehörden relevant sind oder der Arbeitgeber die Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung und der individuellen Vereinbarung mit dem Mitarbeiter überprüft. (8) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sein Endgerät durch geeignete Passwörter vor dem Zugriff Dritter zu schützen. (9) Diese Betriebsvereinbarung regelt iSd. § 4 Abs. 1 BDSG die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten. (10) Die Kosten für die Nutzung des Gerätes trägt der Arbeitgeber anteilig nach folgender Maßgabe . . . 4 Besondere Beachtung verdienen die Daten und Dokumente, für die der Arbeitgeber gesetzliche Aufbewahrungszeiträume (§ 257 Abs. 1 HGB und § 147 Abs. 1 AO) zu beachten hat.

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Einstweilige Verfügung wegen Unterlassung der Inbetriebnahme eines EDV-Systems1 An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten (Arbeitgeber ./. Betriebsrat,3 volles Rubrum)

vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen, wegen der Dringlichkeit des Falles ohne

1 Vgl. auch die ausführlichen Erläuterungen zu M 35.7. 2 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 3 Wichtig: Sorgfältig zu prüfen ist, ob überhaupt dem örtlichen Betriebsrat das betreffende Mitbestimmungsrecht zusteht. Bei der Einführung betriebsübergreifender EDV-Systeme ist häufig die Zuständigkeit von Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat gegeben. Selbst-

Bauer/Haußmann/Diller

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37.7

Kap. 37

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 37.7

mündliche Anhörung der Beteiligten durch den Vorsitzenden allein im Wege der einstweiligen Verfügung:4 1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, das Produktionsplanungs- und -steuerungssystem . . . in Betrieb zu nehmen, in Betrieb zu halten und zu nutzen, solange das Mitbestimmungsverfahren wegen der Einführung dieses Systems nicht abgeschlossen ist, 2. hilfsweise: Der Antragsgegnerin wird untersagt, die im Zuge der Einführung und Nutzung des Produktionsplanungs- und -steuerungssystems . . . gespeicherten Daten insoweit zu nutzen und zu verwerten, als diese Daten zur Überwachung von Verhalten oder Leistungen der Arbeitnehmer geeignet sind,5 solange das Mitbestimmungsverfahren wegen der Einführung dieses Systems nicht abgeschlossen ist, 3. der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Anträgen Ziff. 1 bzw. 2 ein Ordnungsgeld bis zu Euro 10 000,– angedroht.6, 7 4. Hilfsweise: Die unter 1. bis 3. beantragte einstweilige Verfügung nach Anhörung der Beteiligten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen.

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verständlich kann dann eine einstweilige Verfügung auch nur von diesen Organen beantragt werden, nicht vom örtlichen Betriebsrat. Zur einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren allgemein s. M 107.5. Gerade bei einstweiligen Verfügungen wegen der Inbetriebnahme von EDV-Systemen stellt sich das Problem der Verhältnismäßigkeit bzw. der Interessenabwägung mit voller Schärfe. Ein bereits ganz oder teilweise installiertes und für den weiteren Geschäftsbetrieb fest eingeplantes EDV-System vollständig stillzulegen („Stecker rausziehen“), kann das Unternehmen an den Rand des Ruins bringen. Die Interessen von Arbeitgeber und Betriebsrat sind dagegen häufig nicht sehr bedeutsam. Während zB bei der Installierung von Personal-Informationssystemen (PAISY) die Erhebung von Arbeitnehmerdaten gerade der Sinn des Systems ist, beabsichtigt der Arbeitgeber bei anderen EDV-Systemen wie zB einem Produktionsplanungssystem meist überhaupt nicht, die unvermeidlich anfallenden Daten über das Verhalten und die Leistung einzelner Arbeitnehmer (zB Stückzahlen pro Schicht) in irgendeiner Weise zur Leistungsoder Verhaltenskontrolle zu nutzen. Gleichwohl reicht nach der Rechtsprechung bereits die abstrakte Eignung des Systems zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle aus, um das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG eingreifen zu lassen. Nach richtiger Auffassung wäre es mit Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vereinbar, hier im Sinne des Antrags Ziff. 1 die Inbetriebnahme des Systems vollständig zu untersagen (schon gar nicht könnte eine solche Verfügung ohne mündliche Verhandlung erlassen werden). Richtigerweise sollte sich deshalb die einstweilige Verfügung auf den Hilfsantrag (Untersagung der Nutzung und Verarbeitung der Daten) beschränken (ausführlich dazu Olderog, NZA 1985, 760; Konzen, NZA 1995, 865; Richardi, NZA 1995, 11). Die Zwangsmittelandrohung nach § 890 ZPO kann nach allgemeiner Ansicht (statt aller Zöller/ Stöber, § 890 ZPO Rz. 12a) mit dem Antrag im Erkenntnisverfahren verbunden werden. Der besondere Unterlassungsanspruch nach § 23 BetrVG, der grobes Verschulden des Arbeitgebers voraussetzt, begrenzt das mögliche Ordnungsgeld auf Euro 10 000,– und sieht keine Ordnungshaft vor. Es ist deshalb anerkannt, dass zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die Ordnungsmittel zur Durchsetzung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs nicht strenger sein dürfen (BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 71/09, NZA 2011, 174). Das schließt die Verhängung von Ordnungshaft ebenso wie ein Euro 10 000,– übersteigendes Ordnungsgeld aus.

1114 Diller

M 37.7

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 37

Begründung: Die Antragsgegnerin betreibt in . . . eine . . . Der Antragsteller ist der im Betrieb . . . gebildete Betriebsrat. Die Antragsgegnerin plant seit langem, die Produktionsabläufe sowie den Waren- und Materialfluss durch ein Produktionsplanungs- und -steuerungssystem zu verbessern. Diese Planungen sind ohne Einschaltung des Antragstellers durchgeführt worden. Im . . . hat sich offenbar die Antragsgegnerin dazu entschlossen, das System per . . . (Datum) einzuführen. Der Antragsteller hat erst in der vergangenen Woche durch Zufall vom Leiter der Materialwirtschaft erfahren, dass die Verträge mit dem Systemanbieter bereits verbindlich unterzeichnet sind und das System kurzfristig eingeführt werden soll. Die ersten Teile des Systems sollen bereits ab der kommenden Woche installiert werden. Der Antragsteller hat sich inzwischen vom Programmanbieter eine Kurzbeschreibung des Programms beschafft. Es hat sich gezeigt, dass das Programm in vielfältiger Weise Daten aufzeichnet, die geeignet sind, das Verhalten oder die Leistungen der Arbeitnehmer in der Produktion zu überwachen (wird ausgeführt). Der Antragsteller hat sich deshalb an die Antragsgegnerin gewandt und verlangt, dass vor Installierung des Programms im Hinblick auf das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verhandelt wird. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des Antragstellers an die Geschäftsleitung vom . . ., Anlage AS 1 Die Geschäftsführung hat jedoch lapidar mitgeteilt, die Einführung des Programms sei nicht mitbestimmungspflichtig und werde wie geplant kurzfristig erfolgen. Der Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung ist geboten. Der Verfügungsanspruch besteht unzweifelhaft. Da das einzuführende Programm zur Überwachung von Verhalten und Leistung von Arbeitnehmern geeignet ist, fällt seine Einführung unter den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (BAG v. 3.5.1994, AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG; v. 6.12.1994, NZA 1995, 488; v. 23.7.1996, NZA 1997, 274; v. 25.2.1997, NZA 1997, 955) hat der Betriebsrat einen Anspruch auf Unterlassung mitbestimmungswidriger einseitiger Maßnahmen des Arbeitgebers, der auch im einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt werden kann. Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass unzweifelhaft Eile geboten ist. Die Einführung des Programms soll in den nächsten ein bis zwei Wochen beginnen, von Anfang an werden dabei unvermeidlich leistungs- und verhaltensbezogene Arbeitnehmerdaten gespeichert. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren käme also zu spät. Der Hilfsantrag Ziff. 2 wird für den Fall gestellt, dass das Arbeitsgericht die unter Ziff. 1 beantragte einstweilige Verfügung für zu weit gehend hält. Wenn schon nicht die Einführung des Systems als solches verhindert werden kann, muss der Antragsgegnerin jedenfalls aufgegeben werden, die mit dem Programm gewonnenen arbeitnehmerbezogenen Daten in keiner Weise zu verwerten, bevor die Mitbestimmungsrechte des Antragstellers gewahrt sind. Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des Vorsitzenden des Antragstellers, Anlage AS 2 Diller

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Kap. 38

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

... (Unterschrift)8 8 Der Streitwert richtet sich richtigerweise nach der wirtschaftlichen Bedeutung der zu untersagenden Maßnahme (LAG München v. 7.12.1995, LAGE § 8 BRAGO Nr. 29).

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Kapitel 38

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Sozialeinrichtungen

Literaturübersicht: Bachmann, Mitbestimmung bei Umstrukturierung betrieblicher Sozialeinrichtungen, NZA 2002, 1136; Gumpert, Mitbestimmung bei der Umstellung von Werkskantinen auf Automatenverpflegung, BB 1978, 968; Hanau, Neuerungen in der Mitbestimmung über Sozialeinrichtungen, insbesondere der Altersversorgung, BB 1973, 1274; Heither, Die Rechtsprechung des BAG zur Beteiligung des Betriebsrats bei Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung, DB 1991, 700; Hiersemann, Die Mitbestimmung bei Sozialeinrichtungen und im Werkwohnungswesen, BB 1973, 850; Jahnke, Die Mitbestimmung des Betriebsrats auf dem Gebiet der betrieblichen Sozialleistungen, ZfA 1980, 863; Moll, Die Mitbestimmung des Betriebsrats beim Entgelt, 1977; Richardi, Mitbestimmung des Betriebsrats bei Sozialleistungen des Arbeitgebers, in: In memoriam Sir Otto Kahn-Freund, 1980, S. 247; Schirdewahn, Mitbestimmung bei Arbeitgeberdarlehen aus laufenden Mitteln?, BB 1980, 891.

I. Einführung S. auch Einf. Kap. 35 Rz. 1–4. 1

Eine Sozialeinrichtung setzt ein abgrenzbares zweckgebundenes Sondervermögen1 voraus. Dem Betriebsrat steht das Mitbestimmungsrecht nur zu, solange der Arbeitgeber freiwillige Leistungen erbringt. Nicht mitbestimmungspflichtig ist die Entscheidung über die Einstellung oder Milderung der Mittel.2 Mitbestimmungspflichtig als Ausgestaltung der Sozialeinrichtung ist die Aufstellung von Grundsätzen, nach denen die vom Arbeitgeber (mitbestimmungsfrei) zur Verfügung gestellten Mittel den Arbeitnehmern zugewendet werden sollen. Kürzt der Arbeitgeber die Mittel, müssen die gekürzten Mittel nach einem neuen Leistungsplan verteilt werden, der wieder mitbestimmungspflichtig ist.3 Dem Betriebsrat steht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bei Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen zu. Die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 und 10 BetrVG stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang. Grundtatbestand ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Aba. 1 Nr. 10 BetrVG; es bezieht sich auf alle geldwerten Leistungen, auch auf soziale Leistungen. Der Betriebsrat hat nicht mitzubestimmen in der Frage der finanziellen Ausstattung, wohl aber bei der Aufstellung der Verteilungsgrundsätze.4 1 2 3 4

BAG v. 10.2.2009 – 1 ABR 94/07, NZA 2009, 562. BAG v. 9.7.1985 – 1 AZR 631/80, DB 1986, 230. BAG v. 26.4.1988 – 3 AZR 168/86, BB 1988, 2249. Fitting, § 87 BetrVG Rz. 351, 361 mwN.

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Kap. 38

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

... (Unterschrift)8 8 Der Streitwert richtet sich richtigerweise nach der wirtschaftlichen Bedeutung der zu untersagenden Maßnahme (LAG München v. 7.12.1995, LAGE § 8 BRAGO Nr. 29).

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Kapitel 38

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Sozialeinrichtungen

Literaturübersicht: Bachmann, Mitbestimmung bei Umstrukturierung betrieblicher Sozialeinrichtungen, NZA 2002, 1136; Gumpert, Mitbestimmung bei der Umstellung von Werkskantinen auf Automatenverpflegung, BB 1978, 968; Hanau, Neuerungen in der Mitbestimmung über Sozialeinrichtungen, insbesondere der Altersversorgung, BB 1973, 1274; Heither, Die Rechtsprechung des BAG zur Beteiligung des Betriebsrats bei Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung, DB 1991, 700; Hiersemann, Die Mitbestimmung bei Sozialeinrichtungen und im Werkwohnungswesen, BB 1973, 850; Jahnke, Die Mitbestimmung des Betriebsrats auf dem Gebiet der betrieblichen Sozialleistungen, ZfA 1980, 863; Moll, Die Mitbestimmung des Betriebsrats beim Entgelt, 1977; Richardi, Mitbestimmung des Betriebsrats bei Sozialleistungen des Arbeitgebers, in: In memoriam Sir Otto Kahn-Freund, 1980, S. 247; Schirdewahn, Mitbestimmung bei Arbeitgeberdarlehen aus laufenden Mitteln?, BB 1980, 891.

I. Einführung S. auch Einf. Kap. 35 Rz. 1–4. 1

Eine Sozialeinrichtung setzt ein abgrenzbares zweckgebundenes Sondervermögen1 voraus. Dem Betriebsrat steht das Mitbestimmungsrecht nur zu, solange der Arbeitgeber freiwillige Leistungen erbringt. Nicht mitbestimmungspflichtig ist die Entscheidung über die Einstellung oder Milderung der Mittel.2 Mitbestimmungspflichtig als Ausgestaltung der Sozialeinrichtung ist die Aufstellung von Grundsätzen, nach denen die vom Arbeitgeber (mitbestimmungsfrei) zur Verfügung gestellten Mittel den Arbeitnehmern zugewendet werden sollen. Kürzt der Arbeitgeber die Mittel, müssen die gekürzten Mittel nach einem neuen Leistungsplan verteilt werden, der wieder mitbestimmungspflichtig ist.3 Dem Betriebsrat steht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bei Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen zu. Die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 und 10 BetrVG stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang. Grundtatbestand ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Aba. 1 Nr. 10 BetrVG; es bezieht sich auf alle geldwerten Leistungen, auch auf soziale Leistungen. Der Betriebsrat hat nicht mitzubestimmen in der Frage der finanziellen Ausstattung, wohl aber bei der Aufstellung der Verteilungsgrundsätze.4 1 2 3 4

BAG v. 10.2.2009 – 1 ABR 94/07, NZA 2009, 562. BAG v. 9.7.1985 – 1 AZR 631/80, DB 1986, 230. BAG v. 26.4.1988 – 3 AZR 168/86, BB 1988, 2249. Fitting, § 87 BetrVG Rz. 351, 361 mwN.

1116 Diller/Bauer/Haußmann

M 38.1

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

II. Muster

Kap. 38

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Sozialfonds – Betriebsvereinbarung

Die . . .-GmbH – nachstehend auch Gesellschaft genannt – richtet einen Sozialfonds ein, der der Unterstützung von Mitarbeitern in persönlichen Notlagen dient. 1. Geltungsbereich Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Unternehmen der . . .-Gruppe. Anspruch auf eine Unterstützung im Notfall haben alle Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt des eingetretenen Notfalls mehr als sechs Monate in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen. 2. Träger des Sozialfonds Die . . .-GmbH ist Träger des Sozialfonds. 3. Höhe des Sozialfonds 3.1 Die . . .-GmbH gründet den Sozialfonds mit einem Startkapital von Euro . . ., das die . . .-GmbH auf einem Geschäftskonto bereitstellt. 3.2 In den Folgejahren leistet die Gesellschaft jährlich zu Beginn des Jahres einen weiteren Zuschuss. Nach Ablauf der ersten zwei Jahre werden Gesamtbetriebsrat und Geschäftsführung über die Höhe des Zuschusses für die nächsten zwei Jahre verhandeln. Kommt keine Einigung über die Höhe des Zuschusses zustande, wird mindestens ein Zuschuss von Euro . . . weiter gewährt. 3.3 Für den Fall einer schlechten wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft kann der Zuschuss vermindert oder für ein Jahr ganz ausgesetzt werden. Die schlechte wirtschaftliche Situation ist dem Gesamtbetriebsrat unter Vorlage objektiver Daten frühzeitig nachzuweisen. 3.4 Für die Gesellschaft besteht im laufenden Geschäftsjahr keine Nachschusspflicht zum Zuschuss. Alle auf das Fondskapital entfallenden Kapitalzinsen werden dem Sozialfonds gutgeschrieben. 3.5 Unverbrauchte Restbeträge des Sozialfonds werden in das Folgejahr übertragen, sie kürzen nicht den Zuschuss der Gesellschaft. 4. Höhe der Unterstützung aus dem Sozialfonds 4.1 Die Höhe der Unterstützung hängt vom Einzelfall ab und ist individuell unter Berücksichtigung des dem Betroffenen entstandenen Schadens und der persönlichen Situation des Mitarbeiters vom Sozialfondsausschuss festzulegen. 4.2 Grundsätzlich soll der Betrag von insgesamt Euro 500,– pro Jahr und Antragsteller nicht überschritten werden. 4.3 Unterstützungen von dritter Seite (Krankenkasse, Berufsgenossenschaft, private Unfallversicherung, Versicherung eines eventuellen Schädigers) sind bei der Höhe der Notfallunterstützung zu berücksichtigen. Die Unterstützungen von dritter Seite sind vom Antragsteller anzugeben. 4.4 Die Beträge werden im Rahmen der Lohnsteuerrichtlinien gewährt. Bauer/Haußmann

1117

38.1

Kap. 38

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 38.1

5. Notfälle 5.1 Notfälle iSd. Betriebsvereinbarung sind alle Personen- und Sachschäden, die den Mitarbeiter zu Ausgaben zwingen, die die überwiegende Mehrzahl der in den gleichen Verhältnissen lebenden Mitarbeiter nicht hat. Ausgeschlossen sind Schäden, die vom Geschädigten grob fahrlässig verursacht worden sind. 5.2 Zu den Notfällen zählen insbesondere: – Wiederbeschaffung von Hausrat oder Kleidung nach unabwendbaren Ereignissen wie zB Brand, Diebstahl, Hochwasser, Unwetter oder sonstigen Ereignissen auf Grund höherer Gewalt, – Beteiligungen an Heilkosten, insbesondere bei Zahnersatz, Pflegehilfen und medizinischen Hilfsgeräten, – Todesfall eines Mitgliedes der Familie des Mitarbeiters, – Betriebsunfälle mit Dauerfolgen. 5.3 Diese Aufzählung ist nicht abschließend. 6. Sozialfondsausschuss Der Sozialfondsausschuss setzt sich aus fünf Mitgliedern zusammen. Drei werden vom Gesamtbetriebsrat, zwei von der Gesellschaft benannt. Die Benennungsperiode entspricht der Wahlperiode des Betriebsrates. Bei den von der Gesellschaft zu benennenden Mitgliedern ist ein Mitglied aus dem Bereich des Personalwesens zu benennen. Aus den Reihen der Mitglieder des Sozialfondsausschusses ist für den Zeitpunkt seiner Wahlperiode ein Vorsitzender zu wählen. Dieser beruft die Sitzungen ein. 7. Vergabe 7.1 Nach Abwägung aller Umstände, die den Einzelfall betreffen, wird die Höhe des Zuschusses im Wege der Abstimmung mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen. Über die Entscheidung ist jeweils ein Protokoll zu führen. 7.2 Der Vergabebeschluss des Ausschusses ist abschließend und unanfechtbar, soweit nicht von der . . .-GmbH ein Widerspruch wegen Verstoßes gegen die steuerrechtlichen Regeln erhoben wird. Alle Zahlungen an die Mitarbeiter sind freiwillig. Erhaltene Zahlungen begründen keinen Anspruch für die Zukunft. 8. Antragstellung 8.1 Der Antrag auf Zahlung einer Unterstützung aus dem Sozialfonds ist vom Arbeitnehmer schriftlich unter Angabe aller erforderlichen Daten und Beifügung von Unterlagen dem Sozialfondsausschuss einzureichen. 8.2 Zur Vereinfachung der Abwicklung wird ein Formular entwickelt, das in den Betrieben zur Verfügung steht. Sollten noch zusätzliche Daten für die Entscheidung des Ausschusses notwendig werden, so sind diese von der Personalbuchhaltung oder anderen Stellen der Gesellschaft beizubringen. Der Ausschuss verpflichtet sich hiermit ausdrücklich zur Einhaltung aller Bestimmungen aus dem Datenschutzgesetz. 8.3 Der Antragsteller befreit nur für den jeweiligen Einzelfall die entsprechenden Abteilungen von der Wahrung des Datenschutzgesetzes gegenüber dem Sozialfondsausschuss. Eine entsprechende Befreiungsklausel ist im Antragsformular zu vermerken. 1118 Bauer/Haußmann

M 38.2

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 38

8.4 Der Ausschuss entscheidet innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Antrages. Die festgelegte Unterstützung wird innerhalb einer Woche nach Festlegung des Betrages per Scheck oder Überweisung ausgezahlt. 9. Aufbewahrung der Entscheidungsunterlagen Die vom Arbeitnehmer bereitgestellten Unterlagen sind diesem nach Abschluss der Entscheidung wieder zurückzugeben. Entscheidungsrelevante Daten und Unterlagen werden kopiert und sind in der Personalakte aufzubewahren. Das Protokoll über die Entscheidung verbleibt beim Ausschuss und ist von diesem datensicher aufzubewahren. 10. Rechenschaft Über die Leistungen aus dem Sozialfonds hat der Ausschuss Buch zu führen und der Gesellschaft am Ende eines jeden Geschäftsjahres Rechenschaft abzulegen. 11. Inkrafttreten und Kündigung Diese Betriebsvereinbarung tritt am . . . in Kraft und ist erstmals mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende . . . kündbar. Für den Fall einer Kündigung wirkt diese Betriebsvereinbarung nicht nach.1 1 Fehlt eine solche Klarstellung, so wirkt die teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung über freiwillige Leistungen gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach, wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung beabsichtigt, das zur Verfügung gestellte Volumen zu reduzieren und den Verteilungsschlüssel zu ändern (BAG v. 26.10.1993 – 1 AZR 46/93, NZA 1994, 572).

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Betriebsvereinbarung zu Konzern-Mitarbeiterdarlehen 1. Zweck

Zweck dieser Vereinbarung ist die Feststellung von Richtlinien für die Vergabe von Darlehen an Mitarbeiter der Konzernunternehmen der . . . AG. 2. Antragsberechtigung Antragsberechtigt ist jeder Mitarbeiter nach Ablauf einer sechsmonatigen Beschäftigung, sofern sein Arbeitsverhältnis unbefristet und ungekündigt besteht. 3. Form der Beantragung Mitarbeiterdarlehen müssen mit dem anliegenden Formular unter Angabe einer schriftlichen Begründung beantragt werden. Das Formular ist Gegenstand dieser Betriebsvereinbarung.

Bauer/Haußmann

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Kap. 38

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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4. Darlehen zur Wohnraumbeschaffung 4.1 Darlehen zur Wohnraumbeschaffung dienen ausschließlich dem bevorstehenden erstmaligen Erwerb von andauernd eigengenutztem Wohnraum für den Mitarbeiter und seine Familie. 4.2 Darlehen zur Wohnraumbeschaffung können zurzeit bis zur Höhe eines halben Jahresbruttoeinkommens (Monatslohn/-gehalt × 12 zuzüglich letzte Jahresabschlussvergütung/ähnliche Zahlung) beantragt werden. Die Darlehen werden zurzeit bis zu einem Betrag von Euro . . . mit . . . p.a., über Euro . . . mit . . . p.a. verzinst. Das Darlehen ist innerhalb von . . . Jahren durch monatliche oder jährliche Beträge zurückzuzahlen. 4.3 Die Gewährung eines Darlehens zur Wohnraumbeschaffung setzt die Stellung einer dinglichen oder vergleichbaren Sicherheit voraus. Eine Revolvierung des Darlehens ist ausgeschlossen. 5. Personaldarlehen 5.1 Personaldarlehen dienen ausschließlich der Anschaffung von notwendigem Hausrat, zur Renovierung von Wohnungen, zur Finanzierung von Umzügen und zur Unterstützung in Fällen unverschuldeter Not bei finanziellen Schwierigkeiten. 5.2 Personaldarlehen können zurzeit bis zur Höhe von Euro . . ., in besonderen Ausnahmefällen bis zur Höhe von Euro . . ., beantragt werden. Die Darlehen werden zurzeit mit . . . p.a. verzinst. Das Darlehen ist innerhalb von . . . Jahren in monatlichen Beträgen zurückzuzahlen. 6. Gewährung Mitarbeiterdarlehen werden unter Berücksichtigung der individuellen finanziellen Verhältnisse des Antragstellers gewährt. Die Vergabe bzw. Ablehnung beantragter Darlehen erfolgt im Einvernehmen mit den örtlichen Betriebsräten. 7. Rückzahlung bei Ausscheiden des Mitarbeiters Mitarbeiterdarlehen sind im Falle des Ausscheidens des Mitarbeiters spätestens mit dem Ausscheiden in Höhe der Restschuld des Darlehens zuzüglich Zinsen zurückzuzahlen. In Sonderfällen können individuelle Rückzahlungsvereinbarungen in einem Aufhebungsvertrag getroffen werden.1 8. Änderung der Bedingungen Es besteht Einvernehmen darüber, dass die derzeitigen Bedingungen der Mitarbeiterdarlehen (Darlehenshöhe, Zinsen, Laufzeit, Genehmigungsverfahren etc.) unter Berücksichtigung der zu erwartenden Zahl der Antragsteller, der allgemeinen Kreditbedingungen der Banken und der wirtschaftlichen Lage der betroffenen Unternehmen jederzeit für die Zukunft geändert werden können. Insbesondere besteht kein Rechtsanspruch des Mitarbeiters auf Gewährung eines Mitarbeiterdarlehens.

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Wichtig: In der Personalverwaltung ist sicherzustellen, dass bei jeder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geprüft wird, ob Rückforderungen geltend gemacht werden und/oder ob solche Ansprüche zB mit einer Erledigungsklausel ausgeschlossen werden!

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 39

9. Steuerliche Auswirkungen Sofern die Darlehensvergabe steuerrechtlich zu berücksichtigen ist, geht dies zu Lasten des Darlehensnehmers. 10. Inkrafttreten und Kündigung Diese Vereinbarung tritt zum . . . in Kraft und kann beiderseits mit einer Frist von drei Monaten jeweils zum Ende des Kalenderjahres gekündigt werden. Die im Falle einer Kündigung dieser Betriebsvereinbarung bereits zugesagten oder gewährten Darlehen werden zu den Bedingungen dieser Betriebsvereinbarung fortgewährt.

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Kapitel 39

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebsordnung

Literaturübersicht: Ehler, Mitbestimmung des Betriebsrats bei so genannten Krankengesprächen, BB 1992, 1926; Galperin, Die betriebliche Ordnung, RdA 1955, 260; Harmsen, Die Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG bei Stellenbeschreibungen, BB 1980, 1219; Hromadka, Arbeitsordnung und Arbeitsverfassung, ZfA 1979, 203; Kania, Die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung, DB 1996, 374; Kraft, Sanktionen im Arbeitsverhältnis, NZA 1989, 777; Leßmann, Rauchverbote am Arbeitsplatz, 1991; Liebers, Radiohören im Betrieb, DB 1987, 2256; Löwisch, Der Erlass von Rauchverboten zum Schutz von Passivrauchern am Arbeitsplatz, DB Beilage 1/1979; Mengel/Hagemeister, Compliance und arbeitsrechtliche Implementierung im Unternehmen, BB 2007, 1386.

I. Einführung 1. Umfang der Mitbestimmung S. auch Einf. Kap. 35 Rz. 1–4. Sog. Arbeits- oder Betriebsordnungen, zT auch als Personalhandbücher bezeichnet, regeln häufig zusammenfassend alle wesentlichen Arbeitsbedingungen. Solche Regelungen sind nicht hinsichtlich jedes einzelnen Gegenstandes mitbestimmungspflichtig.

1

Als unzulässig werden Betriebsvereinbarungen angesehen, die nur einzelne konkrete Arbeitsverhältnisse betreffen. Auch kann nicht in bereits fällige Einzelansprüche von Arbeitnehmern eingegriffen werden. In bestimmten Grenzen können auch Regelungen zuungunsten der Arbeitnehmer durch Betriebsvereinbarungen erfolgen; insbesondere können den Arbeitnehmern bestimmte Pflichten auferlegt werden, im Be-

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Bauer/Haußmann

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 39

9. Steuerliche Auswirkungen Sofern die Darlehensvergabe steuerrechtlich zu berücksichtigen ist, geht dies zu Lasten des Darlehensnehmers. 10. Inkrafttreten und Kündigung Diese Vereinbarung tritt zum . . . in Kraft und kann beiderseits mit einer Frist von drei Monaten jeweils zum Ende des Kalenderjahres gekündigt werden. Die im Falle einer Kündigung dieser Betriebsvereinbarung bereits zugesagten oder gewährten Darlehen werden zu den Bedingungen dieser Betriebsvereinbarung fortgewährt.

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Kapitel 39

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebsordnung

Literaturübersicht: Ehler, Mitbestimmung des Betriebsrats bei so genannten Krankengesprächen, BB 1992, 1926; Galperin, Die betriebliche Ordnung, RdA 1955, 260; Harmsen, Die Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG bei Stellenbeschreibungen, BB 1980, 1219; Hromadka, Arbeitsordnung und Arbeitsverfassung, ZfA 1979, 203; Kania, Die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung, DB 1996, 374; Kraft, Sanktionen im Arbeitsverhältnis, NZA 1989, 777; Leßmann, Rauchverbote am Arbeitsplatz, 1991; Liebers, Radiohören im Betrieb, DB 1987, 2256; Löwisch, Der Erlass von Rauchverboten zum Schutz von Passivrauchern am Arbeitsplatz, DB Beilage 1/1979; Mengel/Hagemeister, Compliance und arbeitsrechtliche Implementierung im Unternehmen, BB 2007, 1386.

I. Einführung 1. Umfang der Mitbestimmung S. auch Einf. Kap. 35 Rz. 1–4. Sog. Arbeits- oder Betriebsordnungen, zT auch als Personalhandbücher bezeichnet, regeln häufig zusammenfassend alle wesentlichen Arbeitsbedingungen. Solche Regelungen sind nicht hinsichtlich jedes einzelnen Gegenstandes mitbestimmungspflichtig.

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Als unzulässig werden Betriebsvereinbarungen angesehen, die nur einzelne konkrete Arbeitsverhältnisse betreffen. Auch kann nicht in bereits fällige Einzelansprüche von Arbeitnehmern eingegriffen werden. In bestimmten Grenzen können auch Regelungen zuungunsten der Arbeitnehmer durch Betriebsvereinbarungen erfolgen; insbesondere können den Arbeitnehmern bestimmte Pflichten auferlegt werden, im Be-

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Kap. 39

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

reich der Ordnung des Betriebes durch Rauchverbote, Torkontrollen usw. § 77 Abs. 3 BetrVG bestimmt, dass Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. § 77 Abs. 3 BetrVG dient zur Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie sowie der Erhaltung und Stärkung der Funktionsfähigkeit der Koalition.1 Unter sonstigen Arbeitsbedingungen sind alle Regelungen zu verstehen, die Gegenstand der Inhaltsnormen eines Tarifvertrags sein können. Unter diesen Begriff fallen deshalb sowohl formelle als auch materielle Arbeitsbedingungen. Zu den Inhaltsnormen eines Tarifvertrags, die bei Bestehen eines Tarifvertrags oder Tarifüblichkeit eine Betriebsvereinbarung ausschließen, gehören neben dem Arbeitsentgelt insbesondere auch Fragen der Dauer der täglichen Arbeitszeit, des Urlaubs und der Urlaubsgewährung sowie Regelungen über Zeit, Ort und Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts.

2. Einzelfälle 3

Mitbestimmungspflichtig sind nach der Rechtsprechung2 formalisierte Krankengespräche zur Aufklärung eines überdurchschnittlichen Krankenstandes. Ebenso mitbestimmungspflichtig sind Formulare zur Bescheinigung der Notwendigkeit von Arztbesuchen.3 In der Praxis häufig geregelt werden Nichtraucherschutz, betriebliche Alkoholverbote und die Benutzung betrieblicher Parkplätze. Verhaltensregeln, sog. Ethikregeln oder Codes of Conduct, lösen teilweise Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG aus,4 verweisen sie auf EDV-technisch unterstützte „Whistleblowing-Hotlines“ (M 70.1) auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, s. dazu 5. Teil Datenschutz/Compliance.

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Abzugrenzen sind Angelegenheiten der betrieblichen Ordnung vom Verhalten bei der Arbeitsleistung selbst.5 Dabei ist der objektive Regelungszweck entscheidend. Abmahnungen des Arbeitgebers wegen Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages sind mit Betriebsbußen nicht zu sanktionieren.6 Dagegen ist die Betriebsbuße mitbestimmungspflichtig, die sich gegen einen Verstoß gegen die kollektive betriebliche Ordnung richtet.7

1 2 3 4

So auch BAG v. 22.5.1979 – 1 ABR 100/77, AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972. BAG v. 8.11.1994 – 1 ABR 22/94, BB 1995, 1188. BAG v. 21.1.1997 – 1 ABR 53/96, BB 1997, 1690. LAG Düsseldorf v. 14.11.2005 – 10 TaBV 46/05, NZA-RR 2006, 81 (sog. Wal-Mart-Entscheidung). 5 BAG v. 11.6.2002 – 1 ABR 46/01, BB 2003, 50. 6 BAG v. 22.2.1978 – 5 AZR 801/76, BB 1978, 1167. 7 BAG v. 30.1.1979 – 1 AZR 342/76, BB 1979, 1451.

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Kap. 39

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

II. Muster

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Arbeitsordnung1 I. Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses

1. Fragen bei der Arbeitsaufnahme und Änderungen während des Arbeitsverhältnisses Wir bitten Sie, alle notwendigen Fragen, die das Arbeitsverhältnis betreffen, vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten. Bitte teilen Sie uns auch alle für das Arbeitsverhältnis bedeutsamen Veränderungen Ihrer persönlichen Verhältnisse, gegebenenfalls unter Vorlage der entsprechenden Bescheinigungen, unaufgefordert mit. Hierzu gehören auch besondere Rechte, zB nach dem Schwerbehindertenrecht oder Mutterschutzgesetz. Selbstverständlich werden wir Ihre Angaben vertraulich behandeln. 2. Wohnungswechsel Ist ein Wohnungswechsel nicht gemeldet, so gelten unsere Mitteilungen an die uns zuletzt gemeldete Anschrift auch dann als zugegangen, wenn sie als unzustellbar zurückkommen. 3. Ärztliche Untersuchung Die Tätigkeit in unserem Unternehmen setzt eine gesundheitliche Eignung für den entsprechenden Arbeitsplatz voraus. Deshalb müssen Sie sich einer für Sie kostenlosen Untersuchung durch unseren Betriebsarzt unterziehen. II. Allgemeines 1. Jeder Mitarbeiter ist verpflichtet, – die ihm übertragenen Aufgaben nach den Weisungen des Vorstandes oder der von ihm bestellten Vorgesetzten gewissenhaft und nach bestem Können unter Beachtung des geltenden Rechts und der Unfallverhütungsvorschriften zu erfüllen; – im Rahmen des Zumutbaren auch außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit Arbeiten zu verrichten, die für den störungsfreien Betriebsablauf erforderlich sind, wenn dafür eine ausdrückliche Anweisung vorliegt; – während der Arbeitszeit nur die ihm übertragenen Arbeiten zu erledigen; – bei Vorliegen wichtiger betrieblicher oder persönlicher Gründe einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens anzunehmen; – den Anordnungen der mit Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben beauftragten Personen im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu folgen; – die Bestimmungen der Hausordnungen der Betriebsteile einzuhalten; – weder Geschenke noch andere Vorteile von Personen oder Firmen zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, die zu . . . eine Geschäftsverbindung an1 Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen. Ob eine Arbeitsordnung überhaupt oder einzelne Regelungen des Vorschlages sinnvoll sind, muss im Einzelfall entschieden werden.

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Kap. 39

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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streben oder unterhalten. Dies gilt nicht für übliche Gelegenheits- oder Werbegeschenke von geringem Wert. 2. Nebenbeschäftigung Die Aufnahme einer erwerbsmäßigen Nebenarbeit darf nicht zu einer Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen, insbesondere der Arbeitsleistung im Betrieb führen. Sie bedarf der Zustimmung des Unternehmens, sofern die Nebenbeschäftigung von erheblicher Bedeutung ist. Für Veröffentlichungen und Vorträge grundsätzlichen Inhalts auf dem Gebiet der . . . ist die Zustimmung des Vorstands erforderlich. Die Annahme von Ehrenämtern und ähnlichen Aufgaben, sofern sie das Arbeitsverhältnis beeinträchtigen können, ist dem Vorgesetzten bekannt zu geben und bedarf der Zustimmung des Vorstands, sofern keine staatsbürgerliche Verpflichtung vorliegt. 3. Geheimhaltungspflicht Jeder Mitarbeiter hat über betriebliche Angelegenheiten vertraulicher Art Stillschweigen zu bewahren. Dies gilt insbesondere für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis anvertraut oder sonst bekannt wurden. 4. Gegenseitige Achtung Ihre Vorgesetzten sind verpflichtet, Sie gerecht und korrekt zu behandeln und etwa notwendige Kritik in sachlicher, nicht verletzender Form auszusprechen. Wir erwarten auch von Ihnen, dass Sie sich Ihren Vorgesetzten gegenüber in gleicher Form verhalten. 5. Klärung von Fragen und Beschwerden Bei Fragen oder Beschwerden, die Ihren Arbeitsbereich betreffen, wenden Sie sich bitte an Ihren Vorgesetzten, die Personalabteilung oder Ihren Betriebsrat. III. Arbeitszeit 1. Die Arbeitstage sowie Beginn oder Ende der regelmäßigen Arbeitszeit und der Pausen werden im Einvernehmen mit dem (Gesamt-)Betriebsrat festgelegt. Das Gleiche gilt für Arbeitszeitänderungen; sie sind jeweils rechtzeitig bekannt zu geben. 2. Unbezahlter Urlaub Falls Sie einmal aus einem bestimmten Anlass unbezahlten Urlaub benötigen, holen Sie die Zustimmung Ihres unmittelbaren Vorgesetzten ein und beantragen Sie ihn möglichst frühzeitig. Unbezahlter Urlaub kann nur durch den Leiter der Hauptabteilung Personal- und Sozialwesen genehmigt werden. 3. Arbeitsbefreiung Wenn Sie Ihre Arbeit aus einem der nachstehend genannten Anlässe versäumen müssen, erhalten Sie Ihre Vergütung in folgenden Fällen weiterbezahlt für: – einen Arbeitstag bei schwerer Erkrankung in der Familie mit Ausnahme des Personenkreises, für den eine tarifvertragliche Regelung besteht (ärztliche Bescheinigung ist vorzulegen); – die benötigte Zeit zum Blutspenden. 1124 Bauer/Haußmann

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 39

IV. Arbeitsentgelt 1. Vergütung Die Höhe des Arbeitsentgelts für Ihre Tätigkeit richtet sich nach dem für das Unternehmen geltenden Tarifvertrag. 2. Abrechnungszeitraum und -verfahren Abrechnungszeitraum ist für alle Mitarbeiter der Kalendermonat. Um einen reibungslosen Ablauf der Gehalts- und Lohnabrechnung zu gewährleisten, bitten wir Sie, den Abrechnungsstellen Änderungen Ihrer Bankverbindung mitzuteilen. Das Arbeitsentgelt wird so rechtzeitig überwiesen, dass es spätestens am vereinbarten Zahlungstermin auf dem angegebenen Konto zur Verfügung steht. 3. Die Abrechnung für Ihre Vergütung erhalten Sie jeweils über Ihre Abteilung zugestellt. Vergleichen Sie bitte stets den überwiesenen Betrag mit der Abrechnung und teilen Sie etwaige Unstimmigkeiten sofort der Abrechnungsstelle mit. Einsprüche gegen die rechnerische Richtigkeit der Abrechnung müssen Sie unverzüglich bei der Gehalts- oder Lohnabrechnung geltend machen. 4. Einkommensabtretungen und Pfändungen Abtretungen Ihrer Vergütungsansprüche werden grundsätzlich nicht anerkannt, es sei denn, dass der Leiter der Hauptabteilung Personal- und Sozialwesen zugestimmt hat. Durch die Bearbeitung von Einkommensabtretungen und Pfändungen entstehen bei den Abrechnungsstellen zusätzliche Verwaltungskosten, die dem Arbeitnehmer mit 5 %2 des zu überweisenden Betrages berechnet werden können. 5. Lohnabtretung bei Verschulden Dritter Ist die Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters auf ein ersatzpflichtiges Verhalten eines Dritten zurückzuführen und wird von uns für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit die Vergütung weiterbezahlt oder werden betriebliche Leistungen im Krankheitsfalle gewährt, so ist der Mitarbeiter verpflichtet, seine Ansprüche insoweit an uns abzutreten. V. Soziale Leistungen und andere betriebliche Regelungen Im Anhang führen wir soziale Leistungen und andere betriebliche Regelungen auf, die für ihr Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind. VI. Urlaub Urlaubnahme, Urlaubsanspruch, Urlaubsjahr In jedem Jahr haben Sie Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach Maßgabe der gesetzlichen, tariflichen oder innerbetrieblichen Bestimmungen. Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Der Urlaub ist bis spätestens 31.3. des folgenden Jahres zu gewähren.

2 Nach LAG München v. 10.5.2005 nv., kann die Pauschale nicht wirksam vereinbart werden.

Bauer/Haußmann

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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Nach diesem Zeitpunkt kann Urlaub nur in Ausnahmefällen mit Zustimmung des zuständigen (Haupt-)Abteilungsleiters im Einvernehmen mit dem Leiter der Hauptabteilung Personal- und Sozialwesen genommen werden. Andernfalls erlischt der Urlaubsanspruch, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde. VII. Einweisung – Ausbildung – Fortbildung 1. Einweisung Wichtige Voraussetzung für eine gute Leistung ist eine sorgfältige Arbeitsunterweisung. Hieraus erwächst für jeden von uns eine besondere Verpflichtung gegenüber Mitarbeitern, die neu eintreten oder versetzt werden und Ihrer Hilfe und Erfahrung am neuen Arbeitsplatz bedürfen. 2. Ausbildung Unseren Auszubildenden möchten wir in besonderem Maße Förderung zuteil werden lassen. Ihrer Ausbildung in den Abteilungen unseres Unternehmens wollen wir deshalb unsere ganze Aufmerksamkeit widmen. 3. Fortbildung Wir helfen Ihnen bei Ihrer beruflichen Fortbildung. Wenn Sie zur Fortbildung bereit sind und dies auch im Firmeninteresse liegt, können Ihnen zeitliche und finanzielle Vergünstigungen im Rahmen der Betriebsvereinbarung „Berufliche Förderung von Betriebsangehörigen“ vom . . . gewährt werden. Wenden Sie sich bitte entsprechend der Betriebsvereinbarung vor der Fortbildungsmaßnahme an Ihre Fachabteilung oder an die Personalabteilung. 4. Verbesserungsvorschläge In jedem Unternehmen, auch bei uns, kann manches noch besser und zweckmäßiger gemacht werden. Haben Sie Anregungen, zB zur Vereinfachung oder Verbesserung von Arbeitsverfahren, Erhöhung der Sicherheit, Ersparnis an Zeit, Material oder Energie, so reichen Sie einen Verbesserungsvorschlag über Ihren Vorgesetzten oder direkt bei der Personalabteilung ein. Der zuständige Ausschuss wird über Ihren Vorschlag beraten. VIII. Ordnung im Betrieb 1. Mitteilungen Die Mitteilungen des Unternehmens im Internet, an den Anschlagtafeln und in Rundschreiben sind rechtswirksame Erklärungen. Sie können sich später nicht darauf berufen, dass Sie diese Mitteilungen nicht gelesen haben, es sei denn, dass Sie während der Dauer des Aushangs abwesend waren. 2. Betreten und Verlassen der Arbeitsräume Betreten und verlassen Sie den Betrieb und die Arbeitsräume stets nur durch die dafür bezeichneten Ein- und Ausgänge, und halten Sie sich nur in den Teilen des Betriebes auf, in die Sie Ihre Arbeit oder ein ausdrücklicher Auftrag führt. Der Aufenthalt in den Arbeitsräumen ist nur während der Arbeitszeit und der Pausen gestattet. Soweit wir Ihnen zum Essen, Waschen und Umkleiden besondere Aufenthaltsräume und 1126 Bauer/Haußmann

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 39

Waschräume zur Verfügung stellen, betreten Sie diese Räume – außer in begründeten Ausnahmefällen – nur vor Arbeitsbeginn, in den Pausen und nach Arbeitsschluss. Für Schäden oder Nachteile, die Sie durch Nichtbeachtung dieser Vorschriften erleiden, wird . . . nicht haften. Müssen Sie aus besonderen Gründen die Arbeitsstätte während der Arbeitszeit verlassen, brauchen Sie hierzu die Genehmigung Ihres Vorgesetzten. 3. Aufenthalts- und Waschräume Die Aufenthalts-, Wasch- und Umkleideräume sowie sanitäre Anlagen sind sauber zu halten und pfleglich zu behandeln. 4. Betriebsfremde Betriebsfremde Personen, auch Ihre eigenen Angehörigen, dürfen Sie nicht ohne Erlaubnis in den Betrieb oder in die Arbeitsräume einführen oder dort empfangen. 5. Mängel Vermeiden Sie alles, was den geregelten Arbeitsablauf stören oder gefährden kann, und unterrichten Sie über etwaige Mängel Ihren Vorgesetzten. 6. Änderungen im Arbeitsablauf Änderungen im Arbeitsablauf, an Maschinen oder an Betriebseinrichtungen dürfen Sie nur mit Zustimmung Ihres Vorgesetzten vornehmen. 7. Rauchverbot Das Rauchen in Arbeitsräumen ist nicht gestattet. 8. Telefongespräche Unser Unternehmen ist auf Grund seiner Aufgabe besonders auf das Telefon angewiesen. Wir können deshalb private Telefongespräche nur in dringenden Fällen gestatten. Gespräche außerhalb des Ortsbereichs müssen bezahlt werden, s. dazu auch M 37.3. 9. Betriebseinrichtungen Mit Maschinen, Apparaten und sonstigen Betriebseinrichtungen ist sorgfältig umzugehen. Helfen Sie mit, das Unternehmen und Ihren Arbeitsplatz vor Schaden zu bewahren. Akten, Zeichnungen, Schriftstücke uÄ dürfen ohne Erlaubnis nicht aus den Geschäftsräumen entfernt werden. 10. Kleiderschränke Soweit wir Ihnen verschließbare Kleiderschränke zur Verfügung stellen, halten Sie bitte Ihre Privatsachen unter Verschluss. 11. Parkplätze Kraftfahrzeuge und Fahrräder sind auf den hierfür bestimmten Parkplätzen abzustellen. Bitte sichern Sie die Fahrzeuge gegen Diebstahl und missbräuchliche Benutzung.

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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12. Haftungsausschluss Für Schäden, die Ihnen durch Diebstahl, Beschädigung oder Nichtbeachtung dieser Vorschriften entstehen, haften wir nicht. 13. Haftpflichtschaden Wer in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit fremdes oder Firmeneigentum beschädigt oder Personen verletzt, hat dies unverzüglich seinem Vorgesetzten anzuzeigen. 14. Diebstahlkontrollen Zum Schutze des betrieblichen und persönlichen Eigentums gegen Diebstahl können bei begründetem Verdacht unter vorhergehender Benachrichtigung und in Gegenwart des örtlichen Betriebsrats im Betrieb und an den Toren Kontrollen durchgeführt werden. Auch Schränke, Werkzeugkästen und andere Behältnisse können überprüft werden. IX. Sicherheit und Gesundheit 1. Sicherheitsvorschriften, Sicherheitsfachkräfte, Sicherheitsbeauftragte Lesen und beachten Sie bitte die im Betrieb ausliegenden und die Ihnen ausgehändigten Unfallverhütungsvorschriften. Befolgen Sie auch die Ihnen mündlich erteilten Weisungen zur Verhütung von Unfällen und Gesundheitsschäden. Sie sind verpflichtet, wo es vorgeschrieben ist, ausgegebene Unfallschutzmittel und die Sicherheitsvorrichtungen zu benützen. Fragen und Anregungen aus dem Gebiet der Arbeitssicherheit richten Sie bitte an die Sicherheitsfachkraft oder den Sicherheitsbeauftragten, die für den jeweiligen Betriebsteil zuständig sind. Auf sie wird in jedem Betriebsteil in einem besonderen Aushang hingewiesen. Greifen Sie nur bei drohender Gefahr in die Arbeit anderer Mitarbeiter ein. Arbeiten Sie nur mit Maschinen, Apparaten oder Geräten, an denen Sie unterwiesen wurden und sich auskennen. Betreten Sie keine Betriebsabteilungen, zu denen Ihnen als Unbefugter der Zutritt untersagt ist. Informieren Sie sich über die bezeichneten Fluchtwege und Notausgänge. Diese sind stets freizuhalten. 2. Unfallverhütungs- und Schutzvorrichtungen dürfen nicht eigenmächtig entfernt, beschädigt oder unwirksam gemacht werden. Sie dürfen nur zu den Zwecken benutzt werden, für die sie bestimmt sind. Wenn Sie bemerken, dass solche Vorrichtungen fehlen oder mangelhaft geworden sind, melden Sie dies bitte unverzüglich dem Vorgesetzten. 3. Betriebsärzte Für die arbeitsmedizinische Betreuung unserer Mitarbeiter sind für die verschiedenen Betriebsteile Betriebsärzte tätig. Sie führen auch die gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen bei Mitarbeitern durch, die unter erschwerten Arbeitsbedingungen tätig sind. 4. Alkohol Der Genuss von alkoholischen Getränken während der Arbeit ist mit der Ordnung und Sicherheit des Betriebes nicht vereinbar und daher zu vermeiden bzw. der zustän1128 Bauer/Haußmann

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 39

digen Sicherheitsfachkraft zu melden. Das Gleiche gilt für Schäden oder Mängel an Materialien, Maschinen, Apparaten oder Geräten und für alle sonstigen Umstände, die erfahrungsgemäß geeignet sind, Unfälle zu verursachen oder ihre Bekämpfung zu erschweren. 5. Unfallmeldung Melden Sie unverzüglich jeden Unfall, den Sie erleiden, auch wenn es nur ein leichter Unfall zu sein scheint, über den zuständigen Vorgesetzten der Personalabteilung. Die Meldung ist wichtig für etwaige Entschädigungs- oder Rentenansprüche aus dem Unfall. 6. Erste Hilfe Wenden Sie sich bei Verletzungen und plötzlichen Erkrankungen, die Sie im Betrieb erleiden, an die im betrieblichen Telefonbuch auf den roten Seiten genannten Ersthelfer. 7. Brandschutz In feuergefährdeten Betriebsteilen ist das Rauchen verboten. Betreten Sie Räume, in denen leicht entzündbare oder explosionsgefährliche Stoffe aufbewahrt werden, nicht mit offenem Licht oder Feuer. Feuerlöscheinrichtungen müssen ungehindert zugänglich sein und dürfen nicht missbräuchlich benützt werden. 8. Verhalten bei Gefahr Bei Brand oder sonstiger Gefahr ist den Anordnungen der mit Sicherheits- und Feuerlöschdienst beauftragten Personen unbedingt Folge zu leisten. Machen Sie sich mit den örtlich ausgehängten Verhaltensmaßnahmen bei Feuer und mit den Gebäuderäumungsplänen vertraut. X. Pflichtverletzungen 1. Ordnungsmaßnahmen Verstöße gegen die Bestimmungen der Arbeitsordnung können folgende Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen: – Mündliche Verwarnung durch den (Haupt-)Abteilungsleiter/Betriebsleiter, – schriftliche Verwarnung durch den Leiter der Hauptabteilung Personal- und Sozialwesen, – schriftlicher Verweis durch das zuständige Vorstandsmitglied. Vor Anwendung einer der Ordnungsmaßnahmen sind der Mitarbeiter und der zuständige Betriebsrat zu hören. Verwarnungen und Verweise werden nach zwei Jahren aus den Akten entfernt, sofern nicht inzwischen eine neue Ordnungsmaßnahme getroffen wurde. 2. Fristlose Entlassung Fristlose Entlassungen sind zulässig aus wichtigem Grund (§ 626 BGB). Als solcher können insbesondere grobe Verstöße gegen die Arbeitsordnung, wiederholte Fälle von Alkoholmissbrauch, Tätlichkeiten oder grobe Beleidigungen, fortgesetztes unentBauer/Haußmann

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Kap. 39

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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schuldigtes Fehlen, mutwillige Beschädigung von Firmeneigentum und vorsätzlich falsche oder irreführende Angaben bei der Einstellung angesehen werden.3 XI. Ende des Arbeitsverhältnisses 1. Ordentliche Kündigung Für die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gelten die Fristen des Manteltarifvertrages. 2. Beurlaubung, Zeugnis Nach der Kündigung, gleichgültig von wem sie ausgegangen ist, sind wir jederzeit berechtigt – selbstverständlich unter Fortzahlung Ihrer Vergütung und Anrechnung restlicher Urlaubsansprüche und Zeitguthaben – auf Ihre weiteren Dienste ganz oder teilweise zu verzichten. Auf Ihren Wunsch erhalten Sie nach der Kündigung ein Zwischenzeugnis, das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ein endgültiges ersetzt wird. 3. Rückgabe von Firmeneigentum Beim Ausscheiden müssen Sie alle firmeneigenen Gegenstände wie Arbeitsschutzkleidung, Werkzeuge, Schlüssel, Geschäftsunterlagen und die dienstlichen Aufzeichnungen ohne besondere Aufforderung und unverzüglich in ordnungsgemäßem Zustand den hierfür zuständigen Stellen übergeben. Für schuldhaft abhanden gekommenes sowie für vorsätzlich oder grob fahrlässig beschädigtes Firmeneigentum müssen wir eine Ersatzleistung vorsehen. Falls wir bei Ihrem Ausscheiden noch Forderungen an Sie haben, können diese gegen Ihre Restbezüge aufgerechnet werden. 4. Altersgrenze Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses richtet sich nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages. Wir hoffen, dass Sie sich bei uns wohl fühlen und dass Sie viele Jahre bei uns bleiben werden. 3 Über die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung kann das Arbeitsgericht trotz dieser Klausel auch in den genannten Fällen entscheiden (BAG v. 11.3.1976 – 2 AZR 43/75, AP Nr. 1 zu § 95 BetrVG 1972). Es kann in seiner Entscheidung aber unter Umständen berücksichtigen, welche Pflichten im Betrieb für besonders wichtig erachtet werden.

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 39

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Betriebsvereinbarung zu Alkoholproblemen am Arbeitsplatz 1. Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt ausnahmslos für alle Betriebsangehörigen. Sofern im Folgenden Begriffe wie „Mitarbeiter“, „Betroffene“ und andere verwendet werden, beziehen sich diese auch auf weibliche Betriebsangehörige. Soweit im Folgenden der Betriebsrat einbezogen ist, handelt der Sprecherausschuss analog für leitende Angestellte. 2. Ziele Ziele der Vereinbarung sind: – den Betroffenen nach Möglichkeit zu helfen; – allen Beteiligten verbindliche Richtlinien an die Hand zu geben; – die Arbeitssicherheit zu erhöhen; – die Gleichbehandlung aller Betroffenen sicherzustellen; – die Aufgaben von Suchtkrankenhelfern zu benennen. 3. Grundsätzliches Es ist zu unterscheiden zwischen der Vorgehensweise bei Trunkenheit am Arbeitsplatz einerseits und den zu unternehmenden Schritten beim Erkennen eines alkoholkranken Mitarbeiters andererseits. 4. Trunkenheit am Arbeitsplatz 4.1 Der Genuss von alkoholischen Getränken während der Arbeit ist mit der Ordnung und Sicherheit des Betriebes nicht vereinbar und daher zu vermeiden. 4.2 Kein Betriebsangehöriger darf sich während der Arbeitszeit oder in den Pausen durch Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln in einen Zustand versetzen, durch den er sich selbst oder andere gefährden kann. 4.3 Aufgrund der Fürsorgepflicht, der Unfallverhütungsvorschriften und zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebsablaufes hat der Vorgesetzte bzw. der Verantwortliche die Pflicht, einen unter Alkohol stehenden Mitarbeiter umgehend des Arbeitsplatzes zu verweisen. Der Vorgesetzte ist auch verantwortlich für die sichere Heimkehr des Betrunkenen. Er hat die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Gegebenenfalls muss für eine Begleitperson gesorgt werden. 4.4 Die Kosten für den Heimtransport (zB Taxi) gehen zu Lasten des betreffenden Mitarbeiters. Für die Zeit des alkoholbedingten Arbeitsausfalles wird kein Entgelt bezahlt. 4.5 Bevor der Vorgesetzte einen Mitarbeiter nach Hause schickt, ist, sofern kurzfristig möglich, ein Betriebsratsmitglied, ansonsten ein anderer betrieblicher Zeuge hinzuzuziehen. Über die durchgeführte Maßnahme ist vom Vorgesetzten ein Protokoll zu erstellen. Im Wiederholungsfalle ist das Protokoll an die Personalleitung weiterzuleiten.

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Kap. 39

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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5. Hilfsangebote 5.1 Entsteht bei einem Vorgesetzten der Eindruck, dass ein Mitarbeiter alkoholgefährdet ist bzw. eine Alkoholkrankheit besteht, dann hat er die Pflicht, mit dem Betroffenen eine erste vertrauliche Unterredung zu führen mit dem Ziel, das Problem offen anzusprechen. Dieses Gespräch hat keine personellen Konsequenzen. Der Vorgesetzte macht auf Hilfsangebote aufmerksam: Gespräch mit der Sozialberatung, Gespräch mit einem Suchtkrankenhelfer (Namen sind über die Personalleitung oder Betriebsrat zu erfragen), Teilnahme an einer außerbetrieblichen Gruppe, Aufsuchen der örtlichen Suchtberatungsstelle. Der Vorgesetzte erläutert die Folgen des Alkoholmissbrauchs, insbesondere im Hinblick auf die Gefährdung des Arbeitsplatzes. 5.2 Ist nach überschaubarer Zeit, spätestens nach sechs Wochen, keine Änderung festzustellen, schaltet der Vorgesetzte die Sozialberatung ein. Diese terminiert ein weiteres Gespräch, je nach betrieblichen Gegebenheiten unter Hinzuziehung des nächsthöheren Vorgesetzten sowie eines Suchtkrankenhelfers nach Wahl des Betroffenen. Hierbei werden die Hilfsangebote nochmals eingehend erläutert. Außerdem spricht der Vorgesetzte im Einvernehmen mit dem Betriebsratsvorsitzenden oder dessen Stellvertreter für den Betreffenden ein Alkoholverbot aus und weist auf die Möglichkeit einer Abmahnung beim nächsten alkoholbedingten Vorfall hin. Der Gesprächsinhalt wird vom Vorgesetzten in einer Aktennotiz mit Kopie an den Betroffenen festgehalten. 5.3 Ändert sich das Verhalten innerhalb von wiederum spätestens sechs Wochen nicht und hat die Suchterkrankung oder -gefährdung Auswirkungen auf arbeitsvertragliche Pflichten (hohe Fehlzeiten, Schlecht- oder Minderleistung, sonstige Verstöße gegen arbeitsrechtliche Pflichten), führt der Vorgesetzte zusammen mit der Personalleitung ein weiteres Gespräch, bei dem auch ein Betriebsratsmitglied, bei Schwerbehinderten die Schwerbehindertenvertretung, und evtl. eine Bezugsperson anwesend ist. Dem Betroffenen wird klargemacht, dass er keine Krankheitseinsicht zeigt und dass deshalb eine erste Abmahnung erfolgt. Hierbei wird arbeitsrechtliches Fehlverhalten benannt und das Einleiten einer Therapie zur Auflage gemacht. 5.4 Erfüllt der Betroffene weiterhin nicht seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und befolgt er empfohlene Maßnahmen nicht, so wird wieder im Zeitraum von spätestens sechs Wochen eine zweite Abmahnung ausgesprochen mit dem Hinweis, dass bei weiterer Weigerung, die Hilfsangebote wahrzunehmen, eine Kündigung folgt. Ggf. sind in Absprache mit dem Betriebsrat weitere betriebliche Maßnahmen vorzunehmen, zB Streichen einer evtl. vorhandenen Leistungszulage1 usw. 5.5 Befolgt der Betroffene die in der zweiten Abmahnung genannten Auflagen nicht und kann er innerhalb von weiteren sechs Wochen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht ordnungsgemäß erfüllen, wird das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gekündigt. Die Kündigung erfolgt fristgemäß, sofern nicht nach den vorliegenden Umständen die Einhaltung der Kündigungsfrist unzumutbar ist. 5.6 Mit der Kündigung wird dem Betroffenen die Prüfung seiner Wiedereinstellung für den Fall in Aussicht gestellt, dass er innerhalb eines Jahres nach seinem Ausschei1 Diese Fallgruppe sollte in der Betriebsvereinbarung über die Leistungszulage entsprechend geregelt werden.

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 39

den durch ärztliches Zeugnis nachweist, dass die Entziehungsbehandlung erfolgreich abgeschlossen und er zum Zeitpunkt der Wiedereinstellung als abstinent anzusehen ist. Bei der Vergabe eines Arbeitsplatzes sind betriebliche Erfordernisse vorrangig zu berücksichtigen. 5.7 Nimmt ein Betroffener vor Ausspruch einer Kündigung eine Heilbehandlung auf, bricht sie jedoch wieder ab, wird das weitere Vorgehen zwischen Personalleitung, Fachabteilung, Betriebsrat und Sozialberatung geregelt. Dasselbe gilt bei einem Rückfall; dieser ist gegeben, wenn der Betroffene nach erfolgreichem Abschluss einer Hilfsmaßnahme erneut suchtbedingt arbeitsvertragliche Pflichten verletzt. 5.8 Die aufgezeigte zeitliche Abfolge ist eine Richtschnur; sie kann im Einzelfall je nach Erfordernis flexibel gehandhabt werden. 6. Helfer 6.1 Der alkoholkranke Mitarbeiter bedarf auf dem ganzen Weg des unter Ziff. 5 beschriebenen Verfahrens der Betreuung. Diese Aufgabe übernehmen die Sozialberatung und besonders dafür vorgesehene innerbetriebliche Helfer. 6.2 In der Gruppe der Helfer sollten möglichst viele Bereiche des Unternehmens vertreten sein, um den Zugang zu dem Betroffenen zu erleichtern. 6.3 Soweit erforderlich, werden die Helfer im Einvernehmen mit der Personalleitung und dem Betriebsrat durch geeignete Schulungen, auch unter Einbeziehung externer Stellen, auf ihre Aufgaben vorbereitet. 6.4 Die Helfer führen mit den Betroffenen vertrauliche Gespräche, informieren über vorhandene Möglichkeiten, leisten Aufklärungs- und Motivationsarbeit und begleiten den Betroffenen gegebenenfalls zu Anlaufstellen. 6.5 Die Tätigkeit eines Helfers kann auch während der Arbeitszeit stattfinden, soweit dies unbedingt erforderlich ist und die betrieblichen Verhältnisse es zulassen. 6.6 Die Helfer sind über die ihnen bekannt gewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten zum Stillschweigen verpflichtet. Ein Helfer kann sein Amt jederzeit niederlegen. Er unterrichtet hierüber die Personalabteilung oder den Betriebsrat. 7. Inkrafttreten und Kündigung 7.1 Diese Betriebsvereinbarung tritt am . . . in Kraft und kann mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. 7.2 Einzelne Teile dieser Betriebsvereinbarung können geändert werden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Änderungen werden am schwarzen Brett bekannt gegeben.

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Kap. 39

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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Betriebsvereinbarung zur Einführung einer einheitlichen Arbeitskleidung

1. Zweck Jeder Arbeitnehmer erhält vom Arbeitgeber zum Zwecke der Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes und des Images der Firma drei Arbeitshosen und -jacken gestellt.1 Zu diesem Zweck schließt der Arbeitgeber mit der Firma . . . einen entsprechenden Mietvertrag ab. 2. Reinigung Das Arbeitszeug wird zum Zwecke der Reinigung und Pflege im 14-tägigen Rhythmus ausgetauscht. Zu diesem Zweck hält der Arbeitgeber am Betriebssitz Schränke vor, denen die Arbeitnehmer die saubere Wäsche entnehmen und in denen sie die schmutzige Wäsche deponieren können. Es ist dadurch sichergestellt, dass jeder Arbeitnehmer Zugang nur zu seinem Arbeitszeug hat. 3. Äußeres Erscheinungsbild Jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet, das ihm zur Verfügung gestellte Arbeitszeug zu tragen. 4. Kosten Die Kosten für die Arbeitszeuggestellung trägt der Arbeitgeber.2 1 Mitbestimmungsfrei sind Anordnungen, Kopfhauben zu tragen, wenn damit allein ein arbeitstechnischer Zweck verfolgt wird, zB Verunreinigungen bei Verpackung und Kontrolle von Waren zu vermeiden, LAG Baden-Württemberg v. 8.12.1983 – 4 TaBV 8/83. 2 Eine Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer von knapp 50 % hat das BAG v. 1.12.1992 – 1 AZR 260/92, AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, für unzulässig angesehen. Kommt eine betriebliche Einigung nicht zustande und muss die Einigungsstelle entscheiden, kann dort eine Regelung zur Kostentragung nicht aufgenommen werden. Sie ist nicht mitbestimmungspflichtig, BAG v. 13.2.2007 – 1 ABR 18/06, DB 2007, 1592.

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Betriebsvereinbarung über Arztbesuche während der Arbeitszeit

Betriebsrat und Geschäftsleitung sind sich darüber einig, dass die Fortzahlung des Lohnes während eines Arztbesuches nur gewährt werden soll, wenn der Arbeitnehmer durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung die Notwendigkeit des Besuches nachweist. Im Betrieb wird ab sofort ein Formblatt für ärztliche Bescheinigungen verwendet, das den Arbeitnehmern stets in mehreren Exemplaren zur Verfügung gestellt wird, um es bei einem anstehenden Arztbesuch ausfüllen lassen zu können. 1134 Bauer/Haußmann

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 40

Das Formblatt hat folgenden Wortlaut: „Bescheinigung des behandelnden Arztes zur Vorlage beim Arbeitgeber Name des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin: . . . Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin war heute in der Zeit von . . . Uhr bis . . . Uhr bei uns zur Behandlung. Sofern die Behandlung innerhalb der Arbeitszeit lag, musste die Behandlung aus folgendem wichtigen Grund zu dieser Tageszeit ausgeführt werden: – ambulante Behandlung auf Grund eines während der Arbeitszeit erlittenen Arbeitsunfalles – Arztbesuch anlässlich einer während der Arbeitszeit aufgetretenen akuten Erkrankung, wobei hiermit die Notwendigkeit des sofortigen Arztbesuches bescheinigt wird – amtsärztlich angeordnete Untersuchung oder Vorsorgeuntersuchung – Spezialuntersuchung, deren notwendige Durchführung während der Arbeitszeit durch den Arzt bescheinigt wird. . . ., den . . . ... Praxisstempel ... Unterschrift des Arztes“1 1 Vgl. zur Mitbestimmungspflicht BAG v. 21.1.1997 – 1 ABR 53/96, AP Nr. 27 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes.

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Kapitel 40

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebliches Vorschlagswesen

Literaturübersicht: Gaul/Bartenbach, Die kollektivrechtliche Ordnung des betrieblichen Verbesserungsvorschlagswesens, DB 1980, 1843; Leuze, Erfindungen und technische Verbesserungsvorschläge von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, GRUR 1994, 415.

I. Einführung Das betriebliche Vorschlagswesen wird in allgemeinen Abhandlungen von Arbeitnehmererfindungen nach dem Arbeitnehmererfindergesetz abgegrenzt. Dies verleitet zu der irrigen Annahme, Regelungen zum betrieblichen Vorschlagswesen seien nur sinnvoll, wo Arbeitnehmer erfinderisch tätig seien. Damit wird die motivierende Wirkung einer Regelung des betrieblichen Vorschlagswesens verkannt. Insbesondere bei der Verbesserung der Arbeitsablauforganisation kann das betriebliche Vorschlagswesen Erfahrungen der Mitarbeiter zutage fördern und Arbeitsabläufe effektivieren. Eine Bauer/Haußmann

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 40

Das Formblatt hat folgenden Wortlaut: „Bescheinigung des behandelnden Arztes zur Vorlage beim Arbeitgeber Name des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin: . . . Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin war heute in der Zeit von . . . Uhr bis . . . Uhr bei uns zur Behandlung. Sofern die Behandlung innerhalb der Arbeitszeit lag, musste die Behandlung aus folgendem wichtigen Grund zu dieser Tageszeit ausgeführt werden: – ambulante Behandlung auf Grund eines während der Arbeitszeit erlittenen Arbeitsunfalles – Arztbesuch anlässlich einer während der Arbeitszeit aufgetretenen akuten Erkrankung, wobei hiermit die Notwendigkeit des sofortigen Arztbesuches bescheinigt wird – amtsärztlich angeordnete Untersuchung oder Vorsorgeuntersuchung – Spezialuntersuchung, deren notwendige Durchführung während der Arbeitszeit durch den Arzt bescheinigt wird. . . ., den . . . ... Praxisstempel ... Unterschrift des Arztes“1 1 Vgl. zur Mitbestimmungspflicht BAG v. 21.1.1997 – 1 ABR 53/96, AP Nr. 27 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes.

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Kapitel 40

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebliches Vorschlagswesen

Literaturübersicht: Gaul/Bartenbach, Die kollektivrechtliche Ordnung des betrieblichen Verbesserungsvorschlagswesens, DB 1980, 1843; Leuze, Erfindungen und technische Verbesserungsvorschläge von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, GRUR 1994, 415.

I. Einführung Das betriebliche Vorschlagswesen wird in allgemeinen Abhandlungen von Arbeitnehmererfindungen nach dem Arbeitnehmererfindergesetz abgegrenzt. Dies verleitet zu der irrigen Annahme, Regelungen zum betrieblichen Vorschlagswesen seien nur sinnvoll, wo Arbeitnehmer erfinderisch tätig seien. Damit wird die motivierende Wirkung einer Regelung des betrieblichen Vorschlagswesens verkannt. Insbesondere bei der Verbesserung der Arbeitsablauforganisation kann das betriebliche Vorschlagswesen Erfahrungen der Mitarbeiter zutage fördern und Arbeitsabläufe effektivieren. Eine Bauer/Haußmann

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Kap. 40

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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Regelung über betriebliches Vorschlagswesen bietet sich daher an, wenn ein Betrieb arbeitsablauforganisatorische Änderungen plant oder dabei ist, sie umzusetzen. Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass die sinnvolle Gestaltung einer Betriebsvereinbarung zu Verbesserungsvorschlägen und auch ihre Durchführung einen gewissen Aufwand verursacht. Eine Mindestregelung des betrieblichen Vorschlagswesens muss Regelungen über Organe, deren Zusammensetzung, Aufgaben und Verfahren enthalten.1

Umfang der Mitbestimmung S. auch Einf. Kap. 35 Rz. 1–4. 2

Der Betriebsrat hat ein Initiativrecht zur Einführung eines betrieblichen Vorschlagswesens, wenn dafür ein Bedürfnis besteht.2 Werden Gruppenvorschläge im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens eingereicht, darf die Betriebsvereinbarung über das betriebliche Vorschlagswesen einem der Gruppenmitglieder eine Prozessführungsbefugnis zuweisen, die die übrigen Beteiligten wirksam von der Prozessführung ausschließt.3 Dagegen steht dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu, den jeweiligen Beauftragten des betrieblichen Vorschlagswesens festzulegen, über die Prämienhöhe im Einzelfall zu entscheiden und über die Annahme eines einzelnen Verbesserungsvorschlages zu bestimmen.4 1 BAG v. 28.4.1981 – 1 ABR 53/79, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen und v. 16.3.1982 – 1 ABR 63/80, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen. 2 BAG v. 28.4.1981 – 1 ABR 53/79, DB 1981, 1882. 3 LAG Saarland v. 11.10.1995 – 1 Sa 63/95, BB 1996, 487. 4 BAG v. 16.3.1982 – 1 ABR 63/80, BB 1983, 963.

II. Muster 40.1

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Betriebsvereinbarung zu Verbesserungsvorschlägen Präambel

Ziel ist, dass unsere Mitarbeiter sich über die Verbesserung von Arbeitsabläufen in unserer Firma Gedanken machen und entsprechende Vorschläge einreichen. Alle Mitarbeiter können Verbesserungsvorschläge einreichen. Der Vorschlagende kann einen Mitarbeiter oder Vorgesetzten auswählen, mit dem er seinen Vorschlag bespricht und der ihn auch dem Prüfungsausschuss vortragen kann. 1. Begriff Ein Verbesserungsvorschlag ist eine eigene Idee des oder der Einsender, die – die Verbesserung eines betrieblichen Zustandes, der Erzeugnisse oder der Dienstleistungen bedeutet und sich in der Praxis verwirklichen lässt, – einen höheren Nutzen bringt, als die Durchführung Kosten verursacht, und in unserem Unternehmen von keiner anderen Seite erkannt oder vorgeschlagen wurde, – über den Arbeitsauftrag des Einsenders oder der Einsendergruppe hinausgeht. 1136 Bauer/Haußmann

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 40

Ein Verbesserungsvorschlag kann sich auf alle Bereiche des Unternehmens einschließlich der Verwaltung beziehen. 2. Teilnahmevoraussetzungen Damit ein Verbesserungsvorschlag anerkannt wird, müssen die genannten Voraussetzungen alle erfüllt sein. Jeder Mitarbeiter der Firma kann teilnehmen. Ziel ist, dass mehr Mitarbeiter sich über die Verbesserung von Arbeitsabläufen in unserer Firma Gedanken machen und entsprechende Vorschläge einreichen. Ein Verbesserungsvorschlag muss schriftlich an den Beauftragten für das Vorschlagswesen auf Vordruck eingereicht werden. 3. Behandlung des Verbesserungsvorschlags Der Vorschlag wird vom Beauftragten für das betriebliche Vorschlagswesen registriert und mit einer laufenden Nummer versehen. Dem Einreicher wird der Eingang schriftlich bestätigt. Der Vorschlag wird einem oder mehreren Sachverständigen zur Prüfung und Abgabe eines Gutachtens weitergeleitet. Der Vorschlag läuft unter dem Namen des Einreichers, damit Rückfragen möglich sind. Nach Vorliegen des Gutachtens geht der Vorschlag an den Prüfungsausschuss zur Entscheidung. Der Vorschlagende kann einen Mitarbeiter oder Vorgesetzten auswählen, mit dem er seinen Vorschlag bespricht und der ihn auch dem Prüfungsausschuss vortragen kann. Der Mitarbeiter kann jedoch auch selbst seinen Vorschlag beim Prüfungsausschuss vortragen. Eine Entscheidung wird schriftlich festgelegt und dem Vorschlagenden durch den Beauftragten für das betriebliche Vorschlagswesen übermittelt. 4. Bewertung Angenommene Verbesserungsvorschläge, bei denen eine wertmäßige Einsparung errechnet werden kann, werden nach einer Bewertungstabelle (Anlage 1) prämiert. Bei der Prämierung werden folgende Punkte berücksichtigt: – Stellung/Tätigkeit des Vorschlagenden – eigenes oder fremdes Arbeitsgebiet – Qualität des Vorschlages Angenommene Verbesserungsvorschläge, die keine messbare oder bezifferbare Einsparung bringen, werden nach einer Punktetabelle (Anlage 2) prämiert. 5. Organe 5.1 Der Beauftragte für das betriebliche Vorschlagswesen Dieser wird von der Geschäftsleitung im Einvernehmen mit dem Betriebsrat bestimmt. Er ist verantwortlich für die ordnungsgemäße Behandlung der Verbesserungsvorschläge. Bauer/Haußmann

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Kap. 40

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

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5.2 Der Prüfungsausschuss Der Prüfungsausschuss setzt sich aus folgenden Mitgliedern zusammen: – der Beauftragte für das betriebliche Vorschlagswesen (ohne Stimmrecht) – der Leiter der Konstruktion (mit Stimmrecht) – der jeweils zuständige Betriebsleiter (mit Stimmrecht) – ein Betriebsratsmitglied (mit Stimmrecht)1 – ein vom Betriebsrat zu bestellender Betriebsangehöriger (mit Stimmrecht) – ein Geschäftsführer, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Geschäftsführers. Im Falle einer Abwesenheit bestimmt der Beauftragte die Vertreter, bei den Arbeitnehmervertretern der zuständige Betriebsrat. Bei Bedarf können Sachverständige ohne Stimmrecht hinzugezogen werden. 6. Verfahren zur Prämierung der Verbesserungsvorschläge Der Prüfungsausschuss empfiehlt der Geschäftsführung die Annahme, Anerkennung oder Ablehnung der Verbesserungsvorschläge. Ausschussmitglieder dürfen insoweit nicht mitwirken, als es sich um die Beurteilung von eigenen Verbesserungsvorschlägen oder um Verbesserungsvorschläge ihrer Angehörigen oder solcher Personen handelt, deren gesetzliche Vertreter sie sind. Die Teilnehmer an den Ausschusssitzungen müssen den Inhalt der Beratungen vertraulich behandeln. Die Ergebnisse der Beratungen des Ausschusses werden in einer kurzen Niederschrift festgehalten, die von den Mitgliedern des Ausschusses zu unterschreiben ist. Im Falle der Annahme muss diese Niederschrift bis zum Ablauf des siebten Jahres nach dem Jahr der Zuerkennung der Vorschlagsprämie durch den Beauftragten des betrieblichen Vorschlagswesens aufbewahrt werden. Zur Annahme zu empfehlen sind Verbesserungsvorschläge, deren Durchführung vorgesehen ist. Für andere Vorschläge kann eine Anerkennungsprämie gewährt werden, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, aber nicht verwirklicht werden sollen. Die Anerkennungsprämie soll mindestens Euro . . . betragen.2 Bei der Prüfung sind zwei Gruppen von Vorschlägen zu unterscheiden: – Vorschläge, die eine bezifferbare oder messbare Einsparung bringen. Die Berechnung kann ggf. auch auf Schätzwerten beruhen. – Vorschläge, die einen sonstigen Vorteil bringen, der jedoch nicht bezifferbar oder messbar ist. Für Vorschläge der ersten Gruppe, die eine bezifferbare oder messbare Einsparung bringen, ist vom Prüfungsausschuss die entsprechende in einem Jahr erzielbare wertmäßige Einsparung zu errechnen. Die Aufwendungen, die für die Durchführung erforderlich werden, sind auf die voraussichtlichen Fertigungsjahre bzw. Anwendungsjahre, höchstens jedoch auf einen Zeitraum von drei Jahren zu verteilen. 1 Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats umfasst auch die Einrichtung paritätischer Ausschüsse zur Tatsachenfeststellung, BAG v. 20.1.2004 – 9 AZR 393/03, DB 2004, 1049. 2 Der Arbeitgeber kann allein darüber entscheiden, ob und welche Mittel er zur Vergütung von Verbesserungsvorschlägen zur Verfügung stellen will (Fitting, § 87 BetrVG Rz. 549).

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Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 40

Aus der errechneten wertmäßigen Einsparung erhält der Vorschlagende bei Annahme des Vorschlags durch die Geschäftsleitung und Durchführung desselben eine Vorschlagsprämie, gemäß Bewertungstabelle (Anlage 1) mindestens jedoch Euro . . . Die wertmäßige Einsparung wie die für die Durchführung eines Verbesserungsvorschlages erforderlichen Aufwendungen errechnen sich jeweils aus der reinen Lohnsumme mit dem Stundensatz und aus dem Material mit dem Einkaufspreis. Bei Ausscheiden eines Mitarbeiters durch wirksame fristlose Kündigungserklärung der Firma erlischt jeder Anspruch auf eine Prämie. Für Vorschläge der zweiten Gruppe, die keine messbare oder bezifferbare Einsparung bringen, schlägt der Prüfungsausschuss nach seinem Ermessen der Geschäftsleitung die Höhe der Vorschlagsprämie vor. Für die Festlegung der Höhe dient die als Anlage 2 beigefügte Tabelle. Die Mindestprämie beträgt Euro . . . 7. Weiterbearbeitung nach der Entscheidung Die Entscheidung der Geschäftsleitung über den Vorschlag wird dem Einreicher schriftlich bekannt gegeben. Eine eventuelle Ablehnung wird entsprechend begründet. Jeder Vorschlag bleibt vom offiziellen Eingangsdatum an gerechnet zwei Jahre lang prämienberechtigt. Dies gilt auch dann, wenn der Verbesserungsvorschlag als nicht durchführbar abgelehnt wurde, sich später jedoch Gründe zeigen, die die Durchführung zur Folge haben. Von Zeit zu Zeit werden am schwarzen Brett und/oder . . . die Erfolge des betrieblichen Vorschlagswesens bekannt gegeben mit folgenden Angaben: – Betrag der höchsten Prämie des Quartals, – Summe der Prämien des Quartals. Der Einreicher des prämierten Vorschlags hat die Berechtigung, sich vom Beauftragten die Errechnung der zuerkannten Prämie erläutern zu lassen. Glaubt er, dass die Berechnung von nicht zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist, hat er die Berechtigung, unter Einreichung eigener Berechnungsunterlagen eine Überprüfung zu verlangen.3 8. Ausbezahlung von Prämien Prämien bis zu einer Höhe von Euro . . . werden mit der Bekanntgabe an den Vorschlagenden ausbezahlt. Prämien über Euro . . . werden zur Hälfte, mindestens jedoch in Höhe von Euro . . ., mit der Bekanntgabe, der Rest nach Einführung der Verbesserung ausbezahlt. Die Auszahlung der Prämie erfolgt unter Berücksichtigung der steuerlichen Richtlinien. 9. Verwirklichung des Verbesserungsvorschlags Im Auftrag der Geschäftsleitung informiert der Beauftragte für das betriebliche Vorschlagswesen die zuständigen betrieblichen Stellen oder Stellen der Verwaltung über die erfolgte Annahme und den Inhalt des Verbesserungsvorschlags. 3 Der Betriebsrat hat ein Initiativrecht zur Einführung und Gestaltung eines Beschwerdeverfahrens nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG, BAG v. 21.7.2009 – 1 ABR 42/08, DB 2009, 1993.

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Kap. 41

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Dieser ist dann normalerweise innerhalb einer Frist von einem Jahr durchzuführen. Die Durchführung ist dem Beauftragten für das betriebliche Vorschlagswesen schriftlich mitzuteilen bzw. von diesem zu überwachen. Der Beauftragte für das betriebliche Vorschlagswesen erstellt jährlich eine Erfolgsbilanz über die angenommenen bzw. anerkannten Verbesserungsvorschläge. 10. Missbrauch des Vorschlagswesens Ein Missbrauch der Bestimmungen mit dem Ziel, eine ungerechtfertigte Prämie zu erlangen, kann eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben. 11. Kündigung Die vorliegende Betriebsvereinbarung kann mit einer Frist von drei Monaten, frühestens zum . . ., gekündigt werden. Sie wirkt nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht nach.

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Kapitel 41

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Urlaub

Literaturübersicht: Bauer/Lingemann, Probleme der Entgeltfortzahlung nach neuem Recht, BB Beilage 17/1996, 8; Bengelsdorf, Pfändung und Abtretung von Lohn, 2. Aufl. 2002; Bengelsdorf, Urlaubsdauer und Urlaubsvergütung bei ungleicher Verteilung der Arbeitszeit, DB 1988, 1161; Boener, Die Reform der Entgeltfortzahlung und der Urlaubsanrechnung im Lichte der Tarifautonomie, ZTR 1996, 435; Boewer, Lohnpfändung und Lohnabtretung in Recht und Praxis, 1987; Boldt/Röhsler, Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz), 2. Aufl. 1968; Buschmann, Gemeine Marktwirtschaft, ArbuR 1996, 285; Danne, Urlaubsdauer bei unterschiedlicher Tagesarbeitszeit, DB 1990, 1965; Dörner, Die Rechtsprechung des BAG zum Zusatzurlaub nach dem Schwerbehindertengesetz, DB 1995, 1174; Düwell, Freistellung für die politische und berufliche Weiterbildung, BB 1994, 637; Gemeinschaftskommentar zum Bundesurlaubsgesetz, bearbeitet von Stahlhacke/Bachmann/Bleistein, 5. Aufl. 1992; Glaser/Lüders, § 7 BUrlG auf dem Prüfstand des EuGH, BB 2006, 2690; Gottwald, Die Lohnpfändung, 1996; Gross, Das Urlaubsrecht, 4. Aufl. 2003; Hohmeister, Ist die Urlaubsvergütung pfändbar?, BB 1995, 2110; Kube, Urlaubsrechtliche Leitsätze für die Praxis, BB 1975, 747; Leinemann, Fit für ein neues Arbeitsvertragsrecht?, BB 1996, 1381; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl. 2001; Matthes, Arbeitnehmer und Urlaub, 1974; Müller, Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub, AiB 2007, 649; Neumann/Fenski, Urlaubsrecht, 10. Aufl. 2011; Schütz/Hauck, Gesetzliches und tarifliches Urlaubsrecht, 1996; Siara, Wegfall der Urlaubsabgeltung, DB 1975, 836; Wlotzke, Neuerungen im gesetzlichen Arbeitsrecht, DB 1974, 2252.

I. Einführung 1. Umfang des Mitbestimmungsrechtes S. auch Einf. Kap. 35 Rz. 1–4. 1

Mitbestimmungspflichtig ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG die Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer und die Aufstellung allgemeiner 1140 Bauer/Haußmann

Kap. 41

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Dieser ist dann normalerweise innerhalb einer Frist von einem Jahr durchzuführen. Die Durchführung ist dem Beauftragten für das betriebliche Vorschlagswesen schriftlich mitzuteilen bzw. von diesem zu überwachen. Der Beauftragte für das betriebliche Vorschlagswesen erstellt jährlich eine Erfolgsbilanz über die angenommenen bzw. anerkannten Verbesserungsvorschläge. 10. Missbrauch des Vorschlagswesens Ein Missbrauch der Bestimmungen mit dem Ziel, eine ungerechtfertigte Prämie zu erlangen, kann eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben. 11. Kündigung Die vorliegende Betriebsvereinbarung kann mit einer Frist von drei Monaten, frühestens zum . . ., gekündigt werden. Sie wirkt nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht nach.

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Kapitel 41

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Urlaub

Literaturübersicht: Bauer/Lingemann, Probleme der Entgeltfortzahlung nach neuem Recht, BB Beilage 17/1996, 8; Bengelsdorf, Pfändung und Abtretung von Lohn, 2. Aufl. 2002; Bengelsdorf, Urlaubsdauer und Urlaubsvergütung bei ungleicher Verteilung der Arbeitszeit, DB 1988, 1161; Boener, Die Reform der Entgeltfortzahlung und der Urlaubsanrechnung im Lichte der Tarifautonomie, ZTR 1996, 435; Boewer, Lohnpfändung und Lohnabtretung in Recht und Praxis, 1987; Boldt/Röhsler, Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz), 2. Aufl. 1968; Buschmann, Gemeine Marktwirtschaft, ArbuR 1996, 285; Danne, Urlaubsdauer bei unterschiedlicher Tagesarbeitszeit, DB 1990, 1965; Dörner, Die Rechtsprechung des BAG zum Zusatzurlaub nach dem Schwerbehindertengesetz, DB 1995, 1174; Düwell, Freistellung für die politische und berufliche Weiterbildung, BB 1994, 637; Gemeinschaftskommentar zum Bundesurlaubsgesetz, bearbeitet von Stahlhacke/Bachmann/Bleistein, 5. Aufl. 1992; Glaser/Lüders, § 7 BUrlG auf dem Prüfstand des EuGH, BB 2006, 2690; Gottwald, Die Lohnpfändung, 1996; Gross, Das Urlaubsrecht, 4. Aufl. 2003; Hohmeister, Ist die Urlaubsvergütung pfändbar?, BB 1995, 2110; Kube, Urlaubsrechtliche Leitsätze für die Praxis, BB 1975, 747; Leinemann, Fit für ein neues Arbeitsvertragsrecht?, BB 1996, 1381; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl. 2001; Matthes, Arbeitnehmer und Urlaub, 1974; Müller, Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub, AiB 2007, 649; Neumann/Fenski, Urlaubsrecht, 10. Aufl. 2011; Schütz/Hauck, Gesetzliches und tarifliches Urlaubsrecht, 1996; Siara, Wegfall der Urlaubsabgeltung, DB 1975, 836; Wlotzke, Neuerungen im gesetzlichen Arbeitsrecht, DB 1974, 2252.

I. Einführung 1. Umfang des Mitbestimmungsrechtes S. auch Einf. Kap. 35 Rz. 1–4. 1

Mitbestimmungspflichtig ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG die Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer und die Aufstellung allgemeiner 1140 Bauer/Haußmann

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Kap. 41

Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplanes für den ganzen Betrieb oder mehrere Arbeitnehmer. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich nicht nur auf den Erholungsurlaub iSd. § 1 BUrlG, sondern erstreckt sich auch auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen und den Bildungsurlaub. Unbezahlter Sonderurlaub für bestimmte Arbeitnehmergruppen unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrates, soweit dieser Sonderurlaub in unmittelbarem Zusammenhang mit bezahltem Erholungsurlaub gewährt werden soll.1

2. Allgemeine Urlaubsgrundsätze und Urlaubsplan Zu den allgemeinen Urlaubsgrundsätzen zählt neben Fragen der Verteilung des Urlaubs und der geteilten oder ungeteilten Inanspruchnahme des Urlaubs insbesondere die Frage, ob Betriebsferien durchgeführt werden und zu welchem Zeitpunkt sie stattfinden. Diese Regelung kann jährlich neu getroffen werden. In der Praxis empfiehlt es sich allerdings, eine über einen längeren Zeitraum befristete oder unbefristete Regelung zu treffen, wenn die betrieblichen Bedürfnisse einer solchen Regelung dauerhaft bestehen und ein sinnvoller Zeitpunkt sich – zB in Abhängigkeit von den Schulferien – langfristig vorausbestimmen lässt.

2

Mitbestimmungspflichtig ist auch ein sog. Urlaubsplan, in dem die Urlaubszeiten der einzelnen Arbeitnehmer festgelegt werden. Diese Art der Urlaubsregelung verlangt von allen Beteiligten eine langfristige Planung. Der Urlaubsplan erfüllt seine Funktion nur, wenn mit ihm der Zeitpunkt der Inanspruchnahme des gesamten Jahresurlaubes oder wenigstens wesentlicher Teile des Jahresurlaubes aller Mitarbeiter festgelegt wird. Die Vor- und Nachteile dieser langfristigen Festlegung sind gegenüber dem Interesse an einer flexiblen Handhabung abzuwägen. Zwar verbietet auch der Urlaubsplan nicht, im Einzelfall Änderungen zu vereinbaren. Dann hat allerdings der Urlaubsplan nicht mehr bewirkt, als den Aufwand zur Abstimmung der Urlaubstermine zu erhöhen. Besteht immer wieder das Bedürfnis nach einer Abweichung vom Urlaubsplan, sollte überdacht werden, ob die Aufstellung des Urlaubsplanes noch ihren Zweck erfüllt.

3

3. Lage des Urlaubs einzelner Arbeitnehmer Orientiert sich der Arbeitgeber bei der Festlegung der Urlaubszeiten nicht an allgemeinen Grundsätzen, steht ihm im Rahmen des § 7 Abs. 1 BUrlG ein Bestimmungsrecht zu. Der Betriebsrat hat jedoch ein Mitbestimmungsrecht, soweit der Arbeitgeber mit seiner Festlegung nach § 7 Abs. 1 BUrlG kein Einvernehmen mit dem betroffenen Arbeitnehmer erzielt.

1 BAG v. 18.6.1974 – 1 ABR 25/73, DB 1974, 2263.

Bauer/Haußmann

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Kap. 41

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

M 41.1

II. Muster 41.1

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Betriebsvereinbarung Brückentage

1. Geschäftsleitung und Betriebsrat vereinbaren, dass die Geschäftsleitung den Betrieb an Brückentagen schließen kann. 2. Als Brückentage verstehen Geschäftsleitung und Betriebsrat Arbeitstage zwischen einem Wochen-Feiertag und dem vorausgegangenen oder nachfolgenden Wochenende sowie die Arbeitstage zwischen dem 24.12. eines Jahres und dem 1.1. des Folgejahres. 3. Die Geschäftsleitung kündigt mit einer Frist von sechs Monaten durch Aushang am schwarzen Brett an, wenn der Betrieb an einem oder mehreren Brückentagen geschlossen wird. 4. Die Mitarbeiter haben die Wahl, die Tage der Betriebsschließung durch Inanspruchnahme von Jahresurlaub oder vorhandene Gleitzeitguthaben auszugleichen.

41.2

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Betriebsferien

1. Der Betrieb nimmt jährlich einen zusammenhängenden Betriebsurlaub von zehn Arbeitstagen. Erster Urlaubstag ist jeweils der erste Montag nach Beginn der Sommer-Schulferien des Bundeslandes . . . 2. In Notfällen oder für Mitarbeiter, deren Urlaubsanspruch die Dauer des Betriebsurlaubes noch nicht erreicht hat, kann die Geschäftsleitung die Arbeit während der Betriebsferien anordnen. Für die Zeit des Betriebsurlaubes kann die Firma darüber hinaus die Arbeit eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin für die Verwaltung und eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin in der Fertigung anordnen. Der Einsatz eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin während des Betriebsurlaubes ist ihm/ihr mindestens zwei Monate im Voraus anzukündigen, soweit er/sie sich nicht kurzfristiger mit dem Einsatz einverstanden erklärt. Dies gilt nicht, soweit der Einsatz durch einen Notfall erforderlich wird. In diesem Fall ist der/die Mitarbeiter/in auch ohne Einhaltung einer Ankündigungsfrist kurzfristig zum Einsatz während des Betriebsurlaubes verpflichtet. 3. Geschäftsleitung und Betriebsrat können einvernehmlich die zeitliche Lage der Betriebsferien verschieben.

1142 Bauer/Haußmann

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

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Kapitel 42

Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Literaturübersicht: Bayer, Anforderungen an den Arbeitgeber bei der Anhörung des Betriebsrats zu einer Kündigung, DB 1992, 782; Berkowsky, Die Unterrichtung des Betriebsrats bei Kündigungen durch den Arbeitgeber, NZA 1996, 1065; Bitter, Zum Umfang und Inhalt der Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat bei der betriebsbedingten Kündigung insbesondere bei der Sozialauswahl, NZA Beilage 3/1991, 16; Buchner, Freiheit und Bindung des Arbeitgebers bei Einstellungsentscheidungen, NZA 1991, 577; Ehrich, Widerspruchsrecht des Betriebsrats bei Neubesetzung der Stelle eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers, BB 1992, 1483; Griese, Neuere Tendenzen bei der Anhörung des Betriebsrats vor der Kündigung, BB 1990, 1899; Griese, Die Mitbestimmung bei Versetzungen, BB 1995, 458; Hunold, Abstellung zu innerbetrieblichen „Workshops“ als Versetzung, NZA 2008, 398; Kappes, Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei Höhergruppierung?, DB 1990, 333; Matthes, Verfahrensrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Beteiligungsrechten des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen, DB 1989, 1285; Notz, Zur Vorlage der erforderlichen Bewerbungsunterlagen nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972, BB 1996, 2566; Oetker, Die Anhörung des Betriebsrats bei Kündigungen und die Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess, BB 1989, 417; Richardi, Die Mitbestimmung bei Einstellungen als Generalklausel einer Beteiligung an Änderungen des Arbeitsvertrags, NZA 2009, 1; Rieble, § 102 Abs. 6 BetrVG – eine funktionslose Vorschrift?, ArbuR 1993, 39; Schütte, Pflichten des Betriebsrats und des Arbeitgebers im Anhörungsverfahren nach § 102 II 4 BetrVG und § 102 IV BetrVG, NZA 2011, 263; Schwab/Lambrich, Betriebsübergreifende Versetzung im Konzern und Mitbestimmung gem. § 99 BetrVG, DB 2012, 1928; Trebeck, Die Versetzung in den Stellenpool zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen, NZA 2009, 513; Wahlers, Einführung und Ausgestaltung eines Assesment-Centers als mitbestimmungs(mitwirkungs)pflichtige Maßnahme, ZTR 2005, 185.

I. Einführung 1. Kündigung Die Anhörung des Betriebsrates gemäß § 102 BetrVG vor Ausspruch einer Kündigung ist sorgfältig vorzubereiten, weil nicht nur die unterlassene Anhörung, sondern auch die unvollständige Anhörung zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.1 Auch wenn der Betriebsrat mit einer Kündigung einverstanden ist und sich mit spärlichen Informationen begnügt, kann der betroffene Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates geltend machen. Dem Betriebsrat ist die Person des zu Kündigenden, die Art der Kündigung (ordentlich oder außerordentlich, ggf. mit sozialer Auslauffrist), der Kündigungsgrund und der Kündigungstermin mitzuteilen.2 Sind dem Betriebsrat die anzuwendenden tarifvertraglichen Kündigungsfristen bekannt, ist die Information über den Entlassungstermin entbehrlich.3 In der Praxis empfiehlt es sich aber immer, Kündigungsfrist und -termin anzugeben.

1

Der Arbeitgeber muss die aus seiner Sicht tragenden Gründe für die Kündigung nennen (sog. subjektive Determinierung).4 Dies gilt auch, wenn das Arbeitsverhältnis in-

2

1 2 3 4

BAG v. 16.9.1993 – 2 AZR 267/93, DB 1994, 381. BAG v. 28.2.1974 – 2 AZR 455/73, DB 1974, 1294. BAG v. 24.10.1996 – 2 AZR 895/95, DB 1997, 630. BAG v. 22.9.1994 – 2 AZR 31/94, DB 1995, 477; v. 7.11.2002 – 2 AZR 599/01, DB 2003, 724.

Bauer/Haußmann

1143

Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

nerhalb der ersten sechs Monate gekündigt werden soll, dh. die Wirksamkeit der Kündigung nicht von ihrer sozialen Rechtfertigung iSd. § 1 KSchG abhängt.5 3

Praxistipp: Gerade wenn einem Arbeitnehmer der Kündigungsschutz nach dem KSchG nicht zusteht, wird sein Anwalt besonderes Augenmerk darauf richten, ob die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. In diesen Fällen ist für den Arbeitgeber besondere Sorgfalt bei der Vorbereitung der Betriebsratsanhörung geboten.

4

Ist der Betriebsrat zur ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG angehört worden, führt – entgegen einem gelegentlich anzutreffenden Irrtum – auch der Widerspruch des Betriebsrates gegen die Kündigung nicht zu deren Unwirksamkeit. Dagegen ist die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich, wenn einem Betriebsratsmitglied außerordentlich gekündigt werden soll, § 103 BetrVG. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung gemäß § 103 BetrVG, kann die Kündigung erst ausgesprochen werden, wenn sie gerichtlich ersetzt worden ist (vgl. M 42.5). In diesen Fällen ist die Zwei-Wochen-Frist des § 626 BGB im Auge zu behalten.6 Eine besondere Regelung gilt für Auszubildende, die Mitglied im Betriebsrat, der Jugend- und Auszubildendenvertretung etc. sind. Gemäß § 78a BetrVG können sie verlangen, nach Abschluss ihrer Ausbildung übernommen zu werden, wenn nicht zwingende Gründe der Übernahme entgegenstehen. Dadurch wird für jugendliche Amtsträger ein ähnlicher Schutz wie bei § 103 BetrVG erreicht (s. M 42.12).

5

Praxistipp: Je nach Art und Weise der üblichen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat können dem Betriebsrat im Anhörungsschreiben oder einer mündlichen Erläuterung auch zusätzliche Informationen gegeben werden. Dadurch wird unter Umständen der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers leichter verständlich. So kommt zB in Betracht, nicht nur die eine betriebsbedingte Kündigung begründende unternehmerische Entscheidung darzustellen, sondern auch die Auftragslage, die den Arbeitgeber zB zu einer Rationalisierung veranlasst hat.

2. Einstellung und Eingruppierung 6

Nach § 99 BetrVG ist die Zustimmung des Betriebsrates zu Einstellungen und anderen personellen Maßnahmen einzuholen.7 Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. 5 BAG v. 8.9.1988 – 2 AZR 103/88, DB 1989, 1575; v. 18.5.1994 – 2 AZR 920/93, DB 1994, 1984. 6 Vgl. zur Berechnung des Fristablaufes Diller, NZA 2000, 293. 7 Keine „Einstellung“ liegt vor bei der Rücknahme einer Kündigung, wenn die Beschäftigung ohne Unterbrechung fortgesetzt wird (Fitting, § 99 BetrVG Rz. 43). Stellenbesetzungen durch Erhöhung der Wochenarbeitszeit einer Teilzeitkraft gelten als Versetzung (BAG v. 25.1.2005 – 1 ABR 59/03, DB 2005, 1630; v. 15.5.2007 – 1 ABR 32/06, NZA 2007, 1240), Arbeitszeitverringerungen dagegen nicht. Umstritten ist die Rechtslage bei Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses (vgl. Fitting, § 99 BetrVG Rz. 38). Unter Einstellung iSv. § 99 BetrVG ist die tatsächliche Beschäftigung im Betrieb zu verstehen, aber nicht schon der Abschluss eines Arbeitsvertrages (BAG v. 28.4.1992 – 1 ABR 73/91, NZA 1992, 1141). Weiter kann von einer Einstellung nur dann die Rede sein, wenn die einzustellende Person in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert wird, so dass dieser die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen zu treffen hat (BAG v. 5.5.1992 – 1 ABR 78/91, NZA 1992, 1044). Der Betriebsrat ist gemäß § 14 Abs. 3 AÜG auch bei Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zu beteiligen.

1144 Bauer/Haußmann

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

Eingruppierung in diesem Sinne ist nicht nur die Einordnung in ein tarifliches Vergütungssystem, sondern auch in eine außertarifliche betriebliche Vergütungsordnung.8 Dem Betriebsrat ist eine Frist von einer Woche gesetzt, die Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern. Schweigt er auf die Anfrage des Arbeitgebers, gilt die Zustimmung als erteilt. Der Betriebsrat kann die Zustimmung nur aus den Gründen des § 99 Abs. 2 Nr. 1–6 BetrVG verweigern. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, darf der Arbeitgeber die Maßnahme nicht ohne seine Zustimmung umsetzen. Dies gilt auch, wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu Unrecht verweigert. Der Arbeitgeber wird dadurch gezwungen, ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht einzuleiten. In diesem Verfahren beantragt der Arbeitgeber, die Zustimmung des Betriebsrates durch eine Entscheidung des Arbeitsgerichts zu ersetzen (vgl. M 42.9). Häufig holt der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrates erst kurz vor Beginn der geplanten Maßnahme (Einstellung oÄ) ein. Verweigert der Betriebsrat dann die Zustimmung, ist ein besonderes Eilverfahren zu beachten. Nach § 100 BetrVG darf der Arbeitgeber die Maßnahme vorläufig durchführen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Macht er von diesem Recht Gebrauch, muss er nach § 100 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme unterrichten. Hält der Betriebsrat diese vorläufige Durchführung nicht für notwendig, kann er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen. Dann muss der Arbeitgeber innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht einen weiteren Antrag stellen. Er muss im Beschlussverfahren feststellen lassen, dass die vorläufige Durchführung dringend erforderlich ist (vgl. M 42.9).

7

3. Versetzung und Umgruppierung Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG erstreckt sich auch auf Versetzungen und Umgruppierungen. Umgruppierung ist auch der Wechsel von der tariflichen Vergütungsordnung in die betriebliche außertarifliche Ordnung9 sowie der Wechsel von einem AT-Arbeitsplatz auf einen tariflich bewerteten Arbeitsplatz.10 Dieses Mitbestimmungsrecht greift unabhängig davon ein, ob der Arbeitnehmer mit der beabsichtigten Versetzung einverstanden ist. Es kommt nicht darauf an, ob sein Arbeitsvertrag die einseitige Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes zulässt oder die Versetzung individualrechtlich nur durch Ausspruch einer Änderungskündigung durchgesetzt werden kann. Ist eine Änderungskündigung erforderlich, wird häufig die Anhörung nach § 102 BetrVG mit dem Verfahren gemäß § 99 BetrVG verbunden.

8

4. Stellenausschreibung Der Betriebsrat kann gemäß § 93 BetrVG verlangen, dass frei werdende Arbeitsplätze innerhalb des Betriebes ausgeschrieben werden. Entspricht der Arbeitgeber diesem Verlangen nicht, kann der Betriebsrat einer Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG widersprechen. Allerdings hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung von Anforderungsprofilen, Stellenbeschreibungen, Funktions8 BAG v. 12.12.2006 – 1 ABR 13/06, NZA 2007, 248. 9 BAG v. 26.10.2004 – 1 ABR 37/03, BB 2005, 500; v. 17.6.2008 – 1 ABR 37/07, DB 2009, 71. 10 BAG v. 12.12.2006 – 1 ABR 13/06, NZA 2007, 348.

Bauer/Haußmann

1145

9

Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.1

beschreibungen oÄ. Der Arbeitgeber kann festlegen, welche Aufgaben innerhalb des Betriebes der Inhaber einer Stelle erfüllen soll und welche Anforderungen er an den dort beschäftigten Arbeitnehmer stellen will.11

5. Auswahl-Richtlinien nach § 95 BetrVG 10

Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht steht dem Betriebsrat hinsichtlich sog. Auswahl-Richtlinien zu. In der Gestaltung von Auswahl-Richtlinien sind Punktesysteme verbreitet. Ein Punktesystem zur Sozialauswahl gilt selbst dann als Auswahl-Richtlinie, wenn es nur auf konkret bevorstehende Kündigungen angewandt wird.12 Anerkannt ist außerdem, dass auch die Einigungsstelle durch ihren Spruch ein Punktesystem vorgeben darf.13 Allerdings überschreitet die Einigungsstelle ihr Ermessen, wenn sie dem Arbeitgeber mit der Gestaltung des Punktesystems eine Gewichtung von Kriterien vorgibt, die keinen sachgerechten Interessenausgleich zwischen den Interessen des Arbeitgebers bei Beförderungsvoraussetzungen und der Berücksichtigung persönlicher Gesichtspunkte wie der Dauer der Betriebszugehörigkeit schafft. 11 BAG v. 23.2.1988 – 1 ABR 82/86, AP Nr. 2 zu § 93 BetrVG 1972. 12 BAG v. 26.7.2005 – 1 ABR 29/04, BB 2005, 2819. 13 BAG v. 27.10.1992 – 1 ABR 4/92, AP Nr. 29 zu § 95 BetrVG 1972.

II. Muster 42.1

u

Anhörung des Betriebsrates gemäß § 102 BetrVG zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung

S. dazu M 22.15.

42.2

u

Anhörung gemäß § 102 BetrVG zu betriebsbedingten Kündigungen wegen Betriebsstilllegung

An den Betriebsrat im Hause Sehr geehrte Damen und Herren, wie ich Ihnen bereits am . . . ausführlich dargelegt habe, ist wegen der anhaltenden Verlustsituation eine Fortführung des Betriebes nicht mehr möglich. Unser Unternehmen hat im Jahr . . . einen Verlust von Euro . . . erwirtschaftet. Im Jahr . . . sind unsere Verluste sprunghaft auf Euro . . . angestiegen. Nach dem Verlust des . . .-Auftrags im Frühjahr . . . haben wir versucht, durch verstärkte Konzentration auf das Ersatzteilgeschäft in die Gewinnzone zurückzugelangen. Dies ist uns nicht gelungen. 1146 Bauer/Haußmann

M 42.2

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

Trotz aller Bemühungen ist es uns auch nicht gelungen, von . . . oder . . . Aufträge für weitere Produktionen zu erhalten. Eingehende Untersuchungen unseres Wirtschaftsprüfers haben des Weiteren ergeben, dass keine Hoffnung darauf besteht, durch aus eigener Kraft realisierbare Strukturveränderungen die Ertragslage des Unternehmens nachhaltig zu verbessern. Eine von unserem Wirtschaftsprüfer aufgestellte Planrechnung für das Jahr . . . stellt uns für dieses Jahr einen Verlust in Höhe von ca. Euro . . . in Aussicht. Als letzten Ausweg haben wir versucht, einen Käufer für das Unternehmen zu finden. Alle Bemühungen in dieser Richtung sind jedoch im Laufe des letzten Jahres nach und nach gescheitert.1 Derzeit gibt es keine Interessenten für eine Übernahme mehr. Bei einer Weiterführung des Betriebes wäre ein Insolvenzverfahren unausweichlich. Die Vermögenswerte des Unternehmens sind bereits weitgehend aufgezehrt. Die Gesellschafter haben deshalb am . . . auf einer Gesellschafterversammlung beschlossen, das Unternehmen zu liquidieren und den Betrieb zum . . . einzustellen. Hintergrund der Entscheidung war die feste Überzeugung, dass eine geordnete Liquidation besser ist als eine Insolvenz. Sie können versichert sein, dass mir als persönlich haftendem Gesellschafter, der diesem Unternehmen seit Jahrzehnten verbunden ist, die Entscheidung über die Aufgabe des Betriebes nicht leicht gefallen ist. Die wirtschaftlichen Zwänge und die bekannten Strukturprobleme unserer Branche lassen jedoch keine andere Wahl. Zu unserem Bedauern müssen wir deshalb allen Mitarbeitern kündigen. Dazu hören wir Sie hiermit an. Beigefügt erhalten Sie eine komplette Personalliste mit allen relevanten Daten.2 Wir beabsichtigen, allen Mitarbeitern zum . . . zu kündigen. Dies gilt auch für solche Mitarbeiter, die eine kürzere Kündigungsfrist als sechs Monate zum Quartal haben. Eine Sozialauswahl kann nicht stattfinden, da allen Mitarbeitern zum gleichen Zeitpunkt gekündigt wird. Auf folgende Besonderheiten möchten wir hinweisen: 1. Bei den Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern C, D, E, F, G, H, I, J, K ist gemäß Ziff. 4.4 des MTV für die Metallindustrie, der in unserem Betrieb gilt, die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch bei der Schließung eines Betriebes statt der tarifvertraglich ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung eine so genannte „außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist“ zulässig.3 Hinsichtlich der genannten Mitarbeiter bitten wir deshalb anders als bei den übrigen Mitarbeitern nicht um die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung, sondern zu einer außerordentlichen Kündigung, die aber ebenfalls zum . . . ausgesprochen werden soll. 2. Herr M (zu 60 %) und Herr N (zu 50 %) sind schwerbehindert. Nach dem SGB IX kann diesen Mitarbeitern erst dann gekündigt werden, wenn die Zustimmung des Integrationsamts vorliegt. Wir haben diese Zustimmung heute beantragt. Sofern die Zustimmung von dem Integrationsamt mit Verzögerung erteilt wird, kann sich der Kündigungstermin für die beiden genannten Mitarbeiter nach hinten verschieben. Wir wollen aber auf jeden Fall zum jeweils nächstmöglichen Kündigungstermin kündigen. 1 Achtung: Sind die Bemühungen nicht endgültig gescheitert, fehlt der Kündigungsgrund! 2 Ist eine Sozialauswahl wegen der Stilllegung des Betriebes entbehrlich, muss – anders als in allen übrigen Fällen – nicht über Familienstand und Unterhaltspflichten unterrichtet werden, BAG v. 13.5.2004 – 2 AZR 329/03, DB 2004, 2327. 3 BAG v. 28.3.1985 – 2 AZR 113/84, EzA § 626 BGB nF Nr. 96.

Bauer/Haußmann

1147

Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.3

3. Für die Betriebsratsmitglieder O, P und Q ist eine ordentliche Kündigung zulässig. Zwar sind die Arbeitsverhältnisse der Betriebsratsmitglieder normalerweise ordentlich nicht kündbar. § 15 Abs. 4 KSchG enthält jedoch eine Ausnahmeregelung. Danach ist bei der Stilllegung eines Betriebes die ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern möglich, wenn sie frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung ausgesprochen wird. Das ist vorliegend der Fall. Auch hinsichtlich der drei genannten Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter bitten wir deshalb gemäß § 102 BetrVG um Ihre Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung zum . . .4 Bitte teilen Sie innerhalb einer Woche mit, ob Sie zu den genannten Kündigungen Ihre Zustimmung erteilen. ... (Geschäftsführer) 4 Hier gilt nicht § 103 BetrVG, vgl. BAG v. 18.9.1997 – 2 ABR 15/97, NZA 1998, 189.

42.3

u

Anhörung gemäß § 102 BetrVG zur ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung

S. dazu M 22.14.

42.4

u

Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes gemäß § 103 BetrVG

An den Betriebsrat der . . . GmbH im Hause Sehr geehrte Damen und Herren, wir beabsichtigen, das Arbeitsverhältnis mit Herrn . . . außerordentlich zu kündigen. Herr . . . ist seit dem . . . bei uns als . . . beschäftigt. Folgende Personaldaten sind uns bekannt: Geboren am . . . Familienstand: . . . Herr . . . gehört seit dem . . . dem Betriebsrat an und ist Mitglied des Wahlvorstandes. Er kandidiert mit dem Wahlvorschlag vom . . . (Datum) als Wahlbewerber in der laufenden Betriebsratswahl. 1148 Bauer/Haußmann

M 42.4

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

Zu den Gründen für die Kündigung ist Folgendes zu sagen: 1. Herr . . . hat am . . . in einer E-Mail an den Geschäftsführer, Herrn . . . behauptet, die Geschäftsleitung und die leitenden Angestellten seien bereit, „die Betriebsratswahl nach Kräften zu behindern und Mitarbeiter in Einzelgesprächen einzuschüchtern“. An diese Behauptung anknüpfend behauptete Herr . . . weiter: „Unser Geschäftsführer kann straflos ein Straftäter genannt werden und steht auf derselben Stufe wie ein Bankräuber, Mörder und Taschendieb.“ Herr . . . behauptete weiter, dass Mitarbeiter in der Vergangenheit und der Gegenwart „massiven Drohungen“ ausgesetzt wurden, um sie von einer Kandidatur zum Betriebsrat abzuhalten. Er nannte das Verhalten der Geschäftsleitung „genauso verwerflich wie das Ausrauben einer alten, wehrlosen Rentnerin“. Auf die weiteren Einzelheiten des Textes verweisen wir und fügen dazu einen Ausdruck der E-Mails vom . . . bei (Anlage 1). 2. In seiner E-Mail vom . . . beleidigte Herr . . . nicht nur die Geschäftsleitung. Er verwies auf „die Diktatoren der Führungsebene“, die Mitarbeiter „bedrohen und in die Mangel nehmen können“. Diese Äußerung bezog sich auf Herrn Dr. . . ., den Disziplinarvorgesetzten des Herrn . . . Herr Dr. . . . forderte Herrn . . . mit E-Mail vom . . . um . . . Uhr auf, diese Äußerung betriebsöffentlich zurückzunehmen (Anlage 2). Diese Aufforderung ließ Herr . . . unbeantwortet. 3. Herr . . . hat mit seiner E-Mail zu Unrecht den Vorwurf erhoben, die Geschäftsleitung versuche die Betriebsratswahl zu beeinflussen und Mitarbeiter in diesem Zusammenhang „in die Mangel zu nehmen“. Vorangegangene Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitern rechtfertigen den Vorwurf der Beeinflussung nicht. Keines der Mitglieder der Geschäftsleitung und kein leitender Angestellter hat Arbeitnehmer in der Ausübung ihres Wahlrechtes beschränkt. Ebenso wenig hat ein Mitglied des genannten Personenkreises Mitarbeitern Nachteile angedroht oder Vorteile versprochen oder gewährt, um die Betriebsratswahl zu beeinflussen. Im Einzelnen fanden folgende Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitern zum Thema „Betriebsratswahl“ statt: a) Am . . . sprach der Geschäftsführer, Herr . . ., mit dem Mitarbeiter, Herrn . . ., über die bevorstehende Betriebsratswahl. Das Gespräch hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt: . . . b) . . . In keinem dieser Gespräche hat ein Geschäftsleitungsmitglied den Versuch unternommen, die Betriebsratswahl zu behindern. 4. Danach ist der Vorwurf eines Verhaltens, das auf einer Stufe stehe mit „Bankräubern, Mördern oder Taschendieben“ beleidigend und nicht haltbar. Mit dieser Äußerung hat Herr . . . einen wichtigen Grund zur Kündigung gegeben. Er hat unwahre Behauptungen aufgestellt und die Ehre der Mitglieder der Geschäftsleitung und der leitenden Angestellten schwer verletzt. Danach ist uns die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten. Selbst wenn in einem Einzelfall ein Verstoß gegen § 20 BetrVG festzustellen wäre, könnte dies die Beleidigung und den Vergleich mit „Bankräubern, Mördern oder Taschendieben“ nicht rechtfertigen. Entsprechendes gilt für die Beschimpfungen des Herrn Dr. . . . als Diktator. Auch dann wäre diese Äußerung als erhebliche Beleidigung zu verstehen und stellte eiBauer/Haußmann

1149

Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.5

nen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Auch eine Interessenabwägung führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Wir bitten, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu erteilen. ... (Unterschrift)

42.5

u

Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 103 BetrVG

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten 1. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer (Name, Firmenadresse) – Antragstellerin – 2. Betriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden (Name, Firmenadresse) – Antragsgegner – 3. das Betriebsratsmitglied Herr . . . (Privatadresse)2 vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Die Zustimmung des Antragsgegners zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. wird gemäß § 103 BetrVG ersetzt.3 Begründung: Die Antragstellerin betreibt ein metallverarbeitendes Unternehmen mit . . . Mitarbeitern. Der Antragsgegner ist der im Unternehmen gebildete Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3. gehört diesem Betriebsrat seit nunmehr . . . Jahren ununterbrochen an. Seine Personaldaten sind (wird ausgeführt). Der Beteiligte zu 3. hat sich folgende Verfehlungen zuschulden kommen lassen: (wird ausgeführt, vgl. M 42.4).

1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Das betreffende Betriebsratsmitglied ist grundsätzlich Beteiligter des Verfahrens. 3 Praxistipp: Der Zustimmungsersetzungsantrag nach § 103 BetrVG wird mitunter mit einem Antrag auf Ausschluss des betreffenden Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG verbunden. Das ist dann sinnvoll, wenn sich das Fehlverhalten auf der Grenzlinie zwischen Arbeitsvertrag und Betriebsratsamt abgespielt hat. Die fristlose Kündigung nach § 103 BetrVG ist nur zulässig, soweit es sich um ein im Arbeitsvertrag wurzelndes Fehlverhalten handelt. Dagegen ist der Ausschluss aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG die richtige Sanktion, soweit es um amtsbezogene Verfehlungen geht (s. im Einzelnen M 33.2).

1150 Bauer/Haußmann/Diller

M 42.5

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

Von der E-Mail mit dem beleidigenden Inhalt hat die Geschäftsführung am . . . erfahren. Sie hat am . . . beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 103 BetrVG beantragt. Beweis: Zustimmungsantrag vom . . ., Anlage AS 1 Der Antragsgegner hat die Angelegenheit offensichtlich auf seiner Betriebsratssitzung am . . . erörtert. Ein Beschluss wurde jedoch offensichtlich nicht gefasst. Auf jeden Fall hat der Antragsgegner bis einschließlich Donnerstag, den . . ., auf den Zustimmungsantrag nicht reagiert, so dass die Zustimmung als verweigert gilt.4, 5 Deshalb ist der vorliegende Zustimmungsersetzungsantrag nach § 103 BetrVG geboten. Die Zwei-Wochen-Frist ist auf Grund der heutigen Antragstellung gewahrt.6, 7, 8, 9

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Wichtig: Das Gesetz enthält keine bestimmte Frist, innerhalb derer sich der Betriebsrat geäußert haben muss. Die ganz herrschende Meinung geht davon aus, dass der Antrag als abgelehnt gilt, wenn nicht innerhalb von drei Tagen zugestimmt wird (BAG v. 18.8.1977, AP Nr. 10 zu § 103 BetrVG). Besondere Probleme ergeben sich, wenn der Betriebsrat zustimmt. Zwar muss bei Ausspruch der Kündigung der Zustimmungsbeschluss des Betriebsrats dem Kündigungsschreiben nicht beigefügt werden, um das Risiko einer Zurückweisung nach §§ 182 Abs. 3, 111 Satz 2 und 3 BGB auszuschließen, weil § 182 BGB nach Auffassung des BAG (v. 4.3.2004 – 2 AZR 147/03, NZA 2004, 717) hier nicht gilt. Allerdings gilt bei § 103 BetrVG nach herrschender Auffassung die Rechtsprechung des BAG nur sehr eingeschränkt, wonach Fehler in der Beschlussfassung des Betriebsrats nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen (im Einzelnen Fitting, § 103 BetrVG Rz. 38 ff.). Wichtig: Probleme bereitet in der Praxis häufig die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist (ausf. Diller, NZA 2004, 579). Nach ständiger Rechtsprechung des BAG muss der Zustimmungsersetzungsantrag nach § 103 BetrVG spätestens am letzten Tag der Zwei-WochenFrist des § 626 Abs. 2 BGB beim Arbeitsgericht eingehen. Die Dauer des Zustimmungsverfahrens beim Betriebsrat hemmt oder unterbricht die Frist nicht (BAG v. 22.8.1974, 20.3.1975 und 18.8.1977, AP Nr. 1, 2 und 10 zu § 103 BetrVG). Werden während des Zustimmungsersetzungsverfahrens weitere Kündigungsgründe bekannt oder kommen neue Kündigungsgründe hinzu, so kann der Arbeitgeber diese Gründe ohne weiteres in das Beschlussverfahren einführen und beantragen, nunmehr die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung auch aus den neuen Gründen zu ersetzen. Das gilt selbst dann, wenn das Beschlussverfahren bereits in der Beschwerdeinstanz ist (ausführlich LAG Nürnberg v. 12.3.1999, NZA-RR 1999, 413). Das betreffende Betriebsratsmitglied ist während der Dauer des Beschlussverfahrens grundsätzlich weiterzubeschäftigen und auch weiterzubezahlen. Zu einer Freistellung ist der Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen besonders schwerwiegender Kündigungsgründe berechtigt (Beispiel: Erzieher im Kindergarten, dem wegen sexueller Übergriffe auf Kindergartenkinder gekündigt werden soll). Aber selbst wenn im Einzelfall eine Freistellung in Betracht kommt, bezieht sich diese nur auf die allgemeine Dienstpflicht, so dass das Betriebsratsmitglied grundsätzlich – ggf. sogar trotz Hausverbot – nicht gehindert ist, weiterhin den Betrieb zum Zwecke der Ausübung seines Betriebsratsamts zu betreten (LAG Hamm v. 24.10.1974, DB 1975, 111; LAG Düsseldorf v. 22.2.1977, DB 1977, 1053). Hat dagegen der Betriebsrat die Zustimmung erteilt oder hat das Arbeitsgericht sie rechtskräftig nach § 103 BetrVG ersetzt, besteht während eines eventuell nachfolgenden Kündigungsschutzverfahrens weder eine Weiterbeschäftigungspflicht noch ein Recht des Betriebsratsmitglieds auf weitere Amtsausübung. Vielmehr ist das Betriebsratsmitglied während des Kündigungsrechtsstreits iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG an der Ausübung seiner Amtstätigkeit verhindert (LAG Düsseldorf v. 27.2.1975, DB 1975, 700; LAG Schl.-Holst. v. 2.9.1976, BB 1976, 1319). Wichtig: Ersetzt das Arbeitsgericht (ggf. das LAG im Beschwerdeverfahren) die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung, so muss die Kündigung nunmehr unverzüglich ausgesprochen werden. Unverzüglich bedeutet „ohne

Diller

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Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.6

... (Unterschrift)10 schuldhaftes Zögern“, was erheblich weniger ist als die Zwei-Wochen-Frist nach § 626 BGB (BAG v. 24.4.1975, 18.8.1977 und 25.1.1979, AP Nr. 3, 10 und 12 zu § 103 BetrVG mit Hinweisen auf die Parallelregelung im damaligen § 21 SchwbG). Das Gleiche gilt, wenn das Amt während des Verfahrens nach § 103 BetrVG endet (zB durch Amtsniederlegung, Ablauf der Amtsperiode etc.). Die Probleme beim Ausspruch der Kündigung nach beendetem § 103-Verfahren sind unübersehbar und voller Fallstricke. Schon manches erfolgreiche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG erwies sich als wertlos, weil die rechtzeitige Zustellung der Kündigung verpasst wurde. Ausführlich zu den Tücken von § 103 BetrVG Diller, NZA 1998, 1163 und NZA 2004, 579 sowie zuletzt BAG v. 27.1.2011 – 2 ABR 114/09, NZA-RR 2011, 348. 10 Der Streitwert wird richtigerweise mit Rücksicht auf die präjudizielle Wirkung des Beschlussverfahrens für das nachfolgende Kündigungsschutzverfahren entsprechend § 42 Abs. 3 GKG mit dem Vierteljahresbezug bemessen (LAG Köln v. 22.3.1999, AE 2000, Nr. 369; LAG Berlin v. 2.3.2007 – 17 Ta (Kost) 6013/07; LAG Hessen v. 17.1.2001 – 5 Ta 492/01).

42.6

u

Antrag auf Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung eines Bewerbers nach § 99 BetrVG

An den Betriebsrat z. Hd. des Vorsitzenden . . . (evtl. Personalausschuss z. Hd. seines Vorsitzenden) im Hause Es ist beabsichtigt, den Bewerber (Name, Vorname, Anschrift, Geburtsdatum, Familienstand) . . . als . . . in Abteilung . . . einzustellen. Er war bisher bei . . . beschäftigt. Es bestehen bei ihm folgende Erwerbsbeschränkungen . . . Er soll in die tarifliche1 Lohngruppe2 . . . eingestuft werden. Um den Arbeitsplatz haben sich ferner beworben: 1. . . . 2. . . . Wir haben uns für diesen Bewerber entschieden, weil . . .3 Die Einstellung kann auf die übrige Belegschaft keine Auswirkungen haben: . . .

1 Auch nach dem Ende der Tarifbindung ist das tarifliche Entgeltschema anzuwenden, bis es unter Beachtung der Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) abgelöst ist, BAG v. 14.4.2010 – 7 ABR 91/08, NZA-RR 2011, 83. 2 Der Eingruppierung kann der Betriebsrat nicht mit der Begründung widersprechen, dass eine längere Arbeitszeit als üblich vereinbart ist, BAG v. 30.10.2001 – 1 ABR 8/01, DB 2002, 798. 3 Beruht die Auswahlentscheidung maßgeblich auf dem Verlauf von Vorstellungsgesprächen, ist darüber zu berichten, BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 26/04, NZA 2006, 112.

1152 Diller/Bauer/Haußmann

M 42.7

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

Eine Abschrift des Personalfragebogens ist beigefügt. Die Bewerbungsunterlagen sämtlicher Bewerber4 (Bewerbungsunterlagen, Lebenslauf, Zeugnis) sind beigefügt/ können im Personalbüro eingesehen werden. Wir bitten Sie, der beabsichtigten Einstellung zuzustimmen.5 ... (Unterschrift) 4 Es sind die Personalien aller, also auch der nicht vom Arbeitgeber zur Einstellung vorgesehenen Bewerber mitzuteilen (Fitting, § 99 BetrVG Rz. 167 mwN; soweit der Arbeitgeber selbst Unterlagen erstellt hat, sind sie auch dem Betriebsrat vorzulegen, BAG v. 14.12.2004 – 1 ABR 55/03, DB 2005, 1524). 5 Der Arbeitgeber ist nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht verpflichtet, dem Betriebsrat Auskunft über den Inhalt des Arbeitsvertrages des einzustellenden Arbeitnehmers zu geben, BAG v. 27.10.2010 – 7 ABR 36/09, DB 2011, 714, soweit es sich nicht um Vereinbarungen über Art und Dauer der vorgesehenen Beschäftigung und die beabsichtigte Eingruppierung handelt. Der Arbeitsvertrag gehört nicht zu den vorzulegenden Bewerbungsunterlagen (BAG v. 18.10.1988 – 1 ABR 33/87, DB 1989, 530).

u

Antrag auf Zustimmung zur Versetzung nach §§ 99, 100 BetrVG An den Betriebsrat z. Hd. des Betriebsratsvorsitzenden Herrn . . . Sehr geehrter Herr . . .,

wir müssen Sie jetzt um Ihre Zustimmung zur Versetzung von Herrn . . . bitten.1 Dazu im Einzelnen: 1. Herr . . . ist seit dem . . . als Software-Entwickler vollbeschäftigt bei uns angestellt. Er hat sich in seinem Anstellungsvertrag ausdrücklich dazu bereit erklärt, auch Arbeitseinsätze bei Kunden vor Ort durchzuführen.2 In diesem vertraglichen Rahmen ist beabsichtigt, ihn ab dem . . . für die Dauer von3 . . . in dem Projekt . . . bei der Firma . . . in Berlin einzusetzen und in den dortigen Betrieb einzugliedern. Dieser Einsatz wird voraussichtlich bis zum . . . notwendig sein.

1 Das Gesetz verlangt für den Antrag nach § 99 BetrVG keine besondere Form, BAG v. 10.11.2009 – 1 ABR 64/08, BB 2010, 834. Der Betriebsrat muss der Mitteilung entnehmen können, dass er um Zustimmung zu einer personellen Maßnahme gebeten wird. 2 Die Versetzung verstößt nicht gegen eine gerichtliche Entscheidung, wenn der Arbeitgeber gerichtlich zur vertragsgemäßen Beschäftigung verurteilt worden ist, ohne dass die konkreten Aufgaben Streitgegenstand waren, BAG v. 26.10.2004 – 1 ABR 45/03, DB 2005, 1916. 3 Wechselt ein Mitarbeiter dauerhaft in einen anderen Betrieb, entfällt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates des abgebenden Betriebes.

Bauer/Haußmann

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42.7

Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

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2. Mit dem Projekt . . . wird bei . . . ein Produkt zur . . . eingeführt. Die . . .-Software muss anhand der vorhandenen Arbeitsabläufe entwickelt und den Arbeitsprozessen angepasst werden. Herr . . . soll an der Schnittstelle zwischen den Arbeitsabläufen des Kunden arbeiten. Er muss auf Informationen über Personen und Tätigkeiten der Firma . . . zurückgreifen, zugleich arbeitet eine Vielzahl anderer Software-Entwickler an der Entwicklung des . . . Um diese gleichzeitige Änderung der Software zu ermöglichen, verfügt die Firma . . . über ein Änderungssystem, das dem einzelnen Software-Entwickler erlaubt, auf das System zuzugreifen, seine Änderungen und Erweiterungen einzugeben und anschließend diese Änderungen für alle anderen Bearbeiter freizugeben. Das Änderungssystem steht in unserem Hause nicht zur Verfügung. 3. Der Einsatz von Herrn . . . im Hause der . . . ist auch aus anderen Gründen sinnvoll und notwendig. Diese Form der Zusammenarbeit erlaubt eine stete Kommunikation zwischen ihm und seinen Ansprechpartnern des Kunden. So können Probleme kurzfristig behoben werden und Änderungen am Entwurf unmittelbar ergänzt werden. So finden mehrmals wöchentlich Projekt-Besprechungen statt, in denen die Software-Entwickler unseres Hauses mit den Kundenmitarbeitern Erfahrungen austauschen und den Stand der Entwicklung besprechen. 4. Diese Arbeiten lassen sich in unserem Hause nicht ausführen. Ohne Zugriff auf das System könnte Herr . . . Änderungen an der Datei nicht vornehmen. Er müsste zusätzliche Wege in Kauf nehmen, da er bei Rückfragen kurzfristig den Kunden aufsuchen müsste. Durch den projektbezogenen Einsatz beim Kunden verlängern sich seine Fahrzeiten dagegen nicht. Da die . . . – wie auch unser Haus – ihren Sitz in . . . hat, hat Herr . . . aus dieser Tätigkeit keine längeren Anfahrts- oder Abfahrtswege. 5. Da Nachteile weder für Herrn . . . noch für andere Mitarbeiter ersichtlich sind, bitten wir Sie, dem Einsatz des Herrn . . . bei der . . . zuzustimmen. 6. Zugleich haben wir Sie nach § 100 BetrVG davon zu unterrichten, dass es aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, den Einsatz von Herrn . . . im Hause der . . . vorläufig durchzuführen. Diese vorläufige Maßnahme ist aus betrieblichen Gründen dringend erforderlich. Es steht kein zumutbarer anderer Weg zur Verfügung, die Arbeiten von Herrn . . . in dem „ . . .“-Projekt zu erledigen. Ohne den Zugriff auf das beschriebene System sind Änderungen der Datei ausgeschlossen. Eine Abstimmung mit anderen Projektmitarbeitern wäre unmöglich oder erheblich erschwert. Eine Verzögerung des Einsatzes von Herrn . . . im Hause der . . . hätte zwangsläufig eine Verzögerung des Projekt-Zeitplanes zur Folge und könnte Gewährleistungsansprüche des Kunden nach sich ziehen. Wir bitten Sie, der Versetzung zuzustimmen. ... (Unterschrift)

1154 Bauer/Haußmann

M 42.8

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

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Ablehnende Antwort des Betriebsrats auf einen Antrag nach §§ 99, 100 BetrVG Betriebsrat der X-GmbH Der Betriebsratsvorsitzende An die Geschäftsführung der X-GmbH im Hause

Ihr Antrag nach §§ 99, 100 BetrVG bezüglich der Einstellung des Mitarbeiters . . . vom . . . Sehr geehrte Geschäftsführung, hiermit widersprechen wir formgemäß1 und fristgemäß innerhalb einer Woche2 der beabsichtigten Einstellung/vorläufigen Einstellung von Herrn . . . als neuem kaufmännischen Sachbearbeiter im Export. Den Widerspruch stützen wir auf § 99 Abs. 2 Nr. 13 und 3 BetrVG.4 Der Widerspruch ist nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründet, 1 Will der Betriebsrat der geplanten Personalmaßnahme zustimmen, braucht er auf die Anhörung nicht zu reagieren. Seine Zustimmung gilt dann nach Ablauf einer Woche als erteilt. Will der Betriebsrat dagegen widersprechen, muss er dies binnen einer Woche tun (§ 99 Abs. 3 BetrVG). Dabei ist auf verschiedene Formalien zu achten. So wird häufig übersehen, dass § 99 Abs. 3 BetrVG eine gesetzliche Schriftform iSd. § 126 BGB ist. Die Schriftform ist gewahrt, wenn das Ablehnungsschreiben die Originalunterschrift des Betriebsratsvorsitzenden trägt oder per Telefax übermittelt wird (BAG v. 11.6.2002 – 1 ABR 43/01, DB 2003, 160). Die verbreitete Praxis, die Kommunikation zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung per E-Mail abzuwickeln, reicht zur Wahrung der Schriftform nach § 99 Abs. 3 BetrVG also nicht aus (s. ausführlich Gotthardt/Beck, NZA 2002, 876, 882). Weder elektronische Form (§ 126a BGB) noch Textform (§ 126b BGB) genügen (Richardi, § 99 BetrVG Rz. 262; aA Däubler/Kittner/ Klebe/Wedde, Einl. Rz. 162). Des Weiteren reicht es nicht aus, wenn der Betriebsrat schlicht „Bedenken“ gegen die Maßnahme äußert oder den Arbeitgeber bittet, die geplante Maßnahme „noch einmal zu überdenken“. Es muss aus der Antwort klar hervorgehen, dass endgültig die Zustimmung verweigert wird. Verbreitet ist auch die Praxis, zunächst zu widersprechen und dann binnen der Wochenfrist die Begründung für den Widerspruch nachzureichen. Das ist grundsätzlich zulässig, allerdings muss dann darauf geachtet werden, dass beide Schreiben unterzeichnet sind (BAG v. 24.7.1979 – 1 ABR 78/77, AP Nr. 11 zu § 99 BetrVG). 2 Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht oder nur unzureichend informiert, so tritt die Zustimmungsfiktion nach Ablauf der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG nicht ein, ein Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers ist dann als unbegründet abzuweisen (BAG v. 28.1.1986 – 1 ABR 10/84, AP Nr. 34 zu § 99 BetrVG; v. 14.12.2004 – 1 ABR 55/03, DB 2005, 1524). Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, eine zunächst unzureichende Information nachträglich noch zu ergänzen. Die Wochenfrist läuft dann aber erst ab der erfolgten Ergänzung (BAG v. 10.8.1993 – 1 ABR 22/93, NZA 1994, 187). Nach richtiger Auffassung ist der Betriebsrat aber verpflichtet, den Arbeitgeber innerhalb der Wochenfrist darauf hinzuweisen, dass er die Unterrichtung nicht als ausreichend ansieht (BAG v. 14.3.1989 – 1 ABR 80/87, AP Nr. 64 zu § 99 BetrVG und v. 10.8.1993 – 1 ABR 22/93, NZA 1994, 187). Der Betriebsrat kann also nicht die Wochenfrist untätig verstreichen lassen und dann einen Aufhebungsantrag nach § 101 BetrVG mit der Begründung stellen, mangels ausreichender Information sei ein ordnungsgemäßes Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG nie eingeleitet worden. 3 Als tarifliche Verbotsnormen iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kommen zB qualifizierte Besetzungsregeln in Betracht, BAG v. 18.3.2008 – 1 ABR 81/06, NZA 2008, 832. 4 § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verlangt ausdrücklich, dass die Zustimmungsverweigerung „unter Angabe von Gründen“ zu erfolgen hat. Eine Zustimmungsverweigerung, die keine Gründe nennt, ist deshalb unerheblich, so dass nach Ablauf der Wochenfrist die Zustimmung als fingiert gilt (§ 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Als Angabe der Gründe reicht die bloße Wiederholung

Bauer/Haußmann

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Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.8

weil die geplante Einstellung gegen eine Betriebsvereinbarung verstößt. Wie Sie wissen, wurde anlässlich der letzten Betriebsänderung eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die vorzugsweise die Wiedereinstellung entlassener Mitarbeiter vorsieht. Es ist dem Betriebsrat bekannt, dass sich mehrere damals entlassene Mitarbeiter auf die ausgeschriebene freie Stelle im Export beworben haben. Diese Mitarbeiter wären auch für diese Stelle geeignet (dies betrifft insbesondere die Mitarbeiter . . ., . . . und . . .). In der Betriebsvereinbarung war ausdrücklich geregelt, dass externe Bewerber nicht eingestellt werden dürfen, wenn geeignete ehemalige Mitarbeiter sich um die Position bewerben. Des Weiteren widersprechen wir der geplanten Einstellung auch gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. In der kaufmännischen Sachbearbeitung Export ist der Mitarbeiter . . . seit mittlerweile mehr als einem Jahr arbeitsunfähig erkrankt. Seine Position soll nun mit dem neuen Mitarbeiter ausgefüllt werden. Das begründet die Besorgnis, dass Herrn . . . gekündigt wird, sobald er wieder gesund ist und zur Arbeit kommen könnte. Denn zwei Mitarbeiter für die gleiche Stelle sind nicht erforderlich. Es wäre ohne weiteres möglich, die vakante Stelle weiterhin mit Aushilfen abzudecken. Nach Kenntnis des Betriebsrats wird Herr . . . in absehbarer Zeit wieder arbeitsfähig sein. Wir bestreiten im Übrigen, dass die vorläufige Durchführung der Einstellung gemäß § 100 BetrVG dringend erforderlich ist.5 Dass eine Neueinstellung für diese Position gerade nicht dringend erforderlich ist, ergibt sich schon daraus, dass die Stelle bislang mit Aushilfen besetzt worden ist und dies ohne weiteres auch weiterhin möglich wäre. Der Betriebsrat hat bereits vor längerer Zeit generell seine Zustimmung zum Einsatz von Aushilfen auf der vakanten Position des Herrn . . . gegeben. Mit freundlichen Grüßen ... (Der Betriebsratsvorsitzende) des Wortlauts einer der Nummern des § 99 Abs. 2 BetrVG nicht. Vielmehr muss eine sachliche Begründung gegeben werden, die klar erkennen lässt, welchem der Ablehnungsgründe des § 99 Abs. 2 Nr. 1–6 BetrVG sie zuzuordnen ist. Allerdings ist die neuere Rechtsprechung des BAG zunehmend großzügiger. Danach soll es ausreichen, dass es zumindest als möglich erscheint, dass mit der gegebenen Begründung einer der Tatbestände der Nr. 1–6 geltend gemacht wird (BAG v. 26.1.1988 – 1 AZR 531/86 und v. 18.10.1988 – 1 ABR 33/87, AP Nr. 50 und 57 zu § 99 BetrVG). Ob die Begründung zutreffend oder unzutreffend ist, ist für das weitere Verfahren ohne Belang. Auch eine offensichtlich unsinnige oder sachlich oder rechtlich falsche Ablehnungsbegründung darf der Arbeitgeber nicht einfach ignorieren, sondern muss trotzdem das in § 99 Abs. 4 BetrVG vorgeschriebene Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht durchführen. Dem Arbeitgeber kommt also kein „Vorprüfungsrecht“ zu, die Prüfung selbst der Schlüssigkeit bleibt dem Arbeitsgericht im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG vorbehalten (BAG v. 21.11.1978 – 1 ABR 91/76, AP Nr. 3 zu § 101 BetrVG; v. 26.1.1988 – 1 AZR 531/86, AP Nr. 50 zu § 99 BetrVG). 5 Bittet der Arbeitgeber bei einer personellen Maßnahme den Betriebsrat nicht nur um seine Zustimmung nach § 99 BetrVG, sondern teilt er zugleich auch mit, dass er die Maßnahme gemäß § 100 BetrVG vorläufig durchführen will, so muss der Betriebsrat im Falle einer Nicht-Zustimmung zu der Maßnahme zugleich gemäß § 100 Abs. 2 BetrVG dazu Stellung nehmen, ob er die vorläufige Maßnahme für dringend erforderlich hält. Ansonsten gilt die Zustimmung zu der vorläufigen Maßnahme als erteilt.

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Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

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Antrag des Arbeitgebers an das Arbeitsgericht nach §§ 99, 100 BetrVG1, 2, 3 An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren4 mit den Beteiligten5

1. Firma . . . GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer (Name, Firmenadresse) – Antragstellerin – 2. Betriebsrat der Firma . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden (Name, Firmenadresse) – Antragsgegner –

1 Das für den Arbeitgeber sehr günstige vorläufige Verfahren nach § 100 BetrVG schließt es aus, dass der Arbeitgeber den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf vorläufige Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats oder Duldung der Einstellung etc. beantragt. Zulässig ist allein das Verfahren nach § 100 BetrVG (statt aller: Richardi, § 100 BetrVG Rz. 1). Das Gleiche gilt aber auch umgekehrt. §§ 100, 101 BetrVG regeln die Angriffs- und Verteidigungslast auch für den Betriebsrat abschließend, der Betriebsrat kann also nicht im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen, dringende Gründe für eine vorläufige Personalmaßnahme lägen gar nicht vor (LAG Hessen v. 15.12.1987, NZA 1989, 232; ArbG Münster v. 19.12.1990, DB 1991, 103). Insoweit ermöglichen die §§ 99, 100 BetrVG dem Arbeitgeber, einen materiell rechtswidrigen Zustand (zB bei berechtigter Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1–6 BetrVG) monatelang ungefährdet aufrecht zu erhalten. Das mag im Einzelfall misslich sein, an der klaren Konzeption des Gesetzes geht aber kein Weg vorbei. Deshalb sind nach richtiger Auffassung einstweilige Verfügungen des Betriebsrats zur Klärung der Rechtslage während eines laufenden Verfahrens nach §§ 99 Abs. 4, 100 BetrVG auch dann unzulässig, wenn die Anträge des Arbeitgebers nach §§ 99 Abs. 4, 100 BetrVG offensichtlich unbegründet sind und/oder von vornherein feststeht, dass – wie zB bei einer befristeten Einstellung – die personelle Maßnahme lange vor Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren nach §§ 99 Abs. 4, 100 BetrVG enden wird (BAG v. 23.6.2009, NZA 2009, 1430). Missbraucht der Arbeitgeber diese für ihn günstige Konstellation oder ignoriert er die rechtskräftige Feststellung eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts, kommt allenfalls ein Vorgehen nach § 23 Abs. 3 BetrVG in Betracht (BAG, aaO). 2 Das Arbeitsgericht ist nicht verpflichtet (und tut dies in der Regel auch nicht), den Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG vorrangig zu entscheiden. Meist wird zusammen über beide Anträge entschieden. In der Praxis führt dies dazu, dass de facto nur über den Zustimmungsersetzungsantrag gestritten wird. Denn ist der Antrag begründet, wird die vorläufige Maßnahme zu einer endgültigen Maßnahme, so dass über den Antrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht mehr entschieden werden muss. Ersetzt dagegen das Arbeitsgericht im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats nicht, so ist die vorläufige Personalmaßnahme auf jeden Fall aufzuheben, egal ob sie dringlich war oder nicht. 3 Wichtig: Eine häufige Fehlerquelle ist die Fristenregelung der §§ 99, 100 BetrVG. Für den Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG gibt es keine Frist. Der Arbeitgeber kann den Antrag also ggf. auch noch wochen- oder monatelang nach erfolgter Zustimmungsverweigerung stellen, etwa wenn die Maßnahme keine Eile hat. Demgegenüber sieht § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG eine extrem kurze Frist von drei Tagen für den Feststellungsantrag bezüglich der vorläufigen Durchführung der Maßnahme wegen dringender Erfordernisse vor. Besondere Probleme entstehen, wenn die Sache so extrem eilbedürftig ist, dass der Arbeitgeber die Maßnahme bereits vor Ablauf der Wochenfrist für die Zustimmung nach § 99 Abs. 3 BetrVG umsetzen will. Widerspricht der Betriebsrat zunächst der vorläufigen Durchführung, ohne sich zugleich gemäß § 99 Abs. 3 BetrVG zu der Maßnahme als solche zu äußern, so soll nach herrschender Auffassung die Drei-Tages-Frist für den Antrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG noch nicht zu laufen beginnen. Der Antrag könne vielmehr unverzüglich nach Ablauf der Wochenfrist mit dem Zu-

Diller

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42.9

Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.9

vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung des Mitarbeiters . . . als erteilt gilt,6 2. hilfsweise: a) Die verweigerte Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung des Herrn . . . wird ersetzt,7 und b) es wird festgestellt, dass die vorläufige Einstellung des Mitarbeiters . . . aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.8, 9, 10, 11

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stimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG gekoppelt werden (Matthes, DB 1989, 1287). Man sollte hier aber kein Risiko eingehen und die Drei-Tages-Frist wahren. Selbstverständlich sollte man dann wenige Tage später den Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht in einem neuen Verfahren anhängig machen, sondern im Wege der Antragserweiterung in dem bereits anhängig gemachten Verfahren nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG. Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist der betroffene Arbeitnehmer an dem Verfahren nicht zu beteiligen (BAG v. 27.5.1982, AP Nr. 3 zu § 80 ArbGG). Der Hauptantrag bezieht sich auf den häufigen Fall, dass unklar ist, ob eine wirksame Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats vorliegt (vgl. LAG München v. 4.4.2008 – 3 TaBV 139/07). Es ist sinnvoll, in solchen Fällen mit gestaffelten Anträgen vorzugehen, um weitere Streitigkeiten zu vermeiden. Zwingend erforderlich sind gestaffelte Anträge jedoch nicht. Wird nur die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats beantragt und kommt das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass die Zustimmung schon mangels ordnungsgemäßem Widerspruch als erteilt gilt, so wird zwar der Antrag des Arbeitgebers abgewiesen. Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich dann aber, dass die Anträge deshalb abgewiesen wurden, weil es schon an einem ordnungsgemäßen Betriebsratswiderspruch fehlte, so dass der Arbeitgeber dann trotz Abweisung des Antrags die Einstellung vornehmen kann. Hinsichtlich des Streitwerts wirkt sich dieser zusätzliche Antrag nach herrschender Meinung nicht erhöhend aus (LAG Köln v. 16.12.2008, AE 2009, Nr. 355). Der Arbeitgeber kann ggf. den Antrag mehrfach stellen, insbesondere wenn sich die Sachlage geändert hat. Die Einzelheiten sind kompliziert (BAG v. 16.1.2007 – 1 ABR 16/06, DB 2007, 1820). Der Antrag auf Feststellung, dass die vorläufige personelle Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend geboten war, ist gegenüber dem Antrag auf Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG keineswegs ein Hilfsantrag. Vielmehr muss der Antrag im Wege der Antragshäufung als Hauptantrag gestellt werden (sofern nicht wie im Muster die besondere Konstellation vorliegt, dass vorrangig um die Wirksamkeit der Zustimmungsverweigerung gestritten wird). Der Antrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG kann nicht isoliert ohne den Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG gestellt werden. Hält der Arbeitgeber das Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht ein, kommt auch eine vorläufige Maßnahme nach § 100 BetrVG nicht in Betracht (so ausdrücklich § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Das Verfahren auf Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen Maßnahme nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG erledigt sich selbstverständlich, wenn der Betriebsrat nur der Einstellung als solcher widerspricht, nicht aber der Dringlichkeit der vorläufigen Maßnahme. Das Verfahren beschränkt sich dann auf den Antrag gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung. Abzulehnen ist die Auffassung, dass der Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nur zeitlich befristet bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag gestellt werden könne. Auf jeden Fall ist es nicht erforderlich, eine solche zeitliche Befristung ausdrücklich in den Antrag aufzunehmen (dazu BAG v. 18.10.1988, NZA 1989, 183).

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M 42.9

Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Begründung: Die Antragstellerin ist eine weltweit operierende Fluggesellschaft, die auch am hiesigen Flughafen einen Standort unterhält. Mit Schreiben vom . . . hat die Antragstellerin den Antragsgegner um Zustimmung zur Einstellung des Herrn . . . auf eine offene Stelle in der Debitorenbuchhaltung per . . . gebeten. Zugleich hat die Antragstellerin den Auftraggeber davon unterrichtet, dass man Herrn . . . gemäß § 100 BetrVG am . . . vorläufig einstellen werde. Beweis: Zustimmungsantrag vom . . ., Anlage AS 1 Der Antragsgegner hat auf den Zustimmungsantrag mit einem Schreiben vom . . . reagiert. In dem Schreiben bat der Antragsgegner die Antragstellerin, über die geplante Einstellung noch einmal „intensiv nachzudenken“. Man möge noch einmal sorgfältig prüfen, ob die Stelle wirklich neu besetzt werden müsse. Der bisherige Stelleninhaber sei zwar seit mehr als einem Jahr arbeitsunfähig erkrankt, nach Informationen des Betriebsrats sei jedoch mit einer Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit „in absehbarer Zeit“ zu rechnen. Weiter wurde in dem Schreiben mitgeteilt, die vorläufige Einstellung des Herrn . . . gemäß § 100 BetrVG sei „nicht unproblematisch“. Beweis: Schreiben des Antragsgegners vom . . ., Anlage AS 2 Die Antragstellerin will an der Einstellung von Herrn . . . festhalten und hat deshalb vorliegendes Verfahren nach §§ 99 Abs. 4, 100 BetrVG eingeleitet. Der Hauptantrag ist begründet. Die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung des Herrn . . . gilt gemäß § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Das Schreiben vom . . . ist nicht als ordnungsgemäße Zustimmung zu werten. Wer lediglich „Bedenken“ äußert, widerspricht nicht (wird ausgeführt). Außerdem war das Schreiben vom . . . nicht ordnungsgemäß vom Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnet, was zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform nach § 126 BGB12 nicht ausreicht (wird ausgeführt). Sollte das Arbeitsgericht entgegen der hier vertretenen Auffassung zu dem Ergebnis kommen, dass das Schreiben des Antragsgegners vom . . . eine wirksame Zustimmungsverweigerung enthielt, wären jedenfalls die Hilfsanträge begründet. Der Antragsgegner beruft sich zu Unrecht auf den Widerspruchsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG (wird ausgeführt). Zu Unrecht bestreitet der Antragsgegner im Übrigen, dass die vorläufige Durchführung der Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei. Alle Versuche der Antragstellerin, Aushilfen für die Stelle zu finden, sind gescheitert (wird ausgeführt). Beweis: Zeugnis des Personalleiters (zu laden über die Antragstellerin) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist auch keineswegs absehbar, wann der bisherige Stelleninhaber wieder gesund werden wird. Nach Informationen der Personalabteilung wird die Erkrankung noch mindestens sechs Monate dauern. Wird die Stelle nicht rechtzeitig nach dem Ausscheiden der bisher dort beschäftigten Ersatzkraft zum . . . wieder besetzt, droht die gesamte Abteilung zusammenzubrechen (wird ausgeführt).13

12 Die jüngere Rechtsprechung des BAG neigt zu großzügigerem Umgang mit § 126 BGB, vgl. BAG v. 16.1.2003, AP Nr. 129 zu § 102 BetrVG. 13 Entscheidet das Arbeitsgericht über die beiden Anträge separat, sind sie auch separat anfechtbar; jeweils mit Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG.

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Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.10

... (Unterschrift)14 14 Hinsichtlich des Streitwerts divergieren die Auffassungen. Während teilweise (LAG Hamm v. 8.3.2006 – 13 TaBV 187/05) der Wert entsprechend § 42 Abs. 3 GKG mit einem Vierteljahreseinkommen angesetzt wird, gehen andere Gerichte (zB LAG Nürnberg v. 20.6.2006 – 6 Ta 81/06; LAG Köln v. 15.5.2008, AE 2009, Nr. 239) vom Hilfswert (Euro 4 000,–) gemäß § 23 RVG aus, andere erhöhen diesen Wert um Euro 2 000,–, wenn zugleich der Antrag nach § 100 BetrVG gesellt wird (zB LAG Köln v. 11.11.2008, AE 2009, Nr. 421).

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Antrag des Betriebsrats auf Aufhebung einer personellen Maßnahme nach § 101 BetrVG1, 2, 3

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren4 mit den Beteiligten5 (Betriebsrat/Arbeitgeber, volles Rubrum) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen:

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Wichtig: Der Arbeitgeber kann mit seinem Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht warten, bis der Betriebsrat einen Antrag nach § 101 BetrVG stellt, und dann im Verfahren nach § 101 BetrVG den Abweisungsantrag mit dem Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG verbinden (BAG v. 18.7.1978 und 21.11.1978, AP Nr. 1, 3 zu § 101 BetrVG). Denn dann würde sich die Angriffslast der §§ 99 ff. BetrVG, die der Gesetzgeber ausdrücklich dem Arbeitgeber zugewiesen hat, entgegen dem Gesetzessinn umdrehen. Umstritten ist, ob der Antrag nach § 101 BetrVG im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden kann. Das BAG hat dies mit der Begründung verneint, § 101 BetrVG sei eine Sonderregelung zu § 23 Abs. 2 BetrVG (BAG v. 17.3.1987, AP Nr. 7 zu § 23 BetrVG, offen gelassen in BAG v. 3.5.1994, AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG; allgemein zur Problematik Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 101 BetrVG Rz. 19 ff.). Nach richtiger Auffassung ist allerdings § 101 BetrVG keine Sonderregelung hinsichtlich eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats gegenüber mitbestimmungswidrig durchgeführten Personalmaßnahmen, soweit es losgelöst vom Einzelfall um die Bekämpfung einer ständig praktizierten rechtswidrigen Einstellungspraxis des Arbeitgebers geht (s. M 42.11). Das Verfahren nach § 101 BetrVG läuft leer, soweit es sich bei der personellen Maßnahme nach § 99 BetrVG um eine Ein- oder Umgruppierung handelt, weil eine solche nicht „aufgehoben“ werden kann. Bei Ein- und Umgruppierungen ist der Antrag nach § 101 BetrVG deshalb darauf zu richten, dass der Arbeitgeber verpflichtet wird, die Zustimmung des Betriebsrats zur vorgesehenen Eingruppierung/Umgruppierung nachträglich einzuholen und im Verweigerungsfalle durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen (BAG v. 9.2.1993, EzA § 102 BetrVG Rz. 111; v. 3.5.1994, BB 1994, 2490; v. 20.11.1988, AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG). Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 48.1. Der Arbeitnehmer ist an dem Verfahren nach § 101 BetrVG grundsätzlich nicht zu beteiligen (s. M 42.9 Fn. 5).

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M 42.10

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Einstellung des Herrn . . . aufzuheben.6 2. Für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß Ziff. 1 wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld von Euro 250,– angedroht.7 Begründung: Die Antragsgegnerin ist ein metallverarbeitendes Unternehmen in . . . mit 100 Arbeitnehmern, der Antragsteller ist der bei ihr gebildete Betriebsrat. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller am . . . mitgeteilt, dass man die Einstellung des Herrn . . . (Adresse) als . . . zum . . . plane und insoweit die Zustimmung des Antragstellers erbitte. Beweis: Anhörungsschreiben vom . . ., Anlage AS 1 Mit Schreiben vom . . . widersprach der Antragsteller der beabsichtigten Einstellung unter Bezugnahme auf die Widerspruchsgründe des § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 3 BetrVG. Beweis: Widerspruchsschreiben des Antragstellers vom . . ., Anlage AS 2 Wie in dem Schreiben ausgeführt stand die geplante Einstellung im Widerspruch zu der anlässlich der letzten Betriebsänderung abgeschlossenen Betriebsvereinbarung, die die vorrangige Wiedereinstellung entlassener Arbeitnehmer vorsieht. Es liegt aber auch der Widerspruchsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG vor, weil der bisherige Stelleninhaber, der langzeiterkrankt ist, bei der geplanten Neueinstellung im Fall seiner Rückkehr von der Entlassung bedroht wäre (wird ausgeführt).8 Die Antragsgegnerin hat weder ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG eingeleitet noch dem Antragsteller eine vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG mitgeteilt. Vielmehr hat die Antragsgegnerin schlicht trotz des Widerspruchs des Antragstellers den Mitarbeiter . . . per . . . eingestellt. Der Be-

6 Hinsichtlich der Formulierung des Antrags (anders noch 3. Aufl.) sollte man sich am besten an den Text des § 101 BetrVG halten. Zwar bleibt dann offen, auf welche Weise die Einstellung „aufzuheben“ ist (Kündigung, Versetzung in anderen Betrieb, Freistellung, unbezahlter Sonderurlaub), das dürfte jedoch unschädlich sein, schon weil dem Arbeitgeber insoweit ein Wahlrecht zusteht. 7 § 101 BetrVG enthält ein eigenständiges Vollstreckungssystem, welches sich an § 888 ZPO anlehnt. Hinsichtlich des in § 101 BetrVG vorgesehenen Zwangsgeldes gilt der allgemeine Grundsatz, dass die Zwangsgeldandrohung bereits mit dem Erkenntnisverfahren verbunden werden kann (s. M 108.7), wobei allerdings streitig ist, ob entsprechend § 100 Abs. 3 BetrVG vorher noch eine Frist von zwei Wochen abzuwarten ist (dazu Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 101 BetrVG Rz. 13, zur Verbindung des Zwangsgeldantrags mit dem Erkenntnisverfahren LAG Hessen v. 3.6.1988, DB 1989, 536). Zu beachten ist die ungewöhnlich niedrige Höchstgrenze des Zwangsgeldes von Euro 250,– in § 101 Satz 3 BetrVG, wobei allerdings das Zwangsgeld für jeden Tag der Zuwiderhandlung angedroht werden kann (anders als bei § 888 ZPO, s. M 108.7). 8 Wegen der Formalisierung des Verfahrens der §§ 99 ff. BetrVG ist der Antrag nach § 101 BetrVG immer schon dann begründet, wenn der Arbeitgeber trotz verweigerter Zustimmung des Betriebsrats die Maßnahme durchgeführt hat. Ob die Verweigerung des Betriebsrats zu Recht erfolgt ist oder nicht, spielt im Verfahren nach § 101 BetrVG keine Rolle (BAG v. 25.11.1990, AP Nr. 47 zu § 118 BetrVG). Gleichwohl empfiehlt es sich, das Arbeitsgericht davon zu überzeugen, dass der Betriebsrat auch in der Sache Recht hat.

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Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.10

triebsrat hat gegen die Einstellung mit Schreiben vom . . . ausdrücklich protestiert und auf die Vorschriften der §§ 99, 100 BetrVG hingewiesen. Beweis: Schreiben des Antragstellers vom . . ., Anlage AS 3 Als Reaktion auf das Schreiben teilte der Personalleiter dem Betriebsratsvorsitzenden am . . . lapidar mit, die vom Betriebsrat geltend gemachten Widerspruchsgründe seien „substanzlos“ und deshalb unbeachtlich. Ein Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG brauche deshalb vom Unternehmen nicht eingeleitet zu werden. Die personelle Maßnahme werde trotz des Protestes des Betriebsrats aufrechterhalten.9, 10 Beweis: Zeugnis des Personalleiters (Name, Firmenadresse) Die Einleitung eines Beschlussverfahrens war daher geboten.11, 12 ... (Unterschrift)13 9

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Wichtig: Es kommt in der Praxis häufig vor, dass der Arbeitgeber die Systematik der §§ 99, 100 BetrVG verkennt und davon ausgeht, bei einem materiell unbegründeten Widerspruch des Betriebsrats nach § 99 Abs. 3 BetrVG könne die Einstellung (ähnlich wie bei § 102 BetrVG die Kündigung) gleichwohl vorgenommen werden. Ein solches „Vorprüfungsrecht“ des Arbeitgebers sehen die §§ 99, 100 BetrVG aber nicht vor. Vielmehr ist auch bei sachlich unbegründetem Widerspruch des Betriebsrats stets das Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG durchzuführen. Praxistipp: In der Fassung des Musters wird der Antrag nach § 101 BetrVG gestellt, weil der Arbeitgeber überhaupt kein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchgeführt hat. Soll der Antrag nach § 101 BetrVG dagegen dem Arbeitgeber die Aufhebung der personellen Maßnahmen nach verlorenem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG aufgeben, so muss der Betriebsrat mit dem Antrag nicht bis zur Beendigung des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG warten. Vielmehr kann er den Antrag nach § 101 BetrVG als Widerantrag mit dem Abweisungsantrag im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG verbinden (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 101 BetrVG Rz. 11 mwN). Das Gesetz sieht für den Antrag nach § 101 BetrVG keine Frist vor. Das Antragsrecht kann jedoch verwirkt werden, wenn der Betriebsrat eine betriebsverfassungswidrige personelle Maßnahme zunächst lange Zeit geduldet hat (LAG Hessen v. 24.4.1984, BB 1984, 1684). Zu Rechtsmitteln s. M 42.9. Hinsichtlich des Streitwerts divergieren die Auffassungen. Während teilweise (LAG Hamm v. 8.3.2006 – 13 TaBV 187/05) der Wert entsprechend § 42 Abs. 3 GKG mit einem Vierteljahreseinkommen angesetzt wird, gehen andere Gerichte (zB LAG Nürnberg v. 20.6.2006 – 6 Ta 81/06) vom Hilfswert (Euro 4 000,–) gemäß § 23 RVG aus.

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M 42.11

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

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Einstweilige Verfügung wegen mitbestimmungswidriger Personalmaßnahmen1, 2

42.11

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren3 mit den Beteiligten (Betriebsrat ./. Arbeitgeber, volles Rubrum) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen, wegen der Dringlichkeit des Falles ohne mündliche Anhörung der Beteiligten durch den Vorsitzenden allein im Wege der einstweiligen Verfügung:4 1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, Einstellungen von Arbeitnehmern (mit Ausnahme von leitenden Angestellten sowie von arbeitskampfbedingten Einstellungen) vorzunehmen, solange der Antragsteller seine Zustimmung dazu nicht erteilt hat, diese Zustimmung nicht arbeitsgerichtlich ersetzt worden ist oder nicht eine vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG durchgeführt worden ist.5 2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß Ziff. 1 wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld angedroht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.6 3. Hilfsweise: Die beantragte einstweilige Verfügung nach Anhörung der Beteiligten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen.

1 Zum allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch und seinem Verhältnis zu § 23 Abs. 3 BetrVG s. M 32.8. 2 Es ist anerkannt, dass einstweilige Unterlassungsverfügungen in Bezug auf einzelne personelle Maßnahmen grundsätzlich nicht möglich sind, da insoweit die §§ 99, 100, 101 BetrVG eine abschließende Regelung enthalten (BAG v. 23.6.2009, NZA 2009, 1430). Insbesondere kommt es nicht in Betracht, während eines laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4, § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG per einstweiliger Verfügung die Aufhebung der vorläufigen personellen Maßnahmen zu verlangen, selbst wenn sich der Arbeitgeberantrag schon beim ersten Hinsehen als kaum haltbar darstellt (s. M 42.9 Fn. 1). 3 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 4 Zur einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren allgemein s. M 107.5. 5 Hier stellt sich das typische Problem des Globalantrags (ausführlich dazu oben M 35.7 Fn. 6). Je weiter der Antrag gefasst wird, desto höher ist das Risiko, dass er abgewiesen wird. Die Einschränkungen bezüglich der leitenden Mitarbeiter, der vorläufigen Maßnahmen nach § 100 BetrVG sowie der arbeitskampfbedingten Einstellungen sind unbedingt erforderlich, da ansonsten Konstellationen denkbar sind, in denen der Unterlassungsanspruch nicht besteht und folglich der Globalantrag insgesamt zurückgewiesen werden muss. 6 Wie bei Unterlassungsanträgen üblich, ist es zweckmäßig, die Androhung des Ordnungsgeldes mit dem Erkenntnisverfahren zu verbinden. Der besondere Unterlassungsanspruch nach § 23 BetrVG, der grobes Verschulden des Arbeitgebers voraussetzt, begrenzt das mögliche Ordnungsgeld auf Euro 10 000,– und sieht keine Ordnungshaft vor. Es ist deshalb anerkannt, dass zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die Ordnungsmittel zur Durchsetzung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs nicht strenger sein dürfen (BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 71/09, NZA 2011, 174). Das schließt die Verhängung von Ordnungshaft ebenso aus wie ein Euro 10 000,– übersteigendes Ordnungsgeld.

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Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.11

Begründung: Der Antragsteller ist der bei der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat. Die Antragsgegnerin verstößt seit Monaten beharrlich und grob gegen ihre Pflichten gemäß §§ 99 ff. BetrVG. Insbesondere nimmt sie ständig Einstellungen vor, ohne den Antragsteller gemäß § 99 BetrVG überhaupt anzuhören, geschweige denn dessen Zustimmung einzuholen. So sind in den letzten 12 Monaten insgesamt 15 Mitarbeiter eingestellt worden, ohne dass eine einzige Anhörung nach § 99 BetrVG stattgefunden hätte (wird ausgeführt). Der Antragsteller hat gegen die Missachtung seiner Rechte aus § 99 BetrVG mehrfach mündlich und schriftlich protestiert (wird ausgeführt). Diese Proteste haben aber nichts gefruchtet. Zuletzt sah sich der Antragsteller sogar gezwungen, ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren mit dem Ziel einzuleiten, das Bestehen seiner Mitbestimmungsrechte aus § 99 BetrVG feststellen zu lassen. Das Arbeitsgericht . . . hat mit Beschluss vom . . . (Az. . . .) festgestellt, dass dem Antragsteller bei jeder beabsichtigten Einstellung ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Die Entscheidung ist rechtskräftig geworden. Beweis: Beiziehung der Akten Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, in jedem Einzelfall ein Verfahren nach § 101 BetrVG auf Aufhebung der einzelnen personellen Maßnahmen durchzuführen. Vielmehr muss der allgemeine betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch ebenso wie der besondere Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG zumindest bei einer kontinuierlichen und beharrlichen Missachtung der Rechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG gegeben sein (BAG v. 23.6.2009, NZA 2009, 1430). Da nicht zu erwarten ist, dass die Antragsgegnerin ihre rechtswidrige Praxis kurzfristig einstellt, muss der Unterlassungsanspruch auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden können. Dies gilt umso mehr, als nach Kenntnis des Antragstellers bereits in der kommenden Woche über die Einstellung von drei neuen Bürokräften entschieden werden soll. Es ist zu befürchten, dass auch insoweit die Antragsgegnerin das Verfahren nach § 99 BetrVG nicht durchführen wird, so dass ausreichende Eilbedürftigkeit gegeben ist.7 ... (Unterschrift)8 7 Die Entscheidung kann mit Beschwerde nach §§ 87 ff. ArbGG zum LAG angegriffen werden. 8 Der Streitwert richtet sich nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Unterlassungsverpflichtung, kann also je nach den Umständen ein Vielfaches des Hilfswerts von Euro 4 000,– (§ 23 RVG) erreichen.

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M 42.12

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

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Antrag des Arbeitgebers auf Entbindung von der Übernahmeverpflichtung für Jugendvertreter nach § 78a BetrVG1, 2

42.12

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren3 mit den Beteiligten4 1. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer (Name, Firmenadresse) – Antragstellerin – 2. Auszubildender Herr . . . (Privatadresse) – Antragsgegner – 3. Betriebsrat der Firma . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden (Name, Firmenadresse) 4. Jugend- und Auszubildendenvertretung der . . . GmbH, vertreten durch den Vorsitzenden der Jugend- und Auszubildendenvertretung (Name, Firmenadresse) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen 1. Es wird festgestellt, dass zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner nach Ablauf der Ausbildungszeit am 30.9. . . . ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden ist.5 2. Hilfsweise: Das am 1.10. . . . begründete Arbeitsverhältnis wird aufgelöst.6 1 2

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Wichtig: Das Verfahren nach § 78a BetrVG ist ein prozessualer Albtraum. Die prozessualen Probleme sind fast unübersehbar (Houben, NZA 2006, 769). Alle Beteiligten tun gut daran, ihr prozessuales Verhalten sorgfältig zu durchdenken! Eine Entbindung des Arbeitgebers von der Weiterbeschäftigungspflicht während der Dauer des Verfahrens nach § 78a Abs. 4 BetrVG (im Wege des Urteilsverfahrens geltend zu machen!) kommt in Betracht, wenn die tatsächliche Beschäftigung unmöglich oder aus gravierenden Gründen unzumutbar ist (Fitting, § 78a BetrVG Rz. 45). Dagegen kann der Arbeitgeber grundsätzlich nicht im Wege der einstweiligen Verfügung die Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach § 78a Abs. 2 BetrVG verhindern oder die Auflösung eines bereits begründeten Arbeitsverhältnisses herbeiführen. Gestaltungsklagen sind grundsätzlich einer Regelung durch einstweilige Verfügung nicht zugänglich (statt aller Fitting, § 78a BetrVG Rz. 45). Wichtig: Während früher das Urteilsverfahren für die richtige Verfahrensart gehalten wurde, ist nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung der Streit im Beschlussverfahren zu entscheiden (BAG v. 5.4.1984, AP Nr. 13 zu § 78a BetrVG 1972). Unstreitig im Urteilsverfahren auszutragen ist dagegen der Streit über die tatsächliche Weiterbeschäftigung nach Ende des Ausbildungsverhältnisses während der Dauer des Verfahrens nach § 78a Abs. 4 BetrVG. Hier kommt ggf. eine einstweilige Verfügung in Betracht, wenn der Arbeitgeber grundlos die tatsächliche Weiterbeschäftigung verweigert (LAG Berlin v. 16.12.1974, BB 1975, 837; LAG Schl.-Holst. v. 25.3.1985, DB 1985, 2412). Leitet der Arbeitgeber ein Verfahren nach § 78a Abs. 4 BetrVG nicht ein, obwohl der Auszubildende die Übernahme gemäß Abs. 2 verlangt hat, muss der Auszubildende seine Rechte durch Klage im Urteilsverfahren (zB auf Feststellung des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, Lohnzahlung etc.) verfolgen (BAG v. 23.6.1983, v. 22.9.1983 sowie v. 13.11.1987, AP Nr. 10, 11 und 18 zu § 78a BetrVG). Beteiligte sind grundsätzlich der Arbeitgeber, der Auszubildende sowie der Betriebsrat. War der Auszubildende Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung, ist auch diese zu beteiligen. Der im Muster gestellte Antrag Ziff. 1 kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber das Verfahren nach § 78a BetrVG von vornherein nicht für einschlägig hält, sei es weil das Amt nicht

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Kap. 42

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.12

Begründung: Der Antragsgegner ist bis 30.9. . . . Auszubildender bei der Antragstellerin gewesen. Am 30.9. . . . hat unstreitig das Ausbildungsverhältnis auf Grund der erfolgreich abgelegten Abschlussprüfung geendet. Der Antragsgegner hat geltend gemacht, er genieße als Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung den besonderen Schutz des § 78a BetrVG. Das ist jedoch nicht der Fall. Es hat zwar im Januar . . . die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung stattgefunden. Diese Wahl war jedoch wegen massiver Mängel des Wahlverfahrens nichtig (wird ausgeführt). Mit Schreiben vom . . . hat die Antragstellerin dem Antragsgegner mitgeteilt, dass sie ihn nach Abschluss der Ausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen werde, und zwar unabhängig von der Wirksamkeit oder Nichtigkeit der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung und damit unabhängig vom Eingreifen des Schutzes des § 78a BetrVG. Beweis: Schreiben der Antragstellerin vom . . ., Anlage AS 1 Der Antragsgegner hat am . . . von der Antragstellerin schriftlich die Weiterbeschäftigung gemäß § 78a Abs. 2 BetrVG verlangt. Beweis: Schreiben des Antragsgegners vom . . ., Anlage AS 2 Mit dem Antrag Ziff. 1 wird die Feststellung begehrt, dass ein Arbeitsverhältnis in der Zeit ab 1.10. . . . nicht zustande gekommen ist, weil wegen der Nichtigkeit der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung der Antragsgegner den besonderen Schutz des § 78a BetrVG nicht hatte und deshalb ein Arbeitsverhältnis nach § 78a

besteht, sei es weil der Auszubildende nicht wie in § 78a Abs. 2 BetrVG vorgeschrieben innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung der Ausbildung schriftlich (gesetzliche Schriftform nach § 126 BGB!) die Weiterbeschäftigung verlangt hat (dazu BAG v. 15.12.2011 – 7 ABR 40/10, NZA-RR 2012, 413. Streitig ist allerdings, ob die Vorfrage nach Bestehen des Schutzes nach § 78a BetrVG in einem einheitlichen Beschlussverfahren zusammen mit den Anträgen nach § 78a Abs. 4 BetrVG geklärt werden kann. Dieses unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie wünschenswerte Ergebnis wurde vom BAG in seiner Entscheidung v. 11.1.1995 (DB 1995, 1418) entgegen der älteren Rechtsprechung erwogen. Nach der älteren Rechtsprechung sollten dagegen nicht nur getrennte Verfahren erforderlich sein, sondern die Vorfrage nach dem Eingreifen des Schutzes des § 78a BetrVG sollte zwischen Arbeitgeber und Auszubildendem im Urteilsverfahren zu klären sein. Besteht dagegen am Eingreifen des Schutzes des § 78a BetrVG kein Zweifel und ist die form- und fristgerechte Geltendmachung nach § 78a Abs. 2 BetrVG durch den Auszubildenden erfolgt, richten sich die vom Arbeitgeber zu stellenden Anträge nach § 78a Abs. 4 BetrVG. 6 Wichtig: Hinsichtlich der Antragstellung ist zu unterscheiden, ob der Arbeitgeber den Antrag vor oder nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses stellt. Stellt er den Antrag vorher, muss er die Feststellung beantragen, dass das Arbeitsverhältnis nicht begründet wird. Stellt er den Antrag (wie im Muster) nach Ende des Ausbildungsverhältnisses, muss er im Wege des Gestaltungsantrags die Auflösung des bereits begründeten Arbeitsverhältnisses beantragen. Nach inzwischen gefestigter Auffassung (BAG v. 29.11.1989, v. 24.7.1991 und v. 11.1.1994, AP Nr. 20, 23 und 24 zu § 78a BetrVG) wandelt sich ein zunächst gestellter Antrag nach § 78a Abs. 4 Nr. 1 BetrVG mit dem Ende des Ausbildungsverhältnisses automatisch um in einen Antrag nach § 78a Abs. 4 Nr. 2 BetrVG, ohne dass eine ausdrückliche Umstellung des Antrags erforderlich wäre (was aber in der Praxis nur empfohlen werden kann). Die entgegenstehende ältere Rechtsprechung ist vom BAG ausdrücklich aufgegeben worden.

1166 Diller

M 42.12

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

Abs. 2 BetrVG nicht zustande kommen konnte. Dass ein Arbeitsverhältnis ansonsten nicht vereinbart worden ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit dem Hilfsantrag Ziff. 2 wird der Antrag nach § 78a Satz 4 Nr. 2 BetrVG gestellt. Sollte entgegen der Auffassung der Antragstellerin der Antragsgegner doch den Schutz des § 78a BetrVG genießen, wäre das gemäß § 78a Abs. 2 BetrVG zustande gekommene Arbeitsverhältnis nach § 78a Abs. 4 Nr. 2 BetrVG aufzulösen, weil Tatsachen vorliegen, die der Antragstellerin unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung des Antragsgegners nicht zumutbar machen.7 Insbesondere gibt es keinen freien Arbeitsplatz, auf dem der Antragsgegner eingesetzt werden könnte (wird ausgeführt). Die Antragstellerin ist auch nicht verpflichtet, einen Arbeitsplatz durch Kündigung eines anderen Arbeitnehmers freizumachen oder einen neuen nicht benötigten Arbeitsplatz zu schaffen (BAG v. 29.11.1989 und v. 16.8.1995, AP Nr. 20, 25 zu § 78a BetrVG). Die Zwei-Wochen-Frist des § 78a Abs. 4 Satz 1 BetrVG ist gewahrt.8 ... (Unterschrift)9 7 Aus welchen Gründen die Übernahme des Auszubildenden vom Arbeitgeber verweigert werden kann, ist heftig umstritten. Personen- und verhaltensbedingte Gründe, die eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers rechtfertigen würden (§ 626 BGB), rechtfertigen stets die Nichtübernahme eines Auszubildenden nach § 78a BetrVG (BAG v. 16.1.1979 und v. 15.12.1983, AP Nr. 5 und 12 zu § 78a BetrVG). Dass solche Gründe auch eine außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses (§ 22 Abs. 2 BBiG) hätten rechtfertigen können, hindert den Arbeitgeber nicht daran, aus diesen Gründen (auch nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB! Vgl. BAG v. 15.12.1983, AP Nr. 12 zu § 78a BetrVG) die Übernahme des Auszubildenden zu verweigern. Verstöße des Auszubildenden gegen seine Amtspflichten als Mitglied des Betriebsrats bzw. der Jugend- und Auszubildendenvertretung reichen regelmäßig für einen Antrag nach § 78a BetrVG nicht, vielmehr müssen die Gründe im Arbeitsverhältnis wurzeln. Besonders umstritten ist, in welchem Umfang betriebsbedingte Gründe die Übernahme des Auszubildenden unzumutbar machen. Nach herrschender Auffassung reicht das Fehlen eines freien Arbeitsplatzes aus (BAG v. 16.1.1979 und v. 29.11.1989, AP Nr. 5, 20 zu § 78a BetrVG), wobei der Arbeitgeber weder einen neuen nicht benötigten Arbeitsplatz schaffen noch vorhandene Arbeitsplätze freikündigen muss (s. die Nachweise im Muster). Die Einzelheiten sind höchst umstritten (vgl. Fitting, § 78a BetrVG Rz. 46 ff.; zuletzt BAG v. 17.2.2010 – 7 ABR 89/08 zur Pflicht, einen mit einem Leiharbeiter besetzten Arbeitsplatz freizumachen). Nach der Entscheidung des BAG v. 15.11.2006 (BB 2007, 1284) kommt es für das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes nur auf den jeweiligen Betrieb an, nicht auf das gesamte Unternehmen. 8 Die Entscheidung des Arbeitsgerichts kann mit Beschwerde nach §§ 87 ff. ArbGG zum LAG angegriffen werden. Da es sich um eine feststellende bzw. gestaltende Entscheidung handelt, kommt eine Zwangsvollstreckung nicht in Betracht. 9 Der Streitwert wird üblicherweise in Anlehnung an § 42 Abs. 3 GKG mit einem Vierteljahresverdienst des Auszubildenden angesetzt (LAG Thüringen v. 30.3.2007, AE 2007, Nr. 267; aA LAG Köln v. 20.2.2002, AE 2007, Nr. 268: zwei Bruttomonatsgehälter).

Diller

1167

Kap. 42

42.13

u

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

M 42.13

Stellenausschreibung1

1. Das Versetzungsverfahren wird durch eine innerbetriebliche Stellenausschreibung eröffnet. Sie soll gewährleisten, dass jeder Mitarbeiter frühzeitig und umfassend und in gleicher Weise über freie bzw. frei werdende Stellen2 informiert und ihm die Chance gegeben wird, sich eine etwaige Bewerbung reiflich zu überlegen und durch seine Bewerbung auf die Besetzung dieser Stelle Einfluss zu nehmen. Sie soll ferner die frühzeitige und umfassende Information und Beteiligung des Betriebsrates sichern. Der Arbeitgeber ist berechtigt, gezielt einzelne Mitarbeiter zur Bewerbung aufzufordern. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, auf Mitarbeiter, die eine Bewerbungsabsicht geäußert oder sich bereits beworben haben, Einfluss auszuüben oder ausüben zu lassen, sich nicht zu bewerben oder eine Bewerbung zurückzuziehen. 2. Die Stelle muss schriftlich ausgeschrieben werden mit folgende Angaben: – Tätigkeitsbezeichnung; – Abteilung/Bereich; – Beschreibung des Aufgabengebietes in allen wesentlichen Punkten; – Fachliche Voraussetzungen in Übereinstimmung mit der tariflichen und/oder betrieblichen Bestimmung einschließlich der vorzulegenden Zeugnisse und anderen Urkunden sowie die geforderten Erfahrungen in der ausgeschriebenen oder in einer anderen Tätigkeit; – Bestimmung des Einsatzbeginns; – Eingruppierung/Einstufung; – Stelle, an die die Bewerbung zu richten ist; – Dauer des Aushangs und Anfangs- und Endtermin; – Ende der Bewerbungsfrist. 3. Die Stellenausschreibung ist regelmäßig acht Wochen vor dem vorgesehenen Einsatz auf der ausgeschriebenen Stelle auszuhängen. Die Aushängefrist beträgt vier Wochen.3 Die Orte der Aushänge sind die schwarzen Bretter. Kann die Frist gemäß Satz 1 wegen der Eilbedürftigkeit der Versetzung nicht eingehalten werden, dann muss die Ausschreibung unverzüglich nach Kenntnis des Arbeitgebers von der Notwendigkeit der Stellenbesetzung erfolgen. 4. Es werden nur solche Bewerbungen berücksichtigt, die innerhalb der Bewerbungsfrist bei der Personalabteilung eingehen. Ist diese der Ansicht, dass kein Bewerber die fachlichen oder persönlichen Voraussetzungen erfüllt, hat sie dies dem Betriebsrat innerhalb von zwei Wochen nach Ende der Bewerbungsfrist mitzuteilen. Ihre Rechte, ein neues Ausschreibungsverfahren einzuleiten, bleiben unberührt. 1 Die Zustimmung zu einer Einstellung kann der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG nur verweigern, wenn er zuvor die Stellenausschreibung verlangt hat oder eine Betriebsvereinbarung existiert, BAG v. 14.12.2004 – 1 ABR 54/03, DB 2005, 729. 2 Der Betriebsrat kann auch die Ausschreibung von Arbeitsplätzen verlangen, die der Arbeitgeber für mehr als ein Jahr mit Leiharbeitnehmern besetzen will, BAG v. 1.2.2011 – 1 ABR 79/09, BB 2011, 1856. 3 Auch zwei Wochen sind ausreichend, BAG v. 6.10.2010 – 7 ABR 18/09, BB 2011, 372.

1168 Bauer/Haußmann

M 42.14

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Kap. 42

u

Auswahl-Richtlinie für Versetzungen1

42.14

1. Die Auswahl bestimmt sich nach einem Punktesystem.2 Jedem Bewerber werden Punkte zugeordnet, die sich nach folgenden Kriterien errechnen: a) Die in der Ausschreibung vorausgesetzte Grundqualifikation (zB erfolgreicher Abschluss eines Fachhochschulstudiums, Erwerb des Facharbeiter- oder Meisterbriefes) und im Qualifikationsnachweis erzielte Note Note 4 (ausreichend)

. . . Punkte,

Note 3 (befriedigend)

. . . Punkte,

Note 2 (gut)

. . . Punkte,

Note 1 (sehr gut)

. . . Punkte.

Können nach der Ausschreibung an Stelle einer förmlichen Qualifikation auch gleichwertige durch Berufserfahrung gewonnene Kenntnisse oder dergleichen treten, werden hierfür als Grundlage die Punkte gemäß d) berücksichtigt, und zwar für jedes volle Jahr der Betriebszugehörigkeit mit einem Zehntel der letzten Beurteilung, maximal . . . Punkte. Eine Überqualifikation (Hochschulstudium an Stelle eines FH-Studiums, Meisterbrief an Stelle eines Facharbeiterbriefes) findet nur im Rahmen des Buchstaben e) Berücksichtigung. b) Die im regelmäßigen betrieblichen Beurteilungsverfahren erzielte aktuelle Leistungsbeurteilung. Die Beurteilungskriterien 1 und 2 werden mit dem Faktor 0,3, die Beurteilungskriterien 3 und 4 mit dem Faktor 0,2 vervielfältigt. Die Summe der Einzelergebnisse ergibt die Punkte. Bruchteile unter 50 werden nach unten gerundet, im Übrigen ist aufzurunden. Diese Regelung gilt entsprechend für Arbeitnehmer, bei denen eine Leistungsbeurteilung lediglich nach Stufen erfolgt. c) Soweit der Arbeitgeber eine jährliche Potentialanalyse erstellt, können hierfür zwischen 0 und . . . Punkte angesetzt werden. Das Verfahren bei der Erstellung und Überprüfung der Potentialanalyse richtet sich nach den für die betriebliche Leistungsbeurteilung geltenden Richtlinien. Soweit die Potentialanalyse nicht erstellt ist, werden an ihrer Stelle die Punkte gemäß Buchstabe b) zur Hälfte zusätzlich berücksichtigt. d) Die beruflichen und betrieblichen und aufgabenbezogenen Erfahrungen. Hierbei errechnen sich folgende Punkte: Für jedes volle Arbeitsjahr . . . Punkte im jeweiligen Beruf. e) Zusätzlich für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz vereinbarte fachliche Qualifikationen werden unabhängig von einer Zahl mit . . . Punkten angesetzt. 2. Die Werksleitung kann aus besonderen, dem Betriebsrat schriftlich mitzuteilenden Gründen (zB Erhaltung bzw. Schaffung einer betrieblich sinnvollen Altersstruktur) einem Bewerber bis zu . . . weitere Punkte zuordnen. Bei Stellen, welche einen Hochschulabschluss voraussetzen, beträgt die Anzahl insgesamt bis zu . . . Punkte. 1 Vgl. BAG v. 27.10.1992 – 1 ABR 4/92, AP Nr. 29 zu § 95 BetrVG 1972. 2 Die gesetzlichen Kriterien können nicht verdrängt, nur konkretisiert und gewichtet werden, BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 907/06, DB 2008, 2143.

Bauer/Haußmann

1169

Kap. 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

3. Versetzt wird der Bewerber, dem die meisten Punkte zuzuordnen sind. Bei gleicher Punktzahl erhalten Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % oder Gleichgestellte den Vorzug.

N N Q NNNN

Kapitel 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Literaturübersicht: Allgemein: Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, 2. Aufl. 2009; Biebl, Das Restmandat des Betriebsrats nach Betriebsstilllegung, 1991; Ehmann, Betriebsstilllegung und Mitbestimmung, 1978; Hassenpflug, Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern wegen Stilllegung eines Betriebes oder einer Betriebsabteilung, 1989; Kleinebrink, Strategisches Arbeitsrecht, DB 2010, 2448; Knorr, Der Sozialplan im Widerstreit der Interessen, 1995; Konzen, Unternehmensaufspaltungen und Organisationsänderungen im Betriebsverfassungsrecht, 1986; Lehmann, Betriebliches Bündnis für Arbeit, BB 2010, 2821; Martin, Interessenausgleich und Sozialplan, 1995; Müller-Bonanni/Mehrens, Auswirkungen von Umstrukturierungen auf die Tarifsituation, ZIP 2012, 1217; Reuter, Der Sozialplan, 1983; Röder/Baeck, Interessenausgleich und Sozialplan, 4. Aufl. 2009; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 3. Aufl. 1990; Welkoborsky, Instrument in der Krise: Transfersozialplan?, AiB 2009, 428; Willemsen, Arbeitnehmerschutz bei Betriebsänderung im Konkurs, 1980. Zu Betriebsänderungen und Umwandlungen nach dem UmwG: Bachner, Das Übergangsmandat des Betriebsrats bei Unternehmensumstrukturierungen, DB 1995, 2068; Bachner, Individual- und kollektivrechtliche Auswirkungen des neuen Umwandlungsgesetzes, NJW 1995, 2881; Bauer/Lingemann, Das neue Umwandlungsrecht und seine arbeitsrechtlichen Auswirkungen, NZA 1994, 1057; Bungert, Darstellungsweise und Überprüfbarkeit der Angaben über Arbeitnehmerfolgen im Umwandlungsvertrag, DB 1997, 2209; Däubler, Das Arbeitsrecht im neuen Umwandlungsgesetz, RdA 1995, 136; Düwell, Umstrukturierung von Unternehmen – legislatorische Defizite und rechtspolitische Forderungen, ArbuR 1994, 357; Düwell, Umwandlung von Unternehmen und arbeitsrechtliche Folgen, NZA 1996, 393; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, 2002; Feudner, Übergangs- und Restmandate des Betriebsrats, BB 1996, 1934; Heinze, Arbeitsrechtliche Fragen bei der Übertragung und Umwandlung von Unternehmen, ZfA 1997, 1; Kreßel, Arbeitsrechtliche Aspekte des neuen Umwandlungsbereinigungsgesetzes, BB 1995, 925; Schaub, Der arbeitsrechtliche Betriebsübergang im Recht der Gesamtnachfolge, in: Entwicklungen im Arbeitsrecht und Arbeitsschutzrecht, FS Wlotzke, 1976, S. 103; Schubert, Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitender Verschmelzung, RdA 2007, 9; Willemsen, Arbeitsrecht im Umwandlungsgesetz – Zehn Fragen aus der Sicht der Praxis, NZA 1996, 791; Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 4. Aufl. 2011; Wlotzke, Arbeitsrechtliche Aspekte des neuen Umwandlungsrechts, DB 1995, 40.

1170 Bauer/Haußmann

Kap. 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

3. Versetzt wird der Bewerber, dem die meisten Punkte zuzuordnen sind. Bei gleicher Punktzahl erhalten Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % oder Gleichgestellte den Vorzug.

N N Q NNNN

Kapitel 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Literaturübersicht: Allgemein: Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, 2. Aufl. 2009; Biebl, Das Restmandat des Betriebsrats nach Betriebsstilllegung, 1991; Ehmann, Betriebsstilllegung und Mitbestimmung, 1978; Hassenpflug, Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern wegen Stilllegung eines Betriebes oder einer Betriebsabteilung, 1989; Kleinebrink, Strategisches Arbeitsrecht, DB 2010, 2448; Knorr, Der Sozialplan im Widerstreit der Interessen, 1995; Konzen, Unternehmensaufspaltungen und Organisationsänderungen im Betriebsverfassungsrecht, 1986; Lehmann, Betriebliches Bündnis für Arbeit, BB 2010, 2821; Martin, Interessenausgleich und Sozialplan, 1995; Müller-Bonanni/Mehrens, Auswirkungen von Umstrukturierungen auf die Tarifsituation, ZIP 2012, 1217; Reuter, Der Sozialplan, 1983; Röder/Baeck, Interessenausgleich und Sozialplan, 4. Aufl. 2009; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 3. Aufl. 1990; Welkoborsky, Instrument in der Krise: Transfersozialplan?, AiB 2009, 428; Willemsen, Arbeitnehmerschutz bei Betriebsänderung im Konkurs, 1980. Zu Betriebsänderungen und Umwandlungen nach dem UmwG: Bachner, Das Übergangsmandat des Betriebsrats bei Unternehmensumstrukturierungen, DB 1995, 2068; Bachner, Individual- und kollektivrechtliche Auswirkungen des neuen Umwandlungsgesetzes, NJW 1995, 2881; Bauer/Lingemann, Das neue Umwandlungsrecht und seine arbeitsrechtlichen Auswirkungen, NZA 1994, 1057; Bungert, Darstellungsweise und Überprüfbarkeit der Angaben über Arbeitnehmerfolgen im Umwandlungsvertrag, DB 1997, 2209; Däubler, Das Arbeitsrecht im neuen Umwandlungsgesetz, RdA 1995, 136; Düwell, Umstrukturierung von Unternehmen – legislatorische Defizite und rechtspolitische Forderungen, ArbuR 1994, 357; Düwell, Umwandlung von Unternehmen und arbeitsrechtliche Folgen, NZA 1996, 393; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, 2002; Feudner, Übergangs- und Restmandate des Betriebsrats, BB 1996, 1934; Heinze, Arbeitsrechtliche Fragen bei der Übertragung und Umwandlung von Unternehmen, ZfA 1997, 1; Kreßel, Arbeitsrechtliche Aspekte des neuen Umwandlungsbereinigungsgesetzes, BB 1995, 925; Schaub, Der arbeitsrechtliche Betriebsübergang im Recht der Gesamtnachfolge, in: Entwicklungen im Arbeitsrecht und Arbeitsschutzrecht, FS Wlotzke, 1976, S. 103; Schubert, Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitender Verschmelzung, RdA 2007, 9; Willemsen, Arbeitsrecht im Umwandlungsgesetz – Zehn Fragen aus der Sicht der Praxis, NZA 1996, 791; Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 4. Aufl. 2011; Wlotzke, Arbeitsrechtliche Aspekte des neuen Umwandlungsrechts, DB 1995, 40.

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Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Kap. 43

I. Einführung 1. Interessenausgleich und Sozialplan a) Interessenausgleich1 In Unternehmen mit mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern ist der Arbeitgeber im Falle einer Betriebsänderung (Hauptanwendungsfälle: Betriebsschließungen oder Betriebsverlegungen) nach § 111 BetrVG verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die geplanten Maßnahmen zu unterrichten und diese mit ihm zu beraten. Außerdem muss der Arbeitgeber den Abschluss eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat versuchen (§§ 112, 113 BetrVG). Eine Pflicht zum Abschluss eines Interessenausgleichs besteht hingegen nicht. Führt der Arbeitgeber die geplante Betriebsänderung durch, ohne einen Interessenausgleich zumindest versucht zu haben, trifft ihn die Nachteilsausgleichspflicht nach § 113 Abs. 3 BetrVG. Die Nachteilsausgleichspflicht bei nicht versuchtem Interessenausgleich stellt zugleich das wesentliche Druckmittel des Betriebsrats dar. Er kann zwar den Arbeitgeber nicht zum Abschluss des Interessenausgleichs zwingen, ist andererseits aber in der Lage, das Verfahren zum Abschluss eines Interessenausgleichs nach Maßgabe des § 112 Abs. 1–3 BetrVG zu verzögern. Dem Arbeitgeber wiederum wird in den meisten Fällen der Betriebsänderung sowohl an einer zügigen Durchführung der geplanten Maßnahmen als auch an einer Vermeidung der Nachteilsausgleichspflicht gelegen sein.

1

Führen die Verhandlungen über den Interessenausgleich zu einer Einigung, ist diese gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG schriftlich niederzulegen und von Arbeitgeber und Betriebsrat zu unterzeichnen. Dabei lassen sich zwei Konstellationen unterscheiden: Zum einen kann die Einigung sich ausschließlich darauf beschränken, das Interessenausgleichsverfahren für beendet zu erklären (negativer Interessenausgleich) (M 43.1). In der Sache sind sich die Betriebspartner dann nach wie vor nicht einig, hinsichtlich des weiteren Verfahrens ist jedoch klargestellt, dass die Einschaltung der Einigungsstelle nicht mehr erforderlich ist und der Arbeitgeber mit der Durchführung der Betriebsänderung beginnen kann. Zum anderen kann die Einigung natürlich auch in der Sache zustande kommen (positiver Interessenausgleich) (M 43.2, M 43.4, M 43.5). Der wesentliche Inhalt des Interessenausgleichs besteht dann in organisatorischen Regelungen, mit denen sich der Arbeitgeber verpflichtet, die geplante Betriebsänderung im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen nunmehr mit gewissen Modifikationen durchzuführen. Der Interessenausgleich hat nicht die Wirkung einer Betriebsvereinbarung, wirkt also nicht unmittelbar und zwingend. Die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer können in der Regel aus dem Interessenausgleich keine direkten Erfüllungsansprüche gegen den Arbeitgeber ableiten. Dasselbe gilt für den Betriebsrat. Hält sich der Arbeitgeber jedoch ohne zwingenden Grund nicht an die Verpflichtungen aus dem Interessenausgleich, trifft ihn wiederum gemäß § 113 Abs. 1, 2 BetrVG eine Nachteilsausgleichspflicht.

2

Darüber hinaus sind die Betriebsparteien nicht gehindert, einen Interessenausgleich in Form einer Betriebsvereinbarung zu vereinbaren (freiwillige Betriebsvereinbarung). Dort können dann auch Regelungen getroffen werden, die direkte Erfüllungsoder Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer auslösen.2

3

1 S. dazu näher Röder/Baeck, Interessenausgleich und Sozialplan, 4. Aufl. 2009. 2 Vgl. Richardi, § 112 BetrVG Rz. 18, 39, 41 mwN.

Bauer/Haußmann

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Kap. 43 4

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Praxistipp: Die Entscheidung darüber, ob der Interessenausgleich in Form einer Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird, kann Gegenstand der Verhandlungen sein. Der Betriebsrat kann die Form der Betriebsvereinbarung nicht erzwingen, von Fall zu Fall ist zu prüfen, ob der Interessenausgleich nennenswerte Regelungen enthält, die einen Streit um die rechtliche Qualität rechtfertigen. b) Sozialplan

5

Der Sozialplan regelt den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die sich aus einer Betriebsänderung ergeben, § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Damit sind insbesondere Abfindungsregelungen gemeint, aber auch die Errichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft,3 s. § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2a BetrVG (M 43.6.1). Diese Transfergesellschaft wird von der Agentur für Arbeit gefördert. Transferkurzarbeitergeld wird nach Maßgabe von § 111 SGB III gewährt. Voraussetzung ist seit 2011 die Beratung durch die Agentur für Arbeit.

6

Im Gegensatz zum Interessenausgleich hat der Sozialplan die Wirkung einer Betriebsvereinbarung (§ 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG), wobei allerdings die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht gilt (§ 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG). Ein weiterer und ganz wesentlicher Unterschied zum Interessenausgleich besteht darin, dass der Sozialplan bei Nichteinigung der Betriebsparteien durch Anrufung der Einigungsstelle erzwungen werden kann, § 112 Abs. 4 BetrVG. Hat eine Betriebsänderung also wirtschaftliche Nachteile zur Folge, über deren Ausgleich oder Milderung eine Einigung zu erzielen ist, oder besteht sie ausschließlich in der Entlassung von Arbeitnehmern in dem in § 112a BetrVG festgelegten Umfang, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, den Abschluss eines Sozialplans zu erzwingen.

7

Interessenausgleich und Sozialplan sind sorgfältig voneinander zu trennen. Ein Interessenausgleich kann bereits versucht und gescheitert sein, während zugleich die Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans (evtl. vor der Einigungsstelle) noch laufen. Der Arbeitgeber ist dann nicht gehindert, mit der Durchführung der Betriebsänderung bereits zu beginnen, denn der Sozialplan befasst sich gerade nicht mit organisatorischen Fragen der Betriebsänderung, sondern nur mit deren wirtschaftlichen Folgen für die Arbeitnehmer. Interessenausgleich und Sozialplan können umgekehrt auch in einer einzigen Vereinbarung zusammengefasst werden, was aber nur empfehlenswert ist, wenn von Anfang an Einigkeit über den Inhalt besteht. Schließlich ist es sogar möglich, selbst für noch nicht geplante, aber in groben Umrissen schon abschätzbare Betriebsänderungen einen Sozialplan in Form einer freiwilligen Betriebsvereinbarung aufzustellen. Soweit ein solcher vorsorglicher Sozialplan wirksame Regelungen enthält, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 112 BetrVG verbraucht, falls eine entsprechende Betriebsänderung später tatsächlich vorgenommen wird. Im Abschluss eines vorsorglichen Sozialplans ist grundsätzlich noch kein unzulässiger Verzicht auf künftige Mitbestimmungsrechte zu sehen.4

8

Zum tariflichen Sozialplan vgl. M 50.8.

3 Ob dies gegen den Willen des Arbeitgebers in der Einigungsstelle erzwungen werden kann, ist fraglich, vgl. Röder/Baeck in Praxishandbuch BetrVG, 2003, § 28 Rz. 317. 4 BAG v. 26.8.1997 – 1 ABR 12/97, NZA 1998, 216.

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Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Kap. 43

2. Umwandlungen Gemäß § 1 Abs. 1 UmwG können Rechtsträger mit Sitz im Inland umgewandelt werden (1) durch Verschmelzung (§§ 2–122l UmwG), (2) durch Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung, §§ 123–173 UmwG), (3) durch Vermögensübertragung (Voll- oder Teilübertragung, §§ 174–189 UmwG) und (4) durch Formwechsel (§§ 190–312 UmwG). Entsprechend dem im Gesellschaftsrecht geltenden Typenzwang ist diese Aufzählung der Umwandlungsarten abschließend. Andere Arten der Umwandlung sind gemäß § 1 Abs. 2 UmwG nur zulässig, wenn sie in anderen Bundes- oder Landesgesetzen zugelassen oder angeordnet sind. § 1 Abs. 3 UmwG stellt dabei klar, dass die Vorschriften des UmwG zwingendes Recht enthalten. Auf der Ebene des Individualarbeitsrechts wird durch § 324 UmwG bestimmt, dass § 613a Abs. 1 und 4 BGB durch die Wirkungen der Eintragung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung unberührt bleiben soll, was bedeutet, dass § 613a BGB insoweit auch in Umwandlungsfällen Anwendung findet. Der Formwechsel löst keinen Arbeitgeberwechsel iSd. § 613a BGB aus.

9

Über die Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz ist der Wirtschaftsausschuss nach § 106 BetrVG zu unterrichten, da sie eine Spaltung des Unternehmens darstellt. Der Betriebs(teil)übergang iSd. § 613a BGB ist unter die Generalklausel der sonstigen für Arbeitnehmer bedeutsame Vorgänge zu fassen.

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Nach § 5 Abs. 3 UmwG ist der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf dem Betriebsrat zuzuleiten. Zuständiger Adressat ist jeder Betriebsrat der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger. Unterhalten die beteiligten Rechtsträger mehrere Betriebsstätten, ist der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf jedem einzelnen Betriebsrat nur dann gesondert zuzuleiten, wenn kein Gesamtbetriebsrat gebildet ist. Ist bei den beteiligten Rechtsträgern ein Gesamtbetriebsrat errichtet, ist der Gesamtbetriebsrat in der Regel nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zuständig. Seine Zuständigkeit ist anzunehmen, wenn die Angelegenheit nicht durch die Einzelbetriebsräte getrennt geregelt werden kann.5 Da die Verschmelzung ein unternehmensbezogener Vorgang ist, ist der Verschmelzungsvertrag nach unseres Erachtens richtiger Auffassung nur dem Gesamtbetriebsrat zuzuleiten.6 In der Literatur wird teilweise empfohlen, gleichwohl im Interesse der „Rechtssicherheit“ oder aber „im Interesse der Transparenz und des sozialen Friedens im Unternehmen“7 den Vertrag oder seinen Entwurf auch den Einzelbetriebsräten zuzuleiten. Ist das herrschende Unternehmen im Konzern übertragender Rechtsträger, kommt die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates in Betracht. Das herrschende Unternehmen im beherrschten Konzern des übertragenden Rechtsträgers wird ausgewechselt.8 Nach einer weiteren Auffassung ist der Konzernbetriebsrat nicht nur dann zuständig, wenn das herrschende Unternehmen des übertragenden Rechtsträgers ausgewechselt wird. In der Regel wirkt sich die Verschmelzung von Konzernunternehmen mittelbar auf den Konzern aus und begründet schon damit die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates.9 Der Konzernbetriebsrat ist nach § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zuständig, wenn eine An-

11

5 6 7 8 9

Zur Zuständigkeitsabgrenzung Thüsing, ZfA 2010, 195 ff. Lutter/Drygala, UmwG, 4. Aufl. 2009, § 5 Rz. 106; Müller, DB 1997, 713, 715. Wlotzke, DB 1995, 40, 45. Müller, DB 1997, 713, 715. Mayer in Widmann/Mayer, § 5 UmwG Rz. 254.

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Kap. 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

gelegenheit nicht durch die Einzel- oder Gesamtbetriebsräte geregelt werden kann. Diese Zuständigkeitsregelung spricht zunächst dafür, die Konzernbetriebsratszuständigkeit nur an Stelle, nicht neben der Zuständigkeit der Gesamt- oder Einzelbetriebsräte anzunehmen. Gleichwohl wird vertreten, dass die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates zusätzlich neben der der Gesamtbetriebsräte bestehen könne.10 Dies wird damit begründet, dass die Verschmelzung nicht nur Konzerninteressen berühre, sondern die Gesamt- oder Einzelbetriebsräte zuständig bleiben, soweit die Belange der Arbeitnehmer durch die Verschmelzung unmittelbar betroffen sind. 12

Praxistipp: Ist das konzernbeherrschende Unternehmen an der Verschmelzung beteiligt, empfiehlt sich deshalb, den Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrag neben den Gesamt- oder Einzelbetriebsräten auch dem Konzernbetriebsrat zuzuleiten.

13

Im Verschmelzungsvertrag sind die Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen anzugeben. Der erforderliche Umfang dieser Angaben ist umstritten. Zu den wesentlichen Angaben wird die Mitteilung gezählt, welcher Tarifvertrag nach der Umwandlung anzuwenden ist.11 Dies ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln nicht immer auf Anhieb eindeutig zu beantworten.

14

Der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf ist spätestens einen Monat vor dem Tag, an dem die Hauptversammlung den Verschmelzungsbeschluss fassen wird, zuzuleiten. Die rechtzeitige Zuleitung muss dem Handelsregister bei der Anmeldung der Verschmelzung zum Handelsregister nachgewiesen werden. Es ist deshalb eine von dem Betriebsratsvorsitzenden zu unterschreibende Empfangsbestätigung vorzubereiten.12

3. Wirtschaftsausschuss 15

Hat der Betriebsrat einen Wirtschaftsausschuss gebildet, ist dieser Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens (§ 106 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG) oder über den Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben zu unterrichten (§ 106 Abs. 3 Nr. 8 BetrVG). Zu unterrichten ist auch über sonstige für Arbeitnehmer bedeutsame Vorgänge und Vorhaben (§ 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG). In der Praxis wird diese Unterrichtung formal häufig nicht scharf von der Information gemäß § 111 BetrVG abgegrenzt.

10 Müller, DB 1997, 713, 715. 11 Joost, ZIP 1995, 976, 986; Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 5. Aufl. 2009, § 5 Rz. 86. 12 Müller, DB 1997, 713, 717.

1174 Bauer/Haußmann

M 43.2

Kap. 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

II. Muster

u

Negativer Interessenausgleich

43.1

Die Firma . . . und der Betriebsrat . . . kommen im Rahmen des Interessenausgleichsverfahrens hinsichtlich der Schließung des Werks . . . zu folgendem Ergebnis: 1. Die Firma hält an ihrer Absicht fest, das Werk . . . bis spätestens . . . zu schließen. 2. Der Betriebsrat widerspricht der Schließung des Werkes . . . nach wie vor. 3. Firma und Betriebsrat sind sich einig, dass mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung die Verhandlungen über den Interessenausgleich und das Konsultationsverfahren1 nach § 17 Abs. 2 KSchG rechtswirksam beendet sind. ... (Ort, Datum) ... (Unterschriften) 1 BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 5/12, BB 2013, 1150, zu den Anforderungen an die Konsultation im Fall der Betriebsstilllegung.

u

Interessenausgleich Betriebsverlegung, Betriebsübergang und Reorganisation Zwischen der Firma . . . und dem Betriebsrat . . . wird der folgende Interessenausgleich geschlossen: Präambel

Die X-GmbH unterhält in A-Stadt einen Betrieb mit den Betriebsteilen . . . und . . . Dieser Betrieb liegt verkehrstechnisch ungünstig und ist zwischenzeitlich veraltet. Das Unternehmen hat sich deshalb entschlossen, ein neues Betriebsgelände in B-Stadt zu errichten.

Bauer/Haußmann

1175

43.2

Kap. 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

§1

M 43.2

Gegenstand1

(1) Der Betrieb wird zum . . . von A-Stadt nach B-Stadt verlegt. (2) Der Betrieb wird gespalten. Der Betriebsteil . . . wird mit dem Betriebsteil . . . der Y-GmbH & Co. KG zu einem Betrieb der X-GmbH auf dem neuen Betriebsgelände in B-Stadt mit Wirkung zum . . . zusammengefasst. Diesem Betrieb werden folgende Mitarbeiter der X-GmbH zugeordnet: 1. . . . 2. . . . 3. . . . Der Betriebsteil . . . wird im Wege des Betriebsüberganges gemäß § 613a BGB auf die Y-GmbH & Co. KG übertragen und mit Wirkung zum . . . mit deren Betriebsteil . . . zu einem Betrieb auf dem Betriebsgelände der Y-GmbH & Co. KG, B-Stadt, zusammengefasst.2 Diesem Betrieb werden folgende Mitarbeiter der X-GmbH zugeordnet: 1. . . . 2. . . . 3. . . . § 2 Durchführung (1) Für die Verlegung hat die Unternehmensberatungsgesellschaft . . . ein Konzept erarbeitet, das dem Interessenausgleich als Anlage 1 beigefügt ist. Es ist geplant, die Verlegung nach Maßgabe dieses Konzeptes durchzuführen. Sollten sich geringfügige Änderungen in zeitlicher und technischer Hinsicht ergeben, stellen diese keine Abweichung vom Interessenausgleich dar und sind deshalb von diesem gedeckt. Der Betriebsrat wird über eventuelle Änderungen rechtzeitig unterrichtet. (2) In A-Stadt wird die Produktion zum . . . eingestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt muss die Produktion gewährleistet sein. Dies bedeutet, dass neben allen sonstigen Voraussetzungen insbesondere auch die erforderliche Belegschaftsstärke vorhanden sein muss. (3) Die Parteien sind sich einig, dass wegen der Verlegung des Betriebes keine betriebsbedingten Beendigungskündigungen ausgesprochen werden müssen. Alle Mitarbeiter können in B-Stadt weiterbeschäftigt werden. Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, Kündigungen aus anderen Gründen auszusprechen. (4) Das Unternehmen wird allen Mitarbeitern, die derzeit in A-Stadt beschäftigt werden, einen möglichst gleichwertigen Arbeitsplatz in B-Stadt anbieten. Das Arbeitsplatzangebot wird schriftlich erfolgen und mindestens folgende Angaben enthalten: – vorgesehener Arbeitsplatz/Art der Tätigkeit – Art, Höhe und Zusammensetzung des Entgeltes – Arbeitszeitvolumen.

1 Wird der Interessenausgleich nicht als Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wirkt er nicht unmittelbar gegenüber den Arbeitnehmern und hat keinen „Geltungsbereich“. 2 Hat diese Gesellschaft einen Betriebsrat, löst der Vorgang auch dessen Mitbestimmungsrechte nach §§ 111, 112 BetrVG aus.

1176 Bauer/Haußmann

M 43.2

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Kap. 43

Der Mitarbeiter hat nach Zugang des Änderungsangebotes eine Entscheidungsfrist von drei Wochen. Äußert sich der Mitarbeiter innerhalb dieser Frist nicht, gilt das Angebot als abgelehnt. Hierauf ist der Mitarbeiter hinzuweisen. Sollte ein Mitarbeiter den angebotenen Arbeitsplatz in B-Stadt nicht annehmen, ist das Unternehmen berechtigt, eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. § 3 Beteiligungsrechte (1) Das Unternehmen wird den Betriebsrat regelmäßig über den Stand der Planung des Neubaus in B-Stadt, seine technischen Anlagen, Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe unterrichten. Die Unterrichtung wird rechtzeitig erfolgen. Der Betriebsrat ist berechtigt, Unterlagen, soweit vorhanden, einzusehen. Das Unternehmen wird mit dem Betriebsrat die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen, insbesondere auf die Art der Arbeit sowie die sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Mitarbeiter so rechtzeitig beraten, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrates bei der Planung berücksichtigt werden können. (2) Soweit sich die in diesem Interessenausgleich vereinbarte Betriebsänderung für den einzelnen Arbeitnehmer als Versetzung auswirkt, erteilt der Betriebsrat mit der Unterschrift unter diesen Interessenausgleich seine Zustimmung zu diesen Versetzungen nach § 99 BetrVG. (3) Weitere Beteiligungsrechte des Betriebsrates bleiben von dieser Vereinbarung unberührt. § 4 Sozialplan Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die dem Arbeitnehmern durch die geplante Betriebsänderung entstehen, haben die Parteien den nachfolgenden Sozialplan abgeschlossen. §5

Inkrafttreten

(1) Die Parteien sind sich einig, dass die Verhandlungen abgeschlossen sind und das Verfahren zur Herbeiführung eines Interessenausgleiches und das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG beendet sind. (2) Der Interessenausgleich tritt mit Unterzeichnung in Kraft.

Bauer/Haußmann

1177

Kap. 43

43.3

u

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

M 43.3

Sozialplan Betriebsverlegung

Zwischen der Firma . . . und dem Betriebsrat1. . . wird der folgende Sozialplan geschlossen: Präambel Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Mitarbeitern durch die im Interessenausgleich vom . . . bezeichnete Betriebsänderung entstehen, wird folgender Sozialplan vereinbart. §1

Geltungsbereich2

(1) Die Regelungen dieses Sozialplanes gelten für Mitarbeiter iSd. § 5 Abs. 1 BetrVG, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleiches in einem ungekündigten und unbefristeten3 Arbeitsverhältnis stehen. (2) Dieser Sozialplan findet keine Anwendung auf – Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen beendet wird. – Mitarbeiter, die das Arbeitsverhältnis selbst kündigen. – Mitarbeiter, die vor Ablauf der Kündigungsfrist oder vertraglich vereinbarten Auslauffrist vertragswidrig ausscheiden. – Mitarbeiter, die wegen Erreichen der Altersgrenze ausscheiden. §2

Leistungen

Das Unternehmen wird für die Dauer von zwei Jahren nach der Verlegung den Mitarbeitern kostenlos eine Busverbindung von . . . nach . . . zur Verfügung stellen. oder (1) Durch die Verlegung entsteht für eine begrenzte Anzahl an Mitarbeitern ein Mehraufwand an Fahrtzeit und Fahrtkosten zum Arbeitsplatz. Als Ausgleich für diese Nachteile erhält jeder Mitarbeiter, dessen Fahrtstrecke sich vom Wohnort zur Arbeitsstelle auf dem kürzesten Weg verlängert, einen einmaligen Ausgleich, der sich wie folgt berechnet: – bis . . . Kilometer (einfach)

Euro . . .

1 Selbst wenn für den Interessenausgleich der Gesamtbetriebsrat zuständig ist, gilt dies nicht automatisch auch für den Sozialplan, BAG v. 23.10.2002 – 7 ABR 55/01, DB 2003, 1852; v. 3.5.2006 – 4 AZR 795/05, BB 2006, 2088. 2 Da der Sozialplan – anders als der Interessenausgleich – als Betriebsvereinbarung wirkt, hat er einen Geltungsbereich, der möglichst klar abzugrenzen ist, ggf. auch zeitlich. 3 Endet das Arbeitsverhältnis eines befristet beschäftigten Mitarbeiters nicht auf Grund der Befristung, sondern durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung wegen der Betriebsänderung, sind Ansprüche auf Gleichbehandlung nach dem Sozialplan nicht auszuschließen.

1178 Bauer/Haußmann

M 43.4

Kap. 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

– über . . . bis . . . Kilometer (einfach)

Euro . . .

– über . . . Kilometer (einfach)

Euro . . .

(2) Scheidet ein Mitarbeiter innerhalb von zwölf Monaten nach der Verlegung aus, muss er diesen Betrag anteilig (pro Monat 1/12) zurückzahlen. § 3 Schlussbestimmungen (1) Mitarbeiter, die Ansprüche aus diesem Sozialplan haben, sind verpflichtet, jede tatsächliche Änderung in ihren persönlichen Verhältnissen, die Bedeutung für die Leistungen nach dieser Betriebsvereinbarung hat, unverzüglich schriftlich dem Unternehmen mitzuteilen. (2) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Sozialplanes unwirksam sein oder werden oder im Widerspruch zu tariflichen oder gesetzlichen Regelungen stehen, so bleiben die übrigen Regelungen bestehen. Die unwirksame oder im Widerspruch stehende Regelung ist durch eine Regelung zu ersetzen, die dem von den Parteien mit der ersetzten Regelung Gewollten möglichst nahe kommt. Gleiches gilt für eine eventuelle Regelungslücke. (3) Der Sozialplan tritt mit Unterzeichnung durch die Betriebspartner in Kraft.

u

Positiver Interessenausgleich Betriebsstilllegung (kurz) Zwischen der Firma . . . und dem Betriebsrat . . . wird der folgende Interessenausgleich geschlossen: 1. Firma und Betriebsrat sind sich einig, dass das Werk . . . stillgelegt wird.

2. Die Stilllegung soll zum . . . erfolgen.1 Letzte Abschluss- und Aufräumarbeiten werden voraussichtlich bis zum . . . abgeschlossen sein. 3. Die wegen der Stilllegung notwendig werdenden Kündigungen werden auf Grund eines dringenden betrieblichen Erfordernisses iSd. § 1 Abs. 2 KSchG ausgesprochen. 4. Das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG hinsichtlich der auszusprechenden (Änderungs-)2Kündigungen wird gesondert durchgeführt. 1 Laufen individuelle Kündigungsfristen länger, ist es folgerichtig, die Mitarbeiter freizustellen. 2 Änderungskündigungen kämen nur in Betracht, wenn das Unternehmen einen weiteren Betrieb unterhält, in dem sich Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ergeben. Wenn dies der Fall ist, könnte ggf. die Vergabe der freien Stellen (nach den Vorgaben des KSchG) erörtert und in einer Namensliste festgelegt werden.

Bauer/Haußmann

1179

43.4

Kap. 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

M 43.5

5. Firma und Betriebsrat werden unverzüglich Verhandlungen über einen Sozialplan zur Milderung von sozialen Härten aufnehmen. 6. Damit ist das Interessenausgleichsverfahren und das Konsultationsverfahren (§ 17 KSchG) abgeschlossen. Der Interessenausgleich ist zugleich die Stellungnahme des Betriebsrats iSd. § 17 Abs. 3 KSchG.3 ... (Ort, Datum) ... (Unterschriften) 3 Zu den Anforderungen vgl. BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 5/12, BB 2013, 1150, Fehler können die Wirksamkeit der Kündigungen beeinträchtigen.

43.5

u

Positiver Interessenausgleich Betriebsstilllegung (ausführlich)

Zwischen der Firma . . . und dem Betriebsrat . . . wird der folgende Interessenausgleich geschlossen: 1. Die wirtschaftliche Situation auf dem Markt der . . . hat sich dahin gehend verändert, dass der Konkurrenzdruck immer stärker wird. Die Geschäftsleitung hat sich daher entschlossen, die Produktionstätigkeit im Werk der Firma in . . . zum . . . einzustellen und ihre Geschäftstätigkeit im Werk in . . . zu konzentrieren. Der Betriebsrat sieht nach Abwägung aller möglicher Alternativen (Personalreduzierung, Produktionsveränderung, Einkommensverzicht) keine Möglichkeit mehr, die Betriebsschließung zu verhindern. 2. Im Rahmen dieser Betriebsschließung werden die Anlagen zum . . . außer Betrieb gesetzt. Damit verlieren die in der Anlage 1, die Teil dieses Interessenausgleiches ist, aufgeführten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Es wird zugesichert, dass die individuellen Kündigungsfristen auch über den . . . unter Fortzahlung der Bezüge und bei Freistellung von der Arbeit eingehalten werden. Die Kündigung einer/s Beschäftigten aus wichtigem Grund oder verhaltens- oder personenbedingten Gründen bleibt von diesen Regelungen unberührt. 3. Alle personellen Maßnahmen erfolgen nach den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere unter Einhaltung der Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und des Kündigungsschutzgesetzes. 1180 Bauer/Haußmann

M 43.5

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Kap. 43

Den Beschäftigten des Werkes in . . . wird, soweit dies gemäß Personalbedarf machbar ist, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Möglichkeit gegeben, einen möglichst gleichwertigen Arbeitsplatz im Werk in . . . zu erhalten. Hierzu unterbreitet die Firma den bereitwilligen Mitarbeitern ein schriftliches Arbeitsplatzangebot. Dem/der Betroffenen entstehen bei Ablehnung dieses Angebotes keine Nachteile hinsichtlich der Regelungen nach diesem Interessenausgleich bzw. des Sozialplanes.1 Die bisherige Eingruppierung sowie die erreichte Betriebszugehörigkeit bleiben den Betroffenen bei einem Wechsel erhalten und können nicht vor Ablauf eines Jahres negativ verändert werden. Eine dann mögliche Reduzierung des Einkommens muss unter Beachtung der Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz in einem Stufenplan (mindestens zwei Jahre) erfolgen. Nach Ablauf der Kündigungsfrist können interessierte Mitarbeiter der Firma jederzeit ihr Interesse an einer neuen Beschäftigung in . . . signalisieren. Die Firma wird die Wiedereinstellung dieser Mitarbeiter wohlwollend prüfen. Weiterhin versucht die Firma, alternative Arbeitsplätze, insbesondere in Unternehmen des Konzerns, zu vermitteln. Die Firma wird auf Wunsch eines Mitarbeiters einer vorzeitigen Vertragsaufhebung zustimmen.2 In diesem Fall werden 80 %3 der Leistungen aus dem Sozialplan gezahlt. 4. Zur Milderung sozialer und wirtschaftlicher Nachteile, die den Beschäftigten entstehen, wird gemäß § 112 BetrVG ein Sozialplan vereinbart. Als mögliche soziale Kriterien werden das Lebensalter, die Betriebszugehörigkeit sowie die sozialen Belange herangezogen. 5. Die Parteien sind sich einig, dass die Verhandlungen abgeschlossen sind. Sie erklären das Verfahren zur Herbeiführung eines Interessenausgleiches und das Konsultationsverfahren gemäß § 17 KSchG übereinstimmend für beendet.4 Dieser Interessenausgleich tritt nach seiner Unterzeichnung in Kraft und gilt bis zum Abschluss aller im Zusammenhang der Betriebsschließung stehenden personellen Maßnahmen. 1 Der Abfindungsanspruch kann wirksam für den Fall ausgeschlossen werden, dass der Arbeitnehmer selbst kündigt und der Arbeitgeber ihm zuvor ein Arbeitsplatzangebot unterbreitet hat, BAG v. 13.2.2007 – 1 AZR 163/06, NZA 2007, 756. 2 Sog. „Turboprämien“, die eine erhöhte Abfindung bei Verzicht auf Kündigungsschutzklage vorsehen (entsprechend § 1a KSchG), sind im Sozialplan selbst unzulässig, dürfen aber Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sein, BAG v. 31.5.2005 – 1 AZR 254/04, BB 2005, 1967. 3 Die Höhe dieses %-Satzes kann heraufgesetzt werden, wenn ein Anreiz zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschaffen werden soll. 4 Zu den Anforderungen BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 5/12, BB 2013, 1150, Fehler können die Wirksamkeit der Kündigungen beeinträchtigen!

Bauer/Haußmann

1181

Kap. 43

43.6

u

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

M 43.6

Sozialplan Betriebsstilllegung

Zwischen der Firma . . . und dem Betriebsrat . . . wird der folgende Sozialplan geschlossen: 1. Die Regelungen dieses Sozialplanes gelten für alle Arbeitnehmer des Werkes . . ., die auf Grund der im Interessenausgleich beschriebenen Betriebsschließung ihren Arbeitsplatz verlieren und deren Arbeitsverhältnisse aus diesem Grund enden. 2. Diese Regelungen gelten nicht für Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG und für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis aus einem nicht betriebsbedingten Grund endet. 3. Nimmt ein Mitarbeiter ein Arbeitsplatzangebot gemäß Ziff. . . . des Interessenausgleiches an, trägt die Firma die entstehenden Umzugskosten (Kosten des Möbeltransports, Schadensversicherung etc.). Die Firma entscheidet über die Auswahl des zu verwendenden Umzugsunternehmens. Für den Umzug erhält der/die Betroffene einen Sonderurlaub von zwei Arbeitstagen. 4. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält der/die Mitarbeiter/in eine Abfindung. 5. Berechnungsgrundlage für diese Abfindung ist das durchschnittliche monatliche individuelle Bruttoeinkommen des Geschäftsjahres . . . 6. Die Höhe der Abfindung wird nach folgender Formel errechnet: Abfindung = Grundbetrag + Aufstockungsbetrag + Sozialbetrag a) Grundbetrag: Euro 1 000,– b) Aufstockungsbetrag: Betriebszugehörigkeit × Lebensalter1 × 0,5 Bruttoentgelte (Ziff. 8) 80 c) Schwerbehinderte Menschen iSd. SGB IX erhalten zusätzlich einen Sozialbetrag von Euro 1 500,–. Arbeitnehmer/innen, die nachweislich (Urkunde) eine Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit haben bzw. schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung zwischen 20 und 50 erhalten zusätzlich einen Sozialbetrag von Euro 1 500,–. Für jedes auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Kind werden Euro 500,– gewährt. Für die Erfassung der Arbeitnehmer/innen nach Ziff. 6c) ist der Stichtag . . . (Datum) maßgebend. 1 Diese Anknüpfung ist uE sachlich gerechtfertigt und hielte auch einer Überprüfung nach dem AGG stand. Zur Bildung von Altersgruppen BAG v. 12.4.2011 – 1 AZR 743/09, BB 2012, 710. Zulässig ist auch eine Verringerung für über 54-jährige, wenn auf den frühestmöglichen Rentenbeginn abgestellt wird, EuGH v. 6.12.2012 – C-152/11, ZIP 2013, 136; zu Sonderregelungen für rentennahe Jahrgänge BAG v. 30.9.2008 – 1 AZR 684/07, NZA 2009, 386 und v. 26.3.2013 – 1 AZR 813/11, ArbR Aktuell 2013, 204.

1182 Bauer/Haußmann

M 43.6

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Kap. 43

Bei einer Abfindung über Euro 50 000,– wird der Euro 50 000,– übersteigende Betrag nur zur Hälfte angerechnet. Die Abfindungssumme wird auf maximal Euro 75 000,– begrenzt. 7. Teilzeitbeschäftigte erhalten die Abfindung entsprechend ihrem tatsächlichen Entgelt. Sie erhalten den Grundbetrag und evtl. Sozialbeträge anteilig im Verhältnis ihrer Wochenarbeitszeit zur regelmäßigen Wochenarbeitszeit eines VollzeitMitarbeiters.2 8. Der Stichtag für die Ermittlung des Lebensalters und der Beschäftigungsjahre3 ist jeweils der Austrittsmonat. Angefangene Monate werden jeweils voll auf einen Monat gerechnet.4 Im Jahr des Austrittes werden das 13. Monatsentgelt, das zusätzliche Urlaubsgeld sowie der Urlaub anteilig neben der Abfindung gewährt. Beschäftigte, die im Austrittsjahr ein betriebliches Jubiläum hatten, erhalten die vereinbarte Treueprämie. 9. Die Abrechnung und Auszahlung der Abfindung erfolgt unter Beachtung der steuerrechtlichen Regelungen. Hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht gelten die gesetzlichen Bestimmungen. 10. Keine Abfindung erhalten: – Arbeitnehmer, die vor Abschluss des Interessenausgleichs/Sozialplans entweder aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind oder deren Arbeitsverhältnis gekündigt ist. – Arbeitnehmer, die durch Vermittlung der Firma einen neuen Arbeitsplatz finden.5 – Arbeitnehmer, die einen befristeten Arbeitsvertrag haben und deren Arbeitsverhältnis durch Ablauf der Befristung endet. 11. Zur Milderung möglicher sozialer Härten werden die Firma und der Betriebsrat im Einzelfall Sondervereinbarungen treffen. Arbeitnehmer/innen, deren Arbeitsplatz aus betriebsbedingten Gründen vor dem Ende der Kündigungsfrist wegfällt, werden für die restliche Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeit freigestellt, soweit sie nicht bei Inkrafttreten des Interessenausgleiches und dieses Sozialplanes arbeitsunfähig sind. Der Resturlaub und die Auflösung eines Arbeitszeitguthabens wird dem/der Arbeitnehmer/in in dieser Freistellungszeit gewährt. Alle Beschäftigten erhalten ein qualifiziertes Zwischen- bzw. Abschlusszeugnis. Mit dem Ausscheiden erhalten alle Anspruchsberechtigten eine aktualisierte Berechnung ihrer betrieblichen Altersversorgung. Für die Arbeitsplatzsuche wird der/die Betroffene angemessen unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. 2 Zulässig gemäß BAG v. 28.10.1992 – 10 AZR 129/92, AP Nr. 66 zu § 112 BetrVG 1972; alternativ kann ein Beschäftigungsquotient gebildet werden, BAG v. 14.8.2001 – 1 AZR 760/00, AP Nr. 142 zu § 112 BetrVG 1972. 3 Elternzeiten iSd. BEEG sind einzurechnen, BAG v. 12.11.2002 – 1 AZR 58/02, DB 2003, 1635; v. 21.10.2003 – 1 AZR 407/02, BB 2004, 722. 4 Praxistipp: Die Rundung auf Monate oder Jahre ist in der Berechnung des Sozialplanvolumens zu beachten. 5 BAG v. 22.3.2005 – 1 AZR 3/04, DB 2005, 1472.

Bauer/Haußmann

1183

Kap. 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

M 43.6.1

12. Die Abfindungsansprüche entstehen zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie können zuvor nicht übertragen und vererbt werden. Die Ansprüche werden mit der Entstehung, frühestens einen Monat nach Ausspruch der Kündigung, fällig. Erhebt ein Mitarbeiter Kündigungsschutzklage oder wehrt er sich in anderer Weise gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, werden die Ansprüche aus diesem Sozialplan erst fällig, wenn das Verfahren abgeschlossen ist und rechtskräftig feststeht, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist. Dies gilt auch, wenn der Mitarbeiter Klage gegen einen Dritten erhebt, an den zB sachliche oder immaterielle Betriebsmittel der Betriebsstätte veräußert wurden.6 Wird eine solche Klage eingereicht, nachdem die Abfindung bereits ausgezahlt wurde, so ist diese mit Erhebung der Klage unter Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten zur Rückzahlung fällig. Auf Leistungen aus diesem Sozialplan sind etwaige gesetzliche, tarifvertragliche,7 andere kollektiv- oder individualvertragliche Abfindungen, Nachteilsausgleichsansprüche oder sonstige Entschädigungsleistungen (zB nach § 113 BetrVG, §§ 9, 10 KSchG) anzurechnen. Das Unternehmen ist berechtigt, die Leistungen aus dem Sozialplan mit eventuellen eigenen Ansprüchen (Rückerstattungsansprüche, Ansprüche aus Arbeitgeberdarlehen usw.) zu verrechnen. 13. Dieser Sozialplan tritt mit der Unterzeichnung beider Parteien in Kraft. Sind Einzelbestimmungen dieses Sozialplanes ganz oder teilweise rechtsunwirksam, so bleiben die übrigen Bestimmungen davon unberührt. Die Firma und der Betriebsrat werden dann für rechtsunwirksame Regelungen neue Ersatzbestimmungen iSd. Sozialplanes vereinbaren. 6 Der Ausschluss des Abfindungsanspruches für Mitarbeiter, die Kündigungsschutzklage erheben, kann nicht wirksam vereinbart werden, s. BAG v. 22.7.2003 – 1 AZR 575/02, DB 2003, 2658. S. aber zur sog. „Turboprämie“ in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung BAG v. 31.5.2005 – 1 AZR 254/04, BB 2005, 1967. 7 Zu Ansprüchen aus Tarifsozialplänen (M 50.8) beachte BAG v. 14.11.2006 – 1 AZR 40/06, DB 2007, 173.

u

43.6.1

Vertrag über die Einrichtung einer Beschäftigungsund Qualifizierungsgesellschaft

Zwischen der Trägergesellschaft . . . (im Folgenden: Trägergesellschaft) und Firma XY (im Folgenden: Firma) wird folgender Vertrag geschlossen: 1184 Bauer/Haußmann

M 43.6.1

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Kap. 43

1. Errichtung einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit Die Trägergesellschaft wird nach Maßgabe der Vereinbarungen in § . . . des Sozialplanes vom . . . eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) im Rahmen einer rechtlich selbstständigen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft einrichten. Aus diesem Grunde wird den nach Ziff. 3 berechtigten Arbeitnehmern angeboten, in die bei der Trägergesellschaft eingerichtete Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zu den im Sozialplan genannten Terminen und Bedingungen einzutreten und mit der Trägergesellschaft ein Arbeitsverhältnis befristeter Art gemäß Arbeitsvertrag nach Anlage 1 zu begründen. 2. Zweck der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (Trägergesellschaft) Zweck der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft ist die Eingliederung der Arbeitnehmer in das Erwerbsleben. Um dieses zu erreichen, können entsprechende arbeits- und berufspädagogische Unterstützungsleistungen sowie folgende Instrumente eingesetzt werden: – interne bzw. externe Qualifizierungsmaßnahmen; – Praktikum in einem Betrieb bzw. einem Qualifizierungsträger; – Arbeitsvermittlung. Für Verwaltungstätigkeiten stellt die Trägergesellschaft die notwendigen Kapazitäten. Der notwendige Sach- und Büroausstattungsbedarf ist in Anlage 2 aufgeführt. Die Sachausstattung wird durch die Firma leihweise und kostenfrei zur Verfügung gestellt. Für die Dauer der Wirksamkeit dieser Vereinbarung stellt die Firma der Trägergesellschaft geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung. Für notwendige Verwaltungsarbeiten kann die Trägergesellschaft frei über den Ort der Bearbeitung entscheiden. 3. Vertragsangebot für die Mitarbeiter (1) Berechtigt, in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft einzutreten, sind die in § . . . des Sozialplanes vom . . . genannten Arbeitnehmer der Firma, denen gemäß dem zwischen der Firma und dem Betriebsrat am . . . abgeschlossenen Interessenausgleich gekündigt wird. (2) Die Trägergesellschaft verpflichtet sich, allen berechtigten Arbeitnehmern den in Anlage 1 beigefügten Arbeitsvertrag entsprechend den in § . . . des Sozialplanes vom . . . genannten Bedingungen anzubieten und mit ihnen abzuschließen. Dieser Vertrag über den Wechsel des Arbeitsverhältnisses ist Teil des vorliegenden Vertrages. Die berechtigten Arbeitnehmer haben längstens bis zu den im Sozialplan genannten Fristen die Möglichkeit, den Vertrag zu unterzeichnen und den unterzeichneten Vertrag bei der Personalabteilung abzugeben. (3) Die Übernahme der berechtigten Arbeitnehmer in die bei der Trägergesellschaft eingerichtete Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft erfolgt auf Grund der Gewährung von Transferkurzarbeitergeld gemäß § 111 SGB III, über einen Zeitraum bis zu längstens . . . Monaten1. Die Laufzeitzusage durch die Trägergesellschaft ist 1 Transferkurzarbeitergeld wird für maximal 12 Monate gewährt, § 111 Abs. 1 Satz 2 SGB III.

Bauer/Haußmann

1185

Kap. 43

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

M 43.6.1

dabei geknüpft an die Bedingung, dass die Zuschüsse an die Trägergesellschaft durch die Firma überwiesen werden und die Finanzierung der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft über den oben genannten Zeitraum sicherstellen. 4. Finanzierung (1) Für jeden Mitarbeiter, der in die Trägergesellschaft gemäß den Bestimmungen des Sozialplanes überwechselt, wird die Firma über ein noch einzurichtendes Treuhandkonto pro Mitarbeiter und pro Monat Verweildauer in die Trägergesellschaft folgende Leistungen finanzieren: – Aufzahlung zum Transferkurzarbeitergeld auf . . . bzw. . . . % des Bruttoentgelts gemäß § . . . des Sozialplanes; – Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile); – Ausgleich für Urlaubs- und Feiertage. (2) Pro Mitarbeiter, der in die Trägergesellschaft übertritt, wird über ein Treuhandkonto ein Zuschuss gemäß § . . . des Sozialplanes in Höhe von Euro . . . gewährt. (3) Als Verwaltungs- und sonstiger Ausgleich für anfallende Kosten gewährt die Firma folgende Finanzierungsbeträge: – pauschal Euro . . . zzgl. MwSt. für die Laufzeit der Gesellschaft (fällig jeweils zum Monatsbeginn); – zzgl. Euro . . . pro Mitarbeiter und Monat Verweildauer ab dem . . . bis . . . Mitarbeiter und Euro . . . pro Mitarbeiter und Monat Verweildauer in der Transfergesellschaft ab dem . . . Mitarbeiter. Diese Beträge werden ab dem . . . Mitarbeiter gewährt und sind jeweils zum Monatsbeginn fällig. (4) Soweit auf die vorgenannten Finanzierungsbeträge gesetzliche Mehrwertsteuer entfällt, verstehen sich die jeweiligen Beträge zzgl. MwSt. (5) Eventuelle Abrechnungs- und Kalkulationsfehler können berichtigt werden. 5. Beitragsfälligkeit/Vorschüsse/Absicherung (1) Die gemäß Ziff. 4 anfallenden Finanzierungsbeträge wird die Firma zunächst im Rahmen einer angemessenen Vorschusszahlung, abhängig von der Anzahl der in die Transfergesellschaft übertretenden Mitarbeiter, vorfinanzieren. (2) Im Übrigen werden die jeweils erforderlichen Mittel von der Trägergesellschaft entsprechend dem jeweiligen für die zweckgebundene Verwendung anfallenden tatsächlichen Bedarf von dem hierzu einzurichtenden Treuhandkonto abgerufen. Die Firma wird sicherstellen, dass auf dem Treuhandkonto die hierfür jeweils erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen. (3) [Absicherung der Zurverfügungstellung der Mittel] 6. Kontrolle der Mittelverwendung/Kommission (1) Die Trägergesellschaft legt auf Verlangen, in jedem Fall am Ende des Projekts, auf Grundlage der Buchführung und eines schriftlichen Berichts, Rechenschaft über die Tätigkeit der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft sowie über die zweckgebundene Verwendung der Mittel der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft ab. Dabei werden sowohl verwendete Mittel als auch die geplante Verwendung 1186 Bauer/Haußmann

M 43.6.1

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Kap. 43

von Mitteln offen gelegt. Bei verschuldetem, nicht zweckgebundenem Mitteleinsatz seitens der Trägergesellschaft haftet die Trägergesellschaft für den entstandenen Schaden. Ergänzend gilt die Regelung von § . . . des Sozialplans vom . . . (2) Die Trägergesellschaft verpflichtet sich, nach Beendigung der Beschäftigungsund Qualifizierungsgesellschaft auf Grundlage der Buchführung eine Endabrechnung zu erstellen und einen vorhandenen Restbetrag von dem Treuhandkonto der Firma an die Firma zurückzuüberweisen. (3) Zur Kontrolle der Mittelverwendung wird eine Kommission gebildet, die nach Bedarf überprüft, ob die der Trägergesellschaft übergebenen Mittel im Sinne der in dieser Vereinbarung festgelegten Ziele verwendet wurden. In die Kommission wird jeweils ein vom Betriebsrat der Firma benanntes Mitglied, ein Mitglied der Gewerkschaft, ein Mitglied der Agentur für Arbeit . . . und der Firma entsandt. (4) Die Kommission kann sich eine Geschäftsordnung geben. (5) Daneben hat die Kommission die Aufgabe, die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft bei der Durchführung ihrer Aufgaben zu beraten und sie fachlich zu unterstützen. (6) Mit Ablauf der Laufzeit sind die für den jeweiligen vertragsgemäßen Zweck nicht verbrauchten Mittel des Treuhandkontos unverzüglich an ein von der Firma genanntes Konto zurückzuüberweisen. Der Zeitpunkt ist abhängig vom Abschluss der Prüfung durch die Agentur für Arbeit. 7. Bedingungen Diese Vereinbarung sowie die Verträge über den Wechsel des Arbeitsverhältnisses werden unter der auflösenden Bedingung abgeschlossen, dass die Zahlungen gemäß Ziff. 4 fristgemäß erfolgen und die Sicherheiten gemäß Ziff. 5 Abs. 2 fristgemäß gestellt werden. Der Wechsel der Beschäftigten in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft sowie die Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers nach der vorliegenden Vereinbarung wird unwirksam, wenn die Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld (§ 111 SGB III) nicht erfüllt sind bzw. keine entsprechenden Genehmigungen der Arbeitsverwaltung vorliegen. 8. Schlussbestimmungen Dieser Vertrag tritt am Tage seiner Unterzeichnung in Kraft. Er gilt bis zur Zweckerreichung oder bis zur Erschöpfung der zur Verfügung stehenden Mittel maximal für die Dauer von . . . Monaten. Ergänzend gelten in vollem Umfang auch zwischen den Vertragsparteien die Regelungen gemäß § . . . des Sozialplanes vom . . . 9. Salvatorische Klausel Sind oder werden einzelne Bestimmungen dieses Vertrages rechtsunwirksam oder befindet sich in dem Vertrag eine Regelungslücke, so bleibt der Vertrag im Übrigen unberührt. Die Vertragsparteien verpflichten sich, an Stelle der unwirksamen Bestimmung oder zur Ausfüllung der Regelungslücke im Rahmen der zur Verfügung gestellten Mittel eine ihrem wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommende gültige Regelung zu treffen. Dasselbe gilt, wenn sich gesetzliche Änderungen ergeben, die die Bauer/Haußmann

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Durchführung dieses Vertrages gefährden oder, falls eine der Voraussetzungen, von denen in der vorliegenden Vereinbarung ausgegangen wird (zB Gewährung von Transferkurzarbeitergeld durch die Arbeitsverwaltung), nicht eintrifft. ... (Ort, Datum) ... ... (Trägergesellschaft) (Firma) Anlage 1 zum Vertrag über die Einrichtung einer Beschäftigungsund Qualifizierungsgesellschaft Arbeitsvertrag (Ausscheiden bei der Firma und Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der Trägergesellschaft) Zwischen Herrn/Frau . . . – nachfolgend „Arbeitnehmer“ genannt – und der Trägergesellschaft . . . – nachfolgend „Trägergesellschaft“ genannt – wird auf der Grundlage des zwischen der Firma und der Trägergesellschaft am . . . zu schließenden Vertrages und dem Sozialplan über die Einrichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft der folgende Vertrag geschlossen: Vorbemerkung Zweck der Einstellung ist die Eingliederung des Arbeitnehmers in das Erwerbsleben. Um dieses zu erreichen, können entsprechende arbeits- und berufspädagogische Unterstützungsleistungen sowie folgende Instrumente eingesetzt werden: – interne bzw. externe Qualifizierungsmaßnahmen; – Praktikum in einem Betrieb bzw. einem Qualifizierungsträger; – Arbeitsvermittlung. Andere Maßnahmen, die demselben Zweck dienen, sind ebenfalls durchführbar. Es besteht kein individueller Anspruch auf die Summe bzw. bestimmte Einzelteile der genannten Maßnahmen. Die Durchführung einzelner Maßnahmen ist primär abhängig von der Bewilligung der Kostenübernahme seitens der Arbeitsverwaltung und der regionalen Bildungsangebote. §1

Einstellung

(1) Mit Wirkung vom . . . wird zwischen dem Arbeitnehmer und der Trägergesellschaft ein neues befristetes Arbeitsverhältnis auf der Grundlage von § 111 SGB III abgeschlossen. (2) Das Vertragsverhältnis mit der Trägergesellschaft endet spätestens mit Ablauf der Befristung am . . ., ohne dass es einer Kündigung bedarf. Dies unter der Voraussetzung, dass die Finanzierung der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft aus dem Treuhandfonds sichergestellt ist, längstens jedoch für . . . Monate. Der Vertrag kommt nur zustande, sofern die zuständigen Stellen der Arbeitsverwaltung das Transferkurzarbeitergeld gemäß § 111 SGB III bewilligen und die Mittel aus dem Fonds zur 1188 Bauer/Haußmann

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Finanzierung der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zur Verfügung stehen. (3) Da dieser Vertrag einzig und allein zum Zwecke der Förderung der beruflichen Integration bzw. der Vermittlung des Arbeitnehmers in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis geschlossen wird, ist der Arbeitnehmer zur Teilnahme an betriebsinternen oder betriebsexternen Bildungs-/Trainings-/Praktikumsmaßnahmen sowie internen und externen Beschäftigungsmaßnahmen verpflichtet. (4) Für Arbeitnehmer, die von der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft in ein neues Arbeitsverhältnis vermittelt werden oder die durch Eigeninitiative ein neues Arbeitsverhältnis begründen, ruht auf Wunsch das Arbeitsverhältnis mit der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft bis zu einer Frist von . . . Monaten. Stimmt die Agentur für Arbeit zu, kann diese Frist verlängert werden. Die Gesamtlaufzeit von . . . Monaten bleibt davon jedoch unberührt. §2

Entgeltzahlung

(1) Der Arbeitnehmer muss auf Grund des vorliegenden dauerhaften Beschäftigungsmangels kurzarbeiten. Während der Kurzarbeit erhält der Arbeitnehmer Transferkurzarbeitergeld und gemäß § . . . des Sozialplanes eine Aufzahlung in der Weise, dass er . . . bzw. . . . % der bisherigen sozialversicherungspflichtigen und für die Transferkurzarbeitergeldberechnungen maßgeblichen monatlichen Bruttovergütung (gemäß § . . . des Sozialplanes) erreicht. Bemessungsgrundlage für die Bruttovergütung sind dabei die Regelungen nach § . . . des Sozialplanes vom . . . (also insbesondere ohne Berücksichtigung von bei aktiver Tätigkeit steuer- und sozialversicherungsfreien Schicht- und sonstigen Zuschlägen). Etwaige persönliche Steuerbefreiungsbeträge bleiben bei der Ermittlung des Zuzahlungsbetrages unberücksichtigt. (2) Während seines Urlaubs und an Feiertagen erhält der Arbeitnehmer an Stelle der in Ziff. 1 genannten Leistungen 1/21 eines Bruttoentgeltes, das sich aus einem Nettobetrag, der dem um den Zuzahlungsbetrag erhöhten Transferkurzarbeitergeld entspricht, plus den maßgeblichen gesetzlichen Sozialversicherungsabgaben und Steuerbeträgen errechnet. (3) Die Bezüge werden nachträglich bis zum Monatsletzten des laufenden Monats gezahlt. §3

Urlaub

Der Jahresurlaubsanspruch beläuft sich auf 20 Arbeitstage (bezogen auf eine FünfTage-Woche). Ist der Arbeitnehmer eine kürzere Zeit beschäftigt, besteht ein Teilanspruch von 1,67 Tagen pro vollem Monat. Urlaub ist bis zum Ende der vereinbarten Beschäftigungsdauer im Regelfall in natura in Anspruch zu nehmen. § 4 Arbeitsverhinderung und Krankheit (1) Bei Arbeitsverhinderung ist die Trägergesellschaft unverzüglich unter Angabe der Gründe bis morgens 9.00 Uhr zu informieren. (2) Im Falle einer Erkrankung hat der Arbeitnehmer darüber hinaus innerhalb von drei Tagen eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, aus der die Arbeitsunfähigkeit sowie Bauer/Haußmann

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deren Beginn und voraussichtliche Dauer ersichtlich ist. Bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit ist unverzüglich eine ärztliche Folgebescheinigung vorzulegen. (3) Die Krankenbezüge richten sich nach den gesetzlichen Vorgaben für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. § 5 Haupt- und Nebentätigkeit Anderweitige Haupt- und solche Nebentätigkeiten, welche die Interessen der Trägergesellschaft beeinträchtigen können, bedürfen der vorherigen Zustimmung der Trägergesellschaft. § 6 Kündigung (1) Der Trägergesellschaft steht für den Fall, dass Transferkurzarbeitergeld nicht mehr bewilligt wird, ein außerordentliches Sonderkündigungsrecht zum Monatsschluss zu. Das Recht der ordentlichen Kündigung bleibt der Trägergesellschaft vorbehalten für die Fälle der verhaltensbedingten Kündigung und hilfsweise auch der betriebsbedingten Kündigung, wenn Transferkurzarbeitergeld nicht mehr bewilligt wird. Für alle anderen Fälle verzichtet die Trägergesellschaft auf das Recht der Kündigung. (2) Der Arbeitnehmer ist berechtigt, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis mit der Trägergesellschaft auch vorzeitig auszuscheiden. (3) Der Trägergesellschaft steht zudem ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, wenn angebotene zumutbare Qualifizierungsmaßnahmen ausgeschlagen und besuchte Maßnahmen schuldhaft abgebrochen werden. Weiterhin kann auch dann eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer nachweislich in den Arbeitsmarkt integrierende Maßnahmen behindert. §7

Ausschlussfristen

Alle beiderseitigen Ansprüche sind spätestens innerhalb von . . . Monaten nach dem Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes, in welchem sie entstanden sind, schriftlich geltend zu machen. Anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verkürzt sich die Ausschlussfrist für beide Vertragspartner auf einen Monat nach dem tatsächlichen Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis mit der Trägergesellschaft. § 8 Bedingung Der Vertrag ist erst dann zustande gekommen, wenn die notwendigen Sicherheiten vorliegen und die Arbeitsverwaltung die Voraussetzungen für Transferkurzarbeitergeld anerkennt und die beigefügte Aufhebungsvereinbarung zwischen der Firma und dem Arbeitnehmer unterzeichnet und zurückgegeben ist. § 9 Vertragsänderungen Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Ergänzungen und Änderungen oder eine Verlängerung des Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. § 10 Salvatorische Klausel Sollten Teile dieses Vertrages unwirksam sein, so ist die Wirksamkeit der übrigen Vereinbarungen nicht in Frage gestellt. 1190 Bauer/Haußmann

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Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Kap. 43

Die betreffende Bestimmung ist dann so auszulegen, dass die mit ihr ursprünglich angestrebten wirtschaftlichen und rechtlichen Zwecke soweit wie möglich erreicht werden. . . ., den . . . ... ... (Trägergesellschaft) (Arbeitnehmer)

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Einstweilige Verfügung gegen Kündigungen und weitere Maßnahmen vor Abschluss des Interessenausgleichs-Verfahrens An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten (Betriebsrat./. Arbeitgeber, volles Rubrum)

vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen, wegen der Dringlichkeit des Falles ohne mündliche Anhörung der Beteiligten durch den Vorsitzenden allein im Wege der einstweiligen Verfügung:2 1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu unterlassen, Kündigungen, Änderungskündigungen oder Versetzungen von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der geplanten Verlagerung der . . .-fertigung vorzunehmen (soweit nicht leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG betroffen sind), bis zwischen den Parteien ein Interessenausgleich hinsichtlich der geplanten Verlagerung der . . .-fertigung zustande gekommen oder die Verhandlungen über einen Interessenausgleich beendet sind;3 2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu unterlassen, Mietverträge sowie Zuliefererverträge zu kündigen, die für die . . .-fertigung von Bedeutung sind, bis zwischen den Parteien ein Interessenausgleich hinsichtlich der geplanten Verlagerung der . . .-fertigung zustande gekommen oder die Verhandlungen über einen Interessenausgleich beendet sind.4 1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Zur einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren allgemein s. M 107.5. 3 Praxistipp: Anders als bei Unterlassungsanträgen des Betriebsrats spielt bei einstweiligen Verfügungen, die nur auf die Sicherung von Rechten gerichtet sind, das Problem des Globalantrags (s. M 35.7 Fn. 6) keine so bedeutsame Rolle. Gleichwohl sollte beispielsweise im Hinblick auf die Unterlassung von Kündigungen auf die Ausnahme für leitende Angestellte hingewiesen und im Übrigen der Antrag auf solche Kündigungen beschränkt werden, die aus betriebsbedingten Gründen im Zusammenhang mit der anstehenden Betriebsänderung erfolgen. 4 Ob dem Arbeitgeber nicht nur der Ausspruch von Kündigungen, sondern auch andere Handlungen, wie zB die Kündigung von Zuliefererverträgen oder Mietverträgen untersagt wer-

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3. Der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziff. 1. und 2. ein Ordnungsgeld von bis zu Euro 10 000,– anzudrohen.5, 6 4. Hilfsweise: Die beantragte einstweilige Verfügung nach Anhörung der Beteiligten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen. Begründung: Die Antragsgegnerin fertigt am Standort . . .-geräte, sie beschäftigt ca. 1 000 Arbeitnehmer. Der Antragsteller ist der im Betrieb . . . gebildete Betriebsrat. Die Geschäftsleitung hat den Antragsteller am . . . darüber informiert, dass man aus Kostengründen die Verlagerung der . . .-Herstellung nach . . . plane. Da von der geplanten Verlagerung mehr als 150 Arbeitnehmer betroffen sein werden, liegt unstreitig eine Betriebsänderung nach §§ 111 ff. BetrVG vor, so dass Arbeitgeber und Betriebsrat über Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln haben. Das ist zwischen den Betriebspartnern auch unstreitig. Die Verhandlungen über den Interessenausgleich befinden sich derzeit noch im Anfangsstadium. Bislang ist der Antragsteller noch nicht einmal vollständig informiert. Der letzten schriftlichen Bitte um genauere Informationen zu einzelnen Punkten ist die Antragsgegnerin bislang noch nicht nachgekommen. Konstruktive Verhandlungen über einen Interessenausgleich konnten deshalb noch nicht geführt werden, eine Einschaltung des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder gar der Einigungsstelle nach § 112 Abs. 2 BetrVG ist deshalb auch noch nicht erfolgt. Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin hat dem Antragsteller gestern mitgeteilt, man könne mit der Schließung der . . .-fertigung und der Verlagerung nach . . . nicht länger warten, die amerikanische Muttergesellschaft erwarte eine unverzügliche Umsetzung der Maßnahme. Dem Antragsteller wurde der Entwurf eines Interessenausgleichs und Sozialplans vorgelegt mit der Aufforderung, diese Vereinbarung unverzüglich zu unterschreiben. Der Antragsteller hat dies abgelehnt, da zum einen die vorgelegten Entwürfe einen völlig unzureichenden Inhalt hatten und zum anderen der Antragsteller der Auffassung ist, die . . .-fertigung könne am Standort . . . so restrukturiert werden, dass sie wieder Gewinne abwirft. Als Reaktion auf die Weigerung des Antragstellers, Interessenausgleich und Sozialplan auf der Stelle zu unterschreiben, hat die Geschäftsführung heute Morgen dem Antragsteller Kündigungsanträge nach § 102 BetrVG für sämtliche 150 Mitarbeiter der . . .-fertigung hereingereicht mit der

den kann, ist offen. Hier ist eine sorgfältige Interessenabwägung geboten. Handelt es sich beispielsweise um einen langjährigen Vertrag, der nur zu bestimmten Stichtagen gekündigt werden kann, und naht ein solcher Stichtag, kommt die Untersagung einer Kündigung nicht in Betracht, zumal eine Kündigung ja nicht bedeutet, dass der Vertrag nicht einvernehmlich für eine gewisse Zeit fortgesetzt werden könnte. 5 Die Androhung des Ordnungsgeldes bereits im Erkenntnisverfahren ist stets sinnvoll (s. M 108.9). 6 Der besondere Unterlassungsanspruch nach § 23 BetrVG, der grobes Verschulden des Arbeitgebers voraussetzt, begrenzt das mögliche Ordnungsgeld auf Euro 10 000,– und sieht keine Ordnungshaft vor. Es ist deshalb anerkannt, dass zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die Ordnungsmittel zur Durchsetzung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs nicht strenger sein dürfen (BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 71/09, NZA 2011, 174). Das schließt die Verhängung von Ordnungshaft ebenso aus wie ein Euro 10 000,– übersteigendes Ordnungsgeld.

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Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Kap. 43

Aufforderung, sich binnen der Wochenfrist nach § 102 BetrVG dazu zu äußern. Dem Antragsteller ist des Weiteren zu Ohren gekommen, dass die Geschäftsführung den Hausanwalt damit beauftragt hat, unverzüglich die Mietverträge über diejenigen Betriebsgebäude zu kündigen, in denen die . . .-fertigung derzeit untergebracht ist. Zugleich sollen alle Lieferverträge mit Zulieferern für die . . .-fertigung zum nächstmöglichen Termin gekündigt werden. Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des Vorsitzenden des Antragstellers, Anlage AS 1 Nach richtiger7 Auffassung (zB LAG Hessen v. 21.9.1982, DB 1983, 13) hat der Betriebsrat im Rahmen einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG einen durchsetzbaren Anspruch auf Unterrichtung, Beratung sowie auf Durchführung von Verhandlungen über einen Interessenausgleich. Dieser Anspruch folgt unmittelbar aus § 112 BetrVG. Die Entscheidungen des BAG v. 28.8.1991 und 22.2.1983 stehen dieser Auffassung nicht entgegen (ausführlich Herbst/Bertelsmann/Reiter, Handbuch des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, Rz. 939 ff. mwN). Der Unterlassungsanspruch kann gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden. Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass die Beteiligungsrechte des Antragstellers entwertet würden, wenn die Rechtskraft eines Hauptsacheverfahrens abgewartet werden müsste. Der Anspruch auf Unterrichtung und Beratung würde leer laufen, wenn der Arbeitgeber einseitig vollendete Tatsachen schaffen könnte. Solche vollendeten Tatsachen würden aber im vorliegenden Fall geschaffen, wenn bereits Kündigungen ausgesprochen und vor allem die Miet- und Zuliefererverträge für die . . .-fertigung gekündigt würden. Interessen der Antragsgegnerin stehen der begehrten einstweiligen Verfügung nicht entgegen. Allein die Tatsache, dass der Muttergesellschaft das Verfahren zu lang dauert, enthebt die Antragsgegnerin nicht von der Verpflichtung, die deutschen Gesetze zu beachten. Dass die in der . . .-fertigung monatlich auflaufenden Verluste so katastrophal wären, dass ein Einhalten der gesetzlichen Verpflichtungen schlechthin unzumutbar wäre, hat die Antragsgegnerin bislang selbst nicht behauptet, und könnte im Übrigen offensichtliche Verstöße gegen die §§ 111 ff. BetrVG auch nicht rechtfertigen.

7 Die Zulässigkeit eines Unterlassungsanspruchs im Rahmen von Betriebsänderungen ist eine der umstrittensten Fragen des kollektiven Arbeitsrechts überhaupt. Da die Verfahren durchweg im einstweiligen Rechtsschutz durchgeführt werden, fehlt die ordnende Hand des BAG (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG). Die Folge ist, dass jedes LAG die Frage anders entscheidet. In zwei älteren Entscheidungen (v. 28.8.1991, AP Nr. 2 zu § 85 ArbGG und v. 22.2.1983 AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG) hatte das BAG einen Unterlassungsanspruch verneint. Die überwiegende Zahl der Landesarbeitsgerichte bejaht dagegen den Unterlassungsanspruch des Betriebsrats (vgl. die umfassenden Nachweise bei Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 939). Zutreffend erscheint jedoch die Gegenmeinung. Aus § 113 Abs. 3 BetrVG ergibt sich, dass der Gesetzgeber für den Fall der Durchführung einer Betriebsänderung ohne ausreichende Interessenausgleichsverhandlungen lediglich den Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG als Sanktion vorsehen wollte. § 113 BetrVG ist ersichtlich eine abschließende Regelung, neben der kein Raum für einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats ist, schon gar nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren. Das BAG hat in seiner Leitentscheidung zum allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats v. 3.5.1994 (ZIP 1995, 146 mit abl. Anm. Bauer/Diller, ZIP 1995, 95) ausdrücklich offen gelassen, ob der allgemeine Unterlassungsanspruch des Betriebsrats auch im Rahmen der §§ 111 ff. BetrVG gilt.

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Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

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An der Eilbedürftigkeit des Antrags ist nicht zu zweifeln, da die Verletzung der §§ 111 ff. BetrVG „vor der Tür steht“.8, 9 ... (Unterschrift)10 8 Bejaht man die Möglichkeit des einstweiligen Unterlassungsanspruchs im Rahmen der §§ 111 ff. BetrVG, so ist an der Eilbedürftigkeit und damit am Verfügungsgrund regelmäßig nicht zu zweifeln. Ein Hauptsacheverfahren käme stets zu spät. 9 Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichtes ist Beschwerde zum LAG nach §§ 87 ff. ArbGG zulässig. 10 Der Streitwert richtet sich nach Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung der Maßnahmen, deren Untersagung begehrt wird. Insbesondere bei großflächigen Betriebsänderungen ist die Ansetzung hoher Streitwerte angemessen (zB ArbG Darmstadt v. 15.4.2002 – 1 BVGa 6/02: je Euro 4 000,– pro potenziell betroffenem Mitarbeiter; ähnliche Differenzierung nach der Zahl der betroffenen Mitarbeiter LAG Hamm v. 5.3.2007 – 13 (6) Ta 787/06 und LAG Sachsen v. 11.12.2001 – 4 Ta 286/01 L).

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Ordnungswidrigkeiten-Anzeige des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber wegen mangelhafter Unterrichtung nach § 111 BetrVG1, 2

An den Regierungspräsidenten3 (Adresse) Anzeige nach § 121 BetrVG Sehr geehrte Damen und Herren, wir vertreten den Betriebsrat der . . . GmbH (Adresse). Eine Vollmacht ist beigefügt. Namens und im Auftrag unseres Mandanten beantragen4 wir, 1 Die Anzeige nach § 121 BetrVG hat reinen Sanktionscharakter. Der Betriebsrat kann damit hinsichtlich der bereits stattgefundenen Verstöße in der Sache nichts mehr erreichen. Die Anzeige kann allerdings dazu beitragen, dass der Arbeitgeber künftig genauer auf seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten achtet. 2 Praxistipp: In der Praxis enden Anzeigen nach § 121 BetrVG häufig dadurch, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat doch noch über die geplante Betriebsänderung verständigen und der Betriebsrat im Zuge dieser Verständigung dem Regierungspräsidium mitteilt, dass an einer weiteren Verfolgung der Ordnungswidrigkeit kein Interesse mehr besteht. Dann wird das Verfahren regelmäßig gemäß § 47 Abs. 1 OWiG eingestellt. 3 Sachlich zuständig sind je nach der Verwaltungsverfassung des betreffenden Bundeslandes entweder die Ministerien für Arbeit, die Regierungspräsidien bzw. Bezirksregierungen oder die selbständigen Städte und Gemeinden, Landkreise und Kreisverwaltungsbehörden (im Einzelnen s. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 121 BetrVG Rz. 26). 4 Praxistipp: Die Anzeige kann grundsätzlich durch jedermann erstattet werden, also auch durch einzelne Arbeitnehmer. Formal ist eine Anzeige nicht erforderlich, bei hinreichendem Verdacht könnte das Verfahren auch von Amts wegen eingeleitet werden, was aber in

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Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

1. gegen die . . . GmbH5 (Firmenadresse) ein Bußgeld gemäß § 121 BetrVG zu verhängen, das Euro 5 000,– nicht unterschreiten sollte, 2. gegen den Geschäftsführer der . . . GmbH, Herrn . . . (Privatadresse) ein Bußgeld gemäß § 121 BetrVG zu verhängen, das Euro 5 000,– nicht unterschreiten sollte. Begründung: Die . . . GmbH betreibt in . . . einen metallverarbeitenden Betrieb mit ca. 500 Arbeitnehmern. Unser Mandant ist der dort gebildete Betriebsrat. Am . . . hat der Geschäftsführer . . . unserem Mandanten Anträge auf Zustimmung zur Kündigung von 120 Mitarbeitern aus betriebsbedingten Gründen hereingereicht mit der Aufforderung, gemäß § 102 BetrVG binnen einer Woche dazu Stellung zu nehmen. Unserem Mandanten war von Plänen über einen Personalabbau bis zu diesem Tag nichts bekannt. Auf Nachfragen hat der Geschäftsführer . . . unserem Mandanten erläutert, die gesamte . . . sei unrentabel und müsse aufgegeben werden. Dies führe zum Wegfall von 120 Arbeitsplätzen. Für Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan sei keine Zeit mehr, da die Verlustsituation dramatisch sei. Beweis: Aussage des Betriebsratsvorsitzenden . . . (Privatadresse) Das Unternehmen bzw. die Geschäftsführer als seine Repräsentanten haben mit der gewählten Vorgehensweise ihre Unterrichtungspflichten nach § 106 Abs. 2 und § 111 BetrVG grob verletzt. Nach §§ 106, 111 BetrVG hätten der im Betrieb errichtete Wirtschaftsausschuss sowie unser Mandant eingehend unterrichtet und informiert werden müssen, bevor der Entschluss zur Kündigung gefasst wurde. Gemäß § 121 BetrVG sind Verstöße gegen die Unterrichtungspflichten aus §§ 106, 111 BetrVG bußgeldbewehrt.6 § 121 BetrVG lässt Geldbußen bis Euro 10 000,– zu. Da vorliegend ein gravierender Fall gegeben ist, sollte die Geldbuße nicht weniger als Euro 5 000,– betragen. Die Geldbuße ist zunächst nach § 14 OWiG gegen den handelnden Geschäftsführer . . . persönlich festzusetzen. Da Herr . . . in seiner Eigenschaft als Organ der juristischen Person gehandelt hat, ist gemäß § 30 OWiG auch eine Geldbuße gegen die GmbH festzusetzen. ... (Unterschrift)7 der Praxis nie geschieht. Anzeigen durch einzelne Arbeitnehmer sind gefährlich, weil sie je nach Situation und Schärfe der Anschuldigung das Risiko einer fristlosen Kündigung mit sich bringen (BAG v. 5.2.1959, AP Nr. 2 zu § 70 HGB; LAG BW v. 25.10.1976, KJ 1979, 323; LAG Hessen v. 12.2.1987, LAGE § 626 BGB Nr. 28). 5 Eine Geldbuße ist grundsätzlich gegen die handelnde Person (Täter) festzusetzen, nach § 14 OWiG kommen auch mehrere Beteiligte als Täter in Betracht. Auch die vom Unternehmer beauftragten sonstigen Personen wie Betriebsleiter oder leitende Angestellte können gemäß § 9 Abs. 2 OWiG mit Geldbußen belegt werden. Häufig übersehen wird, dass nach § 30 OWiG auch das Unternehmen selbst mit Geldbuße belegt werden kann, wenn sein gesetzlicher Vertreter die Ordnungswidrigkeit begangen hat. 6 § 121 BetrVG ist bei jeder Nichterfüllung der Auskunfts- und Unterrichtungspflichten nach §§ 106, 111 BetrVG gegeben, egal ob die Pflicht überhaupt nicht, wahrheitswidrig, unvollständig oder verspätet erfüllt wurde. 7 Der Gegenstandswert ist nicht an der Höhe der (erhofften) Geldbuße zu orientieren, sondern mit dem Hilfswert von Euro 4 000,– (§ 23 RVG) anzusetzen. Nach der – kaum nachvollziehbaren – Entscheidung des ArbG Gießen (v. 9.6.2009, AiB 2010, 120) soll der Arbeitgeber die Kosten des mit der Erstattung der Anzeige beauftragten Anwalts übernehmen müssen.

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Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

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Angaben der Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen im Rahmen eines Verschmelzungsvertrages1

Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen2 (hier: Verschmelzung von Konzerngesellschaften) (1) Mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung gehen sämtliche Arbeitsverhältnisse, die mit der X-AG bestehen, gemäß § 324 UmwG iVm. § 613a BGB mit allen Rechten und Pflichten auf die Y-AG über. Mit Stand vom . . . waren bei der X-AG . . . leitende Angestellte und . . . sonstige Arbeitnehmer beschäftigt.3 (2) Für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse auf die Y-AG übergehen, gelten die bei der X-AG erreichten Dienstzeiten als bei der Y-AG verbrachte Dienstzeiten. (3) Soweit die X-AG Arbeitnehmern in von ihr abhängigen Gesellschaften Versorgungszusagen erteilt hat, gehen diese Verbindlichkeiten nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf die Y-AG über. Dies gilt auch, soweit sich die X-AG hinsichtlich anderer arbeitsvertraglicher Leistungen in abhängigen Gesellschaften mitverpflichtet haben sollte. (4) Soweit Arbeitnehmer in abhängigen Gesellschaften der X-AG am . . .-MitarbeiterBeteiligungsprogramm teilnehmen, ist nach dem Wirksamwerden der Verschmelzung ein Erwerb von Aktien der X-AG nicht mehr möglich, da die X-AG erlischt. Es ist vorgesehen, den betreffenden Arbeitnehmern Aktien der Y-AG in gleichwertiger Zahl anzubieten. Im Übrigen bleiben die Arbeitsverhältnisse in den abhängigen Gesellschaften von der Verschmelzung unberührt. (5) Betriebsänderungen sind infolge der Verschmelzung derzeit nicht geplant. 1 Bei der Verschmelzung (Fusion) handelt es sich um die Vereinigung von Gesellschaften unter Ausschluss der Abwicklung und gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Sie erfolgt nach § 2 UmwG entweder durch Übertragung des Vermögens der übertragenden Gesellschaft(en) als Ganzes auf eine übernehmende Gesellschaft (Verschmelzung durch Aufnahme) oder durch Bildung einer neuen Gesellschaft, auf die das Vermögen jeder der sich vereinigenden Gesellschaften als Ganzes übertragen wird (Verschmelzung durch Neugründung). Die übertragende Gesellschaft wird „unter Auflösung ohne Abwicklung“ verschmolzen (§ 2 UmwG). Sie geht also mit der Verschmelzung unter. Die Mitgliedschaftsrechte ihrer Gesellschafter erlöschen und werden durch Mitgliedschaftsrechte an der übernehmenden bzw. neu gegründeten Gesellschaft ersetzt. 2 Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG muss der Verschmelzungsvertrag auch die „Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen“ aufzeigen. Die Anforderungen an Umfang und Tiefe der Angabe dürfen aber nicht überspannt werden, weil der formale Informationscharakter von § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG im Vordergrund steht (Bungert, DB 1997, 2209). Praxistipp: Arbeitsrechtliche Angaben im Spaltungs- oder Verschmelzungsvertrag und Unterrichtungsschreiben gemäß § 613a Abs. 5 BGB lassen sich gemeinsam erarbeiten, da die Inhalte sich weitgehend decken. Dabei darf der Zeitaufwand für die notwendige Bestandsaufnahme (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Bezugnahmeklauseln) nicht unterschätzt werden. 3 Praxistipp: Obwohl § 613a BGB nur die Arbeitsverhältnisse des übertragenden Rechtsträgers betrifft, werden in der Praxis teilweise sog. „Negativerklärungen“ zum aufnehmenden Rechtsträger gefordert, zB: „hat keine Arbeitnehmer“ oder „. . . Arbeitsverhältnisse mit dem aufnehmenden Rechtsträger bleiben unberührt . . .“ empfohlen.

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Einigungsstelle

Kap. 44

(6) Die örtlichen Betriebsräte in den von den Vertragspartnern abhängigen Gesellschaften bleiben unverändert bestehen. Die Verschmelzung hat keine Auswirkungen auf die Struktur der Gesamtbetriebsräte und Wirtschaftsausschüsse in den abhängigen Gesellschaften. Der bei der X-AG gebildete Konzernbetriebsrat geht mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung unter. (7) Die in den Betrieben der X-AG mit den Betriebsräten abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen gelten als Betriebsvereinbarungen weiter. Gesamtbetriebsvereinbarungen bleiben von der Verschmelzung unberührt. (8) Mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung enden die Mandate aller Mitglieder des Aufsichtsrats der X-AG. Bei der Y-AG ist – soweit er zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung noch nicht bestehen sollte – ein mitbestimmter Aufsichtsrat mit . . . Mitgliedern nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MitbestG zu bilden. Nach dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Y-AG sind die Arbeitnehmer der X-AG und der nachgeordneten Konzernunternehmen bei den nächsten Wahlen zum Aufsichtsrat der Y-AG aktiv und passiv wahlberechtigt.

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Kapitel 44

Einigungsstelle

Literaturübersicht: Clemenz, Errichtung der Einigungsstelle, FS Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2006, S. 815; Eisemann, Das Verfahren vor der Einigungsstelle, FS Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2006, S. 837; Emmert, Bildung der Einigungsstelle, FA 2006, 226; Franken, Streitiger Einigungsstellenvorsitz als richterliche Dienstaufgabe, NZA 2008, 750; Friedemann, Das Verfahren der Einigungsstelle für Interessenausgleich und Sozialplan, 1997; Göritz, Handbuch Einigungsstelle, 2007; Hase/NeumannCosel/Rupp/Teppich, Handbuch für die Einigungsstelle, 3. Aufl. 1998; Hellkamp, Arbeitsgericht und Einigungsstelle – Zuständigkeitsprüfung und Befangenheitsproblematik, Diss. 2007; Hennige, Das Verfahrensrecht der Einigungsstelle, 1996; Hesse, Das Scheitern des Interessenausgleichs in der Einigungsstelle, FS Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2006, S. 879; Huster, Die Einigungsstelle und ihre Kompetenz, 2008; Kühn, Die Einrichtung ständiger Einigungsstellen durch Einigungsstellenentscheidungen, BB 2009, 2651; Laßmann, Die Einigungsstelle, 2009; Neft/Ocker, Die Einigungsstelle im Betriebsverfassungsrecht: Leitfaden für die betriebliche Praxis, 2. Aufl. 1995; Pünnel/Wenning-Morgenthaler, Die Einigungsstelle, 5. Aufl. 2009; Rupp, Arbeitsgericht und Einigungsstelle, AiB 2006, 310; Ruttkamp, Die Bildung und Zusammensetzung der Einigungsstelle, ArbRB 2006, 349; Scholz, Dotierung eines Sozialplans durch die Einigungsstelle, BB 2006, 1498; Spengler, Betriebliche Einigungsstelle, 2010.

I. Einführung 1. Allgemeines Die Einigungsstelle ist ein Organ der Betriebsverfassung. Sie fungiert als innerbetriebliche Schlichtungsstelle. In ihre Zuständigkeit fallen vor allem Regelungsstreitigkeiten, Hauptfall sind Angelegenheiten aus dem Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG. In Einzelfällen sind der Einigungsstelle aber auch Rechtsfragen zur Entscheidung übertragen, Bedeutung hat dies insbesondere bei Streitigkeiten über die rechtzeitige Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses nach § 109 BetrVG. Bauer/Haußmann/Diller

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Einigungsstelle

Kap. 44

(6) Die örtlichen Betriebsräte in den von den Vertragspartnern abhängigen Gesellschaften bleiben unverändert bestehen. Die Verschmelzung hat keine Auswirkungen auf die Struktur der Gesamtbetriebsräte und Wirtschaftsausschüsse in den abhängigen Gesellschaften. Der bei der X-AG gebildete Konzernbetriebsrat geht mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung unter. (7) Die in den Betrieben der X-AG mit den Betriebsräten abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen gelten als Betriebsvereinbarungen weiter. Gesamtbetriebsvereinbarungen bleiben von der Verschmelzung unberührt. (8) Mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung enden die Mandate aller Mitglieder des Aufsichtsrats der X-AG. Bei der Y-AG ist – soweit er zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung noch nicht bestehen sollte – ein mitbestimmter Aufsichtsrat mit . . . Mitgliedern nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MitbestG zu bilden. Nach dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Y-AG sind die Arbeitnehmer der X-AG und der nachgeordneten Konzernunternehmen bei den nächsten Wahlen zum Aufsichtsrat der Y-AG aktiv und passiv wahlberechtigt.

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Kapitel 44

Einigungsstelle

Literaturübersicht: Clemenz, Errichtung der Einigungsstelle, FS Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2006, S. 815; Eisemann, Das Verfahren vor der Einigungsstelle, FS Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2006, S. 837; Emmert, Bildung der Einigungsstelle, FA 2006, 226; Franken, Streitiger Einigungsstellenvorsitz als richterliche Dienstaufgabe, NZA 2008, 750; Friedemann, Das Verfahren der Einigungsstelle für Interessenausgleich und Sozialplan, 1997; Göritz, Handbuch Einigungsstelle, 2007; Hase/NeumannCosel/Rupp/Teppich, Handbuch für die Einigungsstelle, 3. Aufl. 1998; Hellkamp, Arbeitsgericht und Einigungsstelle – Zuständigkeitsprüfung und Befangenheitsproblematik, Diss. 2007; Hennige, Das Verfahrensrecht der Einigungsstelle, 1996; Hesse, Das Scheitern des Interessenausgleichs in der Einigungsstelle, FS Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2006, S. 879; Huster, Die Einigungsstelle und ihre Kompetenz, 2008; Kühn, Die Einrichtung ständiger Einigungsstellen durch Einigungsstellenentscheidungen, BB 2009, 2651; Laßmann, Die Einigungsstelle, 2009; Neft/Ocker, Die Einigungsstelle im Betriebsverfassungsrecht: Leitfaden für die betriebliche Praxis, 2. Aufl. 1995; Pünnel/Wenning-Morgenthaler, Die Einigungsstelle, 5. Aufl. 2009; Rupp, Arbeitsgericht und Einigungsstelle, AiB 2006, 310; Ruttkamp, Die Bildung und Zusammensetzung der Einigungsstelle, ArbRB 2006, 349; Scholz, Dotierung eines Sozialplans durch die Einigungsstelle, BB 2006, 1498; Spengler, Betriebliche Einigungsstelle, 2010.

I. Einführung 1. Allgemeines Die Einigungsstelle ist ein Organ der Betriebsverfassung. Sie fungiert als innerbetriebliche Schlichtungsstelle. In ihre Zuständigkeit fallen vor allem Regelungsstreitigkeiten, Hauptfall sind Angelegenheiten aus dem Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG. In Einzelfällen sind der Einigungsstelle aber auch Rechtsfragen zur Entscheidung übertragen, Bedeutung hat dies insbesondere bei Streitigkeiten über die rechtzeitige Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses nach § 109 BetrVG. Bauer/Haußmann/Diller

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Kap. 44

Einigungsstelle

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Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sollen Arbeitgeber und Betriebsrat zunächst im Betrieb mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandeln. Erst wenn die Verhandlungen gescheitert sind, kommt die Anrufung der Einigungsstelle zum Zwecke der Schlichtung in Betracht.

3

Die Einigungsstelle dient ausschließlich der Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat. Dagegen ist die Einigungsstelle grundsätzlich nicht zuständig für die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern, auch wenn diese im Zusammenhang mit dem BetrVG stehen.

4

Beschlüsse der Einigungsstelle sind nur materielle Rechtsregeln, aber keine Vollstreckungstitel. Sie sind grundsätzlich vom Arbeitgeber auszuführen, ggf. kann die Ausführung vom Betriebsrat im Wege des Beschlussverfahrens (ggf. auch durch einstweilige Anordnung) durchgesetzt werden.

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Bedeutung hat die Einigungsstelle insbesondere im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung (insbesondere § 87 BetrVG). Daneben kann die Einigungsstelle aber auch außerhalb des Bereichs der erzwingbaren Mitbestimmung (vgl. § 88 BetrVG) als so genannte „freiwillige Einigungsstelle“ fungieren. Sprüche der Einigungsstelle sind dann aber nur verbindlich, wenn sich entweder beide Betriebspartner vorher dem Spruch unterwerfen oder ihn nachträglich annehmen (§ 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG). Zu beachten ist die Besonderheit des Interessenausgleichsverfahrens, hier fungiert die Einigungsstelle gemäß § 112 Abs. 2 BetrVG nur als Beratungsorgan, kann aber keinen Spruch fällen.

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Wichtig: Die verbreitete Praxis, in Betriebsvereinbarungen zu vereinbaren, dass bei Streitigkeiten über die Auslegung der Betriebsvereinbarung die Einigungsstelle entscheiden soll, ist eine unzulässige Schiedsabrede nach § 4 ArbGG und daher unwirksam.1

2. Besetzung der Einigungsstelle 7

Gemäß § 76 Abs. 2 BetrVG besteht die Einigungsstelle aus einem unparteiischen Vorsitzenden und einer gleichen Anzahl von Beisitzern. Können sich die Betriebspartner nicht über die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer verständigen, entscheidet das Arbeitsgericht im besonderen Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG (s. dazu Rz. 11 ff.). Als Vorsitzende von Einigungsstellen werden üblicherweise Arbeitsrichter bestellt. Das ist weder zwingend noch in jedem Fall ratsam. Als geeignete Einigungsstellenvorsitzende kommen zB auch Hochschullehrer oder Verwaltungsbeamte (zB aus einem Arbeitsministerium oder der Arbeitsverwaltung) etc. in Betracht, aber auch erfahrene Rechtsanwälte. Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG muss der Vorsitzende unparteiisch sein. Daraus folgt, dass es die Möglichkeit geben muss, den Vorsitzenden wegen Befangenheit entsprechend den Regeln des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens abzulehnen.2 Die Einzelheiten des Verfahrens sind außerordentlich streitig.3 1 BAG v. 8.11.1988, DB 1989, 587 und v. 20.11.1990, DB 1991, 1025. 2 Grundlegend BAG v. 9.5.1995, DB 1995, 2610. 3 Umfassend Bauer/Diller, DB 1996, 137; LAG Hamm v. 2.6.1992, DB 1992, 1929; LAG Köln v. 23.1.1997, LAGE § 76 BetrVG Nr. 45.

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Kap. 44

Einigungsstelle

Hinsichtlich der Beisitzer schreibt das Gesetz keine besonderen Eignungsvoraussetzungen vor. Während Betriebsräte regelmäßig Betriebsratsmitglieder, Gewerkschaftssekretäre oder Rechtsanwälte benennen, tritt auf Arbeitgeberseite regelmäßig der Personalleiter, der Finanzchef, ein Vertreter des Arbeitgeberverbandes und/oder der Arbeitgeberanwalt auf. Empfehlenswert ist meist eine Mischung aus innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Beisitzern. Jede Partei ist völlig frei in der Auswahl ihrer Beisitzer, insbesondere hat die Gegenseite kein Ablehnungsrecht, auch bei völlig ungeeigneten Beisitzern. Nach richtiger Auffassung ist die übliche Besetzung der Einigungsstelle zwei Beisitzer pro Seite bei durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad.4 Bei einfachen Angelegenheiten reicht ein Beisitzer, bei komplexen Angelegenheiten (zB Neustrukturierung der betrieblichen Altersversorgung) können auch drei oder vier Beisitzer pro Seite angemessen sein.

8

Der Vorsitzende sowie die Beisitzer sind weisungsfrei und an Aufträge nicht gebunden.

9

Die Errichtung einer ständigen Einigungsstelle ist zwar möglich, aber nicht empfehlenswert, da dann die Bereitschaft der Betriebspartner zu ernsthaften Verhandlungen leiden kann. Deshalb wird die Einigungsstelle typischerweise nur für jede konkrete Streitigkeit neu einberufen.

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3. Einberufung der Einigungsstelle Die Einberufung geschieht durch formlose Aufforderung an die Gegenseite, sich auf die Einigungsstelle einzulassen. Die Aufforderung sollte von konkreten Vorschlägen für die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer begleitet sein (vgl. M 44.1). Ist der andere Betriebspartner mit der Errichtung der Einigungsstelle, der vorgeschlagenen Person des Vorsitzenden und/oder der vorgeschlagenen Zahl der Beisitzer nicht einverstanden, muss das Arbeitsgericht nach § 98 ArbGG entscheiden. Die Initiative zur Errichtung der Einigungsstelle kann von beiden Betriebspartnern ausgehen.

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Das Verfahren zur gerichtlichen Errichtung der Einigungsstelle nach § 98 ArbGG ist wiederholt zum Zwecke der Beschleunigung des Verfahrens modifiziert worden, wobei allerdings mehr als fraglich ist, ob die Modifikationen tatsächlich einen Beschleunigungseffekt haben werden. Die Einlassungs- und Ladungsfristen betragen nur 48 Stunden, der Beschluss des Arbeitsgerichts (der Vorsitzende entscheidet allein) soll den Beteiligten binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags zugestellt werden. Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts findet die Beschwerde an das LAG statt, die binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen und zu begründen ist. Gegen des Beschluss des LAG (wiederum allein durch den Vorsitzenden) findet kein Rechtsmittel statt. Zu beachten ist, dass der Antrag auf Errichtung der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden kann, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Sinn dieser Regelung ist, dass die Errichtung der Einigungsstelle nicht durch Zuständigkeitsstreitigkeiten verzögert werden soll. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle nur dann, wenn sofort erkennbar ist, dass das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt5 oder wenn ersichtlich noch keinerlei konstruktive Verhandlungen im Betrieb

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4 LAG Hamm v. 8.4.1987, DB 1987, 1441; LAG Schl.-Holst. v. 4.2.1997, DB 1997, 832. 5 LAG Hamm v. 16.4.1986, BB 1986, 1359.

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Kap. 44

Einigungsstelle

stattgefunden haben. Umstritten ist, ob die Einigungsstelle durch einstweilige Verfügung errichtet werden kann, wenn bei einer Errichtung im normalen Verfahren nach § 98 ArbGG die Entscheidung der Einigungsstelle offensichtlich zu spät käme (Beispiel: Streit um kurzfristig anberaumte Überstunden). Dagegen spricht, dass § 98 ArbGG nicht auf § 85 Abs. 2 ArbGG verweist.6 13

An die Anträge der Parteien ist das Arbeitsgericht bei der Entscheidung im Verfahren nach § 98 ArbGG nicht gebunden. Insbesondere kann das Arbeitsgericht (nach Anhörung der Parteien!) auch einen anderen Vorsitzenden bzw. eine andere Zahl von Beisitzern bestimmen, als die Parteien beantragt haben.7 Beim Streit über die Person des Vorsitzenden ist dies sogar regelmäßig tunlich, da der gegen den Willen einer Partei bestellte Vorsitzende immer mit dem Verdacht der Befangenheit zu kämpfen hätte.

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Praxistipp: Da der vom Gericht bestimmte Vorsitzende nicht verpflichtet ist, das Amt auszuüben, ist es für die Beteiligten und den entscheidenden Richter unabdingbar, sich vorher von der Bereitschaft der vorgeschlagenen Personen zu überzeugen, das Amt dann auch anzutreten.

4. Verfahren der Einigungsstelle 15

Das Verfahren der Einigungsstelle ist gesetzlich nicht geregelt. Grundsätze des Zivilprozessrechts können vorsichtig herangezogen werden, wobei allerdings zu beachten ist, dass die Einigungsstelle ihren informellen Charakter nicht einbüßen darf. Die Zuständigkeit der Einigungsstelle wird durch den Verfahrensgegenstand begrenzt, der sich ggf. aus dem Beschluss des Arbeitsgerichts nach § 98 ArbGG ergibt.

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Die meisten Einigungsstellenverfahren enden nicht durch einen Spruch der Einigungsstelle. In den meisten Fällen gelingt es dem Vorsitzenden, einen Kompromiss zu vermitteln. Gelingt dies ausnahmsweise nicht, findet zunächst gemäß § 76 Abs. 3 BetrVG eine erste Abstimmung der Beisitzer ohne Beteiligung des Vorsitzenden statt. Ergibt sich dabei keine Mehrheit, so erfolgt nach erneuter Beratung eine zweite Abstimmung, bei der der Vorsitzende mitstimmt. Entgegen einem verbreiteten Irrtums entscheidet bei einer Patt-Situation also nicht der Vorsitzende allein. Vielmehr muss es dem Vorsitzenden gelingen, mindestens die Hälfte der Beisitzer für seinen Regelungsvorschlag zu gewinnen.

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Die Einzelheiten des Verfahrens, der Beratung und der Abstimmung bestimmt der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen selbst, wenn sich nicht die Beteiligten einvernehmlich auf ein bestimmtes Verfahren einigen.8 Das gesamte Einigungsstellenverfahren ist nicht-öffentlich. In der Praxis üblich und auch rechtlich nicht zu beanstanden ist eine „Pendeldiplomatie“ des Vorsitzenden dahin gehend, dass teilweise im Plenum beraten wird, teilweise getrennt mit den Beisitzern des einen oder des anderen Betriebspartners. Der Einigungsstellenspruch ist gemäß § 76 Abs. 3 Satz 3 BetrVG schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten. Eine Begründung ist üblich, aber gesetzlich nicht vorgeschrieben.

6 ArbG Düsseldorf v. 24.6.1992, NZA 1992, 907. 7 LAG BW v. 26.6.2002, NZA-RR 2002, 523. 8 BAG v. 11.2.1992, DB 1992, 1730.

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Einigungsstelle

Kap. 44

5. Kosten Die Kosten der Einigungsstelle trägt gemäß § 76a Abs. 1 BetrVG der Arbeitgeber. Der Vorsitzende und die betriebsfremden Beisitzer haben nach § 76a Abs. 3 BetrVG einen gesetzlichen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Nach einer nicht nachzuvollziehenden Rechtsprechung gelten auch die in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens beschäftigten Arbeitnehmer als „betriebsfremd“ im Sinne dieser Vorschrift, was zu der beliebten (aber uE verfassungswidrigen) Praxis geführt hat, Betriebsratsmitglieder anderer Betriebe des gleichen Unternehmens zu Einigungsstellenbeisitzern zu bestellen und ihnen dadurch ein fürstliches Zubrot zu verschaffen.9

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Die Frage, welches Honorar für den Vorsitzenden und die Beisitzer angemessen ist, ist ein ewiger Streitpunkt. Der Gesetzgeber hat das Problem durch den 1989 neu geschaffenen § 76a BetrVG in den Griff zu bekommen versucht, die dort vorgesehene Rechtsverordnung ist jedoch nie erlassen worden. Üblich ist eine Vergütung des Vorsitzenden nach Stunden- oder Tagessätzen, die Beisitzer erhalten regelmäßig 7/ 10 oder 2/ 3 des Vorsitzendenhonorars.10 In der Praxis verständigt sich der Arbeitgeber mit dem Vorsitzenden meist vorab auf eine bestimmte Vergütungssystematik. Ansonsten steht dem Vorsitzenden nach herrschender Auffassung gemäß § 315 BGB ein Leistungsbestimmungsrecht zu.

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6. Anfechtung des Spruchs der Einigungsstelle Der Spruch der Einigungsstelle kann gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG gerichtlich überprüft werden. Machen Arbeitgeber oder Betriebsrat die Überschreitung der Grenzen des Ermessens geltend, so muss der Antrag gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG binnen zwei Wochen gestellt (und auch begründet!) werden. Die Zwei-Wochen-Frist des § 76 Abs. 5 BetrVG gilt allerdings nicht für die Rechtskontrolle des Einigungsstellenspruchs. Geht es beispielsweise um die Frage, ob die Einigungsstelle überhaupt zuständig war oder ob der Spruch eine Rechtsnorm verletzt, so kann dies ohne Rücksicht auf eine Frist geltend gemacht werden.11

9 Vgl. BAG v. 21.6.1989, DB 1989, 2438; LAG BW v. 30.12.1988, DB 1989, 736. 10 Vgl. BAG v. 14.12.1988, DB 1989, 888. 11 BAG v. 26.5.1988, DB 1988, 2154 und v. 25.7.1989, DB 1990, 791.

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Kap. 44

Einigungsstelle

M 44.1

II. Muster 44.1

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Antrag auf Errichtung der Einigungsstelle1

. . . GmbH – Geschäftsführung – An den Betriebsrat zH des Betriebsratsvorsitzenden ... im Hause Meinungsverschiedenheiten über die für . . . geplanten Überstunden Sehr geehrte Damen und Herren Betriebsräte, wir haben Ihnen am . . . erläutert, dass es angesichts der dramatischen Auftragslage betrieblich erforderlich ist, am . . . eine Sonderschicht mit insgesamt . . . Arbeitnehmern in der Zeit von . . . bis . . . Uhr zu fahren. Die Namen der betroffenen Arbeitnehmer, die sämtlich ihr Einverständnis erklärt haben, hatten wir Ihnen übergeben. Zugleich mit der Information hatten wir um Ihre Zustimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gebeten. Wir haben in mittlerweile drei Verhandlungsrunden versucht, Sie von der Notwendigkeit dieser Überstunden zu überzeugen. Die letzte Verhandlungsrunde fand gestern statt und hat drei Stunden gedauert. Zum Abschluss der Verhandlungsrunde hat der Betriebsrat nach kurzer Beratungsunterbrechung erklärt, er könne endgültig und einstimmig den Überstunden nicht zustimmen. Nach unserer Auffassung sind die innerbetrieblichen Verhandlungen damit endgültig gescheitert. Weitere Verhandlungen versprechen keinen Erfolg mehr. Wir rufen daher hiermit die Einigungsstelle an und schlagen vor,2 die Einigungsstelle mit je zwei Beisitzern zu besetzen und den erfahrenen Richter am Arbeitsgericht . . .,3 Herrn . . ., als Vorsitzenden zu benennen. Bitte teilen Sie möglichst rasch, spätestens binnen drei Tagen4 1 Für den Antrag gibt es keine bestimmte Form oder Frist. Die Fristenregelung des § 38 Abs. 2 Satz 6 BetrVG (Streit über die freizustellenden Betriebsratsmitglieder) kann auf andere Streitigkeiten nicht analog angewendet werden. Der Antrag kann auch mündlich gestellt werden, was sich aber nicht empfiehlt. 2 Praxistipp: Eine Anrufung der Einigungsstelle, ohne zugleich einen Vorschlag für die Zahl der Beisitzer und die Person des Vorsitzenden zu machen, ist zwar denkbar, aber nicht sinnvoll. Denn dann ist die Einigungsstelle selbst dann noch nicht errichtet, wenn die Gegenseite zustimmt, weil ja noch die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer offen ist. 3 Wegen der Vorbefassungsregelung des § 98 Abs. 1 Satz 5 ArbGG kann es problematisch sein, einen Richter des eigenen ArbG-Bezirks vorzuschlagen. Dies hängt jedoch auch von dem jeweiligen Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ab. 4 Auch für die Frist zur Stellungnahme des anderen Betriebspartners gibt es keine Vorschriften. Eine Frist von drei Tagen liegt sicherlich an der unteren Grenze, kann aber bei eilbedürftigen Angelegenheiten wie zB kurzfristig geplanten Überstunden angemessen sein. Äußert sich die Gegenseite innerhalb der gesetzten Frist nicht, ist damit keineswegs die Einigungsstelle in der vorgeschlagenen Besetzung errichtet. Vielmehr muss dann der Weg nach § 98 ArbGG beschritten werden. Deshalb ist eine Fristsetzung auch nicht erforderlich.

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M 44.2

Einigungsstelle

Kap. 44

mit, ob Sie mit dem Vorschlag einverstanden sind. Ansonsten müssten wir gemäß § 98 ArbGG beim Arbeitsgericht beantragen, die Einigungsstelle zu errichten. Mit freundlichen Grüßen ... (Unterschrift des Geschäftsführers)

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Antrag an das Arbeitsgericht auf Errichtung der Einigungsstelle nach § 98 ArbGG An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten (Arbeitgeber/Betriebsrat, volles Rubrum)

vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG2 ein und beantragen:3, 4 1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle, die über die Neuregelung des Prämiensystems für den Außendienst entscheiden soll,5 wird der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht . . ., Herr . . ., bestellt. 2. Die Zahl der Beisitzer wird pro Seite auf zwei festgesetzt.6 Begründung: Die Antragstellerin ist ein deutschlandweit operierendes Versicherungsunternehmen mit . . . Mitarbeitern, davon . . . im Außendienst. Die Antragstellerin plant seit länge1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Praxistipp: Es ist sinnvoll, bereits im Rubrum des Antrags auf § 98 ArbGG hinzuweisen, da das Verfahren verschiedene prozessuale Besonderheiten aufweist. 3 Die Möglichkeit der Bestellung des Vorsitzenden und die Festlegung der Zahl der Beisitzer im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist umstritten, wird von der herrschenden Meinung aber abgelehnt (dazu LAG Niedersachsen v. 29.9.1988, ArbuR 1989, 290; LAG Düsseldorf v. 8.2.1991, LAGE § 98 ArbGG Nr. 19). Das überzeugt nicht. 4 Der früher übliche Antrag auf Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen auf 48 Stunden ist nicht mehr erforderlich, da der Gesetzgeber mittlerweile in allen Fällen eine Frist von 48 Stunden angeordnet hat (§ 98 Abs. 1 Satz 4 ArbGG). 5 Wichtig: Ein häufig auftretendes Problem ist die hinreichend exakte Bezeichnung des Regelungsgegenstands der Einigungsstelle (vgl. dazu LAG Hamburg v. 10.4.1991, DB 1991, 2195; LAG Düsseldorf v. 21.8.1987, NZA 1988, 211; Behrens, NZA Beilage 2/1991, 23). Auf jeden Fall muss nur der Regelungsgegenstand bezeichnet werden, nicht aber das erstrebte Regelungsziel. Es ist deshalb auch entbehrlich, in der Begründung des Antrags nähere Ausführungen dazu zu machen, welche Regelungen sich die Betriebspartner vorstellen und warum die Verhandlungen gescheitert sind. 6 Besteht nur Streit über die Person des Vorsitzenden oder nur Streit über die Zahl der Beisitzer, so ist selbstverständlich nur der betreffende Antrag zu stellen.

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44.2

Kap. 44

Einigungsstelle

M 44.2

rem eine Neuordnung des Prämiensystems im Außendienst. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sind vor ca. drei Monaten Gespräche mit dem Antragsgegner über die geplante Neuregelung aufgenommen worden. Mittlerweile haben acht mehrstündige Verhandlungsrunden stattgefunden. Am Ende der letzten Verhandlungsrunde haben beide Parteien übereinstimmend festgestellt, dass sich ohne außerbetriebliche Hilfe eine Einigung über die streitigen Punkte nicht erzielen lässt. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schreiben vom . . . vorgeschlagen, den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht . . ., Herrn . . ., zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zu benennen und die Zahl der Beisitzer auf je zwei pro Seite festzulegen. Dem Antragsgegner wurde eine Äußerungsfrist von einer Woche gesetzt. Diese Frist hat er ohne Stellungnahme verstreichen lassen. Die Einleitung des gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 98 ArbGG war deshalb geboten. Der Antragsgegner hat außergerichtlich die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle sei im vorliegenden Fall nicht zuständig.7 Die von der Antragstellerin geplante Neuregelung der Prämienstruktur im Außendienst sei „schlicht rechtswidrig“ und ein solches System könne auch die Einigungsstelle nicht einführen. Der Antragsgegner verkennt jedoch, dass – die Rechtswidrigkeit des geplanten Prämiensystems unterstellt – es gerade Aufgabe der Einigungsstelle wäre, zwischen den Parteien zu vermitteln und insbesondere über die Möglichkeiten der rechtmäßigen Neustrukturierung des Prämiensystems zu beraten. Abgesehen davon teilt die Antragstellerin die Auffassung des Antragsgegners nicht, dass die vorgeschlagene Neuregelung rechtswidrig wäre (wird ausgeführt). Auf jeden Fall ist die vorgeschlagene Neuregelung nicht offensichtlich rechtswidrig, so dass auch eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nach § 98 ArbGG nicht in Betracht kommt.8 Der vorgeschlagene Vorsitzende Richter des LAG . . . ist ein erfahrener Einigungsstellenvorsitzender und zweifellos unparteiisch.9 Er hat sich auf Anfrage auch bereit er7 Das Verfahren nach § 98 ArbGG schließt nicht aus, dass zwischen den Betriebspartnern gleichzeitig ein Beschlussverfahren stattfindet, in dem im Wege des Feststellungsantrags geklärt werden soll, ob eine bestimmte Angelegenheit mitbestimmungspflichtig und damit die Einigungsstelle zuständig ist oder nicht. Aus dem Beschleunigungszweck des § 98 ArbGG ergibt sich allerdings, dass bei Anhängigkeit eines solchen Beschlussverfahrens ein daneben eingeleitetes Verfahren nach § 98 ArbGG nicht gemäß § 148 ZPO ausgesetzt werden darf (BAG v. 24.11.1981, AP Nr. 11 zu § 76 BetrVG). 8 Unter welchen Voraussetzungen der Antrag nach § 98 ArbGG wegen offensichtlicher Unzuständigkeit der Einigungsstelle abgelehnt werden kann, ist außerordentlich umstritten (vgl. die Beispiele bei Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 274). Die Praxis operiert überwiegend mit der „Stirntheorie“, wonach der Antrag nach § 98 ArbGG nur dann zurückgewiesen werden kann, wenn dem Antrag „bereits auf der Stirn geschrieben steht“, dass die Einigungsstelle unzuständig ist. 9 Nach richtiger Auffassung ist das Arbeitsgericht an die Person des vorgeschlagenen Vorsitzenden nicht gebunden. Zwar soll der im Antrag Vorgeschlagene bestellt werden, wenn er nicht offensichtlich ungeeignet ist und die Gegenseite keine Einwände erhebt. Werden dagegen Einwände erhoben, sollte das Arbeitsgericht grundsätzlich eine neutrale Person vorschlagen, es sei denn, die Einwände sind offensichtlich unbegründet (LAG BW v. 26.6.2002, NZA-RR 2002, 523; LAG Berlin v. 4.6.2010 – 6 TaBV 907/10, DB 2010, 1891). Dagegen sind auch subjektive Einwendungen, die nachvollziehbar erscheinen, stets zu beachten. Auf keinen Fall vertretbar ist die Auffassung, das Gericht dürfe von der im Antrag genannten Person nur dann abweichen, wenn gegen sie Gründe sprechen, die die Ausschließung und Ablehnung von Richtern nach §§ 41 ff. ZPO rechtfertigen würden (so aber Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 975). Würde sich diese Auffassung durchsetzen, würden beide Betriebspartner

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M 44.2

Einigungsstelle

Kap. 44

klärt, im Falle seiner Bestellung die Einigungsstelle zu übernehmen.10 Da die Gegenseite gegen die Person des vorgeschlagenen Vorsitzenden offenbar keine Einwendungen hat, ist dieser zu bestellen. Die Zahl der Beisitzer ist auf zwei festzusetzen. Dies entspricht der Regelbesetzung. Im Übrigen hat offensichtlich der Antragsgegner keine Bedenken gegen die vorgeschlagene Zahl der Beisitzer. Da der Sitz des Unternehmens außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des LAG . . . liegt, ist gemäß § 98 Abs. 1 Satz 5 ArbGG gewährleistet, dass der vorgeschlagene Vorsitzende nicht in seiner Eigenschaft als Richter mit der Überprüfung, Auslegung oder Anwendung des Spruchs der Einigungsstelle befasst werden kann. Auf § 98 Abs. 1 Satz 6 ArbGG (Zustellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts an die Beteiligten binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags) wird freundlich hingewiesen.11, 12 ... (Unterschrift)13

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sich beeilen, ihren Antrag nach § 98 ArbGG zuerst anzubringen, um einen ihnen genehmen Vorsitzenden durchzubringen (gegen dieses „Windhundprinzip“ auch LAG BW v. 26.6.2002, NZA-RR 2002, 523; LAG Rh.-Pf. v. 15.5.2009, AE 2009, Nr. 400; LAG Berlin v. 4.6.2010 – 6 TaBV 907/10, DB 2010, 1891). Das kann weder ernsthafte Verhandlungen im Betrieb fördern noch im Sinne der von § 2 BetrVG geforderten vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebspartner sein. Praxistipp: Dass der vorgeschlagene Vorsitzende vor Einleitung des Antrags nach § 98 ArbGG gefragt wird, ob er zur Übernahme des Amts bereit ist (und ob die erforderliche Nebentätigkeitsgenehmigung vorliegt oder kurzfristig erlangt werden kann), ist zwar rechtlich nicht erforderlich, aber ein Gebot der Vernunft. Sofern der Arbeitgeber den Vorschlag macht, empfiehlt sich auch, vorab eine Verständigung über das Honorar zu versuchen, damit nicht nachträglich die Errichtung der Einigungsstelle an der Honorarfrage scheitert. Die Regelung des § 98 Abs. 1 Satz 6 ArbGG, wonach der Beschluss den Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags zugestellt werden soll, ist eine reine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung (die in der Praxis regelmäßig vorkommt) keine Folgen hat. Wichtig: Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist – wie im Beschlussverfahren allgemein vorgesehen – mit Beschwerde gemäß § 87 BetrVG angreifbar (s. M 105.1). Vorsicht ist allerdings geboten, weil § 98 Abs. 2 ArbGG eine besondere Fristenregelung enthält. Zur Beschleunigung des Verfahrens muss die Beschwerde gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG innerhalb einer Frist von zwei Wochen eingelegt und zugleich begründet werden. Bei der Festsetzung des Streitwerts orientieren sich die Gerichte regelmäßig am Hilfswert von Euro 4 000,– (§ 23 RVG) (LAG Köln v. 3.6.2009, AE 2009, Nr. 424). Wird nicht nur um die Zuständigkeit der Einigungsstelle gestritten, sondern auch um deren personelle Besetzung (Person des Vorsitzenden und/oder Zahl der Beisitzer), wollen einige Gerichte den Hilfswert mehrfach ansetzen (zB LAG Hamm v. 11.3.2002 – 10 TaBV 12/02; LAG Hessen v. 23.8.2002 – 5 Ta 406/02), während andere Arbeitsgerichte nur die Hälfte des Hilfswerts ansetzen, wenn ausschließlich um die Zuständigkeit oder die personelle Besetzung gestritten wird (LAG Schl.Holst. v. 28.12.2005, LAGE § 23 RVG Nr. 5; LAG Hamburg v. 16.11.2005 – 3 TaBV 6/05).

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1205

Kap. 44

44.3

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Einigungsstelle

M 44.3

Einigungsstellenspruch1 Spruch der Einigungsstelle vom . . .

Die Parteien streiten um die Zustimmung des Betriebsrats zu der vom Arbeitgeber geplanten Sonderschicht in der . . .-fertigung am Samstag, dem . . . von . . . Uhr bis . . . Uhr für insgesamt . . . im Anhang namentlich bezeichnete Mitarbeiter. Der Arbeitgeber beantragt, die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zu der Sonderschicht und den damit verbundenen Überstunden zu ersetzen. Er vertritt die Auffassung, die Sonderschicht sei zwingend erforderlich, um den vorhandenen Auftragsstau abarbeiten und Konventionalstrafen der Abnehmer vermeiden zu können. Der Betriebsrat beantragt, den Antrag des Arbeitgebers zurückzuweisen. Zur Begründung führt er an, die Mitarbeiter seien bereits durch zahlreiche in der Vergangenheit gefahrene Sonderschichten körperlich und geistig überbeansprucht. Eine zusammenhängende Freizeit von zwei Tagen am Wochenende . . . sei dringend erforderlich. Das Unternehmen habe die nötige Wirtschaftskraft, ggf. Konventionalstrafen der Abnehmer zu tragen. Eine Einigung kam in der Einigungsstelle trotz intensiver Bemühungen nicht zustande. Der Vorsitzende stellte sodann den Antrag des Arbeitgebers zur Abstimmung. Die Abstimmung, an der nur die Beisitzer teilnahmen, ergab ein Stimmenverhältnis von 2 : 2. Sodann fand eine weitere Beratung und Verhandlung statt, die aber erneut erfolglos blieb. Der Vorsitzende stellte sodann den Antrag des Arbeitgebers erneut zur Abstimmung, an der er sich diesmal beteiligte. Die Abstimmung ergab 3 : 2 Stimmen für den Antrag. Der Vorsitzende verkündete sodann den folgenden Spruch: Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Sonderschicht am Samstag, dem . . . zwischen . . . Uhr und . . . Uhr wird ersetzt. Gründe: (wird ausgeführt) ... Ort, Datum ... (Der Vorsitzende) 1 § 76 Abs. 3 Satz 2 BetrVG verlangt, dass Beschlüsse der Einigungsstelle schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und den Betriebspartnern zuzuleiten sind. Üblich und auch zweckmäßig ist es, den Spruch mit Gründen zu versehen. Das dient den Parteien zur Prüfung, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und ein Verfahren nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG wegen Überschreitung des Ermessens (s. M 44.5) eingeleitet werden soll. Ein nicht mit Gründen versehener Einigungsstellenspruch ist aber voll wirksam. Fällt die Einigungsstelle keinen formgemäßen Spruch, so ist das Einigungsstellenverfahren nicht beendet, und der Spruch muss wiederholt werden.

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Einstweilige Verfügung auf Untersagung der Durchführung eines Einigungsstellenspruchs An das Arbeitsgericht1 In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten (Betriebsrat/Arbeitgeber, volles Rubrum)

vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen, wegen der Dringlichkeit des Falles ohne mündliche Anhörung der Beteiligten durch den Vorsitzenden allein im Wege der einstweiligen Verfügung3, 4 1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu unterlassen, den Einigungsstellenspruch vom . . . betreffend Überstunden in der Packerei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nach § 76 Abs. 5 BetrVG durchzuführen. 2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung nach Ziff. 1 ein Ordnungsgeld von bis zu Euro 10 000,– anzudrohen.5 Begründung: Die von den Betriebspartnern einvernehmlich errichtete Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht . . . zur Klärung streitiger Überstunden in der . . . hat am . . . getagt und nach längerer Beratung mehrheitlich mit der Stimme des Vor-

1 Ist das Verfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG bereits in der Beschwerdeinstanz beim LAG anhängig, ist gemäß § 937 Abs. 1 ZPO die einstweilige Verfügung dort zu beantragen. 2 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 3 Problematisch ist die einstweilige Verfügung auf Nicht-Durchführung des Einigungsstellenspruchs, wenn es lediglich um die Überschreitung der Grenzen des Ermessens geht. Zwar hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts nach § 76 Abs. 5 BetrVG keine Gestaltungswirkung. Stellt das Arbeitsgericht fest, dass die Grenzen des Ermessens überschritten wurden, so führt nicht erst die Entscheidung des Arbeitsgerichts zur Unwirksamkeit, sondern das Arbeitsgericht stellt lediglich fest, dass der Spruch von Anfang an unwirksam war. Gleichwohl geht die ganz herrschende Meinung davon aus, dass der Spruch solange als wirksam anzusehen ist, wie das Verfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG nicht rechtskräftig entschieden ist (LAG Berlin v. 6.12.1984, BB 1985, 1199; v. 8.11.1990, DB 1991, 1288). Die Anrufung des Arbeitsgerichts nach § 76 Abs. 5 BetrVG hat also keine suspendierende Wirkung. Gleichwohl soll nach herrschender Meinung jedenfalls in krassen Fällen der Erlass einer einstweiligen Verfügung nach dem Muster zulässig sein. Verstößt dagegen der Einigungsspruch gegen Rechtsnormen, so ist er von vornherein unwirksam, so dass insoweit auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die vorläufige Durchführung des Spruchs unproblematisch ist (LAG Hessen v. 24.9.1987, LAGE § 85 ArbGG Nr. 2; dazu auch LAG Berlin v. 6.12.1984, ArbuR 1985, 293; LAG BW v. 7.11.1989, NZA 1990, 286). 4 Zur einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren allgemein s. M 107.5. 5 Der besondere Unterlassungsanspruch nach § 23 BetrVG, der grobes Verschulden des Arbeitgebers voraussetzt, begrenzt das mögliche Ordnungsgeld auf Euro 10 000,– und sieht keine Ordnungshaft vor. Es ist deshalb anerkannt, dass zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die Ordnungsmittel zur Durchsetzung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs nicht strenger sein dürfen (BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 71/09, NZA 2011, 174). Das schließt die Verhängung von Ordnungshaft ebenso aus wie ein Euro 10 000,– übersteigendes Ordnungsgeld.

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sitzenden und den Beisitzern der Arbeitgeberseite6 einen Spruch gefällt. Der Spruch sieht vor, dass ohne jede weitere Einschränkung das Unternehmen in der Zeit vom . . . bis . . . einseitig ohne weitere Rücksprache bis zu 1 000 Überstunden im Bereich der . . . anordnen kann. Beweis: Spruch der Einigungsstelle vom . . ., Anlage AS 1 Der Einigungsstellenspruch wurde den Parteien am . . . zugeleitet, bereits am . . . hat der Antragsteller den Spruch beim zuständigen Arbeitsgericht nach § 76 Abs. 5 BetrVG wegen grober Überschreitung der Grenzen des Ermessens angefochten.7 Zur Glaubhaftmachung: Antragsschrift vom . . . Der Spruch der Einigungsstelle ist offensichtlich unwirksam. Die Antragsgegnerin hatte überhaupt nur die Abhaltung von 600 Überstunden in der . . . bis Ende . . . beantragt. Außerdem waren die Überstunden nur für bestimmte Mitarbeitergruppen und für bestimmte Tage beantragt worden. Mit dem Spruch hat die Einigungsstelle der Antragsgegnerin weit mehr zugesprochen, als sie ursprünglich beantragt hatte. Sie hätte nach dem Spruch die völlige Freiheit, mehr Überstunden als beantragt an beliebigen Tagen mit beliebigen Mitarbeitern durchzuführen. Eine Einigungsstelle überschreitet die Grenzen ihres Ermessens, wenn sie einer Partei mehr zubilligt, als diese beantragt hat. Der Einigungsstellenspruch ist auch deshalb unwirksam, weil der Antragsteller nicht zuständig war. Die beantragten Überstunden hängen untrennbar zusammen mit den Überstunden, die in dem ebenfalls zum Unternehmen gehörenden Nachbarbetrieb in . . . durchgeführt werden. Der Antragsteller hat deshalb von Anfang an geltend gemacht, nicht er sei zuständig, sondern der Gesamtbetriebsrat. Diesen Einwand hat jedoch das Arbeitsgericht nach den Bestimmungen des § 98 ArbGG für unbeachtlich angesehen, da die Unzuständigkeit der Einigungsstelle jedenfalls nicht offensichtlich sei. Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin am . . . von der erfolgten Anfechtung des Spruchs nach § 76 Abs. 5 BetrVG in Kenntnis gesetzt und sie aufgefordert, den Spruch nicht durchzuführen. Die Antragsgegnerin hat jedoch erklärt, der Spruch sei für sie bindend und sie werde die streitigen Überstunden anordnen. Zwar ist ein Einigungsstellenspruch grundsätzlich solange als wirksam anzusehen, wie er nicht im Verfahren nach § 87 Abs. 5 BetrVG aufgehoben worden ist. Im vorlie6 Die Anfechtung des Spruchs der Einigungsstelle ist unabhängig davon möglich, mit welchen Stimmenverhältnissen die Einigungsstelle entschieden hat. Auch wenn die Beisitzer einer Partei dem Spruch zugestimmt haben, kann die Partei das Verfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG einleiten und ggf. auch eine einstweilige Verfügung beantragen. Das ergibt sich daraus, dass die Einigungsstellenbeisitzer nach eigenem Ermessen entscheiden und nicht an Weisungen ihrer Partei gebunden sind. 7 Die einstweilige Verfügung auf Nicht-Durchführung des Einigungsstellenspruchs steht in engem Zusammenhang mit dem Hauptsacheverfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG. Geht es nur um die Überschreitung des Ermessens, ist der Antrag im Eilverfahren sofort zurückzuweisen, wenn nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 76 Abs. 5 BetrVG ein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht wurde. Soweit dagegen die Durchführung des Spruchs der Einigungsstelle mit dem Argument bekämpft wird, der Spruch sei aus Rechtsgründen nichtig (zB fehlende Zuständigkeit des beteiligten Betriebsrats, Nichtigkeit des Einigungsstellenspruchs wegen Verfahrensfehlern etc.), gilt die Zwei-Wochen-Frist des § 76 Abs. 5 BetrVG nicht, so dass das Eilverfahren auch dann Erfolg haben kann, wenn ein Hauptsacheverfahren erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist anhängig gemacht wird.

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genden Fall muss jedoch etwas anderes gelten, da die Einigungsstelle gar nicht zuständig war und im Übrigen der Spruch grob ermessensfehlerhaft ist (LAG Hessen v. 24.9.1987, LAGE § 85 ArbGG Nr. 2). Der Verfügungsgrund ist gegeben, da die Antragsgegnerin angekündigt hat, bereits in der kommenden Woche mit den Überstunden zu beginnen (wird ausgeführt). Zur Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des Vorsitzenden des Antragstellers, Anlage AS 2 ... (Unterschrift)8 8 Für den Streitwert kommt es auf die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Arbeitgeber an (zB LAG Hamm v. 13.10.1998, LAGE § 8 BRAGO Nr. 8; LAG Berlin v. 14.6.1995 – 1 Ta 28/95 (Kost); LAG Düsseldorf v. 29.11.1994, DB 1995, 52). Beispielhaft LAG Hessen v. 30.1.2002 – 5 TaBV 1/01: Streitwert von Euro 25 000,– bei Regelung der Arbeitszeit für 260 Arbeitnehmer.

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Anfechtung des Einigungsstellenspruchs nach § 76 Abs. 5 BetrVG1, 2, 3, 4 An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren5 mit den Beteiligten6 (Arbeitgeber/Betriebsrat, volles Rubrum)

vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: 1 Die Anrufung des Arbeitsgerichts hat keine suspendierende Wirkung (statt aller LAG Berlin v. 6.12.1984, BB 1985, 1199 und v. 8.11.1990, DB 1991, 1288). In Einzelfällen kommt allerdings eine vorläufige Regelung durch einstweilige Verfügung in Betracht (s. M 44.4). 2 § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG enthält eine abschließende Regelung darüber, in welcher Form und innerhalb welcher Fristen ein Einigungsstellenspruch wegen Ermessensüberschreitung angegriffen werden muss. Andere Verfahren stehen nicht zur Verfügung. Wird nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist das Verfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG eingeleitet, gilt der Einigungsstellenspruch folglich gegenüber jedermann uneingeschränkt als wirksam. Diese Grundsätze gelten allerdings nicht, soweit der Einigungsstellenspruch wegen Rechtsfehlern (zB fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle, Verletzung tarifvertraglicher Regeln etc.) angegriffen wird. In einem solchen Fall ist der Einigungsstellenspruch (ganz oder teilweise) von selbst unwirksam. Die Unwirksamkeit kann ohne Einhaltung einer Frist in jeder Form und von jedermann geltend gemacht werden, also entweder in einem gesonderten Beschlussverfahren (sowohl als Hauptfrage als auch als Vorfrage) oder auch als Vorfrage in einem Individualprozess zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (der dann selbstverständlich im Urteilsverfahren auszutragen ist). Wenn die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs aus Rechtsgründen in einem normalen Beschlussverfahren außerhalb der Sonderregelung des § 76 Abs. 5 BetrVG geltend gemacht werden kann, bedeutet dies freilich nicht, dass der Einigungsstellenspruch in zwei verschiedenen Beschlussverfahren zur Prüfung gestellt werden könnte (wegen Er-

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Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom . . . betreffend einen Sozialplan für das Werk . . . unwirksam ist.7, 8, 9 Begründung: Die Einigungsstelle ist gegen den Willen der Antragstellerin durch arbeitsgerichtlichen Beschluss nach § 98 ArbGG errichtet worden. Die Antragstellerin hat die Zuständig-

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messensüberschreitung im Verfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG, wegen Rechtsfehlern wie zB Unzuständigkeit in einem davon getrennten Beschlussverfahren). Denn unabhängig von der verschiedenen Begründung ist der Streitgegenstand in beiden Verfahren der Gleiche (nämlich Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs), so dass der Erhebung des zweiten Antrags der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegensteht (BAG v. 16.7.1996, AP Nr. 53 zu § 76 BetrVG). Hat der Arbeitgeber den Einigungsstellenspruch zunächst wegen Rechtsfehlern (zB Unzuständigkeit) angegriffen, so kann er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 76 Abs. 5 BetrVG zusätzlich auch noch die Überschreitung der Grenzen des Ermessens geltend machen. Nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist ist dies allerdings nicht mehr möglich, das Verfahren bleibt dann auf die Prüfung von Rechtsfehlern beschränkt. Gerichtlich überprüfbar ist im Verfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG nur die Entscheidung der Einigungsstelle selbst. Ob die Einigungsstelle bei ihrer Tätigkeit zutreffende Überlegungen und Erwägungen angestellt hat, ist dagegen unerheblich, sofern der Spruch selbst sich in den Grenzen des Ermessens bewegt (BAG v. 31.8.1982, AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG). Gravierende Verfahrensfehler können dagegen den Spruch der Einigungsstelle unabhängig davon unwirksam machen, wie das Ergebnis ausgefallen ist. Streiten die Parteien über die Zuständigkeit der Einigungsstelle und wird diese mangels offensichtlicher Unzuständigkeit über § 98 ArbGG errichtet, so wird regelmäßig in der Einigungsstelle zunächst erneut über die Zuständigkeit beraten und verhandelt. Auf Antrag eines der Beteiligten entscheidet sodann die Einigungsstelle selbst über ihre Zuständigkeit. Nimmt die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit an, kann ein solcher (Zwischen-)Beschluss nicht selbständig angefochten werden (BAG v. 31.5.2005, DB 2005, 2584 gegen LAG Niedersachsen v. 20.3.2003 – 4 TaBV 108/00). Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. Die Einigungsstelle selbst ist nicht Beteiligte des Verfahrens (BAG v. 22.1.1980, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG Lohngestaltung und v. 28.4.1981, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG Vorschlagswesen). Richtigerweise ist der Antrag entweder auf das (Nicht-)Bestehen eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats zu richten (BAG v. 31.5.2005, DB 2005, 2584) oder der letztlich in der Sache ergangene Einigungsstellenspruch wird angefochten. Der Antrag nach § 76 Abs. 5 BetrVG ist kein Gestaltungsantrag, sondern ein Feststellungsantrag. Das Arbeitsgericht erklärt bei Begründetheit des Antrags den Einigungsstellenspruch nicht mit gestaltender Wirkung für unwirksam, sondern stellt nur seine von vornherein bestehende Unwirksamkeit fest (BAG v. 26.4.2005, DB 2005, 2030; v. 30.10.1979, AP Nr. 9 zu § 112 BetrVG und v. 27.5.1986, AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG Überwachung). Ist der Spruch der Einigungsstelle nur teilweise unwirksam, so ist zu prüfen, ob der verbleibende wirksame Rest noch ein sinnvolles Ganzes darstellt. Ist das der Fall, stellt das Arbeitsgericht in seinem Beschluss fest, in welchen Teilen der Spruch der Einigungsstelle unwirksam ist (BAG v. 28.4.1981, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG Vorschlagswesen und v. 28.7.1981, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG Urlaub). Praxistipp: Das Arbeitsgericht ist in keinem Fall befugt, bei Feststellung der Unwirksamkeit des Spruches selbst eine Regelung der streitigen Materie zu treffen oder anzuordnen. Das Arbeitsgericht darf grundsätzlich nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Einigungsstelle setzen. Deshalb erübrigen sich auch entsprechende Anträge der Parteien. Kommt das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass der Spruch der Einigungsstelle unwirksam ist, besteht die Einigungsstelle noch und hat das Verfahren fortzusetzen (BAG v. 30.1.1990, AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG Lohngestaltung).

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keit10 der Einigungsstelle von Anfang an bestritten, weil die geplante Schließung des Betriebes nicht sozialplanpflichtig ist. Die §§ 111 ff. BetrVG greifen nicht, da das Unternehmen . . . nur 19 Mitarbeiter hat (§ 111 Satz 1 BetrVG). Zu Unrecht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, die regelmäßige Beschäftigtenstärke des Unternehmens liege über 20 Mitarbeiter, da von dem in der Vergangenheit bestehenden Personalstand auszugehen sei (wird ausgeführt). Das Arbeitsgericht hat im Verfahren nach § 98 ArbGG durchaus Zweifel an der Zuständigkeit der Einigungsstelle gehabt, aber gemeint, die Einigungsstelle sei jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig. Beweis: Beschluss des Arbeitsgerichts nach § 98 ArbGG, Anlage AS 1 Die Antragstellerin hat in der konstituierenden Sitzung der Einigungsstelle erneut die Zuständigkeit der Einigungsstelle bestritten. Der Vorsitzende der Einigungsstelle hat dann jedoch mit den Stimmen des Antragsgegners die Zuständigkeit der Einigungsstelle bejaht und im weiteren Verlauf – ebenfalls mit den Stimmen der Beisitzer des Antragsgegners11 – einen abschließenden Spruch gefällt, mit dem ein Sozialplan aufgestellt wurde. Der Spruch der Einigungsstelle ist aber nicht nur wegen fehlender Zuständigkeit unwirksam, sondern auch wegen grober Überschreitung der Grenzen des Ermessens.12 Die Einigungsstelle hat an die 19 betroffenen Arbeitnehmer Sozialplanmittel von insgesamt Euro . . . verteilt. Die Einwendungen der Antragstellerin, damit werde ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit krass überfordert,13 hat die Einigungsstelle nicht gelten lassen. Auch eine fachkundige Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft . . .-GmbH, nach der bei Aufstellung eines so teuren Sozialplans Überschuldung droht, wurde nicht zur Kenntnis genommen (wird ausgeführt). Die Zwei-Wochen-Frist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG ist eingehalten.14 Der Spruch der Einigungsstelle ist den Betriebspartnern am . . . zugestellt worden. 10 Die unbeschränkte Anfechtbarkeit des Einigungsstellenspruchs wegen fehlender Zuständigkeit ist gewissermaßen das Spiegelbild des Verfahrens nach § 98 ArbGG. Wenn der Gesetzgeber aus Beschleunigungsgründen die Zuständigkeitsfragen bei der Errichtung der Einigungsstelle nur kursorisch geprüft haben will, dann muss er den Parteien die Möglichkeit geben, diese Fragen nachträglich in vollem Umfang zu klären, was im Verfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG geschehen kann. 11 Die Anfechtungsmöglichkeit ist nicht davon abhängig, ob die Beisitzer der anfechtenden Partei dem Spruch zugestimmt haben oder nicht (vgl. M 44.4 Fn. 5). 12 Oft verkannt wird der Maßstab der Prüfung, die das Arbeitsgericht bei § 76 Abs. 5 BetrVG vorzunehmen hat. Es reicht nicht aus, dass die Einigungsstelle ihr Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt hat. Solange sich die Einigungsstelle bei der Ermessensausübung in den Grenzen des Ermessens gehalten hat, ist der Spruch nicht anfechtbar. Erst wenn die äußersten Grenzen des Ermessens überschritten sind, kann die Anfechtung nach § 76 Abs. 5 BetrVG Erfolg haben. 13 Dazu BAG v. 6.5.2003, DB 2004, 193 und v. 24.8.2004, DB 2005, 397. 14 Wichtig: Besonders tückisch in der Praxis ist die zweiwöchige Frist für die Geltendmachung von Ermessensfehlern. Die Frist beginnt mit der Zuleitung des Spruchs an die Betriebspartner, unabhängig davon, ob der Spruch mit einer Begründung versehen ist oder nicht. Die Zwei-Wochen-Frist ist eine materielle Ausschlussfrist und daher weder einer Fristverlängerung noch einer Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zugänglich (BAG v. 26.5.1988, AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG). Noch bedeutsamer ist, dass innerhalb der ZweiWochen-Frist nicht nur der Antrag gestellt, sondern dieser auch begründet sein muss. Nach Auffassung des BAG (v. 26.5.1988, AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG) muss nämlich inner-

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Kap. 45

Euro-Betriebsrat

... (Unterschrift)15 halb der Zwei-Wochen-Frist feststehen, aus welchen Gründen angefochten wird. Die tragenden Gründe der Anfechtung müssen also innerhalb der Zwei-Wochen-Frist dem Gericht mitgeteilt werden, am besten unmittelbar mit der Antragsschrift. Bislang vom BAG offen gelassen (BAG v. 14.5.1985, AP Nr. 16 zu § 76 BetrVG) ist die Frage, ob nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist neue Tatsachen nachgeschoben werden können. Richtigerweise ist dies zu bejahen, wenn die neuen Tatsachen nur die bereits innerhalb der Zwei-Wochen-Frist vorgetragenen Anfechtungsgründe untermauern sollen. Dagegen ist es nicht möglich, neue Tatsachen nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist in das Verfahren einzuführen, die einen völlig neuen Anfechtungsgrund ergeben sollen. 15 Für den Streitwert kommt es auf die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Arbeitgeber an (zB LAG Hamm v. 13.10.1998, LAGE § 8 BRAGO Nr. 8; LAG Berlin v. 14.6.1995 – 1 Ta 28/95 (Kost); LAG Düsseldorf v. 29.11.1994, DB 1995, 52; LAG Düsseldorf v. 6.5.2008, AE 2008, Nr. 281). Beispielhaft LAG Hessen v. 30.1.2002 – 5 TaBV 1/01: Streitwert von Euro 25 000,– bei Regelung der Arbeitszeit für 260 Arbeitnehmer.

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Euro-Betriebsrat

Literaturübersicht: Altmeyer, Europäische Betriebsräte, AiB 2007, 503; Altmeyer, Europäische Betriebsräte handeln, AiB 2007, 43; Altmeyer, Revision der EBR-Richtlinie, AiB 2006, 12; Bauckhage, Die Sanktionen des Europäische Betriebsräte-Gesetzes, 2006; de Beauregard/Buchmann, Die neue Richtlinie über Europäische Betriebsräte, BB 2009, 1417; Blanke, Die neue EBR-Richtlinie 2009/38/EG, ArbuR 2009, 242; Blanke, Europäische Beteiligungsvereinbarungen und Betriebsverfassung, AG 2006, 493; Böhm/Kökeritz, Mitbestimmung in internationalen Unternehmen, AuA 2008, 12; Braun, Bestellung inländischer Vertreter in den europäischen Betriebsrat, ArbRB 2007, 293; Büggel, Grundlagen für Europäische Betriebsräte, AiB 2006, 100; Düwell, Neufassung der EBR-Richtlinie, FA 2009, 39; Funke, Die neue EU-Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat, DB 2009, 564; Hayen, Euro-Betriebsräte-Richtlinie, AiB 2008, 499; Hayen, Änderung des EBR-Gesetzes, AiB 2011, 15; Hey/Schröder, Die Zusammensetzung der europäischen Mitbestimmungsgremien bei Transaktion und Restrukturierung, BB 2012, 3014; Hinrichs, Die Durchsetzung der Beteiligungsrechte des europäischen Betriebsrats, 2007; Hoffman, Europäische Betriebsräte und Umstrukturierung, AiB 2007, 290; Hohenstatt/Kröpelin/Bertke, Die Novellierung des Gesetzes über Europäische Betriebsräte (EBRG): Handlungsbedarf bei freiwilligen Vereinbarungen?, NZA 2011, 1313; Klinger/Löw, Neues vom Europäischen Betriebsrat, AuA 2011, 455; Kotthoff, Lehrjahre des Europäischen Betriebsrats, 2006; Maaßen, Transnationale Kollektivverträge: Das Beispiel Opel/GM, ArbuR 2011, 423; Pauken, Praktische Konsequenzen der Änderung des Gesetzes über Europäische Betriebsräte, ArbR 2011, 657; Risak, Horizontale Auskunftspflicht bei der Errichtung europäischer Belegschaftsvertretungen, EuZA 2008, 49; Sadowski/Kühne, Der Europäische Betriebsrat – weder europäisch noch Betriebsrat?, FS Birk, 2008, S. 771; Simon/Hinrichs, Unterrichtung der Arbeitnehmer und ihrer Vertretungen bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, NZA 2008, 391; Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2011; Thüsing/Forst, Europäische Betriebsräte-Richtlinie: Neuerungen und Umsetzungserfordernisse, NZA 2009, 408; Weber, Information und Konsultation im europäischen und deutschen Mitbestimmungsrecht, FS Konzern, 2006, S. 921; Zimmer, Europäische Betriebsräte und Umstrukturierung, AiB 2007, 392.

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Kap. 45

Euro-Betriebsrat

... (Unterschrift)15 halb der Zwei-Wochen-Frist feststehen, aus welchen Gründen angefochten wird. Die tragenden Gründe der Anfechtung müssen also innerhalb der Zwei-Wochen-Frist dem Gericht mitgeteilt werden, am besten unmittelbar mit der Antragsschrift. Bislang vom BAG offen gelassen (BAG v. 14.5.1985, AP Nr. 16 zu § 76 BetrVG) ist die Frage, ob nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist neue Tatsachen nachgeschoben werden können. Richtigerweise ist dies zu bejahen, wenn die neuen Tatsachen nur die bereits innerhalb der Zwei-Wochen-Frist vorgetragenen Anfechtungsgründe untermauern sollen. Dagegen ist es nicht möglich, neue Tatsachen nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist in das Verfahren einzuführen, die einen völlig neuen Anfechtungsgrund ergeben sollen. 15 Für den Streitwert kommt es auf die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Arbeitgeber an (zB LAG Hamm v. 13.10.1998, LAGE § 8 BRAGO Nr. 8; LAG Berlin v. 14.6.1995 – 1 Ta 28/95 (Kost); LAG Düsseldorf v. 29.11.1994, DB 1995, 52; LAG Düsseldorf v. 6.5.2008, AE 2008, Nr. 281). Beispielhaft LAG Hessen v. 30.1.2002 – 5 TaBV 1/01: Streitwert von Euro 25 000,– bei Regelung der Arbeitszeit für 260 Arbeitnehmer.

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Euro-Betriebsrat

Literaturübersicht: Altmeyer, Europäische Betriebsräte, AiB 2007, 503; Altmeyer, Europäische Betriebsräte handeln, AiB 2007, 43; Altmeyer, Revision der EBR-Richtlinie, AiB 2006, 12; Bauckhage, Die Sanktionen des Europäische Betriebsräte-Gesetzes, 2006; de Beauregard/Buchmann, Die neue Richtlinie über Europäische Betriebsräte, BB 2009, 1417; Blanke, Die neue EBR-Richtlinie 2009/38/EG, ArbuR 2009, 242; Blanke, Europäische Beteiligungsvereinbarungen und Betriebsverfassung, AG 2006, 493; Böhm/Kökeritz, Mitbestimmung in internationalen Unternehmen, AuA 2008, 12; Braun, Bestellung inländischer Vertreter in den europäischen Betriebsrat, ArbRB 2007, 293; Büggel, Grundlagen für Europäische Betriebsräte, AiB 2006, 100; Düwell, Neufassung der EBR-Richtlinie, FA 2009, 39; Funke, Die neue EU-Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat, DB 2009, 564; Hayen, Euro-Betriebsräte-Richtlinie, AiB 2008, 499; Hayen, Änderung des EBR-Gesetzes, AiB 2011, 15; Hey/Schröder, Die Zusammensetzung der europäischen Mitbestimmungsgremien bei Transaktion und Restrukturierung, BB 2012, 3014; Hinrichs, Die Durchsetzung der Beteiligungsrechte des europäischen Betriebsrats, 2007; Hoffman, Europäische Betriebsräte und Umstrukturierung, AiB 2007, 290; Hohenstatt/Kröpelin/Bertke, Die Novellierung des Gesetzes über Europäische Betriebsräte (EBRG): Handlungsbedarf bei freiwilligen Vereinbarungen?, NZA 2011, 1313; Klinger/Löw, Neues vom Europäischen Betriebsrat, AuA 2011, 455; Kotthoff, Lehrjahre des Europäischen Betriebsrats, 2006; Maaßen, Transnationale Kollektivverträge: Das Beispiel Opel/GM, ArbuR 2011, 423; Pauken, Praktische Konsequenzen der Änderung des Gesetzes über Europäische Betriebsräte, ArbR 2011, 657; Risak, Horizontale Auskunftspflicht bei der Errichtung europäischer Belegschaftsvertretungen, EuZA 2008, 49; Sadowski/Kühne, Der Europäische Betriebsrat – weder europäisch noch Betriebsrat?, FS Birk, 2008, S. 771; Simon/Hinrichs, Unterrichtung der Arbeitnehmer und ihrer Vertretungen bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, NZA 2008, 391; Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2011; Thüsing/Forst, Europäische Betriebsräte-Richtlinie: Neuerungen und Umsetzungserfordernisse, NZA 2009, 408; Weber, Information und Konsultation im europäischen und deutschen Mitbestimmungsrecht, FS Konzern, 2006, S. 921; Zimmer, Europäische Betriebsräte und Umstrukturierung, AiB 2007, 392.

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Euro-Betriebsrat

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I. Einführung 1. Überblick Rechtsgrundlage für die Errichtung europäischer Betriebsräte ist in Deutschland das am 1.11.1996 in Kraft getretene „Gesetz über Europäische Betriebsräte“ (EBRG). Es beruht auf der sog. EBR-Richtlinie (Richtlinie 94/45/EG v. 22.9.1994, ABl. L 254/64). Die Richtlinie gilt inzwischen für die 27 Staaten der EU sowie Island, Liechtenstein und Norwegen (EWR). Die am 6.5.2009 erfolgten Änderungen der Richtlinie (jetzt Richtlinie 2009/38/EWG) haben zum Erlass des EBRG-ÄndG geführt, das am 18.6.2011 in Kraft getreten ist.1

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Eine Pflicht zur Errichtung europäischer Betriebsräte gibt es nicht. Vielmehr wird der Europäische Betriebsrat freiwillig eingerichtet, entweder auf Initiative des Arbeitgebers oder der Arbeitnehmer.

2

Das System der Euro-Betriebsräte unterscheidet sich dadurch maßgeblich von der Konzeption des deutschen BetrVG, dass dem Euro-Betriebsrat keine echten Mitbestimmungsrechte zugewiesen sind. Vielmehr ist der Euro-Betriebsrat als ein Gremium zur Information und Beratung/Anhörung konzipiert. Das europarechtliche Konzept von „Unterrichtung und Anhörung“ (information and consultation) bedeutet, dass die Arbeitnehmervertreter keinen direkten Einfluss auf Entscheidungen und Aktivitäten des Arbeitgebers haben. Den Arbeitgeber trifft nur die Pflicht, die Arbeitnehmervertreter zu informieren und sich mit ihren Argumenten auseinander zu setzen. Allerdings entspricht es allgemeiner Meinung, dass das EBRG die Degradierung des Euro-Betriebsrats zu einer reinen Alibi-Veranstaltung nicht zulässt. Der Arbeitgeber erfüllt seine Verpflichtungen also dann nicht, wenn er die „Anhörung“ der Arbeitnehmervertreter schweigend über sich ergehen lässt, sich aber jeder inhaltlichen Auseinandersetzung versperrt. Insoweit ähnelt das europarechtlich vorgesehene Verfahren den „ernsthaften Bemühungen“ zur Erzielung eines Interessenausgleiches nach §§ 111, 112 BetrVG. Die Verletzung der Rechte des Euro-Betriebsrats begründet nach deutschem Recht keinen Unterlassungsanspruch.2 Ausländische Gerichte sehen dies teilweise anders.

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Der Euro-Betriebsrat kommt in drei verschiedenen Formen vor:

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– Bis zum 21.9.1996 galt eine Übergangsregelung, die es Unternehmen/Konzernen erlaubte, schon vorher bestehende freiwillige Vereinbarungen auf Dauer aufrecht zu erhalten. Wenn diese Vereinbarungen bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, ist das EBRG gemäß seinem § 41 nicht anwendbar. Diese Übergangsregelung haben ca. 400 der ca. 2200 von der Richtlinie erfassten Unternehmen/Konzerne genutzt.3 – Die zweite Variante ist der „Europäische Betriebsrat kraft Vereinbarung“ gemäß §§ 8 bis 16 EBRG. Bei dieser Variante verhandelt ein von der Arbeitnehmerseite gebildetes besonderes Verhandlungsgremium mit der zentralen Leitung des Unternehmens/Konzerns über Errichtung und Kompetenzen des Euro-Betriebsrats. Die abgeschlossene Vereinbarung muss den Mindestvorgaben der §§ 17, 18 EBRG 1 BGBl 2011, 1050. 2 LAG Köln v. 8.9.2011, BB 2012, 197. 3 HWK/Giesen, EBRG Rz. 3.

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genügen. Ein solcher Euro-Betriebsrat „kraft Vereinbarung“4 existiert mittlerweile in ca. 340 Unternehmen/Konzernen.5 – Kommt eine Vereinbarung nicht zustande (in der Praxis meist weil der Arbeitgeber nicht zustimmt), kann als dritte Alternative auf Initiative der Arbeitnehmerseite ein Euro-Betriebsrat „kraft Gesetzes“ eingesetzt werden, dessen Befugnisse sich aus §§ 21 bis 33 EBRG ergeben.

2. Voraussetzungen für die Errichtung 5

Gemäß § 2 Abs. 2 EBRG setzt die Bildung eines Euro-Betriebsrats nicht voraus, dass die betreffende Unternehmensgruppe ihre zentrale Leitung innerhalb der Europäischen Union (bzw. des EWR) hat. Liegt die zentrale Leitung außerhalb von EU/EWR, ist der Euro-Betriebsrat bei demjenigen innerhalb der EU/EWR ansässigen Unternehmen zu bilden, welches die nachgeordnete Leitung (zB Europazentrale) hat.6 Handelt es sich um eine SE, gelten nicht die allgemeinen Regeln über den Europäischen Betriebsrat nach dem EBRG, sondern es ist ein europäischer Betriebsrat nach den Sonderregeln des SE-Gesetzes (s. M 90.3) zu bilden.

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Voraussetzung für die Errichtung eines Euro-Betriebsrats ist, dass es sich um ein Unternehmen bzw. eine Unternehmensgruppe mit mindestens 1 000 Arbeitnehmern handelt, von denen in mindestens zwei EU/EWR-Mitgliedstaaten mindestens je 150 beschäftigt sind.

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„Arbeitnehmer“ im Sinne des EBRG sind über die Verweisung in § 4 EBRG auf § 5 BetrVG Teilzeitbeschäftigte und Vollzeitbeschäftigte, nicht aber leitende Angestellte. Für das Erreichen der Zahlenstaffeln in den ausländischen Betrieben ist das jeweilige nationale Recht maßgeblich (§ 2 Abs. 4 EBRG). Entscheidend ist jeweils die Zahl der Arbeitnehmer im Durchschnitt der letzten zwei Jahre (§ 4 EBRG).

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„Unternehmen“, die einen Euro-Betriebsrat einrichten können, sind nicht nur Unternehmen des Privatrechts (natürliche oder juristische Personen), sondern auch öffentlich-rechtliche Anstalten, Behörden, etc. Für den Begriff der „Unternehmensgruppe“ verweist § 6 EBRG ähnlich wie die §§ 15 ff. AktG auf das Kriterium des beherrschenden Einflusses. Deshalb gilt das EBRG nicht für Gleichordnungskonzerne iSv. § 18 Abs. 2 AktG.7

3. Auskunftsanspruch 9

Nach § 5 Abs. 1 EBRG hat die Arbeitnehmervertretung gegenüber der zentralen Leitung einen Auskunftsanspruch über die Voraussetzungen der Bildung eines EuroBetriebsrats. Die zentrale Leitung hat die erforderlichen Informationen zu erheben und an die Arbeitnehmervertretung weiterzuleiten. Die Informationen umfassen insbesondere die durchschnittliche Gesamtzahl der Arbeitnehmer und ihre Verteilung auf die Mitgliedstaaten, die Unternehmen und Betriebe sowie die Struktur des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe. Abgesehen von der zentralen Leitung ist 4 S. M 45.1. 5 HWK/Giesen, EBRG Rz. 4. 6 Vgl. EuGH v. 13.1.2004, BB 2004, 441 – Kühne & Nagel und v. 15.7.2004, NZA 2004, 1167 – ADS Anker. 7 BAG v. 30.3.2004, NZA 2004, 863 – Bofrost.

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auch jede Leitung eines Unternehmens einer gemeinschaftsweit tätigen Unternehmergruppe verpflichtet, die Informationen zu erheben und weiterzuleiten (§ 5 Abs. 3 EBRG). Die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs erfolgt im Beschlussverfahren (§ 2a Nr. 3b ArbGG), bei Verweigerung des Arbeitgebers droht ein Bußgeld nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 EBRG. Der Auskunftsanspruch richtet sich einerseits gegen die zentrale Leitung (§ 5 Abs. 1 EBRG), wahlweise aber auch gegen die örtliche Betriebsoder Unternehmensleitung (§ 5 Abs. 2 EBRG), s. M 45.2. Der Auskunftsanspruch besteht auch dann, wenn erst die Auskunft zuverlässig ergibt, ob überhaupt die Voraussetzungen der §§ 1 bis 4 EBRG für die Errichtung eines Euro-Betriebsrats vorliegen. Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des BAG aber, dass die Voraussetzungen einer Anwendbarkeit des EBRG mit „einer gewissen tatsächlichen Wahrscheinlichkeit“ gegeben sind.8

4. Europäischer Betriebsrat kraft Vereinbarung (M 45.1) a) Der Europäische Betriebsrat „kraft Vereinbarung“ wird zwischen der Leitung des Unternehmens bzw. des Konzerns einerseits und dem „Besonderen Verhandlungsgremium“ (BVG) andererseits ausgehandelt. Das BVG wird gemäß § 8 Abs. 1 EBRG ausschließlich zum Zweck der Verhandlungen mit der zentralen Leitung gebildet. Die Bildung des BVG erfolgt nach §§ 9 ff. EBRG. Sie wird von den Arbeitnehmern oder ihren Vertretern (in Deutschland Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat) schriftlich bei der zentralen Leitung des Unternehmens/Unternehmensgruppe beantragt (sofern nicht diese die Initiative ergreift). Der Arbeitnehmerantrag setzt die Fristen des § 21 EBRG in Lauf. Verweigert die zentrale Leitung die Aufnahme von Verhandlungen innerhalb von sechs Monaten oder kommt innerhalb von drei Jahren nach Antragstellung keine Vereinbarung zustande, wird als Auffangregelung ein europäischer Betriebsrat kraft Gesetzes nach Maßgabe der §§ 22 und 23 EBRG errichtet.

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Die Zusammensetzung des BVG richtet sich nach § 10 EBRG. Nach der Neuregelung 2011 entsendet weiterhin jedes Land mindestens einen Vertreter und, sofern das Land mehr als 10 % der in allen Mitgliedstaaten beschäftigten Arbeitnehmer stellt, für jede (angefangene) weitere 10 % je einen weiteren Vertreter (ein 15 % der Belegschaft repräsentierendes Land entsendet also zwei Vertreter, ein 44 % repräsentierendes Land fünf Vertreter). Die Bestellung der Mitglieder des BVG richtet sich gemäß § 11 EBRG nur für die deutschen Mitglieder nach dem EBRG, für die ausländischen Unternehmen/Betriebe dagegen nach den jeweiligen nationalen Umsetzungsnormen. Das BVG endet mit dem Abschluss einer Vereinbarung nach § 17 EBRG bzw. mit dem Ablauf der Frist des § 21 EBRG.

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b) Das EBRG lässt als Resultat der Verhandlungen zwischen dem besonderen Verhandlungsgremium und der zentralen Leitung zwei verschiedene Formen der vertraglichen Vereinbarung zu. Zum einen kann gemäß § 18 ein „echter“ europäischer Betriebsrat als ein eigenes Organ der Arbeitnehmervertretung geschaffen werden, dem selbst Unterrichtungs- und Anhörungsrechte zustehen. Alternativ können sich BVG und zentrale Leitung darauf beschränken, ein Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung gemäß § 19 EBRG zu schaffen, bei dem die bereits existierenden nationalen Arbeitnehmervertretungen informiert und angehört werden.

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8 BAG v. 30.4.2004, NZA 2004, 863 – Bofrost.

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c) Der Euro-Betriebsrat kraft Vereinbarung wird gemäß §§ 17 ff. EBRG durch schriftlichen Vertrag9 errichtet. Zentrales Prinzip ist dabei der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit. Nur wenige Grundsätze sind zwingend vorgegeben, so beispielsweise die Regeln über die Bestellung der deutschen EBR-Mitglieder gemäß § 18 Abs. 2 iVm. § 23 EBRG. Überdies sind die Grundsätze der §§ 34 ff. EBRG über die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie den Schutz der Arbeitnehmervertreter unabdingbar.10 Bei Auslegungsfragen oder Regelungslücken ist nach ganz herrschender Ansicht auf die subsidiären Vorschriften der §§ 21 ff. EBRG zurückzugreifen (zB bei fehlenden Regelungen über die Kostentragung des Arbeitgebers oder den Einsatz von Sachverständigen). Mindesterfordernis einer wirksamen Errichtung eines Euro-Betriebsrats durch Vertrag ist, dass sämtliche innerhalb der EU/EWR liegenden Betriebe erfasst sind (eine Erweiterung auf außerhalb von EU/EWR liegende Betriebe ist nach § 14 EBRG zulässig). Es muss weiter sichergestellt sein, dass ein funktionsfähiges Arbeitnehmer-Organ errichtet wird, das über alle erfassten grenzübergreifenden Sachverhalte informiert und angehört wird, wobei der Regelungskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EBRG nicht zwingend ist. Nach Sinn und Zweck des Euro-Betriebsrats sind die Gegenstände von Unterrichtung und Anhörung auf grenzüberschreitende Angelegenheiten beschränkt. Im Übrigen muss sichergestellt werden, dass es tatsächlich zu einem effektiven Meinungsaustausch und Dialog kommt, so dass eine Vereinbarung nicht ausreicht, die lediglich die Übersendung von Schriftstücken an die Arbeitnehmervertreter und die Entgegennahme von deren Gegenvorstellungen regelt, ohne dass physische Treffen und Diskussionen vorgesehen sind.

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Die Zusammensetzung des Euro-Betriebsrats ist grundsätzlich frei vereinbar, wobei es sich anbietet, ähnlich wie in § 22 EBRG vorgesehen zu verfahren. Ob nach Köpfen abgestimmt wird oder nach Zahl der vertretenen Beschäftigten, ist den Beteiligten frei gestellt (hier konkurrieren die Prinzipien der Repräsentativität und der Proportionalität).

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Vereinbarungen über die Errichtung eines Euro-Betriebsrats sehen regelmäßig eine bestimmte Laufzeit bzw. eine Kündigungsregelung vor (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 7 EBRG). § 20 EBRG ordnet im Regelfall eine Nachwirkung an. Sind die Voraussetzungen für die Errichtung eines Euro-Betriebsrats nach §§ 1 bis 4 EBRG entfallen, hat die zentrale Leitung ein Recht zur fristlosen Kündigung.11

5. Schutz der EBR-Mitglieder 16

Für die in Deutschland beschäftigten Mitglieder des Euro-Betriebsrats gelten über § 40 EBRG die Schutzvorschriften der §§ 37, 78 und 103 BetrVG sowie § 15 KSchG.

9 S. M 45.1. 10 HWK/Giesen, EBRG Rz. 54. 11 HWK/Giesen, EBRG Rz. 86.

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M 45.1

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II. Muster

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Vereinbarung über die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats Zwischen der . . . AG und dem besonderen Verhandlungsgremium, bestehend aus den Mitarbeitern . . .

wird auf der Grundlage der EU-Richtlinie 94/45/EG und des Gesetzes über Europäische Betriebsräte (EBRG) gemäß §§ 17, 18 EBRG zur Gestaltung der grenzübergreifenden Unterrichtung und Anhörung ein europäischer Betriebsrat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen errichtet: 1. Räumlicher Geltungsbereich (1) Diese Vereinbarung gilt zunächst in folgenden Betrieben/Unternehmen:1 ... (2) Diese Vereinbarung erstreckt sich automatisch auch auf alle weiteren hinzukommenden Betriebe der Gesellschaft sowie hinzukommende Betriebe von Unternehmen, die von der Gesellschaft beherrscht werden, soweit sich die Betriebe in einem Land der EU oder des EWR befinden. 2. Grundsätze der Zusammenarbeit Der europäische Betriebsrat arbeitet vertrauensvoll mit der Gesellschaft und den von ihr beherrschten Unternehmen zusammen. 3. Zusammensetzung (1) Die Entsendung bzw. Wahl der Mitglieder richtet sich nach den jeweiligen nationalen Bestimmungen des Landes, in dem sich der jeweilige Betrieb befindet. (2) Jeder Betrieb der Gesellschaft und der von ihr beherrschten Unternehmen entsendet einen Vertreter in den europäischen Betriebsrat. Betriebe mit mehr als 1000 Arbeitnehmern entsenden zwei Vertreter.2 Die Mitglieder des europäischen Betriebsrats werden für die Dauer von vier Jahren gewählt.

1 Eine nahe liegende Alternative ist, die einbezogenen Unternehmen und Betriebe nicht namentlich aufzuzählen, sondern abstrakt zu definieren. 2 Diese Regelung führt bei Unternehmen/Unternehmensgruppen mit vielen insbesondere kleineren Betrieben zu einem zu großen Gremium, in dem nicht mehr effektiv gearbeitet werden kann. In solchen Fällen sieht man sinnvollerweise vor, dass entweder nur ein Vertreter für alle Betriebe des jeweiligen Landes entsandt wird oder dass nur Betriebe ab einer bestimmten Mindestgröße einen Vertreter entsenden dürfen, wobei dann aber sicherzustellen ist, dass aus jedem Land mindestens ein Vertreter entsandt wird.

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M 45.1

Das Mandat endet vorzeitig im Falle der Mandatsniederlegung, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder eines Ausschlusses; für den Ausschluss gelten die jeweils maßgeblichen nationalen Bestimmungen. (3) Für jedes Mitglied ist mindestens ein Ersatzmitglied zu bestimmen bzw. zu wählen. Für die Ersatzmitglieder gelten die für die Mitglieder geltenden Regelungen. Das Ersatzmitglied rückt nach, wenn das Mitglied entweder zeitweise verhindert ist oder vorzeitig ausscheidet. 4. Sitzungen Der europäische Betriebsrat trifft sich einmal pro Kalenderhalbjahr zu einer Sitzung am Hauptsitz der Gesellschaft in . . . Die Sitzungen sollen im Regelfall nicht mehr als zwei Tage dauern. Kann die Wahrung der Aufgaben des europäischen Betriebsrats anderweitig nicht sichergestellt werden, kann in dringenden Angelegenheiten mit Zustimmung des zuständigen Mitglieds der Geschäftsleitung der Gesellschaft eine außerordentliche Sitzung durchgeführt werden. 5. Interne Ordnung des europäischen Betriebsrats (1) Der europäische Betriebsrat entscheidet durch einfache Mehrheit. Ein Quorum ist nicht erforderlich. (2) Der europäische Betriebsrat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter. Der Vorsitzende vertritt den europäischen Betriebsrat im Rahmen der Beschlüsse des europäischen Betriebsrats und nimmt für den europäischen Betriebsrat Erklärungen entgegen. Der Vorsitzende und der Stellvertreter sollen aus verschiedenen Ländern stammen. (3) Der europäische Betriebsrat bildet aus seiner Mitte einen Ausschuss. Der Ausschuss besteht aus dem Vorsitzenden und mindestens zwei, höchstens vier weiteren zu wählenden Ausschussmitgliedern. Die weiteren Ausschussmitglieder sollen in verschiedenen Mitgliedstaaten beschäftigt sein. Der Ausschuss führt die laufenden Geschäfte des europäischen Betriebsrats.3 (4) Der europäische Betriebsrat gibt sich eine Geschäftsordnung, die insbesondere regeln soll – Einzelheiten zu Einladungsformalitäten und Tagesordnungen der Sitzungen – Budgetverwendung – Sprache und Medium der internen Kommunikation – Rückkoppelung des europäischen Betriebsrats in die nationalen Arbeitnehmervertretungen – Kommunikation mit den Belegschaften 6. Kosten4 (1) Die Gesellschaft trägt diejenigen Kosten der Tätigkeit des europäischen Betriebsrats, die dieser nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält, insbesondere 3 Vgl. § 26 EBRG. 4 Vgl. § 39 EBRG.

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– Reisekosten (Zugfahrten 2. Klasse, Flüge economy) – angemessene Unterkunft und Verpflegung bei Sitzungen – notwendige Arbeits- und Kommunikationsmittel – Übersetzungskosten. (2) Die Tätigkeit der Mitglieder des europäischen Betriebsrats ist ehrenamtlich. Eine Verdienstkürzung für die Zeiten, die die Mitglieder für ihre Tätigkeit aufwenden, erfolgt nicht. (3) Der europäische Betriebsrat erhält ein Budget von jährlich Euro . . . für die Heranziehung von Sachverständigen zur Unterstützung bei seiner Arbeit. 7. Schulung Der europäische Betriebsrat kann Mitglieder zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen bestimmen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des europäischen Betriebsrats erforderlich sind. Der europäische Betriebsrat hat die Teilnahme und zeitliche Lage rechtzeitig der Gesellschaft mitzuteilen. Bei der Festlegung der zeitlichen Lage sind die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen.5 8. Unterrichtung und Beratung (1) Die Gesellschaft unterrichtet den europäischen Betriebsrat bei6 – Zusammenschlüssen oder Spaltungen von Unternehmen oder Betrieben – wesentlichen Einschränkungen oder Stilllegungen von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, Verlegungen von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen – Einführung grundlegend neuer Arbeits- oder Fertigungsmethoden – Massenentlassungen, sofern von der betreffenden Maßnahme Gesellschaften oder Betriebe in mindestens zwei verschiedenen Ländern betroffen sind. (2) Die Unterrichtung erfolgt so rechtzeitig, dass der europäische Betriebsrat noch Einfluss auf die Durchführung der Maßnahmen nehmen kann. (3) Ein von der Gesellschaft zu bestimmendes Mitglied der Geschäftsleitung unterrichtet den europäischen Betriebsrat einmal jährlich über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft und der beherrschten Unternehmen sowie die geplanten Investitionen und alle übrigen Pläne und Maßnahmen, die die Interessen der Arbeitnehmer der Gesellschaft und der von ihr beherrschten Unternehmen wesentlich berühren. (4) Die Verpflichtung zur Unterrichtung des europäischen Betriebsrats besteht nur, wenn und soweit dadurch nicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden. (5) Zu jeder Maßnahme, über die der europäische Betriebsrat nach oben stehenden Regelungen informiert worden ist, kann er binnen drei Wochen eine Anhörung verlangen. 5 Vgl. § 38 EBRG. 6 Die Gegenstände der Unterrichtung sind hier an § 111 BetrVG angelehnt geregelt, können aber auch anders abgegrenzt werden. Die Begriffe „Unterrichtung“ und „Anhörung“ sind mittlerweile in § 1 Abs. 4 und 5 EBRG definiert.

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9. Vertraulichkeit Die Mitglieder des europäischen Betriebsrats unterrichten im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens die nationalen Arbeitnehmervertretungen. Die Mitglieder des europäischen Betriebsrats behandeln alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit bekannt werden, als streng vertraulich. Dies gilt auch nach dem Ende ihrer Amtszeit. 10. Mandatsschutz Die Mitglieder des europäischen Betriebsrats werden wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt. Sie werden in gleichem Maße gefördert wie Arbeitnehmer, die nicht im europäischen Betriebsrat aktiv sind. Eine Kündigung von Mitgliedern des europäischen Betriebsrats sowie eine Versetzung, die zum Verlust der Mitgliedschaft führen würde, sind nur nach Maßgabe der jeweiligen nationalen Bestimmungen zulässig.7 11. Streitigkeiten Zur Beilegung von Streitigkeiten über die Auslegung dieser Vereinbarung und die aus ihr resultierenden Rechte und Pflichten wird eine paritätisch besetzte Schlichtungsstelle mit je zwei Beisitzern gebildet, die von der Gesellschaft und dem europäischen Betriebsrat entsandt werden. Die vier Mitglieder der Schlichtungsstelle einigen sich auf einen unparteiischen Vorsitzenden, der zwischen ihnen vermitteln soll, aber kein Stimmrecht hat. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande oder kommt eine Entscheidung der Schlichtungsstelle mit der Mehrheit der Stimmen nicht zustande, steht beiden Parteien der Rechtsweg offen.8 12. Laufzeit Diese Vereinbarung tritt am . . . in Kraft. Sie kann mit einer Frist von einem Jahr zum Jahresende gekündigt werden, erstmals jedoch zum . . .9 Jede Kündigung bedarf der Schriftform. Im Falle einer Kündigung gilt die Vereinbarung solange weiter, bis die Parteien eine neue Vereinbarung abgeschlossen haben oder einvernehmlich von der erneuten Errichtung eines europäischen Betriebsrats Abstand genommen haben. Bei wesentlichen Veränderungen der Struktur der Gesellschaft und der von ihr beherrschten Unternehmen werden die Beteiligten Verhandlungen über eine Anpassung dieser Vereinbarung aufnehmen. Dasselbe gilt bei Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Errichtung europäischer Betriebsräte. Für die Dauer der Ver7 Möglich wäre auch die Vereinbarung eines für die Aufsichtsratsmitglieder aller Länder gleichen Kündigungsschutzes. Das ist jedoch schwierig, da dies mit den jeweils nationalen Arbeitsrechtsordnungen abgestimmt sein müsste. Üblich ist deshalb nur die Vereinbarung eines allgemeinen Benachteiligungsverbots iVm. einem Hinweis auf das jeweilige nationale Recht. 8 Die Vereinbarung einer Schlichtungsstelle ist zwar nach dem EBRG nicht erforderlich, hat sich aber eingebürgert, da ein Schlichtungsverfahren regelmäßig einfacher, billiger und vor allem „geräuschloser“ als der Weg zu den staatlichen Gerichten ist, die im Regelfall auch keine Erfahrung mit der komplizierten und ungewohnten Materie haben. 9 Angesichts der erfahrungsgemäß extrem aufwändigen Verhandlungen sollte man kurze Laufzeiten bzw. kurze Kündigungsfristen tunlichst meiden. Insbesondere ist bei Kündigungsfristen von weniger als einem Jahr nicht gewährleistet, dass die Kündigungsfrist für die Neuverhandlung ausreicht. Alternativ (oder kumulativ) kann eine Nachwirkung vereinbart werden.

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handlungen bleibt der europäische Betriebsrat bis zur Errichtung eines neuen europäischen Betriebsrats im Amt.10 Partei der Verhandlungen auf Arbeitnehmerseite ist nicht ein neu zu bildendes besonderes Verhandlungsgremium, sondern der europäische Betriebsrat in seiner jeweiligen Zusammensetzung.11 Entfallen die Voraussetzungen für die Bildung eines europäischen Betriebsrats, kann die Gesellschaft die Vereinbarung ohne Einhaltung einer Frist kündigen, eine Nachwirkung tritt dann nicht ein. 13. Schlussbestimmungen Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen oder Ergänzungen dieser Vereinbarung einschließlich dieser Bestimmung bedürfen der Schriftform. Sollte eine Bestimmung dieser Vereinbarung ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden, so wird hiervon die Wirksamkeit im Übrigen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt das gesetzlich Zulässige als vereinbart, das dem mit der unwirksamen Bestimmung Gewollten am nächsten kommt. Die deutsche Version dieser Vereinbarung ist verbindlich. Die Gesellschaft fertigt unverzüglich Übersetzungen in die Sprachen aller einbezogenen Gesellschaften und Betriebe. Die Vereinbarung unterliegt soweit zulässig ausschließlich deutschem Recht.12 Über Streitigkeiten entscheidet nach erfolgloser Durchführung des Schlichtungsverfahrens das für den Hauptsitz der Gesellschaft zuständige Gericht.13 ... (Gesellschaft)

... (Besonderes Verhandlungsgremium)

10 Vgl. § 37 EBRG. 11 Zulässig, Hohenstatt/Kröpelin/Bertke, NZA 2011, 1315; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 20 BetrVG Rz. 2. 12 Die Regelung ist primär deklaratorisch, da für eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland automatisch deutsches Recht gilt. Konstitutiv ist die Regelung allerdings insoweit, als sie bei Fehlen einer anderweitigen Regelung im Vertragswerk oder der subsidiären Geltung ausländischen Rechts nach den nationalen EBR-Gesetzen die Anwendung deutschen Rechts auch dort vorsieht, wo ansonsten ausländisches Recht gelten würde (zB bzgl. der Rechte und Pflichten der ausländischen EBR-Mitglieder). 13 Das Arbeitsgericht entscheidet gemäß § 2a Nr. 3b ArbGG über Streitigkeiten. Selbstverständlich sind die deutschen Arbeitsgerichte nur für europäische Betriebsräte bei Gesellschaften mit Sitz in Deutschland zuständig. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit gibt es kein Wahlrecht, es ist stets gemäß § 82 ArbGG das Arbeitsgericht am Sitz der Gesellschaft zuständig. Die Regelung der örtlichen Zuständigkeit ist deshalb nur deklaratorisch.

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Kap. 45

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M 45.2

Klage des Betriebsrats auf Auskunftserteilung zwecks Errichtung eines Europäischen Betriebsrats

An das Arbeitsgericht1 In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten3 1. Gesamtbetriebsrat der . . . GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden . . . (Name, Firmenadresse) – Antragsteller – 2. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer . . . (Firmenadresse) – Antragsgegnerin – vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: 1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, Auskunft zu erteilen über die Struktur der . . . GmbH Unternehmensgruppe, insbesondere darüber, auf welche anderen Unternehmen in Deutschland, der EU oder des EWR sie beherrschenden Einfluss ausüben kann. 2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, Auskunft zu erteilen über die Anschriften und genauen Bezeichnungen der von ihr beherrschten Unternehmen im Sinne des Klagantrags Ziff. 1. 3. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, Auskunft zu erteilen über die Anschriften, genauen Bezeichnungen und den jeweiligen Vertreter der in den Unternehmen gemäß dem Klagantrag Ziff. 1 und deren Betrieben gebildeten Arbeitnehmervertretungen. 4. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über die durchschnittliche Gesamtzahl der Arbeitnehmer in den Unternehmen gemäß dem Klagantrag Ziff. 1 und deren Betrieben. Begründung: Die Antragsgegnerin ist ein europaweit agierendes Unternehmen. In Deutschland hat sie vier Standorte, der Antragsteller ist der von den vier örtlichen Betriebsräten gebildete Gesamtbetriebsrat.4 Nach Kenntnis des Antragstellers unterhält die Antragsgegnerin Vertriebsniederlassungen, aber auch Produktionsbetriebe in diversen zur EU gehörenden Ländern, ins1 Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts ergibt sich aus § 2a Nr. 3b ArbGG. 2 Zum Beschlussverfahren allgemein s. M 104.1. Dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem europäischen Betriebsrat im Beschlussverfahren und nicht im Urteilsverfahren zu entscheiden sind, ergibt sich aus § 2a Nr. 3b ArbGG. 3 Stets am Verfahren zu beteiligen ist die „zentrale Leitung“ iSd. EBRG, egal gegen welches Unternehmen der Auskunftsanspruch geltend gemacht wird (BAG v. 30.3.2004, NZA 2004, 863 – Bofrost – unter III). 4 Der Auskunftsanspruch nach § 5 EBRG kann wahlweise von jedem örtlichen Betriebsrat, einem Gesamtbetriebsrat oder einem Konzernbetriebsrat geltend gemacht werden. In der Praxis empfiehlt es sich, ein gerichtliches Auskunftsverfahren „so weit oben wie möglich“ aufzuhängen.

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M 45.2

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besondere gibt es ein größeres Werk in Graz in Österreich mit ca. 500 Arbeitnehmern sowie ein Produktionswerk mit ca. 1 000 Arbeitnehmern in Luton (Großbritannien), daneben sind dem Antragsteller Vertriebsniederlassungen in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal bekannt. Der Antragsteller geht davon aus, dass alle Niederlassungen und Betriebe außerhalb Deutschlands entweder von der Antragsgegnerin selbst betrieben werden oder aber von Unternehmen, die von der Antragsgegnerin beherrscht werden. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 3 EBRG für die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats5 erfüllt sind. Es ist denkbar, dass die Antragsgegnerin wiederum beherrscht wird von dem in der Schweiz ansässigen Unternehmen . . . AG. Dies ist jedoch für den Auskunftsanspruch nach § 5 EBRG bedeutungslos, da sich der Auskunftsanspruch nicht nur gegen die zentrale Leitung (§ 5 Abs. 1 EBRG) richtet, sondern wahlweise auch gegen jedes örtliche Unternehmen (§ 5 Abs. 2 EBRG).6 Der Antragsteller hat die begehrten Auskünfte mehrfach schriftlich gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht, zuletzt mit Schreiben vom . . . und . . . Diese hat jedoch nicht reagiert. Der Auskunftsanspruch ist in vollem Umfang begründet. Der Antragsteller benötigt die begehrten Auskünfte, um prüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats vorliegen sowie gegebenenfalls zur Einleitung des Verfahrens zur Errichtung eines solchen Europäischen Betriebsrats. Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass sich die Antragsgegnerin nicht darauf berufen kann, sie verfüge selbst nicht über die begehrten Informationen und könne diese auch nicht von den anderen Gesellschaften der Unternehmensgruppe einholen. Wie der Europäische Gerichtshof und das BAG mehrfach klargestellt haben und sich mittlerweile auch aus § 5 Abs. 3 EBRG ergibt, hindert dieser Einwand eine Verurteilung zur Auskunftserteilung und die nachfolgende Zwangsvollstreckung nicht; das Unternehmen hat sich die Informationen in geeigneter Weise zu beschaffen.7 ... (Unterschrift)8 5 Insgesamt 1000 Arbeitnehmer mit jeweils mindestens 150 Arbeitnehmern in mindestens zwei Mitgliedstaaten. 6 Zu diesem Wahlrecht BAG v. 30.3.2004, NZA 2004, 863 – Bofrost. 7 EuGH v. 13.1.2004, BB 2004, 441 und BAG v. 29.6.2004, NZA 2005, 119 – Kühne & Nagel sowie EuGH v. 15.7.2004, NZA 2004, 1167 – ADS Anker. 8 Nach Auffassung des LAG Hamm (v. 28.4.2005, NZA-RR 2005, 436) ist eine Wertfestsetzung von Euro 8 000,– nicht zu beanstanden. Die bei Streitigkeiten um die Errichtung eines nationalen Betriebsrats üblichen höheren Streitwerte seien nicht anzusetzen, da es nicht um die Errichtung des Europäischen Betriebsrats selbst gehe, sondern nur im Vorfeld um Auskunftserteilung.

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Kap. 46

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Kapitel 46

Personalvertretungsrecht

Personalvertretungsrecht

Literaturübersicht: Altvater, Zersplittertes Personalvertretungsrecht, PersR 2009, 233; Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, BPersVG, 7. Aufl. 2011; Altvater/Coulin, Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2012; Battis/Ilbertz; Personalvertretungsrecht, 2. Aufl. 1992; Aufhauser, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, 6. Aufl. 2011; Baden, Tarifverträge im Personalvertretungsrecht, PersR 2009, 348; Binkert, PersVG Berlin, 3. Aufl. 2010; Brockhaus, Die Auswirkungen des neuen Landespersonalvertretungsgesetzes Nordrhein-Westfalen auf die Beteiligungsrechte des Personalrats, 2008; Büge, Aktuelles aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Personalvertretungsrecht, ZfPR 2009, 86; Coulin, Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg, 2010; Daniels, Personalvertretungsgesetz Berlin, 2010; Dietz/Richardi, Bundespersonalvertretungsgesetz, 2. Aufl. 1978; Erlenkämper, Rechtshandbuch für die kommunale Praxis, 2010; Fitting/Heyer/Lorenzen, Personalvertretungsgesetz, 3. Aufl. 1964; Franke, Das AGG- was ist in der Personalratsarbeit zu beachten?, ZfPR 2009, 113; Fricke, Niedersächsisches Personalvertretungsgesetz, 4. Aufl. 2012; Geffken, Gibt es Grenzen einer Reform des Personalvertretungsgesetzes?, PersR 2009, 390; Gliech, Sächsisches Personalvertretungsgesetz, 4. Aufl. 2013; Gronimus, Die Beteiligungsrechte der Personalvertretungen, 2008; Ilbertz, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, 16. Aufl. 2012; Ilbertz/Widmaier/Bommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, 12. Aufl. 2012; Kattenbeck/Bugiel, Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG), 11. Aufl. 2011; Kohte, Der Unterlassungsanspruch des Personalrats, PersR 2009, 224; Krieg, Privatisierung und Personalvertretung, Diss. 2006; Lechtermann, Das neue Personalvertretungsrecht NRW, 2008; Lenders, Die Personalvertretung, 2010; Lorenzen, Bundespersonalvertretungsgesetz, Loseblatt; Molitor, Personalvertretungsgesetz, 2. Aufl. 1958; Peiseler, Informationsrecht des Personalrats, PersR 2009, 253; Reich, Personalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt mit Wahlordnung, 5. Aufl. 2007; Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 4. Aufl. 2012; Rooschüz, Landespersonalvertretungsgesetz für Baden-Württemberg, 13. Aufl. 2012; Rothländer, Die Rolle der Gewerkschaften in der Personalverfassung, PersR 208, 251; Schaufelberger, Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg, 2010; Schielke, Das Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2007; Schleicher, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, 21. Aufl. 2012; Schulte, Personalvertretungsrecht geht anders – wichtige Unterschiede zum Mitbestimmungsverfahren im BetrVG, ArbRB 2006, 45; Schwill, Thüringer Personalvertretungsgesetz, 4. Aufl. 2010; Seidel, Personalvertretungsgesetz Brandenburg, 4. Aufl. 2012; Söllner/Reinert, Personalvertretungsrecht, 2. Aufl. 1993; Wahlers, Das Änderungsgesetz zum LPVG NW, PersV 2008, 84; Welkoborsky, Landespersonalvertretungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl. 2012; Wichmann, Öffentliches Dienstrecht, 6. Aufl. 2007; Wittmann, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, 2010; Wolf, Personalvertretungsrecht des Bundes, 4. Aufl. 2012; Wolf, Das neue Personalvertretungsrecht Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 2011; Wolf, Personalvertretungsrecht Sachsen, 2010.

I. Einführung 1. Zuständigkeit 1

Für Streitigkeiten aus dem Personalvertretungsrecht sind die Verwaltungsgerichte zuständig, nicht die Arbeitsgerichte. Für das Personalvertretungsrecht sowohl des Bundes als auch der Länder bestimmt dies § 106 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG).

2

Für die Entscheidung personalvertretungsrechtlicher Streitigkeiten sieht § 84 BPersVG bei den Verwaltungsgerichten sowie bei den Oberverwaltungsgerichten/Verwaltungsgerichtshöfen die Bildung von besonderen Fachkammern/Fachsenaten vor, entsprechende Vorschriften enthalten alle Personalvertretungsgesetze der Länder. 1224 Diller

Personalvertretungsrecht

Kap. 46

Mit kleineren Abweichungen begründet § 83 Abs. 1 BPersVG die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über personalvertretungsrechtliche Streitigkeiten in gleichem Umfang, wie § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten begründet. Entsprechende Regelungen enthalten auch die Personalvertretungsgesetze der Länder.1

3

2. Verfahrensrecht Den Ländern ist die Wahl überlassen, ob die Verwaltungsgerichte nach der VwGO oder nach den arbeitsgerichtlichen Regeln des Beschlussverfahrens (§§ 80 ff. ArbGG) entscheiden sollen. Für den Bereich des Personalvertretungsrechts des Bundes hat sich § 83 Abs. 2 BPersVG für die entsprechende Anwendung der arbeitsgerichtlichen Regeln über das Beschlussverfahren entschieden. Dem sind alle Bundesländer für den Bereich ihres Länder-Personalvertretungsrechts gefolgt.2

4

Soweit die Länder die arbeitsgerichtlichen Vorschriften über das Beschlussverfahren für anwendbar erklärt haben, gelten ausschließlich diese Vorschriften. Für eine ergänzende Anwendung der VwGO ist kein Raum, zB hinsichtlich der Beteiligung des Vertreters des öffentlichen Interesses oder des Oberbundesanwalts.

5

Ebenfalls in die Zuständigkeit der Länder fällt die Entscheidung, ob das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren zweistufig oder dreistufig sein soll. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die dritte Instanz (Rechtsbeschwerde) zum Bundesverwaltungsgericht nur in Bayern auf Grund von Art. 81 Abs. 2 LPersVG Bayern. Dagegen schreiben die Personalvertretungsgesetze einiger Länder (zB Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland) die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in dritter Instanz entsprechend §§ 92–96 ArbGG ausdrücklich vor. Auch soweit die Landespersonalvertretungsgesetze keine ausdrückliche Regelung treffen, ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gegeben.3 Damit ist nach § 93 ArbGG entgegen § 137 VwGO auch das Länderpersonalvertretungsrecht revisibel.4

6

1 Nachweise bei Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, § 80 ArbGG Rz. 14. 2 Vgl. § 86 Abs. 2 PersVG Baden-Württemberg, Art. 81 Abs. 2 PersVG Bayern etc., weitere Nachweise bei Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, § 80 ArbGG Rz. 8. 3 BVerwG v. 10.2.1967, AP Nr. 3 zu § 74 PersVG NRW. 4 BVerfG v. 13.1.1961, AP Nr. 1 zu § 76 PersVG Hamburg.

Diller

1225

Kap. 46

Personalvertretungsrecht

M 46.1

II. Muster 46.1

u

Antrag an das Verwaltungsgericht zur Einleitung eines Beschlussverfahrens1

An das Verwaltungsgericht Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens In dem Verfahren mit den Beteiligten 1. Personalrat des städtischen Krankenhauses . . ., vertreten durch den Vorsitzenden des Personalrats (Name, Dienstanschrift) – Antragsteller – 2. Städtisches Krankenhaus . . ., vertreten durch den Krankenhausdirektor (Name, Dienstanschrift) – Antragsgegner – vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren gemäß § 80 ArbGG, § 86 Abs. 2 PersVG Baden-Württemberg ein und beantragen: Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner durch die Änderung der Dienstpläne per . . . ohne Zustimmung des Antragstellers gegen seine personalvertretungsrechtlichen Pflichten verstoßen hat. Begründung: (wird ausgeführt) ... (Unterschrift) 1 Da mittlerweile alle Personalvertretungsgesetze auf die §§ 80 ff. ArbGG verweisen, regelt sich das Verfahren ausschließlich nach den arbeitsrechtlichen Regeln des Beschlussverfahrens ohne ergänzende Anwendung von Vorschriften der VwGO. Folglich kann vollumfänglich auf die Muster der Kap. 104 ff. verwiesen werden. Praxistipp: Die von vielen Verwaltungsgerichten verlangte Vorlage einer Vollmacht ist im ArbGG nicht vorgesehen, das Verlangen ist deshalb eigentlich nicht statthaft. Man sollte aber nicht gleich zu Beginn Streit mit dem Gericht anfangen.

Kapitel 47–49 frei.

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Dritter Teil

N N Q NNNN

Kapitel 50

Tarifrecht/Arbeitskampfrecht Tarifverträge

Literaturübersicht:

Zum Koalitionsrecht: Boemke, Folgen der Tarifpluralität für das Streikrecht, ZfA 2009, 131; Ehrich, Die Bedeutung der Wesentlichkeitstheorie im Arbeitskampfrecht, DB 1993, 1237; Fischinger, Die Tarif- und Arbeitskampffähigkeit des verbandsangehörigen Arbeitgebers, ZTR 2006, 518; Glaubitz, Tariffähigkeit von Arbeitgeberverbänden mit tarifgebundenen und -ungebundenen Mitgliedern?, NZA 2003, 140; Greiner, Differenzierungsklauseln im Kontext von Koalitionsfreiheit und Gewerkschaftspluralismus, DB 2009, 398; Hanau/Thüsing, Streik um Anschlusstarifverträge, ZTR 2002, 506; Krichel, Zur Rechtslage bei politischen Streiks, NZA 1987, 297; Kühling, Arbeitsrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, ArbuR 1994, 126; Lörcher, Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) und seine Beteiligung am europäischen Arbeitsrecht, NZA 2003, 184; Löwisch (Hrsg.), Schlichtungs- und Arbeitskampfrecht, 1989; Löwisch, Rechtsfragen des Sympathieboykotts, RdA 1977, 356; Löwisch/Rieble, Zum Ausmaß des Rechtswidrigkeitsurteiles über Arbeitskämpfe, DB 1993, 882; Reichel, Das Schutzbedürfnis der negativen Koalitionsfreiheit, DB 1972, 2062, 2110; Walker, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitskampf, NZA 1984, 378. Zum Tarifrecht: Bauer/Diller, Flucht aus Tarifverträgen, DB 1993, 1085; Bauer/Haußmann, Tarifwechsel durch Verbandswechsel, DB 1999, 1114; Bauer/Haußmann, Tarifwechsel durch Branchenwechsel, DB 2003, 610; Baumann, Die Rechtsfolgen eines Grundrechtsverstoßes der Tarifpartner, RdA 1994, 272; Berger-Delhey, „Alles rennt, alles flüchtet“ – Überlegungen zur OTVerbandsmitgliedschaft, ZTR 2006, 531; Boss, Brennpunkt Differenzierungsklauseln, BB 2009, 1238; Franzen, Vorteilsregelungen für Gewerkschaftsmitglieder, RdA 2006, 1; Greiner, Differenzierungsklauseln im Kontext von Koalitionsmittelfreiheit und Gewerkschaftspluralismus, DB 2009, 398; Hanau, Verbands-, Tarif- und Gerichtspluralismus, NZA 2003, 132; Hanau/Kania, Stufentarifverträge, DB 1995, 1229; Herschel, Der nachwirkende Tarifvertrag, insbesondere seine Änderung, ZfA 1976, 89; Hromadka/Maschmann/Wallner, Der Tarifwechsel, 1996; Konzen, Tarifbindung, Friedenspflicht und Kampfparität beim Verbandswechsel des Arbeitgebers, ZfA 1975, 401; Le Friant, Die Tarifverhandlungen in grenzüberschreitenden Unternehmen, NZA 1994, 158; Löwisch, Blankettverweisung und Überraschungsklauseln, NZA 1985, 317; Löwisch, Die Freiheit zu arbeiten – nach dem Günstigkeitsprinzip, BB 1991, 59; Mangen, Die Form des Tarifvertrages gemäß § 1 Abs. 2 TVG, RdA 1982, 229; Plüm, Die tarifliche Erweiterung von Leistungsbestimmungsrechten des Arbeitgebers, DB 1992, 735; Ricken, Neues zur Tarifzuständigkeit, RdA 2007, 35; Rieble, Tarifwechsel ins Handwerk, BB 2006, 885; Rieble, Gewerkschaftswettbewerb und Tariffähigkeit, ZTR 2006, 89; Rieble, Krise des Flächentarifvertrages, RdA 1996, 151; Sachs, Zu den Folgen von Gleichheitsverstößen in Tarifverträgen, RdA 1989, 25; Schliemann, Tarifliches Günstigkeitsprinzip und Bindung der Rechtsprechung, NZA 2003, 122; Sittard, Bestimmung des betrieblichen Geltungsbereichs von Tarifverträgen, RdA 2009, 259; Vollmer, Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung zwischen mitbestimmungsrechtlicher und tarifvertraglicher Interessenvertretung, DB 1979, 308, 355; Wagner, Verfassungsrechtliche Grundlagen der Übertragung von Kompetenzen der Tarifparteien auf die Betriebsparteien, DB 1992, 2550; Waltermann, Kollektivvertrag und Grundrechte, RdA 1990, 138; Wank, Empfiehlt es sich, die Regelungsbefugnisse der Tarifparteien im Verhältnis zu den Betriebsparteien neu zu ordnen?, NJW 1996, 2273. Zum Haustarifvertrag: Beispiele für ausführliche Firmentarifverträge finden sich in: NZA 1987, 481; NZA 1989, 211; NZA 1994, 111 (jeweils Haustarifverträge der VW AG); NZA 1989, 11 (Coop Industrie AG); NZA 1993, 302 („Uniteis“-Betriebe); NZA 1995, 878 (Deutsche Bank AG); NZA 1998, 1214 (Deutsche Telekom AG/T-Mobil); Ahrendt, Firmentarifvertrag und firmenbezogener Verbandstarifvertrag – Ein aktueller Rechtsprechungsüberblick, RdA 2012, 129; Braun, Verbandstarifliche Normen in Firmentarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, BB 1986, 1428;

Haußmann

1227

Kap. 50

Tarifverträge

Hensche, Zur Zulässigkeit von Firmentarifverträgen mit verbandsangehörigen Unternehmen, RdA 1985, 65; von Hoyningen-Huene, Die Rolle der Verbände bei Firmentarifverträgen, ZfA 1980, 453; Kilg/Muschal, Haustarifverträge – Vertretung durch die Konzernobergesellschaft beim Abschluss, BB 2007, 1670; Krichel, Ist der Firmentarifvertrag mit einem verbandsangehörigen Arbeitgeber bestreikbar?, NZA 1986, 731; Teusch, Organisationstarifverträge nach § 3 BetrVG, NZA 2007, 124; Wieland, Recht der Firmentarifverträge, 1998. Zum Tarifsozialplan: Bauer, Eine neue Kultur der Auseinandersetzung, BB 2007, Heft 24, I; Bauer/Krieger, „Firmentarifsozialplan“ als zulässiges Ziel eines Arbeitskampfes?, NZA 2004, 1019; Bayreuther, Konsolidierungstarifvertrag und freiwilliger Tarifsozialplan als Regelungsinstrument in der Krise, NZA 2010, 378; Fischinger, Streik um Tarifsozialpläne, NZA 2007, 310; Lipinski/Ferme, Erstreikbarkeit von Tarifsozialplänen zulässig – Erste Gedanken zu Gegenmaßnahmen der Arbeitgeberseite, DB 2007, 1250; Lobinger, Arbeitskämpfe um Standortschließungen und -verlagerungen, ZAAR Schriftenreihe Band 2, 2005, Rz. 36; Paschke/Ritschel, Erstreikbarkeit von Tarifverträgen aus Anlass von Standortentscheidungen, AuR 2007, 110.

I. Einführung 1. Firmentarifverträge 1

Der Haus- oder Firmentarifvertrag wird zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und einer tarifzuständigen Gewerkschaft abgeschlossen. Er wird in der Regel spezifisch auf die Verhältnisse des betroffenen Unternehmens abgestimmt. Haustarifverträge bieten sich regelmäßig in großen Unternehmen an, die einen für sie als unpassend empfundenen Flächentarifvertrag den konkreten Verhältnissen des Unternehmens anpassen. Nur selten wird ein Firmentarifvertrag ein ähnlich umfassendes Regelungswerk wie ein Flächentarifvertrag enthalten. Üblicherweise werden nur einzelne Inhalte des Flächentarifvertrags für das betroffene Unternehmen abweichend geregelt. Der Firmentarifvertrag bietet sich darüber hinaus aus gewerkschaftlicher Sicht gegenüber Arbeitgebern an, die aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sind, um sich dem Flächentarifvertrag zu entziehen (Stichwort: Tarifflucht). Für den Arbeitgeber kann es sich wiederum anbieten, bei gewünschten Abweichungen vom Flächentarifvertrag (zB Einführung eines flexiblen Arbeitszeitmodells) einen Firmentarifvertrag abzuschließen. Insbesondere wenn es um materielle Arbeitsbedingungen wie das Entgelt oder die Dauer der Arbeitszeit geht, ist dem Arbeitgeber die kollektivvertragliche Regelung durch Betriebsvereinbarung wegen § 77 Abs. 3 BetrVG versperrt. Will er also vom Flächentarifvertrag abweichende Entgelt- oder Arbeitszeitregelungen für seinen Betrieb umsetzen, erweist sich das Regelungsinstrument des Firmentarifvertrags als vorteilhaft gegenüber rechtlich zweifelhaften Regelungen durch Betriebsvereinbarung oder Abschluss (hunderter oder tausender) einzelvertraglicher Änderungsvereinbarungen.1

2

Der nicht verbandszugehörige Arbeitgeber kann einen sog. Anerkennungstarifvertrag (M 50.2) abschließen. Mit diesem kann die normative Wirkung aller oder einiger ausgewählter Verbandstarifverträge für das Unternehmen vereinbart werden, ohne dass der Arbeitgeber dem vertragsschließenden Verband beitreten müsste. Der Vorteil dieser Form des Tarifvertrages liegt in seiner besonderen Flexibilität und darin begründet, dass § 3 Abs. 3 TVG hier keine Wirkung entfaltet. Auf der anderen Seite wirkt auch der Haustarifvertrag gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach Ablauf seiner Laufzeit 1 S. dazu den „Burda-Beschluss“ des BAG v. 20.4.1999 – 1 ABR 72/88, NZA 1999, 887 m. Anm. Bauer und Einf. Kap. 35 Rz. 6 sowie M 35.6.

1228 Haußmann

Tarifverträge

Kap. 50

nach, wenn nicht im Tarifvertrag etwas anderes geregelt ist. Dies kann zu einer langfristigen Bindung an den Tarifvertrag führen und den Arbeitgeber in die Situation zwingen, dem Druck der Gewerkschaft auf Abschluss eines ablösenden Haustarifvertrages wieder nachzugeben. Wichtig: Es empfiehlt sich deshalb, in der Formulierung des Haustarifvertrages zu prüfen, ob der Ausschluss der Nachwirkung sinnvoll ist.

3

2. Entgelttarifvertrag Entgelttarifverträge regeln die Höhe der in ihrem Geltungsbereich zu zahlenden Vergütungen. Es lassen sich – ohne dass eine getrennte Regelung zwingend wäre – reine Lohn- oder Gehaltstarifverträge und sog. Lohn- bzw. Gehaltsrahmentarifverträge unterscheiden. In Letzteren werden die verschiedenen Lohn- und Gehaltsgruppen verbindlich festgelegt und eingeteilt. Geregelt wird, welche Tätigkeiten im Einzelnen welchen Lohn- bzw. Gehaltsgruppen zugeordnet werden. Die einzelnen Lohnbzw. Gehaltsgruppen werden dann in den Lohn- und Gehaltstarifverträgen konkreten Vergütungen zugeordnet. Meist besteht ein bestimmter prozentualer Abstand zwischen den einzelnen Lohn- bzw. Gehaltsgruppen, so dass im Falle einer Tariflohnerhöhung nur noch der sog. Ecklohn (= die Vergütung einer mittleren Tariflohngruppe) vereinbart zu werden braucht und sich die Vergütung der anderen Tarifgruppen automatisch im Verhältnis zu dem vereinbarten Ecklohn bestimmen lässt. Lohn- und Gehaltstarifverträge haben regelmäßig eine kurze, oftmals nur ein- bzw. zweijährige Laufzeit (M 50.1).

4

3. Manteltarifvertrag Im Gegensatz dazu ist die Laufzeit eines Manteltarifvertrages in der Regel wesentlich länger, oft werden diese Tarifverträge sogar unbefristet mit langen Kündigungsfristen abgeschlossen. Manteltarifverträge regeln alle übrigen Fragen hinsichtlich der Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse. Sie sind daher nicht so kurzfristigen Schwankungen unterworfen wie Entgelt- oder Gehaltstarifverträge. Manteltarifverträge können aus einem Grundwerk bestehen, das nahezu sämtliche Arbeitsbedingungen (Urlaub, Entgeltfortzahlung, Kündigungsfristen etc.) regelt, sie können aber auch als bestimmte Thementarifverträge abgeschlossen werden (Urlaubstarifvertrag, Tarifvertrag zur Entgeltfortzahlung, Rationalisierungsschutzabkommen, Arbeitszeittarifverträge, Tarifverträge zum betrieblichen Umweltschutz etc.).

5

4. Tarifverträge über die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen § 3 BetrVG räumt den Tarifvertragsparteien das Recht ein, von den gesetzlichen Vorgaben abweichende betriebsverfassungsrechtliche Strukturen zu schaffen, die zum Teil an Stelle der gesetzlichen Arbeitnehmervertretungen treten könnten (unternehmenseinheitlicher Betriebsrat, Spartenbetriebsräte, Konzernbetriebsrat im Gleichordnungskonzern oA, § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG), zum Teil zusätzlich entstehen sollen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BetrVG). Diese Abweichungen sind wirksam auch dann, wenn nur eine von mehreren tarifzuständigen Gewerkschaften den Tarifvertrag abschließt.2 2 BAG v. 29.7.2009 – 7 ABR 27/08, SAE 2010, 30.

Haußmann

1229

6

Kap. 50

Tarifverträge

7

Die Bestimmung durch die Tarifvertragsparteien hat der Gesetzgeber als Regel formuliert, § 3 Abs. 2 BetrVG, eine Gestaltung durch Betriebsvereinbarung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn in dem Unternehmen kein Tarifvertrag gilt. Trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vorschrift3 hat die Praxis sie sich dort zunutze gemacht, wo Arbeitgeber und Belegschaft übereinstimmend eine eigene Definition der betriebsfähigen Einheit für sinnvoll halten und sie objektiv sachgerecht ist.4 Dies betrifft insbesondere Filialbetriebe im Handel, in denen die Errichtung von Regionalbetriebsräten Verbreitung findet (s. dazu M 50.4).

8

Abweichende Gestaltungen von den betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen sind auch dort erwünscht, wo auf Grund der Spartentrennung und der sich daraus ergebenden Vielzahl gemeinsamer Betriebe mehrerer Unternehmen unternehmensübergreifende gemeinsame Arbeitnehmervertretungen in Form zB gemeinsamer Gesamtbetriebsräte praktikabel sind (s. dazu M 50.5), ähnlich einem Konzernbetriebsrat im Gleichordnungskonzern.

5. Entgeltumwandlung 9

Nach den sozialpolitischen Vorgaben des Altersvermögensgesetzes (AVmG) kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, künftige Entgeltansprüche durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung zu verwenden, § 1a Abs. 1 BetrAVG. Sobald allerdings die Entgeltansprüche auf Tarifvertrag beruhen, setzt die Entgeltumwandlung einen Tarifvertrag voraus, § 17 Abs. 5 BetrAVG. Die Entgeltumwandlung muss durch Tarifvertrag zugelassen werden, zu diesem Zweck werden Verbandstarifverträge abgeschlossen. Um die tarifgebundenen Arbeitnehmer nicht schlechter zu stellen als tarifungebundene Arbeitnehmer, beschränken sich die Tarifverträge zum Teil darauf, die Entgeltumwandlung zu gestatten, ohne sie einzuschränken. Typischer Regelungsgegenstand solcher Tarifverträge ist die Bestimmung der Entgeltbestandteile, die umgewandelt werden können.5 Gelegentlich lassen die Tarifvertragsparteien Raum für freiwillige Betriebsvereinbarungen zur näheren Gestaltung (M 50.6).

6. Beschäftigungssicherung 10

Unter dem Stichwort Beschäftigungssicherung oder auch als „Bündnis für Arbeit“ werden sowohl Haus- als auch Verbandstarifverträge abgeschlossen. Typischerweise werden darin Maßnahmen der Kostensenkung in Abweichung von Verbandstarifverträgen vereinbart, um Unternehmen in Krisensituationen auf diese Weise eine Verringerung der Personalkosten zu ermöglichen. Im Gegenzug wird häufig der befristete Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen vereinbart. Da sinnvolle Beschäftigungssicherungsvereinbarungen den betrieblichen Verhältnissen möglichst genau angepasst werden müssen, regeln insbesondere Verbandstarifverträge zu diesem Thema häufig nur Rahmenbedingungen und überlassen mit so genannten Öffnungsklauseln den 3 Löwisch/Kaiser, § 3 BetrVG Rz. 18; Richardi, § 3 BetrVG Rz. 6. 4 Die Anforderungen präzisiert BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738. 5 Praxistipp: Gelegentlich ist die Auswahl der umwandelbaren Vergütungsbestandteile von erheblicher Bedeutung für den buchungstechnischen Aufwand, der durch die Entgeltumwandlung entsteht, zB durch die Zuführung verschiedener Bruchteile diverser Vergütungsbestandteile zur Entgeltumwandlung.

1230 Haußmann

M 50.1

Kap. 50

Tarifverträge

Betriebspartnern die weitere Gestaltung durch Betriebsvereinbarung, zum Teil unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Tarifvertragsparteien (M 50.7).

7. Tariflicher Sozialplan Obwohl Betriebsänderungen nach §§ 111, 112 BetrVG eine betriebliche Angelegenheit sind,6 werden sie für zulässig und erstreikbar gehalten. Streitig ist noch die Reichweite der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien. Sie dürfen nicht in die unternehmerische Gestaltung des „ob“ und „wie“ einer Betriebsänderung eingreifen. Diese Grenze wird mit der Verlängerung von Kündigungsfristen oder einem Kündigungsausschluss tangiert.

11

6 Vgl. Kap. 43.

II. Muster

u

Entgelttarifvertrag Zwischen dem Arbeitgeberverband . . . und der Gewerkschaft . . . wird folgender Entgelttarifvertrag abgeschlossen: § 1 Geltungsbereich Dieser Tarifvertrag gilt 1. räumlich für . . . 2. fachlich für . . .

3. persönlich für alle Arbeitnehmer/innen einschließlich der in Ausbildung befindlichen Personen. Ausgenommen sind leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG. § 2 Tarifgruppen1 Die Eingruppierung in die Tarifgruppen ist gemäß § . . . des Manteltarifvertrages vorzunehmen. Gruppe I

Einfache Tätigkeiten, die nach Arbeitsanweisung ausgeführt werden und nur Fertigkeiten erfordern, die in der Regel durch Einweisung erworben werden.

Gruppe II

Tätigkeiten, die im Rahmen genauer Anweisungen ausgeführt werden. Voraussetzung sind berufliche Grundkenntnisse, wie sie durch eine ab-

1 Innerhalb der Tarifgruppen nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer zu differenzieren (sog. Entgeltstufen), empfiehlt sich nach Inkrafttreten des AGG nicht mehr, vgl. BGK, § 7 AGG Rz. 32.

Haußmann

1231

50.1

Kap. 50

Tarifverträge

M 50.1

geschlossene Berufsausbildung oder auf andere Weise, auch durch Erfahrung erworben sind. Gruppe III

...

Gruppe IV

...

Gruppe V

...

Gruppe VI

... § 3 Entgelttabelle

(gültig ab . . .) Gruppe I Gruppe II

ab 1. Tätigkeitsjahr 1. Tätigkeitsjahr 2. Tätigkeitsjahr 3. Tätigkeitsjahr 4. Tätigkeitsjahr

Euro . Euro . Euro . Euro . Euro .

. . . . .

. . . . .

Gruppe III, IV, V, VI ... Kommt der/die Arbeitnehmer/in in eine höhere Tarifgruppe, so erhält er/sie das seinem/ihrem bisherigen Tarifentgelt folgende höhere Entgelt der neuen Tarifgruppe. Die dem höheren Tarifentgelt entsprechenden Tätigkeitsjahre gelten als zurückgelegt. §4 Im 1. Ausbildungsjahr im 2. Ausbildungsjahr im 3. Ausbildungsjahr

Ausbildungsvergütungen

Euro . . . Euro . . . Euro . . . §5

Geltungsdauer

Der Tarifvertrag tritt zum . . . in Kraft. Er kann mit einer Frist von einem Monat schriftlich gekündigt werden, erstmals zum . . . § 6 Schlussbestimmungen (1) Die festgelegten Tarifentgelte sind Mindestbeträge, auf die rechtswirksam nicht verzichtet werden kann. (2) Bestehende, für den/die Arbeitnehmer/in günstigere Entgeltbedingungen werden durch diesen Tarifvertrag nicht berührt. Protokollnotizen2 Verbleibt der/die Arbeitnehmer/in in seiner/ihrer bisherigen Tarifgruppe, so stimmen die Tarifvertragsparteien darin überein, dass die für die einzelnen Tarifgruppen verein2 Protokollnotizen sind – häufig vorkommende – Regelungen zu Themen, die bewusst aus dem Tarifvertrag herausgehalten werden sollten. Gleichwohl kann ihnen im Einzelfall der Charakter einer eigenständigen normativen Regelung zukommen. Oft handelt es sich aber auch um bloße schuldrechtliche Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien oder gar nur um Auslegungshilfen für den Tarifvertrag, vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. 1, 1997, § 13 I 3 (S. 514 f.) mwN.

1232 Haußmann

M 50.2

Tarifverträge

Kap. 50

barten Erhöhungsbeträge jedem/jeder Arbeitnehmer/in zu seinem/ihrem derzeitigen Effektivgehalt (Tarifentgelt zuzüglich aller übertariflichen Entgeltbestandteile) gezahlt werden sollen. ... (Ort, Datum) ... (Arbeitgeberverband . . .) ... (Gewerkschaft . . .)

u

Firmentarifvertrag in Form eines Anerkennungstarifvertrages1 Zwischen der Firma . . .2 und der Gewerkschaft . . . wird folgender Tarifvertrag vereinbart: § 1 Geltungsbereich Dieser Tarifvertrag gilt räumlich: für alle Betriebe des Unternehmens der Firma . . .3

persönlich: für alle bei der Firma . . . beschäftigten Arbeitnehmer, die Mitglieder der Gewerkschaft . . . sind, mit Ausnahme der dem Führungskreis I und II jeweils zugeordneten Angestellten/der leitenden Angestellten iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG. §2

Einbeziehungsklausel

(1) Auf die in § 1 bezeichneten Arbeitsverhältnisse finden die nachfolgend genannten, räumlich und fachlich einschlägigen Verbandstarifverträge der Gewerkschaft . . . mit den nachfolgend aufgestellten Maßgaben Anwendung: 1. der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer vom . . .; 2. der Gehaltstarifvertrag für . . . vom . . .; 3. der Gehaltsrahmentarifvertrag für . . . vom . . .; 1 S. dazu Kleinebrink, Tücken des Anerkennungstarifvertrags, DB 2007, 518. 2 Schließt die Konzernmutter den Tarifvertrag, gilt er nicht für alle Konzerngesellschaften; nur wenn sie als Tarifpartei erkennbar mit vertreten und vom Geltungsbereich erfasst werden sollten, BAG v. 17.10.2007 – 4 AZR 1005/06, DB 2008, 2432, gilt er auch dort; BAG v. 18.11.2009 – 4 AZR 491/08, FD-ArbR 2010, 300208 mit Anm. Haußmann. 3 Hier sollte ggf. klargestellt werden, ob später hinzukommende Betriebe erfasst werden sollen.

Haußmann

1233

50.2

Kap. 50

Tarifverträge

M 50.2

4. der Manteltarifvertrag für . . . vom . . . mit folgenden Änderungen: . . .; 5. der Tarifvertrag über Sonderzahlungen vom . . .; 6. der Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen vom . . .; 7. der Tarifvertrag für gewerbliche, kaufmännische und technische Auszubildende vom . . . (2) Für den Fall, dass einer der vorstehend genannten Tarifverträge endet, gilt eine Nachwirkung entsprechend § 4 Abs. 5 TVG bis zum Inkrafttreten einer Nachfolgeregelung als vereinbart. Nachfolgeregelungen der vorstehend genannten Verbandstarifverträge werden automatisch in der jeweils gültigen Fassung Bestandteil dieses Tarifvertrages.4 (3) Die Gewerkschaft . . . verpflichtet sich, der Firma . . . unverzüglich Mitteilung davon zu machen, wenn einer der in Abs. 1 genannten Tarifverträge vor Fristablauf (zB durch Kündigung) endet. Sie wird der Firma . . . ferner unverzüglich Änderungs- und Nachfolgetarifverträge der in Abs. 1 genannten Vereinbarungen mitteilen und eine Abschrift zur Verfügung stellen. §3

Bekanntmachung

Die Firma . . . verpflichtet sich, die jeweils gültige Fassung der nach § 2 einbezogenen Tarifverträge sowie diesen Firmentarifvertrag an geeigneter Stelle im Betrieb auszuhängen. §4

Beendigung des Tarifvertrages oder einzelner einbezogener Regelungen

(1) Dieser Tarifvertrag endet automatisch mit dem Zeitpunkt, in dem die Firma . . . dem Arbeitgeberverband . . ., der Vertragspartner der in § 2 genannten Verbandstarifverträge ist, oder einem anderen zuständigen Arbeitgeberverband beitritt. (2) Darüber hinaus können die in § 2 genannten Tarifverträge einzeln von jeder Vertragspartei mit den dort jeweils gültig vereinbarten Kündigungsfristen separat gekündigt werden. (3) Eine Kündigung dieses Tarifvertrages und damit zugleich aller einbezogenen Verbandstarifverträge nach § 2 ist mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Kalenderjahresende möglich, jedoch nicht vor dem . . . (4) Nach Ablauf der Kündigungsfrist wirken die Vereinbarungen dieses Tarifvertrages gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach. oder (4) Nach Ablauf der Kündigungsfrist wirken die Vereinbarungen dieses Tarifvertrages gemäß § 4 Abs. 5 TVG nicht nach. ... (Ort, Datum) 4 Eine solche Klausel stellt keine unzulässige Delegation der Normsetzungsbefugnis auf Dritte dar, weil auf räumlich-fachlich einschlägige Verbandstarifverträge verwiesen wird und eine der beiden Vertragsparteien sogar am Abschluss dieser Verbandstarifverträge beteiligt ist, vgl. BAG v. 10.11.1982 – 4 AZR 1203/79, AP Nr. 8 zu § 1 TVG Form; v. 17.5.2000 – 4 AZR 363/99, NZA 2001, 453; ferner Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl. 2012, § 1 Rz. 29 ff.

1234 Haußmann

M 50.3

Tarifverträge

Kap. 50

... (Arbeitgeberverband . . .) ... (Gewerkschaft . . .)

u

Firmentarifvertrag nach Betriebsübergang1/ Gesellschafterwechsel Zwischen der Firma XY-GmbH, und der Industriegewerkschaft . . ., vertreten durch die Verwaltungsstelle . . . wird Folgendes vereinbart: Präambel

Die Fa. A-GmbH (im Folgenden: A) beabsichtigt den Erwerb des Betriebes/die Übernahme aller Gesellschaftsanteile an der XY-GmbH (im Folgenden: XY). Ziel der Übernahme ist es, den Betrieb von XY langfristig mit einem Beschäftigungsstand von ca. . . . Mitarbeitern weiterzuführen und die bisherigen A-Standorte zu stärken. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass eine Weiterführung des XY-Betriebes mit dem angestrebten Personalbestand nicht möglich ist, wenn das Lohn- und Gehaltsniveau bei XY kurzfristig an das allgemeine Tarifniveau angepasst würde. Die Parteien vereinbaren deshalb Folgendes: I. Zeit bis . . . Der Haustarifvertrag vom . . . gilt zunächst in seiner bisherigen Fassung bis . . . weiter. Bis dahin findet weder eine Kündigung des Haustarifvertrages noch eine über die im Haustarifvertrag vereinbarte hinausgehende Erhöhung der Löhne und Gehälter statt. II. Zeit ab . . . 1. In der Zeit ab dem . . . gilt der Haustarifvertrag vom . . . mit der Maßgabe weiter, dass die Regelungen über Lohnerhöhungen entfallen. Stattdessen werden in der Zeit ab dem . . . die Löhne und Gehälter zum gleichen Zeitpunkt erhöht, zu dem die entsprechenden Löhne und Gehälter in den bisherigen Betrieben von A erhöht werden. Die Erhöhung wird im Einzelnen zwischen den Parteien dieses Tarifvertrages festgelegt; die Erhöhung soll so ausfallen, dass sich das Tempo verringert, mit 1 Hier wird die Ablösung bisher geltender Kollektivvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB genutzt.

Haußmann

1235

50.3

Kap. 50

Tarifverträge

M 50.4

dem sich in den vergangenen fünf Jahren die Lohn- und Gehaltsniveaus von XY und A auseinander bewegt haben. Zwischen XY und dem Betriebsrat kann vereinbart werden, dass statt einer Lohn- und Gehaltserhöhung eine entsprechende Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit stattfindet. 2. Der Haustarifvertrag vom . . . sowie die vorliegende Vereinbarung kann von beiden Parteien mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden, erstmals zum . . . Eine außerordentliche Kündigung mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende ist schon zu einem Zeitpunkt vor dem . . . möglich, wenn und sobald entweder: – die Zahl der regelmäßig beschäftigten Mitarbeiter bei XY durch arbeitgeberseitige Kündigungen oder Aufhebungsverträge unter . . . sinkt, oder – A Betriebsteile, Anlagen oder Maschinen zu XY verlagert und dadurch bei A innerhalb von zwölf aufeinander folgenden Monaten mehr als zehn Dauerarbeitsplätze wegfallen. III. Inkrafttreten Diese Vereinbarung tritt erst in Kraft, wenn und sobald A den Betrieb von XY/sämtliche Anteile an XY erworben hat. Kommt es nicht bis spätestens . . . [Datum] zu dem Erwerb, gilt diese Vereinbarung als nicht geschlossen. ... (Ort/Datum) ... (XY-GmbH)

... (Gewerkschaft Bezirksleitung)

... (zustimmend: Firma A)

50.4

u

Tarifvertrag zur Bildung von Regionalbetriebsräten

Zwischen dem Unternehmen . . . und der Gewerkschaft . . . wird in Ausgestaltung des § 3 BetrVG nachfolgender Tarifvertrag zur Bildung regionaler Betriebsratsstrukturen vereinbart. § 1 Geltungsbereich Dieser Tarifvertrag gilt – räumlich auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, – fachlich für alle Betriebsstätten des im Rubrum genannten Unternehmens, – persönlich für alle Arbeitnehmer/-innen iSd. § 5 Abs. 1 BetrVG. 1236 Haußmann

M 50.4

Kap. 50

Tarifverträge

§2

Zweck

Dieser Tarifvertrag fördert mit der Bildung von Wahlregionen die zweckmäßige Interessenvertretung der Arbeitnehmer.1 Die auf Grund dieses Tarifvertrages gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten gelten als Betriebe iSd. BetrVG. Der Betriebsbegriff anderer Gesetze wird dagegen von dieser Vereinbarung nicht berührt.2 Auf die nach diesem Tarifvertrag gebildeten Arbeitnehmervertretungen finden die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrates und die Rechtsstellung seiner Mitglieder nach dem BetrVG Anwendung. §3

Wahlregionen

Die einzelnen Betriebsstätten des Unternehmens werden in Wahlregionen zusammengefasst. Die Zuordnung ergibt sich aus der einen wesentlichen Bestandteil dieses Tarifvertrages bildenden Anlage 1. Neu hinzukommende Betriebsstätten werden den jeweiligen Regionen zugeordnet. Die Beschäftigten in den Wahlregionen wählen gemäß BetrVG je einen Regionalbetriebsrat. § 4 Freistellungen Die Freistellungen ergeben sich aus den gesetzlichen Bestimmungen. §5

Betriebsräteversammlung

Einmal im Kalenderjahr findet eine Betriebsräteversammlung gemäß § 53 BetrVG statt, an der alle Mitglieder der Regionalbetriebsräte teilnehmen können. § 6 Laufzeit Dieser Tarifvertrag tritt mit Unterzeichnung in Kraft und findet erstmals im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsratswahlen des Jahres 2014 Anwendung. Dieser Tarifvertrag ist mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende erstmals zum . . . kündbar. Im Falle einer Kündigung wirkt der Tarifvertrag nicht nach. Sollte während der Laufzeit dieses Tarifvertrages im Unternehmen eine Betriebsänderung iSd. § 111 Nr. 1–4 BetrVG stattfinden, werden die Parteien unverzüglich Verhandlungen mit dem Ziel aufnehmen, diesen Tarifvertrag an die neuen Gegebenheiten anzupassen.3 Beiden Seiten steht ein Recht zur außerordentlichen Kündigung dieses Tarifvertrages mit einer Frist von zwei Monaten zum Monatsende zu, wenn wesentliche Teile des Unternehmens veräußert werden oder im Fall einer Betriebsänderung (s.o.) eine ein1 Ist die gewählte Struktur nicht der zweckmäßigen Interessenvertretung dienlich, ist der Tarifvertrag unwirksam, BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738. 2 S. insbesondere § 1 und § 23 KSchG. 3 Praxistipp: Regelungen zur Anpassung an Änderungen der Betriebsorganisation sieht § 3 BetrVG nicht vor; sie sollten deshalb im Tarifvertrag nicht fehlen.

Haußmann

1237

Kap. 50

Tarifverträge

M 50.5

vernehmliche Anpassung des Tarifvertrages nicht binnen eines Monats nach Aufnahme der Verhandlungen gelingt. Im Falle der außerordentlichen Kündigung wirken die Vereinbarungen dieses Tarifvertrages bis zur Neuwahl von Betriebsräten, längstens für die Dauer von sechs Monaten nach.4 Praxistipp: Eine Übergangsregelung sollte zeitlich begrenzt sein und die Rückkehr zu den gesetzlichen Betriebsratsstrukturen nicht hindern.

4

50.5

u

Haustarifvertrag über einen gemeinsamen Gesamtbetriebsrat1

1. der A-Sparten AG2 2. der B-Sparten AG 3. der C-Sparten AG – im Folgenden: die . . . Gesellschaften – und der Gewerkschaft XY wird Folgendes vereinbart: 1. Gemeinsamer Gesamtbetriebsrat (1) Die Parteien vereinbaren die Errichtung eines gemeinsamen Gesamtbetriebsrates für die . . . Gesellschaften.3 (2) Die Parteien sind sich darüber einig, dass der gemeinsame Gesamtbetriebsrat der zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer aller . . . Gesellschaften dient.4 Die . . . Gesellschaften entscheiden Angelegenheiten, die das jeweilige Unternehmen betreffen und nicht in die Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte fallen, auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu den . . . Gesellschaften einheitlich. Grund für diese Vereinheitlichung der Entscheidung mitbestimmungsrelevanter Angelegenheiten ist der Umstand, 1 Ein insbesondere in der Versicherungsbranche verbreitetes Phänomen, weil dort typischerweise mehrere Unternehmen viele gemeinsame Betriebe unterhalten und nach dem Gesetz so viele Gesamtbetriebsräte zu errichten wären wie Unternehmen beteiligt sind. 2 Nur die ausdrücklich als Partei bezeichneten Unternehmen werden erfasst. Nicht jedes konzernangehörige Unternehmen ist automatisch von der Konzernobergesellschaft mit vertreten, BAG v. 29.7.2009 – 7 ABR 27/08, SAE 2010, 30. 3 Ohne eine tarifliche Regelung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG kann ein gemeinsamer Gesamtbetriebsrat mehrerer Unternehmen nicht gebildet werden, BAG v. 13.2.2007 – 1 AZR 184/06, NZA 2007, 825. 4 Ohne Bezug zu organisatorischen, kooperativen oder ähnlichen Rahmenbedingungen erfüllt der unternehmensübergreifende Gesamtbetriebsrat nicht die Anforderungen an § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738.

1238 Haußmann

M 50.5

Tarifverträge

Kap. 50

dass die . . . Gesellschaften ausschließlich gemeinsame Betriebe iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG unterhalten.5 2. Errichtung des gemeinsamen Gesamtbetriebsrates6 (1) Der gemeinsame Gesamtbetriebsrat wird gemäß § 47 Abs. 2 bis 9 BetrVG errichtet. (2) Es bleibt ausdrücklich vorbehalten, durch Betriebsvereinbarung die in § 47 BetrVG zugelassenen abweichenden Regelungen über die Zusammensetzung, Errichtung und Stimmgewichtung u.a. zu vereinbaren. (3) Bei der Entsendung der Mitglieder berücksichtigen die Betriebsräte eine angemessene Vertretung beider Geschlechter. 3. Zuständigkeit Der gemeinsame Gesamtbetriebsrat ist zuständig für alle Angelegenheiten, die gemäß § 50 BetrVG in die Zuständigkeit der Gesamtbetriebsräte der . . . Gesellschaften fiele, wenn in jeder der . . . Gesellschaften ein eigener Gesamtbetriebsrat errichtet wäre. 4. Verhandlungspartner Verhandlungspartner des gemeinsamen Gesamtbetriebsrates sind die . . . Gesellschaften gemeinsam. Die . . . Gesellschaften entsenden in Verhandlungen und Gesprächen mit dem Gesamtbetriebsrat entweder jeweils einen Vertreter pro SpartenGesellschaft oder bevollmächtigen von Fall zu Fall einen oder mehrere Vertreter. Sie stellen sicher, dass der Verhandlungspartner des gemeinsamen Gesamtbetriebsrates Enscheidungen im Namen aller . . . Gesellschaften treffen kann.7 5. Inkrafttreten und Laufzeit (1) Dieser Tarifvertrag tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Mit Errichtung des Gesamtbetriebsrates nach diesem Tarifvertrag entfallen die bestehenden Gesamtbetriebsratsstrukturen in den . . . Gesellschaften.8 (2) Dieser Tarifvertrag kann mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Die Nachwirkung nach Ablauf der Kündigungsfrist ist ausgeschlossen. 5 Eine gemäß § 3 Abs. 1 BetrVG zweckmäßige Interessenvertretung setzt voraus, dass die Leitungs- bzw. Entscheidungsstrukturen auf Arbeitgeberseite geeignete Ansprechpartner für die Arbeitnehmervertreter bieten. Dies können Gewerkschaft/Betriebsrat nicht erzwingen. Allerdings kann der Arbeitgeber sich dazu schuldrechtlich verpflichten, Löwisch/Kaiser, § 3 BetrVG Rz. 13. 6 Ohne tarifliche Vereinbarung ist das Gremium rechtlich nicht existent; BAG v. 17.3.2010 – 7 AZR 706/08, ArbR 2010, 400. 7 S. BAG v. 13.2.2007 – 1 AZR 184/06, NZA 2007, 825. 8 § 3 Abs. 4 BetrVG sieht die Anwendung bei den nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen vor, gestattet aber abweichende Regelungen.

Haußmann

1239

Kap. 50

50.6

Tarifverträge

u

M 50.6

Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung1

Zwischen der ... und ... wird vereinbart: § 1 Geltungsbereich Der Geltungsbereich dieses Tarifvertrages entspricht dem des § 1 des jeweils geltenden Manteltarifvertrages der . . . § 2 Grundsatz der Entgeltumwandlung (1) Der Tarifvertrag regelt die Umwandlung tariflicher Entgelte zum Zwecke der Altersversorgung für den in § 17 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG in der Fassung des Art. 9 des AVmG vom 26. Juni 2001 genannten Personenkreis. (2) Es obliegt der freiwilligen Entscheidung der nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG in der Fassung des AVmG vom 26. Juni 2001 berechtigten Arbeitnehmer/-innen, ob sie von der Entgeltumwandlung Gebrauch machen. (3) Die Einzelheiten der Entgeltumwandlung sind zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer/-in schriftlich zu regeln. (4) Unbeschadet von Abs. 3 können weitere Einzelheiten der Entgeltumwandlung durch freiwillige Betriebsvereinbarungen2 geregelt werden. § 3 Höhe der Entgeltumwandlung Die/der Arbeitnehmer/-in kann verlangen, dass ihre/seine zukünftigen Entgeltansprüche bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung für betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Bei dieser Entgeltumwandlung dürfen 1/160 der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch nicht unterschritten werden. § 4 Umwandelbare Entgeltbestandteile und freiwillige Leistungen des Arbeitgebers (1) Bereits entstandene Entgeltansprüche können nicht umgewandelt werden. (2) Umgewandelt werden können ganz oder anteilig auf Verlangen der/des Arbeitnehmers/-in künftige Ansprüche auf a) laufende Entgeltbestandteile, b) die betrieblichen Sonderzahlungen, c) das Urlaubsgeld gemäß § . . . MTV sowie das Urlaubsgeld gemäß § . . . der Vereinbarung über die Vergütung für Auszubildende, 1 Der Text eignet sich als Verbandstarifvertrag ebenso wie als Haustarifvertrag. 2 Diese Vereinbarungen sind nicht erzwingbar.

1240 Haußmann

M 50.6

Tarifverträge

Kap. 50

d) die Leistungen nach dem Tarifvertrag über die Gewährung von vermögenswirksamen Leistungen. e) Durch freiwillige Betriebsvereinbarungen können auch sonstige zukünftige Ansprüche der Arbeitnehmer/-innen, zB aus Zeitwertguthaben, umgewandelt werden. Diese freiwilligen Betriebsvereinbarungen bedürfen der Zustimmung der Tarifvertragsparteien. (3) Durch freiwillige Betriebsvereinbarungen können hinsichtlich der Auswahl der Entgeltbestandteile iSd. Abs. 2 Einzelheiten festgelegt werden. Es ist dabei sicherzustellen, dass Entgelt bis zur in § 3 genannten Grenze von 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung umgewandelt werden kann. § 5 Fälligkeit des umwandelbaren Entgelts Die Abführung des umwandelbaren Entgelts kann monatlich oder in größeren zeitlichen Abständen erfolgen. Näheres kann in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung geregelt werden. In der schriftlichen Umwandlungsvereinbarung, die der Arbeitgeber mit dem/der Arbeitnehmer/-in trifft, ist ein Fälligkeitstermin festzulegen. Fehlt eine solche Festlegung, gilt als Fälligkeitstermin der 1. Dezember des Kalenderjahres, in dem das umzuwandelnde Entgelt fällig wäre. Die zur Umwandlung vorgesehenen Entgeltbestandteile bleiben bis zum Fälligkeitstermin unverzinst. Werden dabei vom Arbeitgeber Zahlungen für künftige, noch nicht fällige Ansprüche zugesagt, hat die/der Arbeitnehmer/-in die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht erdienten Anteile, die sich auf das Restjahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beziehen, dem Arbeitgeber zurückzuerstatten. § 6 Verfahren (1) Der/die Arbeitnehmer/-in ist an die jeweilige Entscheidung, tarifliche Entgeltbestandteile umzuwandeln, für zwölf Monate gebunden, es sei denn, die persönlichen Lebens- oder Einkommensverhältnisse ändern sich wesentlich. Die Bindungsdauer kann durch einzelvertragliche Vereinbarung verlängert werden. (2) Für die Berechnung von Ansprüchen aller Art (zB Entgeltfortzahlung, Urlaubsentgelt, betriebliche Sonderzahlungen) sind die Entgelte maßgeblich, die sich ohne Entgeltumwandlung ergeben würden. § 7 Durchführungsweg Der Arbeitgeber bietet dem/der Arbeitnehmer/-in für die Entgeltumwandlung einen oder mehrere Durchführungsweg(e) der privaten und/oder der betrieblichen Altersversorgung an.3 Es besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, einen förderfähigen Durchführungsweg anzubieten.4 Zu den Durchführungswegen können freiwillige Betriebsvereinbarungen geschlossen werden. Der/die Arbeitnehmer ist in seiner/ihrer Entscheidung frei, ob er/sie von dem betrieblichen Angebot Gebrauch macht oder/ und eine private Altersversorgung aufbaut. 3 Bei Abschluss einer Direktversicherung steht dem Arbeitgeber die Auswahl des Versicherungsunternehmens frei, BAG v. 19.7.2005 – 3 AZR 502/04 (A), NZA-RR 2006, 372. 4 Ob die Regelungsmacht der Tarifparteien diese Frage erfasst, ist streitig, vgl. Heither, NZA 2001, 1275, 1279.

Haußmann

1241

Kap. 50

Tarifverträge

M 50.6

§ 8 Unverfallbarkeit Bezüglich der durch Entgeltumwandlung aufgebauten Versorgungsanwartschaften gelten die gesetzlichen Regelungen. § 9 Wahrung betrieblicher Regelungen Bei Inkrafttreten dieses Tarifvertrages bestehende Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Individualvereinbarungen zur Entgeltumwandlung sowie zur betrieblichen Altersvorsorge sowie Anwartschaften aus solchen bleiben durch diesen Tarifvertrag unberührt und gelten unverändert weiter. Auch werden die Zugangsvoraussetzungen zu bestehenden Systemen der betrieblichen Altersvorsorge durch die Bestimmungen dieses Tarifvertrages nicht berührt. § 10

Betriebsratslose Betriebe

An die Stelle von freiwilligen Betriebsvereinbarungen, die dieser Tarifvertrag vorsieht, können in betriebsratslosen Betrieben entsprechende einzelvertragliche Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer/-in treten. Besteht ein Gesamtbetriebsrat, tritt dieser an die Stelle des fehlenden Betriebsrats. § 11

Inkrafttreten und Laufzeit

(1) Dieser Tarifvertrag tritt am 1. Januar . . . in Kraft. Er kann mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende, erstmals zum 31. Dezember . . . gekündigt werden. (2) Sofern durch gesetzliche Regelungen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, des BetrAVG oder anderer Vorschriften eine Änderung des Tarifvertrages zu den Regelungen zur Entgeltumwandlung notwendig wird, werden die Tarifvertragsparteien hierzu in Verhandlungen mit dem Ziel eintreten, die Entgeltumwandlung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben weiterhin zu ermöglichen. ... (Ort, Datum) ... (Unterschrift)

1242 Haußmann

... (Unterschrift)

M 50.7

Tarifverträge

Kap. 50

u

Verbandstarifvertrag1 zur Beschäftigungssicherung Zwischen dem Arbeitgeberverband ... ... ... und der Gewerkschaft ... ... ... wird Folgendes vereinbart: § 1 Geltungsbereich

Der Geltungsbereich dieses Tarifvertrags entspricht dem des § 1 des jeweiligen Manteltarifvertrages vom . . . mit Ausnahme der Auszubildenden. § 2 Absenkung der Arbeitszeit (1) Zur Vermeidung von Entlassungen und zur Sicherung der Beschäftigung kann durch freiwillige Betriebsvereinbarungen die wöchentliche Arbeitszeit befristet bis zur Dauer von neun Monaten für Arbeitnehmergruppen, einzelne Abteilungen, ganze Betriebsteile oder Betriebe auf bis zu 30 Stunden in der Woche verkürzt werden;2 Folgebetriebsvereinbarungen sind nach denselben Bedingungen möglich. Die Bezüge und sonstigen arbeitszeitbezogenen Leistungen werden entsprechend gekürzt. Die Jubiläumszahlungen gemäß § . . . MTV errechnen sich auf der Basis der vor der befristeten Arbeitszeitabsenkung vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Für Arbeitnehmer/-innen mit einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 38,5 Stunden wird die Arbeitszeit im gleichen Verhältnis abgesenkt wie bei Vollzeitbeschäftigten, jedoch nicht unter 20 Stunden. (2) Um die Absenkung der Gehälter zu vermeiden oder zu vermindern, können die Betriebsparteien Ausgleichszahlungen vereinbaren, die mit den tariflichen Jahresleistungen (betriebliche Sonderzahlung und/oder Urlaubsgeld) verrechnet werden. Soziale Härtefälle sind dabei zu vermeiden. Der Anspruch auf diese tariflichen Leistungen vermindert sich entsprechend. Die monatliche Fortführung der Dotierung der betrieblichen Altersvorsorge erfolgt auf der Basis der so berechneten Monatsvergütungen.

1 Die Inhalte dieses Entwurfes eignen sich auch als Grundlage eines Haustarifvertrages. In Haustarifverträgen können die Öffnungsklauseln zu Gunsten der Regelung durch Betriebsvereinbarung weggelassen werden. Praxistipp: Vor Aufnahme der Verhandlungen muss geprüft werden, ob arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge vereinbart sind. Nur wenn deren Formulierung auch einen solchen Tarifvertrag erfasst, gelangt der Tarifvertrag betriebsweit zur Anwendung. 2 Diese Absenkung kann, muss aber nicht zugleich Kurzarbeit iSd. §§ 95 ff. SGB III sein.

Haußmann

1243

50.7

Kap. 50

Tarifverträge

M 50.7

(3) Die Betriebsvereinbarung muss eine Regelung zur Mehrarbeit enthalten.3 (4) Während der Absenkung der Arbeitszeit zur Sicherung der Beschäftigung kann den Betroffenen gegenüber keine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden.4 (5) In betriebsratslosen Betrieben kann der Arbeitgeber die vorübergehende Absenkung der Wochenarbeitszeit einzelvertraglich mit dem Arbeitnehmer nach den obigen Regelungen durchführen. Besteht ein Gesamtbetriebsrat, tritt dieser an die Stelle des fehlenden Betriebsrats. § 3 Härteklausel I. Grundsatz 1. Zur Abwendung drohender Insolvenzen und/oder zum Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen oder bei vergleichbaren besonderen wirtschaftlichen Härtefällen kann von den tarifvertraglichen Bestimmungen durch befristete freiwillige Betriebsvereinbarungen abgewichen werden. 2. Gegenstand der Härtefallregelung können neben Bestimmungen über die tariflichen Gehälter auch diejenigen über das Urlaubsgeld gemäß § . . . MTV und die betriebliche Sonderzahlung gemäß § . . . MTV sein. II. Zustimmung der Tarifvertragsparteien Haben Arbeitgeber und Betriebsrat in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung eine Härtefallregelung vereinbart, ist diese beiden Tarifvertragsparteien schriftlich zur Zustimmung zuzuleiten. Tarifpartei auf der Arbeitgeberseite ist der Arbeitgeberverband . . ., auf der Arbeitnehmerseite die . . . Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, dass die Frage einer solchen Zustimmung pragmatisch behandelt und im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer und Unternehmen innerhalb von zwei Wochen nach Zugang entschieden wird. Schweigen gilt als Zustimmung. III. Betriebsratslose Betriebe Besteht im Betrieb kein Betriebsrat, so kann der Arbeitgeber die Härtefallregelung einzelvertraglich mit dem/den Arbeitnehmer/n unter Einhaltung der oben beschriebenen Grundsätze vereinbaren. Besteht ein Gesamtbetriebsrat, tritt dieser an die Stelle des fehlenden Betriebsrats. § 4 Inkrafttreten und Laufzeit Dieser Tarifvertrag tritt am 1. Januar . . . in Kraft.5 Er kann mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende, erstmals zum 31. Dezember . . . gekündigt werden. Eine Nachwirkung ist ausgeschlossen. Bestehen zum Zeitpunkt des Ablaufs des Tarifvertrages Betriebsvereinbarungen zu § 2 oder § 3, behalten diese ihre Gültigkeit bis zu ihrem vereinbarten Ablauf. Die Tarifvertragsparteien werden spätestens drei Monate vor Ablauf des Tarifvertrages in Gespräche darüber eintreten, ob der Tarifvertrag weitergeführt werden kann. 3 Der Abbau von Mehrarbeit soll Beschäftigungssicherungsvereinbarungen vorgehen. 4 S. auch das Verhältnis betriebsbedingter Kündigung zur Kurzarbeit, § 98 SGB III. 5 Zur Rückwirkung sog. Sanierungstarifverträge vgl. BAG v. 11.10.2006 – 4 AZR 486/05, NZA 2007, 634.

1244 Haußmann

M 50.8

Kap. 50

Tarifverträge

... (Ort, Datum) ... (Unterschrift)

... (Unterschrift)

u

Sozialplantarifvertrag Zwischen der XY AG und der Gewerkschaft . . . wird folgender Sozialplantarifvertrag vereinbart: 1. Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer der XY-AG, die von der Stilllegung des Standortes . . . betroffen sind. 2. Abfindung Arbeitnehmer, die nach einer betriebsbedingten Kündigung wegen der Stilllegung des Standortes . . . bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Kündigungsschutzklage erheben,1 erhalten eine Abfindung, die sich wie folgt errechnet: . . . Die XY-AG wird in der Kündigungserklärung darauf hinweisen, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Mitarbeiter bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. 3. Widerspruch des Betriebsrates Widerspricht der Betriebsrat im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung, hat der Mitarbeiter abweichend von Ziff. 2 dieses Tarifvertrages auch dann einen Anspruch auf Abfindung, wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung durch Klage geltend macht und in diesem Verfahren rechtskräftig unterliegt. In diesem Fall wird der Anspruch auf Zahlung der Abfindung erst fällig, wenn rechtskräftig feststeht, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet wurde. 4. Kündigungsfristen Betriebsbedingte Kündigungen wegen der Stilllegung des Standortes . . . werden unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfristen des Manteltarifvertrages vom . . . ausgesprochen.2 1 BAG v. 6.12.2006 – 4 AZR 798/05, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Sozialplan. 2 Ob auch die Verlängerung von Kündigungsfristen anlässlich einer Betriebsänderung durch Tarifvertrag vereinbart werden kann, ist fraglich.

Haußmann

1245

50.8

Kap. 51

Arbeitskampf

5. Anrechnung anderer Leistungen Sollte neben diesem Tarifsozialplan am Standort . . . ein betrieblicher Sozialplan gemäß § 112 BetrVG zustande kommen, werden Leistungen nach dem betrieblichen Sozialplan auf die tarifliche Abfindung nach Ziff. 2 dieses Tarifsozialplans angerechnet. Entsprechendes gilt für vor Abschluss dieses Tarifvertrages vertraglich zugesagte Abfindungen oder andere Leistungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Betriebsstilllegung, zB nach § 113 BetrVG oder §§ 9, 10 KSchG.3 6. Schlussbestimmung Dieser Tarifvertrag tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft und endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am . . . Er wirkt nicht nach. ... (XY-AG) 3

... (Gewerkschaft . . .)

Praxistipp: Die Anrechnung sollte sowohl im Tarifsozialplan als auch im betrieblichen Sozialplan (dazu BAG v. 14.11.2006 – 1 AZR 40/06, DB 2007, 173) klar geregelt sein.

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Kapitel 51

Arbeitskampf

Literaturübersicht: Bayreuther, Der Streik um einen Tarifsozialplan, NZA 2007, 1017; Benecke, Die Arbeitskampffreiheit in der Rechtsprechung des BAG, FS Buchner, 2009, S. 96; Berg/ Kocher/Platow/Schooof/Schumann, Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht, Basiskommentar, 4. Aufl. 2013; Bieder, Paradigmenwechsel im Arbeitskampf: Neue Bezugspunkte für die Verhältnismäßigkeitskontrolle von Sympathiestreiks, NZA 2008, 799; Boemke, Folgen der Tarifpluralität für das Streikrecht, ZfA 2009, 131; Buchner, Arbeitskampfrecht im Wandel, FS Hromadka, 2008, S. 39; Buchner, BB-Forum: Der Bahnstreik – und welche Lehren daraus zu ziehen sind, BB 2007, 2520; Buchner, Turbulenzen im Arbeitskampfrecht, BB 2008, 106; Donat/ Kühling, Arbeitskampf und Versammlungsrecht, ArbuR 2009, 1; Dütz, Vorläufiger Rechtsschutz im Arbeitskampf, BB 1980, 533; Emmert/Witt, Reaktionsmöglichkeiten bei einem Streik, FA 2007, 234; Engels, Verfassung Arbeitskampfrecht, Diss. 2008; Feudner, Zum Arbeitskampfrecht von Berufsgruppengewerkschaften, RdA 2008, 104; Fischer, Der blinde Fleck in der Wesentlichkeitslehre des Bundesverfassungsgerichts beim Arbeitskampfrecht – Ein arbeitsrechtlicher Zwischenruf aus der Praxis, RdA 2009, 287; Fischinger, Arbeitskämpfe bei Standortverlagerung und -schließung, Diss. 2006; Fischinger, Die Tarif- und Arbeitskampffähigkeit des verbandsangehörigen Arbeitgebers, ZTR 206, 518; Fischinger, Streik um Tarifsozialpläne?, NZA 2007, 310; Fischinger, Zur Begrenzung des Streikrechs durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, RdA 2007, 99; Gaul, Neue Felder des Arbeitskampfs: Streikmaßnahmen zur Erzwingung eines Tarifsozialplans, RdA 2008, 13; Glanz, Streikrecht zwischen Tarifeinheit und Verhältnismäßigkeit, NJW-Spezial 2007, 578; Grau, Streik um Tarifsozialplan, NJW 2007, 3360; Greiner, Der Arbeitskampf der GDL, NZA 207, 1023; Gumnior, Die Rechtmäßigkeit des Sympathiestreiks, Diss. 2007; Häuser, Bestreikbarkeit von Außenseiter-Arbeitgeber im Verbandsarbeitskampf?, FS Konzen, 2006, S. 217; Hergenröder, Internationales Arbeitskampfrecht, FS Birk, 2008, S. 197; Höfling, Streikbewehrte Forderungen nach Abschluss von Tarifsozialplänen anlässlich konkreter Standortentscheidungen – Eine verfassungsrechtliche Kritik der arbeitsrechtlichen Judikatur, ZfA 2008, 1; Höfling/Engels, Der Bahnstreik – oder: Offenbarungseid des Arbeitskampfrichterrechts?, NJW 2007, 3102; Hohenstatt/Schramm, Erneute Erweiterung des Kampfarse-

1246 Haußmann/Diller

Kap. 51

Arbeitskampf

5. Anrechnung anderer Leistungen Sollte neben diesem Tarifsozialplan am Standort . . . ein betrieblicher Sozialplan gemäß § 112 BetrVG zustande kommen, werden Leistungen nach dem betrieblichen Sozialplan auf die tarifliche Abfindung nach Ziff. 2 dieses Tarifsozialplans angerechnet. Entsprechendes gilt für vor Abschluss dieses Tarifvertrages vertraglich zugesagte Abfindungen oder andere Leistungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Betriebsstilllegung, zB nach § 113 BetrVG oder §§ 9, 10 KSchG.3 6. Schlussbestimmung Dieser Tarifvertrag tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft und endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am . . . Er wirkt nicht nach. ... (XY-AG) 3

... (Gewerkschaft . . .)

Praxistipp: Die Anrechnung sollte sowohl im Tarifsozialplan als auch im betrieblichen Sozialplan (dazu BAG v. 14.11.2006 – 1 AZR 40/06, DB 2007, 173) klar geregelt sein.

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Kapitel 51

Arbeitskampf

Literaturübersicht: Bayreuther, Der Streik um einen Tarifsozialplan, NZA 2007, 1017; Benecke, Die Arbeitskampffreiheit in der Rechtsprechung des BAG, FS Buchner, 2009, S. 96; Berg/ Kocher/Platow/Schooof/Schumann, Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht, Basiskommentar, 4. Aufl. 2013; Bieder, Paradigmenwechsel im Arbeitskampf: Neue Bezugspunkte für die Verhältnismäßigkeitskontrolle von Sympathiestreiks, NZA 2008, 799; Boemke, Folgen der Tarifpluralität für das Streikrecht, ZfA 2009, 131; Buchner, Arbeitskampfrecht im Wandel, FS Hromadka, 2008, S. 39; Buchner, BB-Forum: Der Bahnstreik – und welche Lehren daraus zu ziehen sind, BB 2007, 2520; Buchner, Turbulenzen im Arbeitskampfrecht, BB 2008, 106; Donat/ Kühling, Arbeitskampf und Versammlungsrecht, ArbuR 2009, 1; Dütz, Vorläufiger Rechtsschutz im Arbeitskampf, BB 1980, 533; Emmert/Witt, Reaktionsmöglichkeiten bei einem Streik, FA 2007, 234; Engels, Verfassung Arbeitskampfrecht, Diss. 2008; Feudner, Zum Arbeitskampfrecht von Berufsgruppengewerkschaften, RdA 2008, 104; Fischer, Der blinde Fleck in der Wesentlichkeitslehre des Bundesverfassungsgerichts beim Arbeitskampfrecht – Ein arbeitsrechtlicher Zwischenruf aus der Praxis, RdA 2009, 287; Fischinger, Arbeitskämpfe bei Standortverlagerung und -schließung, Diss. 2006; Fischinger, Die Tarif- und Arbeitskampffähigkeit des verbandsangehörigen Arbeitgebers, ZTR 206, 518; Fischinger, Streik um Tarifsozialpläne?, NZA 2007, 310; Fischinger, Zur Begrenzung des Streikrechs durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, RdA 2007, 99; Gaul, Neue Felder des Arbeitskampfs: Streikmaßnahmen zur Erzwingung eines Tarifsozialplans, RdA 2008, 13; Glanz, Streikrecht zwischen Tarifeinheit und Verhältnismäßigkeit, NJW-Spezial 2007, 578; Grau, Streik um Tarifsozialplan, NJW 2007, 3360; Greiner, Der Arbeitskampf der GDL, NZA 207, 1023; Gumnior, Die Rechtmäßigkeit des Sympathiestreiks, Diss. 2007; Häuser, Bestreikbarkeit von Außenseiter-Arbeitgeber im Verbandsarbeitskampf?, FS Konzen, 2006, S. 217; Hergenröder, Internationales Arbeitskampfrecht, FS Birk, 2008, S. 197; Höfling, Streikbewehrte Forderungen nach Abschluss von Tarifsozialplänen anlässlich konkreter Standortentscheidungen – Eine verfassungsrechtliche Kritik der arbeitsrechtlichen Judikatur, ZfA 2008, 1; Höfling/Engels, Der Bahnstreik – oder: Offenbarungseid des Arbeitskampfrichterrechts?, NJW 2007, 3102; Hohenstatt/Schramm, Erneute Erweiterung des Kampfarse-

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nals: Zulässigkeit von Unterstützungsstreiks, NZA 2007, 1034; von Hoyningen-Huene, Die einstweilige Verfügung im Firmenarbeitskampf, JuS 1990, 298; Isenhardt, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitskampf, FS Stahlhacke, 1995, S. 195; Junker, Das BAG und die Rechtmäßigkeit von Unterstützungsstreiks im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips, JZ 2008, 102; Junker, Grundfreiheiten und „kollektive Maßnahmen“ – Die Urteile des EuGH in Sachen Viking Line und Laval, SAE 2008, 209; Kamanabrou, Der Streik durch Spartengewerkschaften – Zulässigkeit und Grenzen, ZfA 2008, 241; Kappenhagen/Lambrich, Streik um Tarifsozialplan zulässig, BB 2007, 2238; Kissel, Arbeitskampfrecht, 2002; Kissel, Der Warnstreik, Rechtswissenschaft im Wandel 2007, S. 491; Kock, Zulässigkeit von Streikaufrufen für einen Tarifsozialplan, ZIP 2007, 1775; Kolbe, Kindergartenstreik und Konsequenzen, BB 2009, 1414; Konzen, Die erweiterte Zulassung des Unterstützungsstreiks, SAE 2008, 1; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitskampf, ArbRB 2008, 354; Korinth, Rechtsschutz bei Streik und Aussperrung, ArbRB 206, 189; Kreft, Zur Zulässigkeit von Unterstützungsstreiks, BB-Special 2008, Nr. 4, 11; Lipinski/Reinhardt, Wäre eine neue kombinierte Gewerkschaftsstrategie von Unterstützungsstreik mit Streik um einen Tarifsozialplan zulässig?, BB 2008, 2234; Loscher, Arbeitgeberreaktion auf Wellenstreiks in der Druckindustrie, Diss. 2007; Mair, Arbeitskampf und Arbeitsvertrag, Diss. 2008; Mayer-Maly, Die Kriterien der Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen, FS Richardi, 2007, S. 691; Melot de Beauregard, Die Rechtsprechung zum Arbeitskampfrecht in den Jahren 2004–2006, NZA-RR 2007, 393; Meyer, Arbeitskampf bei Tarifpluralität – oder: Was wäre wenn?, FS Adomeit, 2008, S. 459; Oberwinter, Streikmaßnahmen zum Durchsetzen von Haustarifverträgen, AuA 2008, 22; Olbertz/ Reinartz, Die erweiterten Kampfrechte der Gewerkschaften – Was Arbeitgeber künftig beachten müssen, ArbRB 2008, 320; Otto, Arbeitskampf und Schlichtungsrecht, 2006; Otto, Tarifzensur und Arbeitskampf, FS Konzen, 2006, S. 663; Paschke/Ritschel, Erstreikbarkeit von Tarifverträgen aus Anlass von Standortentscheidungen, ArbuR 2007, 110; Pfeiffer, Das System des Arbeitskampfrechts am Beispiel der Arbeitskampfmittel der Arbeitgeber, Diss. 2006; Pflüger, Verhandlungsparität beim Spezialistenstreik, RdA 2008, 185; Plöhn, Die Streikteilnahme während der Freizeit und deren Vergütung, SAE 2006, 196; Reichold, Verfassungsrechtliche Grenzen der Arbeitskampfverfügung, FS Buchner, 2009, S. 721; Rein/Wilcke, Folgefragen der „neuen Beweglichkeit“ im Arbeitskampf, NZA 2009, 1127; Reinartz/Obertz, Der Arbeitskampf im Ungleichgewicht: Rechtmäßigkeit von Unterstützungsstreiks?, DB 2008, 814; Ricken, Der Sozialplantarifvertrag als zulässiges Arbeitskampfziel?, ZfA 2008, 283; Rieble, Das neue Arbeitskampfrecht des BAG, BB 2008, 1506; Rieble, Flash-Mob – ein neues Kampfmittel?, NZA 2008, 796; Rieble, Urabstimmung als Streikvoraussetzung, FS Canaris, 2007, S. 1439; Rolfs/Clemens, Entwicklungen und Fehlentwicklungen im Arbeitskampfrecht, NZA 2004, 410; Rüthers, Zum Arbeitskampf im öffentlichen Dienst, NJW 2006, 970; Schäfer, Der einstweilige Rechtsschutz im Arbeitsrecht, 1996; Schlachter, Die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen gegen grenzüberschreitende Standortverlagerungen, FS Birk, 2008, S. 809; Schlochauer, Der Sympathie-, Solidaritäts-, Unterstützungsstreik, FS Buchner, 2009, S. 810; Schmitt-Rolfes, Lokführerstreik und Spartentarifvertrag – nur Probleme der Bahn?, AuA 2007, 583; Schneider/Sittard, Streik um Firmentarifsozialpläne, ZTR 2007, 590; Scholz, Bahnstreik und Verfassung, FS Bucher, 2009, S. 827; Schulte, Ausschreitungen und „wilde Streiks“, AuA 2006, 458; Spielberger, Die Rechte des Arbeitgebers im Arbeitskampf, Diss. 2009; von Steinau-Steinrück/Glanz, Dauerarbeitskämpfe durch Spartenstreiks – Die verbliebenen Kampfmittel der Arbeitgeber, NZA 2009, 113; Sunnus, Arbeitskampfrecht in Bewegung?, ArbuR 2008, 1; Wächtler, Streikgeschehen als anmeldepflichtige Versammlung, ArbuR 2009, 179; Walker, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitskampf, ZfA 1995, 185; Wank, Aktuelle Probleme des Arbeitskampfrechts, RdA 2009, 1; Willemsen/Stamer, Erstreikbarkeit tariflicher Sozialpläne: Die Wiederherstellung der Arbeitskampfparität, NZA 2007, 413; Wolff/Degenhardt, Streikteilnahme im Rahmen von Gleitzeitarbeit – Steuerungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer, BB 2006, 1965; Zwanziger, Arbeitskampf- und Tarifrecht nach den EuGH-Entscheidungen „Laval“ und „Viking“, DB 2008, 294.

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I. Einführung 1. Allgemeines 1

In Deutschland gibt es kein geschriebenes Streikrecht. Alle Versuche der letzten Jahrzehnte, eine Art „Streikgesetzbuch“ zu schaffen, sind an der Unvereinbarkeit der Standpunkte der Arbeitgeber und Gewerkschaften gescheitert. Die einzige existierende gesetzliche Vorschrift ist Art. 9 Abs. 3 GG. Darin wird das Streikrecht jedoch nur abstrakt und mittelbar garantiert, ohne dass Voraussetzungen oder Grenzen eines Streiks festgelegt wären. Das Arbeitskampfrecht in Deutschland ist deshalb ausschließlich Richterrecht.

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Weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass Arbeitskämpfe nur zur Durchsetzung von tariflichen Zielen geführt werden dürfen. Der „politische Streik“ zur Durchsetzung politischer Ziele ist deshalb unzulässig. Das gilt auch dann, wenn sich der Streik gegen arbeitsrechtliche Gesetzesvorhaben richtet (so waren beispielsweise die Flächenstreiks gegen die Kürzung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Mitte der 1990er Jahre klassische „politische Streiks“). Mittlerweile hält das BAG auch Sympathiestreiks/Unterstützungsstreiks für rechtmäßig (Streik in der zum Verlagskonzern gehörenden Druckerei, um die Redaktion beim Kampf um einen besseren Tarifvertrag bei der Zeitung zu unterstützen).1 Ausdrücklich für unzulässig erklärt sind Arbeitskampfmaßnahmen zur Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Streitigkeiten (§ 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind ausschließlich über die Einigungsstelle (§ 76 BetrVG) oder das Arbeitsgericht zu klären.

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Die klassischen Kampfmittel sind Streik und Aussperrung. Das von den Gewerkschaften seit jeher geforderte Aussperrungsverbot ist nie Gesetz geworden und auch von der Rechtsprechung nie nachvollzogen worden. Massenkündigungen als theoretisch denkbares Kampfmittel der Arbeitnehmerseite sind bislang nicht bekannt geworden und wären wegen des hohen Risikos des Arbeitsplatzverlustes auch sicherlich kein geeignetes Kampfmittel. Vereinzelt ist es in der Vergangenheit im Zuge von Streiks zu Betriebsblockaden, Betriebsbesetzungen und Boykotten gekommen. Nach herrschender Auffassung sind solche Kampfmaßnahmen unzulässig und können mit den allgemeinen strafrechtlichen (Hausfriedensbruch), zivilrechtlichen (Schadensersatz) sowie arbeitsrechtlichen (fristlose Kündigung) Instrumenten bekämpft werden. Allerdings hat das BAG2 sog. „Flashmob“-Aktionen im Einzelhandel als nicht generell unzulässig angesehen, obwohl sie starke Verwandtschaft zu Betriebsblockaden aufweisen und mit der klassischen Zurückbehaltung der Arbeitskraft nichts zu tun haben. Kommt es zu Streiks, spielen aufseiten der Arbeitgeber Sekundärmaßnahmen zur Eingrenzung der Streikfolgen und des Streikerfolges eine Rolle, zu nennen ist insbesondere die Einstellung von Streikbrechern sowie die Zusage und Zahlung von Streikbruchprämien.

2. Friedenspflicht 4

Zwischen den Parteien eines Tarifvertrages besteht für die Geltungsdauer des jeweiligen Tarifvertrages eine gesetzliche „Friedenspflicht“, die jegliche Arbeitskampfmaß1 BAG v. 19.6.2007, DB 2007, 2038. 2 BAG v. 22.9.2009, DB 2009, 2792.

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nahmen ausschließt. Während der Dauer dieser schuldrechtlich wirkenden Friedenspflicht sind Arbeitskampfmaßnahmen jeglicher Art stets unzulässig. Gemäß § 328 BGB (Geschäft zu Gunsten Dritter) wirkt die schuldrechtliche Friedenspflicht bestehender Tarifverträge nicht nur zwischen den Tarifvertragsparteien (Gewerkschaft bzw. Arbeitgeberverband), sondern auch zu Gunsten des einzelnen verbandsangehörigen Arbeitgebers. Dieser kann also aus der Friedenspflicht gegen streikende Gewerkschaften unmittelbar vorgehen und insbesondere der Gewerkschaft Streikmaßnahmen verbieten lassen. Aus der Verbandsbezogenheit der Friedenspflicht folgt, dass ein ausgetretenes Verbandsmitglied trotz der Fortgeltung der Tarifverträge nach § 3 TVG sofort das Opfer eines Streiks werden kann. Heftig umstritten ist die Frage, ob die Friedenspflicht aus bestehenden Verbandstarifverträgen Arbeitskampfmaßnahmen gegen einzelne verbandsangehörige Arbeitgeber ausschließt, wenn diese Arbeitskampfmaßnahmen zu dem Ziel eingesetzt werden, mit dem bestreikten Arbeitgeber einen (günstigeren) Haustarifvertrag abzuschließen.3

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Während der Dauer der Friedenspflicht sind nicht nur sog. „Erzwingungsstreiks“ unzulässig, sondern auch „Warnstreiks“.

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3. Streikbeteiligung Nach einhelliger Auffassung sind alle Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebes berechtigt, sich an dem Streik zu beteiligen. Das gilt auch für nicht organisierte Arbeitnehmer, die der streikführenden Gewerkschaft nicht angehören. Dies soll aus Art. 9 Abs. 3 GG folgen („Grundsatz der Einheit der Belegschaft“), außerdem wären ohne die Beteiligung Außenstehender die Gewerkschaften in vielen Branchen mit niedrigem Organisationsgrad praktisch nicht streikfähig. Als Gegengewicht ist selbstverständlich auch die Aussperrung nicht nur gegenüber den organisierten Arbeitnehmern zulässig, sondern gegenüber der gesamten Belegschaft. Eine selektive Aussperrung, die sich nur auf Gewerkschaftsmitglieder beschränkt, kann sogar unzulässig sein.

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4. Wilder Streik Ein Streik ist nur dann zulässig, wenn er von einer Gewerkschaft organisiert und durchgeführt wird. Erforderlich ist also immer ein gewerkschaftlicher Streikaufruf. Ohne Organisation durch eine Gewerkschaft sind einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen nicht streikberechtigt. Das Verbot unorganisierter „wilder“ Streiks kann auch nicht durch die Bildung von Ad-hoc-Koalitionen umgangen werden. Möglich ist allerdings, dass eine Gewerkschaft eine bereits eingeleitete wilde Streikmaßnahme nachträglich übernimmt.

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5. Ultima-Ratio-Prinzip Nach ständiger Rechtsprechung des BAG darf ein Arbeitskampf (Streik oder Aussperrung) stets nur die Ultima Ratio sein, so dass alle Verhandlungsmöglichkeiten 3 Vgl. dazu Henssler, ZfA 1998, 517; Bauer/Haußmann, DB 1999, 1114; Leuchten/Melms, DB 1999, 1803; Lieb, DB 1999, 2058; BAG v. 10.12.2002, DB 2003, 1116.

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ausgeschöpft sein müssen. Allerdings geht das BAG seit jeher von der Vermutung aus, dass ein gewerkschaftlicher Streik rechtmäßig ist. Seit 1988 fordert das BAG auch nicht mehr, dass vor Beginn des Streiks die Verhandlungen förmlich für gescheitert erklärt worden sind. Vielmehr soll in der Einleitung von Kampfmaßnahmen (auch eines Warnstreiks) die konkludente Erklärung liegen, dass die Verhandlungen gescheitert seien. Eine gesetzliche Verpflichtung der Gewerkschaften, vor dem Streikaufruf eine Urabstimmung durchzuführen, gibt es nicht, wenngleich die Satzungen praktisch aller Gewerkschaften dies intern vorsehen.

6. Ausgestaltung von Streiks 10

Ein Streik ist nichts anderes als die kollektive Zurückbehaltung der Arbeitsleistung, selbstverständlich mit der Folge, dass an die Streikenden kein Lohn zu zahlen ist. Die Zurückbehaltung der Arbeitsleistung ist grundsätzlich das einzige legale Kampfmittel der Arbeitnehmer. Sie dürfen den Betrieb weder besetzen noch ihn blockieren (zB durch das Versperren der Zufahrten). Das Aufstellen von Streikposten ist zulässig, wenn sich die Streikposten darauf beschränken, auf die arbeitswilligen Arbeitnehmer bei Betreten des Betriebes verbal einzuwirken. Streikgassen müssen ausreichend breit sein (mindestens drei Meter), und das Einfahren arbeitswilliger Arbeitnehmer mit Bussen in den Betrieb darf nicht verhindert werden.

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Zutrittsrechte der streikenden Mitarbeiter sowie der den Streik organisierenden Gewerkschaftsvertreter zum Betrieb bestehen nicht. Es dürfen auch keine Streikaufrufe im Betrieb ausgehängt werden. Auch Streikversammlungen im Betrieb sind unzulässig. Gegen rechtswidrige Streikmaßnahmen kann sich der Arbeitgeber mit einstweiligen Verfügungen wehren (vgl. M 51.2).

7. Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers 12

Der Arbeitgeber kann grundsätzlich versuchen, die streikenden Arbeitnehmer durch Aushilfen oder Neueinstellungen („Streikbrecher“) zu ersetzen und damit seine Produktion aufrechtzuerhalten. Bei solchen Personalmaßnahmen ruht nach der Rechtsprechung des BAG4 das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. Natürlich besteht stets das Risiko, dass sich die zunächst als „Streikbrecher“ eingestellten Aushilfen selbst am Streik beteiligen, dies kann vertraglich nicht abbedungen werden.

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Für die Dauer des Streiks steht es dem Arbeitgeber frei, den bestreikten Betrieb bzw. Betriebsteil stillzulegen („Dritter Weg“). Damit vollzieht der Arbeitgeber letztlich nur das, was die Gewerkschaft mit dem Streik erreichen wollte. Folge der Schließung ist, dass auch die an sich arbeitswilligen Arbeitnehmer keinen Lohnanspruch haben. Der „dritte Weg“ ist kein Kampfmittel im eigentlichen Sinne, da das Kampfgebiet nicht ausgeweitet wird. Denn die Stilllegung darf der Arbeitgeber immer nur im Rahmen des personellen, sachlichen und zeitlichen Streikaufrufs vollziehen. Im Übrigen ist stets eine ausdrückliche und eindeutige Erklärung des Arbeitgebers erforderlich, dass er die Arbeitsleistung der arbeitswilligen Arbeitnehmer nicht annehme. Es reicht nicht, wenn der Arbeitgeber sich bloß alle Reaktionsmöglichkeiten „offen hält“.5 4 BAG v. 19.2.1991, AP Nr. 26 zu § 95 BetrVG. 5 BAG v. 22.3.1994, NZA 1994, 1097; v. 11.7.1995, DB 1996, 223.

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Soweit Interessen der Allgemeinheit berührt sind (Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser, Atomkraftwerke) oder aber die Zerstörung von Produktionsanlagen oder der Verderb teurer Rohstoffe droht, ist die streikführende Gewerkschaft verpflichtet, sich mit dem Arbeitgeber auf die Einrichtung eines Notdienstes zu verständigen. Die Einzelheiten (nur einvernehmliche Regelung oder einseitiges Anordnungsrecht des Arbeitgebers?) sind streitig (s. M 51.3).

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8. Streikfolgen Rechtsfolge des Streiks ist für die streikenden Arbeitnehmer grundsätzlich der Verlust des Lohnanspruchs für die Dauer des Streiks. Ihren Lohnanspruch verlieren auch alle anderen Arbeitnehmer des Betriebs, die sich nicht an dem Streik beteiligt haben, wenn auf Grund des Teilstreiks dem Arbeitgeber die Annahme der Leistungen der arbeitswilligen Arbeitnehmer nicht möglich oder nicht zumutbar war, oder er die Schließung des Betriebes („Dritter Weg“, s. Rz. 13) beschlossen hat. Ihren Lohnanspruch verlieren auch die Arbeitnehmer in nicht bestreikten Betrieben, wenn auf Grund des Streiks (zB bei einem Zulieferer oder Lieferanten) die Produktion in ihrem Betrieb eingestellt werden muss. Das gilt allerdings nur, soweit es sich um Unternehmen der gleichen Branche und des gleichen Tarifgebiets handelt, so dass das erstreikte Tarifergebnis auch den mittelbar betroffenen Arbeitnehmern zugute käme. Sind dagegen Arbeitnehmer anderer Branchen betroffen (wegen des Streiks im Metallwerk muss der Kiosk am Werkstor vorübergehend schließen), behalten die Arbeitnehmer grundsätzlich ihren Lohnanspruch (Betriebsrisiko des Arbeitgebers), allerdings kann bei Vorliegen sonstiger Voraussetzungen Kurzarbeit angeordnet und Kurzarbeitergeld bezogen werden. Höchst umstritten sind die Fälle, in denen auf Grund des Streiks die Arbeit in Unternehmen der gleichen Branche, aber außerhalb des Tarifgebiets ausfällt (vgl. §§ 160, 100 SGB III).

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9. Schlichtung Anders als in den meisten anderen europäischen Ländern existiert in Deutschland kein gesetzliches Schlichtungsrecht. Daraus folgt zunächst, dass eine staatliche Zwangsschlichtung unzulässig ist. In vielen Branchen haben die Tarifvertragsparteien allerdings tarifliche Schlichtungsabkommen geschlossen, die vorsehen, dass vor der Durchführung von Streikmaßnahmen ein Schlichtungsverfahren stattzufinden hat. Üblicherweise sehen solche Schlichtungsvereinbarungen keinen bindenden Spruch des Schlichters vor. Vielmehr macht der Schlichter nur Vorschläge, über deren Annahme oder Ablehnung anschließend die Tarifvertragsparteien autonom entscheiden.

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10. Streikprämien/Maßregelung Nicht selten versprechen bestreikte Arbeitgeber den arbeitswilligen Arbeitnehmern besondere Prämien für den Fall, dass diese trotz des Streikaufrufs zur Arbeit erscheinen. Wegen § 612a BGB (Maßregelungsverbot) darf nach der Rechtsprechung6 eine Streikprämie nicht für den bloßen Streikbruch an sich gezahlt werden, sondern nur zum Ausgleich besonderer Härten, die mit der Tätigkeit während des Streiks ver6 BAG v. 28.7.1992, DB 1993, 232; v. 13.7.1993, DB 1993, 1479.

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bunden waren (zB Überstunden, höhere Anforderungen wegen des Ausfalls von Kollegen etc.). Die Härten müssen tatsächlich bestanden haben, und die Prämie muss sich in einer angemessenen Höhe bewegen. Ansonsten haben nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz auch die streikenden Arbeitnehmer Anspruch auf die Prämie. 18

Üblicherweise wird nach dem Ende eines Streiks zwischen den Tarifvertragsparteien ein sog. „Maßregelungsverbot“ vereinbart. Häufig ist fraglich, welche Folgen ein solches Maßregelungsverbot hat. Keinesfalls damit verbunden ist der Verzicht des Arbeitgebers darauf, den streikenden Arbeitnehmern für die Zeit des Streiks Lohn und Gehalt zu kürzen. Aus einem Maßregelungsverbot kann allerdings auch ein Anspruch der streikenden Arbeitnehmer auf Zahlung einer Streikbruchprämie entstehen, die ursprünglich nur den nicht streikenden Arbeitnehmern zugesagt war. Im Einzelfall zu prüfen ist auch, ob ein Maßregelungsverbot den Verzicht auf Schadensersatzforderungen wegen Streikexzessen umfasst.

II. Muster 51.1

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Einstweilige Verfügung gegen rechtswidrigen Streik1, 2

An das Arbeitsgericht3, 4 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung In Sachen

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. . .-AG, vertreten durch den Vorstand (Name, Firmenadresse) – Antragstellerin6 – 1 Vgl. zunächst die allgemeinen Muster zum einstweiligen Rechtsschutz, insbesondere M 107.1. 2 Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn eine wirksame Schlichtungsabrede oder ein Schlichtungsabkommen existiert. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass selbst bei Bestehen einer Schiedsabrede die staatlichen Gerichte für den Erlass einstweiliger Verfügungen zuständig bleiben (BGH v. 28.10.1993, NJW 1994, 136; Zöller/Vollkommer, Vor § 916 ZPO Rz. 4; vgl. §§ 1033 und 1041 Abs. 1 ZPO). 3 Geht es um tarifliche Arbeitskämpfe, so ist ohne weiteres der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben. Entschieden wird nicht im Beschlussverfahren (§ 2a ArbGG), sondern im Urteilsverfahren. Problematisch ist die Frage des Rechtswegs allerdings bei politischen Streiks, also zB Streikaktionen gegen geplante arbeitsrechtliche Gesetze. Hier soll nach Auffassung des BGH (v. 29.9.1954, AP Nr. 2 zu § 2 ArbGG 1953; aA zB Germelmann/Matthes/ Prütting/Müller-Glöge, § 2 ArbGG Rz. 36; Löwisch, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht, E Rz. 410 mwN) nur der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sein. Sachgerechter erscheint hier die Zuständigkeit des (regelmäßig sachnäheren) Arbeitsgerichts. 4 Wie alles beim einstweiligen Rechtsschutz gegen Arbeitskampfmaßnahmen ist auc