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German Pages 301 [302] Year 2019
Katja Reetz Andreas Gryphius: Mumiae Wratislavienses
Frühe Neuzeit
Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext Herausgegeben von Achim Aurnhammer, Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller, Martin Mulsow und Friedrich Vollhardt
Band 225
Katja Reetz
Andreas Gryphius: Mumiae Wratislavienses Edition, kommentierte Übersetzung und Werkstudie mit ausführlicher wissensgeschichtlicher Einleitung
ISBN 978-3-11-059497-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-059355-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-059275-7 ISSN 0934-5531 Library of Congress Control Number: 2018965822 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhalt 1 1.1 1.2
1 Einleitung 2 Forschungsstand Gegenstand und Methode
2 2.1 2.1.1
2.4 2.5
Mumien in der Frühen Neuzeit. Eine Wissensgeschichte 8 9 Wissenstransfer. Mumien in medizinischen Texten Constantinus Africanus und die Rezeption der arabischen 10 Medizin 13 Mumia und pissasphaltum: Balsamierungsmittel Die Wiederentdeckung ägyptischer Mumien in ihrem historischen 16 Umfeld In Ägypten bei den Pyramiden. Verortung im geografischen 17 Weltbild Mumien, Teufel, Dämonen. Verortung im christlichen 25 Weltbild 29 Die erste Mumienschrift: Belons De medicato funere (1553) 33 Körperdarstellungen 38 Objekttransfer. Ägyptische Mumien in Europa 39 Die Mumie als Ausstellungsstück Kirchers De Mumiis (1654) im Kontext früher 51 Ägyptenstudien 59 Mumiensektionen 63 Zwischenfazit: Mumienstudien um 1660
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2
Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar 67 Editorischer Bericht 67 Überlieferungslage 70 Zur vorliegenden Ausgabe 76 Text und Übersetzung 164 Stellenkommentar
4 4.1
194 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie Gryphius und die Mumien. Zur Einordnung der Thematik 195 in sein Werk Von der Untersuchung zum Text. Entstehungsgeschichte 200 1658: Die Breslauer Mumiensektion 208 1662: Mumiae Wratislavienses
2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2
4.2 4.2.1 4.2.2
5
67
200
VI
Inhalt
Mumien- und Ägyptenbild 211 Leitprinzip Glaubwürdigkeit. Zur formalen Gestaltung 213 des Traktats 214 Wissenschaft und Erzählung 219 Vorbild Anatomie. Die Darstellung der Breslauer Sektion Autorisierungsverfahren und Darstellungsformen neuer 224 Wissensansprüche 225 Der Mumifizierungsprozess − Autopsie und Autorität Das Ende der Mumifizierungssitte − Aegyptologus philologus 229 oder Contra Kircherum 234 Mumien und Dämonen − Evidenz der Erfahrung 237 Lob der Empirie. Zugänge zum Wissenschaftsverständnis 246 „Bonus libellus, eruditus“. Rezeption
4.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.3.1 4.4.3.2 4.4.3.3 4.5 4.6 5
255
Fazit
Anhang: Mumiae Wratislavienses – Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis
261
Abbildungsverzeichnis
263
265 Literaturverzeichnis 265 Quellen Forschungsliteratur Register Danksagung
285 295
276
259
1 Einleitung Die 1662 erschienenen Mumiae Wratislavienses, eine gelehrte Schrift über ägyptische Mumien von Andreas Gryphius, sind trotz ihres berühmten Autors ein wenig beachteter Text. Die Editionsbemühungen der letzten Jahre um Gryphius’ Werk haben die 120 Seiten schmale Abhandlung übergangen, sodass die einzige erhaltene lateinische Prosaschrift zugleich die letzte Schrift des Schlesiers ist, die noch nicht in einer Neuausgabe vorliegt.1 Die Vernachlässigung des Textes spiegelt sich auch in den neueren Biografien wider: Szyrocki, Flemming und Mannack widmen den Mumiae Wratislavienses lediglich einen kleinen Eintrag mit wenigen Zeilen; Kaminski erwähnt nur die dem Traktat vorangegangene Mumiensektion in Breslau, der das Werk seinen Namen verdankt, in einem Nebensatz.2 Auch in den Beschreibungen der drei anderen Biografen spielt die Untersuchung zweier ägyptischer Mumien aus dem Besitz des Apothekers Jakob Krause im Jahre 1658 eine größere Rolle als der Text selbst. Dabei wird auf ein medizinisches Interesse Gryphius’ hingewiesen sowie auf seine Begeisterung für das anatomische Theater der Universität Leiden, an der er studiert hatte, ohne jedoch auf die unterschiedlichen Erkenntnisabsichten von anatomischen und Mumienuntersuchungen einzugehen.3 Szyrocki ergänzt außerdem, dass Mumien damals in Apotheken zu Pulver zermahlen zur Arzneiherstellung genutzt wurden.4 Das ist zwar richtig, hat mit Gryphius’ Motivation, sich mit Mumien zu beschäftigen, jedoch wenig zu tun. Die mangelhafte Einordnung der Mumiae Wratislavienses sowohl innerhalb von Gryphius’ Œuvre als auch im Kontext ihrer Zeit ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die frühneuzeitliche Mumienkunde ein beinahe unerforschtes Gebiet ist. Eine Auseinandersetzung hiermit zeigt zweierlei: Einerseits, dass Gryphius’ Bemühungen ein hochaktuelles Interessengebiet der zeitgenössischen Gelehrtenschaft bedienen, das weit über den medizinischen Bereich hinausgeht. Andererseits eröffnen sich dadurch vielfältige Anknüpfungspunkte zu seinem übrigen Werk.
1 Ralf Georg Czapla gab drei lateinische Epen des frühen Gryphius heraus (Gryphius 1999), Beate und Ralf Georg Czapla die lateinische Kleinepik, Epigrammatik und Gelegenheitsdichtung (Gryphius 2001), Johannes Birgfeld den historisch-literarischen Bericht Fewrige Freystadt (Gryphius 2006) und Johann Anselm Steiger eine Sammlung der auf Deutsch verfassten Leichabdankungen (Gryphius 2007). 2 Vgl. Szyrocki 1964, S. 35, Flemming 1965, S. 69, Mannack 1986, S. 104 f., Kaminski 1998, S. 32. 3 Vgl. Szyrocki 1964, S. 35, Kaminski 1998, S. 32. Mannack 1986, S. 104, nennt neben einem „medizinische[n] Interesse“ den Wunsch, Aufschluss über die „Praktiken“ der Ägypter zu erhalten. 4 Vgl. Szyrocki 1964, S. 35. https://doi.org/10.1515/9783110593556-001
2
1 Einleitung
Ziel dieser Arbeit ist eine grundlegende Aufbereitung von Text und Kontext der Mumiae Wratislavienses, um damit – wie einst bei den Leichabdankungen5 – einen Impuls für die Neubewertung der Schrift in ihrer Bedeutung für Gryphius’ Schaffen zu geben.
1.1 Forschungsstand Die Mumiae Wratislavienses liegen bisher nur im Druck von 1662 vor. Es fehlen jedoch eine kritische Neuedition sowie eine Gesamtübersetzung des Textes. Von der neueren Forschung blieb die Abhandlung unbeachtet, bis der französische Literaturwissenschaftler Jean-Baptiste Neveux sich ihnen 1964 in dem Aufsatz Andreas Gryphius et les momies erstmals widmete. Darin stellt er die damals noch schwer zugängliche Schrift in ihren Grundzügen vor: Streng dem Textverlauf folgend zitiert und übersetzt er zahlreiche Passagen, hebt wesentliche Aussagen hervor und kommentiert Andeutungen. Neveux versteht die Schrift einerseits als wissenschaftliche Studie zu Mumien, andererseits als Beitrag zu einem zentralen Thema von Gryphius’ literarischem Schaffen: der Tod und die letzten Dinge.6 Die zweite umfangreichere Arbeit zu den Mumiae Wratislavienses legte der polnische Ägyptologe Joachim Śliwa vor. Seine Aufmerksamkeit ist dem Umstand zu verdanken, dass eine der insgesamt drei Mumien aus dem Besitz des Breslauer Apothekers Krause bis heute erhalten blieb und zur Ausstellung in der Sammlung des Instituts für Anthropologie7 der Universität Wrocław vorbereitet wurde, an der Śliwa mitwirkte. Seinen Aufsatz sieht er als Beitrag zur Kulturgeschichte Schlesiens und beschäftigt sich vor allem mit dem Breslauer Kontext der damaligen Mumiensektion. Speziell interessieren ihn Herkunft und Verbleib der drei Mumien und die Protagonisten der Untersuchung. Er weist aber auch auf die Bedeutung der Schrift für das Ägypten- und Mumienwissen der Frühen Neuzeit und als Quelle für Themen aus Gryphius’ literarischem Werk, etwa das Übernatürliche oder die Vergänglichkeit, hin.8 Jüngst steuerte Śliwa auch für das 2016 erschienene Gryphius-Handbuch einen Beitrag bei, der auf den Ergebnissen der vorigen Studie basiert, jedoch auch den Inhalt des Werks etwas genauer in den Blick nimmt.9
5 6 7 8 9
Vgl. Mannack 1986, S. 103. Vgl. Neveux 1964, S. 462. Heute: Institut für Humanbiologie. Vgl. Śliwa 2003, S. 4. Vgl. Śliwa 2016.
1.1 Forschungsstand
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Zuletzt hat sich Hania Siebenpfeiffer den Mumiae Wratislavienses ausführlicher gewidmet. In ihrer Studie zu Mumien und Gespenstern als Manifestationen des Unheimlichen nimmt sie eine Verortung der Mumien innerhalb der kulturellen Ordnung des 17. Jahrhunderts vor. Hierfür werden erstmals zahlreiche Texte verschiedener Genres und Formen, in denen Mumienwissen kursierte, versammelt. Die Mumiae Wratislavienses werden dem medizinischen Wissensfeld zugeordnet und als Zeugnis für ein Interesse an Mumien als anatomischem Studienobjekt gelesen, das zugleich Raum für eine Diskussion der vermeintlich magischen Mumienkräfte und – vor allem durch die thematische Nähe zu den biblischen Balsamierungen – für theologische Implikationen biete.10 Siebenpfeiffers Aufsatz hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die Mumiae Wratislavienses mit Blick auf das frühneuzeitliche Mumienwissen zu lesen. Zu diesem Thema ist jedoch wenig bekannt. Eine systematische Studie gibt es nicht und viele der grundlegenden und zumeist lateinischen Texte – etwa Pierre Belons De medicato funere, Joachim Strupps Consensus super mumia, Giovanni Nardis Exkurs in seiner De rerum natura-Ausgabe oder Athanasius Kirchers De Mumiis – liegen bisher weder in edierter Form vor noch waren sie je Gegenstand weiterführender Studien. Nur ein Teilbereich der frühen Mumienkunde kann als gut erforscht gelten: die Medizingeschichte. Zahlreiche Arbeiten haben die Bedeutung von Mumien als Arznei in Mittelalter und früher Neuzeit herausgearbeitet.11 Der Schwerpunkt liegt hier auf der Frage, wie das mumia12 genannte Heilmittel angekauft, gewonnen, verarbeitet und angewandt wurde. Häufig spielen zugleich andere pharmazeutische Produkte, die ebenfalls die Bezeichnung mumia trugen, jedoch nicht aus ägyptischen Mumien hergestellt wurden, eine Rolle: etwa in der Wüste vertrocknete oder durch Zeitgenossen nachgeahmt mumifizierte Leichname oder die abstrakte spiritualistische Kraft, die die Paracelsisten durch unterschiedliche Verfahren und in verschiedenen Formen aus menschlichen Körpern
10 Vgl. Siebenpfeiffer 2005, S. 113–115. 11 Immer noch grundlegend: Meyer-Hicken 1978 und Dannenfeldt 1985. Vgl. außerdem: Wiedemann 1906, Dawson 1927, Caesar 1992, Prioreschi 1996, El Daly 2005, S. 95–107 (für den arabischen Raum), Gomez-Géraud 2008, Kopp 2010 (beschränkt auf die Schweiz) und besonders Godfraind-De Becker 2010. 12 Das Wort mumia geht auf das persische mūm (Wachs) zurück. Es bezog sich zunächst nur auf mineralische Substanzen wie Erdwachs oder Pechasphalt, die medizinisch genutzt wurden. Dann wurde die Bezeichnung mumia wegen der Ähnlichkeiten zu diesen Substanzen auch für die Flüssigkeit, die aus ägyptischen Mumien heraustritt, verwendet und später schließlich auf den ganzen Leichnam übertragen. Vgl. Tazi 1998, S. 268. Zur Abgrenzung der Begriffe wird in dieser Arbeit ‚mumia‘ für die aus Mumien gewonnenen Heilsubstanzen geschrieben.
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1 Einleitung
zu gewinnen glaubten.13 Dabei werden stets größere Zeiträume betrachtet. Eine detaillierte Darstellung der historischen Genese der Mumienthematik im 16. und 17. Jahrhundert fehlt. Auch geht es diesen Studien freilich nicht darum aufzuzeigen, welches Mumienwissen die medizinischen Texte bezeugen. Die Ägyptologie hat punktuell Interesse für den Umgang mit Mumien in der Frühen Neuzeit gezeigt. Anlässlich der genauen Untersuchung einer Mumie, die sich seit mindestens 1651 in Lübeck befindet, haben Germer et al. auf Basis zeitgenössischer, auf Deutsch vorliegender Texte die medizin- und kulturhistorischen Hintergründe nachgezeichnet, um die Bedeutung eines so frühen Exemplars herauszustellen.14 Im Allgemeinen werden frühneuzeitliche Mumienstudien in der ägyptologischen Forschung jedoch als unwissenschaftliche Vorgeschichte der Disziplin übergangen oder höchstens am Rande erwähnt.15 Aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive gibt es neben dem erwähnten Aufsatz von Siebenpfeiffer keine übergreifende Studie zu Mumien in der Frühen Neuzeit. Gelegentlich wird die Thematik als Teil größerer Fragestellungen aufgegriffen: Dannenfeldt etwa bezieht sie in seinem Aufsatz über vormoderne Ägyptenstudien mit ein, geht aber, abgesehen von der Anmerkung, dass die ägyptischen Leichname auch für Sammler interessant waren, nicht über den Kontext der medizinischen Nutzung von Mumien hinaus.16 Wolff widmet sich in ihrer Arbeit zu frühen Ägyptenreisen u. a. der Entdeckung der Pyramiden und Mumiengräber. Zum letzten Punkt illustriert sie allerdings lediglich, vor allem anhand langer Zitate, die Erlebnisse zweier Reisender bei Grabungen nach Mumien.17 Amin trägt in seiner Studie zum Ägyptenbild der deutschsprachigen Reiseliteratur vom 12. bis ins 17. Jahrhundert die Darstellungen von Mumiengräbern und Mumienkörpern bei vier Autoren zusammen und betont, dass es sich hierbei um ein neues Element frühneuzeitlicher Texte handelt.18 Für die literaturwissenschaftliche Forschung im engeren Sinne ist das Thema kaum von Relevanz, denn Mumienwissen in literarischen Texten der Frühen Neuzeit ist höchst selten. In den Untersuchungszeitraum dieser Arbeit fallen lediglich eine kurze Bemerkung
13 Zur mumia spiritualis vgl. Meyer-Hicken 1978, S. 29–35. 14 Vgl. Germer et al. 1995. 15 Vgl. bspw. Dunand / Lichtenberg 2006, S. 133 f. Frühe Mumiensektionen bleiben hier unerwähnt, diejenigen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden als „pseudoscientific veneer“ klassifiziert. Erst den Brüdern Champollion, die im französischen Grenoble eine Mumie aus ptolomäischer Zeit auswickelten und untersuchten, spricht man Wissenschaftlichkeit zu (ebd., S. 134, ohne weitere Angaben oder Verweise zu dieser Sektion). Ebd., S. 133: „The scientific study of mummies began with Egyptology.“ 16 Dannenfeldt 1959, S. 16–23. 17 Wolff 2003, S. 181–194. 18 Amin 2013, S. 298–300.
1.2 Gegenstand und Methode
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in Shakespeares Othello und eine Passage in Gryphius’ Cardenio und Celinde.19 Letztere sowie eine weitere in Daniel Casper von Lohensteins Trauerspiel Cleopatra wurden bereits von Siebenpfeiffer in ihre Studie miteinbezogen.20
1.2 Gegenstand und Methode Die vorliegende Arbeit ist der Erschließung von Text und Kontext der Mumiae Wratislavienses des Andreas Gryphius gewidmet. Sie ist in drei Teile gegliedert: einer wissensgeschichtlichen Einführung in die Thematik, einer Textedition mit kommentierter Übersetzung und einer Werkstudie. Die Mumiae Wratislavienses sind eine gelehrt-wissenschaftliche Abhandlung, die auf verschiedenen Gebieten der frühneuzeitlichen Mumienkunde neue Erkenntnisse präsentiert. Angesichts der desolaten, auf medizingeschichtliche Aspekte konzentrierten Forschungslage ist es jedoch nicht möglich, den Text innerhalb der Wissens- und Texttradition ihrer Zeit zu verorten. Darum erschien es sinnvoll, der Auseinandersetzung mit der Schrift eine ausführliche Einleitung aus wissensgeschichtlicher Perspektive voranzustellen. Eine solche hat außerdem den Vorteil, dem heutigen Leser vor Lektüre der Schrift den Wissensrahmen zu skizzieren, den ein frühneuzeitlicher Gelehrter selbstverständlich präsent hatte. Der erste Teil dieser Arbeit widmet sich also der Aufarbeitung des wissenshistorischen Kontextes der Mumiae Wratislavienses. Den Beginn der Untersuchung bildet das (Wieder-)Aufkommen der Mumienthematik in Europa im 11. Jahrhundert, das Ende die 1650er Jahre vor Stattfinden der Breslauer Sektion. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den 1550er bis 1650er Jahren. Darstellungsleitend ist die Beobachtung von vier Verschiebungen innerhalb der epistemischen
19 Bei Shakespeare begegnet mummy im Kontext des Magieglaubens. Zu dem Taschentuch, das Othello Desdemona schenkte, heißt es: ’Tis true: there’s magic in the web of it: A sibyl, that had number’d in the world The sun to course two hundred compasses, In her prophetic fury sew’d the work; The worms were hallow’d that did breed the silk; And it was dyed in mummy which the skilful Conserved of maidens’ hearts. Shakespeare 1891, V. 3,4,69–75. Zu Gryphius vgl. Kapitel 4.1. 20 Siebenpfeiffer 2005, S. 122–125. Als Figuren treten Mumien erstmals im späten 17. Jahrhundert in Jean-François Regnards Komödie Les Momies d’Égypte (1696) auf. Größerer Beliebtheit erfreut sich die Mumienthematik jedoch erst in der Erzählliteratur des 19. Jahrhunderts.
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1 Einleitung
Situation während des Untersuchungszeitraums. Sie ergeben sich aus einem veränderten Verhältnis von Wissensproduzenten und Wissensobjekt und eröffnen gleichsam einen potenziell neuen Zugang zu Mumienwissen: Zugrunde liegt die Feststellung, dass die Mumienthematik seit der Spätantike in Europa keinerlei Rolle mehr spielte.21 Wiederentdeckt und adaptiert wurde sie nach beinahe sieben Jahrhunderten und noch in Unkenntnis des einstigen Wissensstands der griechisch-römischen Antike durch die Rezeption arabischer Texte. Erst mit den Ägyptenreisen des 16. Jahrhunderts, die auch die altägyptischen Grabstätten in ihre Routen einbezogen, bot sich die Gelegenheit, das Wissensobjekt mittels eigener Anschauung und in seiner historischen Umgebung zu erkunden. Durch den Transport von Mumienkörpern nach Europa eröffnete sich wenig später die Möglichkeit, Mumien umfangreich und wiederholt zu studieren, ohne selbst nach Ägypten reisen zu müssen und die Arbeit durch die schwierigen Reisebedingungen einschränken zu lassen. Schließlich erlaubte die Übertragung einer invasiven Methode aus einer anderen Disziplin, der anatomischen Sektion des menschlichen Körpers, auf den zu studierenden Gegenstand, neues Wissen über Mumien zu erwerben. Im ersten Teil dieser Arbeit werden die Auswirkungen dieser Verschiebungen beschrieben. Konkret wird danach gefragt, wann und warum Mumienwissen auftauchte, wie es produziert wurde, unter welchen Umständen es kursierte, in welchen Formen es gespeichert wurde und wer die Akteure des Wissens waren. Der zweite Teil der Arbeit ist der Aufbereitung des Textes der Mumiae Wratislavienses gewidmet, wozu zunächst die Aufarbeitung der Überlieferungslage gehört. Nach der Erläuterung der Prinzipien, die der Ausgabe zugrunde liegen, folgt die kritische Edition des Textes.22 Im Paralleldruck wird eine Übersetzung ins Deutsche beigegeben und – angesichts eines Wissensfundus, der von der Perserzeit bis in die zeitgenössische Gegenwart reicht – um einen Stellenkommentar ergänzt. Als Hilfsmittel zum Text finden sich im Anhang eine nach Paragrafen geordnete Inhaltsübersicht, ein Personenregister sowie ein Verzeichnis der zitierten Quellen. Den dritten Teil der Arbeit bildet eine Werkstudie zu den Mumiae Wratislavienses. Sie soll drei Aspekten Rechnung tragen: Da mit dem Text die einzige wissenschaftliche Abhandlung von Gryphius überliefert ist, soll er als Beispiel für seine gelehrt-wissenschaftliche Tätigkeit und Schriftproduktion analysiert und interpretiert werden. Zweitens wird versucht, die Verbindungen der Schrift
21 Der letzte Text ist, soweit ich sehe, die Vita Antonii von Athanasius, Bischof von Alexandria, aus dem 4. Jahrhundert. 22 Verweise und Zitate aus der Edition in dieser Arbeit werden im Folgenden durch Paragrafenangabe kenntlich gemacht (z. B. § 3,1).
1.2 Gegenstand und Methode
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zum übrigen Schaffen des Autors herauszuarbeiten. Schließlich soll die Schrift im Kontext der frühneuzeitlichen Mumienforschung gelesen werden. In Anlehnung daran ist die Werkstudie in sechs Punkte untergliedert: Zunächst wird die Mumienthematik innerhalb von Gryphius’ Gesamtwerk eingeordnet, dann nach der Entstehungsgeschichte des Textes unter Einbezug der Breslauer Mumiensektion von 1658 gefragt. Mit Blick auf die im ersten Teil erarbeiteten vielfachen Interessen an Mumien im 17. Jahrhundert wird herausgearbeitet, wie der Forschungsgegenstand in den Mumiae Wratislavienses bewertet und die Beschäftigung damit einordnet wird. Anschließend wird die Präsentation der wissenschaftlichen Arbeit im Text thematisiert. Dabei wird angenommen, dass die rhetorisch aufbereitete Darstellung dem leitenden Prinzip der Glaubwürdigkeit untergeordnet ist, und dieses sich auf verschiedenen Textebenen eingeschrieben hat. Das wird am Beispiel der Textstruktur, der Beschreibung der Breslauer Sektion und den Darstellungsformen neuer Wissensansprüche vorgeführt. Schließlich wird danach gefragt, welches Wissenschaftsbild der Text entwirft, um dieses anschließend im Kontext des wissenschaftlichen Netzwerks, innerhalb dessen der Forschungsgegenstand bearbeitet wurde, zu deuten. Abschließend wird die Rezeption des Textes nachgezeichnet.
2 Mumien in der Frühen Neuzeit. Eine Wissensgeschichte [N]ous prouuerons la Mumie estre bien autre chose que ce que le vulgaire pense.23
Als Pierre Belon 1553 versuchte, seine Zeitgenossen darüber aufzuklären, was eine Mumie ist, hatte kaum ein Europäer je eine ägyptische Mumie gesehen. Lediglich in medizinischen Kreisen war mumia seit dem 11. Jahrhundert ein Begriff, denn in Anlehnung an die arabische Heilkunde wurden Teile der Mumienkörper nach Europa gebracht, um sie zur Herstellung von Arzneien zu verwenden. Die medizinische Praxis ging mit einer nur sehr vagen Kenntnis des Gegenstands und seiner Herkunft einher, die aus den arabischen Quellen übernommen wurde. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts, als sich Ägyptenreisende abseits christlicher Pilgerwege auch den Nekropolen westlich des Nils zuzuwenden begannen, änderte sich dies grundlegend. Die Leichname wurden nun in ihrer historischen Umgebung wiederentdeckt. Die Beschreibungen der Reisenden und ihre Einordnung innerhalb der Reiseverläufe hatten eine neue Kontextualisierung der Mumienthematik im Rahmen der ägyptischen Sepulkralkultur zur Folge. Mumien wurden nicht mehr nur als Arzneirohstoff, sondern als menschliche Körper wahrgenommen; ihr Aussehen dem europäischen Leser in Text und Bild vorgestellt. Pierre Belon, der sowohl über eine medizinische Ausbildung verfügte als auch selbst Ägypten bereist hatte, legte mit De medicato funere die erste Abhandlung über ägyptische Mumien vor. Seine Arbeit war besonders deshalb von großer Bedeutung, weil er die detaillierten Schilderungen des Mumifizierungsverfahrens der beiden griechischen Geschichtsschreiber Herodot und Diodor aus einer Zeit, in der dieses noch angewandt wurde, für die Diskussion entdeckte und fruchtbar machte. Damit lag nun auch eine Erklärung für den hervorragenden Erhaltungszustand der Leichname vor. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert war das Studium der Mumienkörper nicht mehr nur den Ägyptenreisenden vorbehalten. Europäische Sammler bemühten sich um Teile der Leichname, um sie in ihren Kabinetten auszustellen. Manchmal gelang es ihnen sogar, ganze Körper zu erwerben. Dort dienten sie dem gebildeten Besucher als Anschauungsobjekt für das mittlerweile reichliche Bücherwissen über Mumien. Auch die Gelehrtenschaft hatte zunehmendes Inte-
23 Belon 1553a, S. 168. https://doi.org/10.1515/9783110593556-002
2.1 Wissenstransfer. Mumien in medizinischen Texten
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resse an den Objekten, die sie als Artefakte biblischer Zeiten betrachteten. Anhänger der hermetischen Weisheitslehre verstanden sie gar als Repräsentationen uralten adamitischen Wissens. Erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts kann man von einer Erforschung der Mumienkörper sprechen: Sie wurden nun nicht mehr nur als Anschauungsobjekte für bekanntes Wissen verstanden, sondern ernsthaft untersucht. Athanasius Kircher widmete sich im Rahmen seiner Hieroglyphenstudien und basierend auf einer eingehenden Auseinandersetzung mit der altägyptischen Religion und Kosmologie den Inschriften und Dekorationen von Mumien. Seine Abhandlung De Mumiis von 1654 wurde zur wichtigsten Mumienschrift des 17. Jahrhunderts und etablierte die Thematik endgültig als Teilbereich ägyptologischer Forschungen. Auch das, was unter der verzierten Außenschicht verborgen war, weckte das Interesse der Forschenden. Dafür verließ man sich nicht mehr allein auf die antiken Autoren, sondern näherte sich der Problematik mithilfe einer Methode der Anatomie, der Körpersektion, um die Quellen zu überprüfen, zu ergänzen und zu widerlegen, und leitete so den Beginn der empirischen Mumienforschung ein.
2.1 Wissenstransfer. Mumien in medizinischen Texten Seit dem Mittelalter wurden ägyptische Mumien dazu verwendet, Medikamente herzustellen. Ihren Anfang nahm diese Praxis im arabischen Raum. Über die Rezeption arabischer Schriften gelangte sie auch nach Europa. Hier fand die Arznei mumia erstmals im 11. Jahrhundert durch Constantinus Africanus Erwähnung und wurde als Substanz vorgestellt, mit der die Alten ihre Toten gegen die Verwesung einsalbten. Lange Zeit zirkulierte dieses Wissen ausschließlich in Arzneikompendien und erfuhr kaum Erweiterung. Dies änderte sich erst im 16. Jahrhundert, als sich unter den Ärzten Widerstand gegen das Heilmittel formierte – eine Entwicklung, die eng mit der wachsenden Beliebtheit des Dioskurides und der Rezeption seiner Materia Medica zusammenhängt. Während nämlich die Apotheken eine Vielzahl von Produkten unter der Bezeichnung mumia anboten, gewonnen aus verschiedenen Naturmineralien, verdorrten Leichen oder ägyptischen Mumien, rang die Gelehrtenschaft darum, die beste mumia zu identifizieren, und behalf sich dafür bei der griechischen Medizin. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, den aus der Levante herbeigeschafften Arzneirohstoff genauer zu bestimmen, und die Frage, womit die Leichname denn eigentlich balsamiert wurden, wurde zum ersten Impuls, mehr über ägyptische Mumien zu erfahren.
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2 Mumien in der Frühen Neuzeit. Eine Wissensgeschichte
2.1.1 Constantinus Africanus und die Rezeption der arabischen Medizin In der orientalischen Medizin des frühen Mittelalters kamen verschiedene wachsähnliche Naturmaterialien zum Einsatz, die in Europa später unter der Bezeichnung mumia beschrieben wurden.24 Die Belege für die heilkundliche Verwendung dieser Substanzen reichen bis ins 8. Jahrhundert zurück; der älteste stammt von Girgios, der als Arzt unter dem Kalifen der Abbasiden und Gründer der Stadt Bagdad Al-Manṣur wirkte.25 Um die Mitte des 10. Jahrhunderts, im Shauq des Ibn Waḥshiyan, findet sich der erste Hinweis, dass die Substanzen auch aus den damit balsamiert geglaubten ägyptischen Mumien gewonnen wurden.26 Mit Constantinus Africanus gelangte dieses Wissen nach Europa. In Karthago geboren und vermutlich christlichen Glaubens hatte er auf Reisen von Afrika bis nach Indien vier Jahrzehnte lang Erfahrung in der islamischen Medizin und anderen Bereichen bei den verschiedenen Völkern gesammelt.27 Nach seiner Rückkehr in die nordafrikanische Heimat soll er wegen seines Wissens geächtet worden und deshalb nach Salerno geflohen sein. Dort trat er dem Benediktinerorden bei, ließ sich im Kloster Montecassino nieder und nahm sich der Aufgabe an, Schriften aus dem Arabischen ins Lateinische zu übersetzen. Dazu gehörte sein Arzneikompendium De gradibus medicinarum (um 1080), eine bearbeitete Übersetzung des Kitāb i‘timād al-ad-wiya al-mufrada des Ibn al-Ğazzār, eines arabischen Arztes des 10. Jahrhunderts aus dem heutigen Tunesien,28 das auch ein kurzes Kapitel zur Arznei mumia enthält. Es zeugt von der Kenntnis, dass in alten Zeiten – eine genauere zeitliche oder örtliche Bestimmung bleibt aus – Leichname mit Asphalt eingesalbt wurden, um den Verwesungsprozess aufzu-
24 Nach El Daly 2005, S. 96, waren dies: mom (weißes oder schwarzes Bienenwachs), mummia (weißes oder schwarzes Naturmineral in Persien, Jemen, Nordafrika usw.), qifr al-yahod (bitumen Judaicum, als dessen Herkunftsort Dioskurides das Tote Meer angibt), qiṭran (schwarzes Baumharz der Zeder) und zift (ein Meerpech bzw. Baumharz verschiedener Bäume). 25 Vgl. El Daly 2005, S. 103. Mit Girgios verweist er damit auf eine frühere Quelle als Dannenfeldt 1985, S. 164, mit Rhazes. 26 Vgl. El Daly 2005, S. 97. Die erste direkte Beschreibung dieser Praxis findet El Daly im AlJughrafyiah des Geografen Al-Zohri (12. Jahrhundert): „In each tomb there is a dead body of a human being, still looking as on the day he died, nothing changed in him. Some had their skin dried on their bones with his oil leaked into the sarcophagus. From these sarcophagi, mummia, which is the oil of those dead persons, is extracted and this the physicians give to sick patients with fractures, so this fat is most beneficial to him [the patient] and he heals with Allah’s grace.“ Ebd., S. 103. 27 Vgl. Veit 2003, S. 124 f. Schipperges 1999 geht von einer (laut Veit) weniger glaubwürdigen Quelle aus. Daher spricht er von einem muslimischen Kräuterhändler, der auf Reisen mit dem niedrigen Wissensstand in Salerno konfrontiert wurde und deswegen drei Jahre lang Bücher sammelte, um dorthin zurückzukehren und sie zu übersetzen. 28 Vgl. Veit 2003, S. 147, Anm. 117.
2.1 Wissenstransfer. Mumien in medizinischen Texten
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halten, und dass dieser Asphalt nun aus den Körpern wiedergewonnen wurde, um etwa Knochenbrüche, Schnittwunden oder Kopfschmerzen zu heilen: Mumia quidam dicunt esse aspaltum: quedam tamen species est que inuenitur in sepulcris mortuorum. Antiqui enim mortuos ex ea vngebant ne cito putrefierent: aut vermes producerent: cali. et sic. est in tertio gradu. valet contra fracturam ossium: frigiditatem nervorum: percussionem: fracturam etiam capitis et interiorum membrorum: sanguinem de crepatura vel scissura: et in quocunque loco interiori fuerit: sedat si cum terra sigillata potetur: que si detur cum modico sambuceleon sternutatio prouocatur: capitis dolorem de frigido mitigat.29
Die Arbeiten des Constantinus zur arabischen (und griechischen) Medizin hatten großen Einfluss. Mit ihm begann die Blütezeit der an das Kloster Montecassino angebundenen Salerner Medizinschule. De gradibus medicinarum erfuhr noch im Mittelalter zahlreiche Überarbeitungen, etwa durch Matthaeus Platearius oder Matthaeus Sylvaticus. Auf Ersteren beriefen sich Pierre Belon zufolge die Apotheker und Ärzte seiner Zeit, um Angebot und Anwendung von mumia zu rechtfertigen.30 Das Kapitel zur mumia im Liber de simplici medicina des Platearius, das etwas mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Werk seines Salerner Kollegen Constantinus Africanus entstand, enthält hinsichtlich der Wissensbestände über Mumien einige Erweiterungen.31 So werden anstelle von Asphalt 29 Constantinus Africanus 1515, Bl. lxxxiiij r. „Einige sagen, Mumia sei ein Asphalt. Es ist jedoch eine gewisse Spezerei, die in den Gräbern der Toten gefunden wird. Denn die Alten salbten die Toten damit ein, damit sie nicht schnell verwesen oder Würmer hervorbringen. Es ist heiß und trocken im dritten Grad. Es wirkt bei Knochenbrüchen, Nervenkälte, Schlägen, Frakturen sogar des Kopfes und der inneren Glieder und Blutungen durch Risse und Schnitte. Und bei welcher inneren Verletzung auch immer handhabe man es so: Es beruhigt, wenn es zusammen mit Siegelerde getrunken wird. Und wenn es mit etwas Holunder verabreicht wird, ruft es Niesen hervor und mäßigt den Kältekopfschmerz.“ 30 Belon 1553b, Liber secundus, Bl. 33 r f. 31 „Est autem Mumia quaedam species, quae in sepulchris mortuorum reperitur. Solebant antiquitus corpora mortuorum Balsamo vel myrrha condiri, et adhuc fit apud Paganos circa Babyloniam, ubi est copia multa Balsami, circa cerebrum et spinam, unde sanguis ad cerebrum calore Balsami trahitur et excoquitur, aduritur, et desiccatur, et in Mumiam transmutatur, et circa spinam etiam Mumia invenitur. Eligenda est quae lucida, nigra, et foetida est, etiam quae est solida: sub albida verò, obscura, non foetida, quae facilè puluerisatur, abiicienda est.“ Platearius 1512, Bl. xxv v f. (zuerst 1488). „Mumia nämlich ist eine gewisse Spezerei, die in den Gräbern der Toten gefunden wird. In alten Zeiten pflegte man die Körper der Toten mit Balsam und Myrrhe zu balsamieren und bis jetzt geschieht es bei den Heiden bei Babylon [d. i. Kairo], wo es große Vorkommen von Balsam gibt. Rings um Gehirn und Wirbelsäule, von wo her das Blut durch die Hitze des Balsams zum Gehirn gezogen, zerschmolzen, erhitzt, getrocknet und in mumia verwandelt wird, und auch um die Wirbelsäule herum wird mumia gefunden. Auserlesen ist die, die glänzend und schwarz ist und übel riecht, auch die, die fest ist. Auf die weißliche aber, trübe und nicht übel riechend, die leicht zu Staub zerfällt, sollte man verzichten.“ Anschließend wird die Wirkung von mumia beschrieben.
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2 Mumien in der Frühen Neuzeit. Eine Wissensgeschichte
Spezereien, speziell Balsam und Myrrhe, als Balsamierungsmittel erwähnt, und vor allem die Sitte selbst dem heidnischen Ägypten zugeschrieben. Die Interpretation von mumia als Exsudat ägyptischer Mumien erfreute sich unter den lateinischen Bearbeitern arabischer Schriften größerer Beliebtheit. So kam es vor, dass Vorlagen, die lediglich das Naturmineral mumia behandelten, in der übersetzten Version entsprechend interpoliert wurden. Für den persischen Arzt Al-Razi (Rhazes), der mumia sowohl in den Synonyma als auch im Almansor beschrieb, konnte etwa gezeigt werden, dass er selbst die Herkunft des Rohstoffs aus Leichnamen nicht erwähnte, wohl aber sein berühmter Interpret Gerhard von Cremona, der im 12. Jahrhundert an der Schule von Toledo wirkte, dies in seinen Übersetzungen ergänzte.32 Ibn Sina (Avicenna) dagegen wurde von diesem Eingriff verschont: Sowohl im Canon medicinae, der lateinischen Übersetzung des Al-Qanun, die bis ins 17. Jahrhundert eines der wichtigsten medizinischen Lehrbücher blieb, als auch in De viribus cordis ist von mumia nur als Naturmineral die Rede. Im Falle des viel rezipierten Liber aggregatus in medicinis simplicibus, dessen arabische Vorlage von Ibn Wafid aus Toledo stammte, jedoch bereits im Mittelalter Serapion d.J. zugeschrieben wurde, kann der Ursprung der mumia-Interpretation, die ebenfalls auf die Leichname anspielt, mangels Original nicht mehr nachvollzogen werden. Bis ins frühe 16. Jahrhundert verwiesen die Autoren medizinischer Schriften, wenn sie die Gewinnung des Rohstoffs mumia aus balsamierten Leichen beschrieben, ausschließlich auf Platearius, Rhazes und Pseudo-Serapion als Quellen, sodass auch das Wissen über Mumien auf diese Überlieferung beschränkt blieb. Es war also lediglich bekannt, dass man im orientalischen Raum, möglicherweise im heidnischen Ägypten, in antiker Zeit Tote mit Spezereien oder Asphalt behandelte, um sie vor der Verwesung zu schützen. Noch vor 1500 ging dieses Wissen auch in die Volkssprachen über. Im Deutschen kommt die Vermittlerrolle dem sehr einflussreichen Gart der Gesundheit zu, der zuerst 1485 gedruckt wurde und allein in der Inkunabelzeit zwölf Neuauflagen erlebte.33 Als Balsamierungsmittel werden hier Balsam, Myrrhe und Aloe aufge32 Dannenfeldt 1985, S. 164. 33 Cuba [nach 1487], Kap. CCLXIX (o. P.): „Die würdigen meister sprechen das diß [mumia] funden werde in den greberen dar in die toden ligen die do gebalsamt werden. wan eß ist vor alten zeiten gewest dz man die toden leychnam mit balsam unnd mit mirren bestecket unn das geschicht noch heut deß tages in dem heydische lande bey babilonien wenn vil balsams do selbest ist. Die selbigen lüte die fullent der toden hyrn und den ruckmeysel mit balsam aleo und mirra. und von der krafft und hitz deß balsams zücht er an sich das geblüte in dz hyrn und dar in wurt eß gekochet. und darnach trucknet eß und verdorret und würt verwandelt un eyn hartte materie und das heysset dan mummia. Auch fyndet man diß in dem ruckmeisset der selbigen toden leychnam. Und diß ist der beste mummia der do schwarz ist und clare und der do hat eynen starcken geroch.“ Es folgen die Anwendungsbereiche. Der Erstbeleg für das
2.1 Wissenstransfer. Mumien in medizinischen Texten
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zählt und darüber hinaus eine These zu ihrer Wirkungsweise aufgestellt: Demnach würde die Kraft und Hitze des Balsams das Blut anziehen und kochen, das dann trockne, verdorre und hart werde – eine Erklärung, die die überlieferten Eigenschaften von Balsam und die zu beobachtende Härte der Körper vereint. Das Bestreben, die Balsamierungsmittel genauer zu bestimmen, wurde in der Folgezeit zum hauptsächlichen Interesse an ägyptischen Mumien und machte es erforderlich, das aus arabischen Quellen überlieferte Wissen zu ergänzen und zu hinterfragen.
2.1.2 Mumia und pissasphaltum: Balsamierungsmittel Bis ins 16. Jahrhundert blieb die Interpretation von mumia als Leichensaft balsamierter Körper in der Medizin dominant. 1535, im Jahr seiner Berufung zum Professor der Medizin an die Universität Tübingen, schrieb der Galen-Anhänger Leonhart Fuchs: „Nemo hodie fermè est medicorum qui non pertinaciter credat Mumiam humanorum cadaverum saniem, aloë et myrrha commixtam, et è sepulchris effluentem esse.“ 34 In den Paradoxorum medicinae libri wendet er sich vehement gegen die Arznei und tadelt die Praxis als Kannibalismus. Seine Kritik erwächst aus der philologischen Auseinandersetzung mit dem Fall mumia. Wie sein Marburger Kollege Euricius Cordus35 vor ihm vergleicht Fuchs die Überlieferung durch die arabischen und griechischen Autoren. Im Zentrum der Argumentation steht ein Abschnitt aus Dioskurides’ Materia Medica zur Substanz Pechasphalt (pissasphaltum). Darin heißt es, pissasphaltum, das nach einer Mischung aus Pech und Asphalt rieche, werde bei Apollonia mit der Flussströmung die Berge hinuntergespült und in Klumpen ans Ufer geschwemmt.36 Mit denselben Worten, so stellt Fuchs fest, erläutere (Pseudo-)Serapion Herkunft und Eigenschaft von mumia, die er gleichzeitig aber auch als Leichenflüssigkeit balsamierter Körper identifiziert.37 Avicenna dagegen beschreibe unter dem
Wort Mumie (mummia) ist damit ein halbes Jahrhundert früher anzusetzen als von Tazi 1998, S. 268, mit Francks Weltbůch ermittelt. 34 Fuchs 1555, Bl. 93 r (zuerst 1535). „Es gibt heute fast keinen Mediziner mehr, der nicht beharrlich überzeugt wäre, dass mumia die Flüssigkeit menschlicher Kadaver, gemischt mit Aloe und Myrrhe, sei und aus den Gräbern herausfließe.“ Zu mumia: ebd., Bl. 93 r–95 v. 35 Vgl. Cordus 1534, S. 164–167. 36 Vgl. Fuchs 1555, Bl. 93 v, auch Diosc. 1,73,1. 37 Vgl. Fuchs 1555, Bl. 93 v. [Pseudo-]Serapion 1479, Bl. LXXXIII r: „[I]d est mumia sepulchrorum cum aloes et mirra. Et quod admiscetur eis ex humiditate corporis humani. Est in terris que dicuntur acolonie. descendit namque ex montibus qui ducunt flumina cum aqua et eijcit eam aquam fluminis in ripis. Et est coagulata: et fit sicut cera. Et habet odorem picis mixte cum aspalto cum aliquo fetore. Et virtus eius est sicut virtus picis et aspalti mixtorum.“
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Stichwort mumia zwar pissasphaltum, wie es bei Dioskurides und auch bei Galen nachgelesen werden kann, erwähne jedoch mit keinem Wort die Leichen. Fuchs schlussfolgert, dass es sich bei mumia und pissasphaltum um ein und dieselbe Substanz handeln müsse. Den arabischen Autoren wirft er vor, die von ihnen rezipierte griechische Medizin nicht ordnungsgemäß wiedergegeben und unzulässig mit anderweitigen Kenntnissen vermischt zu haben. Seinen Zeitgenossen kreidet er an, dass sie trotz der Unstimmigkeiten zu Avicenna stur der Überlieferung durch Rhazes und (Pseudo-)Serapion folgen und ihren Fehler nicht zugeben können; ja die Apotheker gar zu allem Überfluss Mumien in ihren Apotheken ausstellen würden. Fuchs’ Anliegen war es, sich mit der medizinischen Texttradition auseinanderzusetzen, sie von jeglichen arabischen Einflüssen zu bereinigen und so das Wissen der alten Griechen wieder freizulegen, um damit die zeitgenössische Heilkunde voranzutreiben. An Mumien selbst hatte er kein Interesse. Wohl aber führte die von Cordus und Fuchs angestoßene Debatte um mumia und pissasphaltum zu einer regen Auseinandersetzung über die Substanzen, mit denen die Leichname in Vorzeiten balsamiert wurden. Einen ersten Beitrag dazu veröffentlichte der italienische Arzt und Botaniker Antonio Brassavola, Professor der Universität Ferrara, in seinem Examen omnium simplicium medicamentorum (1537).38 Als Verfechter einer Arzneigewinnung aus balsamierten Leichen kamen Vorwürfe gegen die arabischen Autoren für ihn nicht infrage. Vielmehr erkannte er zwei Arten von mumia gleichberechtigt nebeneinander an: das pissasphaltum des Dioskurides als natürliche und die Leichenflüssigkeit des (Pseudo-)Serapion als künstliche. Damit ging nun die Notwendigkeit einher, dem Leser die Leichname als Arzneiquelle näher zu erläutern. Brassavola hielt die Mumifizierung für eine Bestattungssitte der Syrer und ging, anscheinend ohne Herodot oder Diodor zu kennen, von drei verschiedenen Balsamierungsarten aus: Die reichen Leute seien demnach mit Aloe, Myrrhe, Safran und Balsam, die weniger reichen nur mit Balsam und die armen mit Asphalt behandelt worden.39 Die Arznei von bester Qualität müsse aus den Leichnamen der Reichen extrahiert werden. Jedoch würden nicht diese, sondern lediglich die Körper der Armen nach Venedig eingeführt werden, die ersatzweise ebenfalls genutzt werden können. Für diese Feststellung beruft sich Brassavola darauf, dass man, wenn man die importierten Rohstoffe zerkaut,
38 Vgl. Brassavola 1537, S. 454–457 (Kap. mumia und pissasphaltum). 39 Ebd., S. 454: „Ditißimi, aloë, myrrha, croco, et balsamo implentur. Minus diuites balsamum relinquunt: quamuis nostro communi sermone eam compositionem balsamum adpellamus: et ita agere, imbalsamare uulgò dicimus. Pauperes autem asphalto implentur, quod non solum mores earum partium scribentes aduertunt, sed et qui illuc singulis annis nauigant Veneti.“ Zur Mumifizierung vgl. auch Anm. 103.
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den Aloe und Myrrhe eigenen bitteren Geschmack nicht wahrnehmen könne und sich stattdessen der Geruch von Pech aufdränge. Zur Unterstützung seiner Vermutung kann er auf eine bis dahin noch nicht beachtete Stelle bei Strabon verweisen, an der es heißt, für die Balsamierung der Toten sei Bitumen verwendet worden.40 Dieses Bitumen identifiziert der Italiener als bitumen Iudaicum bzw. bitumen Babylonicum und spricht im Verlauf auch unterschiedslos von Asphalt. Brassavolas These von den drei verschiedenen Balsamierungsarten fand unter den Kollegen ebenso große Zustimmung wie die Behauptung, nur Asphaltmumien würden nach Europa gelangen. Julius Caesar Scaliger etwa referiert beides in seiner Auseinandersetzung mit pissasphaltum in den Exercitationes de subtilitate (1557) und liefert für letzteres sogleich einen Grund mit: Demnach sei es ein Kapitalverbrechen, die Leichen der nobilitas auszugraben, und würde entsprechend unterbleiben.41 Der Wittenberger Professor Valerius Cordus, einst Lehrer von Pierre Belon, notiert in seinem 1561 posthum veröffentlichten Dioskurides-Kommentar unter dem Stichwort pissasphaltum, Farbe, Geruch und Geschmack der importierten Leichname würden allein auf Bitumen, nicht aber auf Myrrhe, Aloe oder Balsam verweisen.42 Mit größtem Eifer wandte sich auch der berühmteste unter den Übersetzern und Kommentatoren des Dioskurides des 16. Jahrhunderts, der italienische Arzt und Botaniker Pietro Andrea Mattioli, der Mumienproblematik zu. In seinen 1554 erschienenen Commentarii in libros sex Dioscoridis korrigierte Mattioli seine Vorgänger in der Ungenauigkeit, von Asphalt als Balsamierungsmittel zu sprechen. Mit Berufung auf die arabischen Quellen bestand er darauf, dass die Mischsubstanz Pechasphalt – aus natürlichen Vorkommen oder selbst hergestellt aus Pech und Asphalt – verwendet wurde. Dass nämlich Strabon Bitumen erwähne, schließe nicht aus, dass diesem nicht noch Pech beigemischt wurde, bevor man es zur Balsamierung verwendete.43 Auch Mattioli war der Meinung, dass die Gräber der Reichsten derart gut beschützt seien, dass es für europäische Kaufleute unmöglich ist, die Leichname zu bergen. Da er Bedenken um die Qualität der Arzneirohstoffe hatte, die stattdessen importiert würden, schlug er vor, die in heimischen Krankenhäusern Verstorbenen mit Aloe, Myrrhe und Safran zu balsamieren und so selbst mumia herzustellen.44 Dieser Vorschlag verhalf Mattioli zu reichlich Aufmerksamkeit und veranlasste gar zahlreiche Anhänger, sich selbst an der Balsamierung von Leichen zu versuchen und ihre Rezepte zu veröffentlichen. 40 41 42 43 44
Vgl. Brassavola 1537, S. 454. Vgl. Scaliger 1557, Bl. 161 v. Vgl. Cordus 1561, Bl. 16 v. Vgl. Mattioli 1554, S. 79. Ebd.
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Es wird deutlich, dass die Ärzte der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Wissen über die Balsamierung von Mumien auf zwei Wegen zu erweitern versuchten. Einerseits wurde die griechische Überlieferung zurate gezogen. Diese stützte die Theorie einer Balsamierung mit Asphalt bzw. Bitumen. Um die Schrifttraditonen zu harmonisieren, in denen nunmehr von Aloe, Myrrhe, Safran, Balsam, Asphalt, Bitumen und Pechasphalt als Balsamierungsmittel zu lesen war, etablierte sich in der Ärzteschaft die These von den drei hinsichtlich der Kosten verschiedenen Balsamierungsarten. Sie wurde zweitens durch (eigene und fremde) Beobachtungen an importierten Mumienteilen unterstützt. Dieser Zugang spielte jedoch eine ganz und gar untergeordnete Rolle: Nie war er forschungsleitend, sondern diente lediglich als zusätzliches Argument zur Bestätigung der Autoritäten. Die Frage nach den Balsamierungsmitteln wurde in der gesamten Frühen Neuzeit und darüber hinaus immer wieder gestellt und mit neuen Lösungsansätzen beantwortet: in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als Pierre Belon nicht mehr nur die Texte der griechischen Ärzte, sondern auch die der griechischen Geschichtsschreiber Herodot und Diodor zur Erforschung des Themas heranzog und damit die Mumifizierung als komplexen Prozess mit verschiedenen Arbeitsschritten darstellen konnte,45 im 17. Jahrhundert mit einer stärker empirischen Herangehensweise, die jedoch noch auf die Sinneswahrnehmung beschränkt blieb, und im 18. Jahrhundert unter Zuhilfenahme chemischer Nachweisverfahren.
2.2 Die Wiederentdeckung ägyptischer Mumien in ihrem historischen Umfeld Mumien waren zu Beginn der Frühen Neuzeit nur als Rohstoff für Arzneien bekannt, der in kleinen und großen Stücken aus dem orientalischen Raum importiert wurde. Erst im Zuge einer Reisetätigkeit, die die christlichen Pilgerpfade verließ und sich auch den Pyramiden und Nekropolen westlich des Nils widmete, wurden sie in ihrem historischen Umfeld wiederentdeckt und die Aufmerksamkeit auf Mumien als Leichname der ägyptischen Antike gelenkt. Das Wissensmonopol der Mediziner war damit aufgelöst. Auch Kosmografen, Kartografen und Ägyptenreisende griffen nun die Thematik auf. Alsbald wurde reichlich Wissen gesammelt, um die unbekannten Gegenstände in die bekannte Welt einzuordnen: Die Erkundungen der Reisenden ermöglichten eine immer genauere geografische Verortung der Fundstätten
45 Vgl. Belon 1553b, Liber secundus, Bl. 27 v.
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von Mumien bishin zur Kenntnis der unterirdischen Grabarchitektur. In das christliche Weltbild fanden die heidnischen Leichname als Inkorporationen des Bösen Eingang. Dem gelehrten Reisenden war freilich nicht entgangen, dass die ägyptische Sitte, ihre Toten zu konservieren, bereits den griechischen und lateinischen Autoren bekannt war. Die historische und kulturelle Einordnung der Thematik ist Pierre Belon zu verdanken, der mit De medicato funere 1553 die erste Mumienschrift vorlegte. Schließlich ermöglichten Mumiendarstellungen in Text und Bild es dem europäischen Leser, sich eine Vorstellung von den ägyptischen Leichnamen zu machen.
2.2.1 In Ägypten bei den Pyramiden. Verortung im geografischen Weltbild Wo genau Mumien zu finden sind, gehörte im frühen 16. Jahrhundert keineswegs zu den gesicherten Wissensbeständen. Pierre Belon beschwerte sich sowohl in seinem Reisebericht als auch in seinem Mumientraktat über Karten und Weltbeschreibungen, die Mumien in der libyschen oder arabischen Wüste verorteten.46 In der Tat weisen erste Versuche einer geografischen Einordnung außerhalb der mittelalterlichen Arzneikompendien nicht auf das Land am Nil. Der älteste erhaltene Beleg findet sich auf dem Nürnberger Behaim-Globus, der um 1492 entstand. Auf Höhe Libyens ist dort zu lesen: „[H]ie ist die santig wüstung do man mumie findt“.47 Martin Waldseemüller ordnete die Mumien auf der Carta marina (1516) der arabischen Halbinsel zu: „Hic est mare terrestre arenosum seu sabuli quod est mare mirabile et periculosum in eo reperitur mumia.“ 48 Auch Sebastian Franck schloss sich noch 1534 in seinem Weltbůch dieser Interpretation an. Zur Erläuterung der Arabia deserta verknüpft er geografisches und medizinisches Wissen über Mumien: „[D]a findet man die Mummea das ist vil auß gedörrte Menschen todt / die man in den Apotecken braucht zů artzney.“ 49 Mit dem tückischen Sandmeer der arabischen Wüste referieren Waldseemüller und
46 Vgl. Belon 1553a, S. 261, ders. 1553b, Liber secundus, Bl. 30 v–31 v, und ders. 1589, S. 278. Holtz in Belon 2004, S. 168, liest die Kritik als Anspielung auf die Passage über Sandmumien in Cardanos naturphilosophischer Schrift De subtilitate, was schon deswegen nicht sein kann, weil Belon ausdrücklich gegen Karten und Weltbeschreibungen („Qui Tabulas topographicas fecerunt“, ders. 1589, S. 278, „qui de nouo orbe conscripserunt“, ders. 1553b, Liber secundus, Bl. 30 v) polemisiert. 47 Ravenstein 1908, S. 97. Der Behaim-Globus ist die älteste erhaltene Darstellung der Welt in Kugelgestalt. 48 Waldseemüller 1516, Legende ‚Arabia deserta‘. „Hier gibt es zu Land ein Sandmeer, das ein sonderbares und gefährliches Meer ist. In ihm wird die Mumie gefunden.“ 49 Franck 1534, Bl. clxxxv r.
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Franck auf einen Stoff aus dem Erzählrepertoire über die Levante, dem Ludovico de Varthema in seinem zuerst 1510 erschienenen Itinerario zu weiter Bekanntheit verhalf. Der Italiener berichtet, auf dem Weg von Medina nach Mekka fünf Tage und Nächte in einem Gefolge die Wüste durchquert zu haben. Zum Schutz vor dem weißen, mehlfeinen Sand verbargen sich die Männer in Holzkisten mit Luftschlitzen, die von Kamelen getragen wurden. Bei Nordwind, durch den sich der Sand an einem hohen Berg sammle und der eine Sichtweite von zehn Schritten ermögliche, leiteten Führer die Tiere mit einem Kompass wie auf stürmischer See durch die Wüste. Hier, so behauptet Varthema ohne weitere Erläuterungen, werden die Mumien gefunden.50 Die Lokalisierung von Mumien außerhalb Ägyptens hatte zweierlei Gründe. Einerseits waren die Nekropolen westlich des Nils den Europäern noch unbekannt. Sie wurden weder bereist noch beschrieben. Andererseits gelangten gleichzeitig unter der Bezeichnung mumia nicht nur die balsamierten Leichname, sondern auch in der Wüste natürlich konservierte Körper als Arzneirohstoffe nach Europa. Brassavola erwähnt dies in seinem Examen medicamentorum: Auf den Einwand des alten Apothekers, Mumien seien vertrocknete Mauretanier („Quomodo hoc probas, quia exiccati Mauretani nostra mumia sunt.“ 51), klärt die Figur Brassavola diesen auf: „Dicas potius Syriaci, quàm Mauritani: sed hoc nihil ad rem, mumia non est Maurus exiccatus, uel Syriacus [...].“ 52 Erst mit der Wiederentdeckung der Mumiengräber Ägyptens durch europäische Reisende begann man zwischen natürlich und künstlich konservierten Leichnamen zu differenzieren und ordnete sie als mumia arabica bzw. aegyptiaca den jeweiligen Herkunftsorten zu. Trotzdem aber hielt sich die Lokalisierung von Mumien in der arabischen Wüste noch bis ins 17. Jahrhundert: Tito Livio Burattini schreibt gar, dass dies die vorherrschende Meinung sei, und spricht den Ägyptenreisenden in dieser Frage einen Wissensvorsprung zu.53
50 Vgl. Varthema 1511, Bl. VII v (lateinisch), und Varthema 1535, Bl. 12 v (italienisch). Reichert 1996, S. 65 (dort auch Anm. 25), übersetzt mumia fälschlicherweise mit ‚Balsam‘, den er als Mekka-Balsam interpretiert. Belon hatte möglicherweise Varthemas Reisebericht vor Augen, wenn er „qui de nouo orbe conscripserunt“ (Belon 1553b, Liber secundus, Bl. 30 v) kritisiert. Das Itinerar erschien jedenfalls u. a. 1532 in der von Johann Huttich zusammengetragenen Sammlung Novus orbis regionum as insularum veteribus incognitarum. 51 Brassavola 1537, S. 454. 52 Ebd. „Du solltest besser Syrer sagen als Mauretanier, aber das tut nichts zur Sache: denn unsere mumia ist weder ein ausgetrockneter Maure noch Syrer [...].“ 53 „Circa le Mumie sono diuerse opinioni, frà le quali la più commune è, che si ritrouino frà l’arene nell’Arabia deserta, e che siino di quelli corpi, che sono sepolti in quelle quando spira il vento Australe. Quanto questi s’ingannano, non occorre manifestarlo, essendo notissimo l’errore loro à quelli, che sono stati nell’Egitto […].“ Brief von Burattini an Kircher in Kircher 1654, S. 399.
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Die Erkundung der Mumiengräber steht in engstem Zusammenhang mit der Wiederentdeckung der Pyramiden. Denn zunächst richtete sich die Aufmerksamkeit der Reisenden auf diese Bauten, die man in Europa bis ins Spätmittelalter für Kornspeicher gehalten hatte – eine Vorstellung, die auf die Ausdeutung einer Episode des Alten Testaments zurückgeht:54 Im ersten Buch Mose bittet der Pharao Joseph um die Interpretation seiner Träume, in denen sieben magere und hässliche Kühe sieben fette Kühe sowie sieben dürre und versengte Ähren sieben volle Ähren verschlangen. Joseph deutet den Traum als Verkündung Gottes, dass sieben erntereichen Jahren sieben magere folgen werden und schlägt vor, in den Jahren des Überflusses Getreide in Kornkammern zu sammeln, um in der Hungerzeit davon zu zehren. Die Pyramiden waren keine der üblichen Stationen einer christlichen Pilgerreise. Im Zuge eines gesteigerten Interesses an den durchreisten Räumen wandten sich jedoch bereits die spätmittelalterlichen Wallfahrer den monumentalen Bauwerken zu.55 Der Florentiner Simone Sigoli etwa, der 1384–85 Ägypten bereiste, zeigte sich nach Abmessung der Seitenlängen ganz beeindruckt von dem Fassungsvermögen der vermeintlichen Speicher.56 In den Pilgerberichten des 14. Jahrhunderts, z. B. bei Wilhelm von Boldensele und Ludolf von Sudheim, klingen erste Zweifel an der tradierten Ausdeutung an, der dann im 15. Jahrhundert, z. B. bei Felix Fabri und Bernhard von Breidenbach, klar widersprochen wird.57 Letzterer schreibt: Ultra nylum etiam piramides multas conspeximus, quas olim reges egipti sua super sepulcra fieri procurarunt, de quibus vulgus dicit quae sint granaria siue horrea quondam ab joseph ibi pro frumentorum repositione edificata et c. quod hinc falsum liquet, quia piramides iste ab intra non sunt cauate.58
54 Vgl. Gen. 41,1–36. Vgl. auch Koran 12:43–49. 55 Zur Reisemethodik der Pilger- und Bildungsreisen und der sich verändernden Rolle von curiositas und pietas vgl. Stagl 1992, hier S. 142, und ders. 1989. 56 Vgl. Sigoli 1843, S. 23 f. Vgl. auch den Pilgerbericht des jüdischen Reisenden Benjamin von Tudela 1907, S. 73. Außerdem Jánosi 2004, S. 20. 57 Vgl. Schröder 2009, S. 184 f. und Anm. 491, mit weiteren Ausführungen und Literaturangaben. Darauf, dass Boldensele die Pyramiden zwar nicht als Kornkammern, jedoch nur als monumenta und nicht als Grabstätten bezeichnete, hat zuerst Graefe 1990, S. 16, hingewiesen. Fabris Reisebeschreibung wurde erst 1556 in deutscher Sprache gedruckt, der lateinische Text blieb bis in die Neuzeit ungedruckt. Breidenbachs Bericht lag schon zurzeit der Wiegendrucke in lateinischer, deutscher, französischer, niederländischer, spanischer und tschechischer Sprache vor. Zeitweilig reisten Fabri und der Mainzer Domdekan Breidenbach in derselben Reisegruppe. Die gemeinsamen Reisestationen der beiden Pilger von Gaza über den Sinai bis nach Kairo und Alexandria und die Heimfahrt nach Venedig stellt Khattab 1982, S. 165–167, gegenüber. 58 Breidenbach 1486, o. P. (Kap. De contemplatione Chayri ex monte). „Auch haben wir jenseits des Nils viele Pyramiden gesehen, die einst die Könige Ägyptens über ihren Gräbern haben auf-
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Mit dieser Erkenntnis wuchs die Neugier, die Bauwerke nicht mehr nur aus der Ferne zu betrachten, sondern genauer zu erkunden. Beschreibungen von Größe, Form, Materialien und Bauweise brachten dem Leser die unbekannten Monumente näher. Vor allem die Ausmaße wurden mit Staunen bedacht. Mit Schritten maßen die Reisenden die Seiten ab, erklommen die Spitze und zählten dabei die Steine. Pietro della Valle beschreibt die große Pyramide als so gewaltig, dass Pfeile, wenn man sie auch mit der allergrößten Kraft von oben abschieße, stets nur auf die Seitenwand aufprallen, nie aber den Boden erreichen würden.59 Um die Mitte des 16. Jahrhunderts begannen die Reisenden, auch das Innere der Cheops-Pyramide auszukundschaften. Pierre Belon und Johann Hellfrich waren die ersten, die dies schriftlich festhielten. Eine besonders eindrückliche Schilderung einer solchen Erkundung hat der junge Ulmer Samuel Kiechel, der Ende der 1580er Jahre Ägypten bereiste, zu Papier gebracht:60 Auf dem Bauch kroch er durch verfallene, von Sand gefüllte Gänge. Bis auf das Hemd zog er sich aus, um sich durch einen Schacht zu zwängen, in dem er dann doch stecken blieb. Verängstigt vom Mangel an Luft und Licht und abgeschreckt von allzu vielen Fledermäusen, entschloss er sich, als auch noch lautes Geschrei der Araber von draußen hineinhallte, zur Umkehr, irrte jedoch in Todesangst im Gangsystem umher, weil sein Führer den Weg zurück nicht mehr finden konnte. Seinem Manuskript gab Kiechel eine Zeichnung des Pyramidenaufrisses bei. Bis zur Grabkammer war er zwar nicht mehr vorgedrungen, weiß dem Leser aber trotzdem davon zu berichten: Dort finde man die marmorne61 Wanne eines Sarkophags; die Leiche des Pharaos sei jedoch nie darin begraben worden. Zur Erklärung verweist Kiechel auf eine Episode im zweiten Buch Mose, in der es heißt, der Pharao sei bei der Verfolgung der Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten im Roten Meer ertrunken, das diese zuvor mit Gottes Hilfe durchquert hatten.62 Die erste wissenschaftliche Untersuchung der Pyramiden zu Gizeh wird gemeinhin dem englischen Orientalisten und Mathematiker John Greaves zugerichten lassen. Über diese sagt man im Allgemeinen, sie seien Kornkammern oder Speicher, einst von Joseph dort für die Lagerung des Getreides erbaut usw. Das leuchtet deswegen als falsch ein, weil diese Pyramiden von innen nicht hohl sind.“ Die deutsche Ausgabe (Breidenbach 1488, o. P. (Kap. Von schauwung der statt Chayr auff eym berg)) referiert nur den ersten zitierten Satz, nicht aber die Stelle zu den Kornkammern. Zu Fabris Begründung: Ders. 1849, S. 42–44. Graefe 1990, S. 15 f., und Schröder 2009, S. 184 f., argumentieren überzeugend, dass Fabri entgegen seiner Behauptung nicht selbst bei den Pyramiden gewesen sein kann. 59 Vgl. Della Valle 1650, S. 367. 60 Vgl. Kiechel 1987, S. X. Zeichnung ebd., S. 408. 61 Der Rosengranit wurde im 16. Jahrhundert oft als Marmor identifiziert. 62 Vgl. Ex. 14. Kiechel 1987, S. 405. Dieselbe Erklärung gibt auch Helffrich 1589, o. P. (Kap. Den dreyzehenden December).
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sprochen,63 der ab 1638 zwei Jahre lang die Levante bereiste und bald nach seiner Rückkehr Professor für Astronomie in Oxford wurde. Über seine eigenen Erkundungen hinaus, die die genaue Vermessung mithilfe von Instrumenten umfasste, konnte er ob seiner Arabischkenntnisse auch die orientalische Wissenstradition in seine Studien einbeziehen. Seine Arbeiten gipfelten in der 1646 in englischer Sprache veröffentlichten Pyramidographia. Sie bietet einen systematischen Abriss über Urheber, Entstehungszeit und Intention der Bauwerke, Überlegungen zur Bautechnik, detaillierte Beschreibungen der drei Pyramiden von außen mit korrekter Zuweisung an Cheops, Chephren und Mykerinos sowie der Cheops-Pyramide von innen. Spätestens jetzt war zweifelsfrei erwiesen, was die Reisenden seit langem berichteten: Die Pyramiden waren sepulcra, Gräber. Die Ausflüge zu den Nekropolen westlich des Nils waren kostspielig und nicht ungefährlich. Besonders gefürchtet waren Überfälle der Araber, weswegen man sich zu bewaffnen und Janitschare zum Schutz zu engagieren pflegte. Die Reisegruppen starteten stets von Kairo aus und setzten mit einer Barke über den Nil. Während für den Besuch des Gizeh-Plateaus ein Tagesausflug ausreichend war, suchten diejenigen, die auch in die Mumiengräber hinabsteigen wollten, in den nahe gelegenen Dörfern Unterkunft. Doch nur wenige Reisende betrieben diesen Aufwand. Der Schweizer Hans Jakob Ammann, der, nachdem er einen kaiserlichen Gesandten als Leibarzt nach Konstantinopel begleitet hatte, 1612 Ägypten bereiste, schreibt, in einer großen Gruppe die Pyramiden besichtigt zu haben. Da allzu große Angst vor Überfällen herrschte, konnte er zu einer Erkundung der Mumiengräber aber nur zwei Begleiter überzeugen.64 Auch der englische Dichter George Sandys, der kurz vor Ammann die Pyramiden besichtigt hatte, gibt an, wegen der Unkosten für die Leibwache, aus Furcht vor den Arabern und davor, in der Nacht unterwegs zu sein, auf eine Besichtigung der Gräber verzichtet und mit gekauften Mumienteilen vorliebgenommen zu haben.65 Ähnliches berichtet der bereits erwähnte Samuel Kiechel: Von vülgemelten pyrammis hatt mann nicht weitt zu den mommia, weül mann aber derer täglüch bey den Arabier, wölche süe göhn Cairo uf denn bazar zu verkaufen bringen, genug sihett, wolt ich nicht hinreisen, dann es sehr gevarlich; zudem werden düe löcher, dobey mann innsteigt, mitt sand hartt verwehett.66
Wiederum war es Pierre Belon, der 1553 als erster dokumentierte, auch in Mumiengräber hinabgestiegen zu sein:
63 64 65 66
Vgl. Greener 1989, S. 54, Jánosi 2004, S. 22, und Vollkommer 2006, S. 32. Vgl. Ammann 1618, S. 195 f. Sandys 1669, S. 286. Kiechel 1866, S. 382.
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Nous sommes entrez en plusieurs chambres des sepulchres en la dicte plaine: car les vns sont en voute, les autres en maniere de petite chambre, desquelz lon en voit vn nombre infiny par les campaignes entre les susdictes Pyramides.67
Die Grabstätten unter den Verwehungen des Wüstenssands ausfindig zu machen, war für Auswärtige unmöglich. Hierfür wurden ortsansässige Helfer angeworben, die sich ihren Unterhalt sonst damit verdienten, nach Mumien zu graben und sie den Kaufleuten in Kairo anzubieten, und über das für die Grabungstätigkeit notwendige Wissen verfügten. Johann Helffrich meldet, zusammen mit zwei Helfern an einem Tag insgesamt drei „Löcher“ 68 freigelegt zu haben. Die Architektur der fremden Gräber wurde dem Leser durch Vergleiche mit Vertrautem veranschaulicht: Die tiefen Zugänge der Schaftgräber werden als den heimischen Brunnen oder einem Kamin ähnlich, die Gruften selbst als Kellergewölbe oder Zisternen beschrieben. Dorthin ließen sich die Reisenden mit Fackeln als Beleuchtung an einem Seil hinab, wobei sie stets Gefahr liefen, die leicht entflammbaren Mumienkörper damit in Brand zu stecken, und die Stätte nicht schnell genug wieder verlassen zu können. Reichlich Sand verdeckte die Mumienkörper und man war oft gezwungen, sich auf allen Vieren fortzubewegen. Ammann meint sogar, der Sand sei so hoch gewesen, dass man in dem verbleibenden Spalt gerade so auf dem Bauch kriechen konnte.69 „Im herumb kriechen aber / unnd im wülen / erwischeten wir je einen da beim Kopff / den andern dort bey den Füssen / den dritten in der mitten“,70 schreibt Buchenbach, und Radziwill fügt hinzu, dass nur wenige sich „diesen Greuel“ 71 antun. Buchenbach vermisst eine Grabkammer, in der die Mumien dicht aneinander gereiht liegen, mit acht Schritten und erläutert, jede Seite habe eine Tür, die in ein weiteres Gewölbe führe. Ammann dringt durch Türen bis in ein fünftes Gewölbe hindurch, bevor das Licht zu erlöschen droht und er sich gezwungen sieht umzukehren.72 Bis ins 17. Jahrhundert erhielt der europäische Leser lediglich derart beiläufige Informationen über die Grabanlagen Ägyptens. Die erste genauere Betrachtung ist uns von Tito Livio Burattini überliefert, der 1639 Ägypten bereiste und dabei zeitweise den Pyramidenforscher John Greaves bei dessen Erkundungen begleitete.73 Burattini, der später Architekt des polnischen Königs wurde, fertigte eine Abbildung einer Grabanlage mit neun Kammern an, die Athanasius Kircher mit einem Kommentar des Italieners im dritten Band 67 68 69 70 71 72 73
Belon 1553a, S. 262. Helffrich 1589, o. P. (Kap. Den dreyzehenden December). Vgl. Ammann 1618, S. 196. Breuning von Buchenbach 1612, S. 159. Radziwill 1603, S. 183. Zu Radziwill vgl. das folgende Kapitel. Vgl. Amman 1618, S. 197. Vgl. Greaves 1646, S. 86.
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seines Oedipus Aegyptiacus 1654 veröffentlichte und die für die heimischen Gelehrten eine kleine Sensation gewesen sein muss.74 Keiner der Reisenden, die sich bis in die Mumiengräber vorgewagt hatten, verließ diese, ohne einige Fundstücke mitzunehmen. Buchenbach erbeutete Götterfiguren und Mumienteile, Ammann zwei Götterfiguren, eine Hand und ein Stück der „rechten Mumia“.75 Der römische Patrizier Pietro della Valle ließ 1616 in Sakkara, das etwa vierzehn Kilometer südöstlich des Gizeh-Plateaus liegt, geradezu professionell nach Mumien graben: In seiner Herberge vor Ort rief er vor Beginn der Nachtruhe seinen Bedarf an Gräbern aus, woraufhin am nächsten Morgen mehr als fünfzig Helfer ihren Dienst anboten. Mit ihnen und etwa dreißig weiteren Männern, darunter Wachen und einige Mitreisende, machte er sich zu den Mumiengräbern auf. Dort veranlasste er, sowohl bereits ausgegrabene Ruhestätten noch einmal freizulegen als auch an neuen Stellen zu graben. In der Mitte des Geschehens ließ er ein Zelt aufrichten, „per dar loro [den Arbeitern] più anima“,76 und um nicht betrogen zu werden, stellte er Wächter an jeder Grube ab. Della Valle selbst stieg mit der Begründung, keine Gräber, sondern Mumien sehen zu wollen („per poter parlar di veduta, e non di vdito da quei contadini ignoranti“ 77), zunächst nicht hinab. Während der Arbeiten dann bot ein Ortsansässiger ihm, um den Gewinn nicht mit seinen Landsleuten teilen zu müssen, in aller Heimlichkeit eine Mumie an. Nur mit seinem Übersetzer und Zeichner Tommaso folgte er dem Mann etwa zwei Meilen, wo dieser tatsächlich eine reich verzierte und ausgezeichnet erhaltene männliche Mumie versteckt hielt, die in einem erst drei Tage zuvor aufgebrochenem Grab gefunden wurde. Della Valle erwarb diese Mumie für drei Piaster und ließ eine weitere, weibliche Mumie aus der Grube hinaufholen, die er absichtlich nicht säuberte, „per far vedere in qual modo le Mumie stiano sepellite nella rena“.78 Auch Radziwill hatte betont, er nehme die Mumien mit, „damit ich in Europa zeygen möchte / wie sie gefunden würden“.79 Sodann packte della Valle die Neugierde und er ließ sich, nachdem er den bewaffneten Tommaso und einen weiteren Mann vorausschickte, um ihm behilflich zu sein, in eine Grube von fünfzig bis sechzig
74 Vgl. Kircher 1654, S. 399–401, Abbildung der Grabanlage nach S. 400 (vgl. auch Abb. 1). Beinlich 2002, S. 63 f., hat die Stätte als ein großes, in seiner Gestaltung ungewöhnliches Privatgrab in Daschur plausibel gemacht, das bisher noch nicht wiederentdeckt worden sei. Beinlich zeichnet außerdem den Einfluss des Burattini-Holzschnitts auf spätere Abbildungen ägyptischer Gräber nach. 75 Vgl. Breuning von Buchenbach 1612, S. 160, und Ammann 1618, S. 198 f., Zitat S. 199. 76 Della Valle 1650, S. 374. 77 Ebd. 78 Ebd., S. 382. 79 Radziwill 1603, S. 216.
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Spannen hinab. Dort fand er mehrere Mumien ohne bestimmte Anordnung vor, von denen nur eine reich verziert war, woraus er schloss, dass es sich um eine vornehme Person und sein Gefolge handle. Da die wertvollere Mumie schon durch die Gräber beschädigt worden war, ließ er sie noch dort zerbrechen und nahm den Kopf, etwas von den Leinenbinden und einige Körperstücke mit hinauf, um sie teils als Medizin zu nutzen, teils daran die Vermischung von menschlichen Überresten und Balsamierungsmitteln zu studieren. Den Rest des Körpers überließ er den Gräbern, um sich damit bei den Kaufleuten in Kairo Geld zu verdienen. Zuletzt konnte er noch das Mumienporträt einer jungen Dame, deren Augen bereits der Edelsteine beraubt waren, eine Tonfigur in Gestalt des Apis-Stiers und eine Kindermumie in schlechterem Erhaltungszustand und ohne Zierrat für sich erbeuten. Alles wurde mit Palmenblättern zum Schutz verpackt und della Valle verließ das Feld mit dem Selbstbild eines stolzen Siegers, der an einen römischen Triumphator erinnert: „Finalmente, essendo il tutto all’ordine, con non poca inuidia di quelli, che non si erano trouati con me a vedere, m’inuiai, trionfante quasi, e carico di preda alla volta del Cairo [...].“ 80
Abb. 1: Burrattinis Abbildung einer Grabanlage in Kirchers Theatrum Hieroglyphicum (1654).
80 Della Valle 1650, S. 390.
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2.2.2 Mumien, Teufel, Dämonen. Verortung im christlichen Weltbild Der Dominikanermönch Felix Fabri unternahm 1480 und 1484/85 zwei Pilgerfahrten ins Heilige Land.81 Seine zweite Reise führte ihn auch nach Ägypten. Aus Anlass dieser Fahrten verfasste Fabri die Reisebeschreibung Evagatorium in Terrae sanctae, Arabiae et Aegypti peregrinationem. Die lateinische Fassung, die längste mittelalterliche Reisebeschreibung überhaupt, lag bis ins 19. Jahrhundert nur als Manuskript vor; die wesentlich kürzere deutsche Fassung wurde erstmals 1556 gedruckt. Fabri war der erste Ägyptenreisende, der seinen Lesern von den ägyptischen Mumien berichtete. Seine kurze Episode situiert er in die Wüste nilaufwärts des hunderttorigen Thebens, in die sich die frühchristlichen Mönche für ein Leben in Askese zurückgezogen hatten. Sein Verweis auf die Wüstenväter, die ihre aus Palmenblättern geflochtenen Körbe in den ägyptischen Städten verkauften,82 erinnert an den Heiligen Antonius und weckt damit sogleich negative Assoziationen zur folgenden Geschichte. Antonius hatte nämlich stets die seinerzeit übliche Mumifizierung und Aufbewahrung der Leichname im Haus getadelt und von seinen Anhängern verlangt, ihn stattdessen an einem geheimen Ort zu begraben.83 Angesichts der Tatsache, dass auch die Heiligen und selbst Jesus Christus bestattet wurden, hielt er es für unfromm, sich der Bestattung zu entziehen. In dieser Wüste nun soll sich laut Fabri folgendes zutragen: An denen orthen / sindt noch vor wenig Jaren viel Cloͤster gewesen / das als ab ist gegangen / vnnd der boͤse Geist hat sein gespennst da zugericht / An denselben ortthen stehet ein grosse Muschke / bey der die Heyden ein grosse begraͤbnuß haben. Nun haben sie hole graͤber vnnd saͤrcke / das man nicht das Erdtreich auff die todten wirfft als wir / aber gantz verdorren die todten inn den graͤbern / wenn es fast heiß unnd duͤ rre daselbest ist / So Balsamisiren sie ihre todten / das sie bleiben / vnnd erdorren / Wenn nun Kirchenweihe in der Muschke wirdt / so thut man die steine von den Graͤbern / vnnd richten sich die Todten selbest da auff / vnnd stehen also ohne leben / inn den graͤbern / so lange das fest weret / vnnd darnach fallen sie wider nider / vnnd deckt man die steine wider druͤ ber / Das ist aber nichts anderst denn des Teuffels werck / damit er die Heiden sterckt in jrer jrrung / vnd boͤse Christen schwechet in ihrem glauben.84
Konstitutiv für die Erzählung ist die Opposition von Christentum und Nichtchristentum. Die früheren Klöster mussten einer Moschee weichen, bei der die
81 Zu Fabri und seinen Pilgerreisen: Röhricht / Meisner 1880, S. 500 f. 82 Vgl. Fabri 1557, Bl. 178 r. 83 Vgl. Athan. Vit. Ant. 90 f. Die frühen Christen lehnten nicht die Konservierung von Leichnamen ab, sondern die Ausweidung des Körpers sowie die Sitte, die Leichname aufzubewahren anstatt sie zu beerdigen. 84 Fabri 1557, Bl. 178 r f.
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Heiden begraben sind und nun der böse Geist sein Unwesen treibt. Findet ein Kirchenfest statt, richten sich die Leichname für dessen gesamte Dauer durch die Macht des Teufels aus ihren Särgen auf. Dass es sich bei den Leichnamen um Mumien handelt, erläutert Fabri, indem er die beiden konkurrierenden Wissensbestände seiner Zeit über die natürlich durch Wüstenhitze und die künstlich durch Balsamierung konservierten Körper zusammenführt: Die Toten seien balsamiert worden und durch Hitze in ihren Gräbern verdorrt. Die lateinische Fassung des Reiseberichts stellt die Episode ausführlicher dar. Dort erfahren wir, dass Fabri die Geschichte von seinen mamelukischen Reiseführern berichtet wurde.85 Als man diese bat, sie mögen ihren Gästen die Gräber zeigen, lehnten die Führer ab. Die Moschee werde von einem Geistlichen bewacht, der aus Sorge darüber, dass die Toten beunruhigt werden könnten, keine Christen in ihre Nähe lasse. Gesehen hat der Pilger die Mumien also nicht. Bei den Toten, so heißt es weiter, habe es sich um reiche und mächtige Personen, um Geistliche und Heilige gehandelt, die mit Balsam und Spezereien gegen die Verwesung eingesalbt wurden und deren Grab so mit einem Stein verschlossen wurde, dass die Freunde sie bei Bedarf wieder anschauen können. An bestimmten Tagen im Jahr komme das Volk zu einem Fest an diesem Ort zusammen und die Mumien würden den ganzen Tag aufrecht stehen. Dabei betont die lateinische Fassung mit „sine alicujus hominis adjutorio“ und „sine visibili agente“ die Geisterhaftigkeit des Ereignisses stärker.86 Durch seine Augustinus-Lektüre schreibt Fabri der ihm geschilderten Begebenheit eine Bedeutung ein: Er verweist auf Kapitel 20,19 von De civitate Dei, in dem Augustinus auf Grundlage des zweiten Paulusbriefes an die Thessalonicher die Apokalypse reflektiert, der die Ankunft des Antichristen und die Wiederkehr Christi vorausgehen. Dort heißt es, der Antichrist würde durch trügerische Zeichen und Wunder die Menschen betören, so dass diejenigen dem Trug Glauben schenken werden, die nicht der rettenden Liebe zur Wahrheit, sondern der Bosheit ergeben sind. Dies äußere sich auf zweierlei Weise: indem durch teuflische Macht die Sinne so getäuscht werden, dass sie glauben, etwas geschehe, das in Wirklichkeit nicht geschieht, was Augustinus phantasma nennt, oder aber indem ein trügerisches Wunder geschieht, das die Menschen der göttlichen Macht zuschreiben und für das Heil halten, das tatsächlich aber das Werk des Teufels ist und Unheil bringt. Fabri zeigt, dass für die Mumien beides gelte. Erstens stünden sie durch teuflische Kraft auf und scheinen zu leben, obwohl sie keinen Funken Leben mehr in sich tragen. Zweitens sei es tatsächlich ein Wunder, das die Mumien aus ihren Gräbern aufstehen lässt. Jedoch ist
85 Vgl. Fabri 1849, S. 47. 86 Ebd.
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dieses Wunder die Tat des Teufels und diejenigen, die es für Gottes Werk halten, würden wegen ihrer Unfrömmigkeit Verdammnis ernten. Zuletzt widmet sich Fabri noch dem Auferstehungsgestus der Mumien: Bereits in der gesamten Episode hatte er stets von ‚erigere‘, nicht von ‚resurgere‘ gesprochen. Die Wiederauferstehung, die resurrectio, bleibt für das Christentum reserviert. Zwar würden die Mumien aufstehen, argumentiert er, doch da sie ja tot bleiben, stehen sie nicht zum ewigen Leben wieder auf. Mit der Interpretation seiner Reisegeschichte führt Fabri die Ablehnung der Mumifizierungstradition durch die frühen Christen als unfromm fort. Mithilfe von Augustinus’ signa et prodigia stilisiert er die Mumien zu einem Werkzeug des Teufels, zu einer Verkörperung böser und geisterhafter Kräfte, die von dem bevorstehenden Ende der Welt künden. Fabris Geschichte blieb in der Frühen Neuzeit eher weniger bekannt. Eine andere Episode über die dämonischen Kräfte von Mumien hatte dagegen wesentlich größeren Einfluss. Unter Seefahrern scheint sie durch mündliche Überlieferung bereits eine gewisse Tradition genossen zu haben, bevor der französische Gelehrte Jean Bodin sie als erster schriftlich festhielt. Im Wissenskompendium Theatrum Universae Naturae (1596), einem Zwei-Personen-Stück, in dem Mystagogus die Fragen des Theorus beantwortet, kommt man bei der Erörterung der Winde auf den Umstand zu sprechen, dass bei dem Versuch, ägyptische Mumien über See zu transportieren, heftigste Stürme das Schiff zum Kentern bringen würden und die einzige Rettung darin liege, die Leichname über Bord zu werfen.87 Für den Schaden hätten nach ägyptischem Seefahrtsgesetz diejenigen aufzukommen, auf deren Geheiß die Mumien an Bord geschafft wurden. Nach einer Beschreibung der Herrichtung von Mumien und dem Verweis, dass diese nicht verwesen, Abbilder der ägyptischen Göttin Isis bei sich tragen und als Medikament eine große Heilwirkung haben, kommt Mystagogus zu dem Schluss, dass nur dämonisches Treiben die Geschehnisse erklären kann: „Hoc igitur daemonum potestate fieri nemo nisi valde stupidus dubitare potest.“ 88 Als Ursache hält er die Verfluchung des Grabschänders für plausibel und verweist dafür auf alte Geschichten, in denen Seeunwetter sich legten, nachdem durch Los der Verfluchte ermittelt und über Bord geworfen wurde.89 Im Colloquium heptaplomeres, dem Gespräch der sieben Weisen, das erst posthum 1683 gedruckt wurde, greift Bodin die Geschichte noch einmal umfassender auf.90 Hier berichtet der Mohammedaner
87 Vgl. Bodin 1605, S. 172. 88 Ebd., S. 173. „Dass dies also durch die Macht von Dämonen geschieht, kann nur ein sehr dummer Mensch bezweifeln.“ 89 Vgl. z. B. die biblische Jona-Geschichte. Zu Menschenopfern auf See in der Literatur vgl. Röhrich 1999. 90 Vgl. Bodin 1857, S. 5–10.
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Octavius als Zeuge von einem solchen Ereignis. Mit einem Genueser Arzt habe er bei den Pyramiden eine Mumie ausgegraben und sie fest verschlossen in einer Kiste mit auf das Schiff gebracht, das ihn von Alexandria nach Kreta bringen sollte. Auf See wurden sie dann von einem Sturm überrascht, der auch nach den sonst üblichen zwei Tagen nicht abflaute, sondern nur noch stärker wütete. Die Segel waren längst eingeholt, die schwersten Waren über Bord geworfen, jeder zur Mithilfe verpflichtet, um das eindringende Wasser nach draußen zu schöpfen, als der Kapitän nur noch den Befehl geben konnte, den Anker zu werfen und zu beten. Als auch die Gebete aller Herren Länder nichts bewirkten, wandte sich der Schiffsherr an die Passagiere und befahl, sollte jemand eine Mumie mit an Bord gebracht haben, diese sofort ins Meer zu werfen. In aller Heimlichkeit kam Octavius der Aufforderung nach, woraufhin sich die Winde sofort legten. Die tritonischen Dämonen, so urteilt er, seien es gewesen, die verhinderten, dass er den erbeuteten Leichnam den Freunden hätte zeigen können.91 Während das Colloquium heptaplomeres zunächst nur als Manuskript kursierte, hatte ein anderer Reisender den Stoff längst adaptiert und populär gemacht: Der polnische Fürst Nikolaus Christoph Radziwill, der sich in den Jahren 1582–84 auf Pilgerfahrt begab, führte während seiner Reise ein Tagebuch, das 1601 von Thomas Treter aus dem Polnischen ins Lateinische übersetzt erschien und mehrere Neuauflagen, auch in deutscher Sprache, erlebte. Radziwills Version der Erzählung ist stärker christlich überformt. Er gibt an, in Alexandria zwei ganze Mumien und außerdem Götterfiguren verteilt auf insgesamt sieben Kisten heimlich an Bord eines Schiffes gebracht zu haben. Zu den Passagieren der Saitia zählte auch der polnische Priester Simon Albimontanus. Als dieser auf hoher See sein Stundengebet abhielt, sei ein erstes Unwetter aufgekommen und der Geistliche habe über zwei Gespenster geklagt, die ihn auf dem Schiff verfolgten. Nachdem das Unwetter sich gelegt und der Priester von den Mitreisenden nur Spott empfangen hatte, kam ein zweites Unwetter auf. Der Kirchenmann wurde beim Beten („inter orandum“ 92) zunehmend von den Gespenstern gequält, deren Aussehen und Kleidung er nun genau beschreiben konnte. Mit steigender Gefahr verschlechterte sich sein Zustand an den Rand des Wahnsinns, bis endlich Radziwill in der Beschreibung der Gespenster seine Mumien wiedererkannte.
91 Ebd., S. 6: „Vobis cadaver ipsum ex istis sepulcris erutum obtulissem, si mihi per Tritonios daemones licuisset.“ Am Ende der Geschichte wird das Thema nochmals aufgegriffen, als Coronaeus darüber diskutieren möchte, ob wirklich Dämonen oder doch Ausdünstungen („ab exspirationibus“, ebd., S. 10) für die Meeresstürme verantwortlich seien. Da aber selbst der naturkundige Toralba darauf keine Antwort weiß, wird die Frage unbeantwortet gelassen. 92 Radziwill 1601, S. 234.
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Da das Schiff bereits unterzugehen drohte, war es ihm jedoch nicht möglich, den Laderaum öffnen zu lassen, um die Kisten ins Meer zu werfen. Hierin unterscheidet sich Radziwills Erzählung von denen Bodins: Der Sturm legt sich nicht durch das Überbordwerfen der Leichname. Ein expliziter Grund wird nicht genannt, jedoch vorher zweimal betont, dass die Unwetter mit dem Beten des Priesters einhergingen. Jedenfalls erscheint bei Radziwill ein Stern mit Namen St. Germanus, der das Ende des Unwetters ankündigt. Um den Priester zu schützen, der weiterhin von den Gespenstern belästigt wurde, lässt der Fürst die Mumien endlich über Bord werfen, woraufhin ihm der Kapitän versichert, dass nun kein Sturm mehr zu befürchten sei. Auch Radziwill nimmt an, dass Mumien, weil sie heidnische Körper sind und heidnische Symbole tragen, von Dämonen besessen sind: „Quandoquidem Mumiae Ethnicorum sunt cadauera, in quibus idola [...] reconduntur: dubium non est, quin in cura et potestate Daemonum, prout et animae ipsorum, sunt constituta[.]“ 93 Als Verkörperung böser Geister sind Mumien der Erzählung zufolge also in der Lage, Menschen in höchste Gefahr zu bringen, und zuständig für das Quälen der Frommsten.
2.2.3 Die erste Mumienschrift: Belons De medicato funere (1553) 1553 legte der französische Arzt und Botaniker Pierre Belon mit De medicato funere die erste umfassende Mumienschrift vor. Belon war spätestens um 1540 als Medizinstudent in Wittenberg mit der Thematik in Berührung gekommen, wo sein Lehrer Valerius Cordus Mumien im Rahmen seiner Dioskurides-Vorlesung behandelte.94 Cordus, der davon überzeugt war, dass auch mit Bitumen gefälschte Mumien nach Europa gelangten, hatte gegenüber Belon so oft von dem dringenden Wunsch gesprochen, nach Ägypten zu reisen und die verschiedenen Balsamierungsweisen zu untersuchen, dass der Franzose es selbst kaum mehr erwarten konnte, in das Land am Nil aufzubrechen. Während Cordus jung verstarb und Ägypten nicht mehr sah, konnte Belon 1547–49 den Mittelmeerraum und die Levante bereisen. Als Gelehrter mit wissenschaftlichem Auftrag begleitete er seinen Mäzen Kardinal de Tournon, gelangte u. a. nach Ägypten und dokumentierte als erster europäischer Reisender, in die Cheops-Pyramide und in Mumiengräber vorgedrungen zu sein. Belon hegte ein außerordentliches Interesse für Mumien. Vier Jahre nach seiner Reise erschienen neben dem Mu-
93 Ebd., S. 231. „Weil nämlich Mumien Leichname von Heiden sind, in denen [...] Götzenbilder verborgen sind, besteht kein Zweifel, dass sie wie auch ihre Seelen in Obhut und Macht von Dämonen gestellt sind[.]“ 94 Vgl. Belon 1553b, Liber secundus, Bl. 36 r.
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mientraktat auch sein Reisebericht Les Observations sowie eine Abhandlung über Bäume De arboribus, denen beiden ein eigenes Kapitel über die ägyptischen Leichname beigegeben war. De medicato funere ist der zweite einer dreiteiligen Traktatsammlung mit Fokus auf das ägyptische Altertum. Der erste, De admirabili operum antiquorum et rerum suspiciendarum praestantia, widmet sich den Bauten vor allem des antiken Ägyptens wie der Sphinx, den Pyramiden, den Obelisken und den Gräbern sowie den Begräbnissitten der Alten. De medicamentis nonnullis seruandi cadaueris vim obtinentibus, die dritte Abhandlung, beschäftigt sich mit verschiedenen Mitteln zur Konservierung von Leichnamen, u. a. Zedernharz, Bitumen, Pechasphalt, Naphta und Natron. Als Anlass einer Schrift über Mumien erzählt Belon im Widmungsschreiben von folgendem Ereignis:95 Nach dem Tod von Papst Paul III. 1549 bereitete sich sein Mäzen, Kardinal François de Tournon, auf die Reise zum Konklave nach Rom vor. Belon war zugegen, als dieser seinen Apotheker anwies, auch das Medikament mumia zu beschaffen, und kritisierte das scharf. Er erklärte den Anwesenden, dass der Gebrauch der Arznei einem weit verbreiteten Irrtum über dessen Herkunft unterliege, woraufhin sie sehr interessiert waren und ihn baten, seine Kenntnisse niederzuschreiben und nachzuweisen, dass sie mit den Schriften der Alten vereinbar sind. De medicato funere umfasst in lockerer Zusammenstellung und kolloquialen Stil fünfzehn Kapitel auf 38 Seiten. Dabei lassen sich vier Schwerpunkte erkennen: die Stellungnahme innerhalb der medizinischen Diskussion, die Eröffnung einer historischen Perspektive sowie die Kontextualisierung der Thematik mit den Bereichen Bestattungssitten und Leichenkonservierung. Die Auseinandersetzung über die medizinische Nutzung ägyptischer Leichname geschieht in erster Linie über die Auswertung des Schrifttums. Zunächst sammelt Belon eine Vielzahl von Textstellen griechischer und lateinischer Autoren, zeigt, dass niemand von ihnen den Gebrauch der Mumien als Arznei erwähnt, und stellt daher die These auf, dass es sich um eine spätere Entwicklung handeln muss.96 Wie bereits zahlreiche Ärzte vor ihm, etwa sein Lehrer Valerius Cordus, macht er deutlich, dass es sich bei der von den mittelalterlichen Autoren überlieferten Beschreibung zur Herkunft von mumia um diejenige der Substanz pissasphaltum bei Dioskurides handelt.97 Nach Analyse der entsprechen-
95 Vgl. Belon 1553b, Epistola, S. [3 f.]. 96 „Historici nihil de viribus huius habent: ex quo coniici potest tunc nullum habuisse in medicamentis usum[.]“ Ebd., Bl. 25 v. 97 „Platearij tamen et Ioannis de Sancto Amando sententias, si seruatum corpus spectemus, probo. Nam quae ipsi de Mumia scribunt, ad seruatum corpus referenda sunt. Si verò Mumiam
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den Textstellen kommt er außerdem zu dem Schluss, dass die fehlerhafte Interpretation des Stoffes als Leichensaft nicht auf die arabischen, sondern allein auf die lateinischen Übersetzer zurückgehen muss, und verteidigt die arabischen Autoren deshalb vor den Anfeindungen seiner Kollegen.98 Aufgrund seiner philologischen Beweisführung lehnt Belon die Verwendung der Körper als Arznei vehement ab. Zuletzt gibt er einen Einblick in die Bedeutung des Medikaments im zeitgenössischen Frankreich: Demnach sei mumia von höchstem Wert und ebenso bekannt wie beliebt. Belon erzählt von einem Treffen in Montpellier, an dem Ärzte, Apotheker und Kaufmänner teilnahmen, um Auswahlkriterien wie Farbe, Gewicht, Geruch und Geschmack festzulegen, an denen die hochwertige mumia zu erkennen sei, und streut die später häufig zitierte Anekdote, König Franz I. hätte stets eine Büchse mumia mit Rhabarber gemischt bei sich getragen.99 Da die ägyptischen Leichname bereits in der Antike bekannt waren und um sie von dem ebenfalls unter dem Namen mumia bekannten und irrtümlicherweise benutzten Medikament abzugrenzen, drängt Belon auf eine andere Bezeichnung für die Körper. Er selbst nennt sie in Anlehnung an Pomponius Mela medicatum funus, was sich in der Gelehrtenwelt nur als Synonym zu Mumia durchsetzen konnte.100 Einen großen Teil seiner Abhandlung widmet Belon der historischen Einordnung der Mumien, die ein weiteres Mal auf Auswertung von antiken Schriften beruht. Er thematisiert kurz die ägyptische Religion, den Glauben an die Wiederauferstehung der Toten („mortuorum resurrectionem“ 101) und den Wunsch nach ewigem Überdauern durch Mumifizierung und erschließt, dass diese Sitte bereits lange vor Hesiod üblich gewesen sein muss.102 Belons großes Verdienst ist es, die Passagen über die altägyptische Tradition bei Herodot und Diodor für die Auseinandersetzung entdeckt zu haben. Er erkennt die Historiae als älteste Quelle zum Thema und zitiert die entsprechende Stelle ausführlich auf Griechisch sowie in der lateinischen Übersetzung von Laurentius Valla. Damit lenkt er die Aufmerksamkeit auf bis dahin unbeachtetes Wissen über die drei abhängig vom Preis verschiedenen Balsamierungsarten,103 die spectemus, verba eorum Mumiae nequaquam conuenire, siue Pissasphaltum possunt.“ Ebd., Bl. 33 v. 98 Ebd., Bl. 34 v f. 99 Ebd., Bl. 34 v und 34 r. 100 Ebd., Bl. 22 r. Mela Chor. 1,9,57. 101 Belon 1553b, Liber secundus, Bl. 24 r. 102 Ebd. 103 Nach Herodot gestaltete sich die teuerste der Balsamierungsmethoden so: Mit einem Eisenhaken wurde zunächst das Gehirn über die Nase entfernt und Reste davon mit einer auflösenden Flüssigkeit ausgespült. An den Weichen erfolgte ein Schnitt mit dem äthiopischen Stein, über den die Eingeweide herausgenommen wurden. Den Innenraum spülte man erst mit
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Trauerklagen und den Ablauf des Totengerichts bei den Ägyptern, aber auch über verwandte Bereiche wie die Mumifizierung von Tieren u. a. m. Erstmals liegen dem Leser nun umfassende Beschreibungen aus einer Zeit vor, in der die Mumifizierung noch praktiziert wurde. Um das Wissen über die ägyptische Sitte in einen größeren Zusammenhang zu stellen, zieht Belon Verbindungslinien zu zwei anderen Themenbereichen: der Bestattung bei anderen antiken Völkern und der Leichenkonservierung im Allgemeinen. Die Tradition der Balsamierung bei den Juden und den Äthiopiern dienen ihm als Anknüpfungspunkt für das Verständnis einer Praxis, deren Basis die Unversehrtheit des Körpers ist und die in starkem Gegensatz zu den in Europa bekannten Sitten der Verbrennung oder Beerdigung von Leichnamen steht. Besonders großen Raum schenkt Belon den Berichten über das Beklagen und Beweinen der Toten, weil er hierin einen heidnischen Vorgänger des christlichen Brauchs sieht.104 Ausführlich widmet er sich auch dem Phänomen der natürlich konservierten Körper, sowohl im Eis als auch im Wüstensand, die er deutlich von den künstlich balsamierten Leichen abgrenzt. Er polemisiert gegen all jene Autoren, die Mumien in der arabischen Wüste verorten und nicht zwischen mumia arabica und mumia aegyptiaca differenzieren, und stellt gar die These auf, dass allein Balsamierungsmittel die Kraft haben, die Verwesung zu verhindern, durch Hitze konservierte Körper aber entgegen dem Anschein doch verwesen. Mit De medicato funere eröffnete Pierre Belon ein neues Wissensgebiet, dessen Gegenstand die ägyptischen Leichname sind, und legte so den Grundstein der Mumienforschung. Die Wissensbestände flossen nun nicht mehr nur in ein Kapitel über die Arznei mumia oder einen Reisebericht über Ägypten ein, sondern wurden unter der übergeordneten Bezeichnung medicatum funus gesammelt. Die medizinische Nutzung der Körper blieb Teil der Debatte, die jedoch um eine historische und kulturelle Perspektive ergänzt wurde. Methodisch ist Belons Traktat ganz und gar der Auslegung der Schrifttradition verpflichtet, die aber an vielen Stellen durch eigene Beobachtungen bestätigt wird. Belons Ab-
Palmwein und Spezereien und füllte ihn dann mit zerriebener Myrrhe, Kasia und anderen Spezereien. Anschließend wurde die Leiche zugenäht und 70 Tage in Natronlauge gelegt. Danach wurde der Körper gewaschen, mit Leinenstreifen umwickelt und mit Gummi bestrichen. Die Einbalsamierung der mittleren Preisklasse erforderte Herodot zufolge keine Entnahme der Innereien. Stattdessen wurde mit einer Klystierspritze Zedernöl in den Körper eingeführt, dieser in Natronlauge gelegt und das Öl erst nach diesem Prozess wieder abgelassen. Die Balsamierung der Armen geschah durch Ausspülung des Körpers mit Rettichöl und das Einlegen in Natron über 70 Tage. Vgl. Hdt. Hist. 2,86–88. Einführend zum Thema Mummifizierung im Alten Ägypten s. Germer 1997, S. 27–49, Dodson / Ikram 1998, S. 103–136, Ikram 2010, S. 275–282, Gessler-Löhr 2012 (zur römischen Zeit) und Ikram 2015. 104 Vgl. Belon 1553b, Liber secundus, Bl. 36 v.
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handlung blieb bis ins 17. Jahrhundert die wichtigste Quelle für Berichte von Ägyptenreisenden, in denen das selbst Erlebte mit Wissen über Mumien angereichert wurde, und bis zum Erscheinen von Athanasius Kirchers De Mumiis 1654 wichtigste Mumienschrift überhaupt.
2.2.4 Körperdarstellungen Bevor die ersten Mumienkörper nach Europa kamen, war man dort auf die Berichte von Reisenden angewiesen, um sich eine Vorstellung von den ägyptischen Leichnamen zu machen. Die früheste Darstellung findet sich in der 1554 veröffentlichten Cosmographie de Levant des französischen Franziskaners Andrè Thevet. Thevet widmete den Mumien ein eigenes Kapitel, das er als kurze gelehrte Abhandlung gestaltete. Nur beiläufig erzählt er von den beiden Exemplaren – einem Mann und einer Frau –, die er auf seiner Reise begutachten konnte.105 An der weiblichen Mumie hält er nur die langen Haare und Nägel sowie den guten Erhaltungszustand für erwähnenswert. Die männliche Mumie beschreibt er als bärtig und ungewöhnlich groß. Allein der Verweis auf das beiliegende idolum deutet auf etwas typisch Ägyptisches. Trotz der kurzen Beschreibung wurden die Körper offenbar als etwas Besonderes wahrgenommen, denn dem Kapitel ist außerdem der Holzschnitt einer Mumie beigegeben.106 Zu sehen ist der bloße Körper eines Mannes mit längerem Haar und Bart, an dem einzelne Strukturen wie Zehen oder Muskeln noch gut zu erkennen sind. Auf seiner Brust liegt eine kleine menschliche Figur: laut Text der Götze, den der Verstorbene zu
Abb. 2: Mumie mit Götzenfigur in Andrè Thevets Cosmographie de Levant (1554).
105 Vgl. Thevet 1554, S. 155. 106 Ebd. Vgl. Abb. 2.
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Lebzeiten anbetete. Die Abbildung erinnert vielmehr an einen gewöhnlichen Leichnam als an eine ägyptische Mumie. Wohl aber wird damit eine grundlegende Definition von Mumien als heidnischen toten Körpern gegeben und ins Bild übersetzt. Das ist deshalb relevant, weil mumia zurzeit Thevets als Arzneirohstoff bekannt war und lediglich einzelne Körperteile nach Europa importiert wurden. Während Mediziner ihr Objekt als eine Ansammlung von Substanzen dachten, wurde ihnen in den Reiseberichten die Kategorie der Körperlichkeit zurückgegeben. Dass die frühen Reisenden Mumien in erster Linie als tote Körper und weniger das spezifisch Ägyptische an ihnen wahrnahmen, bezeugt auch ein Scheibenriss Christoph Murers, der um 1579 entstand:107 Er zeigt den Baseler Gelehrten Leonhard Thurneysser beim Kauf von Mumien. Die Szene spielt in sandiger Umgebung, unmittelbare Kulisse bilden die in der Frühen Neuzeit häufig als ‚spitze Türme‘ bezeichneten Pyramiden. Während im Vordergrund Einheimische bereits abgepackte Mumien oder Mumienteile feilbieten, ist dahinter ein ausgehobenes Grab zu sehen. Die darin befindliche Mumie ist lediglich als Skelett dargestellt: nicht mehr als die Reste eines toten Körpers. Zur Erläuterung von Mumienkörpern werden in den Reiseberichten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts besonders gern die enzyklopädisch angelegten Kapitel aus Belons Les Observations oder auch Thevets Cosmographie de Levant herangezogen. Erst allmählich und nur verhältnismäßig knapp finden eigene Beobachtungen an Mumien Eingang in die Darstellungen. Eine für seine Zeit besonders detaillierte Beschreibung liefert der Leipziger Johann Helffrich, der im Dezember 1565 zwei Tage damit verbrachte, Gräber freizulegen und Mumien darin zu suchen: Alhier ist nun zu wissen / daß die Mummien, sind todte Coͤrper etlicher verstorbenen Heiden / welche an genandten Ort ihr Begraͤbniß gehabt / Diese Coͤrper bleiben unuersehrt / Alleine sie seind gantz kollschwartz / denn alle unnd jede Gliedmaß / klein und groß / sind gar fleissig mit kleinen schmalen Tuͤ chlein in koͤstlichen Balsam eingedunckt / umbwunden / und nachmals der gantze Leib / mit einem breiten Tuch eingehuͤ llt unnd eingebunden / gleich wie man die kleinen Kinder einwickelt / Diese Coͤrper werden inn gemeldten Loͤchern gefunden / liegen also im Sand eingescharret / In diesen etlichen / wenn sie auffgewickelt werden / findet man inn irem Leib / an statt des Inngeweids / geschnitzte Maͤnnlein oder Thierlein / unnd dergleichen Phantasey[.]108
In der Beschreibung werden typische Eigenschaften ägyptischer Leichname hervorgehoben: die Tatsache, dass sie nicht verwesen, die schwarze Farbe, die Behandlung mit einem Balsamierungsmittel, das Fehlen der Eingeweide, die Zuga-
107 Dieser wird im Kunstmuseum Basel aufbewahrt (Inv. 2007.22). 108 Helffrich 1589, o. P. (Kap. Den eilfften December).
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be von Götzenfiguren und besonders ausführlich die Leinenwicklung, die in medizinischen Darstellungen noch keine Rolle gespielt hatte. Andere Reisende ergänzen Informationen über den Geruch oder den Erhaltungszustand oder thematisieren die starke Zusammenschrumpfung der Körper. Mumien werden dabei als Vertreter einer einheitlichen Objektgruppe wahrgenommen. Bei Helffrich wird das nicht nur an der verallgemeinernden Mumienbeschreibung anlässlich des ersten Grabungstages deutlich, sondern auch an dem Umstand, dass er über die am Folgetag gefundene Mumie, „an welcher wir alle umbstende gesehen / darmit wir auch den gantzen tag zugebracht“,109 keine weitere Erläuterung mehr als notwendig erachtet. Die medizinische Diskussion über Mumien rückt in den Reiseberichten in den Hintergrund. Sie beschränkt sich meist auf den Hinweis an den Leser, dass die Körper als Arznei genutzt werden. Auch die Erläuterung der Balsamierungsmittel wird nicht als Aufgabe des Reisenden verstanden. Radziwill lehnt dieses Thema gar ausdrücklich ab und erklärt, dass darüber lieber die Doktoren zu handeln hätten.110 Zunehmendes Interesse weckt dagegen die Dekoration von Mumienkörpern. Das ist etwa bei der Mumienabbildung, die Buchenbach dem umfangreichen Kapitel seiner Reiseerzählung zu den Körpern beigab, zu beobachten:111 Dargestellt ist eine Mumie von vorn und hinten. Die Arme liegen überkreuzt auf dem Oberkörper, das Haupt ist verschleiert, das Gesicht des Verstorbenen auf die Umhüllung gemalt. Fast der gesamte Körper ist mit großen pseudohieroglyphischen Zeichen verziert – kleinen Bildchen von Sternen, Monden, Sonnen, verschiedenen Tieren wie Pferd oder Vogel und anderem. Ihr Zweck ist es, den Leichnam als ägyptisch zu klassifizieren. Einen Sonderfall unter den allgemein gehaltenen Mumiendarstellungen der Frühen Neuzeit nimmt die mehrere Seiten lange Beschreibung der beiden im Januar 1616 von Pietro della Valle erworbenen Exemplare ein, anhand der es Johann Joachim Winckelmann knapp eineinhalb Jahrhunderte später sogar möglich war, diese im königlichen Kabinett der Altertümer in Dresden wiederzuerkennen.112 Die Mumien waren in prachtvollen Leinentüchern eingewickelt und mit vergoldeten Ornamenten und Mumienporträts verziert. Letztere weck-
109 Helffrich 1589, o. P. (Kap. Den zwölfften December). 110 Vgl. Radziwill 1603, S. 182 f. 111 Vgl. Breuning von Buchenbach 1612, S. 159. Vgl. Abb. 3. 112 Winckelmann 1808. Beide Mumien sind heute Teil der Skulpturensammlung des Albertinum in Dresden (Staatliche Kunstsammlungen, Inv. Aeg. 777 und Aeg. 778). Kircher gab dem dritten Band des Oedipus Aegyptiacus eine (nicht authentische) Abbildung der Mumien della Valles bei (vgl. Abb. 4). Zum Weg, den die Mumien von Rom nach Dresden nahmen, vgl. Christian 2013.
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Abb. 3: Mumie mit pseudohieroglyphischen Verzierungen in Buchenbachs Orientalische Reyß (1612).
ten das Interesse della Valles. Im Gegensatz zu den Körpern selbst, zu denen die Reisenden in Ermangelung an Wissen und Differenzierungsmöglichkeiten noch keinen Zugang fanden, was auch individualisierende Beschreibungen unmöglich machte, eröffneten die Porträts als bildliche Quellen einen bekannten Interpretationsraum. Della Valle deutete sie richtig als Abbilder der Verstorbenen („che senza dubbio è il ritratto del Morto“ 113) und beschreibt daran ausführlich Körper, Gesicht, Kleidung, Schmuck, Verzierungen und Beigaben. An der 113 Della Valle 1650, S. 376.
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Abb. 4: Darstellung der Mumien Pietro della Valles in Kirchers Theatrum Hieroglyphicum (1654).
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männlichen Leiche betont er das lange linnene, gold- und edelsteinverzierte Gewand, die schwarzen Schuhe, die nur die Fußsohlen bedecken, sowie den Kopfschmuck, wiederum aus Gold und Edelsteinen. Er erwähnt eine goldene Kette und ein Goldstück mit aufgeprägten Zeichen auf der Brust und stellt daran Mutmaßungen über den Verstorbenen an: So weist er darauf hin, dass Diodor derlei Goldstücke bei den Gerichtsdienern Ägyptens beschreibt. Die krausen Haare und die Hautfarbe des Mannes veranlassen della Valle, auf dessen Herkunft aus dem südlichen Oberägypten zu schließen. Besondere Aufmerksamkeit widmet der sprachinteressierte Römer dem schwarzen Schriftzug „EV VXI“ auf einer Binde in Gürtelhöhe.114 Unter der Annahme einer Verwandtschaft des Griechischen und der Sprache der Ägypter hält er diesen für ein ägyptisches (d. h. koptisches) Wort, das abgeleitet vom griechischen εὐτυχής bzw. εὐτυχεῖν ‚Buonauentura‘ oder ‚Sia felice‘ heißen müsse und vielleicht einen letzten Gruß an den Toten darstelle.115 Mit diesem Exkurs macht della Valle die Mumien als Inschriftenträger auch für die frühen Orientalisten interessant, die gerade eifrig auf der Suche nach Schriftzeugnissen des Koptischen waren. Mit den Reiseberichten der Frühen Neuzeit und ihren Mumiendarstellungen in Text und Bild wurden die abstrakten antiken Wissensbestände an einem konkreten Objekt sichtbar und vorstellbar gemacht. Grundlegend war dabei zunächst die Definition von Mumien als toten Körpern, womit ein in der mittelalterlich-medizinischen Überlieferung nachrangiger Aspekt in den Vordergrund rückte. Über die fremde Bestattungssitte und heidnische Religion, die räumliche und zeitliche Distanz und das ungewöhnliche Aussehen der Leichname, die eine Herausarbeitung des spezifisch Ägyptischen an den Körpern mit sich brachte, wurde in zunehmendem Maße eine Differenz zur eigenen kulturellen Gegenwart hergestellt. Die Darstellungen sind außerdem als Typisierungen zu begreifen: Sie erzählen nicht von einem individuellen Objekt, sondern zeigen daran die allgemeinen Eigenschaften der Objektgruppe auf. Sie bleiben damit ohne Wiedererkennungswert.
2.3 Objekttransfer. Ägyptische Mumien in Europa Ab dem späten 16. Jahrhundert war die Besichtigung von Mumienkörpern nicht mehr nur den Ägyptenreisenden vorbehalten. Ganze Exemplare wurden nach 114 Della Valle hatte auf seiner Reise Persisch, Arabisch und Türkisch gelernt und später eine koptisch-arabische Grammatik sowie zwei Wörterbücher mit nach Rom gebracht, die Athanasius Kircher für seine Sprachlehre des Koptischen verwendete. Zitat ebd., S. 380. Zu den frühen Studien des Koptischen vgl. Miller 2004. 115 Vgl. Della Valle 1650, S. 379 f. In der Tat handelt es sich um den griechischen Abschiedsgruß εὐψύχει in itazistischer Schreibung.
2.3 Objekttransfer. Ägyptische Mumien in Europa
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Europa verschifft und zierten dort sowohl private als auch höfische Sammlungen. Die Zurschaustellung der Körper führte nicht sofort zu tiefergehenden Studien, sondern hatte zunächst lediglich Illustrationscharakter. Der Bildungsbürger konnte an den Objekten die Mumifizierungskunst der Ägypter bestaunen und sein aus Büchern gewonnenes Wissen nachvollziehen. Für die Gelehrtenschaft war das Alter der Mumien zentral: Sie rezipierten die Körper als Anschauungsobjekte biblischer Zeiten. Für zeitgenössische gelehrte Studien zum Thema wurde es nunmehr notwendig, seine Kompetenz auch mit der Kenntnis der Objekte auszuweisen. Das steigende Interesse an Mumien im 17. Jahrhundert ist auch im Kontext einer allgemeinen Ägyptenbegeisterung zu sehen, die in der Renaissance ihren Ausgang nahm und vor allem durch die Faszination für ägyptische Hieroglyphen und Religion angeregt wurde. Sie fand nicht nur in der Schriftproduktion ihren Ausdruck, sondern in der steigenden Zahl von Aegyptiaca in den europäischen Sammlungen und durch Wiederaufrichtung verschütteter Obelisken im Stadtbild des Zentrums der Christenheit auch Sichtbarkeit. Um die Wahrnehmung von Mumien als Aegyptiaca hat sich besonders Athanasius Kircher verdient gemacht, der sie mit der 1654 erschienenen Abhandlung De Mumiis im Kontext seiner Hieroglyphenstudien diskutierte.
2.3.1 Die Mumie als Ausstellungsstück Wann genau die erste unversehrte ägyptische Mumie nach Europa überführt wurde, kann nicht mehr mit Sicherheit nachvollzogen werden. Im 16. Jahrhundert finden sich erstmals einige wenige Belege. Der früheste stammt von dem Tübinger Medizinprofessor Leonard Fuchs aus dem Jahr 1535 und bezieht sich vermutlich auf den süddeutschen Raum, den er abgesehen von seinem Studium in Erfurt nie verlassen hatte. In seinen Paradoxorum medicinae libri tadelt er Apotheker, die in ihren Geschäften ganze Mumienkörper zur Schau stellen, als dummdreist: „Et eoúsque etiam processit pharmacopolarum stoliditas, vt non saniem tantum cadauerum venalem exponant, sed tota etiam corpora in vulgi admirationem, tanquam aliquod ex septem illis orbis spectaculus, ostentent.“ 116 Auch für das Volk als Publikum dieser Präsentation findet er kritische Worte: Ihre Ahnungslosigkeit verleite sie zu einem affektierten Gaffen (admiratio) und einer völlig unangemessenen Überbewertung der nicht verwesten Körper. Ein weiterer Beleg findet sich erst zwei Jahrzehnte später bei Pierre Belon. Er berich116 Fuchs 1555, Bl. 93 r (zuerst 1535). „Soweit sogar ist die Dreistigkeit der Apotheker fortgeschritten, dass sie nicht nur die Jauche der Leichname zum Verkauf ausstellen, sondern auch ganze Körper wie eines der sieben Weltwunder zum Bestaunen für das Volk zeigen.“
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tet von einer unversehrten Mumie, die der französische Naturforscher Guillaume Rondelet in Marseille inspizieren konnte und bei der dieser zwanzig Blätter mit ihm unbekannten Schriftzeichen gefunden hat.117 Aufschlussreich ist auch das Verhältnis einer Warenlieferung, die durch den englischen Kaufmann John Sanderson überliefert ist: Für das Jahr 1588 notiert er, das Handelsschiff Hercules habe auf dem Weg von Alexandria nach London u. a. mehrere hundert Pfund mumia, aber nur einen ganzen Mumienkörper an Bord gehabt.118 Verschiedene andere Hinweise sprechen für den großen Seltenheitswert der ägyptischen Leichname. So verweist Belon um die Jahrhunderthälfte allgemein darauf, dass Mumien nicht in einem Stück in Europa ankommen würden, weil sie zum leichteren Transport zerschnitten werden oder durch die Widrigkeiten der Reise zerbrechen.119 Für die entstehenden Kunstkammern waren die Leichname offenbar noch nicht interessant; jedenfalls erwähnt Samuel Quiccheberg sie in seiner Schrift über das Idealmuseum, den Inscriptiones vel tituli theatri amplissimi, 1565 mit keinem Wort. Der polnische Fürst Radziwill, dem es auf seiner Ägyptenreise Anfang der 1580er Jahre nach eigenen Angaben gelungen war, in Alexandria mit Hilfe eines jüdischen Kontrolleurs seine beiden Mumien zu verstecken und so das Ausfuhrverbot zu umgehen, warf diese bekanntlich wegen der Unruhe, die sie auf See verursachten, über Bord. Er erwähnt außerdem, wie gerne er sie nach Polen geführt hätte, „sonderlich weil ich nie gehöret / daß jemahls ein gantzer in unser Landt were gebracht worden“.120 Auch der Arzt Joachim Strupp schien nichts von Mumien in Deutschland zu wissen, als er anlässlich der Ankunft eines unversehrten Exemplars in Frankfurt 1574 schrieb, dass „[d]ergleichen Antiquitet in Teutscher Nation oder sonsten nie gesehen“.121 Diese Mumie wurde nicht von Ägyptenreisenden heimgeführt, sondern, wie Strupp angibt, während der Seeschlacht von Lepanto 1571, bei der das Osmanische Reich eine große Niederlage gegen die christlichen Bündnismächte erlitten hatte, von einem der gegnerischen Schiffe erbeutet und zunächst nach Venedig gebracht, wo sie – von wem ist unbekannt – für einen hohen Preis erworben und nach Deutschland verschickt wurde. Um was für eine
117 Vgl. Belon 1553b, Liber secundus, Bl. 25 v: „His quaedam similia à D. Gulielmo Rondeleto montispessulanensi medico audiui, nuper Maßiliam funus condîtum atque integrum ex Memphide nauigio esse exportatum, in cuius thorace inuenta fuerunt viginti folia papyri antiquae literis Arabicis inscripta, quorum inscriptionem nemo potuit legere.“ 118 Vgl. Willan 1955, S. 408 mit Anm. 4. 119 Vgl. Belon 1553b, Liber secundus, Bl. 30 v: „Foeminarum quoque cadavera, vt marium condiebantur, quorum discrimina in Aegypto obseruari possunt, apud nos verò non ita, quia frustatim et fracta plurimùm, et concisa adferuntur, quod in itinere accidit.“ 120 Radziwill 1603, S. 216. 121 Strupp 1574b, Titelblatt.
2.3 Objekttransfer. Ägyptische Mumien in Europa
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Sensation es sich dabei gehandelt haben muss, wird daran deutlich, dass Strupp anlässlich der Ankunft der Mumie sogleich einen lateinischen Traktat, den Consensus celebriorum medicorum, historicorum et philosophorum super mumia, veröffentlichte und „in eyll“ 122 auch eine kürzere deutsche Version erscheinen ließ. Bei der lateinischen Fassung handelt es sich um die zweite selbstständige Mumienschrift nach Belons De medicato funere, bei der deutschen um die erste volkssprachliche Mumienschrift überhaupt. Mit nur sechs Seiten ist sie wesentlich kürzer als ihre vierzehnseitige Vorlage. Die Umstände des Ereignisses bleiben leider völlig unklar: Weder wissen wir, wer der Besitzer der Mumie war oder zu welchem Zweck sie angekauft wurde noch warum gerade Strupp die Begleitschrift verfasst hat. Wohl aber sind die Texte ein hervorragendes Zeugnis dafür, wie der interessierte Europäer damit umging, dass ihm nun nicht mehr nur Bücher, sondern das materielle Objekt selbst zur Verfügung stand. Beide Fassungen werden klar von der Auseinandersetzung mit der Arznei mumia dominiert, wobei Strupp sich als Verfechter einer Gewinnung aus ägyptischen Mumien positioniert. Es wird eine kommentierte Zusammenschau bekannter Autoren zum Thema vorgelegt, Eigenschaften und Wirkung der Arznei erläutert, Rezepturvorschläge gegeben. Dieser Teil ist ebenso altbekannt wie unspektakulär. Er zeugt lediglich davon, dass die Schriften sich an die Vertreter der Heilkunde richteten: die lateinische an den studierten Arzt, die deutsche an die medizinisch-handwerkliche Zunft der Chirurgen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Strupp seine Beschäftigung mit den Mumien nicht allein über den medizinischen Nutzen legitimiert, sondern sie auch religiös motiviert. Dabei nimmt er eine Umwertung seines Gegenstandes vor, der innerhalb der interpretatio christiana bisher den teuflischen Mächten zugeordnet wurde. In beiden Fassungen sind dem Vorwort einige Bemerkungen zu Jakobs Balsamierung im letzten Kapitel der Genesis vorangestellt. Dort heißt es: „Und Josef befahl seinen Dienern, den Ärzten, dass sie seinen Vater zum Begräbnis salbten. Und die Ärzte salbten Israel, bis vierzig Tage um waren; denn so lange währen die Tage der Salbung. Und die Ägypter beweinten ihn siebzig Tage.“ 123 In Anlehnung an diese Passage versteht Strupp die heidnischen Ägypter als Nachahmer der biblisch überlieferten Praxis, die sich dadurch „noch einen schadtwen der unverweßlichkeit und aufferstehung behalten“ 124. In der lateinischen Version erhebt er die Balsamierung gar zu einem Akt der pietas („pietatis officia“ 125). Mit dieser Perspektive geht eine positive Konnotierung der Mumien selbst ein-
122 123 124 125
Ebd., o. P. (Kap. Dem Christlichen Leser und Spectatori). Gen. 50,2–3. Strupp 1574b, o. P. (Kap. Im Ersten Buch Moysis am letzten Cap.). Ders. 1574a, o. P. (Kap. Genesis vltimo).
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her: Strupp hält es für Unrecht, sie ,Leichname‘ (cadavera) zu nennen, da sie ja zu einem andauernden Leben auferstanden seien, und schlägt selbst die Bezeichnung ,Körper‘ (corpora) vor.126 Seine Mumienstudien versteht der Arzt im Sinne dieser Interpretation als Beitrag zur Gotteserkenntnis.127 Der ägyptologisch und historisch relevante Anteil der Mumienthematik gerät bei Strupp außerordentlich kurz. Für die lateinische Fassung druckt er das enzyklopädisch organisierte Mumienkapitel aus Pierre Belons Les Observations, das er sich mangels Französischkenntnissen eigens von einem Freund („Nobili Domino I. Kelnero [...] amico dilecto“ 128) ins Lateinische übersetzen ließ, weil ihm die lateinische Ausgabe offenbar nicht bekannt oder nicht zugänglich war. Auch die Mumienschrift des Franzosen scheint er nicht gekannt zu haben. Einerseits erwähnt er sie nicht ein einziges Mal, andererseits sind die wenigen Wissensbestände, auf die er außerhalb des Zitats referiert, ohne weiteres auf das Reiseberichtkapitel zurückzuführen. Um eine Verlegenheitslösung handelt es sich bei der Auswahl von Les Observations als Quelle aber keineswegs. Strupp bezeichnet Belon als „αὔτοπτος“ 129 (Augenzeugen). Innerhalb seines Konzeptes von Glaubwürdigkeit kommt dem Ägyptenreisenden damit die höchstmögliche Kompetenz zu. Der deutsche Leser des Consensus kann an dem Wissensschatz Belons allerdings nicht teilhaben – dort ist das Kapitel ersatzlos gestrichen. Beiden Fassungen beigegeben ist allerdings ein Holzschnitt der Frankfurter Mumie. Die nichtauthentische Abbildung zeigt ein gut erhaltenes Exemplar in einem ausstaffierten Schaukasten aus Holz und präsentiert dabei zahlreiche Wissensbestände über die ägyptischen Leichname.130 Zu sehen ist zunächst eine menschliche Silhouette. Es wird also die Körperlichkeit des Arzneirohstoffes betont, der weithin nur in Stücken betrachtet werden konnte. Dieser Aspekt wird durch die Darstellung eines lächelnden Gesichts und bloßer Füße, an denen sogar die einzelnen Zehen und Zehennägel zu erkennen sind, unterstützt. Der Körper ist vielfach mit Leinenbinden umwunden; jede davon mit pseudohieroglyphischen Zeichen verziert. In der Mitte des Bauchs findet sich ein großes, dunkles Loch, das die Entnahme der Eingeweide anzeigt. Eine Krone weist darauf hin, dass es sich bei der toten Person um jemanden von höchstem sozialem Status handelte. Die außerordentliche Schönheit der Mumie lässt Strupp wiederum von einem Ägyptenreisenden,
126 „[...] reliqua, hac corporum nefas enim duco cadavera nominare […]“. Ders. 1574a, o. P. (Kap. De Nomine ac Etymo). Zitat ebd. 127 „Alles zu nutz und wolfart der duͤ rfftigen Creaturen / und zu erkantnuß der wunderbarlichen und noch etwas unbekandten gaben Gottes / Welchem sey lob fuͤ r alle seine guͤ ter / Amen.“ Strupp 1574b, o. P. (Kap. Im Ersten Buch Moysis am letzten Cap.). 128 Ders. 1574a, o. P. (Kap. Historiae Mumiae). 129 Ebd. 130 Vgl. Abb. 5.
2.3 Objekttransfer. Ägyptische Mumien in Europa
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Abb. 5: Die Frankfurter Mumie in Joachim Strupps Consensus super Mumia (1574).
seinem Freund Georg Peck, bekunden, der vor Ort zahlreiche Exemplare gesehen habe, von denen jedoch keine so schön gewesen sei wie die Frankfurter.131 Mit dem Holzschnitt – und hierin besteht das große Verdienst der ConsensusVeröffentlichungen – liegt nun erstmals die Abbildung einer Mumie vor, die
131 Vgl. Strupp 1574a, o. P. (Kap. De Nomine ac Etymo).
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2 Mumien in der Frühen Neuzeit. Eine Wissensgeschichte
nicht nur einen Leichnam bzw. ein Skelett zeigt wie bei Thevet oder Murer, sondern auch das spezifisch Ägyptische mit ins Bild übersetzt. Dass auch für Strupp die Abbildung das Kernstück seiner Veröffentlichung ist, wird an mehreren Stellen deutlich. Im deutschen Vorwort wendet er sich nicht nur an den Leser, sondern auch an den spectator. Das Titelblatt betont zweimal den Akt des Sehens: „allhier jetzo zu schawen“ und „sonsten nie gesehen“.132 Der Holzschnitt ist in beiden Versionen identisch und trägt die Beischrift „Allhie zu sehen fur augen stehet / Ein recht herrlich Antiquitet“.133 Das lateinische Titelblatt kündigt das echte Exemplar einer Mumie an, das nun angeschaut und bestaunt werden könne („Verum Exemplar [...] cum admiratione coràm aspiciendum“ 134). Für Strupp bedeutet die Ankunft einer Mumie in Frankfurt nicht, dass er sich nun für weitergehende Studien diesem Objekt zu widmen hat. Vielmehr ist sie der Anlass, das in Büchern verfügbare Wissen zusammenzutragen und es am Objekt zu illustrieren. Die Möglichkeit, sich eine Vorstellung vom Gelesenen zu verschaffen, versucht er für den Leser zu replizieren, indem er den Traktaten eine Abbildung beigibt. Ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert lassen sich erstmals Mumien bestimmten Sammlungen zuordnen. Der früheste dokumentierte Besitzer war einer der berühmtesten Sammler seiner Zeit, Bernhard Paludanus.135 Der gebürtige Niederländer schloss 1580 sein Medizinstudium in Padua ab und unternahm bereits als Student Reisen, u. a. nach Ägypten, von wo er sowohl Naturalia als auch Aegyptiaca mit zurückbrachte. In Italien hatte Paludanus die Kabinette von Ferrante Imperato in Neapel und Ulisse Aldrovandi in Bologna kennen gelernt. Nach ihrem Vorbild schuf er, als er sich 1586 als Stadtarzt in Enkhuizen niederließ, eine eigene Sammlung. Dank der günstigen Lage der Hafenstadt und dem florierenden niederländischen Handel konnte er sie rasch um zahlreiche Exponate aus aller Welt erweitern und mehrte damit alsbald seinen Ruhm. Auch an der noch jungen136 Universität Leiden war die Enkhuizener Sammlung bekannt und man stand in gutem Kontakt zu Paludanus. So geschah es, dass der berühmte Gelehrte Joseph Justus Scaliger, den die Universität mit der Entbindung von jeglicher Lehrverpflichtung anwerben konnte, nachdem er zunächst die Nachfolge von Justus Lipsius ausgeschlagen hatte, 1593 bald nach seiner Ankunft
132 Strupp 1574b, Titelblatt. 133 Ders. 1574a, Holzschnitt, und ders. 1574b, Holzschnitt. 134 Ders. 1574a, Titelblatt. 135 Zu Paludanus und seiner Sammlung vgl. Jorink 2010, S. 266–278. Neben Paludanus gehörten Laurentius Scholz in Breslau, der seine drei Mumien vor 1599 angekauft haben muss, sowie Moritz von Hessen-Kassel und Walter Cope in London, deren Mumien Friedrich Gerschow für mindestens 1602 bezeugt, zu den frühesten dokumentierten Besitzern. Vgl. auch Anm. 158. 136 Die Universität Leiden wurde 1575 gegründet.
2.3 Objekttransfer. Ägyptische Mumien in Europa
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in Leiden nach Enkhuizen aufbrach, um Paludanus’ Sammlung zu sehen. Zu diesem Besuch ist folgende Episode überliefert: Paludanus à Enchuse, ostendit Mumiam integram, corpus Aegyptiacum ante 3000 annos sepultum; est vera antiquitas. Quidam persuasit à Gourgues, esse unum ex corporibus Regum; adoravit illud, et scripsit ad patrem, tamquam si vidisset corporis Sancti reliquias. Paludanus semipontificius cum videret illud, monuit eum falsi. Ce Gourgues est maintenant Samaritanus Jesuita.137
Hervorzuheben ist hier zunächst die Reaktion von Scaligers jungem Begleiter Marc Antoine Gourgues, die auch von der Besonderheit des Ausstellungsstücks zu jener Zeit erzählt: Die Vorstellung, einen Pharao des Alten Ägypten vor sich zu haben, versetzt ihn in ein Staunen, das er nur mit religiöser Verehrung zu beantworten weiß. Scaliger dagegen scheint von dem Anblick in keiner Weise ergriffen. Er fühlt sich lediglich veranlasst, das Exponat zeitlich einzuordnen. Es liegt nahe, dass der Verweis auf das drei Jahrtausende zurückliegende Ägypten (d. h. etwa 1407 v. Chr.) keine willkürliche Angabe des Gelehrten ist, der eine Dekade zuvor mit De emendatione temporum (1583) einen Meilenstein der historischen Chronologie vorgelegt hatte.138 In seiner Beschreibung der Weltgeschichte, die von 3950 v. Chr. als Jahr der biblischen Schöpfung ausgeht, wird der Auszug aus Ägypten auf 1496 v. Chr. datiert.139 Bei Betrachtung der Mumie hatte Scaliger die biblische Geschichte präsent, anhand der er in Anlehnung an die entsprechenden Stellen der Genesis zur Balsamierung Jakobs und Josephs das Alter des Artefakts auf 3000 Jahre festlegen und zu einer echten Antiquität („vera antiquitas“) erklären konnte.140 Die Mumie interessierte ihn nicht so sehr 137 Scaliger 1667, S. 176. „In Enkhuizen zeigte Paludanus eine unversehrte Mumie, einen ägyptischen Körper, der vor 3000 Jahren bestattet wurde. Er ist eine echte Antiquität. Jemand überzeugte Gourgues, dass es einer der Körper der Könige sei. Er erbrachte diesem seine Ehre und schrieb an seinen Vater, als hätte er die Überreste des Körpers eines Heiligen gesehen. Als Paludanus, ein Halbkatholik, das sah, wies er ihn zurecht, dass das falsch sei. Nun ist Gourgues ein Samaritanischer Jesuit.“ Marc Antoine Gourgues kam gemeinsam mit Scaliger nach Leiden, wo er sich als Student einschrieb, und lebte ein Jahr in dessen Haus. Zu Gourgues: De Jonge 1979, S. 79–81. 138 Hierauf haben bereits Jorink 2010, S. 271, und Dijkstra 2009, S. 78 (Anm. 66), verwiesen. 139 Vgl. Scaliger 1598, S. 350–352. Ebd., S. 350: „Ex istis igitur colligitur, a conditu mundi, ad tempus Exodi, annos esse absolutos 2453. Annum autem mundi 2454 esse ipsum annum Exodi.“ Zu Scaligers Arbeiten zur Chronologie hat Anthony Grafton zahlreiche Studien vorgelegt. Zur Einführung vgl. Grafton 1975. 140 Gen. 50,2–3 (s. o.) und Gen. 50,26 („Und Joseph starb, als er hundertundzehn Jahre alt war. Und sie salbten ihn und legten ihn in einen Sarg in Ägypten.“). Auch Paludanus gibt in seinem Sammlungskatalog an: „Von die manijre disser balsammunge kann man lesen das letste capittel ins eerste buch Moysi dar aldus steht [...]“ und zitiert dann Gen. 50,2–3 auf Latein. Zitiert nach Jorink 2010, S. 270 (Anm. 63).
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um ihrer selbst willen, sondern in erster Linie als Anschauungsobjekt der Bibelgeschichte. Auch über die pagane Textüberlieferung zu Mumien war Scaliger gut unterrichtet, wie aus einem Brief hervorgeht, den er einige Jahre nach dem Besuch bei Paludanus schrieb. Dort heißt es: Εἴδωλα ἀνατετμημένα, sunt quae Mummias vocamus, corpora Aegyptiorum dissecta et exenterata, qualia multa vidimus, quae polinctores καὶ ταριχευταί sive ἐνταφιασταί Aegyptii curabant, et condiebant. hoc est, quod vocatur hic κηδεύειν. Ea εἴδωλα in Tricliniis statuebantur: ut a filiis nepotibusque inter epulandum conspicerentur. Plene Herodotus et Diodorus.141
Dijkstra hat darauf hingewiesen, dass die Passage nicht nur auf die Lektüre der genannten Autoren Herodot und Diodor, sondern auch auf die von Horapollos Hieroglyphica hinweist, da nur dort die Kombination εἴδωλα ἀνατετμημένα vorkomme und zudem ἐνταφιασταί und κηδεύειν verwendet werden.142 Der Verweis auf die Aufbewahrung von Mumien in den triclinia klingt wiederum an Lukian an, der sie als Tischgenossen und Zechbrüder bezeichnet, während Diodor nur allgemein von Häusern spricht und Herodot dergleichen ausspart.143 Gänzlich ohne Einfluss auf die kurze Darstellung bleibt die Tatsache, dass Scaliger, wie er selbst bekundet, bereits viele Mumien gesehen hat („qualia multa vidimus“). Wohl aber scheint für den Gelehrten um die Jahrhundertwende die Besichtigung des materiellen Objekts als – notwendiger oder ergänzender – Kompetenzausweis auch für philologische Studien zu Mumien zu dienen. Noch zwei Jahrzehnte musste man sich in Leiden gedulden, bevor die Universität ein eigenes Mumienexemplar ausstellen konnte, was dem Medizinprofessor Otto Heurnius zu verdanken war. Heurnius, dessen Vater Johannes Heurnius ab 1581 den Leidener Lehrstuhl für Medizin innehatte, promovierte 1601, zwei Jahre nach seinem Abschluss als magister philosophiae, ebendort zum doctor medicinae. Nach dem Tod seines Vaters wurde er noch im selben Jahr zum außerordentlichen Professor für Medizin berufen. Ein Jahrzehnt später erhielt
141 Scaliger an Dupuy am 1. November 1601, zitiert nach Dijkstra 2009, S. 77. „Εἴδωλα ἀνατετμημένα [aufgeschnittene Körper] sind die, die wir Mumien nennen: Aufgeschnittene und ausgeweidete Körper der Ägypter, von denen ich viele gesehen habe, die die ägyptischen Leichenwäscher καὶ ταριχευταί [und Einbalsamierer] oder ἐνταφιασταί [Leichenbestatter] behandelten und einbalsamierten, was hier κηδεύειν [die Bestattung besorgen] genannt wird. Diese εἴδωλα [Körper] wurden im Speiseraum aufgestellt, sodass sie von den Kindern und Enkeln beim Essen angeschaut werden konnten. Ausführlich bei Herodot und Diodor.“ 142 Vgl. Dijkstra 2009, S. 77 f. Hor. Hier. 1,39. 143 Lukian. Lukt. 21, Diod. Bibl. 91,7.
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er die ordentliche Professur, 1618 trat er die Nachfolge von Peter Pauw in Anatomie und Chirurgie an. Damit ging auch die Verantwortung für die Sammlung des anatomischen Theaters an ihn über, die er mit großer Leidenschaft ausfüllte.144 Anders als sein Vorgänger konzentrierte sich Heurnius nicht nur auf Exponate aus dem Gebiet der Medizin und Anatomie. Er richtete die Sammlung universell aus und war vor allem auf der Suche nach Objekten, die aus der Bibel oder der klassischen Literatur bekannt waren. Besonderes Interesse hegte er für alles Ägyptische. Von dem intellektuellen Hintergrund dieses Interesses legt seine erste Veröffentlichung Barbaricae philosophiae antiquitates Zeugnis ab.145 Sie erschien bereits ein Jahr nach Heurnius’ Studienabschluss und wurde 1619 inhaltlich unverändert, jedoch unter dem neuen Titel Babylonica, Indica, Aegyptia, etc. Philosophiae primordia neu aufgelegt. Anliegen des Werks ist es, die Geschichte der Philosophie von der Schaffung der Welt bis zu den Griechen darzustellen, um so die Ursprünge einer später verloren gegangenen Weisheit freizulegen. Nach Heurnius stellt sie sich folgendermaßen dar: Die Genealogie beginnt mit Adam, der die Weisheit direkt von Gott erhielt und allen belebten und unbelebten Dingen ihren Namen gab. Den adamitischen Nachkommen wurden die „divinae ac humanae sapientiae arcana“ bis zur Generation von Noahs Enkeln mündlich („ex conuersatione“) weitergegeben.146 Hermes Trismegistos, ägyptischer Priester, Lehrer Kuschs und „summus Philosophus“,147 schrieb sie erstmals in einer Sammlung von Schriften, dem Corpus Hermeticum, nieder. Mit Abraham, der vor einer Hungersnot in das Land am Nil geflohen war und dort als Lehrer der ägyptischen Priester wirkte, erreichte die philosophische Weisheit ihr goldenes Zeitalter und fand in verschiedenen Disziplinen wie Astronomie, Geometrie, Magie, Literatur oder Medizin ihren Ausdruck.148 Verloren ging sie mit Beginn der ptolemäischen Herrschaft in Ägypten nach dem Tode Alexanders des Großen.149 In seiner Darstellung ordnet Heurnius die Überlieferungen zur Religion und Philosophie der antiken Völker – neben den Ägyptern etwa die Chaldäer, Phönizier oder Inder – in die Chronologie der Bibel ein. Artefakte, die aus einer Zeit stam-
144 Zur Geschichte der Leidener Sammlung seit Peter Pauw vgl. Jorink 2010, S. 278–289, zur Sammlungstätigkeit von Heurnius auch Cook 2007, S. 168–170, und Schoneveld 1996, S.11. 145 Otto Heurnius’ Werk wurde von der Forschung bisher wenig berücksichtigt. Eine kurze Einführung in die Antiquitates bietet Tolomio 1993, S. 106–113. Zur Sammlungstätigkeit im Kontext der Antiquitates vgl. Huisman 2008, S. 59–61, und Jorink 2010, S. 287 f. 146 „Geheimnisse der göttlichen und menschlichen Weisheit“; beide Zitate Heurnius 1600, S. 11. 147 Ebd., S. 248. Zu Hermes Trismegistos ebd., S. 245–252. 148 So fasst es Tolomio 1993, S. 108 f., zusammen. 149 Vgl. Heurnius 1600, S. 57 f.
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men, in der die ursprüngliche Weisheit noch nicht verloren gegangen war, werden zu Trägern des uralten Wissens, das es nun zu entschlüsseln gilt. Solche Zeugnisse sind für Heurnius etwa das Corpus Hermeticum, die Chaldäischen Orakel oder die Hieroglyphen sowie Objekte mit Bezug zur biblischen Geschichte. Die von ihm angeschafften Sammlungsgegenstände stehen im Kontext eines Studiums der antiken Völker auf der Suche nach der ursprünglichen Weisheit. Sie sind damit mehr als Repräsentationen dieser Geschichte, sondern dienen der Wiederfindung von Gottes Wort, der cognitio Dei. Heurnius hatte bereits einige Aegyptiaca für die Sammlung des anatomischen Theaters angekauft, u. a. den Arm einer Mumie, zwei Uschebtis und drei Steine mit Hieroglyphen,150 als 1621 eine ganze Mumie samt Sarkophag nach Leiden geliefert wurde. Ermöglicht hatte ihm das der Kontakt zu einem ehemaligen Leidener Studenten, David le Leu de Wilhelm, der nun als Kaufmann im syrischen Aleppo arbeitete. Die Mumie wurde im geöffneten Sarkophag ausgestellt und mit einer zweiseitigen Erläuterung auf Niederländisch, der Explicatie der mummie, versehen.151 Eine dieser Seiten ist noch heute erhalten und gibt einen Einblick, in welcher Weise das Exponat dem Besucher vorgestellt wurde: Ausgeführt ist unter Einflechtung von Informationen über das Herkunftsland, wie die ausgestellte Mumie nach Leiden kam. Bei Kairo am Nil, wo die Tochter des Pharaos einst Moses rettete, habe David de Wilhelm sie 1620 nahe den Pyramiden, dem trockensten und sandigsten Ort der Welt, aus den unterirdischen gewölbeartigen Gräbern der heidnischen Ägypter ausgegraben. Sie wurde zunächst nach Alexandria gebracht und von dort wegen des bei Todesstrafe verbotenen Exports von Mumien versteckt zwischen Gewürzen, Baumwolle und Kamelheu nach Amsterdam verschifft. Davids Bruder Paul übergab die Mumie dann am 2. Oktober 1621 der Leidener Anatomie, die damit im Übrigen das erste dokumentierte Exemplar einer universitären Einrichtung ist. Für seine Erläuterung scheint Heurnius einen enzyklopädischen Ansatz verfolgt zu haben. Die übrigen noch erhaltenen Informationen sind dem Aberglauben – auf Seiten der Obrigkeiten Ägyptens die Angst, die Körper könnten für magische Zwecke gegen das Land gerichtet werden, auf Seiten der Allgemeinheit die Furcht vor Stürmen und Schiffbruch beim Überqueren des Meeres mit Mumien – und dem medizinischen Nutzen gewidmet. Kaum hatte Heurnius seine erste Mumie erhalten, schickte er ein Dankesschreiben an de Wilhelm und gab sogleich weitere Ankaufwünsche mit auf den Weg, etwa Stein- und Bronzestatuen von Menschen mit Tierköpfen oder Teile von Mumien wie Arme, Füße oder Kiefer. Dass
150 Vgl. Jorink 2010, S. 284 f., und Huisman 2008, S. 50. 151 Vgl. Jorink 2010, S. 285. Zum Inhalt der überlieferten Seite ebd., S. 285–287, und Huisman 2008, S. 50 f.
2.3 Objekttransfer. Ägyptische Mumien in Europa
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es gerade die Mumien waren, die auf ihn eine besondere Faszination ausübten, lässt sich daran erkennen, dass Heurnius eine dreibändige Arbeit De mummia sive conditura cadaverum antiquorum et neotericorum angefertigt hat, die allerdings nie in den Druck ging. Dass es auch im 17. Jahrhundert noch mit vielen Schwierigkeiten verbunden war, ganze ägyptische Leichname nach Europa zu bringen, bezeugen die Bemühungen des französischen Gelehrten und Antiquars Nicolas-Claude Fabri de Peiresc. 1629 bat er seine Marseiller Kontaktmänner, sich für den Transport einer Mumie ein flämisches Schiff zu suchen, da niederländische und englische Seeleute anders als provenzalische keine Angst hätten, Mumien mit an Bord zu nehmen.152 Peiresc zufolge war es der Aberglaube der heimischen Seefahrer, dass die Leichname einen Schiffbruch verursachen könnten, dessentwegen er seit Langem vergeblich auf eine Mumie hoffte: „Il y a long temps que ses superstitions de noz marinieres m’empeschent d’en faire apporter une bien entier et bien conservé comme j’avois des soignée.“ 153 Zudem war es schwierig, die für Sammler wertvollen Mumien mit reichen Verzierungen und Beigaben wie Götterfiguren, Gefäßen oder Schriftstücken zu finden, da die gut auffindbaren Gräber bereits geplündert waren und es nötig wurde, nach unberührten Stätten zu suchen. Zur Unterstützung der Suche übersandte Peiresc Erläuterungen zur Bestattungspraxis der Ägypter in Nekropolen, die er um die Zeichnung einer solchen Stätte als Anweisung für Grabungen ergänzte.154 Schließlich waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt: Mithilfe des Franziskanermönchs Theophilus Minutius vor Ort konnte Peiresc bald zwei Mumien in seine Sammlung aufnehmen.155 Trotz aller Hindernisse gab es im Europa des 17. Jahrhunderts an mehreren Orten ganze ägyptische Mumien zu sehen: in bürgerlichen und höfischen Sammlungen, seltener in Apotheken156 und in wissenschaftlichen Einrichtungen.
152 Vgl. Miller 2015, S. 223 f. 153 Brief von Peiresc an de Thou vom 25. April 1629 zitiert nach Miller 2015, S. 224, Anm. 80. 154 Vgl. Miller 2015, S. 348 mit Abb. 29 auf S. 349. 155 Offenbar kamen die Mumien nicht gleichzeitig an. Miller 2015, S. 224, spricht von einer Mumie, die der Marseiller Barthelemy Issaultier um 1630 auf dem provenzalischen Schiff Notre Dame de la Consolation mit nach Frankreich brachte. Der Grabungsplan stammt aus dem Jahr 1636. Dannenfeld 1959, S. 22, spricht mit Berufung auf Gassendis Vita Peirescii von zwei Mumien. 156 Wie Gryphius (§ 5,3) bekundet, verfügten zu seiner Zeit Apotheken jeder etwas berühmteren Stadt über Mumienteile. In den frühen Apothekensammlungen stellte sich, nimmt man deren Kataloge zur Grundlage, die Lage noch anders dar: Ferrante Imperato (Neapel) nimmt mumia in Dell’historia naturale zwar in seiner Auseinandersetzung mit bituminösen Substanzen auf (ders. 1599, S. 412 und 420), hat aber offenbar kein erwähnenswertes Stück besessen. Basilius Bessler (Nürnberg) erwähnt mumia im Fasciculus rariorum (ders. 1616) gar nicht. Im erstem Katalog De reconditis et praecipuis collectaneis (Oliva 1584) zu Francesco Calzolaris Veroneser Sammlung bleibt mumia unberücksichtigt, in der zweiten Version von 1622 Museum
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Dokumentiert sind folgende Exemplare:157 In den Niederlanden fand sich neben den Mumien in Enkhuizen und Leiden eine weitere in der Sammlung des Amsterdamer Kaufmanns Hieronymus van Werle. In England war der Londoner Edelmann Walter Cope noch vor 1602 einer der frühesten Mumienbesitzer. Der Rechtsanwalt und Alchemist Elias Ashmole konnte in seiner Oxforder Sammlung ein Exemplar zeigen, die Royal Society erhielt im späten 17. Jahrhundert eines für ihr Museum. In Frankreich beherbergte Peirescs Sammlung in Aix-enProvence zwei Mumien. In Italien gab es in der Sammlung Chigi in Rom die Mumien zweier Erwachsener sowie eines Kindes, die Pietro della Valle von seiner Ägyptenreise mitgebracht hatte, zu sehen. In Florenz verfügte die Sammlung von Großherzog Ferdinand II. de’ Medici über zwei, die Privatsammlung des Arztes Giovanni Nardi über eine Mumie. In Mailand konnte der vor allem für
Calceolarium ist der Hinweis auf ein nicht weiter definiertes Stück zu finden (Ceruti / Chioco 1622, S. 696 f.). Aldrovandi (gest. 1605) bezeugt die Seltenheit von ägyptischen Mumien(teilen) in italienischen Apotheken: „Quamobrem ex dictis veram mumiam in nostris officinis minime seruari attestabimur.“ Ders. 1642, S. 312. Verweise auf ganze Mumien in Apotheken betreffen meist ausgetrocknete Körper, keine ägyptischen Mumien: In Venedig gab es nach Ceruti / Chioco 1622, S. 696 f., die Tradition, am Himmelfahrtstag Wüstenmumien auszustellen. Wüstenmumien in venezianischen Apotheken kannte auch Giovanni Battista da Monte (ders. 1554, Bl. 229 r). Abgesehen von Fuchs (vgl. Anm. 117) konnte ich nur den späten Verweis von Warlitz 1710, o. P. (Kap. Ex animalium classe II) auf die beiden ägyptischen Mumien der Farmacia del Agnus Dei in Venedig finden. Winkler-Kaufmanns Dissertation zur ‚Kunst- und Wunderkammer Apotheke‘ im 16. bis 18. Jahrhundert (diess. 2002) nennt nicht eine einzige Mumie. Mohr 1992, die die historischen Apothekersammlungen im deutschsprachigen Raum bearbeitet hat, kennt nur die Lübecker Apothekenmumie (vgl. Anm. 158). 157 Natürlich waren Teile von Mumienkörpern wesentlich häufiger zu finden. Hier aufgeführt werden nur ganze Mumienkörper. In frühneuzeitlichen Sammlungskatalogen oder Reisebeschreibungen wird das Wort Mumie auch für ausgetrocknete Körper (mumia arabica) und für in der Gegenwart balsamierte Körper verwendet. Die Quellen, aus denen nicht hervorgeht, dass es sich um eine ägyptische Mumie handelte, wurden nicht berücksichtigt. Zu Paludanus, della Valle, Leiden und Peiresc s. o. Zu van Werle: Abb. bei Kircher 1654, nach S. 428, Cope: Gerschow in LAG, Sign. Rep. 40 III, Nr. 53, Bl. 36 v, für das Jahr 1602 (offenbar die Kindermumie, die Thomas Platter schon 1599 dort gesehen hat), Ashmole: 1683, im Jahr der Angliederung des Museums an die Universität Oxford, sendet Aaron Goodyear eine Mumie (Arnold 2006, S. 112), Royal Society: die Mumie war ein Geschenk von Henry Howard, 6th Duke of Norfolk (Arnold 2006, S. 234, Anm. 50), dieselbe Mumie ist beschrieben bei Grew 1681, S. 1–3, Ferdinand II. de’ Medici: Nardi 1647, S. 645 und 649, Nardi: Nardi 1647, Septala: Terzagus 1664, S. 86, Scholz: Kundmann 1727, S. 42, und Stieff 1737, S. 607, Moritz von Hessen-Kassel: Gerschow in LAG, Sign. Rep. 40 III, Nr. 53, Bl. 33 v, für das Jahr 1602, Ratsapotheke Lübeck: Germer et al. 1995 mit Geschichte und Untersuchung der Mumie, die noch heute in Lübeck aufbewahrt wird, Schloss Gottorf: Olearius 1666b, S. 76, Reimers: Uffenbach 1753, S. 478, und Klemm 1838, S. 281, Prager Hof: Zimmermann 1905, Nr. 711, Königliche Kunstkammer Kopenhagen: angekauft für Friedrich III., d. h. vor 1670 (Gundestrup 1991, S. 39), Worm: Worm 1655, S. 344.
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seine auserlesene Bibliothek bekannte Patrizier Manfred Septala ein Exemplar zeigen. Im deutschsprachigen Raum waren die vor 1599 erworbenen drei Mumien des Arztes Laurentius Scholz in Breslau, die später von dem Apotheker Jakob Krause erworben wurden, und die drei in der Sammlung des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel, der einen Großteil seiner Sammlung Paludanus zu verdanken hatte, die frühesten. Mit den Kasseler Mumien sind erstmals Exemplare in einer höfischen Sammlung erwähnt. Für die Lübecker Ratsapotheke ist spätestens ab 1651 eine der selten nachzuweisenden Apothekenmumien dokumentiert. Das Kabinett am Schloss Gottorf, dem der berühmte Gelehrte Adam Olearius vorstand, und – jedoch erst um 1700 – das Museum des eher unbekannten Bürgermeisters der Stadt Lüneburg Tobias Reimers zeigten jeweils eine Mumie. Für die Kunstkammer am Prager Hof ist ab spätestens 1621 ein ägyptischer Leichnam verzeichnet. In Kopenhagen waren im privaten Museum des bekannten Archivars und Archäologen Ole Worm sowie in der royalen Kunstkammer je eine Mumie zu sehen.
2.3.2 Kirchers De Mumiis (1654) im Kontext früher Ägyptenstudien Die Ägyptenbegeisterung unter den Gelehrten des 17. Jahrhunderts hatte ihre Wurzeln in den Arbeiten der Renaissancehumanisten, die im Zuge ihrer Beschäftigung mit den alten lateinischen und griechischen Autoren immer wieder auf Berichte über Ägypten stießen, dessen antike Geschichte und Kultur seit der Islamisierung des Landes in Europa zunehmend in Vergessenheit geraten war. Die Tatsache, dass die griechischen Gelehrten, etwa Platon selbst, sich für Studien nach Ägypten begeben hatten und beeindruckt von dort zurückkehrten, lenkte das Interesse der Humanisten mehr und mehr auch auf das Land selbst.158 Als wegweisend für die Ägyptenrezeption wie für die philosophische Tradition der Frühen Neuzeit erwies sich das wiederentdeckte Corpus Hermeticum, das als Quelle der altägyptischen Weisheitslehre rezipiert und dem Hermes Trismegistos als Verfasser zugeschrieben wurde. Die griechische Traktatsammlung entstand nicht vor dem 2. Jahrhundert v. Chr., wurde aber in der Renaissance und – trotz Widerlegung durch Isaac Casaubon – noch bis ins späte 17. Jahrhundert in mosaische Zeit datiert und galt damit als Träger uralten Wissens. Marsilio Ficino übersetzte die Texte im Auftrag von Cosimo de’ Medici, der 1462 in Besitz der Handschrift gelangte, ins Lateinische. Sie ging 1471 als Pimander – bei Ficino eigentlich der Titel nur des ersten Traktats – bei Aldus Manutius in Venedig in den Druck. Ebenfalls bei Aldus erschienen zwei weitere
158 Vgl. Iversen 1993, S. 60.
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Schriften, die das Ägyptenbild der Frühen Neuzeit maßgeblich prägten: Über die Kulte des Alten Ägypten schrieb der Neuplatoniker Iamblichos in De mysteriis Aegyptiorum, das in der lateinischen Übersetzung von Ficino 1497 gedruckt wurde. Grundlegend für die Vorstellung von der ägyptischen Götterwelt wurde Plutarchs De Iside et Osiride, das als Teil der später unter dem Titel Moralia bekannten Schriften in der Edition von Demetrios Doukas 1509 herauskam. Die Neugier der Renaissancegelehrten an der ägyptischen Schrift wurde durch die 1417 von Poggio Bracciolini in Fulda wiederentdeckten Fragmente der Res gestae des Ammianus Marcellinus, die einen Exkurs zu Obelisken und Hieroglyphen enthalten, geweckt. Die Zirkulation dieses Textes bereitete, wie Iversen erläutert, das starke Interesse an Horapollos Hieroglyphica vor, die 1419 von dem Florentiner Christoforo Buondelmonti auf der griechischen Insel Andros gefunden wurde.159 Dabei handelt es sich nach Aussage des Verfassers Philippos um die griechische Übersetzung der zwei Bücher über Hieroglyphen des ägyptischen Gelehrten Horapollo. Die Schrift, die 1505 bei Aldus Manutius erstmals auf Griechisch und zehn Jahre später in Augsburg auf Latein in den Druck ging, wurde grundlegend für das humanistische Verständnis hieroglyphischer Zeichen als Symbole. Zunächst in Italien und später vor allem in Frankreich folgten zahlreiche Hieroglyphenstudien.160 Wegen ihres großen Einflusses bis ins 17. Jahrhundert ist darunter besonders die Hieroglyphica (1556) von Giovanni Pierio Valeriano, der in jungen Jahren in Venedig gelebt und dort auch Aldus Manutius kennengelernt hatte und später Lehrer am Hof der Medici wurde, hervorzuheben. Unter den deutschen Gelehrten verschaffte sich Johann Georg Herwart von Hohenburg mit seinem 1610 veröffentlichten Thesaurus Hieroglyphicorum große Anerkennung. Stolzenberg hat vermutet, dass es Herwarts Schrift war, die Athanasius Kircher als junger Priester in einer Bibliothek in Speyer in den Händen hielt und deren Darstellung von hieroglyphenverzierten Obelisken in Rom ihn so faszinierte, das er sich lebenslang mit deren Entzifferung befasste.161 Keiner der drei-
159 Vgl. Iversen 1993, S. 65. Zum Einfluss der Hieroglyphenliteratur auf Kunst und Architektur im 15. Jahrhundert s. ebd., S. 65–68. 160 Hierzu ebd., S. 70–83. 161 Vgl. Stolzenberg 2001, S. 15. Kircher erzählt die Episode in seiner Autobiografie ohne Autor oder Titel des Werks zu nennen, das ihn so beeindruckte. In Speyer hielt er sich um 1629/ 30 auf. Siebert 2008, S. 32, hat darauf hingewiesen, dass Kirchers Interesse an Hieroglyphen schon älter sein muss als von ihm selbst behauptet. Peiresc gegenüber hatte er nämlich angegeben, im Besitz einer Abschrift eines arabischsprachigen Werks von Barachias Nephi aus der Bibliothek des Mainzer Erzbischofs und Kurfürsten Johann Schweickhardt von Kronberg zu sein, das er für seine Hieroglypheninterpretation genutzt habe. Dort hatte Kircher jedoch bereits 1624–26 gedient.
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zehn162 antiken Obelisken Roms stand zu Beginn der frühen Neuzeit noch aufrecht. Erst Papst Sixtus V. ließ zwischen 1586–89 vier der Monumente ausgraben und aufrichten: vor den drei Pilgerkirchen San Pietro, Santa Maria Maggiore und San Giovanni in Laterano sowie vor der Titelkirche Santa Maria del Popolo am Nordeingang der Stadt auf der Piazza del Popolo. Der italienische Universalgelehrte und Präfekt der apostolischen Gärten Michele Mercati, der auch an der Aufrichtung des Lateran-Obelisken beteiligt war, widmete sich den antiken Monumenten angesichts der neuen Situation in Rom in Gli Obelischi di Roma (1589) ausführlich und diskutierte in diesem Zusammenhang auch die ägyptische Götterwelt und die Hieroglyphenschrift. Kircher sollte Gelegenheit bekommen, die Obelisken und ihre Inschriften selbst zu sehen: 1633 wurde der Jesuit als Professor für Mathematik, Physik und orientalische Sprachen an das Collegio Romano berufen. Nach Entbindung von der Lehrverpflichtung 1645 wirkte er dort als Gelehrter und Buchautor. Als anlässlich des Heiligen Jahres 1650 auf der Piazza Navona ein weiterer Obelisk aufgerichtet werden sollte, zog Papst Innozenz X. Kircher, der sich mit seinen Arbeiten zur koptischen Sprache – dem Prodromus Coptus (1636) und der Lingua aegyptiaca restituta (1643) – bereits im Bereich der Ägyptenstudien profiliert hatte, als wissenschaftlichen Berater zu dem Projekt hinzu.163 Die erste Übersetzung der Hieroglyphen dieses Obelisken veröffentlichte der Jesuit im Obeliscus Pamphilius (1650). Mit dem kurz darauf in drei Bänden erschienenen Oedipus Aegyptiacus (1652–54) präsentierte Kircher das Ergebnis seiner zwanzig Jahre währenden Ägyptenstudien: eine umfassende Rekonstruktion ägyptischer Geschichte, Politik, Religion, Kultur und Sprache, die in den vom Alten Testament vorgegebenen weltgeschichtlichen Rahmen eingepasst und ganz dem philosophischen Konzept einer prisca sapientia in der Tradition der Florentiner Neuplatoniker um Marsilio Ficino unterworfen ist.164 Fundament einer Erschließung der adamitisch-paradiesischen Weisheit bilden neben der christlichen Offenbarungsliteratur und der Kabbala die hermetischen Schriften: für Kircher eine „ägyptische Fassung der Lingua Adamica“, die keine spätere Offenbarung darstellt, sondern durchgehend bis
162 Acht davon sind altägyptisch, die übrigen römische Nachbildungen. 163 Zu den Repräsentationsprojekten von Papst Innozenz X. zum Jubeljahr vgl. Asmussen / Burkart / Rößler 2013, S. 117–126. Zur Metaphorik von Obelisk und Vier-Ströme-Brunnen im Kontext der Papsthuldigung ebd., S. 124 f. 164 Eine ausführliche Einleitung in den Oedipus Aegyptiacus hat Schmidt-Biggemann für die Neuausgabe des Werks verfasst: ders. 2013a. Zum Oedipus im Kontext der prisca sapientiaLehre (unter Einbezug der Hieroglyphen): ders. 2001. Zum Programm des philosophischen Konzepts im späten Renaissancehumanismus vgl. Mulsow 2004 und speziell bei Ficino Salaman 2002.
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nach der Sintflut tradiert wurde.165 Hermes Trismegistus, der Sekretär des ägyptischen Königs Mizraim, eines Enkels Noahs, habe die uralte Weisheit, um sie rein zu halten, aufgezeichnet und dafür die Hieroglyphen erfunden.166 Das Corpus Hermeticum ist nach Kirchers Auffassung die griechische Übersetzung einer ursprünglich in Hieroglyphen von Hermes verfassten Schrift. Den dritten Band des Oedipus Aegyptiacus, der den Untertitel Theatrum Hieroglyphicum trägt, widmet Kircher ganz seiner Theorie und Praxis der Hieroglyphenauslegung. Objekte des Interesses sind vor allem sämtliche Kircher bekannte Obelisken, aber auch andere ägyptische Altertümer und unter diesen erstmals die Mumien. Sie werden in einem eigenen, 47 Seiten umfassenden Traktat mit dem Titel De Mumiis earumque conditorijs et hieroglyphicorum, quibus inscribuntur, significatione abgehandelt, der sich angesichts Kirchers stets enzyklopädischem Zugang zu den Dingen nicht nur auf die hieroglyphischen Verzierungen beschränkt, sondern ein umfassendes Kompendium der zeitgenössischen Mumienkunde darstellt. In diesem Sinne ist De Mumiis die Version des 17. Jahrhunderts von Belons De medicato funere, wenn sie diese an Bekanntheit und Einfluss auch weit übertrifft. Mit Kirchers Schrift geht eine stille Umdefinition des Gegenstands einher: die Mumie als Aegyptiacum. Eine Auseinandersetzung mit der medizinischen Nutzung der Körper erhält hier keinen Platz mehr. Stattdessen bestimmen in etwa gleichem Maße die Darstellung des altägyptischen Totenkults – konkret die zugrundeliegende Seelenlehre, die Methode der Körperkonservierung und die Grabstätten – sowie die theologisch-kosmologische Deutung der Mumienverzierungen das Forschungsfeld. Kircher beginnt seine Abhandlung mit der Frage nach den religiös-philosophischen Vorstellungen, die sich hinter der Sitte der Leichenkonservierung verbergen. Er führt sie auf die Lehre der Metempsychose zurück: Demnach sei eine Seele solange an ihren früheren Körper gebunden, bis der Zeitpunkt der Wiedergeburt (παλιγγενεσία) erreicht ist.167 Bis dahin wandere sie mit jedem Tod in einen neuen Körper – und zwar je nach Verdiensten und Verfehlungen während des Lebens in die Körper heiliger Tiere, etwa Hund, Habicht oder Katze, oder niederer Tiere wie Krokodil, Esel, Nilpferd oder Fisch.168 Erst nach frühestens 7000 Jahren könne die Seele in ihren eigenen Körper zurückkehren. Vorausset-
165 Schmidt-Biggemann 2013a, S. 25 f. Zitat ebd. 166 Ebd., S. 26, und Schmidt-Biggemann 2001, S. 69. 167 „Est autem μετεμψύχωσις nihil aliud, nisi animarum fatali quâdam necessitate corporibus alligatarum, donec magno illo Mundi anno reuoluto per παλιγγενεσίαν corporibus pristinis restituantur, reuolutio.“ Kircher 1654, S. 388. 168 Ebd., S. 389.
2.3 Objekttransfer. Ägyptische Mumien in Europa
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zung dafür sei ein rechtschaffendes Leben („vitâ probè peractâ“ 169) in den vorübergehenden Körpern sowie die – durch die Mumifizierung angestrebte – Unversehrtheit des früheren Körpers. Nun könne die Seele in immer höhere Sphären aufsteigen, bis nach 49 000 Jahre der „status consistentiae rerum“ 170 erreicht sei, mit dem die παλιγγενεσία und der Eintritt in die Ewigkeit einhergehen. Hier nimmt der Kreislauf der Wiederverkörperung sein Ende: Die Seele wird ewig. Für die Berechnung des Zyklus beruft sich Kircher auf jenes arabische Manuskript des Abenephius oder Barachias Nephi über die alten Ägypter, das er als einziger Besitzer so beharrlich vor seinen Zeitgenossen unter Verschluss hielt.171 Die ägyptische Vorstellung von der Wiederverkörperung der Seele findet er bei Herodot, Diodor und Homer erwähnt, vor allem aber bereits bei dem (aus seiner Sicht früheren) Bewahrer der uralten Weisheit, Hermes Trismegistus selbst, aufgezeichnet. Bei diesem führt die Seelenmigration über die vier Tierreiche und den Menschen zu einer Annäherung an das Göttliche.172 Seit den Ägyptern findet sich das Prinzip der Seelenwanderung laut Kircher fast bei allen orientalischen Völkern und darüber hinaus wieder: etwa bei den Griechen, den Sarazenen, den Brachmanen, den Persern, den Chinesen und den Japanern.173 Aus seiner Auseinandersetzung ergibt sich der Schluss, dass das Wissen um die Unsterblichkeit der Seele ein Element adamitischer Weisheit ist. Nach dem Warum widmet sich Kircher dem Wie des altägyptischen Totenkults. Um dem Leser die Methode der Mumifizierung zu erläutern, stellt er umfassend die entsprechenden Passagen bei Herodot und Diodor vor und ergänzt sie mit den neuesten Erkenntnissen, die Giovanni Nardi wenige Jahre zuvor als Exkurs in seinem Lukrez-Kommentar veröffentlicht hatte. Der Florentiner Arzt,
169 Ebd., S. 393. 170 Ebd. 171 Vgl. auch Anm. 161. Peiresc konnte dieses Manuskript einsehen und eine Seite kopieren. Trotz Kirchers Versprechungen erhielt er jedoch nie die Möglichkeit, es in Gänze abschreiben zu lassen. Aufrère 1990 vermutete deswegen, dass es sich lediglich um eine arabische Version von Horapollos Hieroglyphica gehandelt haben könnte und Kircher versucht habe, Peiresc zu täuschen. Stolzenberg 2013, S. 83–88, gibt einen Überblick über Abenephius als Quelle bei Kircher, anhand dessen er die Identifizierung mit der Hieroglyphica ausschließen kann. Eine betrügerische Absicht traut er Kircher nicht zu. Zu Peirescs Bemühungen, an Kirchers Manuskript zu gelangen vgl. Miller 2004. 172 Ebd., S. 389. „Animarum humanarum, inquit, permultae mutationes partim in melius feliciusque, partim autem in contrarium. Nam reptilium quaedam in aquatilia transmutantur; aquatilum animae in terrestria migrant; terrenorum in volatilia scadunt; aereorum vertuntur in homines, hominum deinde immortales animae in Daemones transeunt, demum in Deorum Chorum feliciter volant.“ Kircher gibt hier Ficino 1570, S. 423. 173 Kircher 1654, S. 391.
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2 Mumien in der Frühen Neuzeit. Eine Wissensgeschichte
mit dem Kircher seit mindestens 1644 in Briefkontakt stand, war neben Johannes Marcus Marci Widmungsträger von De Mumiis.174 Er war durch Experimente an Mumien zu dem Schluss gekommen, dass sie lediglich mit Asphalt konserviert worden seien. Den Asphaltgeruch der Mumien, den Nardi beschreibt, hält Kircher für ein plausibles Indiz und das Problem allgemein für schwierig, aber nicht unerforschbar („difficile cognitu, at non inscrutabile“ 175). Er selbst meint ähnliches bei den häufigen Besichtigungen der Mumien Pietro della Valles in Rom wahrgenommen zu haben und entschuldigt sich bei dem Leser, dass es ihm aus Zeitgründen bisher noch nicht möglich war, sie aufzuschneiden und zu untersuchen („sed vti temporis angustiâ ea incidi non permisit“).176 An anderer Stelle berichtet Kircher davon, dass er viele Mumienteile – er nennt Hände, Füße und Kopf – auf ihre Größe und Proportionen hin untersucht habe, um die zusammenziehende Kraft des Asphalts zu bewerten.177 In einem Nebensatz erwähnt er dabei, dass es eine große Menge dieser Teile in römischen Apotheken gebe. Es ist wohl anzunehmen, dass Kircher sie ebendort besichtigt hat, auch wenn er es nicht explizit angibt. Er selbst hat offenbar keine Mumienteile besessen, sonst hätte er sie mit Sicherheit erwähnt, und auch im übrigen Rom scheint es seinerzeit neben della Valles Exemplaren keine weiteren ganzen Mumienkörper gegeben zu haben. Schlussendlich schließt sich Kircher, auch weil er es in arabischen Schriften ebenso gelesen habe, Nardis These von der Mumifizierung mit Asphalt an.178 Für seine Darstellung der Grabanlagen musste sich der Ägyptenexperte, der das Land selbst nie bereist hatte, auf die Berichte anderer stützen. Dafür druckt er die gesamte Reiseerzählung della Valles zu den Mumienfeldern bei Sakkara, den veranstalteten Ausgrabungen und der Erbeutung der in Rom zu besichtigenden Mumien aus den Viaggi ab. Tito Livio Burattini stellte die Abbildung einer Grabanlage mit neun Kammern zur Verfügung und gab dazu in einem Brief an Kircher eine ausführliche Beschreibung der Begebenheiten vor Ort, den dieser ebenfalls vollständig abdruckte.179 Auch für den wichtigsten Teil seiner Arbeit, die Deutung der Mumien als antiquarische Gegenstände im Kontext einer prisca sapientia, war Kircher auf
174 Vgl. hierzu das folgende Kapitel. Es sind vier Briefe aus den Jahren 1644–53 von Nardi an Kircher überliefert: APUG 557, Bl. 426 r f., APUG 568, Bl. 233 r f., APUG 559, Bl. 124 r–125 v und APUG 568, Bl. 132 r f. 175 Kircher 1654, S. 398. 176 Ebd., S. 399 und 410. Zitat ebd. 177 Ebd., S. 516. 178 Ebd., S. 399. 179 Vgl. Abb. 1.
2.3 Objekttransfer. Ägyptische Mumien in Europa
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Zusendungen anderer Gelehrter für eine Materialgrundlage angewiesen. Nardi stellte die Kupferplatten seiner eigenen Veröffentlichung, die Mumiensärge, Mumien und einige Aegyptiaca aus seiner Sammlung und der des Großherzogs Ferdinand II. zeigen, zur Verfügung. Der Hannoveraner Konvertit Barthold Nihus besorgte eine Abbildung der Mumie aus der Amsterdamer Sammlung des Kaufmanns Hieronymus van Werle. Peiresc schickte eine detaillierte Zeichnung der Hieroglyphen auf einer der Binden seiner Mumie. Eine Abbildung der beiden erwachsenen Mumien della Valles entstand offenbar in Kirchers Auftrag.180 Neben der Gestaltung der Särge und Mumien sowie speziell den Hieroglyphen interessierten Kircher auch die in die Mumien eingewickelten idola. Eine Götzenfigur aus Zedernholz hatte er in seiner eigenen Sammlung.181 Zur Verzierung der Mumie Nardis gibt Kircher nun folgende Interpretation, die er selbst mystica significatio nennt:182 Die äußere Gestaltung einer Mumie referiere stets auf den Verstorbenen sowie auf seine Schutzgötter. Die hier vorliegende Frauengestalt in einem buntgewebten Gewand zeige Isis. Um den Hals bis zum Brustbereich sind sieben kreisförmige Absetzungen zu sehen, die für die sieben Himmelsbahnen stehen und damit jene Sphären darstellen würden, in denen sich die wandernden Seelen aufhalten. Die netzförmige Musterung des Gewands, die nach unten immer weiter zusammenläuft, deute die Rückkehr in die verflochtene, unergründliche und unzugängliche Natur an. Die weibliche, geflügelte Figur in der Mitte der Mumie ist Kircher zufolge Iynx, deren Dienerin Isis sei. Damit referiert er auf die griechische Mythologie: Hier ist Iynx allerdings die Dienerin der gemeinhin mit Isis identifizierten Io, die sie einst zur Liebe mit Iuppiter verführt hatte und daraufhin von Iuno in einen Vogel verwandelt wurde. Die drei Reihen ihrer Flügel weisen auf das triadische Prinzip der ägyptischen Religion. Das Kreuz, das sie durch ihre ausgebreiteten Arme und den übrigen Körper forme, stehe für die Einströmung des Kosmischen in alle Glieder, die sitzende Haltung für die Herrschaft über alles und das Kreissymbol über ihrem Kopf für höchste göttliche Erhabenheit. In den sechs Götterdarstellungen unterhalb der Körpermitte sieht Kircher die Beschützer des Körpers und identifiziert sie mit Horus, Anubis, Nephte, Isis, Osiris und Arveris. Da es die Gottheiten sind, die die Seelen durch die verschiedenen Sphären führen, seien sie bei fast allen Mumien zu finden. Bei den Hieroglyphen, die in einer senkrechten Säule von der geflügelten Frauengestalt bis zu den Füßen reichen,
180 Vgl. Abb. 4. 181 Vgl. Kircher 1654, S. 420. 182 Ebd., S. 411–413. Bezeichnung mystica significatio ebd., S. 431. Die Abbildung stammt aus Nardis Lukrez-Ausgabe. Ders. 1647, S. 644, gibt dazu an: „Aegyptium Funus suis cum ornamentis, quod pridem (vt audisti) collocatum fuerat lignea in arca, vbi et modò iacet“. Vgl. auch Abb. 6.
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2 Mumien in der Frühen Neuzeit. Eine Wissensgeschichte
Abb. 6: Verzierte Mumie und Mumie in Leinenbinden in einem anthropomorphen Holzsarg aus den Florentiner Sammlungen Giovanni Nardis und Ferdinands II. de’ Medici in Nardis Lukrez-Ausgabe (1647).
2.4 Mumiensektionen
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handle es sich um Gebete an die Götter, den Körper zu schützen. Eine Übersetzung unterlässt er in diesem Fall wegen unsicherer Überlieferung der Zeichen. Üblicherweise überträgt Kircher die Inschriften auf Mumien als Bitten der Verstorbenen an die Götter, etwa um Geleit der Seele oder um Schutz vor den bösen Geistern. Die Hieroglyphen versteht er dabei in der Tradition der Renaissance nicht als Lautschrift, sondern als Symbole. Ein Zeichen beispielsweise, in dem er ein Auge und einen Phallus erkennt, übersetzt Kircher mit Osiris. Das Auge stehe dafür, dass Osiris alles sehe und alles voraussehe, der Phallus verweise auf den Osirismythos.183 Der Überlieferung zufolge hatte Seth – Kircher nennt ihn seinem griechischen Pendant entsprechend Typhon – die Leiche seines Bruders Osiris in vierzehn Teile zerstückelt und in den Nil geworfen. Dessen Gattin Isis fand jedoch nur dreizehn wieder, bildete den fehlenden Teil, den Phallus, für die Wiederzusammensetzung der Leiche nach und weihte ihn. Auf Basis seiner Sprachtheorie entsteht beispielsweise folgende ‚Übersetzung‘ der Inschrift einer Götzenfigur aus Nardis Sammlung: „Providentia Agathodaemonis coelestis, et beneficentia superni Nili philiâ potabitur, rerum necessarium vbertate replebitur in zonis supramundanis.“ 184 Kirchers Übertragungen hieroglyphischer Inschriften sind bekanntlich nicht korrekt. Für die Mumienkunde war mit De Mumiis nichtsdestotrotz ein großer Schritt getan. Mit den Auslegungen, die in großem Umfang auf mythologische, kosmologische und theologische Vorstellungen des Alten Ägypten referierten, und der Einordnung von Mumien neben anderen Relikten des antiken Landes stärkte der viel rezipierte Oedipus Aegyptiacus die Wahrnehmung der Objekte als Gegenstand der Ägyptologie.
2.4 Mumiensektionen Viele der Mumienkörper, die nach Europa kamen, sind von ihren Besitzern ausgewickelt worden. Dies geschah in zweierlei Absicht: Einerseits wollte man Beigaben wie Götzenfiguren oder Schriften, über die man durch die Reiseberichte unterrichtet war, erbeuten. Anderserseits gab es ein gewisses Interesse an den Mumien selbst. Ein solches bringt etwa der Tübinger Jurist Philipp Camerarius zum Ausdruck: Er kannte einen Kaufmann, der im Besitz einer Mumie war und jeden, der diese sehen wollte, gegen ein entsprechendes Entgelt einließ. Came-
183 Vgl. Kircher 1654, S. 415. 184 Kircher 1654, S. 419. „Die Fürsorge des himmlischen und guten Genius und die Wohltätigkeit des göttlichen Nil wird aus einer Schale getrunken und mit dem Reichtum an allem Notwendigen in den überweltlichen Sphären wiederaufgefüllt werden.“
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2 Mumien in der Frühen Neuzeit. Eine Wissensgeschichte
rarius war das nicht genug. Er bemühte sich vergeblich, den Kaufmann dazu zu überreden, die Mumie auszuwickeln: Solchen Coͤrper had ich neben andern guten Freunden gern und mit fleiß besichtigt / darmit ich eigentlich wissen moͤchte / wie fleissig die Alten ihre todte Coͤrper begraben / Sprachen auch dem Kauffmann zu / er solte die Buendten auff und hinweg thun lassen / damit man den todten Coͤrper recht sehen koͤnte: Er aber bracht etliche Ursachen vor und wolte den Coͤrper in unserer gegenwart nicht auffbinden / welches doch hernach in unserm abwesen geschehen.185
Camerarius’ Erläuterungen zum Thema zeigen, dass er gut über die ägyptischen Leichname informiert war. Er interessierte sich vor allem für die Balsamierungsmethode. Der Blick darauf war ihm durch die Leinenbinden versperrt. Von einer Untersuchung der Mumie erhoffte er sich, das Wissen, das er sich angelesen hatte, am Objekt selbst zu sehen. Ab dem zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts sind Mumienuntersuchungen belegt, die von den erwähnten Veranstaltungen mit Unterhaltungs- und Vergewisserungscharakter klar zu unterscheiden sind. Sie geschahen zu Studienzwecken. Ihr Ziel war es, neues Wissen zu generieren. Andreas Gryphius etwa erwähnt die Untersuchung eines Mumienkopfes durch die Leidener Anatomieprofessoren Otto Heurnius und Adrianus Valckenburg, die ihre Aufmerksamkeit offenbar u. a. auf die Farbe des Schädels richteten, um Rückschlüsse auf die Balsamierungsmittel zu ziehen.186 Bevor sich die Ägyptologie als Disziplin etablierte, lag die Erforschung von Mumienkörpern hauptsächlich in den Händen von Ärzten und Anatomen. Das ist insofern nicht ganz selbstverständlich, als anatomische und Mumienstudien von ganz verschiedenen Erkenntnisinteressen geleitet waren. Die Zergliederung von Leichnamen diente dem Verständnis von Strukturen und Funktionsweisen des Körpers. Dazu konnte die Untersuchung einer Mumie nichts beitragen. Wohl aber waren die als Arznei genutzten ägyptischen Körper stets Teil der medizinischen Bildung. Das galt selbst dann, wenn die Diskussion der Mumie als Aegyptiacum im Vordergrund einer Auseinandersetzung stand. So verwundert es nicht, dass Thomas Bartholin einen Brief Johannes Veslings an Giovanni Nardi, der in erster Linie die Leichenbeigaben, Fundstätten und Särge von Mumien zum Thema hatte, in einer Sammlung Observationes anatomicae et epistolae medicae mitherausgab.187 Doch auch die alte Frage, mit welchen Substanzen Mumien balsamiert wurden, die ihren Ursprung in der medizinischen
185 Camerarius 1630, S. 373. 186 Vgl. § 18,2. Zu Valckenburg vgl. Huisman 2008, bes. S. 43–45. 187 Vgl. Vesling 1664, S. 151–153.
2.4 Mumiensektionen
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Tradition zum besseren Verständnis eines Heilmittels hatte, war noch im 17. Jahrhundert von größtem Interesse. Nur wurde sie nun nicht mehr über den philologischen, sondern zunehmend über den empirischen Zugang beantwortet. Der Florentiner Giovanni Nardi, Leibarzt des Großherzogs der Toskana Ferdinand II., war der Erste, der von derartigen Studien etwas umfänglicher berichtete. Er war selbst im Besitz einer Mumie und einiger Aegyptiaca, hatte aber auch Zugang zur umfangreicheren Sammlung des Großherzogs. Seiner 1647 erschienenen kommentierten Ausgabe von Lukrezens De rerum natura, das die Sterblichkeit der Seele lehrt, gab er einen ausführlichen Exkurs zu den Mumien der alten Ägypter bei: dem Volk, das als erstes von der Unsterblichkeit der Seele gesprochen habe.188 Unter den interessierten Zeitgenossen sorgten sowohl seine Mumienexperimente als auch die detailgenaue Darstellung der Aegyptiaca aus den beiden florentinischen Sammlungen auf sieben Kupferstichen für Aufmerksamkeit. Über seine Untersuchungen unterrichtet Nardi nicht systematisch. Er streut Bemerkungen dazu in seinem enzyklopädisch angelegten Exkurs vor allem in die Kapitel über die Einsalzer und die seiner Ansicht nach wahre Balsamierungsmethode ein.189 Dabei informiert er den Leser vorrangig über die Ergebnisse der Sektionen und seine Schlussfolgerungen. Angaben zu Ort, Zeit, Umständen oder gar Gegenständen – etwa Anzahl, Herkunft oder Zustand der Mumien, denen er sich widmete – unterbleiben. Auch auf sein Vorgehen kann nur aufgrund beiläufiger Bemerkungen geschlossen werden. Zweck von Nardis Untersuchungen war es, die Spezereien, mit denen Mumien der antiken Überlieferung zufolge balsamiert wurden, zu identifizieren.190 Aber auch die Verhüllung der Leichname übergeht er nicht: Um sie angemessen zu präsentieren, stellt er die Wickeltechnik der äußeren und inneren Bindenschichten auf einem Kupferstich dar. Eine schriftliche Erläuterung unterlässt er, sondern verweist im Text nur auf die visuelle Darstellung.191 Nardis wichtigste Entdeckung war nun, dass die von Herodot und Diodor dargestellte Balsamierungsmethode der Ägypter empirisch nicht bestätigt werden kann. Er gibt an, Bauch, Schädel, Knochen und andere Körperteile untersucht zu haben.192 Konkret nennt er das Beobachten, genaue Überprüfen, Zerbrechen, Riechen und Schmecken des Körpers. Eine Balsamierung mit Harz oder Pech kann er dadurch ebenso ausschließen wie die Verwendung von
188 Vgl. Nardi 1647, S. 627 f. 189 Ebd., S. 635–638, auch S. 641. 190 „Speraui olim miram fragrantiam à medicato Funere, tot, tantisque infarcto aromatibus […].“ Ebd., S. 635. 191 Zur Abb. ebd., S. 649 (vgl. auch Abb. 7), zum Textverweis ebd., S. 639. 192 Ebd., S. 635.
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2 Mumien in der Frühen Neuzeit. Eine Wissensgeschichte
Abb. 7: Darstellung der äußeren und inneren Leinenbindung einer Mumie aus der Sammlung Ferdinands II. de’ Medici (samt einiger Aegyptiaca) in Nardis Lukrez-Ausgabe (1647).
2.5 Zwischenfazit: Mumienstudien um 1660
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Spezereien. Stattdessen identifiziert er Asphalt als Balsamierungsmittel, über dessen Eigenschaften er zu berichten weiß, dass es bei Hitze, vor allem wenn gleichartige Substanzen wie Bitumen beigegeben sind, leicht schmilzt.193 Er vermutet daher, dass der Leichnam solange in ein Bad mit geschmolzenem, eventuell vermischtem Asphalt eingelegt wurde, bis dieser sich ganz damit vollgesaugt hatte. Auch unterstellt Nardi, dass das aufwendige und langandauernde Waschen und Einlegen des Leichnams in Salz („prolixa salitura“) durch eine fingierte Waschung („ficta lotione“) ersetzt wurde.194 Dazu würde der Körper nur in eine Salzlösung eingeweicht. Später seien dann keinerlei Salzrückstände mehr zu finden und der Körper werde sehr hart und widerstandsfähig und würde keinerlei Feuchtigkeit mehr aufnehmen. Um dies zu überprüfen, hatte Nardi Mumienteile für längere Zeit in Wasser getaucht. Da Nardi an allen Objekten, die er untersuchte, lediglich Asphalt und Bitumen nachweisen konnte, kommt er zu der Schlussfolgerung, dass es für die Allgemeinheit nur eine und nicht drei verschiedene Balsamierungsmethoden gegeben habe. Er bringt dies in Einklang mit der griechischen Überlieferung, indem er den ägyptischen Balsamierern Betrug unterstellt: Sie hätten nämlich unterschiedliche Methoden zu unterschiedlichen Preisen angeboten, dann aber alle Leichname gleich behandelt.195 Nicht ausschließen möchte er, dass bei der Mumifizierung der Pharaonen Spezereien zum Einsatz kamen, erklärt sie aber zu Einzelfällen. Mit Giovanni Nardi erhalten empirisch basierte Erkenntnisse und deren Interpretation Eingang in das Mumienwissen der Frühen Neuzeit. Die Projezierung einer Methode der Anatomie, der Körpersektion, auf einen unbekannten Gegenstand ebnete den Weg für einen Forschungsansatz, der bis ins 20. Jahrhundert aktuell bleiben sollte.
2.5 Zwischenfazit: Mumienstudien um 1660 Als die Mumiae Wratislavienses entstanden, waren Mumien bereits seit einem Jahrhundert Gegenstand gelehrter Bemühungen. Den Grundstein hierfür legte Pierre Belon 1553 mit seiner Schrift De medicato funere. Zwar waren Mumien zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt: Mediziner verschrieben in Anlehnung an die arabische Heilkunde seit Langem die Arznei mumia, die aus den balsamierten Leichnamen gewonnen wurde, und nahmen die arabisch-lateinische und grie-
193 Ebd., S. 637. 194 Ebd., S. 635. 195 Ebd., S. 641.
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chische Überlieferung als Grundlage, um die Balsamierungssubstanzen zu bestimmen. Auf Karten und Weltbeschreibungen wurde versucht, die Fundorte der Körper irgendwo zwischen und in Libyen, Ägypten und der arabischen Wüste geografisch einzuordnen. Und mit Felix Fabri hatte der erste Ägyptenreisende von den Mumien und ihren unheilvollen Kräften berichtet, ohne sie freilich selbst gesehen zu haben. Belon jedoch machte die Mumien, indem er ihnen erstmals eine eigene Abhandlung widmete, zu einem eigenen Wissensgebiet und ordnete diesem spezifische Wissensbereiche zu. Dazu gehörte neben der Diskussion der medizinischen Verwendung von Mumien, die noch immer einen bedeutenden Platz einnahm, der Entwurf einer grundlegenden Vorstellung von dem altägyptischen Totenkult und dem Mumifizierungsprozess, die aus den Darstellungen der griechischen Geschichtsschreiber Herodot und Diodor gewonnen wurde. Belon war außerdem der erste europäische Reisende, der von einer Erkundung der unterirdischen Mumiengräber berichtete. Andere Ägyptenreisende taten es ihm gleich und ihre Erzählungen ergänzten das antike Wissen um Beschreibungen der Grabstätten und der Bedingungen, unter denen die Leichname dort gefunden werden, vor allem aber um Darstellungen der Mumien selbst. Die Reiseberichte weckten das Interesse europäischer Sammler und trotz des Ausfuhrverbots, der schwierigen Transportbedingungen und abergläubischen Vorbehalten konnten ab dem späten 16. Jahrhundert ganze ägyptische Mumien in verschiedenen Sammlungen besichtigt werden. Zweifelsfrei vor Entstehung der Mumiae Wratislavienses sind Exemplare in den Städten London, Enkhuizen, Leiden, Amsterdam, Aix-en-Provence, Rom, Florenz, Kassel, Lübeck, Breslau, Prag und Kopenhagen belegt. Während die Ausstellung ganzer Mumien noch selten war, konnten einzelne Stücke und Körperteile weit häufiger besichtigt werden – und zwar nicht nur in privaten und höfischen Sammlungen, sondern auch in den Vorratsräumen jeder gut bestückten Apotheke, wie Gryphius selbst berichtet.196 Als Ausstellungsstück hatten ägyptische Mumien mitnichten nur den Status einer Kuriosität. Natürlich wurde auch der gute Erhaltungszustand nach so langer Zeit mit Neugier und Staunen betrachtet und das Resultat des bei den alten Schriftstellern erläuterten Mumifizierungsverfahrens begutachtet. Unter den Gelehrten rief das Nichtverwesen der toten Körper aber jedenfalls keinen Schrecken hervor. Nicht nur waren sie über die Gründe hierfür gut informiert. Die Leichenkonservierung war in Europa auch sonst nicht unbekannt: So wurden die Leichname geistlicher oder weltlicher Obrigkeiten rituell balsamiert oder Bemühungen angestellt, z. B. von Lodewijk de Bils, menschliche Körper als ana-
196 Vgl. § 5,3.
2.5 Zwischenfazit: Mumienstudien um 1660
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tomische Präparate durch Balsamierung haltbar zu machen, um sie zu Lehrzwecken wiederholt verwenden zu können. Im Vordergrund der Objektschau standen vielmehr Assoziationen zur Frühgeschichte der Welt und zur Gotteserkenntnis. Für die historische Einordnung war die Verknüpfung der ägyptischen Mumifizierung mit der biblisch überlieferten Balsamierung von Jakob und Joseph in Ägypten sehr beliebt. Joachim Strupp ehrte auf dieser Grundlage die ägyptische Sitte als Erbe jüdischer Praktiken. Anhänger des Hermetismus beschäftigten sich mit dem Totenkult des Alten Ägypten mit dem Ziel, die Geheimnisse göttlicher Weisheit zu entschlüsseln. Sie gingen davon aus, dass der geistlichen Elite des antiken Volks noch Wissen zugänglich war, das Gott einst Adam offenbart hatte und das ihrem Umgang mit dem Tod zugrunde lag. Kern dieser Botschaft musste angesichts der überwältigenden Bemühungen um die toten Körper der Glaube an die Wiederauferstehung und die Unsterblichkeit der Seele sein, wie sie auch das Christentum lehrt. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts erhielten Ägyptenstudien noch einmal großen Aufwind. John Greaves legte 1646 mit seiner Pyramidographia eine umfassende Studie zu den rätselhaften Grabbauten vor. Ein Jahr später ging Giovanni Nardis Lukrez-Kommentar mit einem ausführlichen Exkurs zu den ägyptischen Mumien, begleitet von Berichten über eigene Experimente an den Körpern sowie detailreiche und um Authentizität bemühte Abbildungen der Exemplare der Florentiner Sammlungen, in den Druck. Im Jubeljahr 1650, als in Rom der nunmehr fünfte Obelisk wiederaufgerichtet wurde, wurde erstmals Pietro della Valles Reisebericht Viaggi veröffentlicht, in dem die Ausgrabungsarbeiten zu Sakkara eingehend geschildert werden, die der Stadt ihre ersten ägyptischen Mumien beschert hatten. Kurz darauf, 1652–54, folgte in drei Bänden Athanasius Kirchers monumentales Werk Oedipus Aegyptiacus, das in bisher unerreichter Fülle Wissen über das Alte Ägypten präsentierte. Die darin enthaltene Abhandlung De Mumiis versammelte erstmals Abbildungen und Erläuterungen zu Mumien in verschiedenen europäischen Sammlungen an einem Ort. Der Kupferstich einer unterirdischen Grabkammer mit der genauen Beschreibung des Ägyptenreisenden Tito Livio Burattini gab den heimischen Gelehrten einen Eindruck der fernen Bestattungsumstände. Mumien waren längst kein alleiniger Gegenstand der Medizin mehr, sondern zum Teilbereich eines Studiums des Alten Ägypten geworden. Das Interesse an ihnen war vielschichtig: Es umfasste Bezüge zur Bibelgeschichte und zur Weisheitslehre, die Beschreibung der Grabstätten und ihrer Umgebung, die religiösen und kultischen Hintergründe der Sitte, den Ablauf des Mumifizierungsverfahrens, die verwendeten Balsamierungssubstanzen, die Art der Leinenbindung, die Grabbeigaben, die Verzierung der Leichname mit Porträts, Figuren, Ornamenten und Hieroglyphen. Die Kenntnisse wurden durch Textexegese,
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2 Mumien in der Frühen Neuzeit. Eine Wissensgeschichte
Beobachtungen in Ägypten und seit einiger Zeit auch auf empirischem Wege durch äußere und innere Körperschau gewonnen. Mumienforschung blieb allerdings auf die Initiativen von einzelnen Personen oder Personenkreisen angewiesen. Weder gab es ein geografisches Zentrum noch einen festen institutionellen oder disziplinären Ort für Studien an den Leichnamen. Einzig Leiden wäre in diesem Zusammenhang hervorzuheben, weil die Mumienkunde hier durch die Ausstellung eines der seltenen Exemplare und die Forschungsinteressen des Medizinprofessors Otto Heurnius in den universitären Betrieb eingebunden wurde. Die Mumiae Wratislavienses, so bleibt abschließend festzustellen, widmeten sich einem Wissensgebiet, das noch kaum systematisiert war und unter den ägypteninteressierten Gelehrten zunehmend Aufmerksamkeit fand. Der empirische Ansatz der Breslauer Sektion war aus wissensgeschichtlicher Perspektive ebenso herausragend und innovativ wie das Vorhaben einer Mumienschrift auf Basis einer solchen Untersuchung aus textgeschichtlicher Perspektive.
3 Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar 3.1 Editorischer Bericht Der vorliegende Editionsbericht dokumentiert die Überlieferungslage der Mumiae Wratislavienses und gibt Auskunft über die Prinzipien, nach denen die Edition erstellt wurde.
3.1.1 Überlieferungslage Die Mumiae Wratislavienses erschienen 1662 bei Veit Jakob Trescher in Breslau im Duodezformat und wurden seitdem nicht nachgedruckt. Heute lassen sich noch wenigstens 53 Exemplare des Druckes nachweisen, was zusammen mit der europäischen Streuung der besitzenden Bibliotheken ein Indiz dafür ist, wie verbreitet die Schrift gewesen sein muss. Die bekannten Exemplare sind im Folgendem nach ihrem derzeitigen Standort mit Signatur aufgeführt. Ausgewiesen sind außerdem die Links zu Digitalisaten der Schrift, die momentan von neun Bibliotheken zur Verfügung gestellt werden. 1. Amsterdam (NL), Universiteitsbibliotheek: OTM: OK 63–7747 (2) 2. Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek: Alt 260197 Digitalisat: http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb 11232974.html 3. Austin, TX (USA), University of Texas Library: 393.3 G929m 4. Basel (CH), Universitätsbibliothek: HQ 406:2 5. Berkeley, CA (USA), University of California Library: t PA8523.G4 M8 6. Berlin, Staatsbibliothek: Tb 398 (Kriegsverlust) 7. Berlin, Universitätsbibliothek der Freien Universität: 82 Uv-B 2 8. Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek: Ra 198/1 9. Breslau (PL), Biblioteka Uniwersytecka: 301684 Digitalisat: http://www.bibliotekacyfrowa.pl/dlibra/publication/32876/edition/ 37481/content?ref=desc 10. Breslau (PL), Biblioteka Uniwersytecka: Yv 410198 Digitalisat: http://www.bibliotekacyfrowa.pl/dlibra/publication/23008/edition/ 29829/content?ref=desc
197 Eigentumsvermerk: Lucas Schröck. 198 Eigentumsvermerk: Christian Friedrich Paritius. https://doi.org/10.1515/9783110593556-003
68 11. 12. 13. 14.
15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.
22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.
34. 35. 36.
3 Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar
Breslau (PL), Zakład Narodowy im. Ossolińskich: sdXVII-5434 Cambridge, MA (USA), Harvard University Library: *GC6 G9295 662m Dresden, Staats- und Universitätsbibliothek: 3.A.5631,angeb.2 Durham, NC (USA), Duke University Library: GN293 .G797 1662 c.1199 Digitalisat: https://books.google.de/books?id=nQhnAAAAcAAJ&printsec= frontcover&hl=de&source=gbs_ViewAPI&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false Erlangen-Nürnberg, Universitätsbibliothek: H61/TREW.Yx 514200 Erlangen Nürnberg, Universitätsbibliothek: H00/PHL-VIIII 110 Florenz (IT), Biblioteca universitaria: ME P.8.17 Gotha, Forschungsbibliothek: Math 8° 00650/04 (08) Gotha, Forschungsbibliothek: Ant 8° 00117/01 (01) Görlitz, Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften: Msc V 1 Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 ANT II, 2403 Digitalisat: http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN644761547 Halle, Marienbibliothek: Zsch C I.2 (6) Dd Halle, Bibliothek der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina: Ma 8 : 550 Halle, Universitäts- und Landesbibliothek: Uf 1366 (5) Hannover, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek: G-A 1755 Heidelberg, Universitätsbibliothek: Waldberg 2817 Ithaka, NY (USA), Cornell University Library: History of Science RG93 .D48 1664 tiny Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 12 Bud.Astron.1 Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 12 Med.XXIII,10(5) Kopenhagen (DK), Kongelige Bibliotek: 143:2, 91. 00530 Leiden (NL), Universiteitsbibliotheek: 157 H 5 Leipzig, Universitätsbibliothek: Hist.Afr.246-c London (GB), British Library: 604.a.7. Digitalisat: https://books.google.de/books?id=c91lAAAAcAAJ&printsec= frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false Mailand (IT), Biblioteca nazionale Braidense: A. 05. 01003201 Moskau (RUS), Russische Staatsbibliothek: MK IV-лат. 8° Moskau (RUS), Russische Staatsbibliothek: MK IV-лат. 8°202
199 Vormaliges Exemplar der tschechischen Nationalbibliothek in Prag. Eigentumsvermerk: Ignatius Karl Graf von Sternberg. 200 Provenienzvermerk im Katalog: Christoph Jakob Trew. 201 Provenienzvermerk im Katalog: Albrecht von Haller. 202 Nach Auskunft der besitzenden Bibliothek vom 22. 11. 2018 verfügt man über zwei Exemplare der Schrift, die beide dieselbe Signatur tragen.
3.1 Editorischer Bericht
69
37. Neapel (IT), Biblioteca nazionale Vittorio Emanuele III: SALA FARN. 15. A 0019 (2) Digitalisat: http://books.google.de/books?id=yttG6x7RqW8C&printsec= frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false 38. New Haven, CT (USA), Yale University Library: Zg17 G92 662 39. Oslo (NOR), Universitetsbiblioteket: UHS Sikring 1913 40. Paris (FRA), Bibliothèque nationale: FRBNF30548181 41. Paris (FRA), Bibliothèque Sainte-Geneviève: 8 T 1017 INV 3005 (P.3) 42. Paris (FRA), Bibliothèque interuniversitaire de Santé: 32036 43. Pisa (IT), Biblioteca universitaria: H a. 17. 42 2 44. Posen (PL), Biblioteka Uniwersytecka: SD 35027 I 45. Stockholm (SWE), Universitetsbibliotek: MAG MN Berg. Bibl. H. IX: 1.2.n.25 46. Straßburg (FRA), Bibliothèque nationale et universitaire: D.178.111 47. Toronto (CAN), University of Toronto Library: jah smb 48. Tübingen, Universitätsbibliothek: Fo XVII 25 49. Vatikanstadt (VAT), Biblioteca Apostolica Vaticana: Stamp.Barb.M.VI.109 50. Warschau (PL), Biblioteka Narodowa: SD S.1.333203 Digitalisat: https://polona.pl/item/and-gryphii-mumiae-wratislavienses,NzUz MDQ5NDE/3/#info:metadata 51. Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: 12° XVII: 30 52. Wien (AT), Österreichische Nationalbibliothek: *69.N.180 Digitalisat: http://digital.onb.ac.at/OnbViewer/viewer.faces?doc=ABO_%2BZ 165169201 53. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: A: 574.2.1 Quod. (4) Nicht alle Exemplare sind jedoch vollständig überliefert: Einigen fehlen die Widmung, die Vorrede an die Widmungsträger sowie die Vorrede an den Leser. Dazu gehören z. B. das Wiener, das Straßburger, das Hannoveraner und das Breslauer Exemplar (Sign. 301684). Anderen fehlt nur ein Teil der Prätexte. So enthält das zweite Breslauer Exemplar (Sign. Yv 410) etwa die Widmung und die Vorrede an die Widmungsträger, nicht aber die Vorrede an den Leser. Während der Hauptteil der Mumiae Wratislavienses, bestehend aus der Dissertatio und den Notae, in einer Fassung überliefert ist, gibt es die drei Prätexte in verschiedenen Versionen. Das Warschauer Exemplar bietet die erste Fassung dieser Texte, die eine sehr hohe Anzahl an Druckfehlern aufweist. In der Widmung ist statt „Ducatuum Schwidnizii et Jauraviae“ „Ducatuum Schwidnityii et Lauravia“ zu lesen. Die Vorrede an die Widmungsträger enthält etwa zwanzig
203 Eigentumsvermerk: Samuel Gottlieb Scholz.
70
3 Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar
Fehler, die über einfache Druckversehen hinaus den Sinn oftmals massiv stören (z. B. „Votis“ für „Vobis“, „Pacie“ für „facie“, „extinctis“ für „extructis“, „ei ederent“ für „crederent“ oder „quidem“ für „quietem“) und offensichtlich darauf zurückgehen, dass die Vorlage von einem Lateinunkundigen umgesetzt wurde. Auch in der Vorrede an den Leser sind mehr als zehn Fehler – hier eher Unachtsamkeiten – zu finden. Das zweite Breslauer Exemplar (Sign. Yv 410) bietet die Prätexte in einer zweiten korrigierten Fassung. Der Widmungstext ist nun fehlerfrei abgedruckt und unterscheidet sich von der endgültigen Fassung nur durch die Schrifttype, die es noch mit der ersten Version gemeinsam hat, und der Variante „Schwidnitzii“ für „Schwidnizii“. Gleiches gilt für die Vorrede an die Widmungsträger: Das Druckbild entspricht der vorigen Fassung, die Fehler wurden bereinigt und nur ein „abc“ anstelle eines „abs“ in der Schlussformel stört die Lektüre. Eine Vorrede an den Leser enthält das Exemplar nicht. Während mir für die ersten beiden Fassungen jeweils nur ein Exemplar bekannt ist, ist die dritte Fassung wesentlich weiter verbreitet, sodass sie als die finale Version angesehen werden kann. Sie ist z. B. in den Exemplaren von Augsburg, Cambridge, Durham, Göttingen, London, Neapel, New Haven und Wolfenbüttel zu finden und unterscheidet sich im Satz und Schriftbild, in der floralen Verzierung der Initiale der Vorrede an die Widmungsträger, in der Beseitigung des Druckfehlers „abc“ und dem Auftauchen eines neuen („iner“ für „inter“) sowie der oben genannten Abweichung der Schreibung von „Schwidnitzii“ von der vorigen Fassung.
3.1.2 Zur vorliegenden Ausgabe Allgemein Der vorliegende Text entstand auf Grundlage von Kollation der Exemplare der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Houghton Library der Harvard University in Cambridge. Zusätzlich gesichtet wurden die Exemplare der Beinecke Library in New Haven als Mikrofiche sowie der Universitätsbibliothek Göttingen als Online-Ressource. Grundlage der Widmung und der Vorreden ist die in diesen Exemplaren überlieferte dritte Fassung. Es wurde darauf verzichtet, die Abweichungen der ersten Fassung zu übernehmen, die in einer Vielzahl grober Druckfehler bestehen und keinen Erkenntnisgewinn für den Text bieten. Gleiches gilt für die zweite Fassung, deren geringe Unterschiede bereits oben erläutert wurden. Die Edition folgt im Wesentlichen den von Mundt formulierten Empfehlungen für die Edition neulateinischer Texte.204 Vereinheitlichungen innerhalb des 204 Vgl. Mundt 1992.
3.1 Editorischer Bericht
71
Textes wurden nicht vorgenommen, die barocke Interpunktion wurde übernommen und nur geringfügig in die Orthografie eingegriffen: Ligaturen wurden aufgelöst, ſ als s, ß als ss und ę als ae widergegeben. Es erfolgt die Scheidung von u/v und i/j nach Lautwert. Nach einem Punkt wird für den Satzanfang ein Großbuchstabe gesetzt. Grammatische Normabweichungen wurden nicht korrigiert, jedoch wird im Stellenkommentar darauf eingegangen. Die Akzentsetzung der Vorlage wurde grundsätzlich beibehalten mit Ausnahme jedoch des Griechischen: Die Eigentümlichkeit des Druckers, bei griechischen Diphthongen den Akzent auf den ersten Vokal zu setzen, wurde nicht nachgeahmt. Zudem gibt es zahlreiche Irrtümer und Unregelmäßigkeiten bei der Setzung der Akzente, die ebenfalls auf den Drucker zurückgehen dürften. Um den Apparat zu entlasten wurde daher die Akzentsetzung dem heutigen Umgang mit altgriechischen Texten angepasst. Im Originaltext gibt es wenige durch Kursivschreibung betonte Wörter bzw. Passagen. Sie erscheinen in der Edition als Sperrdruck, da der Kursivdruck für Zitate reserviert ist. Im Original sind die Grußformel der Widmung sowie das gesamte Leservorwort kursiv gesetzt. Dies wurde nicht in die Edition übernommen. Großbuchstaben, die in einigen Fällen der Auszeichnung dienen, werden als solche wiedergegeben. Im Original ist der Text als fortlaufender Fließtext und mit wenigen Ausnahmen ohne Absätze dargestellt. Um die Übersichtlichkeit zu verbessern, wurde der Text durch Absätze gegliedert und mit Paragrafen (fett gedruckt) und Unterparagrafen (in Klammern) versehen. Ein senkrechter Strich | markiert den Seitenwechsel im Original. Die originale Seitenzählung ist in der äußeren Marginalie angegegeben. Die Marginalien des Originals sind im kritischen Apparat vermerkt. Die Interpunktion der Übersetzung richtet sich nach heutigem Usus. Ergänzungen sind mit eckigen Klammern [ ] gekennzeichnet. Umgang mit Zitaten Im Druck von 1662 sind Zitate wahlweise kursiv oder durch Anführungszeichen am äußeren Rand des Textes gekennzeichnet. Dabei kommt es zu der Ungenauigkeit, dass Zitate teils unmarkiert bleiben, teils übermarkiert werden. Indirekte Zitate werden entgegen heutiger Konvention als Zitate gekennzeichnet. Die originalen Markierungen sind in der vorliegenden Edition nicht verzeichnet. Es wurde stattdessen folgendermaßen verfahren: Zitate sind kursiv gedruckt. Das erwies sich deswegen als sinnvoll, um Kommentare, die Gryphius gern in die Zitate einstreute, leserfreundlich kenntlich zu machen. Gryphius gibt nicht-lateinischen Zitaten in den meisten Fällen eine lateinische Übersetzung bei. Um Anfang und Ende einer solchen Zitat-Übersetzung kenntlich zu ma-
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3 Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar
chen, wurde auch sie wie ein Zitat kursiv gesetzt. Es obliegt damit dem Leser, ein auf einen hebräischen, griechischen oder italienischen Satz folgenden lateinischen als dessen Übersetzung zu identifizieren und nicht als selbstständiges Zitat. Indirekte Zitate werden nicht als Zitate gekennzeichnet; es wird jedoch im Kommentar auf sie verwiesen. Zitate in Zitaten sind mit einfachen Anführungszeichen ‚ ‘ versehen. Verse und Zitate ab vier Zeilen Länge wurden der Übersichtlichkeit halber zusätzlich eingerückt. Die Formatierung der Übersetzung richtet sich nach der des lateinischen Textes. Apparate Der Text ist um zwei Apparate ergänzt. Der Quellenapparat verzeichnet die Quellen aller direkten Zitate sowie von Zitaten in Zitaten. Der kritische Apparat verzeichnet: 1. Marginalien des Originals: Sie sind stets diplomatisch wiedergegeben und mit ‚in marg.‘ gekennzeichnet. 2. Abweichungen zu den direkt zitierten Quellen: Ergänzungen, Auslassungen und Alternativen des Wortlauts der Quelle (auch in der Wortstellung, nicht jedoch in Orthografie und Interpunktion, es sei denn, sie verändern den Sinn). Kennzeichnung: [Autor / Herausgeber]: Variante 3. Eingriffe in den Text durch die Herausgeberin: bei Druckfehlern oder sonstigen Versehen, die nicht durch den zeitgenössischen Sprach- und Schreibstil plausibel gemacht werden können, nicht jedoch bei grammatischen Normabweichungen (z. B. fehlerhafte Kongruenz). Zu unterscheiden sind: a) Druckfehler: Der Apparat vermerkt die ursprünglich abgedruckte Form. Druckfehler jedoch, auf die das im Anschluss an das Vorwort an den Leser abgedruckte Erratum bereits hinweist und die es in korrigierter Fassung gibt, wurden im Text bereinigt wiedergegeben und nicht gesondert aufgeführt. b) Druckfehler, die aus einer zitierten Quelle übernommen wurden. Sie werden zusätzlich mit ‚error op. cit.‘ gekennzeichnet. c) Druckfehler, die sich nicht in der zitierten Quelle finden und nach dieser bereinigt wurden. Sie werden zusätzlich mit ‚cf. [Autor / Herausgeber]‘ gekennzeichnet. Es finden sich im Text außerdem drei Druckfehler in den Marginalien sowie ein Paginierungsfehler. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden sie hier verzeichnet und im edierten Text bereinigt angegeben: § 26,2 Marginalie: lib. X. cap, I. id est lib. X. cap. I., § 28,5 Marginalie: Athan. in vita Acton. id est Athan. in vita Anton., § 30,1 Marginalie: Jazell. dec. 2. l. 9. id est Fazell. dec. 2. l. 9., § 33,12 Paginierungsfehler: 197 id est 107.
3.1 Editorischer Bericht
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Abbildung Der Druck von 1662 enthält auf Seite 41 inmitten des Fließtextes einen Kupferstich.205 Im Erratum, das sich direkt an die Vorrede an den Leser anschließt und ansonsten hier nicht abgedruckt wird, findet sich dazu folgende Erläuterung: „Icona dedit sculptor Mumiae non jam integrae sed inter manus explorantium divulsae. Hinc est quod oculos erutos, genam violatam, mentum a palmis ac pectore remotius conspicias, contra quam corpus nec dum distractum, sese oculis spectantium exhibuit.“ 206
205 Vgl. Abb. 8. 206 Gryphius 1662, Lectori benevolo, S. [3]: „Ein Kupferstecher hat diese Abbildung der nicht mehr ganzen, sondern unter den Händen der Forschenden zerfetzten Mumie angefertigt. Hier kannst du die ausgeschabten Augen, die beschädigte Wange und das von den Händen und der Brust etwas entferntere Kinn betrachten, wohingegen sich der Körper den Augen der Zuschauer als noch nicht zerrissen präsentierte.“ Es wurde vermutet, dass es sich bei dem Künstler um David Tscherner gehandelt habe. Vgl. Śliwa 2003, S. 9.
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3 Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar
Abb. 8: Kupferstich der Mumie aus dem Besitz des Apothekers Jakob Krause, die 1658 in Breslau seziert wurde, in den Mumiae Wratislavienses (1662).
3.1 Editorischer Bericht
Abb. 9: Mumiae Wratislavienses (1662), Titelblatt.
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And. Gryphii MUMIAE WRATISLAVIENSES.
5
WRATISLAVIAE, Sumptibus Viti Jacobi Drescheri. Anno M. DC. LXII.
Andreas Gryphius DIE BRESLAUER MUMIEN.
BRESLAU, Gedruckt auf Kosten von Veit Jakob Trescher im Jahre 1662.
Generosissimo Domino, Domino Johanni Friderico Libero Baroni De Nimptsch,
5
In Ölse, Lauterbach et Ullersdorff, Supremo Excubiarum Praefecto, Ducatuum Schwidnizii et Jauraviae ad Illustriss. Silesiae Ordines Legato.
Generoso Nobilissimo Strenuissimoque Domino, 10
Domino Johanni Friderico à Sack, in Thiergarten etc.
Dominis suis Gratiosiss.
Dem hochwohlgeborenen Herrn, Dem Herrn Johann Friedrich Freiherr von Nimptsch, von Ölse, Lauterbach und Ullersdorff, Generalmajor, Gesandtem der Herzogtümer Schweidnitz und Jauer bei den vornehmsten Ständen Schlesiens.
Dem wohlgeborenen, edelsten und gestrengsten Herrn, Dem Herrn Johann Friedrich von Sack auf Thiergarten usw.
Seinen wohlgefälligsten Herren.
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Mumiae Wratislavienses 1,1–2,2
1 (1) MUMMIAS Vobis consecro, Generosiss. et Nobiliss. Domini, exosum vulgo munus, et quod facie cultuque nil nisi mortem ac tumuli squallores prae se ferat. Vulgo dixi, nec enim ignotum propiores coelo animas et queis solemne vel pudendis corticibus obsepta sapientiae arcana scrutari, his quoque | Veteris [B v] 5 aevi relliquiis studium atque curas mancipasse.
(2) Haud dubio in publicum commodo. Deprehensum enim non immemores Veterum Originum Aegyptios, quamvis temporum ac aevi contage caligantes, spirasse molibus extructis ac cadaveribus obduratis contra tabem tot annorum, [C r] Aeternitatem il|lam ad quam conditi mortales. 10 (3) Hinc cum perennare crederent animas, ut ut corporis exsortes, sepositásque
tantum in quietem corporum exuvias; multa funeris ambitione servavere haec animae quondam in membra rediturae domicilia, sanctiusque ac reverentius visum contra seculorum injuriam hac industria | tueri superstites amicorum [C v] artus quam ignibus abolere, quamvis inter odorum suffitus ac lacrimarum 15 honores. 2 (1) Cui ergo potius triumphales hasce de nece imagines dedicarem, quam Vobis Generosissime, Generose atque Nobilissime ac Strenuissime Domini, qui jam mente egredimini fastigium mortale dum | pacis atque armorum artes, queis [D r] dudum Illustres, securi de temporum iniquitate, emolumento PATRIAE, assidui 20 devovetis. Animi Virtutísque manifestos miratur quisquis Vobiscum turbidis rebus consulit, aut cura laboréque Vestro sospes, bene partis fruitur.
(2) Vocabit ad contemplationem Virtutum Ve|strarum Posterorum ingenia, me- [D v] moria Annalium, Fama rerum. Suscipite interea eâ, qua me olim dum Borussia dum Belgium nos distineret; ac nuper dum Florentes in Patria venerabar, be25 nevolentia dignati, exile quidem devoti cultus monumentum, quod tamen Nominis Vestri auspicio ultra odium atque | invidiam eorum valebit qui sua tantum [E r] suspiciunt atque mirantur,
14 inter] iner
Die Breslauer Mumien 1,1–2,2
81
1 (1) MUMIEN widme ich Euch, dem hochwohlgeborenen und dem edelsten Herrn, ein im Allgemeinen verhasstes Geschenk und eines, das durch das äußere Ansehen und die Herrichtung nichts als Tod und Grabesstimmung zur Schau stellt. Im Allgemeinen habe ich gesagt, denn es ist bekannt, dass die dem Himmel näheren Seelen und diejenigen, denen es alltäglich ist die Geheimnisse der Weisheit zu erforschen, und sei es, dass sie in scheußlichen Hüllen verborgen sind, auch auf diese Überbleibsel der alten Zeit ihre Bemühungen gerichtet haben. (2) Zu unbezweifelbarem Nutzen für das Publikum. Man hat nämlich verstanden, dass die Ägypter, nicht uneingedenk ihrer alten Ursprünge, durch die Errichtung großer Bauwerke und die Konservierung der Leichname gegen die Verwesung so vieler Jahre, obwohl sie durch die Einwirkung von Zeit und Dauer dunkel waren, jene Ewigkeit atmeten, für die Menschen gemacht sind. (3) Weil sie daher glaubten, dass die Seelen, wie auch immer ohne Körper, überdauern und dass die Körperhüllen nur zur Ruhe gelegt worden seien, haben sie mit großer Bemühung bei der Bestattung diese Behausungen der Seele, die dereinst in den Körper zurückkehren würde, bewahrt. Es schien ehrenvoller und achtungsvoller, die übrigbleibenden Glieder der Freunde gegen die Unbill der Jahrhunderte mit diesem Fleiß zu bewahren als im Feuer zu zerstören, wenn auch bei wohlriechendem Räucherwerk und tränenreicher letzter Ehre. 2 (1) Wem also sollte ich diese Abbilder, die über den Tod triumphieren, lieber widmen, als Euch, dem hochwohlgeborenen, [und Euch,] dem wohlgeborenen, edelsten und gestrengsten Herrn, die ihr mit dem Geist den Gipfel des Menschenmöglichen übersteigt, während ihr die Künste des Friedens und des Krieges, in denen ihr schon lange berühmt seid, furchtlos vor der Ungerechtigkeit der Zeiten, unablässig dem Nutzen des VATERLANDES widmet. Euren offenkundigen Mut und eure Tugend bewundert, wer auch immer sich in unruhigen Zeiten mit euch berät oder wer, durch eure Fürsorge und Mühe begünstigt, sich der guten Zeiten erfreut. (2) Die Überlieferung in den Annalen, der Ruhm Eurer Taten wird die Geister der Nachwelt zur Betrachtung Eurer Tugenden aufrufen. Nehmt indessen mit dem Wohlwollen, dessen ihr mich einst, als Preußen, als die Niederlande uns in Anspruch nahm, und jüngst, als ich im Vaterland den Hochangesehenen meine Ehre erwies, für würdig erachtet habt, das kleine Denkmal treuer Verehrung, das doch durch das Vorzeichen Eures Namens Geltung entfalten wird jenseits von Hass und Neid derer, die das Ihrige nur hochachten und bewundern.
82
Mumiae Wratislavienses 2,2
Generosissime Generose Nobilissime ac strenuissime Domini
5
abs Vestrar. Generositat. devoto And. Gryphio
Glogov. Calend. Septemb. A. MDCLXII
Die Breslauer Mumien 2,2
Hochwohlgeborener Herr, Wohlgeborener, edelster und gestrengster Herr von dem Eurer Wohlgeborenheit Ergebenen Andreas Gryphius Glogau, am 1. September des Jahres 1662
83
84
Mumiae Wratislavienses 3,1–3,3
| Lectori Benevolo.
[E v]
3 (1) Lustrum jam ferme volvitur ex quo publicum avebat haec dissertatio, inter varia occupationum breve intra temporis spatium in chartam conjecta. Impedimento fuere non tantum morae typographorum, sed et quod mihi decretum al5 teram subjungere, eaque varia quae apud exteros mihi de mortuorum conditu|ra [F r] observata evulgare, denique iis de cadaveribus nonnulla subjicere, quae abs aromatum aut unguentorum omni subsidio plures per annos in hypogaeis duravere.
(2) Prodiere interea Promissa Billiana, quorum fidem dum anxii expectamus, 10 calor ille deferbuit, qui me busta inter ac Manes invaserat.
(3) Visum tamen hoc scripto, ea paucis tangere quae Servatoris nostri funus ac se|pulcrales ornatus attinent ac praeludere prolixiori operi, quod illius cruci at- [F v] que sepulcro destinamus.
Die Breslauer Mumien 3,1–3,3
85
An den wohlwollenden Leser 3 (1) Schon fast fünf Jahre sind vergangen, in denen das Publikum auf diese Abhandlung wartete, zwischen verschiedenen Beschäftigungen innerhalb kurzer Zeit zu Papier gebracht. Hinderlich waren nicht nur Verzögerungen bei den Buchdruckern, sondern auch weil ich mich entschied, eine weitere hinzuzufügen; und zwar diejenigen verschiedenen Dinge, die ich im Ausland über die Konservierung von Toten beobachtet habe, zu veröffentlichen und diesen Dingen endlich einiges über die toten Körper folgen zu lassen, die ohne jeden Schutz von Spezereien und Salben viele Jahre lang an unterirdischen Orten überdauert haben. (2) Inzwischen sind die Versprechungen de Bils herausgekommen und, während ich deren Glaubwürdigkeit unruhig erwartete, ist jenes brennende Interesse erkaltet, das mich bei der Beschäftigung mit den Gräbern und Leichen befallen hatte. (3) Dennoch habe ich beschlossen, in der vorliegenden Schrift dasjenige mit wenigen Worten zu berühren, was den Leichnam und die Leichenkleidung unseres Heilands angeht, und einem umfangreicheren Werk vorausgehen zu lassen, das ich über seine Kreuzigung und sein Grab plane.
86
Mumiae Wratislavienses 4,1–5,2
| AND. GRYPHII MUMIAE WRATISLAVIENSES.
3
4 (1) Cum à teneris incredibili aviditate Gentium Orientis ritus ac sacra scrutatus, iis Scriptoribus animum advertissem, qui non modò situs terrarum, sed et 5 religionum atque legum arcana posteris tradidére: detinuére saepiùs admirantem Aegyptiorum instituta, Platonis, Athenaei, Plutarchi, | Diodori, Herodoti 4 aliorumque ingenio expressa.
(2) Quem etenim Deorum cultus, quem idola, in variam animantium speciem, eamque è diversissimorum membris compositam, figurata, non moveant? Sub10 terranei mysteriorum specus, Regum potestas et series ultra historiarum fidem: honoratissimum genus Sacerdotes, et qui jura per domos urbesque reddunt: largi apparatus; Obelisci certamine et opibus Principum montibus excisi, et duraturae ad aeternum pyramides. Nilus ipse, nullis olim inquirentium studiis detectus, omnium expensus, proprium Regionis decus, fertilitatis immensae au|tor 5 15 et parens. Quin et suae sepulcris leges, et servandi cadaveris mos publico consensu receptus.
5 (1) Quae singula et Veterum plures, et nostra aetate sagacissimi quique illustrarunt. Et postremum quod attinet, fuére quibus pridem decretum rimari conditoria, noscere medicamen, cujus virtute imbuti functorum artus exsangues, tot 20 post seculorum decursum, in hunc annum durant, evolvere lintea, feralium reliquiarum vulgare titulos, et ut sumus avaritiae promti mortales, postquam ab Arabiâ persuasio cepit, expugnandae valetudini adversae, haec sive conditorum membra, seu confusum | tabe demortui unguentum praestare; 6
(2) usu commerciorum, permutatione et pretio per omnem ferè Europam venun25 dari conspicimus, aut trunca cadaverum fragmina, aut capsis adhuc dum suis repositum corpus. Auxit emendi cupidinem spectandi libido: dum, qui coacervandis artium atque Naturae ostentis student, in ornamenta conclavium vertunt tumbis quondam ac nocti credita sempiternae.
Die Breslauer Mumien 4,1–5,2
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Andreas Gryphius Die Breslauer Mumien 4 (1) Als ich, der sich von Kindheit an mit unglaublicher Begierde mit den religiösen Riten und Sitten der Völker des Orients beschäftigte, mich diesen Schriftstellern zugewandt hatte, die nicht nur die Ortskunde, sondern auch die Geheimnisse der Götterverehrung und der Gesetze an die Nachwelt überlieferten, fesselten mich diese oft, der ich die mit der Begabung Platons, Athenaios’, Plutarchs, Diodors, Herodots und anderer beschriebenen Gewohnheiten der Ägypter bewunderte. (2) Auf wen würde der Götterkult, auf wen die Götzenbilder, die zu unterschiedlicher Gestalt von Lebewesen geformt sind, zusammengesetzt aus den Gliedern der verschiedensten Geschöpfe, denn keinen Eindruck machen? Die unterirdischen Höhlen der Mysterien, die Macht der Pharaonen und Stammreihen, die älter sind als die Zeugnisse der Geschichtsschreibung? Das ehrwürdigste Geschlecht, die Priester, die auch das Recht im häuslichen und öffentlichen Bereich sprechen? Reichliche Ausstattungen, Obelisken, aus Wetteifer und mit den Reichtümern der Vornehmsten aus Felswänden herausgeschlagen, und die Pyramiden, die die Ewigkeit überdauern? Der Nil selbst, seinerzeit von keinen Forschungsbemühungen enthüllt, der Nutzen aller, eigentümliche Zierde der Region, Urheber und Quelle unermesslicher Fruchtbarkeit? Ja auch die eigenen Gesetze für die Grabstätten und die öffentlich anerkannte und angewandte Sitte der Leichenkonservierung? 5 (1) Diese Einzelheiten erläutern sowohl mehrere der Alten als auch in unserer Zeit die Scharfsinnigsten. Und was das letzte betrifft: Es gab einige, von denen vor langer Zeit beschlossen worden ist, die Konservierungsmittel zu erforschen, das Balsamierungsmittel zu verstehen, mit dessen Kraft ausgestattet die blutlosen Glieder der Toten, nachdem so viele Jahrhunderte vergangen sind, bis in dieses Jahr überdauern, die Leinen auszuwickeln, die Inschriften der toten Überreste zu veröffentlichen, und, da wir Sterbliche ja für Habgier anfällig sind, nachdem sich von Arabien ausgehend die Überzeugung durchsetzte, zur Bekämpfung von Krankheit diese Glieder der Einbalsamierten oder eine Salbe gemischt mit den verfaulten Resten der Verstorbenen zu verabreichen. (2) Wir sehen nun, dass zum Nutzen des Handels, für Gewinn und Geld abgeschlagene Stücke der Leichname oder auch ein Körper, der bis jetzt in seinen Kisten beigesetzt war, fast über ganz Europa hin verkauft werden. Die Schaulust hat das Verlangen zum Kaufen noch vermehrt, weil die Sammler von Schaustücken der Künste und der Natur das, was dereinst den Gräbern und der ewigen Nacht anvertraut worden ist, zum Schmuck von Gemächern machen.
88
Mumiae Wratislavienses 5,3–7,3
(3) Crebrum inde hoc apud Belgas funus: ad Gallos Italosque delatum, quod ne Poloniae, Princeps ostenderet, Illustris Radzivilius, obstitit tempestas, et quae comitem itineris, Sacer|dotem Mumiarum caetera ignarum, dira species exter- 7 ruit. Nec Germania hujus mercimonii inanis. Vix urbs, paulo civium atque opu5 lentiae famâ celebrior, quae pharmacorum inter repositoria non brachia aut coxendicum partes ex Aegypti hypogaeis asservet.
6 (1) Dum itaque exteros inter, et tandem in Patriam redux, sive illibatam cadaverum molem, seu sectas in frusta reliquias curatiùs miror; (2) deprehendi, quod jam olim monuére Graeci autores, haud uno perfusa liquo10 re ab Aegyptiis corpora functorum, nec eosdem odores ad arcendam cariem
selectos; quamvis nonnulla, quae | iidem Scriptores, dum expurgandi funeris 8 morem adumbrant, tradidére, haud omninò ex fide mihi visa.
7 (1) Prodiit tandem Viri ingenio atque infandâ rerum scientiâ celeberrimi Athanasii Kircheri S. J. Sacerdotis, Oedipus Aegyptiacus. Cujus tamen operis copiam, 15 et quae Romam abhinc biennio lues exhausit, et quae Patriae iisdem ferè mensibus infesta, domicilio vigesimum ultra lapidem, ad suburbana Nobilissimi Schoenbornii me emovit, ad medium circiter Novembrem anni nuper elapsi, nobis invidit.
(2) Ut primùm abstrusissimae sapientae volumen genio temporum no|strorum 9 20 gratulatus, quantum tùm publicè impedito licuit, inspexi: fateor, innumera fuisse, quae avidam talium mentem incredibili voluptate recrearent. Caetera ne tangam: didici et haec tumulorum pervia homini indaginis indefessae.
(3) Inde, ubi consilium ipsi initio operis paucis exsequi, ex Herodoto, Diodoro, Pausaniâ, Porphyrio, Eusebio, Xenophonte, Strabone, Plutarcho, Jamblicho, 25 Luciano aliisque verbotenus, quae de Aegyptiorum moribus, vita, institutis, dicenda existimaverat: ad funeris curam delapsus, in hunc modum disserit; syn10 tag. II. de Polit. Aegyptior. c. II. p. 123. | 124.
27 II.2] I.
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(3) Seitdem ist immer wieder ein Leichnam bei den Niederländern angekommen und zu den Franzosen und Italienern weitergelangt. Dass der erlauchte Fürst Radziwill Polen einen solchen zeigen konnte, verhinderte ein Unwetter und der schreckliche Anblick, der den Priester, der die Reise begleitete und im Übrigen von den Mumien nichts wusste, aus der Fassung brachte. Auch Deutschland beteiligt sich an diesem Handel. Es gibt kaum eine durch den guten Ruf ihrer Bürger und ihres Reichtums etwas berühmtere Stadt, die in den Apothekenregalen keine Arme oder Hüftteile aus den Katakomben Ägyptens aufbewahrt. 6 (1) Als ich also im Ausland und zuletzt auch, als ich in die Heimat zurückkam, sowohl eine Masse unversehrter Leichen als auch in Stücke geschnittene Überreste sorgfältiger bestaunt habe, (2) habe ich erkannt, was einst schon die griechischen Autoren andeuteten, dass die Ägypter die Körper der Toten mit nicht nur einer Flüssigkeit getränkt haben und dass nicht dieselben Düfte zum Schutz vor Fäulnis ausgewählt wurden, obwohl einige Dinge, die dieselben Autoren überlieferten, wenn sie die Sitte des Leichenreinigens darstellen, mir nicht ganz glaubwürdig zu sein schienen. 7 (1) Hier endlich erschien der Oedipus Aegyptiacus des Athanasius Kircher, Priester des Jesuitenordens, eines wegen seiner Begabung und seiner unerhörten wissenschaftlichen Kenntnisse außerordentlich berühmten Mannes. Doch versagte mir die Pest den Zugang zu diesem Werk, die Rom in den letzten zwei Jahren verzehrte und die mich, als sie ungefähr in denselben Monaten in der Heimat wütete, jenseits des zwanzigsten Meilensteines vom Stadthaus entfernt, auf das Landgut des vornehmsten Schönborner trieb, etwa bis Mitte November des gerade verstrichenen Jahres. (2) Sobald ich, nachdem ich dem Schutzgeist unserer Zeit gedankt hatte, einen Blick in den Band über die verborgene Weisheit geworfen habe – soweit es dem damals öffentlich Verhinderten erlaubt war –, gab es zugegebenermaßen unzählige Dinge, die den auf Derartiges begierigen Geist mit unglaublichem Vergnügen erfrischten. Ohne weiteres berühren zu wollen: ich habe erfahren, dass sogar die Dinge, die die Gräber betreffen, diesem Mann von unermüdlichem Forschergeist zugänglich sind. (3) Nachdem sein Plan war, am Anfang des Werkes in wenigen Worten abzuhandeln, was er von den Sitten, dem Leben, den Einrichtungen der Ägypter für erwähnenswert hielt – hierbei folgte er wortwörtlich Herodot, Diodor, Pausanius, Porphyrius, Eusebius, Xenophon, Strabo, Plutarch, Iamblich, Lukian und anderen – erörtert er, nachdem er zur Behandlung des Leichnams abschweifte, in folgender Weise im 2. Syntagma De Politica Aegyptiorum, Kapitel 2, Seite 123 / 124:
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Qui funera mortuorum curabant, eo exercitio à majoribus tradito, funeris impensam domesticis descriptam ferebant, scrutantes, quanti vellent celebrari funus, conventione facta corpus eis tradebatur, ut juxta impensam curaretur funus. Primus Grammaticus (ita enim appellabatur) posito humi corpore, signum circa ilia describebat, quantum à sinistra parte incideretur: deinde qui dicitur Scissor, habens lapidem Aethiopicum, quantum lex sinebat, latus aperiebat, subitoque cursu à prosequentibus, qui adstabant, lapidesque cum execratione in eum jacientibus, fugiebat. | Existimabant enim, odium inhaere- 11 re, quicumque amici corpus illato vulnere violarit. Curatores verò corporis, hos, Salitores appellabant, honore aestimationeque digni habebantur: utebantur enim Sacerdotibus, templaque pariter ingrediebantur. His penes cadaver adstantibus, unus per scissuram corporis interiora praeter renes et cor educebat, quae singula alter vino Phoenicio et rebus odoriferis lavabat: deinde corpus totum, primùm è Cedro, tum aliis unguentis ungebant, dies ampliùs triginta myrrhâ deinde ac cinnamomo, caeterisque rebus liniebant, quae non solum id ser|vare diuturnè, sed odoriferum reddere valerent. Curatum cadaver 12 cognatis tradebant defuncti; ita singulis ejus partibus, etiam superciliorum palpebrarumque pilis integrè servatis, ut omnis corporis species dormientis more integra perduraret
20 et c. Haec eadem apud Herodotum et Diodorum legas, et plura, quae catus
Scriptor narrare insuper habuit, fors, quod ea tantum firmare ausus, quae vero affinia statuerat. (4) Cerebrum enim per angustos narium meatûs, quî ferro Herodotus educat, fateor haud me capere, ex quo ossium frontisque compagem habui perspectam, 25 et | postquam noscere licuit, vix quid mage integrum illâ faciei parte in hujusce- 13 modi cadavere reperiri, etiamsi interiora cranii scruteris.
1–19 Kircher 1652, S. 123 f. 4 appellabatur] Kircher : appellatur 9 corpus illato vulnere] Kircher : corpus vulnere illato 10 appellabant] Kircher : appellant 10 aestimationeque] Kircher : existimationeque 13 et] è error op. cit. 14 aliis unguentis] Kircher : aliis pretiosis unguentis
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Die Leichenbesorger, ein familiär tradiertes Gewerbe, brachten den Familienangehörigen eine Kostentabelle für die Leichenbehandlung und fragten nach, zu welchem Preis das Begräbnis begangen werden sollte. Nach getroffener Übereinkunft wurde ihnen der Körper übergeben, um den Leichnam den Kosten gemäß zu behandeln. Zuerst markierte der Anzeichner (denn so wurde er genannt) auf dem am Boden liegenden Körper mit einem Zeichen um die Eingeweide herum, wie viel von der linken Seite einzuschneiden sei. Dann öffnete der sogenannte Einschneider, der den Äthiopischen Stein hatte, die Seite, soweit es die Vorschrift erlaubte, und floh eiligen Schrittes vor den Verfolgern, die dabei standen, ihn mit Steinen bewarfen und verfluchten. Sie glaubten nämlich, dass Hass anhafte, wer auch immer den Körper eines Freundes durch das Zufügen einer Wunde verletzt. Die Balsamierer aber – diese nannten sie Einsalzer – bedachten sie mit Ehre und Wertschätzung, denn sie hatten mit den Priestern Umgang und gingen ebenso in die Tempel. Wenn diese beim Leichnam waren, entfernte einer durch den Schnitt die Innereien des Körpers mit Ausnahme von Nieren und Herz, die ein anderer einzeln mit Phönizischem Wein und wohlriechenden Gewürzen wusch. Darauf salbten sie den gesamten Körper zuerst mit Zedernharz, dann mit anderen Salben, mehr als dreißig Tage bestrichen sie ihn dann mit Myrrhe, Zimt und übrigen Dingen, die ihn nicht nur lange zu konservieren, sondern auch wohlriechend zu machen vermochten. Sie übergaben den balsamierten Leichnam den Verwandten des Toten, nachdem so jedes einzelne Körperteil, sogar die Augenbrauen und Wimpern, unbeschädigt konserviert waren, sodass die ganze Gestalt des Körpers wie ein Schlafender unversehrt überdauerte usw. Dasselbe liest man bei Herodot und Diodor und noch mehr Dinge, die der gescheite Autor für überflüssig zu erzählen hielt, vielleicht, weil er nur diese Dinge zu bestätigen wagte, die er für wahrscheinlich gehalten hatte. (4) Wie denn Herodot das Gehirn durch die Enge der Nasengänge mit einem Eisen herausführen würde, gestehe ich nicht zu verstehen, seitdem ich das Gefüge von Knochen und Stirn ganz und gar verstanden habe und nachdem es möglich war zu erkennen, dass kaum etwas unversehrteres an dieser Art von Leichnam gefunden wird als jener Teil des Gesichtes, auch wenn man das Innere des Schädels untersucht.
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(5) Lateris etiam sinistri vulnus eruendis visceribus, nec dum victo Diodori claritudine animo adlubescit. (6) At non ibo inficias, quanquam largi, diversi tamen apparatus unguentum et odores obtinuisse, dum pro fortuna suum cuique decus et sepulcrum.
5 (7) Nec obniti videtur Kircherus, qui syntagmate integro de Mumiis, quod operis
laudati tomo III. inseruit, omne studium intendit, ne quid, quod vel peritissimum horum sacrorum fugit, indictum praetermittat. | Videtur, inquam, dum 14 c. 3. §. 1. quae Herodotus graecè, uberiore dicendi genere Romanis auribus exponit. At mox, celeberrimi Nardii documento (qui corpora fasciis suis evoluta 10 summo studio dissecuit, et praeter asphaltum, nullo alio aromatici generis apparatu condita reperit) victus, haud aliud aromatis aut linimenti genus Aegypti cadaveribus admotum arbitratur.
8 (1) Jam major cupido, intueri ipsum Nardii in Lucretium opus. At non in hisce locis penes nos aliosve ullum scripti illius exemplum. Vivimus hîc Musis ac erudi15 tione procul, nec supersunt amici, qui ausurum aliquid | suffulciant moneantque. 15
(2) Hâc itaque curâ marcentem excitavit tandem Albertus à Sebisch: is qui natalium nobilissimo splendori, quicquid pacis et belli artium, superaddidit: cujus quamvis cautissimae prudentiae, arma ac militem Vratislavia crediderit, nihilominus tamen, si quod tempus unquam decepit iis, quas Patria curas exigit, 20 omne rerum ac naturae scrutinio addixit. Illius dives librorum penus, sed in usûs, non ostentui paratum, expeditas Nardii lucubrationes suggessit.
(3) Ut has adeptus, mox exquirere visum, quae congruentia traderent. Ac primum deprehendimus, omnia | ea, quae Kircherus syntagm. XIII. de Mumiis c. 3. §. 1. 16 tradiderat, iisdem verbis Nardium ante: animadversione tamen in Lucretium 25 non congerere modò, sed et varia post disquisitione castigare, decernit tandem:
1 in marg. lib. I. 16 Sebisch] Setisch 21 paratum] parata 23 §.] §
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(5) Auch findet er Gefallen an der Meinung, die Wunde für die Entnahme der Eingeweide sei an der linken Seite, die wegen der Berühmtheit Diodors noch nicht überwunden wurde. (6) Nicht in Abrede stellen werde ich dagegen, dass eine zwar reichliche, aber unterschiedliche Zugabe von Salbölen und wohlriechende Gewürze [den Leichnam] ausfüllten, während dem Stand entsprechend jeder seinen Zierrat und seine Grabstätte hatte. (7) Auch Kircher scheint dem nicht zu widerstreben, der im gesamten Syntagma De Mumiis, das er dem 3. Band des zitierten Werkes beigab, seine ganze Mühe darauf richtete, nicht irgendetwas, das selbst dem in diesen heiligen Bräuchen Kundigsten entgangen ist, ungesagt zu übergehen. Diesen Eindruck erweckt er, sage ich, wenn er in Kapitel 3, § 1, das, was Herodot auf Griechisch schreibt, in einer für römische Zuhörer reicheren Redeweise darstellt, dann aber, zur Einsicht gebracht durch den Beweis des hochberühmten Nardi (der die Körper aus ihren Binden ausgewickelt und mit größtem Fleiß seziert hat und außer Asphalt mit keiner anderen Art von Spezerei zubereitet vorfand), meint, dass den Leichnamen der Ägypter keine andere Spezereien- oder Salbenart hinzugefügt wurde. 8 (1) Schon war der Wunsch, in eben dieses Werk Nardis zum Lukrez hineinzuschauen, größer. Jedoch gab es in diesen Gegenden, bei uns oder bei anderen, kein Exemplar der Schrift. Wir leben hier fern von Gelehrsamkeit und Bildung und es gibt keinen Überfluss an Freunden, die bereit sind etwas zu wagen, unterstützen und Rat geben würden. (2) Den von dieser Sorge Verdrossenen richtete endlich Albert von Sebisch wieder auf, der dem vornehmsten Glanz seiner Geburt alles an Friedens- und Kriegskunst hinzugefügt hat. Obwohl Breslau der überaus vorsichtigen Klugheit dieses Mannes Waffen und Militär anvertraut hat, gab er sich trotzdem um nichts desto weniger, wenn er je die Sorgen, die das Vaterland beansprucht, um etwas Zeit betrog, ganz der Erforschung der Dinge und der Natur hin. Dessen kostbare Sammlung von Büchern, die zum Benutzen, nicht zum Vorzeigen bereit stand, stellte Nardis Werk ohne Schwierigkeiten zur Verfügung. (3) Als ich es nun erlangt hatte, schien es bald zu untersuchen nötig, was sie in übereinstimmend überlieferten. Zuerst fand ich heraus, dass alles, was Kircher im 13. Syntagma De Mumiis in Kapitel 3, § 1 überliefert hatte, Nardi vorher mit denselben Worten, jedoch mit Blick auf Lukrez nicht nur zusammentrug, sondern auch verschiedenes danach durch Untersuchung berichtigte. Schließlich meint er:
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Nemo sciens se traduci patiatur in posterum. Speravi olim miram fragrantiam à medicato funere, tot tantisque infarcto aromatibus: verùm spes me fefellit, solumque fuit obvia gummi graveolentia post denudatum cadaver. Quanquam verò non unius illud erat sortis et vetustati licet plurimum darem, attamen non nisi gummi vestigia; quin cunctas homogenei gummi glebulas in | ventre 17 recens dissecto observavi. Sciscitor interim curiosus calvariam, eodemque gummi intus illitam deprehendo, tum verò me operam lusisse omnem liberè sum fassus, dum partes cadaveris singulas attentiùs examino, alteque gummi imbibitas video. Fregi, discerpsi: ossibus neque peperci, gummi ubique redolent atque sapiunt. Serus ego damnavi tandem propriam credulitatem longumque vale dixi Aegyptiis technis.
(4) Et, utut dein subjiciat: Non negarim tamen, Regum cadavera Opobalsamo, stacte, aloë, croco, cinnamomo, et consimilibus curata fuisse: verùm singularis et | infrequens erat illa conditura. Nos verò et vulgares et frequentiores prosequimur. 18 15 Perorat tamen, ubi et quae de tenuiorum funeribus Herodotus atquè Diodorus tradidére, rejecit:
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Compares profecto et superioribus congeneres hae sunt nugae, pura nempe meraque mendacia Salitorum, ut alienas emungerent crumenas, quandoquidem cadavera singula Aegyptiaca consuta observamus, intusque eodem bitumine latè superque infarcta. U n i c a p r o i n d e e r a t c o n d i t u r a , c u j u s cunque sortis mortalibus, dispendiosior divitibus fraude libitinariorum.
9 (1) Atqui per diversum iére, tot non dico | Veterum eximii, non quotquot hâc 19 aetate labori quam ingenio propiores famam sperant, dum illorum verbis tradita 25 ad taedium nobis reponunt: veritatem tamen et rei indaginem, cujus apud eru-
1–11 Nardi 1647, S. 635 12–14 Nardi 1647, S. 637 1 se traduci] Nardi : traduci se 7 tum] Nardi : tunc
17–22 Nardi 1647, S. 641
3 solumque] Nardi : solaque
5 cunctas] Nardi : coactas
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Niemand, der das weiß, würde zulassen, dass er für die Nachwelt aufbewahrt wird. Einst habe ich einen auffallenden Wohlgeruch von einem balsamierten Leichnam erhofft, angefüllt mit so vielen und so wirksamen Spezereien. Aber die Hoffnung hat mich getäuscht, und nachdem der Leichnam ausgewickelt war, kam mir nur der Gestank von Gummi entgegen. Obwohl dies in der Tat kein Einzelfall war und ich das meiste dem Alter zuschrieb, gab es doch keine Überreste außer Gummi. Ich habe in einem neulich sezierten Bauch sogar zu einem Ganzen vereinte Klumpen aus gleichartigem Gummi bemerkt. Inzwischen habe ich wissbegierig den Schädel untersucht und erkannt, dass er innen mit demselben Gummi befüllt ist. Dann gestand ich mir freiwillig vollends ein, dass ich die ganze Arbeit vergeblich aufgebracht hatte, solange ich nur einzelne Teile des Leichnams genauer untersuche und sehe, dass sie ganz mit Gummi vollgesaugt sind. Ich habe sie zerbrochen und zerstückelt und bin nicht schonend mit den Knochen umgegangen. Überall riechen und schmecken sie nach Gummi. Schlussendlich habe ich die eigene Leichtgläubigkeit verworfen und den ägyptischen Techniken auf Lange Lebwohl gesagt. (4) Obwohl er daraufhin anfügt: Ich möchte trotzdem nicht leugnen, dass die Leichname der Pharaonen mit Balsam, Myrrhe, Aloe, Safran, Zimt und ähnlichen Dingen behandelt wurden, allerdings gab es jene Zubereitung vereinzelt und selten. Ich aber schildere die allgemeineren und häufigeren. Trotzdem führt er aus, wo und was Herodot und Diodor über die Begräbnisse niederen Standes überliefern, und lehnt es ab: Das sind wahrhaftig Possen, die genau zu den Oberen passen, die reinsten Lügen der Einsalzer, um fremde Geldbeutel zu prellen, da wir nämlich einzelne ägyptische Leichname bemerkten, die zusammengenäht wurden, innen mehr als reichlich mit demselben Bitumen vollgestopft. E s g a b d e m n a c h eine einheitliche Zubereitung für die Sterblichen jedweden Standes, teurer für die Reichen durch den Betrug der Leichenbesorger. 9 (1) Gleichwohl argumentierten so viele in eine andere Richtung – ich sage nicht die Hervorragenden der Alten, und auch nicht diejenigen, die heutzutage eher fleißig als begabt auf Ruhm hoffen, indem sie uns das, was in den Worten erstgenannter überliefert ist, bis zum Überdruss wiedervorsetzen, der Wahrheit
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ditos maxima voluptas est, veris vix pretiis aestimant. Sed quotquot exquisita assiduitate aut domi nata, aut aliunde advecta rimantur; vel tuendae mortalium saluti medicinam exercent.
(2) Quid Arabes, Graecos, quid nostrorum agmina producam? Recens ab Italia 5 scriptor, dum Aldrovandi Muséum metallicum adornat, lib. III. c. 17.
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Hujus funeris ita conditi, etiamsi varia genera in offici|nis conspiciantur, quae 20 notas inter se discrepantes, colore nimirum et pondere habent; nihilominùs eligenda est Mumia subrubra, levis, subpinguis et subodora, quae ab omnibus tanquam genuina probatur. Etenim gravis, nigra, friabilis, terrea, et quae digitorum attritu facilè in pulverem abeat, tanquam adulterina rejicitur. Deinde omnia condita funera plerumque alicujus odoris et saporis esse deprehenduntur: non tamen in omnibus ingratus odor, et salsus sapor percipitur: sed quatenus majori vel minori salis aut nitri copia condiuntur.
(3) Ego ut Autori non omnia concesserim, ita | cadavera diverso liquore imbuta, 21 15 et hactenus credidi, et dum saepè partes avulsas spectarem, puto me animad-
vertisse. (4) Non lubet obscuris ob remota nobis loca testibus, utut id mihi haud grave, niti. Conspicias licet Fraustadii in Schinkiano pharmacorum promptuario, femoris ingens frustum, quod plurimâ, eâque fermè solida pice carnes coërcet, at 20 penes Hortensium non artûs integri, sed decidua costis fragmina, et in pulverem fermè soluta. Valet tamen odor ab asphalto diversus, ac subfusca flavedo, non modo quicquid corporis reliquum, sed vel ossium intima (nam cultro scrutari 22 vi|sum) infecit.
(5) Objicias licet: per tot temporis atque coeli vices etiam solidissima mumiarum 25 vanescere in ejuscemodi quisquilias: at respondet aptè, et si de funere asphalto
6–13 Aldrovandi 1648, S. 400 7 habent] Aldrovandi : habeant
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aber und der Erforschung des Gegenstandes, die bei den Gelehrten die allergrößte Lust auslöst, kaum ihren wahren Wert beimessen, sondern diejenigen, die mit ausgezeichneter Hartnäckigkeit erforschen, was daheim wächst oder von anderswo importiert wird, oder zum Wohle der Menschen die Medizin betreiben. (2) Warum soll ich die Araber, die Griechen, warum die Scharen unserer Gelehrten anführen? Jüngst schrieb ein Verfasser aus Italien, als er Aldrovandis Musaeum metallicum aufbereitete, im 3. Buch, Kapitel 17: Auch wenn man verschiedene Arten des so aufbereiteten Leichnams in den Offizinen sieht, die untereinander verschiedene Merkmale, nämlich hinsichtlich Farbe und Gewicht, haben, ist doch die rötliche, leichte, etwas fettige und leicht wohlriechende Mumie auszuwählen, die von allen als die echte anerkannt wird. Denn die schwere, schwarze, zerreibbare, erdige, die durch Reiben der Finger leicht zu Staub zerfällt, wird als falsche zurückgewiesen. Ferner erkennt man, dass alle balsamierten Leichname meist irgendeinen Geruch und Geschmack haben, doch nicht bei allen wird ein unangenehmer Geruch und ein salziger Geschmack wahrgenommen, sondern je nachdem, ob sie mit einer größeren oder kleineren Menge an Salz oder Natron behandelt sind. (3) Zwar habe ich dem Autor nicht uneingeschränkt zugestimmt, hielt aber dies für glaubwürdig, dass die Leichname mit unterschiedlicher Flüssigkeit getränkt wurden, und ich meine es auch beobachtet zu haben, als ich oft abgetrennte Teile gesehen habe. (4) Aber ich möchte mich nicht auf unbekannte Zeugen an entfernten Orten stützen, wie leicht es für mich auch immer wäre. In Fraustadt kann man im Vorratsraum der Apotheke Schink ein großes Stück eines Oberschenkels sehen, das mithilfe von sehr reichlichem und noch dazu beinahe festem Pech das Fleisch zusammenhält; bei Hortensius gibt es dagegen keine vollständigen Gliedmaßen, sondern Fetzen, die von den Rippen hängen und fast zu Staub zerfallen sind. Der Geruch ist kräftig, anders aber als der des Asphalts, und die bräunlich-gelbe Farbe hat nicht nur alles, was vom Körper übrig ist, sondern sogar das Innerste der Knochen eingefärbt (ich beschloss nämlich, sie mit einem Messer zu untersuchen). (5) Vielleicht möchte man erwidern, dass auch die festesten Bestandteile der Mumien infolge des Wechselspiels von so viel Zeit und Witterung in Rückstände
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aut bitumine imbuto id capias, verè Nardius: integrum invictumque reluctatur ambienti, quin aqua diutiùs immersum, rigidum perdurat, eluditque circumfluum humorem.
10 (1) Quod si tam obviam, simplicemque functorum curam statuas, quò tot 5 dierum impendia? ut septuaginta illos Herodoti explodas, nugisque ac mendaciis Salitorum circumscriptum dicas: Mosi quid fiet? Qui curatè Gen. 50.3.
ו ימ לא ו ל ו אר בע ים יו ם כ י כן ימ לא ו י מי ה חנ טי ם:וי חנ טו | ה רפא ים את יש רא ל
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Et balsamarunt ipsum Israël, et completi sunt ei quadraginta dies, quia sic complentur dies balsamatorum. Nec diversum abit Chaldaeorum paraphrasis, si ta10 men quod fas, oraculo insuper habito, venerari interpretes. Quis Josepho, quis Mosi, qui omnes Aegyptiorum artes habuére perspectas, fucum potuisse fieri credat?
(2) Cautior certè Scaliger: Quae ad nos mumia defertur ex Aegypto, non ex aloë et myrrha condimentum est corporum, sed ex asphalto. Illis enim utuntur Nobiles, 15 quorum effode|re corpora capitale est. Quanquam illum poenae rigorem, dudum 24 est, quod auro perfregimus. 11 (1) Haec dum sciendi cupidine mecum perpendo: evenit ut publico nomine Vratislaviam missus, quoties id per negotia liceret, inter amicos, quos ibi insignes nactus, diversis de rebus consultarem. 20 (2) Ibi post fortuitos sermones, dum ne quidem amoenioribus abstinemus, Ler-
chius noster de Jacobo Crusio Pharmacopoeo honoratè disserere: hominem animo ultra fortunas, non omni rariorum modo mercium copia; subsidio medicinae domum implesse, hortos quoque decori adjecisse, in | quorum pergulis, quod 25 usquam in Urbe spectari et placere queat, visatur haud perinde picturas, imag25 ines, atque aquarum meatûs delectamento esse, solita passim: quam animantium exuvias et avecta Cairo mortalium aliquot funera. Movit animum hoc indicio: non quod penitùs ignota mihi Crusii exquisitissima suppellex.
1–3 Nardi 1647, S. 636
6–7 Gen. 50,2–3
13–15 Scaliger 1557, Bl. 161 v
1 in marg. p. 636. 1 integrum invictumque] Nardi : integrum namque invictumque 2 aqua] aquae error op. cit. 7 כו ]כן13 in marg. Exercit. 104. sect. 9 13 Quae ad] Scaliger : Quae verò ad
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dieser Art vergehen, aber angemessen und – wenn man dies über den mit Asphalt oder Bitumen getränkten Leichnam versteht – wahrheitsgemäß entgegnet Nardi: Unversehrt und unverwüstlich widersetzt sich der Leichnam der Umwelt, ja sogar, nachdem er längere Zeit in Wasser getaucht wurde, bleibt er hart und starr und lässt die umfließende Feuchtigkeit abperlen. 10 (1) Wenn man nun die Behandlung der toten Körper für so offensichtlich und einfach hält, wozu dann der Aufwand so vieler Tage? Gesetzt den Fall, man widerspricht jenen 70 bei Herodot und sagt, er habe sich von den Possen und Lügen der Einsalzer täuschen lassen: Was ist mit Moses? Dieser schreibt ja in Genesis 50,3: וימלאו לו ארבעים יום כי כן ימלאו:ויחנטו הרפאים את ישראל ימי החנטיםUnd sie balsamierten also Israel. Vierzig Tage sind dabei vergangen, denn so lange dauerten die Balsamierungstage. In die gleiche Richtung geht die Deutung der Chaldäer, wenn es denn, nachdem das Weissagen für überflüssig gehalten wird, gestattet ist, Wahrsagern diese Ehre zukommen zu lassen. Wer würde glauben, dass Joseph, wer dass Moses, die alle Künste der Ägypter genau kannten, eine Täuschung widerfahren konnte? (2) Vorsichtiger äußert sich gewiss Scaliger: Die Mumie, die aus Ägypten zu uns gebracht wird, ist kein mit Aloe und Myrrhe, sondern mit Asphalt konservierter Körper. Denn jenes benutzen nur die oberen Schichten, deren Körper auszugraben ein Kapitalverbrechen ist. Obwohl wir jene Härte der Strafe – es ist schon lange der Fall – mit Geld gebrochen haben. 11 (1) Während ich in meinem Wissensdurst diese Dinge innerlich abwägte, geschah es, dass ich, auf öffentliches Geheiß nach Breslau geschickt, sooft die Geschäfte es zuließen, Freunde, die ich dort hervorragende gewonnen habe, über verschiedene Dinge um Rat fragte. (2) Dort, nach Gesprächen über alles Mögliche, während wir auch nicht gefälligere Dinge vermieden, begann unser Lerch ehrenvoll über den Apotheker Jakob Krause zu sprechen, dass er ein Mann von einer Gesinnung über seinen Stand hinaus sei, dass er sein Haus im Dienste der Medizin mit jeder Fülle nicht nur seltener Waren angefüllt habe, dass er auch Gärten zur Zierde angelegt habe, in deren Pergulen nicht nur zu besichtigen ist, was ja überall in der Stadt gesehen werden und gefallen könne: Gemälde, Büsten und Wasserläufe, weit und breit übliche Dinge, als dass vielmehr abgezogene Tierhäute und einige aus Kairo ausgeführte menschliche Leichname der Unterhaltung dienen. Mit diesem Hinweis weckte er mein Interesse, wobei es nicht so ist, dass mir die außerordentlich auserlesene Einrichtung Krauses ganz und gar unbekannt gewesen wäre.
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(3) Annus etenim fermè abierat, ex quô deducentibus Viris Nobilissimis Amplissimisque Hoffmanno atque Burkardo, opes hasce oculis arbitratus, comemque Viri Optimi benevolentiam miratus fueram. Sed tum aliis intentus, transmise26 ram curatiùs lustrare ca|daver, quod tum unicum obiter animadverti.
5 (4) Nec mora: quin instarem suaderet Crusio, pateretur aliquod ex hisce corpus
vinculis exsolvi, inspicique fomenta atque differtum medicamine truncum. Neque adversatus ille, sequenti die pertentavit mentem Nobilissimi Burkardi, quo idem concupisceret, qui Crusium fortè pro foribus Curiae vocatum allocutus, facilem habuit et plura quam petebatur offerentem.
10 (5) Itaque stato die VII. Id. Decembr. A. MDCLVIII. serenâ luce, ubi primum
facultas data fuit, negotium adorsi, Viris coràm autoritate doctrinaque eximiis: 27 ac pri|mùm juvenile corpus experiri libuit. 12 (1) Munitum id operimento è creta, gypso, argillave, tot per annorum lapsus contra aëris injuriam, atque attrectantium manûs maximam partem valituro. 15 Nec dum omnis pigmentis exciderat color, quibus, more gentis, mentum infra pectus atque ventrem ornaverant. 13 (1) Hoc ubi sublatum: patuit multiplex fasciarum è lino congeries, funiculis è cannabe adstricta. Color iis, qui telae quam nec dum Sol ad albedinem excoxit: sive non ea priscis perities, seu temerari noluére nativam speciem linteorum, 20 queîs tantum amiciuntur sepulcro destina|ti an potius longa dies imminuit nito- 28 rem panniculorum, quos membra super exterius gypsi munimentum arctè compressit. Unguentis ne imputes, id obstat: quod (nisi carnes quam proximè) nihil ubique mage saturum pallidumve dignoscas, secus quam fieri assolet, quoties subpinguior humor vestem pervadit. Fragranti tamen liquore imbuta fuisse 25 haecce stragula, vix iverim inficias, crassioris unguenti nihil deprehensum.
(2) Ut vincula scidimus, licuit evolvere fascias, queis omne corpus circumdatum. Dispar iis longitudo, quae vel cubitos aliquando tres aequaret, utplurimum | intra secundum deficeret, latae digitos quinque quatuorve. Has ipsas aliae ten- 29
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(3) Dann war fast ein Jahr vergangen, nach dem ich in Begleitung der edelsten und angesehensten Herren Hoffmann und Burckhardt diese prächtigen Dinge anschauen und das gütige Wohlwollen dieses besten Mannes bewundern konnte. Doch weil ich damals auf andere Dinge achtete, hatte ich es versäumt, den Leichnam genauer zu betrachten, den ich in seiner Einmaligkeit nur nebenbei bemerkte. (4) Sogleich bat ich eindringlich, Krause zu überreden, dass er gestatte, dass irgendein Körper aus diesen Binden dort ausgewickelt und der Verband sowie ein mit dem Balsamierungsmittel gefülltes Stück untersucht wird. Jener war nicht ganz abgeneigt und fragte am nächsten Tag nach der Meinung des edelsten Burckhardt, auf dass er dasselbe begehre. Dieser sprach Krause, der zufällig vor dem Eingang des Rathauses war, an und fand ihn als einen vor, der ohne Schwierigkeiten mehr zur Verfügung stellte, als verlangt wurde. (5) Am festgesetzten Tag also, dem 7. Dezember im Jahre 1658, machten wir uns bei heiterem Himmel, sobald sich die Möglichkeit bot, in Gegenwart von an Autorität und Gelehrsamkeit herausragenden Männern an diese Aufgabe. Und zuerst wollte man den jugendlichen Körper untersuchen. 12 (1) Bedeckt war dieser von einer Schicht aus Kreide, Gips oder weißem Ton, die während des Dahinschreitens so vieler Jahre gegen den Schaden durch die Witterung und die Hände der Berührenden größtenteils Schutz bieten sollte. Noch nicht allen Spezereien war die Farbe verloren gegangen, mit denen man nach Sitte des Volkes kinnabwärts Brust und Bauch ausgeschmückt hatte. 13 (1) Sobald diese Schicht abgetragen war, zeigte sich, mehrfach übereinandergelegt, eine Menge von Leinenbinden, zusammengebunden durch Hanfschnüre. Sie hatten die Farbe, die ein Gewebe hat, das die Sonne noch nicht bis ins Weiße ausgedörrt hat, sei es dass die Alten diese Erfahrung nicht hatten, sei es dass sie den ursprünglichen Anblick der Leinen nicht entweihen wollten, mit denen nur die für das Grab Bestimmten umhüllt werden, oder vielmehr der Verlauf der Zeit das Weiß der Stoffbinden beeinträchtigt hat, die die äußere Gipsschicht oberhalb der Glieder eng zusammengedrückt hat. Den Salben die Schuld zu geben, steht entgegen, dass man (außer wo das Fleisch sehr dicht ist) nirgends eine gesättigtere oder weißere Schicht erkennt, anders als es gewöhnlich geschieht, wenn eine etwas fettere Flüssigkeit die Kleidung durchdringt. Dass diese Totenlinnen trotzdem mit einer wohlriechenden Flüssigkeit getränkt waren, möchte ich kaum in Abrede stellen, von einem zähflüssigeren Salböl war aber nichts zu finden. (2) Sobald wir die Schnüre zerschnitten haben, konnte man die Binden abwickeln, von welchen der ganze Körper umgeben war. Diese hatten eine unterschiedliche Länge, die bisweilen sogar drei Ellen erreichte, meistens aber kürzer als zwei war, und sie waren vier oder fünf Finger breit. Andere schmalere, kaum
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Mumiae Wratislavienses 13,2–14,3
uiores, vix digitum latae quasi firmabant, atque aliquando decussatim cingebant. Utrasque stamen juxta diruptas potiùs, quam forfice ferrove scissas diceres. Textura vix nostris pectinibus inferior; filum quod medii generis appellamus. Restitit, dum experiundi ergò lacerare conor, stamen: facile subtegmen 5 cessit.
14 (1) Jam vicies fermè sibi incumbentes fasciae corpori detractae: cum linteum sese prodere integrum, collo tenus ad plantas usque demissum. Tum plurimi credere, taeniarum nihil superare, atque | hoc tegmine amoto, ipsum Cadaver 30 fore spectaculo. 10 (2) Idipsum docuerat olim Chifletius: qui dum funeralem Servatoris amictum
expendit, haec de Mumiis: Syndone primùm byssina ab ima cervice usque ad pedes, corpus integrum involutum est, et loris incisis circumligatum: quae tamen ob gummi densiùs illitum non apparent. Lazarum ita compositum depingit; ipsumque paulò post salutis nostrae Restauratorem.
15 (3) Contra semovit omne linteum à cadavere Celeberrimus aevi nostri Scriptor,
qui fascias, et has tantum agnovit; qui postquam prolixè hac ipsa de re disse31 ruit, tand|em:
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Cum dicit (Joannes nempe Evangelista cap. XI, 44.) p e d e s e t m a n u s l i g a t a s i n s t i t i s s i v e f a s c i i s h a b u i s s e , de toto corpore intellexit. Nam in mortuis pollingendis manus demissas et ad latera junctas, simul cum ipso corpore, et ad corpus ipsum colligabant. ita ligatae manus penè ad genua ipsa descendebant. Inde et crura et pedes similibus fasciis ligari consueverunt. Constat hic planè sibi Johannes in more Judaeorum sepeliendi, tam in Christo quam in Lazaro. In Lazaro κειρίας vocat, quibus totum corpus vinciebatur, in Christo ὀθόνια. In utroque utitur verbo δῆσαι. De | Lazaro, δεδεμένος 32
11–13 Chifflet 1624, S. 13
18–104,16 Saumaise 1646, S. 381–383 25–104,1 Jn. 11,44
12 corpus integrum involutum] Chifflet : corpus involutum
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einen Finger breite Binden stützten diese gewissermaßen und umwickelten sie gelegentlich über Kreuz. Man hätte meinen können, dass beide eher den Aufzug entlang zerrissen als durch eine Schere oder eine Klinge zerschnitten worden waren. Das Gewebe war kaum unserer Webkunst qualitativ unterlegen, der Faden das, was wir als mittlere Qualität bezeichnen. Der Aufzug widerstand, als ich ihn zur Untersuchung durchzutrennen versuchte, der Einschlag gab leicht nach. 14 (1) Gerade wurden die fast zwanzigmal übereinander liegenden Binden vom Körper abgetragen, als sich ein unversehrtes Leinentuch zeigte, herabhängend vom Hals bis zu den Fußsohlen hin. Da meinten die meisten, dass keine Bänder mehr übrig seien und nach der Entfernung dieser Bedeckung der tote Körper selbst zum Vorschein kommen werde. (2) Ebendies hatte einst Chifflet gelehrt, der, als er das Grabtuch unseres Heilands untersuchte, folgendes über die Mumien schrieb: Zunächst war der ganze Körper vom untersten Teil des Halses bis zu den Füßen in ein Grabtuch aus feinen Leinen eingehüllt und mit eingeschnittenen Riemen umbunden. Diese kommen aber nicht zum Vorschein, da eine dickere Schicht Gummi darüber gestrichen ist. So stellt er den zur Ruhe gebetteten Lazarus dar und kurz darauf den Wiederbringer unseres Heils selbst. (3) Ein außerordentlich berühmter Autor unserer Zeit schloss dagegen jedes Leinentuch für einen Leichnam aus und erkannte einzig und allein Binden an. Nachdem er genau diese Sache ausführlich erörtert hat, schreibt er schließlich: Wenn er sagt (der Evangelist Johannes nämlich in Kapitel 11,44), d a s s dieser Füße und Hände mit Binden umwickelt gehabt habe, verstand er darunter den gesamten Körper. Denn, indem bei der Behandlung der Toten die Hände heruntergenommen und an die Körperseiten gelegt wurden, verbanden sie sie zugleich mit dem Körper selbst und an eben diesen Körper. Die so umwickelten Hände reichten fast bis zu den Knien herab. Dann wurden gewöhnlich sowohl die Beine als auch die Füße mit ähnlichen Binden umwickelt. Hier bleibt Johannes deutlich seinen Beschreibungen über die Begräbnissitte der Juden treu, sowohl bei Christus als auch bei Lazarus. Im Lazarus-Kapitel nennt er Binden, mit denen der ganze Körper umhüllt wurde, im Christus-Kapitel Leinenbinden. In beiden nutzt er das Wort verbinden. Über
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Mumiae Wratislavienses 14,3–15,1
τοὺς πόδας καὶ τὰς χεῖρας κειρίαις. De Christo, ἔδησαν αὐτὸ ὀθονίοις. In Lazaro σουδάριον appellat, quo facies erat circumligata, id est, totum caput cum facie velatum. In Christo dicit, id σουδάριον ἐπὶ τῆς κεφαλῆς αὐτοῦ fuisse. Quid igitur, cum haec tam clara sunt, sibi voluére reliqui Evangelistae, qui σινδόνα vocant, qua Jesu corpus pollinctum fuit? sic enim et Matthaeus de Josepho ab Arimathaea, et ἐνετύλιξεν αὐτὸ σινδόνι καθαρᾷ. An fasciis ligatum corpus deinde et sindone grandi involvebatur? Sanè Athanasius in homilia in S. Parasceven, σινδόνα et ὀθόνια et σουδάριον quasi diversa nomi|nat: ἴδωμεν 33 τέως δωροφοροῦντα τὸν Ἰωσὴφ, καὶ τὸν Νικόδημον συντρέχοντα, σινδόνι καθαρᾷ καὶ ὀθονίοις καὶ σουδαρίῳ περιειλίσσοντας τὸν τοῦ παντὸς κύριον. Ecce s i n d o n e m vocat et ὀθόνια, et s u d a r i u m , quibus omnibus simul circumligatus dominus. Hoc posset ita factum videri, nisi Johannes repugnaret, qui sola ὀθόνια nominavit, nec σινδόνος meminit. At Matthaeus, Marcus et Lucas σινδόνα appellant. Sanè Marcus emtam Josepho sindonem dicit, et ea involutum Jesum: καὶ ἀγοράσας σινδόνα, καὶ καθελὼν αὐτὸ ἐνείλισε τῇ σινδόνι.
(4) At nequaquam haec congruere Aegyptiis institutis, res tum ostendit; quippe subducto hoc quod | dixi velo, aliae iterum fasciarum ambages denso glome- 34 ramine compactae: denuò velum: iterum institae funesque prioribus haud ab20 similes. Animadvertit, qui paucis post diebus funeri recondendo adfuit, taeniis invicem sibi plus centies superimpositis involucrum hoc constitisse: recurritque menti, Celeberrimum Agricolam, dum multiplices hosce nexus arbitraretur, aut Pharii Regis, aut Sacerdotis sobolem tàm operosè tegi, exclamasse.
15 (1) Vix horae intervallo hoc labore functis, corpus aliis longè nexibus
1 Jn. 19,40
3 Jn. 20,7
1 ἔδησαν] ἔδηζαν ramine
6 Mt. 27,59 8–10 Athan. Parasc. 6
15–16 Mk. 15,46
6 αὐτὸ σινδόνι] Saumaise : αὐτὸ ἐν σινδόνι
19 glomeramine] glome.
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Lazarus schreibt er, dass die Füße und Hände mit Binden verbunden wurden. Über Christus, sie verbanden ihn mit Leinenbinden. Im Lazarus-Kapitel nennt er Schweißtuch, womit das Gesicht umwickelt wurde, das heißt, der ganze Kopf mit dem Gesicht ist verhüllt worden. Im Christus-Kapitel sagt er, es sei ein Schweißtuch gewesen, das er um den Kopf hatte. Was also, wenn diese Dinge so klar sind, wollten die übrigen Evangelisten, die als Grabtuch bezeichnen, womit der Leichnam Jesu zur Bestattung hergerichtet war? So nämlich spricht auch Matthäus über Joseph von Arimathäa: er wickelte ihn in ein reines Grabtuch. Oder ist der Körper erst mit Binden umwickelt und dann mit einem großen Grabtuch umhüllt worden? In der Tat bezeichnet Athanasius in der Homilia in S. Parasceven Grabtuch, Leinenbinden und Schweißtuch als verschiedene Dinge: ‚Lasst uns derweil Joseph, wie er Geschenke trägt, und Nikodemos, wie er mitläuft, und wie sie den Herrn über alles, mit einem reinen Grabtuch, Leinenbinden und einem Schweißtuch umwickeln.‘ Da nennt er G r a b t u c h , Leinenbinden und S c h w e i ß t u c h , mit denen allen zugleich der Herr umwickelt war. Das könnte als so geschehen geglaubt werden, wenn nicht Johannes dazu im Widerspruch stehen würde, der nur die Leinenbinden nannte, nicht aber das Grabtuch erwähnt. Matthäus, Markus und Lukas aber sprechen vom Grabtuch. In der Tat sagt Markus, dass das Grabtuch von Joseph gekauft und Jesus damit eingehüllt wurde: ‚und er kaufte ein Grabtuch, nahm ihn und wickelte ihn in das Grabtuch‘. (4) Dass dies aber in keiner Weise mit den ägyptischen Gewohnheiten übereinstimmt, hat die Untersuchung gezeigt. Nachdem nämlich das Tuch, das ich erwähnt habe, entfernt war, gab es wiederum andere Irrwege der Binden, zusammengedrängt zu einer dicht geballten Masse, abermals ein Tuch und wiederum Stricke, den vorherigen nicht unähnlich. Wer wenige Tage später zugegen war, um den Leichnam wieder zu verhüllen, bemerkte, dass diese Hülle aus mehr als hundertmal wechselweise über sich selbst herübergelegten Binden bestanden hatte, und dem kam wieder in den Sinn, dass der hochberühmte Agricola, als er diese vielfachen Windungen begutachtete, laut ausrief, dass nur der Nachfahre entweder eines ägyptischen Königs oder eines Priesters mit so großer Mühe verhüllt werde. 15 (1) Nachdem wir diese Arbeit in kaum einer Stunde vollbracht hatten, konnte man sich dem Körper, der mit ganz anderen Windungen verwickelt war, wid-
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Mumiae Wratislavienses 15,1–16,3
praepeditum usurpari licuit. Tenues quippe fimbriae, et quae vix ad unciae | tri- 35 entem latitudine contingerent, obliquis ductibus, sibimet crucis ad instar incumbentes, brachia atque pedes arctiùs, laxiùs paulò pectus atque terga continebant, nec hisce semotis mora, quin concidére in pulverem fermè, quicquid 5 infra umbilicum ad pubem usque. 16 (1) Sufflavus is, et nihil bitumini, ne odore quidem similis. Patuére costae, quas nothas dicimus; patuére vertebrae inferiores solutae nexibus: ossa dein tibiarum suprema sui parte nuda: thorax contra et quicquid alvi ad umbilicum, pecten, femora, et crura restitére, pedum verò quamvis à malleolis solutorum, 36 10 muscu|li tamen atque ungues duravére.
(2) Hic demùm patuit, non, quod creditum antiquis, viscera per obliquum lateris extracta, sed incisâ lineâ, quam vocant albam, educta. Quippe haud procul infra sternum hiabat, et ultra umbilicum vulnus rectum, oblongum, strophiis, balsamo quondam, aut non absimili liquore arcendae putredini imbutis obstipa15 tum, tectumve: qualia etiam pedibus addiderant, qua coëunt tibia atque fibula.
(3) Ipsum hunc corporis aperiundi modum, firmare mihi videtur, praevio Jo37 hanne Nardio, Kircherus, qui dum picturam veterem lectori exhibet: |
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Quod verò, inquit, in tabula V. figura II. schema exprimitur, id modum rationemque corporum tum secandorum, tum condiendorum, quo typo nonnulla medicata corpora insigniri solebant, docet. Sunt autem hîc linteus pectoris amictus, variis coloribus distinctus, quem in una è suis Mumiis spectari scribit saepè laudatus Johannes Nardius.
Exhibet id schema resupinum cadaver mensae impositum: adstant à capite atque ad dextrum latus pollinctores gemini: quorum prior cultelli cuspide, mucro25 ni cartilaginis ensiformis imminet, ac locum vulneri imprimendo designare, al38 vum alter dif|findere videtur.
18–22 Kircher 1654, S. 511 f. 1 unciae] unicae c. 2.
12 educta. quippe] educta quippe
17 in marg. Theat. Hierog. Synt. XVIII.
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men. Die dünnen Bändchen, die auch kaum ein Drittel Zoll breit waren, hielten durch die schräge Zugrichtung, ganz so wie ein Kreuz über sich selbst liegend, Arme und Beine fester, Brust und Rücken ein wenig lockerer umschlossen, und nachdem diese entfernt waren, zerfiel sogleich fast zu Staub, was zwischen Nabel und Scham lag. 16 (1) Er war gelblich und in nichts, nicht einmal im Geruch, Bitumen ähnlich. Zu sehen waren die Rippen, die wir die falschen nennen. Zu sehen waren die von den Bändern abgetrennten, unteren Wirbel, dann die Schienbeinknochen, ihres obersten Teils beraubt. Der Brustkorb dagegen und alles, was bis zum Nabel reichte, das Schambein, die Ober- und Unterschenkeln war erhalten; die Muskeln und Nägel der Füße überdauerten sogar, obwohl sie von den Malleoli abgelöst waren. (2) Hier endlich war zu sehen, dass die Eingeweide nicht, was von den Alten geglaubt wurde, schräg über die Seite herausgeholt, sondern durch eine eingeschnittene Linie herausgenommen wurden, die man die weiße nennt. Nicht weit unterhalb des Brustbeins und über den Nabel hinaus klaffte nämlich eine Wunde, gerade, länglich, von Brustbinden, die einst mit Balsam oder einer nicht unähnlichen Flüssigkeit zum Schutz gegen die Verwesung getränkt wurden, umgeben bzw. bedeckt. Solche hatten sie auch den Füßen beigegeben, wo Schienbein und Wadenbein zusammentreffen. (3) Genau diese Art den Körper zu öffnen scheint mir Kircher – zuvor aber Giovanni Nardi – zu bestätigen, der, als er dem Leser eine altbekannte Abbildung vorlegt, sagt: Die Abbildung, die auf Tafel 5, Figur 2 abgedruckt ist, lehrt die Art und Weise des Aufschneidens und auch des Einbalsamierens der Körper, nach welchem Vorbild einige Mumien angezeichnet zu werden pflegten. Hier gibt es auch das linnene Brustgewand, bunt gefärbt, von welchem der oft zitierte Giovanni Nardi schreibt, es sei bei einer seiner Mumien zu sehen. Diese Abbildung zeigt einen Leichnam in Rückenlage auf einem Tisch. Dort stehen beim Kopf und an der rechten Seite zwei Balsamierungsdiener, von denen der vordere mit der Spitze des Messers am Ende des Schwertfortsatzes ansetzt und die Stelle zum Einschneiden der Wunde zu markieren, der andere den Bauch aufzuschlitzen scheint.
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Mumiae Wratislavienses 17,1–18,4
17 (1) Haec ubi curatè animadversa, mirati sumus sub mediâ pedis dextri plantâ florem, sive is loti, ut censebat Amicus, sive ut aliis videbatur, betonicae sive coepe, quod genus bulbi sacrum Aegypto, constat. Sane foliis propè scapum latiusculis, tenuioribus ad acumen, lupuli aut cardui sativi, sed nec dum maturi 5 instar, exactè clausis. Intenti tarso cruris sequioris, nihil tale inditum deprehendimus. At certe sub utroque latere, ad ipsos lumbos, palmae folium adeò integrum firmumque, ut nî nitidus viror in pallorem deficeret, hesterno manè ramo decerptum putes. Propè in|guen reperta virgula lignea, sed quae auricula- 39 rem digitum hominis adulti vix aequaret:
10 (2) quin et in brachiis aliquid diversi visum: cubito ad hypochondria deducto
decussata, et tegendis pectoribus composita: sic tamen, ut utraque manus mentum proximè pertingeret, et laeva quidem in pugnum compressa, explicatis altera digitis. Indicium fuit, aliquid arcani laeva clausum: nihil tamen reperére pertentantes. 15 18 (1) Haud iisdem velis, sed aliis longè caput tegebatur: tela dispar, filo mage
crasso, atque omnimodè diversa ab iis, queîs munitum corpus. Ideò majore studio exploratum, quod non | uni persuaserat quondam Chifletius, linteis totam 40 superiorem corporis jacentis partem à capite ad pedes obtegi, et id rectè dici posse sudarium capitis aut faciei.
20 (2) Rescissis et hisce pannis, vultus prodiit novo bituminis tectorio coopertus:
quod faciem penes instar vitri, ovorum albumen excoctum colore mentiebatur, quale quid Lugduni quondam Batavorum sibi compertum testati, dum frontem atque oculos cadaveris Aegyptiaci scrutantur dissecandorum ex arte corporum publici Doctores. At Caput ut patuit: omnes altior cupido spectandi invasit: 25 quippe nihil hîc non dignum | nosci. 41 (3) Sepserant capillos reticulo è bysso rariore; crinis niger, crispus, nardo pinguis, haud facile potis evelli, bre|vior tamen, et qui non digiti dimidium exce- 42 deret. (4) Frons modica: superciliorum atque ciliorum reliquiae manifestae: oculi 30 prominentes: nasus depressior: nares gossipio ac eodem unguine obturati, que-
Die Breslauer Mumien 17,1–18,4
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17 (1) Sobald diese Dinge aufmerksam betrachtet waren, wunderten wir uns über eine Blüte mittig unter der rechten Fußsohle: sei es, dass es die einer Lotuspflanze, wie der Freund glaubte, sei es, dass es, wie den anderen schien, die einer Betonie war oder dass sie von einer Zwiebelpflanze, dem in Ägypten heiligen Lauchgewächs, herstammte, weil nämlich die Blütenblätter, die nahe dem Stängel etwas breiter, zur Spitze hin schmaler waren, so wie der Hopfen oder die kultivierte Artischocke, aber eine noch unreife, vollkommen geschlossen waren. Als wir uns der Fußwurzel des anderen Beins zuwendeten, haben wir nichts dergleichen Beigelegtes gefunden. Unter jeder der beiden Seiten dagegen war fast genau bis zu den Lenden hin ein so unversehrtes und kräftiges Palmenblatt, dass man meinen könnte, es sei gestern früh vom Zweig abgepflückt worden, wenn nicht das kräftige Grün verblasst wäre. Bei der Leiste wurde ein holziges Zweiglein gefunden, das aber kaum so lang wie der kleine Finger eines erwachsenen Mannes war. (2) Ja sogar an den Armen sah man etwas Besonderes: Sie waren zu einem Kreuz geformt, wobei die Ellenbogen bei den Hypochondrien lagen, und zum Schutz der Brust angeordnet waren, aber so, dass beide Hände ganz nah an das Kinn heranreichten, und zwar die linke zur Faust geballt, die andere mit ausgestreckten Fingern. Das war ein Anzeichen dafür, dass irgendetwas Geheimes in der linken eingeschlossen ist. Man fand jedoch nichts, als man es überprüfte. 18 (1) Nicht mit denselben Binden, sondern mit ganz anderen war der Kopf verhüllt. Das Gewebe war anders, mit einem dickeren Faden und in jeder Hinsicht verschieden von denen, mit denen der Körper bedeckt war. Daher wurde mit größerem Eifer zu ermitteln versucht, wovon Chifflet einst nicht einen einzigen überzeugte, dass die gesamte Oberseite des liegenden Körpers vom Kopf bis zu den Füßen mit einem Leinentuch bedeckt wird und dass es zurecht Schweißtuch des Kopfes oder des Gesichtes genannt werden kann. (2) Nachdem auch diese Stoffbinden zerschnitten waren, kam das Gesicht zum Vorschein, bedeckt von einer weiteren Bitumentünche, die im Gesicht farblich so wie Glas das ausgekochte Weiß eines Eis vortäuschte, wie es die Anatomieprofessoren bezeugen, einst in Leiden beobachtet zu haben, als sie die Stirn und die Augen eines ägyptischen Leichnams untersuchten. Als aber der Kopf zu sehen war, überkam alle eine noch größere Schaulust, ja nichts war es nun nicht wert erkannt zu werden. (3) Die Haare hatten sie mit einem Haarnetz aus seltenerem feinem Leinen umgeben. Das Haar war schwarz, kraus und fettig von Nardenöl. Man kann es nicht einfach herausreißen, ist es doch recht kurz und misst nicht mehr als einen halben Finger. (4) Die Stirn war nicht allzu hoch, die Überreste der Augenbrauen und Augenlider deutlich sichtbar, die Augen hervorstehend, die Nase etwas platter, die
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Mumiae Wratislavienses 18,4–20,1
îs thorax atque venter: os verò immane quantum hiabat: namque diductis, qua licuit, labiis omnia pulveribus odoris farta: dentium integra series: triginta atque duo numerare licuit, caeterum adeò nitidos, candore et specie eximios, exiguos dein, ut idem hic, quod de Zenobiâ Trebellius Pollio affirmares, margari5 tas eam plerique putabant habere non dentes. Aurium intertrimen|ta nulla: 43 genae ne collapsae quidem: caeterum facies tota pissasphalto solidata.
19 (1) Atqui is nobis finis scrutandi erga corporis superficiem, penitiora introspicere avidis. Jam ante monui, concidisse lumborum vertebras; per caeteram dorsi spinam, collumque, medullâ detractâ baculum è palmae ramo in cranium ade10 gerant: quo commoto moveri ipsum caput, sublato, caput ab atlante procul vi omni separari: simili sed breviore ligno haerebant invicem vertebra fulciens atque os sacrum; exsudabat, si premeres, bacilli posterioris poros, pinguis humor: ipse totus niger et principio unguentis im|mersus alvi. Haud perinde haec tenu- 44 ére spectantium vultûs, ac cartilagines vertebrarum ossibus exsolutae, supersti15 tes tamen, molles, integrae, lunatae, et cassiae nigrae, cujus in Aegypto frequens proventus, fragrantiam spirantes.
(2) Nihil praetereà, praeter contusum myrrhae atque aromatis odorem, deprehensum: inter deciduos alvi pulveres aliquid flori macis perquam simile animadverti: simile inquam, hanc enim nucem vel flores ea tempestate Nili acco20 las, peregrinae mercis et populi utplurimùm abstemios, habuisse inter cognita, vix adducor ut credam. Pectus vacuum, | nullo, quae plurimùm aliàs comperta, 45 idolo gravidum.
20 (1) Tum versi ad caput, vacuum illud omni cerebro spectatum, sed quod non per nares, quod olim credebatur, verum per foramen propè atlantem vertebram
5 Treb. Poll. Tyr. 30,15 4 Trebellius] Irebellius 4 Pollio] Pallio 5 putabant] Magie : putarent bat] sacrum exsudabat
12 sacrum; exsuda-
Die Breslauer Mumien 18,4–20,1
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Nasenlöcher mit Baumwolle und derselben Salbe vollgestopft wie Brustkorb und Bauchhöhle. Ungeheuerlich war allerdings, wie weit der Mund aufgesperrt war, denn bei so weit wie möglich aufgesperrten Lippen war alles mit wohlriechenden Erden vollgestopft. Die Zähne waren vollständig: 32 konnte man zählen, übrigens so glänzend, so außerordentlich weiß und gut beschaffen, ja so außergewöhnlich, dass man hier dasselbe wie Trebellius Pollio über Zenobia behaupten würde: Viele meinten, dass sie Perlen und keine Zähne hatte. Die Ohren waren unbeschädigt, die Wangen nicht einmal eingefallen. Die gesamte Gesichtsform war übrigens mit Pechasphalt verstärkt. 19 (1) Nun aber setzten wir der Erforschung der Körperoberfläche ein Ende, begierig in das Innerste hineinzuschauen. Ich habe zuvor bereits angemerkt, dass die Lendenwirbel zusammengefallen waren. Durch die übrige Wirbelsäule und den Hals hindurch hatten sie nach Entfernung des Rückenmarks einen Stock aus dem Ast einer Palme bis in den Schädel hineingestoßen, mit dem, wenn man ihn hin- und herbewegte, der Kopf selbst bewegt und, wenn man ihn anhob, der Kopf ohne jede Kraft vom Atlas abgetrennt werden konnte. An einem ähnlichen, aber kürzeren Holzstock waren am je anderen Ende der Stützwirbel und das Kreuzbein befestigt. Es schwitzte, wenn man drückte, durch die Poren des letztgenannten Stöckchens eine fette Flüssigkeit aus. Er selbst war ganz schwarz und anfangs in die Salben getunkt worden, die im Bauchraum waren. Diese Dinge fesselten den Blick der Zuschauer nicht auf gleiche Weise wie die Bandscheiben, die, obwohl von den Wirbelknochen abgelöst, trotzdem noch erhalten waren, elastisch, unversehrt, in Form eines Halbmondes, und den Wohlgeruch der schwarzen Kasia, dessen Ertrag in Ägypten reichlich ist, ausströmten. (2) Darüber hinaus wurde nichts als das zerstoßene Räucherwerk von Myrrhe und Gewürz gefunden. Ich bemerkte zwischen den abfallenden, staubigen Fetzen des Bauches etwas, das der Muskatblüte überaus ähnlich war. Ähnlich sage ich, denn dass die Anwohner des Nils, meist verhalten gegenüber einer fremden Ware und einem fremden Volk, zu dieser Zeit diese Frucht oder die Blüten zu den bekannten Dingen gezählt haben, kann ich kaum glauben. Die Brust war leer, mit keinem Götzenbild beschwert, welche sonst recht oft gefunden wurden. 20 (1) Dann wendeten wir uns dem Kopf zu. Man sah, dass er des gesamten Gehirns entledigt war, das sie aber nicht durch die Nasenlöcher, was man einst
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Mumiae Wratislavienses 20,1–21,2
maximum expurgaverant. interior cranii superficies densi bitumine oblita: utque in corpore nihil asphalti, ita nihil in capite odorum, sed meram hancce picem, narium atque oris et capillorum pollincturam ubi demseris, animadvertimus: 5 (2) id quod ad prunas ignesque, quò certior rei fides, insuper explorare libuit,
dispar etiam faciei atque membrorum color: haec quippe | sufflavâ fuscedine 46 deformata, at vultu nihil atrum magè conspicias. (3) Postremò, ne quid intactum curiosis, quicquid faucibus abditum, excussimus, repertumque inter unguenta complicatum purissimo ex auro folium, cre10 nis insigne, ac mirandae tenuitatis: utque pondo exegimus, non nisi decem, ut vocant, granorum. 21 (1) Caeterùm, ut hoc insuper addam, visa aestimantibus major capitis moles, quam pro caeterarum partium teneritudine: fueréque qui Aegyptios capitones censerent, quos inter lustrato regno, et rei medicae peritia celeberrimus Agric15 ola: (2) mihi verò obversari sententia Kircheri, qui | experientiâ diuturnâ innotuisse 47 asserit:
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Mumiarum constrictiva asphalti vi, quae vel ipsa ossa pervadit, corpora successu temporum ita contrahi, tantumque à naturali statu dimoveri, ut quae in vita justae staturae hominem referrent, jam pueros referre videantur: quod experimento in multis Mumiarum partibus, scilicet manuum, pedum, capitis, quarum magna in Pharmacopoliis Romanis copia est, quas summo studio dimensus, cum vivi corporis proportione comparavit.
Eadem mens Petri de Valle, cujus ex itinerario fragmentum alio loco ejusdem 25 operis legas:
18–23 Kircher 1654, S. 516
16 in marg. Tom. III. Synt. XVIII. c. III. 23 comparavit] Kircher : comparavi
21 experimento in] Kircher : experimento mihi in
Die Breslauer Mumien 20,1–21,2
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glaubte, sondern durch eine sehr große Öffnung in der Nähe des Atlaswirbels entfernt hatten. Innen war der Schädel dicht mit Bitumen bestrichen und wie wir im Körper kein Asphalt, so haben wir im Kopf keine Spezereien, sondern reines Pech gefunden, wenn man von der Salbung der Nasenlöcher, des Mundes und der Haare absieht. (2) Das, was man genau und gründlich obendrein untersuchen wollte, um den Beweis zu erhärten, war die ungleiche Farbe von Gesicht und Gliedern. Diese nämlich waren durch ein gelbliches Schwarz entstellt, während man dagegen nichts schwärzeres als das Gesicht sehen konnte. (3) Zuletzt, damit die Wissbegierigen nichts unangetastet ließen, untersuchten wir, was im Rachen verborgen war, und inmitten des Salbenwerks wurde ein zusammengefaltetes Blatt aus reinstem Gold gefunden, auffallend wegen seiner Kerbezähne und von bewundernswerter Feinheit, und, als wir es abwogen, nur zehn sogenannte Gran schwer. 21 (1) Übrigens, um folgendes noch hinzuzufügen, schien den Schätzenden der Kopf allzu groß im Verhältnis zur Zartheit der übrigen Körperteile. Es gab auch welche, die die Ägypter für Großköpfe hielten, unter denen der, weil er dieses Reich bereist hat, und wegen seiner Erfahrung in medizinischen Belangen überaus berühmte Agricola war. (2) Mir dagegen schwebte die Meinung Kirchers vor, der als durch lange Erfahrung deutlich geworden behauptet: Durch die zusammenziehende Kraft des Asphalts, die sogar die Knochen selbst durchdrang, scheinen die Körper der Mumien nach dem Verlauf der Zeit so zusammengeschrumpft und im Vergleich zu ihrer natürlichen Größe so sehr verändert zu sein, dass die, die zu Lebzeiten einem Erwachsenen von normalem Wuchs entsprachen, jetzt einem Knaben entsprechen. Das hat er mittels Untersuchung von vielen Mumienteilen, ob Hand, Fuß oder Kopf, von denen es eine große Menge in römischen Apotheken gibt und die er mit größtem Eifer abgemessen hat, durch Vergleich mit der Proportion des lebenden Körpers ermessen. Dieselbe Meinung hat Pietro della Valle, aus dessen Reisebericht man an anderer Stelle desselben Werkes ein Stück lesen kann:
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5
Mumiae Wratislavienses 21,2–22,2
Io diffacendo il corpo | della donzella, non trovai altro, che grandissima quan- 48 tita di fasce e di bitume, nel che consiste tutto il massiccio dell’involtoglio: perche li ossi con la carne son talmente secchi, abbrucciati, e impiccioliti, che son ridotti apunto come stecchi: da che comprendo, che quel bitume sia molto potente. Addam latina, quae gratiora spero his, qui idiomatis Itali expertes:
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Cum dissolverem corpus puellae, nihil aliud reperi, nisi maximam fasciarum atque bituminis copiam, è queîs constat tota moles involucri: ossa etenim unà cum carne adeò sicca, exusta atque diminuta sunt, ut exa|mussim videantur 49 ad spinarum figuram redacta: inde deprehendo, id bitumen esse efficaciae ingentis.
(3) Judicent quibus majus otium atque Mumiarum copia. Ego ut cartilagines, teneriora ossium, processus etiam, sternum et hisce haud absimiles artuum compagines contrahi atque restringi, non ierim inficias: sic femora, cubitosque 15 atque utriusque humeri partes, manus etiam nihil justo minores, aliquoties oculis usurpavi: (4) idque corpus, quod inter manus versebatur, ne nimium puerile crederem, dentium numerus integer adegit: cum vel septennio majores vix quatuor et 50 vigin|ti protrudant. 20 22 (1) Sexus indicia, nam et hoc addere debui, quamvis obscura: foemellam ta-
men agnovimus. (2) Quia fors juvabit et pondus scire atque proceritatem totius cadaveris, etiam hoc memorabimus. Corpus tabulae incumbens lorisque adstrictum pondo XV. qualia Vratislaviae publicis sanctionibus atque majorum decretis finita, pepen25 dit: Cadaver ligno solutum; pondo X. atque semis. Fasciae sepulcrales cum crustis exterioribus, pondo IV. atque semis: tabula pondo V. Corporibus integra proceritas pedum trium unciarum VIII. brachii longitudo usque ad carpum ped.
1–5 Della Valle 1650, S. 387
2 e] è
Die Breslauer Mumien 21,2–22,2
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Io diffacendo il corpo della donzella, non trovai altro, che grandissima quantita di fasce e di bitume, nel che consiste tutto il massiccio dell'involtoglio: perche li ossi con la carne son talmente secchi, abbrucciati, e impiccioliti, che son ridotti apunto come stecchi: da che comprendo, che quel bitume sia molto potente. Ich werde die lateinische Fassung hinzufügen, die, wie ich hoffe, denen willkommener ist, die der italienischen Sprache nicht mächtig sind: Als ich den Körper der jungen Frau auswickelte, habe ich nichts anderes gefunden als eine riesige Menge von Binden und Bitumen, worin die ganze Masse der Umhüllung besteht. Und in der Tat sind die Knochen mit dem Fleisch derart ausgetrocknet, verkohlt und geschrumpft, dass sie einem dürren Stück Holz gleichen. Daher erkenne ich, dass dieses Bitumen von ungeheurer Wirksamkeit ist. (3) Mögen die urteilen, die mehr Zeit und Mumien haben. Ich habe zwar nicht in Abrede gestellt, dass die Knorpel, die zarteren unter den Knochen, auch die Knochenfortsätze, das Brustbein und die diesen nicht unähnlichen Gelenke der Glieder zusammengezogen und verdichtet sind, doch habe ich einige Male mit eigenen Augen gesehen, dass die Oberschenkel, die Ellenbogen, Teile der beiden Oberarme, sogar die Hände um nichts kleiner als gewöhnlich waren. (4) Und zu der Ansicht, dass dieser Körper, der unter den Händen hin und her gewendet wurde, nicht allzu kindlich war, brachte mich die vollständige Anzahl der Zähne, wo doch selbst Kindern, die älter als sieben sind, kaum vierundzwanzig hervorstoßen. 22 (1) Es gab Hinweise auf das Geschlecht – denn auch dies sollte ich hinzufügen –, wenn auch keine eindeutigen. Wir haben aber eine junge Frau erkannt. (2) Weil es vielleicht nützlich sein wird, sowohl das Gewicht als auch die Größe des ganzen Leichnams zu wissen, werde ich auch das erwähnen: Der Körper, auf einem Brett liegend und mit Riemen umbunden, wog 15 Pfund, wie sie in Breslau auf öffentliche Verordnung und durch Entscheidung der Oberen festgesetzt sind. Der Leichnam ohne das Brett wog 10 ½ Pfund. Die Bestattungsbinden mit den äußeren Schichten 4 ½ Pfund. Das Brett 5 Pfund. Der Körper hatte eine Gesamtlänge von drei Fuß und 8 Zoll. Die Länge des Arms bis zur Hand-
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Mumiae Wratislavienses 22,2–24,1
I. unc. II. ac se|mis: usque ad manus extremas, pedis unius, unciarum VII. atque 51 semis: faciei ab initio frontis ad extrema menti usque, sed, quod ante monui, diducti, unciarum VI. cum semisse. 23 (1) Haec ubi cognita: Mumiae alterius primùm adorti caput, vidimus id de5 pile, oculis orbum, nam dudum ante linteis erutum id cadaver atque publicè ostentatum fuerat. Nihil hîc conspicui praeter pissasphaltum: dens unus ex inscisoriis aberat, caeteri firmi, labia dilapsa: os compressum: occiput postquam serrâ dissectum, patuit cranium, cerebri inane, bitumine verò denso, vasculi instar picatum: ta|bulata capitis firma, et quod mirére, inter utriusque super- 52 10 ficiei pollincturam nullum candoris intertrimentum passa.
(2) Corpus nitidum: brachia lacertosa, sternum propter sibi incumbentia. Cernebatur ex argilla subviridi Isidis imaguncula, quam fasciis olim, non pectori erutam memorabant. Umbilicum supra foramen rotundum, per quod intestina fuisse cum visceribus educta, rationi haud absonum. habitus membrorum atque 15 status qualis integrae aetatis viro. foemorum pars una cum pedibus dudum recisa.
(3) Omnia verò asphalto tantum servata: insigni documento, fortius id arcendae tabi, cum | is odorum aggestus, quem ante narravi, tot inter involucra, non 53 omnia corporis integra praestiterit.
20 24 (1) Spectabatur haec praeter cadavera, tertium insuper integrum, hominis
adulti, amictu funebri, ac sacris Aegyptiorum notis insigne, quod intactum et aliorum curiositati praetermisimus: ac minus civile visum, abuti Hospitis optimi facilitate, omnemque illius invadere Mumiarum apparatum: cum (quod potissimum nobis) jam manifestis indiciis constaret, haud eadem arte aut medi25 caminis vi functos in universum asservatos, nec minimum praesidii tot vela54 mentis supra bitumine ac | cretâ obstructis imputandum.
26 ac cretâ] accretâ
Die Breslauer Mumien 22,2–24,1
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wurzel 1 Fuß und 2 ½ Zoll, bis zum äußersten Punkt der Hand ein Fuß und 7 ½ Zoll, des Gesichtes vom Haaransatz bis zum äußersten Punkt des Kinns, das aber, wie ich vorhin erwähnt habe, weit aufgesperrt war, 6 ¼ Zoll. 23 (1) Sobald diese Dinge bekannt waren, haben wir uns zuerst an den Kopf der zweiten Mumie gemacht. Wir sahen ihn ohne Haare und der Augen beraubt, denn dieser Leichnam war schon vor langer Zeit aus den Leinenbinden gescharrt und öffentlich gezeigt worden. Hier gab es abgesehen vom Pechasphalt nichts Bemerkenswertes. Einer der Schneidezähne fehlte, die übrigen waren fest, die Lippen zerfallen, das Gesicht zusammengedrückt. Nachdem man den Hinterkopf mit einer Säge geöffnet hatte, war der Schädel sichtbar, der ohne Gehirn, allerdings wie ein kleines Gefäß dicht mit Bitumen geteert war. Die Schichten des Schädeldachs waren fest und man wunderte sich darüber, dass die weiße Farbe zwischen der einbalsamierten Innen- und Außenseite nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. (2) Der Körper schimmerte, die Arme waren muskulös und sie lagen in der Nähe des Brustbeins übereinander. Man sah ein Bildchen der Isis aus grünlichem Ton, von dem erwähnt wurde, dass es dereinst in den Binden, nicht bei der Brust aufgefunden wurde. Oberhalb des Bauchnabels war ein rundes Loch, durch das die Gedärme mit den Eingeweiden herausgenommen worden waren, was nicht unvernünftig ist. Gestalt und Größe der Glieder waren wie die eines Mannes in der Blüte seines Alters. Ein Teil der Oberschenkel wurde wie auch die Füße vor langer Zeit abgehauen. (3) Alles war in der Tat durch Asphalt nur erhalten. Das ist ein ausgezeichneter Beweis, dass dieser einen stärkeren Schutz gegen die Verwesung bietet, weil das Auftragen des Räucherwerks, von dem ich vorhin erzählt habe, dass es in so großer Menge zwischen den Binden war, nicht den ganzen Körper unversehrt erhalten hat. 24 (1) Man betrachtete außer diesen Leichnamen obendrein einen dritten, unversehrten eines Erwachsenen, auffallend wegen des Leichengewands und der heiligen Schriftzeichen der Ägypter, den wir unberührt und der Wissbegierde der anderen überlassen haben. Auch schien es weniger anständig, die Gefälligkeit des allerbesten Gastgebers auszunutzen und sich seiner gesamten Mumiensammlung zu bemächtigen. Zumal (was uns ganz besonders wichtig war) schon wegen deutlicher Anzeichen gewiss war, dass die Toten nicht durch dieselbe Technik oder die Kraft nur eines Balsamierungsmittels überhaupt erhalten geblieben sind und den so vielen Hüllen, überdies verstopft mit Bitumen und Kreide, nicht der geringste Schutz angerechnet werden darf.
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Mumiae Wratislavienses 25,1–25,2
25 (1) Per quot seculorum decursus cadavera haec duraverint, nemo puto mortalium examussim tradere poterit. Eruditissimi Kircheri mens: Cambysis in Aegyptum irruptione, ubi omnes ritus et ceremoniae veterum Sacerdotum unà abolitae fuerint, ita hieroglyphicae quoque literaturae usum periisse. Post aliqua 5 subjungit:
10
Cum itaque Hieroglyphica literatura eo tempore esse desierit, Mumiae verò quasi omnes hieroglyphicis inscriptionibus refertae sint: consequens est, eas ante dicta tempora praeparatas, et intra dicta loca conditas fuisse, non verò po|steris temporibus, lege Persarum Graecorumque, ne similia fierent, obstan- 55 te, Aegyptiisque jam tum alienarum gentium moribus imbutis: tametsi patria traditio in eorum mentibus tantas radices fixerit, ut Deorum à veteribus traditum cultum, vel usque ad Romanorum Caesarum tempora nunquam dimiserint, uti ex historiis alibi traditis patet.
(2) Haec ut neque omnia refellere fas est: ita cur minùs omnibus accedam, ex15 pendentis potiùs quam censentis more explicabo. Ut saeviente in Aegyptum
Cambyse omnia sacrorum versa, non tamen penitùs abolita concesserim: ita | posteris temporibus leges Persarum atque Graecorum obstitisse, quo minus 56 unguento imbueretur cadaver, hauddum persuadeor. Illud Diodorus monet, qui Biblioth. l. I. c. 44.
20
25
Πέρσας δ᾿ ἡγήσασθαι, Καμβύσου τοῦ βασιλέως τοῖς ὅπλοις καταστρεψαμένου τὸ ἔθνος, πέντε πρὸς τοῖς ἑκατὸν καὶ τριάκοντα ἔτεσι σὺν ταῖς τῶν αἰγυπτίων ἀποστάσεσιν, ἃς ἐποιήσαντο φέρειν οὐ δυνάμενοι τὴν τραχύτητα τῆς ἐπιστασίας, καὶ τὴν εἰς τοὺς ἐγχωρίους θεοὺς ἀσέβειαν. Persae rerum summam, gente (Aegyptiâ) armis à Cambyse subactâ tenuerunt CXXXV. annis, computatis simul Aegyptiorum defectionibus, quibus causam dedit non toleranda 57 Praefectorum asperitas, et impietas in Deos | ipsorum gentiles.
2–4 Kircher 1654, S. 434 6–13 Kircher 1654, S. 434 20–23 Diod. Bibl. 1,44,3 3 ubi] Kircher : uti 22 δυνάμενοι] δευάμενοι
Die Breslauer Mumien 25,1–25,2
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25 (1) Wie viele Jahrhunderte lang diese Leichname überdauerten, wird, glaube ich, kein Mensch genau herausfinden können. Die Meinung des außerordentlich gelehrten Kircher ist, dass, nachdem durch den Einfall des Kambyses in Ägypten alle Riten und Zeremonien der alten Priester zugleich abgeschafft gewesen sind, folglich auch der Gebrauch der Hieroglyphenschrift verschwunden war. Nach einigen Überlegungen fügt er hinzu: Wenn also die Hieroglyphenschrift zu dieser Zeit ein Ende nahm, fast alle Mumien aber reich an hieroglyphischen Inschriften sind, ist die Konsequenz, dass sie vor der besagten Zeit hergerichtet und innerhalb der besagten Gegenden balsamiert worden waren, nicht aber in späteren Zeiten, weil ein Gesetz der Perser und der Griechen verhinderte, dass dergleichen hergestellt wurden, und die Ägypter schon damals mit den Sitten fremder Völker vertraut waren, auch wenn die einheimische Tradition in ihrem Denken so viele Wurzeln geschlagen hat, dass sie den von den Alten überlieferten Götterkult sogar bis in die Zeit der römischen Kaiser niemals aufgaben, wie aus andernorts überlieferten Berichten ersichtlich ist. (2) Zwar ist es richtig, nicht alles zurückzuweisen, aber ich werde mehr nach Art eines Abwägenden als nach Art eines Urteilenden erläutern, warum ich nicht all diesen Dingen zustimmen kann. Zwar räume ich ein, dass sich, als Kambyses gegen Ägypten wütete, alle religiösen Angelegenheiten gewendet haben, nicht aber vollständig ausgelöscht wurden; doch dass in späteren Zeiten die Gesetze der Perser und Griechen verhinderten, dass ein Leichnam gesalbt wurde, bin ich noch lange nicht überzeugt. Das deutet Diodor an, der in Bibliotheca 1,44 schreibt: Πέρσας δ᾿ ἡγήσασθαι, Καμβύσου τοῦ βασιλέως τοῖς ὅπλοις καταστρεψαμένου τὸ ἔθνος πέντε πρὸς τοῖς ἑκατὸν καὶ τριάκοντα ἔτεσι σὺν ταῖς τῶν αἰγυπτίων ἀποστάσεσιν, ἃς ἐποιήσαντο φέρειν οὐ δυνάμενοι τὴν τραχύτητα τῆς ἐπιστασίας καὶ τὴν εἰς τοὺς ἐγχωρίους θεοὺς ἀσέβειαν. Die Perser hatten, nachdem Kambyses das Volk in Ägypten mit Waffengewalt unterworfen hatte, die Herrschaft 135 Jahre inne, die Aufstände der Ägypter miteingerechnet, zu denen die unerträgliche Härte der Präfekten und der Frevel an ihren heimischen Göttern Grund gaben.
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Mumiae Wratislavienses 25,2–25,4
Scilicet insurrexére in ritus Aegyptiorum Persae: aspernantium tam cruda imperia, excussis ob id ipsum dignitate atque potentia Magistratibus. (3) Interea Sacerdotes cultui Deorum, arcanum atque secretas species tum circumdedisse quis dubitet: qui sparsas dein non per orbem modo terrarum occul5 tas hasce superstitiones, sed et tanto post annorum numero in urbe Domina agnoscit: Nos in sacra tuam Romana recepimus Isim, Semideosque canes, et sistra moventia luctûs: Et quem tu plangens hominem testaris Osirim. 10 | Id Poëta quidem, historiarum scriptori tamen propior, suetus Romani moris 58
atque ceremoniarum, utpote Consul, et cui notitia rerum haud vulgaris. Affirmat Apim lugubrè mugisse, redactâ ab Augusto in provinciam Aegypto, Dio lib. LI. καὶ ὁ Ἆπις ὀλοφυρτικόν τι ἐμυκήσατο καὶ κατεδάκρυσε, quamquam quis neget, tot monumentis passim obvia.
15 (4) Adde circumcisum, teste Josepho, Apionem et ex vulnere defunctum l. 2.
cont. Apion.
20
25
Ἐκεῖνοι (de Sacerdotibus Aegypti loquitur Judaeus ille Scriptor) τοίνυν ἅπαντες καὶ περιτέμνοντε, καὶ χοιρείων ἀπέχονται βρωμάτων. οὐ μὴν οὐδὲ τῶν ἄλλων αἰγυπτίων οὐδὲ εἷς συνθύει | τοῖς θεοῖς. ἆρ᾿ οὖν τυφλός ἦν τὸν νοῦν 59 Ἀπίων ὑπὲρ αἰγυπτίων ἡμᾶς λοιδορεῖν συνθέμενος, ἐκείνων δὲ κατηγορῶν, oἵ γε μὴ μόνον χρῶνται τοῖς ὑπὸ τούτου λοιδορουμένοις ἔθεσιν, ἀλλὰ καὶ τοῖς ἄλλοις ἐδίδαξαν περιτέμνεσθαι καθάπερ εἴρηκεν Ἡρόδοτος. ὅθεν εἰκότως μοι δοκεῖ τῆς εἰς τοὺς πατρίους αὐτοῦ νόμους βλασφημίας δοῦναι δίκην Ἀπίων τὴν πρέπουσαν. περιετμήθη γὰρ ἐξ ἀνάγκης, ἑλκώσεως αὐτῷ περὶ τὸ αἰδοῖον γενομένης. καὶ μηδὲν ὠφεληθεὶς ὑπὸ τῆς περιτομῆς, ἀλλὰ σηπόμενος ἐν δειναῖς ὀδύναις ἀπέθανεν.
7–9 Lucan. 8,831–833
13 Cass. Dio 51,17,5 17–26 Ios. Ap. 2,141–143
7 sacra] Duff : templa 8 moventia] Duff : iubentia 13 ἐμυκήσατο] ἐμυκήτατο 19 συνθύει] Niese : ὗν θύει 19 θεοῖς. ἆρ] θεοῖς ἆρ 20 ἡμᾶς] Niese : ἡμῖν 22 Ἡρόδοτος. ὅθεν] Hρόδοτος ὅθεν 23 τοὺς] τοῖς 23 πατρίους] πατρίοις 23 νόμους] νόμοις 23 βλασφημίας] βλασφημίας, 23 δοῦναι] δοῦναι, 23 δίκην] δίκυν 24 τὴν] τὸν 24 αὐτῷ] αὐτῶ
Die Breslauer Mumien 25,2–25,4
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Natürlich sind die Perser gegen die religiösen Bräuche der Ägypter, die die so groben Befehle missachteten, vorgegangen, nachdem genau deswegen ihre Verwaltungsbeamten von Rang und Macht fortgetrieben worden waren. (3) Wer möchte indessen bezweifeln, dass die Priester damals ihren Götterkult mit Verschwiegenheit und Heimlichkeit umgeben haben, der sieht, dass diese geheimen Kulte dann nicht nur auf der ganzen Welt, sondern auch nach noch so vielen Jahren in der hochgebietenden Stadt verbreitet waren? Deine Isis nahmen wir in unseren Römischen Heiligtümern auf, halbgöttliche Hunde und rasselnde Trauerklappern, und Osiris, den du laut trauernd als Menschen bezeugst. Dies schreibt zwar ein Dichter, der jedoch eher ein Geschichtsschreiber ist, vertraut mit dem römischen Brauchtum und den Zeremonien wie ein Konsul und jemand, der eine ungewöhnliche Kenntnis über die Dinge hat. Dio bestätigt in Buch 51, dass Apis unheilvoll gebrüllt hatte, nachdem Ägypten von Augustus zu einer Provinz gemacht worden war, und Apis brüllte kläglich und brach in Tränen aus, obwohl sie – wer würde das leugnen – überall mit so vielen Denkmälern aufwartet. (4) Nimm den nach Bezeugung des Josephus beschnittenen und an der Wunde verstorbenen Apion hinzu, Contra Apionem, Buch 2. Über die Priester Ägyptens sagt jener jüdische Verfasser: Ἐκεῖνοι τοίνυν ἅπαντες καὶ περιτέμνοντε, καὶ χοιρείων ἀπέχονται βρωμάτων. οὐ μὴν οὐδὲ τῶν ἄλλων αἰγυπτίων οὐδὲ εἷς συνθύει τοῖς θεοῖς. ἆρ᾿ οὖν τυφλὸς ἦν τὸν νοῦν Ἀπίων ὑπὲρ αἰγυπτίων ἡμᾶς λοιδορεῖν συνθέμενος, ἐκείνων δὲ κατηγορῶν, οἵ γε μὴ μόνον χρῶνται τοῖς ὑπὸ τούτου λοιδορουμένοις ἔθεσιν, ἀλλὰ καὶ τοῖς ἄλλοις ἐδίδαξαν περιτέμνεσθαι καθάπερ εἴρηκεν Ἡρόδοτος. ὅθεν εἰκότως μοι δοκεῖ τῆς εἰς τοὺς πατρίους αὐτοῦ νόμους βλασφημίας δοῦναι δίκην Ἀπίων τὴν πρέπουσαν. περιετμήθη γὰρ ἐξ ἀνάγκης, ἑλκώσεως αὐτῷ περὶ τὸ αἰδοῖον γενομένης. καὶ μηδὲν ὠφεληθεὶς ὑπὸ τῆς περιτομῆς, ἀλλὰ σηπόμενος ἐν δειναῖς ὀδύναις ἀπέθανεν.
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Mumiae Wratislavienses 25,4–25,6
Vertit Gelenius:
5
Hi tamen circumciduntur omnes, et à porcinis abstinent carnibus. Sed neque ullus alter Aegyptiorum, cum eis Diis sacrificare dignoscitur. Cae|cus igitur 60 fuit Apion, quando pro Aegyptiis nostras detractiones componens, illos videtur potiùs accusare, qui non solùm utuntur solennitatibus, quas in nobis culpat iste; sed etiam alios circumcidi docent, sicuti dixit Herodotus. Unde rectè mihi videtur Apion propter patriae suae leges poenas dedisse blasphemiae. Etenim necessariò, circa genitalia vulnera ei facta nihil profuerunt, et putrefactis, in magnis doloribus expiravit.
10 (5) Adjice quae fovendae superstitioni certamina exarsisse se vivo celebris saty-
rarum conditor enarrat. Praetereo lubens Apollonii Leonem atque Madaurenses | circuitûs. Sed et Tacitus Ann. II. Germanici aevo et Sacerdotem et literarum 61 interpretem assignat: manebant structis molibus literae Aegyptiae, priorem opulentiam complexae, jussusque è Senioribus Sacerdotum patrium sermonem inter15 pretari, referebat et c. Eodem teste, Hist. IV. Ex plebe Alexandrina quidam oculorum tabe notus genua Vespasiani advolvitur, remedium coecitatis exposcens monitu Serapis Dei, quem dedita superstitionibus gens ante alios colit. Adde Plutarchum, qui scripto amoenae eruditionis de Iside atque Osiride superstitiones 62 has tum verè supersti|tes fuisse exponit.
20 (6) Haesére itaque sacrorum mores in Aegypto, et fines gentis egressi exterorum
instituta corrupére. Haesisse primùm literarum sacrarum usum paucos inter, atque tandem desiisse, cum Kirchero credo: ita tamen, ut quaedam mysteriorum emanarent, et ad Graecos, quod è Plutarcho, et ad nostros, quod è Clemente patet.
2–9 Josephus 1554, S. 859 13–15 Tac. Ann. 2,60 15–17 Tac. Hist. 4,81 2 Hi] Gelen : qui 2 tamen] Gelen : tamen et 6 sicuti] siciti 8 necessariò] Gelen : necessariò circunciso 11 in marg. Juvenal. Sat. XV. 16 Vespasiani] Moore : eius 16–17 exposcens monitu] Moore : exposcens gemitu, monitu 17 Serapis] Moore : Serapidis
Die Breslauer Mumien 25,4–25,6
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Gelen übersetzt: Sie werden nämlich alle beschnitten und enthalten sich des Schweinefleischs. Aber auch sieht man von den übrigen Ägyptern keinen, der den Göttern mitopfert. Blind war deswegen Apion, als er den Ägyptern zuliebe daranging, Verleumdungen gegen uns vorzubringen, und damit eher diejenigen anklagt, die die Bräuche nicht nur ausüben, die dieser bei uns missbilligt, sondern sogar den anderen die Beschneidung gelehrt haben, wie Herodot sagt. Daher scheint mir Apion verdientermaßen für die Lästerung der Gesetze seines Vaterlandes bestraft worden zu sein: Denn die notwendigerweise bei ihm durchgeführte Beschneidung nützte nichts, sondern er verendete infolge einer Sepsis unter starken Schmerzen. (5) Nimm die Streitigkeiten hinzu, von denen der berühmte Satiriker erzählt, dass sie zu seinen Lebzeiten entbrannt sind, um einen Aberglauben zu hegen. Den Löwen des Apollonius und die Madaurischen Umschweife übergehe ich gern. Aber auch Tacitus bezeugt im zweiten Buch der Annales für die Zeit des Germanicus sowohl einen Priester als auch einen Übersetzer der Schriftzeichen: An den riesigen Bauten waren ägyptische Schriftzeichen erhalten, die den einstigen Reichtum schilderten, und einer von den älteren der einheimischen Priester, der beauftragt worden war die Worte zu übersetzen, gab sie wieder usw. Von demselben Zeugen im vierten Buch der Historiae: Einer aus dem Volke Alexandrias, bekannt, weil ihm das Augenlicht vergangen war, fiel zu Vespasians Füßen nieder und flehte aufgrund einer Weissagung des Gottes Serapis, den das den abergläubischen Kulten ergebene Volk vor allen anderen verehrt, inständig um ein Gegenmittel gegen die Blindheit. Nimm Plutarch hinzu, der in seiner Schrift von anmutiger Gelehrsamkeit über Isis und Osiris schildert, dass diese Kulte damals in der Tat fortgelebt hatten. (6) Die kultischen Bräuche hatten also in Ägypten Bestand und verdarben, nachdem sie die heimischen Grenzen überschritten hatten, die Einrichtungen im Ausland. Dass sich der Gebrauch der heiligen Schriftzeichen zunächst unter wenigen erhalten und schließlich aufgehört hat, glaube ich mit Kircher: So aber, dass einige der Mysterienkulte sich sowohl bei den Griechen, was bei Plutarch, als auch bei uns, was bei Clemens ersichtlich ist, ausbreiteten.
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Mumiae Wratislavienses 26,1–26,3
26 (1) At, quod caput rei, morem cadaverum asservandorum, ipsis Persarum institutis congruum, Herodotus testis: qui lib. I. κατακηρώσαντες δὴ ὦν τὸν νέκυν Πέρσαι γῇ κρύπτουσι. Persae mortuum cerâ circumlinentes in terram condunt. Idem affirmat princeps | apud Romanos Orator Tuscul. I. Persae etiam cerâ cir- 63 5 cumlitos (mortuos) condiunt, ut quam maximè permaneant diuturna corpora.
10
(2) Alexander, si Curtium audimus, Cyri sepulcrum jussit aperiri, in quo erat conditum ejus corpus, cui dare volebat inferias: auro argentoque repletum esse crediderat, quippe ita fama Persae vulgaverant: sed praeter clypeum ejus putrem, et arcus duos Scythicos, et acinacem, nihil reperit. Caeterùm coronâ aureâ impositâ, amiculo, cui insueverat ipse, solium, in quo corpus jacebat, velârant.
Tumuli inscriptionem dat Plutarchus, atque hanc Alexan|dri jussu è Patrio in 64 Graecum idioma hunc ad modum versam:
15
Ὦ ἌΝΘΡΩΠΕ, ῞ΟΣΤΙΣ ΕἾ, ΚΑῚ ΠΌΘΕΝ ῞ΗΚΕΙΣ, ῞ΟΤΙ Μ ῈΝ ΓᾺΡ ῞ΗΞΕΙΣ, ΟἾΔΑ: ᾿ΕΓ Ὼ ΚỸΡΟΣ ΕἸΜ Ὶ, ῾Ο Π ΈΡΣΑΙΣ ΚΤΗΣΆΜΕΝΟΣ Τ ῊΝ ἈΡΧ ΉΝ. Μ Ὴ Ο῏ΥΝ Τ῀ΗΣ ᾽ΟΛΊΓΗΣ ΤΑΎΤΗΣ Γ῀ΗΣ ΦΘΟΝ ΉΣῌ Σ, Ἣ ΤΟ’ΥΜ ῸΝ Σ῀ΩΜΑ ΠΕΡΙΚΑΛΎΠΤΕΙ. Sive ut latinè loquimur: quisquis es, ô homo, et undecunque venisti: nam venturum ego novi: Cyrus sum, qui Persis imperium quaesivi: ne invideas mihi, oro te, exiguam hanc terram, quae meum corpus tegit.
20 (3) Censeas Graecorum id σῶμα non corpus ipsum, sed ambiguo dicendi genere,
vel | cineres vel ambusta ossium signare. At contra tendit Xenophon, apud 65 quem Cyrus:
2–3 Hdt. Hist. 1,140
4–5 Cic. Tusc. 1,45,108
6–11 Curt. 10,1,30–32
14–16 Plut. Alex. 69,2
2 δὴ] Godley : δὲ 5 condiunt] King : condunt 6 Alexander Cyri sepulchrum] Rolfe : sepulchrum Cyri Alexander 6 in marg. lib. X. cap. I. 7 argentoque repletum] Rolfe : argentoque conditorium repletum 9 Scythicos] Schyticos 10 insueverat] Rolfe : assuerat 11 velârant] Rolfe : velavit 14 ΠΌΘΕΝ] Perrin : ὅθεν 16 ᾽ΟΛΊΓΗΣ ΤΑΎΤΗΣ] Perrin : ὀλίγης μοι ταύτης 21 in marg. lib. IIX. Cyropaed.
Die Breslauer Mumien 26,1–26,3
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26 (1) Aber, was die Hauptsache ist, dass die Sitte der Körperkonservierung mit den Gepflogenheiten der Perser übereinstimmt, bezeugt Herodot, der im 1. Buch schreibt: κατακηρώσαντες δὴ ὦν τὸν νέκυν Πέρσαι γῇ κρύπτουσι. Die Perser bestreichen einen Toten ringsum mit Wachs und begraben ihn in der Erde. Dasselbe bestätigt der Rednerfürst bei den Römern im 1. Buch der Tusculanae: Auch die Perser balsamieren sie (ihre Toten), indem sie sie ringsum mit Wachs bestreichen, damit die Körper solange wie möglich überdauern. (2) Alexander, wenn wir Curtius hören, befahl das Grab des Kyros zu öffnen, in dem dessen Körper verwahrt war, welchem er Totenopfer darbringen wollte. Dass es mit Gold und Silber angefüllt worden war, hatte er geglaubt. So nämlich hatten es die Perser durch das Gerede der Leute allgemein verbreitet. Aber außer dessen morschem Schild, zwei skythischen Bogen und einem Persersäbel fand er nichts. Außerdem hatten sie, nachdem sie ihm eine goldene Krone aufgesetzt haben, mit einem Gewand, das er selbst gewöhnlich getragen hatte, den Sarg verhüllt, in dem der Körper lag. Die Inschrift des Grabs gibt Plutarch, und zwar wie sie auf Befehl Alexanders aus der einheimischen in die griechische Sprache in folgender Weise übertragen worden ist: Ὦ ἌΝΘΡΩΠΕ, ῞ΟΣΤΙΣ ΕἾ, ΚΑῚ ΠΌΘΕΝ ῞ΗΚΕΙΣ, ῞ΟΤΙ Μ ῈΝ ΓᾺΡ ῞ΗΞΕΙΣ, ΟἾΔΑ: ᾿ΕΓ Ὼ ΚỸΡΟΣ ΕἸΜ Ὶ, ῾Ο Π ΈΡΣΑΙΣ ΚΤΗΣΆΜΕΝΟΣ Τ ῊΝ ἈΡΧ ΉΝ. Μ Ὴ Ο῏ΥΝ Τ῀ΗΣ ᾽ΟΛΊΓΗΣ ΤΑΎΤΗΣ Γ῀ΗΣ ΦΘΟΝ ΉΣῌ Σ, Ἣ ΤΟ’ΥΜ ῸΝ Σ῀ΩΜΑ ΠΕΡΙΚΑΛΎΠΤΕΙ. Oder wie wir auf Latein sagen: Wer auch immer du bist, o Mensch, und woher auch immer du gekommen bist; denn ich weiß, dass du kommen wirst. Ich bin Kyros, der den Persern die Herrschaft verschafft hat. Ich bitte dich, neide mir dieses bisschen Erde nicht, das meinen Körper bedeckt. (3) Man mag meinen, dass dieses σῶμα der Griechen nicht den Körper selbst, sondern in mehrdeutiger Redeweise auch die Asche oder verbrannte Knochen bezeichnet. Dagegen aber spricht Xenophon, bei dem Kyros sagt:
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Mumiae Wratislavienses 26,3–26,6
Τὸ δ’ ἐμὸν σῶμα, ὦ παῖδες ὅταν τελευτήσω, μήτε ἐν χρυσῷ θῆτε, μήτε ἐν ἀργυρῷ, μὴ δὲ ἐν ἄλλῷ μηδενί, ἀλλὰ τῇ γῇ ὡς τάχιστα ἀπόδοτε. τί γὰρ τούτου μακαριώτατον, τοῦ γῇ μιχθῆναι, ἣ πάντα μὲν τὰ καλά, πάντα δὲ τ’ ἀγαθὰ φύει τε καὶ τρέφει. Meum corpus, ô carissimi filii, neque in auro condite neque in argento, neque in aliâ re prorsus ullâ, sed illud terrae reddite quam primùm. quid enim hac re beatiùs, quam terrae misceri, quae pulcra et bona omnia gignit atque nutrit. (4) Subscripsit Magnus Orator:
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At mihi quidem antiquissimum se|pulturae genus id videtur, quo apud Xeno- 66 phontem Cyrus utitur. Redditur enim terrae corpus, et ita locatum et situm quasi operimento matris obducitur, eodemque ritu in eo sepulcro, quo procul ad fontis aras Regem nostrum Numam conditum accepimus, gentemque Corneliam usque ad memoriam nostram hâc sepultura scimus esse usam.
Atqui Numae Pompilii arcam funebrem octonos fermè pedes longam, quaternos 15 latam, indicio integrum corpus olim inditum, Livius docet.
(5) Alexandrum Macedonem ortu, sed tum Persam, et subacti domitorem Orientis, idem honos | excepit: Aegyptii Chaldeique jussi corpus suo more curare, pri- 67 mò non sunt ausi admovere velut spiranti manus: deinde precati, ut jus fasque esset mortalibus attrectare eum, purgavére corpus, repletumque est odoribus; 20 utut mel tantum agnoscat Papinius, Sylv. III.2.
Duc et ad Aemathios manes ubi belliger Orbis. Conditor Hyblaeo perfusus nectare durat. (6) Per secula aliquot id posteris spectaculis prostitit. Vidit hoc Julius, qui
1–4 Xen. Kyr. 8,7,25
9–13 Cic. Leg. 2,56
17–19 Curt. 10,10,13
21–22 Stat. Silv. 3,2,117–118
2 μὴ δὲ] Miller : μήτε 2 ὡς] ὡ 3 μακαριώτατον] Miller : μακαριώτερον 8 in marg. Cic. 2. d. leg. 9 id videtur] Keyes : illud fuisse videtur 10 et] Keyes : ac 11–12 quo procul ad fontis aras] Keyes : quod haud procul a Fontis ara 17 in marg. Curt. l. X. cap. X. 19 eum] Rolfe : deum 21 Orbis.] Shackleton Bailey : urbis
Die Breslauer Mumien 26,3–26,6
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Τὸ δ’ ἐμὸν σῶμα, ὦ παῖδες, ὅταν τελευτήσω, μήτε ἐν χρυσῷ θῆτε, μήτε ἐν ἀργύρῳ, μὴ δὲ ἐν ἄλλῳ μηδενί, ἀλλὰ τῇ γῇ ὡς τάχιστα ἀπόδοτε. τί γὰρ τούτου μακαριώτατον τοῦ γῇ μιχθῆναι, ἣ πάντα μὲν τὰ καλά, πάντα δὲ τ’ ἀγαθὰ φύει τε καὶ τρέφει? Meinen Körper, o teuerste Söhne, verwahrt nicht in Gold und nicht in Silber, auch nicht in irgendeinem anderen Material, sondern gebt ihn sobald wie möglich der Erde zurück. Denn was ist glückseliger als mit der Erde vermischt zu werden, die alles Schöne und Gute hervorbringt und nährt. (4) Der große Redner stimmte zu: Mir aber jedenfalls erscheint diejenige die älteste Bestattungsweise, von der Kyros bei Xenophon Gebrauch macht. Denn der Körper wird der Erde zurückgegeben und so hingelegt und bestattet gleichsam vom Mantel der Mutter bedeckt, und in derselben Weise in einem solchen Grab ist, so nehmen wir an, fern bei den Altären des Fons unser König Numa begraben, und wir wissen, dass das Geschlecht der Cornelier bis in unsere Zeit diese Bestattung angewendet hat. Und Livius lehrt uns, dass der Sarg des Numa Pompilius fast acht Fuß lang und vier breit war, als Anzeichen, dass einst der ganze Körper beigesetzt war. (5) Dieselbe Ehre kam Alexander zu, von Geburt her Makedone, dann aber Perser und Bezwinger des unterworfenen Orients. Die Ägypter und Chaldäer, denen befohlen worden war, den Körper nach ihrer Sitte zu behandeln, wagten zunächst nicht, Hand an ihn zu legen, der zu atmen schien: Dann beteten sie, dass es Bill und Recht für die Sterblichen sein möge ihn zu berühren. Sie reinigten den Körper und er wurde mit Spezereien angefüllt. Obwohl Papinius in Silvae 3,2 nur den Honig gelten lässt: Führ zu den ämathischen Manen, wo kriegsträchtig die Erde. Ihr Gründer, benetzt mit hybläischem Nektar, überdauert. (6) Einige Jahrhunderte hindurch überragte dieser Schauplatz die nachfolgenden. Julius hat ihn gesehen, der
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Mumiae Wratislavienses 26,6–27,2
– nulla captus dulcedine rerum Non auro cultuque Deûm, non moenibus urbis | Effossum tumulo cupidè descendit in antrum. Illic Pellaei proles vesana, Philippi Felix praedo jacet.
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Vidit Augustus: καὶ μετὰ ταῦτα τὸ μὲν τοῦ Ἀλεξάνδρου σῶμα εἶδε, καὶ αὐτοῦ καὶ προσήψατο, ὥς τέ τι τῆς ῥινός, ὥς φασι, θραυσθῆναι. Dein corpus Alexandri inspexit, idque attrectavit, ita ut nasi quoque, ita enim fertur, particulam aliquam fregerit: Vidére alii: donec curiosos inhibuit Severus Imperator, qui τὸ τοῦ 10 Ἀλεξάνδρου μνημεῖον συνέκλεισεν, ἵνα μηδεὶς ἔτι τὸ σῶμα τούτου ἴδῃ. Clausit monumentum Alexandri, ne quisquam corpus ejus videret in posterum.
(7) Is demum codices my|starum sacros abolere conatus. Κἀκ τούτου (sic Dio.) 69 τά τε βιβλία πάντα τὰ ἀπόρρητόν τι ἔχοντα, ὅσα καὶ εὑρεῖν ἠδυνήθη, ἐκ πάντων ὡς εἰπεῖν τῶν ἀδύτων ἀνεῖλε. Libros omnes in quibus arcana continentur, quot15 quot potuerunt inveniri, (ecquis ergò adhuc tum exstitisse neget) fermè ex omnibus adytis sustulit. Mitto Persas. 27 (1) Graecorum quidem cadavera absumsit rogus: sed nec ab origine is mos:
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Οὐ καλὸν ἁρμονίην ἀναλύομεν ἀνθρώποιο, καὶ τάχα δ’ ἐκ γαίης ἐλπίζομεν ἐς φάος ἐλθεῖν, λείψαν’ ἀποιχομένων, ὀπίσω δὲ θεοὶ τελέθονται. Non pulchram harmoniam | hominis dissolvimus: sed enim subito è terra spe- 70 ramus in lucem venturas reliquias defunctorum, qui postea Dii fient.
(2) Et Graecorum praelustres Spartani, exosi mollitiem ac luxus, id honoris
1–5 Lucan. 10,17–21 6–7 Cass. Dio 51,16,5 9–10 Cass. Dio 76,13,2 12–14 Cass. Dio 76,13,2 18–20 Ps.-Phoc. Gnom. 102–104
3 tumulo] Duff : tumulis 6 in marg. Dio. l. LI. 10 ἔτι] Cary : ἔτι μήτε 10 σῶμα τούτου] Cary : τούτου σῶμα 13 ὅσα] Cary : ὅσα γε 17 in marg. Phocyl. 18 ἀναλύομεν] Bergk : ἀναλύεμεν
Die Breslauer Mumien 26,6–27,2
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Von keiner Sehenswürdigkeit ergriffen, nicht von Gold und Götterkult, nicht von den Mauern der Stadt, begierig vom Grabmal herabsteigt in die geöffnete Grabhöhle. Dort ruht des Pelläischen Philipps wahnsinniger Sohn, der glückselige Plünderer. Augustus hat ihn gesehen: καὶ μετὰ ταῦτα τὸ μὲν τοῦ Ἀλεξάνδρου σῶμα εἶδε, καὶ αὐτοῦ καὶ προσήψατο, ὥς τέ τι τῆς ῥινός, ὥς φασι, θραυσθῆναι: Dann besichtigte er den Körper Alexanders und berührte ihn sogar, so dass er auch ein Stückchen der Nase, so nämlich wird berichtet, abgebrochen hat. Andere haben ihn gesehen, bis Kaiser Severus den Neugierigen Einhalt gebot, der τὸ τοῦ Ἀλεξάνδρου μνημεῖον συνέκλεισεν, ἵνα μηδεὶς ἔτι μήτε τὸ σῶμα τούτου ἴδῃ, das Grabmal Alexanders geschlossen hat, damit auf künftig niemand dessen Körper sehen könne. (7) Dieser hat schließlich versucht, die geheimen Schriften der Mysterienpriester zu vernichten: Κἀκ τούτου – so Dio – τά τε βιβλία πάντα τὰ ἀπόρρητόν τι ἔχοντα, ὅσα καὶ εὑρεῖν ἠδυνήθη, ἐκ πάντων ὡς εἰπεῖν τῶν ἀδύτων ἀνεῖλε. Alle Bücher, in denen die Geheimnisse festgehalten waren, so viele gefunden werden konnten, – wer würde wohl also bestreiten, dass sie bis damals noch vorhanden waren? – trug er beinahe aus allen Tempeln fort. Ich lasse nun die Perser beiseite. 27 (1) Die Leichname der Griechen verzehrte zwar ein Scheiterhaufen, aber diese Sitte gab es nicht von Anfang an: Oὐ καλόν ἁρμονίην ἀναλύομεν ἀνθρώποιο, καὶ τάχα δ’ ἐκ γαίης ἐλπίζομεν ἐς φάος ἐλθεῖν, λείψαν’ ἀποιχομένων, ὀπίσω δὲ θεοὶ τελέθονται. Wir lösen nicht die schöne Harmonie des Menschen auf, denn wir hoffen ja, dass die Überreste der Toten sogleich von der Erde ins Licht aufsteigen werden, die dann zu Göttern werden. (2) Auch die hochberühmten unter den Griechen, die Spartaner, denen Weichlichkeit und Ausschweifungen gänzlich verhasst waren, erwiesen ihrem König
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Mumiae Wratislavienses 27,2–28,2
Agesipoli Regi suo dedére: ἐκεῖνος μὲν ἐν μέλιτι τεθεὶς, καὶ κομισθεὶς οἴκαδε, ἔτυχέ τε βασιλικῆς ταφῆς. Melle inunctus domum refertur, ac regiam sepulturam consequitur. Datum Agesilao, καὶ τοῦ σώματος ἐν μέλιτι κομισθέντος εἰς τὴν Σπάρτην: Corpus in melle delatum Spartam. At cerae tantum memor Plutarchus: 5 οἱ παρόντες Σπαρτιᾶται κηρὸν ἐπιτήξαντες τῷ νεκρῷ, μέλιτος οὐ παρόντος, ἀπῆγον εἰς λακεδαίμονα: Comites | Spartiatae, ceram infundentes mortuo, cum 71 mel non haberent, Lacedaemonem retulerunt. Idem Aemilius: Amici, quò Spartam eum faciliùs perferre possent, quod mel non haberent, ceras circumfuderunt, atque ita domum retulerunt. Qui ergò apud Graecos Aegypto invidiae, quod ipsis 10 non insolitum. Sed expeditis praestat agere:
28 (1) Non cremata Ptolemaeorum cadavera evincit Dio:
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Τὰ δὲ δὴ τῶν Πτολεμαίων, καίτοι τῶν Ἀλεξανδρέων σπουδῇ βουληθέντων αὐτῷ δεῖξαι, οὐκ ἐθεάσατο, εἰπὼν ὅτι βασιλέα, ἀλλ’ οὐ νεκροὺς ἰδεῖν ἐπεθύμησα. Ptolemaeorum corpora quanquam ea ostendere Alexandrini enixè | volebant, non spectavit, Regem se, non mortuos, voluisse videre dicens. 72
(2) Non crematum cadaver Antonii, sed odoribus atque unguentis delibutum.
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Ἐκεῖνοι συμμίξαντες τῇ Κλεοπάτρᾳ καὶ μέτριά τινα διαλεχθέντες, ἔπειτ’ ἐξαίφνης σηνήρπασαν αὐτὴν, πρίν τι ὁμολογηθῆναι, κἀκ τούτων ἐκ ποδῶν πάντα, ἀφ’ ὧν ἀποθανεῖν ἐδύνατο, ποιησάμενοι, ἡμέρας μέν τινας κατὰ χώραν αὐτῂ τὸ τοῦ Ἀντωνίου σῶμα ταριχευούσῃ διατρῖψαι ἐπέτρεψαν: ἔπειτα δὲ ἐς τὰ βασίλεια αὐτὴν ἤγαγον. Hi (Cajus, Proculejus et Epaphroditus) cum Cleopatra congressi tolerabilibus ei conditionibus propositis, subitò eam, prius-
1–3 Xen. Hell. 5,3,19 3–4 Diod. Bibl. 15,93,6 5–6 Plut. Ages. 40,3 12–15 Cass. Dio 51,16,5 17–21 Cass. Dio 51,11,4–5
7–9 Nep. Ages. 8,7
1 in marg. Xenophon. hist. Graec. l. IV. 2 ἔτυχέ τε] ἐτύχετε ∙ Marchant : ἔτυχε τῆς 3 in marg. Diodor. XV. 3 κομισθέντος] κομισθέντες 4 in marg. in Agesil. 8 Spartam eum] Rolfe : Spartam 8 haberent] Rolfe : habebant 9 ita] in cf. Rolfe 11 in marg. in Octav. 15 volebant] volebat 16 in marg. Dio. l. 51. 18 τούτων] Cary : τούτου
Die Breslauer Mumien 27,2–28,2
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Agesipolis diese Ehre: ἐκεῖνος μὲν ἐν μέλιτι τεθεὶς καὶ κομισθεὶς οἴκαδε ἔτυχέ τε βασιλικῆς ταφῆς. Mit Honig eingesalbt wurde er nach Hause zurückgebracht und bekam ein königliches Begräbnis. Auch dem Agesilaos erwies man sie: καὶ τοῦ σώματος ἐν μέλιτι κομισθέντος εἰς τὴν Σπάρτην. Der Körper wurde in Honig nach Sparta gebracht. Plutarch dagegen erwähnt nur das Wachs: οἱ παρόντες Σπαρτιᾶται κηρὸν ἐπιτήξαντες τῷ νεκρῷ, μέλιτος οὐ παρόντος, ἀπῆγον εἰς Λακεδαίμονα. Die spartiatischen Gefährten übergossen den Toten mit Wachs, weil sie keinen Honig hatten, und brachten ihn nach Lakedaimon zurück. Ebenso Aemilius: Die Freunde umgossen ihn, damit sie ihn leichter nach Sparta überführen konnten und weil sie keinen Honig hatten, mit Wachs und brachten ihn so nach Hause zurück. Wie sollte also bei den Griechen Ägypten etwas missgünstig ausgelegt werden, was ihnen selbst nicht unbekannt war? Wobei allerdings die Anwendung den auswärts Verstorbenen vorenthalten blieb. 28 (1) Dass die Leichname der Ptolemäer nicht verbrannt wurden, legt Dio unumstößlich dar: Τὰ δὲ δὴ τῶν Πτολεμαίων, καίτοι τῶν Ἀλεξανδρέων σπουδῇ βουληθέντων αὐτῷ δεῖξαι, οὐκ ἐθεάσατο, εἰπὼν ὅτι βασιλέα ἀλλ᾽ οὐ νεκροὺς ἰδεῖν ἐπεθύμησα. Die Körper der Ptolemäer hat er, obwohl die Alexandriner sie eifrig zeigen wollten, nicht besichtigt und sagte, dass er den König, keine Toten sehen wollte. (2) Der Leichnam des Antonius wurde nicht verbrannt, sondern mit Spezereien und Salben bestrichen. Ἐκεῖνοι συμμίξαντες τῇ Κλεοπάτρᾳ καὶ μέτριά τινα διαλεχθέντες, ἔπειτ’ ἐξαίφνης συνήρπασαν αὐτὴν, πρίν τι ὁμολογηθῆναι, κἀκ τούτων ἐκ ποδῶν πάντα, ἀφ᾽ ὧν ἀποθανεῖν ἐδύνατο, ποιησάμενοι, ἡμέρας μέν τινας κατὰ χώραν αὐτῇ τὸ τοῦ Ἀντωνίου σῶμα ταριχευούσῃ διατρῖψαι ἐπέτρεψαν, ἔπειτα δὲ ἐς τὰ βασίλεια αὐτὴν ἤγαγον. Diese (Gaius, Proculeius und Epaphroditos) trafen mit Kleopatra zusammen und, nachdem für sie erträgliche Bedingungen vorgeschlagen wurden, ergriffen sie diese plötzlich, bevor sie zustimmen konn-
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Mumiae Wratislavienses 28,2–28,4
quam assentiretur, corripuére, remotis|que omnibus iis rebus, quae ad mor- 73 tem consciscendam facerent, et aliquot diebus ei, ibi ut commoraretur, dum Antonii cadaver condiret, concessis, deinde in Regiam adduxerunt.
(3) Non rogis illata Cleopatra: 5
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Ἀντώνιος (sic iterum Dio) μὲν δὴ καὶ Κλεοπάτρα, πολλῶν μὲν τοῖς αἰγυπτίοις πολλῶν δὲ καὶ τοῖς Ῥωμαίοις κακῶν αἴτιοι γενόμενοι, οὕτω τε ἐπολέμησαν, καὶ οὕτως ἐτελεύτησαν, ἔν τε τῷ αὐτῷ τρόπῳ ἐταριχεύθησαν, κἀν τῇ αὐτῇ θήκῃ ἐτάφησαν. Ita Antonius et Cleopatra multorum malorum et Aegyptiis et Romanis autores et bellum gesserunt, et mortem oppetierunt, et iisdem curati 74 corporum condimentis, in eadem arca | sepulti sunt.
(4) Factitatum id aetate Ciceronis: condiunt, sic ille, Aegyptii mortuos, et eos domi servant. Taciti: corpora condere (sive condire) quam cremare, è more Aegyptio: quanquam hac cum Aegyptiis comparatione, brevi mihi Judaeos absolvere decretum. Pomponii: Mortuos nec cremare nec fodere fas putant, verùm arte 15 medicatos intra penetralia collocant: Plinii: Primus sudor (è taedâ) aquae modo fluit in canali: hoc in Syria cedrium vocatur, cui tanta vis est, ut in Aegypto corpora hominum defunctorum eo perfusa serventur. Sexti Philosophi: Αἰγύπτιοι δὲ τὰ ἔντερα ἐξε|λόντες, ταριχεύουσιν τοὺς ἀποθανόντας. Aegyptii intestina extrahentes 75 condiunt defunctos. Luciani: Ταριχεύει δὲ ὁ Αἰγύπτιος, οὗτος μέντοι, λέγω δὲ 20 ἰδὼν, ξηράνας τὸν νεκρὸν σύνδειπνον καὶ συμπότην ἐποιήσατο: Sale aut muriâ condit Aegyptius: atque hic quidem (rem visam à me narro) exsiccatum cadaver convivam et compotorem adhibet.
5–8 Cass. Dio 51,15,1 11–12 Cic. Tusc. 1,108 12–13 Tac. Hist. 5,5 14–15 Mela Chor. 1,57 15–17 Plin. Nat. hist. 16,30 17–18 Sext. Emp. Hyp. 3,226 19–20 Lukian. Luct. 21
5 Ἀντώνιος] Ἀντώνις 5 in marg. l. 51 7 κἀν] κᾀν 7 τῇ] τῆ 11 in marg. Tuscul. l. 1. 12 domi servant] King : servant domi 12 in marg. Hist. V. 14 in marg. l. I. c. 9. 14 Pomponii:] Pomponii; 14 Mortuos] Brodersen : mortuos fimo obliti plangunt; 14 nec2] Brodersen : aut 15 in marg. l. 16. c. 11. 17 eo perfusa] Mayhoff : perfusa eo 17 in marg. l. 3. c. 14. 18 τοὺς ἀποθανόντας.] Bekker : αὐτοὺς καὶ σὺν ἑαυτοῖς ὑπὲρ γῆς ἔχουσιν 19 in marg. De luctu. 19 μέντοι] Harmon : μέν γε
Die Breslauer Mumien 28,2–28,4
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te, und entfernten alle Dinge, die dem Entschluss zum Freitod zuträglich gewesen wären. Und nachdem sie ihr einige Tage zugestanden hatten, um dort zu verweilen und den Leichnam des Antonius einzubalsamieren, führten sie sie dann zum Palast. (3) Kleopatra ist nicht auf einem Scheiterhaufen aufgebahrt worden: Ἀντώνιος (so wiederum Dio) μὲν δὴ καὶ Κλεοπάτρα, πολλῶν μὲν τοῖς αἰγυπτίοις πολλῶν δὲ καὶ τοῖς Ῥωμαίοις κακῶν αἴτιοι γενόμενοι, οὕτω τε ἐπολέμησαν καὶ οὕτως ἐτελεύτησαν, ἔν τε τῷ αὐτῷ τρόπῳ ἐταριχεύθησαν, κἀν τῇ αὐτῇ θήκῃ ἐτάφησαν. So führten Antonius und Kleopatra als Urheber vieler Übel für die Ägypter wie für die Römer Krieg und wählten den Freitod und, mit denselben Balsamierungsmitteln behandelt, sind sie in derselben Gruft beigesetzt worden. (4) Üblich war dies zu Lebzeiten von Cicero. Die Ägypter, so jener, balsamieren die Toten und bewahren sie zu Hause auf. Von Tacitus: Körper zu bestatten (oder zu balsamieren) statt zu verbrennen nach ägyptischer Sitte. Wobei ich beschloss, zu dem Vergleich mit den Ägyptern sogleich auch die Juden hinzuzuzählen. Von Pomponius: Sie hielten es weder für rechtens die Toten zu verbrennen noch zu begraben, sondern stellten sie durch Kunst balsamiert in ihren Gemächern auf. Von Plinius: Das erste Harz (von der Zirbelkiefer) fließt wie Wasser in eine Rinne. Es wird in Syrien cedrium genannt, das eine so große Kraft besitzt, dass in Ägypten Körper toter Menschen damit übergossen und unversehrt aufbewahrt werden. Von Sextus, dem Philosophen: Αἰγύπτιοι δὲ τὰ ἔντερα ἐξελόντες ταριχεύουσιν τοὺς ἀποθανόντας. Die Ägypter entnehmen ihren Toten die Eingeweide und balsamieren sie. Von Lukian: Ταριχεύει δὲ ὁ Αἰγύπτιος, οὗτος μέντοι, λέγω δὲ ἰδών, ξηράνας τὸν νεκρὸν σύνδειπνον καὶ συμπότην ἐποιήσατο. Der Ägypter balsamiert mit Salz oder einer Salzlösung. Und er benutzt sogar (ich erzähle eine Begebenheit, die ich gesehen habe) den ausgetrockneten Körper als Tischgenossen und Zechbruder.
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Mumiae Wratislavienses 28,5–28,6
(5) Obtinuit et hos inter, qui jam Christo devoti:
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Mos est Aegyptiis, nobilium et praecipuè beatorum Martyrum corpora, linteamine quidem involvere, et studium funeri solitum non negare, terrâ verò non abscondere, sed super lectulos domi positos reservare: hunc | honorem 76 quiescentibus reddi inveteratae consuetudinis vanitas tradidit.
Haec Athanasius. Accedit Damascenus:
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Ἴσμεν τὸν μακάριον Ἀθανάσιον ἀπηγορευκότα τὸ ἐν λάρναξι τιθέναι τὰ τῶν ἁγίων λείψανα, μᾶλλον δὲ προστάττοντα, ὑπὸ γῆν ταῦτα καλύπτειν, τὸ ἄτοπον ἔθος τῶν Αἰγυπτίων καταργῆσαι βουλόμενον, οἵ τοὺς ἑαυτῶν νεκροὺς οὐχ ὑπὸ γῆν ἔκρυπτον ἀλλὰ κλινῶν καὶ σκιμποδίων ἐτίθουν. Scimus S. Athanasium Sanctorum reliquias non in capulis feralibus componendas, sed terrae infodiendas, eo consilio censuisse, ut in congruum Aegyptiorum morem aboleret, qui suos mortuos, non sub terra condebant, sed in lectulos et scimpodia collocabant.
15 (6) Haud dis|par Hilarione, qui quamvis in Cypro diem obiret, omnes (venerunt 77
quippe ad aegrotantem de Papho multi religiosi viri, maximè quod eum dixisse audierant, jam se ad Dominum migraturum, et de corporis vinculis liberandum. Sed et Constantia quaedam sancta faemina, cujus generum et filiam de morte liberaverat unctione olei:) adjuravit, ut ne puncto quidem horae post mortem 20 servaretur; sed statim in eodem hortulo terra operirent, sicut vestitus erat in tunica cilicina et cucullo et sago rustico. Stetére promissis. Addit enim illustris Scrip78 tor: statimque terra obrutum, ante Urbi sepultum quam mortuum nun|ciarunt.
2–5 Athan. Vit. Ant. 90 7–10 Joh. Dam. Imag. 1,25 22 Hieron. Vit. Hil. 39,45
1 in marg. Athanas. in vita Anton. 2 est Aegyptiis] Migne : etenim Aegyptiis est 3 involvere] Migne : obvolvere 4 positos] Migne : posita 5 consuetudinis] Migne : consuetudini 6 in marg. Or. l. de imag. 7 τὸ] τὸν 8 καλύπτειν] κηλύπτειν 10 ἀλλὰ] Kotter : ἀλλ’ ἐπὶ 10 ἐτίθουν] ἐτέθουν 22 terra] Migne : humo
Die Breslauer Mumien 28,5–28,6
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(5) Es bestand auch bei denen fort, die schon Christus ergeben waren: Bei den Ägyptern ist es Sitte, die Körper der Edelmänner und besonders der seligen Märtyrer zwar in Leinen einzuwickeln, dem Leichnam auch die üblichen Bestattungsbemühungen nicht zu versagen, sie aber nicht in der Erde zu verbergen, sondern auf Leichenbetten aufgebahrt zu Hause zu bewahren. Den Ruhenden diese Ehre zu erweisen, lehrte die Eitelkeit einer fest verwurzelten Gewohnheit. Das schreibt Athanasius. Damascenus pflichtet bei: Ἴσμεν τὸν μακὰριον Ἀθανάσιον ἀπηγορευκότα τὸ ἐν λάρναξι τιθέναι τὰ τῶν ἁγίων λείψανα, μᾶλλον δὲ προσάττοντα ὑπὸ γῆν ταῦτα καλύπτειν, τὸ ἄτοπον ἔθος τῶν Αἰγυπτίων καταργῆσαι βουλόμενον, οἵ τοὺς ἑαυτῶν νεκροὺς οὐχ ὑπὸ γῆν ἔκρυπτον, ἀλλὰ κλινῶν καὶ σκιμποδίων ἐτίθουν. Wir wissen, dass der Heilige Athanasius glaubte, dass die Überreste der Heiligen nicht in Leichensärge gelegt, sondern in der Erde begraben werden müssen, mit der Absicht, damit einhergehend die Sitte der Ägypter abzuschaffen, die ihre Toten nicht unter der Erde verbargen, sondern auf Leichenbetten und Bahren legten. (6) Ähnlich war es bei Hilarion, der, obwohl er auf Zypern verschied, alle (es kamen nämlich viele gottesfürchtige Männer zu dem Kranken aus Paphos ‒ vor allem weil sie gehört hatten, dass er gesagt hat, er werde sogleich zum Herrn aufsteigen und müsse von den Körperbinden befreit werden ‒ aber auch Constantia, eine heilige Frau, deren Schwiegersohn und Tochter er unmittelbar nach dem Tod von der Ölsalbung befreit hatte) beschwor, man möge ihn nach dem Tod nicht einmal den Hauch einer Stunde bewahren, sondern sofort in demselben kleinen Garten mit Erde bedecken, so wie er gekleidet war in einer kilikischen Tunika, mit der Kappe und dem schlichten Mantel. Sie hielten sich an die Versprechungen. Denn der berühmte Verfasser fügt hinzu: Und sofort wurde er in der Erde begraben und die Nachricht von seinem Begräbnis war eher in der Stadt als die von seinem Tod.
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Mumiae Wratislavienses 28,7–29,1
(7) Cadaver ipsum, quod è Petri de Valle commentariis Kircherus exhibet (Tom. III. Syntag. XIII. p. 405.) inscripta voce EY YXI, non vetustissimam illam Aegypti linguam, qualis Herodoti tempore solemnis, sed serorum nepotum, qui pollincturae adhuc dum tenaces, idioma prodit:
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Γράμματα γράφουσι, καὶ λογίζονται ψήφοισι. Ἕλληνες μὲν ἀπὸ τῶν ἀριστερῶν ἐπὶ τὰ δεξιὰ φέροντες τὴν χεῖρα, Α ἸΓ ΎΠΤΙΟΙ ΔῈ ἈΠ Ὸ Τ῀ΩΝ ΔΕΞΙ῀ΩΝ ἘΠ Ὶ ΤᾺ ἈΠΙΣΤΕΡΆ, καὶ ποιεῦντες ταῦτα αὐτοὶ μὲν φασὶ ἐπὶ τὰ δεξιὰ ποιέειν, ἕλληνας δὲ ἐπ’ ἀριστερά. Litteras scribunt et calculum conficiunt; Graeci quidem à sinistro in dextrum manum | ferentes, Aegyptii verò à dextro in sinis- 79 trum; et facientes haec ajunt, se in dextrum Graecos operari in sinistrum.
Nota in vulgus, quae de Coptarum lingua Kircherus in Prodromo, aliisque post id, disputavit: verum nec dum eruditorum assensum extorsit: (8) et validis omnem illius structuram machinis eversum ivit, exasciatâ dissertatione Johannes Stephanus Rittangel, insigni totius Orientis peritia illustris, 15 probavitque, Coptam illius esse Graecorum per Aegyptum Sparsorum linguam orthographiamque, qui per tot annorum decursus, quotidianumque linguae Aegyptiacae exerci|tium atque usum, vernaculam insigniter corruptam profantur, 80 cujus vel dimidium obliti, vulgus praesertim ibi satum atque educatum. Ideoque factum, ut Aegyptiaca Graecis mixta proferant, atque Graecis characteribus ef20 forment. (pag. 2.)
29 (1) Haec meditanti saepiùs, ac jam denuò visum, toleratam hanc condiendi funeris consuetudinem, donec valescentibus Christianis, Aegyptus omnis sese ritu tam operoso exsolveret. Gliscebat spes invicta reducis propediem vitae: et vel in tenuissimum cinerem immutatos superesse tamen, et rupta tumuli custo25 dia jam restitutos integritati, | ituros obviam Domino, haud segniter credebant. 81 Inde eviluit illud decus morti quaesitum per lanienam ac viscerationes, quas
5–8 Hdt. Hist. 2,36,4
3 in marg. Euterpe. 9 Aegyptii] Aegypti
7 ποιεῦντες] ποιοῦντες
7 ἐπὶ τὰ] Godley : ἐπὶ
7 ποιέειν] ποιεῖν
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(7) Der Leichnam mit der Inschrift EY YXI, den Kircher nach den Beschreibungen von Pietro della Valle darstellt (Band 3, Abhandlung 13, Seite 405), zeigt nicht jene uralte Sprache Ägyptens, wie sie zur Zeit Herodots üblich war, sondern die Sprache späterer Nachfahren, die bis dahin noch an der Leichensalbung festhielten. Γράμματα γράφουσι καὶ λογίζονται ψήφοισι Ἕλληνες μὲν ἀπὸ τῶν ἀριστερῶν ἐπὶ τὰ δεξιὰ φέροντες τὴν χεῖρα, Α ἸΓ ΎΠΤΙΟΙ ΔῈ ἈΠ Ὸ Τ῀ΩΝ ΔΕΞΙ῀ΩΝ ἘΠ Ὶ ΤᾺ ἈΠΙΣΤΕΡΆ, καὶ ποιεῦντες ταῦτα αὐτοὶ μὲν φασὶ ἐπὶ δεξιὰ ποιέειν, Ἕλληνας δὲ ἐπ᾽ ἀριστερά. Die Griechen nämlich schreiben und rechnen, indem sie die Hand von links nach rechts führen, die Ägypter dagegen von rechts nach links. Und indem sie dies tun, sagen sie, dass sie nach rechts, die Griechen nach links arbeiten. Allgemein bekannt sind die Dinge, die Kircher über die Sprache der Kopten im Prodromus und anderen Schriften nach diesem erörterte. Jedoch hat er den Gelehrten noch nicht die Zustimmung abgedrungen. (8) Und Johann Stephan Rittangel, berühmt wegen seiner ausgezeichneten Kenntnis des gesamten Orients, hat es in seiner ausgeklügelten Abhandlung darauf angelegt, dessen ganzes Konstrukt in seinen Grundmauern zu erschüttern, und bewies, dessen Koptisch sei die Sprache und Schrift der in Ägypten verstreuten Griechen, die nach so vielen Jahren und wegen der täglichen Übung und Anwendung der ägyptischen Sprache die heimische Sprache merklich verdorben sprechen, die sie zumal zur Hälfte vergessen haben, besonders der gemeine Mann, der dort geboren und aufgewachsen ist. Und so ist es geschehen, dass sie ein mit dem Griechischen gemischtes Ägyptisch sprechen und mit griechischen Schriftzeichen darstellen. (Seite 2) 29 (1) Als ich öfter über diese Dinge nachsann, kam ich wieder und wieder zu dem Schluss, dass diese Gewohnheit der Körperbalsamierung geduldet wurde, bis sich ganz Ägypten mit dem Erstarken der Christen von dem so aufwendigen Ritus löste. Die unerschütterliche Hoffnung auf ein bald wiederkehrendes Leben verbreitete sich: Eifrig glaubten sie, dass sie sogar im Zustand feinster Asche fortdauern und dass sie dem Gefängnis des Grabes entkommen, bald die Unversehrtheit wiedererlangen und dem Herrn entgegen gehen werden. Von da an wurde jene Ehre verächtlich, die man dem Tod durch das Verstümmeln und
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exigit pollinctor, habitumque immane, et insigni dehonestamento pietatis famam assectantibus, popae alicujus aut victimarii instar saevire in cadaver: solenne contra honorare functos quavis cura potiùs, et ingenti vel odorum unguentorumque apparatu credere sepulcretis, sed non discissos.
5 (2) Nota in vulgus Tertulliani sententia (Apolog. c. 42.) Thura non emimus; si
Arabiae queruntur, sciant Sabaei, pluris et carioris suas merces Christianis sepelien|dis profligari, quam Diis fumigandis. Et apud Prudentium hinc inde depre- 82 hendas, eos cuncta nobilissimorum corporibus servandis reperta, huc vertisse, ut fermè nihil liberalitati huic defuerit, nisi moderatio ejus. Sanè, queîs id studi10 is, et quanta contentione actum, Bosius, et quotquot, eo vivis exemto, Romae subterraneae commodavére manus, prolixè exsecuti sunt. Nec alia sequioribus seculis religio in functos.
(3) Unicum Bonifacii VIII. edictum videas. (Extrav. com. III. 6.) Qui detestandae feritatis abusum, morem horribilem, abusus saevitiam, mentes fidelium horrore 15 commoven|tem et auditum perturbantem improbando, consuetudinis vitium, 83 impiae pietatis affectum nuncupat, truculenter exenterare mortuos. Addit, id Divinae majestatis conspectui abominabile, humanae considerationis obtutibus vehementiùs abhorrendum.
30 (1) Novi id Pontifici fulmen, Montanerium Sosam, qui Friderico Arragonio 20 in intimis, extorsisse: nec Siculi Historici verba, Canonum S. studio operatis
invidebo.
(2) Erat inter Friderici familiares Montanerius Sosa, qui in Galliani oppidi arce, cui ipse praeerat, Carolum Marolettum Francum genere, virum nobilem ex iis, qui | cum Philippo Principe apud Falconaram succubuerant, captivum 84
5–7 Tert. Apolog. 42,7 22–142,7 Bzowski 1618, Sp. 6. 5 Thura non] Glover : Thura plane non 10 in marg. l. 1. 24 Falconaram] Talionaram error op. cit.
20 in marg. Fazell. dec. 2. l. 9.
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Ausweiden, das der Balsamierungsdiener betrieb, zu erbieten suchte, und es wurde für abscheulich gehalten und bedeutete für jene, die den Ruf der Frömmigkeit anstrebten, einen erheblichen Ehrverlust, dem Leichnam wie ein Opferdiener oder Opferschlächter zuzusetzen, für feierlich hingegen, die Toten lieber mit jeder beliebigen Behandlung zu ehren und sie sogar mit einer gewaltigen Ausstattung an Räucherwerk und Salben dem Grab zu übergeben, aber eben nicht zerfetzt. (2) Allgemein bekannt ist die Ansicht Tertullians (Apologeticum, Kapitel 42): Weihrauch kaufen wir nicht. Wenn Arabien sich beschwert, sollen die Sabäer wissen, dass ihre Waren in größerer Zahl und von teurerer Qualität bei Begräbnissen von Christen aufgebraucht werden als zur Beweihräucherung von Göttern. Und bei Prudenz kann man an verschiedenen Stellen erkennen, dass sie alles, was sie zur Konservierung der Körper der Edelleute fanden, dazu verwendet haben, so dass dieser Freigebigkeit fast nichts fehlte, außer das rechte Maß. In der Tat zeigt Bosio, mit welchen Bemühungen und wie großer Anstrengung dies betrieben worden ist und alle, die ihm bei der Roma sotterranea behilflich waren, haben ihm, als er nicht mehr am Leben war, bereitwillig das letzte Geleit gegeben. Aber keine weitere Kulthandlung ist den Toten in den nachfolgenden Jahrhunderten widerfahren. (3) Man siehe das sonderbare Edikt Bonifaz’ VIII. an: Den Toten grausam die Eingeweide herauszunehmen, nennt er (in den Extravagantes communes 3,6) einen Missbrauch von abscheulicher Rohheit, einen schrecklichen Brauch, eine Grausamkeit des Missbrauchs, die die Gemüter der Gläubigen durch verwerflichen Schrecken beunruhigt und das Gehör verwirrt, ein Vergehen der Gewohnheit, einen Zustand unfrommer Frömmigkeit. Er fügt hinzu, dass es für den Anblick der göttlichen Majestät abscheulich ist und dem Anblick der menschlichen Betrachtung umso heftiger zuwider sein muss. 30 (1) Es ist mir bekannt, dass Montanerius Sosa, der zu den engsten Freunden Friedrichs von Aragonien gehörte, dem Papst den Kirchenbann abforderte. Und ich werde die Worte des sizilianischen Historikers denen, die sich mit dem Studium des kanonischen Rechts beschäftigen, nicht missgünstig vorenthalten: (2) Unter denen, die Friedrich nahestanden, war Montanerius Sosa, der in der Burg der Stadt Gagliano, der er selbst vorstand, den Franzosen Charles Marolette, einem Edelmann von denen, die mit Fürst Philipp bei Falconara
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habebat. Hunc ille subornatis verbis, quae cum Blasco Alagona composuerat, eò perduxit, ut literas ad Ducem Robertum Catanam daret, quibus à Montanerio arcem Galliani munitissimam et inexpugnabilem ei citra bellum traditum iri significabat. Robertus Dux literarum fide cum Legato Bonifacii et Proceribus in concilio discussa, ne fortè fraus aliqua scriptis subesset, memor monitorum Rogerii Lauriae, ipsum Montanerium Catanam ad se mitti, quo res accuratiùs transigeretur, rescripsit.
(3) Montanerius | Nepotem suum, virum et fraude et astu non imparem Cata- 85 nam remisit. Cujus verbis Dux allectus Gualterium Brennae Comitem, Gotfredum Mili, Thomam Prochytam, Galliani ante Dominum, multosque alios optimates, cum lectis militibus, sub dicti Nepotis ductu ad facinus patrandum expedivit, quae cum per Montanerii nuncios Blascus cognovisset, confestim cum Guilhelmo Calcerando militem collegit, exercitum instruxit, ac in latebris Francis transituris insidias posuit.
(4) Jam Franci ad locum fermè advenerant, quibus Nepos, ne fortè, inquit, subitus vester adventus exitio sit Mon|tanerio, adventum vestrum ut illi prae- 86 nuntiem necesse est. Dimissusque, Blasco adventum hostium insinuavit. Blascus indecorum sibi per insidias vincere ratus, exorto Sole signa movit: Franci viso Blasco et ipsi aciem praepararunt. At ille qua parte Solis radii micaturi erant, exercitum direxit. Nec bellum intulit, sed dispositis hinc inde sepis in modum Almugaveris, aliisque peditibus, temerarios Gallorum ausûs, quos jam praenoverat, expectavit. Franci eminentem locum, unde tutiùs fuerant dimicaturi, deserentes, cursu praecipiti signo dato in Siculos irruperunt. Siculi pedites | in equites Francos intenti, missilibus magnam illorum stragem edide- 87 runt, equis vulneribus in ferociam actis, sessores suos in terram prosternentibus. Sed et lapidibus quoque à Siculis projectis, magnam occisionem Francorum ediderunt.
1 Alagona] Magona error op. cit. 5 in concilio] Bzowski : in consilio 6 Lauriae] Auriae error op. cit. 10 ante] Bzowski : antea 11 lectis] Bzowski : electis 20–21 sepis in modum] Bzowski : in sepis modum 23 dimicaturi] Bzowski : conflicturi 25 sessores suos] Bzowski : sessores
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unterlegen waren, gefangen hielt. Er brachte ihn mit anstiftenden Worten, die er mit Blascus Alagona vereinbart hatte, dazu, Herzog Robert nach Catania einen Brief zu schicken, in dem er zu verstehen gab, dass ihm die außerordentlich gut befestigte und uneinnehmbare Burg Gagliano von Montanerius kampflos übergeben werden würde. Nachdem die Vertrauenswürdigkeit des Briefes mit dem Legaten des Bonifaz und dem Adel in einer Zusammenkunft erörtert worden war, ob hinter dem Schreiben nicht vielleicht irgendein Betrug steckte, schrieb Herzog Robert, der sich an die Mahnungen des Roger Lauria erinnerte, zurück, Montanerius selbst solle zu ihm nach Catania kommen, um die Angelegenheit genauer auszuhandeln. (3) Montanerius schickte seinen Neffen, einen Mann, der ihm an Betrug und List in nichts nachstand, nach Catania. Durch dessen Worte angestiftet entsandte der Herzog Walter, den Grafen von Brenna, Gottfried Milo, Thomas Prochyta, zuvor Burgherr von Gagliano, und viele andere Adlige mit ausgewählten Truppen, unter der Führung des besagten Neffen, um die Sache zu Ende zu bringen. Als Blascus dies durch die Boten des Montanerius in Erfahrung gebracht hatte, versammelte er zusammen mit Wilhelm Calcerando sofort eine Infanterie, instruierte das Heer und legte den Franzosen auf dem Weg einen Hinterhalt. (4) Fast schon waren die Franzosen an dem Ort angekommen, da sagte der Neffe zu ihnen: ‚Damit Montanerius eure frühe Ankunft nicht etwa ungelegen kommt, muss ich ihm eure Ankunft im Voraus ankündigen.‘ Und so fortgelassen, teilte er Blascus die Ankunft der Feinde mit. Blascus aber dachte, dass es sich für ihn nicht ziemte durch einen Hinterhalt zu gewinnen, und griff bei Sonnenaufgang an. Als sie Blascus gesehen hatten, bereiteten auch die Franzosen selbst die Schlachtordnung vor. Der dagegen führte das Heer aus der Richtung, aus der die Sonne scheinen würde. Aber er begann die Schlacht nicht, sondern stellte auf zwei Seiten wie eine Umzingelung die Almogavaren und andere Infanteristen auf und wartete auf unbesonnene Vorstöße der Franzosen, die er schon vorausahnte. Die Franzosen verließen den hochgelegenen Platz, von dem aus sie sicherer hätten kämpfen können, und griffen, nachdem das Zeichen gegeben war, die Sizilianer im Sturm an. Die sizilianische Infanterie wandte sich der französischen Reiterei zu und richtete mit Wurfspießen großen Verlust bei ihnen an, weil die Pferde durch die Verletzungen wild gemacht wurden und ihre Reiter zu Boden warfen. Aber auch durch Steinwürfe der Sizilianer sind viele Franzosen getötet worden.
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(5) Ex pugnatoribus solus Brennae Comes, cum paucis evasit, cum gladium deditionis indicem Blasco transmisisset. Hunc Blascus compedibus vinctum in Menei arce carceribus addixit. Montanerius autem voti compos factus, occisos Gallos vendere instituit, quos sua calliditate viventes paulò ante deceperat. Coxit namque gentilium more eorum | cadavera, quorum reliquias ag- 88 nati pretio ingenti redemerunt. Eam immanitatem Bonifacius Pontifex detestatus, diris eum et complices devovit.
(6) Haec quanquam in propatulo: mirum tamen quam post evulgatam Pontificis hancce sententiam abhorruére dissecandis functorum cadaveribus, quotquot 10 per Italiam aliaque loca, queîs Romanorum sacrorum fides intacta, corporis nostri compagem noscendi ergò, singulari sapientiae ac medicinae emolumento rimantur atque exponunt: adeò ut necessum fuerit veniam Pontificum iis expos89 cere, ne scientiarum nobilissi|ma contemtu dein et odio abolita intercideret.
31 (1) Sed video, me longiùs provectum, quam principio destinaveram, finiam 15 itaque ubi dixero, quos idem spectandi ardor exiverat in Crusii suburbanum. Intererant quippe è Nobilissimo atque Amplissimo Urbis Senatu, Davides ab Eben: Christianus Hofmannus, atque Johannes Burcardus: ille Gymnasio utrique et rei bellicae, hic tum aerario praefectus; queîs unum utrique studium insigni amicitiâ de me mereri.
20 (2) Convenerant ingente rerum experientia illustres Johannes Agricola, Joachi-
mus Oelsnerus, Philosophi ac Medici Doctores, | in salutis publicae curam 90 Physicorum titulo adsciti. Adfuére Godofredus Wilhelmi, Adamus Scholz, Godofredus Thilisch, Philippus Jacobus Sachs, Christianus Bukisius, Balthasar Cramerus, Sebaldus Scholz, aeque supremo Philosophos atque Medicos inter 25 honorum gradu sublimes: caeterùm ut aetate diversi, sic ingente ingenii gloria celeberrimi, ac suis quisque in urbem officiis immortales.
3 Menei] Menci cf. Bzowski
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(5) Von den Kämpfern rettete sich allein der Graf von Brenna mit wenigen anderen, weil er Blascus als Zeichen der Kapitulation sein Schwert übergeben hatte. Blascus warf ihn mit Fußfesseln in den Kerker der Burg Meneus. Montanerius aber hatte seinen Wunsch erreicht und ordnete an, die getöteten Franzosen zu verkaufen, die er als Lebende mit seiner Verschlagenheit kurz zuvor getäuscht hatte. Er kochte nämlich nach Sitte ihres Volkes die Leichen, deren Überreste die Verwandten für sehr viel Geld zurückkauften. Diese Unmenschlichkeit verabscheute Papst Bonifaz und verdammte ihn und seine Verbündeten. (6) Obwohl diese Dinge in aller Öffentlichkeit geschahen, ist es dennoch verwunderlich, wie sehr man nach der Veröffentlichung des päpstlichen Urteils die Sektion toter Körper verurteilte, mögen auch noch so viele Leute in Italien und anderen Gegenden, in denen der Glaube an die römische Kirche unbestritten ist, das Gefüge unseres Körpers der Erkenntnis wegen und zum außerordentlichen Nutzen für die Weisheit und die Medizin erforschen und ausstellen, so dass es unumgänglich geworden ist, die päpstliche Erlaubnis dafür dringend einzufordern, damit es aufhört, dass die edelste unter den Wissenschaften weiterhin durch Verachtung und Hass zunichte gemacht wird. 31 (1) Aber ich sehe, dass ich weiter fortgeschritten bin, als ich anfangs beabsichtigt hatte. Deshalb werde ich enden, sobald ich erwähnt habe, wen dieselbe Schaulust ins vorstädtische Anwesen Krauses hinausgezogen hatte. Vom vornehmsten und höchstangesehenen Senat der Stadt waren nämlich David von Eben sowie Christian Hoffmann und Johannes Burckhardt dort. Jener stand beiden Gymnasien und dem Kriegswesen, dieser damals der Stadtkasse vor, die beide einerlei Bemühung auszeichnet, sich durch hervorragende Freundschaft um mich verdient zu machen. (2) Mit einem außerordentlichen Erfahrungsschatz in den Wissenschaften waren zusammengekommen: die berühmten Doktoren der Philosophie und der Medizin, Johannes Agricola und Joachim Elsner, beide durch den Titel Stadtarzt betraut mit der Aufsicht des öffentlichen Wohls. Es waren da Gottfried Wilhelmi, Adam Scholz, Gottfried Thilisch, Philipp Jakob Sachs, Christian Buckisch, Balthasar Kramer, Sebald Scholz – alle mit den höchsten Ehren sowohl der Philosophie und als auch der Medizin versehen. Übrigens sind sie zwar unterschiedlichen Alters, alle aber außerordentlich berühmt und verehrt wegen ihres Talents und jeder wegen seiner Dienste für die Stadt unsterblich.
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Mumiae Wratislavienses 31,3–31,4
(3) His Comites Johannes Cretschmarus, Amplissimae Reipublicae à Secretis, ac Thomas Lerchius, ab Indiculis, Registratorem vocant, olim mihi, dum nos literis atque artibus invigi|lantes, Batavorum Lugdunum detineret, inter intimos, et 91 post id amoris in me non interrupti ac fidei manifestus. Nec fas non meminisse 5 Filiorum Nobilissimi atque Amplissimi Arzati, Georgii Friderici et Wolframi Christiani, ac Johannis Burcardi, qui in spem Patriae, vestigiis parentum insistentes adolescunt. (4) Optimum verò Crusium, geminamque illius sobolem, Johannem Jacobum, atque Johannem Henricum, ambos Philosophorum lauru, vividâ magis eruditio10 ne conspicuos, Hospites tum et spectaculi totius ferè editores, quî taceam? Quorum natu major pleno gradu in intima | medicinae sacraria penetrat, minor se 92 Numinis Optimi Maximi contemplationibus ac mysteriis sanctioribus totum devovit. Horum certè ut promtitudini atque munificentiae debemus quicquid praesentibus exploratum: ita iisdem imputabit Lector, siquid ex hac narratione 15 emolumenti tulit.
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(3) Sie wurden begleitet von Johannes Kretschmar, einem der Sekretäre des glanzvollsten Staates, und Thomas Lerch, sogenannter Registrator, der einst, als Leiden uns, die wir auf Wissenschaften und Künste bedacht waren, festhielt, zu meinen engsten Freunden zählte und der auch danach anhaltende Liebe und Treue zu mir zeigte. Nicht zu vergessen die Söhne des edelsten und ausgezeichnetsten Arzat, Georg Friedrich und Wolfram Christian, und des Johannes Burckhardt, die in die Fußstapfen ihrer Väter getreten sind und dem Vaterland Anlass zur Hoffnung geben. (4) Wie könnte ich den in der Tat allerbesten Krause verschweigen und seine Zwillingssöhne, Johann Jakob und Johann Heinrich, beide durch den Lorbeer der Philosophen und mehr noch durch ihre lebhafte Bildung auffallend, dann Gastgeber und beinahe Veranstalter des ganzen Spektakels? Von ihnen durchdringt der Ältere im Schnellschritt die innersten Heiligtümer der Medizin, der Jüngere hat sich gänzlich den Betrachtungen und heiligeren Mysterien des Besten und Größten Gottes ergeben. Wie wir gewiss alles, was in ihrer Anwesenheit herausgefunden wurde, ihrer Bereitwilligkeit und Freigebigkeit verdanken, so wird auch der Leser es denselben als Verdienst anrechnen, wenn er irgendeinen Nutzen aus dieser Erzählung davontrug.
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Mumiae Wratislavienses 32,1–33,4
| AND. GRYPHII. Ad Dissertationem de Mumiis. Notae.
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5 32 (1) Paucis adhuc dum Lector benevole Te cupio amicorum potius instinctu
quam sponte mea qui cum quaedam fusius paulo explicari mallent, haec ut adjicerem persuasere. 33 (1) Dixi pag. 3. specie dira exterruisse Mumias comitem reducis, Aegypto Viri Illustris Sacerdotem, en tibi ipsius Radzevilii historiam. Sic enim Epistola III. 10 fol. 233.
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(2) Sed nec illud hic praetermittendum putavi, quod nautae certò se vidisse asseverabant. | Quacunque in nave Mumia fuerit deportata, eam vel in maxi- 94 mum periculum adduci, vel certissimum naufragium subire oportere. Quamobrem diligenter admonentur ii, qui res in navem inferunt, ne Mumiam secum accipiant: cujus rei ea redditur ratio. Quandoquidem Mumiae Ethnicorum sunt cadavera, in quibus idola, ut dictum est superius, reconduntur: dubium non est, quin in cura et potestate Doemonum, prout et animae ipsorum, sunt constituta: qui nunquam ab eis, etiamsi de loco in locum transferantur, recedere solent. (3) Cum Cayri in antrum, ubi ejusmodi cadavera sunt condita, me demisissem, duo integra cor|pora, ut jam diximus maris et foeminae precio empta accepe- 95 ram; eodem modo, prout ibi asservabantur, involuta: quae ut commodius deferri possent, quodlibet in tres partes divulsum, in capsas majores ex corticibus arborum siccatis confectas, imponendum curavi: ita ut sex ejusmodi capsas Mumia refertas haberem, in septima verò erant idola fictilia iisdem illis corporibus copulari solita. (4) Cum igitur de periculo deportationis ex nautis intellexissem, consului negotiatores mihi notos, quid mihi agendum suaderent, et num vera essent, quae nautae dicerent. Multi affirmabant rem ita se habere: multi pro fabulis
11–154,7 Radziwill 1601, S. 231–236
11 vidisse] Radziwill : didisse
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Anmerkungen zur Abhandlung über die Mumien des Andreas Gryphius 32 (1) Ein paar Worte noch, wohlwollender Leser, möchte ich eher auf Anregung meiner Freunde als aus eigenem Antrieb an dich richten, die mich, weil sie wollten, dass gewisse Dinge ein wenig weitläufiger erklärt werden, überzeugt haben, das Folgende hinzuzufügen. 33 (1) Ich habe auf Seite 3 erzählt, dass die Mumien durch ihren scheußlichen Anblick den Priester aus der Fassung brachten, der den berühmten Mann begleitete, der aus Ägypten zurückkehrte. Da habt ihr die Geschichte eben dieses Radziwills, denn so steht es im 3. Brief, Blatt 233: (2) Aber ich entschied, dass auch das hier nicht übergangen werden darf, was die Seeleute mit Gewissheit gesehen zu haben versichern: In welchem Schiff auch immer eine Mumie mitgeführt worden sei, es müsse entweder in höchste Gefahr geraten oder ganz unausweichlich Schiffbruch erleiden. Darum werden die, die Dinge auf das Schiff laden, eifrig ermahnt, dass sie keine Mumie mitnehmen sollen. Dafür wird dieser Grund genannt: Weil nämlich Mumien Leichname von Heiden sind, in denen, wie oben erwähnt, Götzenbilder verborgen sind, besteht kein Zweifel, dass sie wie auch ihre Seelen in Obhut und Macht von Dämonen gestellt sind, die niemals, auch nicht wenn sie von einem Ort an einen anderen überführt werden, von ihnen zu weichen pflegen. (3) Nachdem ich mich in Kairo in eine Höhle, wo solche Leichname bestattet sind, herabgelassen hatte, hatte ich zwei ganze Körper, wie schon gesagt, eines Mannes und einer Frau gekauft, noch in derselben Weise eingewickelt, wie sie dort verwahrt wurden. Damit sie leichter fortgebracht werden konnten, habe ich dafür gesorgt, dass jede in drei Teile zertrennt und in größere Kisten aus getrockneten Baumrinden gelegt wurde, sodass ich sechs solcher mit Mumien gefüllten Kisten hatte. In einer siebenten aber waren die Götzenbilder aus Ton, die für gewöhnlich jenen Körpern beigegeben werden. (4) Weil ich nun allerdings über die Gefahr einer Überführung durch die Seeleute unterrichtet war, habe ich mir bekannte Kaufleute dazu konsultiert, was sie mir zu tun anrieten, und ob es wahr sei, was die Seeleute sagen. Viele bestätigten, dass sich die Sache so verhalte, viele hielten es für eine Fabel
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haec ducebant, | affirmantes, quod ipsimet in Italiam saepissime Mumias per 96 mare deportarunt, neque tamen in ullum periculum hoc nomine inciderunt. Persuasione igitur illorum adductus decrevi corpora hac mecum asportare, ut in Europa ostenderem, qua ratione condita reperiantur, maximè quod ad partes nostras, à quodam integra delata fuisse, nunquam antea intellexeram. Quamobrem nihil ea de re cum Nauclero communicans, septem capsas illas Mumiarum, cum rebus aliis, in navem inferri jussi. Sed parum abfuit, quin statim in magnas difficultates incidissem. (5) Nam cum Turcae, res meas inspecturi in | Alexandria nos convenissent, ut 97 teloneum ab illis persolveremus, habebant in comitatu Judaeum, qui eorum interpres et Notarius fuerat. Hic quoniam Christianis utcunque favebat, quod Christianorum Merces assiduê pertractaret, à quibus non parum emolumenti, et honoraria frequentiora percipiebat, cum in capsis Mumiam repositam animadvertisset, statim easdem capsas claudi, et funiculis ligari praecepit, et Turcis quibus vinum propinabamus retulit nos in capsis illis nihil aliud habere praeterquam cochlearum testas, et conchas quales in maris littore legi solent: cujus relationi fidem Turcae adhibue|runt, quod et eorum minister esset, et 98 quod è conclavi, in quo vinum hauriebant, pedem efferre minus festinarent.
(6) Caussa cur Mumias Turcae prohibent efferri, haec esse perhibetur. Quandoquidem ipsi Magicis superstitionibus valde sunt addicti, persuasum habent, Christianos ejusmodi Ethnicorum Cadaveribus ad Magiam abuti. Verentur itaque ne per incantationes aliquas damnum ipsis et eorum ditionibus, facile non recuperandum inferant: idque diligenter praecauent. Difficulter igitur integra Mumia extrahitur â mercatoribus: qui clam et minutatim ejusmodi merces avehere solent. Judaeo itaque illi bonum | honorarium dedi: qui si Turcis 99 de Mumia aperuisset, non parvum discrimen nobis imminebat, quod ingenti aliqua pecuniae summa redimendum erat.
(7) Cum itaque priori tempestate jactaremur, nullus nostrum de Mumia hac meminerant. Erat mecum in eadem navi Sacerdos Polonus, Simon Albimontanus, qui patentes Regis Stephani litteras habebat, et sepulchrum Dominicum visitaverat. Eum primum Hierosolyma revertens, Tripoli videram, et denuo Cypri, cum in Aegyptum proficiscerer, obvium habui; qui Hierosolymam tendebat. Postremo venit Alexandriam Sabbatho hora vigesima: ego vero sequenti
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und versicherten, dass sie selbst sehr oft Mumien über das Meer nach Italien gebracht haben und deshalb trotzdem in keinerlei Gefahr geraten sind. Von ihnen also überzeugt, beschloss ich, die Körper mit mir hierher mitzunehmen, um in Europa zu zeigen, mit welcher Methode balsamiert sie aufgefunden werden, vor allem weil ich niemals zuvor gehört hatte, dass jemand in unsere Gegenden ganze Körper herübergebracht hätte. Darum befahl ich, ohne dem Kapitän von dieser Sache zu erzählen, jene sieben Kisten mit den Mumien zusammen mit anderen Dingen auf das Schiff zu laden. Aber es fehlte wenig, dass ich nicht alsbald in große Schwierigkeiten geraten wäre. (5) Als nämlich die Türken in Alexandria zu uns kamen, um meine Sachen zu begutachten und den Zoll darauf zu erheben, waren sie in Begleitung eines Juden, der ihr Übersetzer und Notar war. Dieser, weil er den Christen in jedem Fall gewogen war, da er die Waren der Christen ständig begutachtete und von ihnen häufige und nicht geringe Zuwendungen erhielt, als er bemerkt hatte, dass in den Kisten eine Mumie war, veranlasste, eben diese Kisten sofort zu verschließen und mit Stricken zu umbinden und berichtete den Türken, denen wir Wein zu trinken gaben, dass wir in jenen Kisten nichts als Schneckenhäuser und Muscheln hätten, wie sie am Ufer des Meeres aufgesammelt zu werden pflegen. Seiner Aussage vertrauten die Türken, teils weil er ihr Diener war, teils weil sie wenig Eile hatten, sich aus dem Gemach wegzubegeben, in dem sie den Wein tranken. (6) Der Grund, warum die Türken verbieten Mumien auszuführen, soll folgender sein: Weil sie selbst ja Magie und Aberglauben sehr ergeben sind, haben sie die Überzeugung, dass die Christen derartige Leichname von Heiden zur Magie missbrauchen. Sie fürchten also, dass diese ihnen selbst oder ihrer Herrschaft durch irgendwelche Zaubereien Schaden zufügen, der nicht leicht wieder behoben werden kann, und versuchen diesem durch ihre Vorsicht zuvorzukommen. Nur unter Schwierigkeiten wird also eine ganze Mumie von den Kaufleuten fortgeschafft, die derartige Waren gewöhnlich heimlich und in kleinen Stücken fortbringen. Darum habe ich dem Juden eine ordentliche Belohnung gegeben. Wenn er die Türken auf die Mumie hingewiesen hätte, hätte uns nicht geringe Gefahr gedroht, aus der wir uns durch eine gewaltige Geldsumme hätten freikaufen müssen. (7) Als wir nun vom ersten Unwetter hin und her geworfen wurden, dachte keiner von uns an die Mumie. Mit mir im selben Schiff war ein polnischer Priester, Simon Albimontanus, der ein Empfehlungsschreiben von König Stephan besaß und das Grab des Herrn besichtigt hatte. Diesen hatte ich das erste Mal in Tripolis gesehen, als ich von Jerusalem wiederkam, und war ihm, der nach Jerusalem wollte, ein weiteres Mal auf dem Weg nach Ägypten auf Zypern begegnet. Schließlich kam er am Samstag zur 20. Stunde nach Alexan-
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die circiter | quindecimam horam navem conscenderam. Hic igitur cum pecu- 100 nia destitutus esset in extera regione, nec consilium reperiret, quidnam agere deberet; petivit à me, ut illi opem ferrem, quod potui, non invitus eidem obtuli. Sed cùm animadverterem, illum brevi ad necessitatem redactum iri; nec, visitatione S. Sepulchri absoluta, quid in Aegypto faceret, causam esse: instante eo, ut eum mecum in partes Christianorum reducerem, acquievi libenter: quod eum bonum virum et pium Sacerdotem viderem, et meum quoque popularem, cui deesse non liceret. Hic de Mumiae cadaveribus hisce nullam plane notitiam habuit. Nam | ante quam Alexandriam pervenisset triduo res meae in 101 navem illatae erant; ipse interim in civitate degens, venti et navigationis commoditatem opperiebar. (8) Cum igitur in priori tempestate versaremur, Sacerdos hic preces Horarias recitans, conquerebatur, duo sibi spectra magnum impedimentum adferre, et quocunque tandem lοcο in navi consisteret, semper eum comitari. Haec cum primum audiremus, mirabamur: postea verò (ut hominibus inusitatum non est in communi calamitate, ad fortuitos proximi casus, risu potius quam compassione commoveri) rem in jocum vertimus tempestate sedata, existimantes has imaginatio|nes è metu provenisse, ut plerumque navigantibus in periculis 102 objici solent.
(9) Sed cum in altera tempestate denuo de spectris ejusmodi vehementer conquereretur, asserens, se virum et mulierem nigram, tali et tali habitu indutos videre: qualem nec mei quidem servitores, duobus tantum exceptis, in Mumiis illis viderant, nec de illo Sacerdoti indicare poterant, mirari accuratius coepimus. Certissimum enim erat, neminem servitorum de Cadaveribus istis scivisse, praeter duos illos, qui secretum hoc nemini procul dubio, extraneo praesertim, aperuerant. Sed nec tunc quidem Mumia nobis in mentem venerat.
(10) Postremo to|tus conturbatus, pallidus, et tremens Sacerdos ad me accur- 103 rit, exposuitque, quam horrendum in modum â spectris hisce, inter orandum, exagitetur, immo laceretur. Tandem incidit mihi forte illum haec pati occasione corporum istorum Mumiaticorum. Misi itaque ad Navarchum, ut inferiorem Saitiae navis partem nobis recludi juberet, caussam tamen reticendo. Volebam siquidem capsas illas Mumiarum clàm in mare projicere. Sed Navarchus respondit, se id facere non posse, propter ingentes fluctus, qui Saitiam operiebant, ut omnes madefieremus. Expectaremus modicum, statim nos omnes
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dria. Ich aber hatte am folgenden Tag um die 15. Stunde das Schiff bestiegen. Dieser also, weil er ohne Geld in einem fremden Land war und keinen Rat fand, was nun zu tun sei, bat mich ihm zu helfen und ich bot demselben gern an, was ich konnte. Als ich aber bemerkte, dass er in Kürze Not leiden würde und dass er, nachdem er das Heilige Grab gesehen hatte, nichts in Ägypten zu tun hatte, und weil er drängte, ihn mit mir in christliche Gefilde zurückzubringen, war ich gern behilflich, wo ich in ihm doch einen guten Mann und frommen Priester sah und auch meinen Landsmann, den ich nicht im Stich lassen durfte. Er hatte von diesen Mumienkörpern überhaupt keine Kenntnis. Denn meine Sachen waren drei Tage, bevor er nach Alexandria gekommen war, auf das Schiff geschafft worden. Ich selbst verweilte unterdessen in der Stadt und wartete auf den rechten Zeitpunkt für Wind und die Seereise. (8) Als wir also in das erste Unwetter gerieten, trug dieser Priester das Stundengebet vor und beklagte, dass ihm zwei Gespenster sehr zu schaffen machten und ihm, wo auch immer er sich auf dem Schiff aufhielt, stets folgten. Als wir dies zum ersten Mal hörten, wunderten wir uns. Später aber (wie es für Menschen, die gemeinsam in einer gefährlichen Situation sind, nicht ungewöhnlich ist, bei zufälligen Begebenheiten, die dem Nächsten zustoßen, eher von Lachen als von Mitleid ergriffen zu werden), nachdem das Unwetter sich gelegt hatte, machten wir einen Spaß aus der Sache, weil wir meinten, diese Einbildungen rührten von der Furcht her, wie sie meistens Seeleuten bei Gefahren zu widerfahren pflegen. (9) Als er sich aber dann bei einem anderen Unwetter über derartige Gespenster heftig beklagte und behauptete, dass er einen Mann und eine schwarze Frau mit dieser und jener Kleidung sehe, welche noch nicht einmal meine Diener, nur zwei ausgenommen, an den Mumien gesehen hatten, und dem Priester davon nicht hatten erzählen können, begannen wir, uns mehr zu wundern. Ganz sicher war nämlich, dass keiner der Diener von diesen Leichen gewusst hatte, außer jenen beiden, die das Geheimnis ohne Zweifel niemandem, erst recht keinem Fremden, eröffnet hatten. Aber auch dann kam uns nicht die Mumie in den Sinn. (10) Schließlich kam der Priester völlig verwirrt, bleich und zitternd zu mir gelaufen und schilderte, auf welch schreckliche Weise er von diesen Gespenstern beim Beten aufgescheucht, ja sogar gequält werde. Endlich fiel mir ein, dass er all dies vielleicht aufgrund jener Mumienkörper erleide. Deshalb schickte ich nach dem Kapitän, damit er mir den unteren Teil des Schiffes Saitia aufschließen lasse, den Grund jedoch verschwieg ich. Ich wollte nämlich jene Kisten mit den Mumien heimlich ins Wasser werfen. Aber der Kapitän antwortete, dass er es wegen der gewaltigen Wellen nicht tun könne, die die Saitia bedeckten, sodass wir alle nass wurden. Wir sollten ein wenig warten,
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interituros, nec esse cur inferius | descenderemus, mox in ipso gurgite futuri. 104 Et videbamus quidem apertè periculum maximum instare, si navis aperiretur: ex alia parte Presbyter de spectrorum vexatione mirum in modum lamentabatur. Nesciebamus itaque quid nobis agendum esset.
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(11) Ubi verò S. Germanus apparere, et ventus contrarius subsidere coepit; Cum jam illucesceret, navem aperiri jussi. Et quamvis, ut paulo superius scripsi, apparente ejusmodi sydere, navis extra periculum esse soleat, spectris nihilominus Sacerdoti molestiam inferentibus; septem capsas illas in mare projici jussi. Quod ubi factum, Navarchus statim ad me accur|rit, percunctans 105 quidnam abjecissemus: nunquid Mumiam? Fassus sum. Expavit illico vehementer; sed postea se recolligens, erat recreatus; et certo promittebat, nos tempestatem amplius non habituros. Et non frustra haec praedixit. Nam licet apud Insulam Carpathos insurrexerat, minus vehemens tamen fuit, et S. Germano semel apparente, statim cessavit.
(12) Dixit mihi postea Navarchus, quo tempore ad eum mittebam, ut navem aperiret, etiamsi illi dictum fuisset, id propter Mumiam fieri, nunquam tamen aperturum fuisse, propter undarum insurgentium impetum: et quod jam certo nos interituros credebat, | momentum tantum demersionis expectans. Quaere- 106 bat et Sacerdos quidnam in mare projectum fuisset. Cumque illi dixissem, majore etiam timore correptus, tanquam vir Ecclesiasticus arguere me coepit, quod Ethnicorum corpora circumferre veritus non fuerim, propter quae tantum vexationis pertulerit; nec aliam spectrorum apparentium caussam fuisse. Ego reprehensionem boni Sacerdotis grato animo suscepi: ne tamen sinistri aliquid de me suspicaretur, reddidi caussam facti, me Mumiam, cujus in Medicinis frequens et necessarius esset usus, propter juvandos infirmos asportare voluisse; | neque ab Ecclesia prohibitum cuiquam esse, ne Mumiam in 107 partes Christianorum deferret.
(13) Cretam cum devenissemus, quaerebat Theologorum de Mumia sententiam: qui docuerunt, ejus importationem Christianis non vetari. Atque ita demum me purgatum et excusatum habuit. Apparuit et hinc, nihil illum de
24 suspicaretur] susspiacetur
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wir würden sogleich alle untergehen und es gebe keinen Anlass nach unten zu gehen, denn bald würden wir auf dem Grund selbst sein. Wir sahen natürlich auch, dass ganz offensichtlich höchste Gefahr drohte, wenn man das Schiff öffnen würde. Andererseits beklagte sich der Priester in seltsamer Weise über die Qual durch die Gespenster. Deshalb wussten wir nicht, was wir tun sollten. (11) Sobald aber St. Germanus zu erscheinen und der widrige Wind sich zu legen begann, als es sich schon aufhellte, befahl ich das Schiff zu öffnen. Und obwohl, wie ich gerade geschrieben habe, das Schiff, wenn ein solcher Stern erscheint, für gewöhnlich außer Gefahr ist, befahl ich, nachdem die Gespenster den Priester um nichts weniger belästigten, jene sieben Kisten ins Meer zu werfen. Sobald das erledigt war, lief der Kapitän sofort zu mir und fragte, was wir denn über Bord geworfen hätten. Etwa eine Mumie? Ich gestand es. Er erschrak sogleich heftig, aber später fing er sich wieder und kam zu Kräften und versprach uns mit Gewissheit, dass wir kein Unwetter mehr haben würden. Und er hat dies nicht grundlos vorausgesagt. Denn bei der Insel Carpathos hatte sich eines erhoben, das jedoch weniger heftig war, und, als St. Germanus auf einmal erschien, verschwand es sofort. (12) Später sagte mir der Kapitän, zu dem Zeitpunkt, als ich nach ihm schickte, um das Schiff zu öffnen, wenn ich ihm auch gesagt hätte, dass es wegen einer Mumie sei, hätte er es wegen der Gewalt der sich erhebenden Wellen trotzdem niemals geöffnet, und weil er es schon für gewiss hielt, dass wir alle untergehen würden und er nur den Moment des Untergangs abwartete. Auch der Priester fragte, was denn ins Meer geworfen worden sei. Und als ich es ihm gesagt hatte, ergriff ihn eine noch größere Angst und er begann als Kirchenmann mich zu tadeln, dass ich allein, weil ich mich nicht gescheut habe, die Körper von Heiden umher zu transportieren, derentwegen er so viele Qualen erlitten habe, am Erscheinen der Gespenster schuld sei. Ich habe den Tadel des guten Priesters dankend angenommen. Damit er dennoch nicht irgendwelche üblen Verdächtigungen gegen mich hegte, nannte ich ihm die Ursache meines Tuns, dass ich die Mumie, die in der Medizin häufig und nötig gebraucht würde, zur Hilfe der Schwachen hatte überführen wollen und dass es von Seiten der Kirche niemandem verboten sei, eine Mumie in christliche Gefilde zu bringen. (13) Als wir auf Kreta angekommen waren, fragte er die Theologen nach ihrer Meinung über die Mumie. Sie belehrten ihn, dass deren Import den Christen nicht verboten sei. Und so hielt er mich endlich für freigesprochen und ent-
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Corporibus istis cogitasse. De quibus, si notitiam aliquam habuisset, non intermisisset profectò, et metu periculi, et officio Sacerdotali adductus, quin me commoneret: maximè quod jam nos morituros credebamus, et ipsemet 108 Orationes in periculo recitari solitas, nobis subsequentibus inchoaret. |
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(14) Neque haec ideò sunt hic â me commemorata quasi pro certo comprobare velim, propter Mumiae corpora, quod multi volunt, naufragia ejusmodi provenire: sed ut doceam, ista nobis in hac navigatione contigisse.
34 (1) Caeterum emoveri maria, exciri tempestates ventosque in naves, quae cadavera ejuscemodi deferrent, auditum creditumque eruditissimo Bodino, qui 10 postremo opere quod Naturae Theatrum inscripsit, Lib. II. hanc in rem inquirit. (2) Sic etenim ubi de ventis praeter naturam peroravit: ore Theori:
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Sed mirabilius est illud, quòd si Cadaver ex Aegyptiorum sepulchris | erutum 109 navibus aliò transvehatur, violentissimae tempestates tamdiu navim jactant, quousque demergatur, aut Cadaver in mare projiciatur, aut jactum fecerint vectores: unde nam illa vis procellarum?
(3) Cui reponit Mystagogus:
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Id quidem experientia tam diuturna comprobatum est, ut legibus nauticis Aegyptiorum naufragis damna ferant ii, quorum exercitores aut servi cadavera, quae Plinius funera medicata vocat, capsis abdiderint, ut navibus transveherent, Momiam vulgus appellat. Sunt enim illa cadavera suavissimis ac incidentibus aromatis sic exsiccata, ut Saccari Cretici durissimi colorem ac duritiem imitari vi|deantur, fasciolis telarum tenuium multis involucris com- 110 plicatarum omnino tecta, vacuatis visceribus et inaurata cute: nihil enim à
12–15 Bodin 1605, S. 172 17–156,15 Bodin 1605, S. 172–174
17 tam] tum cf. Bodin
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schuldigt. Hieraus wurde auch deutlich, dass er nichts von jenen Körpern gewusst hatte. Wenn er irgendeine Kenntnis von ihnen gehabt hätte, hätte er es auf keinen Fall unterlassen, teils aus Furcht vor der Gefahr, teils wegen seines Priesteramtes, mich zu ermahnen, vor allem weil wir schon glaubten, dass wir im nächsten Moment sterben würden, und er selbst die Gebete, die bei Gefahr üblicherweise gesprochen werden, anstimmte, die wir nachsagten. (14) Ich habe das hier nicht so dargelegt, um zu beweisen, dass wegen der Mumienkörper, was viele so sehen, ein derartiger Schiffbruch geschehen würde, sondern um darüber zu unterrichten, dass uns diese Dinge auf dieser Schiffreise zugestoßen waren. 34 (1) Dass übrigens die Meere emporgewühlt werden, dass Stürme und Winde gegen die Schiffe aufgescheucht werden, die solche Leichname fortschaffen, hörte und glaubte der sehr gelehrte Bodin, der in seinem letzten Werk, das er Theatrum Naturae betitelte, diese Angelegenheit im 2. Buch untersucht hat. (2) So nämlich sprach er, als er die widernatürlichen Winde erörterte, durch den Mund des Theorus: Noch verwunderlicher aber ist folgendes: Wenn nun ein Leichnam, der aus den Gräbern der Ägypter ausgegraben wurde, per Schiff an einen anderen Ort überführt wird, werfen heftigste Stürme das Schiff so lange hin und her, bis es untergeht oder der Leichnam ins Meer geworfen wird oder sie die Passagiere über Bord werfen. Woher kommt denn jene Kraft der heftigen Stürme? (3) Diesem erwidert Mystagogus: Es wurde ja durch eine so lange Erfahrung bestätigt, dass nach den Schifffahrtsgesetzen der Ägypter die Schäden eines Schiffbruchs diejenigen tragen, deren Arbeiter oder Diener Leichname, die Plinius funera medicata nennt, in Kisten versteckt haben, um per Schiff zu überführen, was man gemeinhin die Mumie nennt. Es sind nämlich jene Leichname, die durch sehr liebliche und sich einfressende Spezereien so ausgetrocknet sind, dass sie in Farbe und Härte dem sehr harten kretischen Zucker ähnlich zu sein scheinen, und die ganz und gar verhüllt sind von kleinen Binden aus feinem Gewebe, das von den vielen Verhüllungen zusammengehalten wird, nachdem ihnen die Eingeweide herausgenommen und die Haut vergoldet wurde. Denn nichts bewahrt
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putredine aut aerugine diutius conservat quam aurum. Intus autem Isidis imagines pro visceribus reconditas habent: ac talium quidem cadaverum sepulchra sunt infinita in arena purissima et aridissima, ac potissimum sub pyramidibus, quae sunt innumerabiles: quibus vim medicinalem plerique inesse tantam arbitrantur, ut propter ea sepulchra effodiant. Certè quidem Franciscus I. Rex Francorum Momiam illam quocunque iret, devehi curabat, quasi 111 morborum omnium singu|lare medicamentum. (4) Hoc igitur daemonum potestate fieri nemo nisi valdè stupidus dubitare potest. An quia execreta sunt illa Cadavera, quae Isidis idola prae se ferunt? An verò daemones sua cadavera furtis eripi nolunt? Dubium quidem est: illud tamen verisimilius est, propter ejus execrationem, qui sepulchrum violavit, contingere. Est enim ab antiquissima memoria perceptum et cognitum, propter unius execrationem tempestates ac procellas ventis conspirantibus in mari excitari: atque ob id sortem jacere consueverant, ut eum in quem sors cecidis112 set, demergerent: tunc repente venti re|mittebantur.
(5) Saccari Cretici colorem referre, quis credat qui saepius funera haec inspexit? de duritie, cedo, sed nec de omnibus id dici, nec de omnium omnibus omninô membris, id scribi posse compertum est, inauratam cutem quod attinet: id tantùm moneo, dari ejuscemodi Mumias, sed rariores. Exhibet theatrum Anatomi20 corum, quod Lugduni Batavorum, utramque Aegyptii cadaveris manum avulsam, auro obductam.
35 (1) Certumne verò, quod hi affirmant; haud patiens aequor Mummiarum? Memini, dum viverem Patavii, exquisivisse nos sententiam Nobilissimi Veslingii, Rei herbariae et Anatomicae Professoris Celeberrimi, quique, quod apprime 25 huc facit, diu Cairi, et in aliis per Aegyptum locis substiterat, is nos hujus rei ambiguos dimisit, propior tamen neganti. (2) Sane rationem, quam adfert ill. Ra|zevilius, si expendas, haud usque quaque 113 validam experiere. Quandoquidem Mumiae Ethnicorum (sic ille) sunt cadavera in quibus idola, ut dictum est superius reconduntur, dubium non est, quin in cura
28–158,3 Radziwill 1601, S. 231 6 devehi] deuchi 12 perceptum] Bodin : preceptum
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länger vor Verwesung und Auflösung als Gold. Im Innern wiederum haben sie anstelle der Eingeweide Abbilder der Isis verborgen. Und Gräber solcher Leichname gibt es ja unendlich viele im sehr reinen und trockenen Wüstensand, und besonders unter den Pyramiden, von denen es unzählige gibt. Sehr viele Leute glauben, dass diese eine so große Heilwirkung haben, dass sie ihretwegen die Gräber ausheben. Jedenfalls ließ der französische König Franz I. jene mumia mitnehmen, wohin auch immer er reiste, gewissermaßen als einziges Medikament gegen alle Krankheiten. (4) Dass dies also durch die Macht von Dämonen geschieht, kann nur ein sehr dummer Mensch bezweifeln. Ob, weil jene Leichname verwünscht sind, die Götzenbilder der Isis zur Schau tragen? Oder aber wollen die Dämonen nicht, dass ihre Leichname gestohlen werden? Der Verdacht besteht jedenfalls. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich wegen der Verfluchung desjenigen, der das Grab geschändet hat, ereignet. Denn von ältesten Zeiten an ist bemerkt und erfasst worden, dass auf dem Meer wegen des Fluchs gegen einen Einzelnen Unwetter und Stürme durch Winde, die zusammenwirken, entfacht werden. Und deswegen pflegte man das Los zu werfen und warf den, auf den das Los fiel, über Bord. Daraufhin ließen die Winde sofort nach. (5) Wer, der diese toten Körper des Öfteren gesehen hat, soll glauben, dass sie in Farbe dem kretischen Zucker ähneln? Die Erfahrung lehrt, dass man das – da stimme ich zu – über die Härte sagen kann, aber nicht über alle Eigenschaften, und dass man das nicht über alle Körperteile aller Körper überhaupt schreiben kann. Was die vergoldete Haut betrifft, gebe ich nur zu bedenken, dass es derlei Mumien gibt, aber ziemlich selten. Das anatomische Theater in Leiden stellt die beiden abgerissenen, mit Gold überzogenen Hände eines ägyptischen Leichnams aus. 35 (1) Ist es nun tatsächlich sicher, was behauptet wird, dass das Meer die Mumien nicht duldet? Ich erinnere mich, dass ich, als ich in Padua lebte, den vornehmsten Herrn Vesling um seine Meinung bat, den hochberühmten Professor für Botanik und Anatomie, der sich auch – was hier besonders wichtig ist – lange Zeit in Kairo und an anderen Orten in Ägypten aufgehalten hatte. Er, eher einer negativen Antwort zugeneigt, ließ mich in dieser Frage unschlüssig gehen. (2) Wenn man die Überlegung, die der berühmte Radziwill vorbringt, recht abwägt, wird man erkennen, dass sie nicht immer zutrifft. Weil nämlich Mumien Leichname von Heiden sind (so jener), in denen, wie oben erwähnt, Götzenbilder
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et potestate Daemonum, prout et animae ipsorum, sunt constituta. Qui nunquam ab eis etiamsi de lοcο in locum transferantur recedere, addere debuisset: et ob id maria commovere, solent. Haud equidem negarim esse haec cadavera, idolis praesertim illustria, teterrimorum Geniorum curae credita, quod sane Kircherus 5 syntagmate de Mumiis, productis ipsis devotionum tabulis ivit assertum,
(3) haud tamen inde colligas: Ergò maria respuunt, aut mergunt ejusmodi Mumiarum delatrices naves. Si Daemon custos cadaveri quasi addictus; cur patitur effodi sepulcreta, cur erui corpus sandapilâ, cur efferri cryptis, quid obstat, quo minus | arceat, terrore strepitu, vi denique aggressores conditoriis, quid impedit 114 10 quo minus saeviat in ipsos pharmacorum artifices, qui cadavera illa mutilant, deterunt, et varios comminuunt in usus.
(4) Sed nec semper infestas sensere tempestates, quotquot navigiis Cairo avexere Mumias, vel ipso teste Razivilio, qui, multi affirmabant rem ita se habere: multi pro fabulis haec ducebant: affirmantes quod ipsimet in Italiam saepissimè 15 Mumias per mare deportarunt, neque tamen in ullum periculum hoc nomine inciderunt. Idem asserere Eruditissimus Veslingius, idem mihi sciscitanti Batavorum Navarchae plures. (5) Eadem opponas licet Bodino. Si Daemones sua cadavera furtis eripi nolunt; eccur haud avertunt audaces hypogaeo manus? Aequè ii subterraneis in tene20 bris, ac aperto mari saeviunt. At si execrabilis et sacer, qui sepulchrum violat; is | certè obnoxius erit anathemati, qui manus funeri injicit, haud qui Cairo aut 115 aliunde emptum, alias in Orbis oras tumbae subductum transfert, fors majore cura asservandum quam patrio in tumulo, quod avaritia recludit, disjicitque.
(6) Credit Bodinus, esse ab antiquissima memoria perceptum et cognitum propter 25 unius execrationem tempestates ac procellas ventis conspirantibus excitari, et loquitur sanè ex mente non modo veterum Graecorum Romanorumque:
13–16 Radziwill 1601, S. 232
18 Bodin 1605, S. 173 24–25 Bodin 1605, S. 173
24 perceptum] Bodin : preceptum
26 in marg. Virgil. Aeneid. 1.
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verborgen sind, besteht kein Zweifel, dass sie wie auch die Seelen derselben in Obhut und Macht von Dämonen gestellt sind, die niemals, auch nicht wenn sie von einem Ort an einen anderen überführt werden, von ihnen zu weichen – er hätte hinzufügen müssen: und darum die Meere aufzupeitschen – pflegen. Ich jedenfalls möchte nicht leugnen, dass diese Leichname, besonders die mit Götzenbildern geschmückten, der Obhut abscheulichster Schutzgeister anvertraut wurden, was Kircher ja in der Abhandlung De Mumiis unter Anführung der Tafeln mit den Gebeten behauptete. (3) Doch kann man hieraus nicht den Schluss ziehen: Also stoßen die Meere Schiffe, die solche Mumien transportieren, zurück oder versenken sie. Wenn ein Dämon dem Leichnam als Wächter sozusagen ergeben ist, warum gestattet er, dass die Grabstätten ausgegraben werden, warum dass der Körper aus dem Sarg herausgescharrt wird, warum dass er aus den Grüften herausgetragen wird? Was steht dagegen, dass er durch Schrecken, Getöse, ja durch Gewalt die Eindringlinge von den Grabkammern fernhält? Was hindert ihn, dass er bei den Apothekern selbst wütet, die die Leichname verstümmeln, zerreiben, und zu unterschiedlichen Zwecken zerstückeln? (4) Außerdem hat man auch nicht immer gefährliche Unwetter vernommen, wie viele Mumien man auch immer mit Schiffen von Kairo fortbrachte – bezeugt sogar durch Radziwill selbst, der schreibt: Viele bestätigten, dass sich die Sache so verhalte, viele hielten es für eine Fabel und versicherten, dass sie selbst sehr oft Mumien über das Meer nach Italien gebracht haben und deshalb trotzdem in keinerlei Gefahr geraten sind. Dasselbe behauptete der außerordentlich gelehrte Vesling, dasselbe viele Kapitäne der Holländer mir gegenüber, als ich mich erkundigte. (5) Genau diese Dinge seien gegen Bodin anzubringen erlaubt: Wenn die Dämonen nicht wollen, dass ihre Leichname gestohlen werden, warum halten sie die verwegenen Hände denn nicht vom Grab fern? Sie wüten in unterirdischer Verborgenheit ebenso wie auf dem offenen Meer. Aber wenn der, der das Grab schändet, verflucht und verwünscht ist, wird mit Sicherheit der Verfluchung ausgesetzt sein, der Hand an den Leichnam legt, und nicht der, der den in Kairo oder anderswo gekauften und dem Grab entwendeten Leichnam in andere Gegenden der Welt überführt, um ihn vielleicht mit größerem Aufwand zu verwahren als im heimatlichen Grab, das die Habgier geöffnet und zerstört hat. (6) Bodin meint, es sei von den ältesten Zeiten an bemerkt und erfasst worden, dass wegen des Fluchs gegen einen Einzelnen Unwetter und Stürme durch Winde, die zusammenwirken, entfacht werden, und schreibt ganz recht nach Ansicht nicht nur der alten Griechen und Römer:
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Pallas ne exurere classem Argivum, atque ipsos potuit submergere ponto, Unius ob noxam et furias Ajacis Oilei? Ipsa Jovis rapidum jaculata è nubibus ignem Disjecitque rates evertitque aequora ventis! Illum expirantem transfixo pectore flammas | Turbine corripuit, scopoloque infixit acuto.
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Sed et Hebraeorum, quorum ille mysteriis evolvendis sub vitae finem addictior. (7) At quam haec vana seculo nostro credulitas. Ec quot vexere maria impunè 10 conjuratas in coelum manus, quot impiatos quovis flagitio parricidas! Quot
denique eorum, quibus DEUS, jus, fas, avernus; nauci, ludibrio, nihili. Quid agmina loquar piratarum, qui alieno vivunt sudore, luxuriant sanguine! Inspice denique turmas eorum, quos remis lex mancipavit atque praetor: censebimus ne morum integros ac vitae, quos ne flagitiorum quidem poenae, flagitiis abster15 rent. Haut ignota loquor, iis saltem qui navium ejuscemodi vectura paucos dies usi.
(8) Unde denique nobis tot ubique locorum mummiae, si aditum emptoribus earundem mercium maria | non pandunt. Vana itaque haec Religio antiqua ta- 117 men, et nisi me omnia fallunt inde enata, quod cadaver humanum jam olim 20 recusarunt Nautae, et quidem adacti necessitate. Quis etenim ferat inter nausceam marini carceris, inter uliginem foetoremque sentinarum insuper abominandos odores, corporis in sua se primordia solventis? Accessit dein temporum diuturnitate superstitio creditumque aequori id dari: quod salubritati vectorum. Principum sane et opulentiorum funera, in dies huc illuc mari delata, quis non 25 vidit. Ridendum vero jure censeam, qui credit alio putore fatiscere artus atque membra hominis olim lautioris, ac remigis de scalmo; vel mendicabuli de trivio. Quotusquisque verò eorum qui maria sulcant; tempestates nunquam habuit adversas? Hinc facile factum, cadaveri ut | imputarent, quod asscribendum aeri, 118 furentium ventorum turbinumque procellâ commoto.
1–7 Verg. Aen. 1,39–45 1 ne exurere] ne - exurere
1 classem] classem. 5 rates] rateis
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Konnte nicht Pallas die Flotte der Argiver verbrennen und sie selbst im Meer versenken, einzig wegen Schuld und Wahnsinn des Ajax, Sohn des Oileus? Sie selbst schleuderte Iuppiters verzehrenden Blitz von den Wolken herab, trieb die Schiffe auseinander und wühlte durch Winde die See auf! Ihn, der mit durchbohrter Brust Flammen aushauchte, ergriff sie im Wirbelsturm und schmetterte ihn auf einen spitzen Felsen, sondern auch nach Ansicht der Hebräer, deren Geheimlehren zu entschlüsseln sich jener gegen Ende seines Lebens vollkommen gewidmet hatte. (7) Wie gegenstandslos ist dagegen die Leichtgläubigkeit in unserer Zeit! Wie viele Verbrecher, die sich ungestraft gegen den Himmel verschworen haben, wie viele Mörder, durch welche Schandtat auch immer versündigt, haben die Meere wohl schon getragen! Und schließlich, wie viele sind darunter, denen GOTT, menschliches und göttliches Recht, auch die Hölle nichts wert sind, zum Gespött dienen, ja schlicht nichts bedeuten? Was soll ich über die Scharen von Piraten sagen, die von fremdem Schweiß leben und in Blut schwelgen? Schau schließlich die Scharen derer an, die das Gesetz und ein Richter den Rudern übergeben haben. Ich werde wohl richtig liegen, dass es nicht die Sittensamen und Unbescholtenen sind, die nicht einmal die Strafen für die Schandtaten von den Schandtaten abhalten. Ich sage nichts unbekanntes, wenigstens nicht für die, die einige Tage mit derlei Schiffen gereist sind. (8) Woher schließlich haben wir überall so viele Mumien, wenn die Meere den Käufern derselben Waren den Zugang verwehren? Nichtig ist deswegen doch dieser alte Aberglaube und, wenn mich nicht alles täuscht, daher entstanden, dass die Seeleute menschliche Leichname schon seit langem zurückweisen, und zwar aus der Notwendigkeit heraus. Wer nämlich würde unter Seekrankheit als Gefangener des Meeres, unter Nässe und Gestank der Schiffsjauche überdies die abscheulichen Gerüche eines Körpers ertragen, der sich in seine Elemente auflöst? Hinzu kam mit der Zeit der Aberglaube, dass man das dem Meer übergibt, was dem Wohl der Passagiere dient. Wer hat nicht gesehen, dass die Leichname von Fürsten und reicheren Leuten tagtäglich hierhin und dorthin zu Wasser transportiert werden? Mit Recht wohl würde ich den auslachen, der meint, dass der Körper eines einst vornehmeren Menschen in einer anderen Fäulnis zerfällt als der des Ruderknechts am Ruder oder des Bettlers an der Wegkreuzung. Wie wenige allerdings von denen, die die Meere durchfahren, erlebten niemals widrige Winde? Daher geschah es leicht, dass man dem Leichnam anlastete, was der Luft, die vom Sturm der tobenden Winde und Wirbel aufgewühlt wurde, zugeschrieben werden muss.
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Mumiae Wratislavienses 35,9–36,3
(9) Urgeat quis tamen, quod asserit Illustris Radzevilius comparuisse Mummiarum larvas atque exagitasse Sacerdotem! Quid si, (quod solemne tristioribus Geniis,) firmandae huic superstitioni id factum! Quid si Sacerdoti colloquium inter arcanum ac sacrum, Radzevilii famulus, horrore cadaverum insolito ad 5 primum eorundem in Aegypto conspectum tactus, et piaculo cui se ob furtim subducta funera obnoxium credebat, cupidus exsolvi, id detexerit? Cujus denique utpote hominis, quantum ex ea naratione constat probi, sed minus providi mentem vexarit ea sive impressio profundiores inter curas exorta, sive luserit aeternus ille generis nostri hostis. Nec enim verò absonum, dari mortales prae 10 aliis, | ejusmodi terriculamentis mage obnoxios. Qua de re, (si Deus ac fata) 119 pleniore dissertatione lectori me satis facturum spero.
36 (1) Pag. 31. In mortuis pollingendis manus demissas et ad latera junctas. Verùm id et tale cadaver exhibet è Nardii apparatu Kircherus, syntagmate de Mumiis cap. V. p. 417. spectavimusque aliquoties brachia non inflexa. Soliti ta15 men potius decussatum pectori imponere cubitum utrumque pollinctores. Quod schema frequentius, aut, (quod observamus hacce dissertatione) mento subjicere manum complicatam.
(2) Pag. 42. Capillus brevior tamen, et qui non digiti dimidium excederet, extensi puta, non transversi. Nec est quod mireris, puellae nos id cadaver credidisse, 20 quarum capillus prolixior ut plurimum. Solemne quippe gentibus ad orien|tem, 120 ferro imminuere coesariem functorum. (3) Pag. 42. Dentium integra series. Nihil mirum! notarunt jam olim Viri varia rerum eruditione insignes, Aegypti incolas oculorum morbis frequentes obnoxios; dentium raro aut nunquam.
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FINIS.
12 § 14,3, i. e. Saumaise 1646, S. 381 18 § 18,3
22 18,4
4 famulus] famulas 13 Nardii] Nordii 23 morbis] mortis
Die Breslauer Mumien 35,9–36,3
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(9) Wer möchte trotzdem an dem festhalten, was der berühmte Radziwill behauptet, dass die bösen Geister der Mumien erschienen seien und den Priester heftig geplagt hätten? Was, wenn (was denkbar ist für allzu verstimmte Schutzgeister) es geschehen ist, um diesen Aberglauben zu bestätigen? Was, wenn ein Diener Radziwills, beim ersten Anblick der Leichname in Ägypten von einem unbehaglichen Entsetzen ergriffen und im Glauben, dass er wegen der heimlich fortgeschafften Leichname dem Unglück ausgesetzt sei, Sühne suchend, es dem Priester unter der Beichte offenbarte? Sei es, dass der Verstand dieses Mannes, der, soweit aus der Erzählung hervorgeht, eher brav als weitsichtig war, durch den Eindruck, den tiefe Sorgen hinterlassen hatten, gequält wurde, sei es, dass jener ewige Feind unseres Menschengeschlechts ihn genarrt hat. Denn in der Tat ist es auch nicht abwegig, dass es Menschen gibt, die derartigen Schreckensgespenstern mehr als andere ausgesetzt sind. Ich hoffe (so Gott und das Schicksal es wollen), dem Leser zu diesem Thema bald in einer umfangreicheren Abhandlung Genüge zu tun. 36 (1) Seite 31: Indem bei der Behandlung der Toten die Hände heruntergenommen und an die Körperseiten gelegt wurden. In der Tat stellt Kircher so einen Leichnam aus der Sammlung des Nardi vor, im Syntagma De Mumiis, Kapitel 5, Seite 417, und auch ich habe schon einige Male gesehen, dass die Arme nicht gebeugt waren. Für gewöhnlich allerdings legten die Leichenbesorger die beiden Ellenbogen lieber gekreuzt auf die Brust. Diese Haltung ist häufiger, oder auch (was wir in dieser Abhandlung hier beobachten) die geballte Faust an das Kinn reichen zu lassen. (2) Seite 42: Das Haar ist doch recht kurz und misst nicht mehr als einen halben Finger. Der Länge nach natürlich, nicht der Breite nach. Es verwundert nicht, dass wir diesen Leichnam für den eines Mädchens gehalten hatten, deren Haar doch meistens länger ist. Es war ja üblich bei den Völkern im Orient, das Haar der Toten mit einer eisernen Klinge zu kürzen. (3) Seite 42: Die Zähne waren vollständig. Kein Wunder! Es merkten schon einst durch ihre Gelehrsamkeit in verschiedenen Wissenschaften ausgezeichnete Männer an, dass die Einwohner Ägyptens häufig sehr empfänglich für Krankheiten der Augen waren, der Zähne selten oder niemals. Ende.
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3 Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar
3.2 Stellenkommentar Titelblatt Veit Jacob Trescher. In Breslau ansässiger Buchhändler, der ab 1657 beginnend mit Leo Armenius den Großteil von Gryphius’ Schriften verlegt hatte. Trescher hat sich außerdem um die Verlegung einiger Werke von Mitgliedern der Academia Naturae Curiosorum wie Johann Michael Fehr, Johann Laurentius Bausch und Philipp Jakob Sachs von Löwenheim sowie der Ephemerides, der weltweit ersten medizinisch-naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift, verdient gemacht.
Widmung Johann Friedrich Freiherr von Nimptsch. Entstammt dem schlesischen Adelsgeschlecht Nimptsch, wurde 1660 in den Freiherrenstand erhoben. Die Familien Gryphius und Nimptsch waren befreundet: Andreas Gryphius steuerte die Regio Viventium (1637, abgedruckt in: Gryphius 2001, S. 88) als Geleitgedicht zur Leichenpredigt auf den verstorbenen Onkel des Widmungsträgers, Friedrich von Nimptsch, bei, die sein Bruder Paul verfasst hatte. Johann Friedrich von Sack. Langjähriger Freund von Gryphius. Beide gingen 1634 zusammen nach Danzig (vgl. Flemming 1965, S. 26); ihre Wege kreuzten sich auch während der Studienjahre in Leiden. Gryphius widmete ihm die Sonntagssonette (1639) und das dritte Buch der Sonette (1657). Als er Danzig verließ, um Hauslehrer der Söhne Georg Schönborners zu werden, verfasste Gryphius ein Sonett auf die Freundschaft zu von Sack, das in Sonnete (1637) und in bearbeiteter Form im ersten Buch der Sonette (1643) erschien. Vgl. hierzu: Bonfatti 1998. Zudem ist Gryphius’ Eintrag in das Stammbuch von Sacks überliefert (abgedruckt in: Gryphius 2001, S. 72).
Vorrede an die Widmungsträger §1 dem hochwohlgeborenen und dem edelsten Herrn. Gryphius spricht die beiden Widmungsträger entsprechend ihrer Adelsprädikate getrennt an, wie sich aus § 2,1 und 2,2 ergibt. Hieraus folgt die vorliegende Übersetzung. für die Menschen gemacht sind. ‚Conditi‘ ist doppeldeutig: gemacht sein (condere) oder balsamiert werden (condire).
3.2 Stellenkommentar
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im Feuer zu zerstören. Die ägyptische Sitte der Körperbewahrung wird derjenigen der Körperverbrennung der griechisch-römischen Antike gegenüber gestellt. Gryphius denkt vielleicht an Tac. Ann. 16,6 über den Tod von Neros Frau Poppaea: „corpus non igni abolitum, ut Romanus mos, sed regum externorum consuetudine differtum odoribus conditur tumuloque Iuliorum infertur.“
§2 als Preußen, als die Niederlande uns in Anspruch nahm. Danzig und Leiden (s. o.). im Vaterland. Schlesien.
Vorrede an den Leser §3 fünf Jahre sind vergangen. Tatsächlich sind seit der Breslauer Sektion am 7. Dezember 1658 vier Jahre vergangen. Vgl. Kapitel 4.2.2. diejenigen verschiedenen Dinge ... überdauert haben. Weder in die vorliegende Abhandlung noch in eine andere Veröffentlichung sind die hier angekündigten Ausführungen eingeflossen. die Versprechungen de Bils. Der flämische Edelmann Lodewijk de Bils (1624– 1669) hatte eine Methode zur Leichenkonservierung erfunden, die ohne die Entnahme von Eingeweiden und die Austrocknung des Körpers auskam. Diese Technik war in den 1650er Jahren revolutionär, versprach sie doch anatomische Präparate, an denen die Strukturen des Körpers relativ unverändert, ohne Rücksicht auf die Verwesung und vor allem wiederholt studiert werden könnten. 1651 hatte der in Rotterdam ansässige de Bils der Sammlung des Leidener Anatomietheaters einige tierische und menschliche Präparate übergeben (vgl. Bils 1659, S. 7 f.), die angewandte Methode jedoch nicht verraten. In seinem 1659 veröffentlichten Exemplar fusioris Codocilli (zugleich auf Niederländisch als Kopye van zekere ampele acte van Jr. Louijs de Bils erschienen) stellte er auf der Suche nach Geldgebern den Plan für ein zukünftiges anatomisches Museum vor. Er versprach jedem, der mehr als 25 Gulden zahle, eine schriftliche Beschreibung seiner Methode und bot auch persönliche Unterweisungen an, jedoch unter der Voraussetzung, dass insgesamt 2000 Pfund zusammenkommen müssten. Anderenfalls würden alle ihr Geld zurückerhalten. Der Leidener Anatomieprofessor
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3 Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar
Otto Heurnius, mit dem de Bils sich später überwarf, steuerte zum Exemplar ein Vorwort bei, in dem er den Autodidakten würdigte. Das geplante Museum kam nie zustande. Die Methode de Bils bestand wohl darin, eine wachsähnliche Substanz ins Kreislaufsystem zu injizieren und den Körper dann in einer speziellen Flüssigkeit einzuweichen. Zu de Bils und seiner Methode vgl. Margócsy 2009, S. 187–192, und Cook 2002, bes. S. 232–234. was den Leichnam ... angeht. Zu finden in § 14. einem umfangreicheren Werk ... plane. Tatsächlich kennt Stieff 1737, S. 819, eine ungedruckte theologisch-philologische Abhandlung De cruciatibus et morte Salvatoris.
Dissertatio §4 Platons, Athenaios’, Plutarchs, Diodors, Herodots. Bei allen genannten handelt es sich um griechische Autoren, wobei die beiden ersten im gesamten Traktat nicht weiter herangezogen werden. In Platons (5.–4. Jh. v. Chr.) Werk finden sich zahlreiche Stellen einer Auseinandersetzung mit und Referenzen auf Ägypten (vgl. hierzu Nawratil 1974). Gleiches gilt für den in Ägypten geborenen Athenaios (2.–3. Jh. n. Chr.). Plutarch (1.–2. Jh. n. Chr.) legte mit De Iside et Osiride eine eigene Schrift über die ägyptischen Mysterienkulte vor. Die Beschreibungen des Landes, der Geschichte und der Bräuche Ägyptens sind im ersten Buch Diodors (1. Jh. v. Chr.) Bibliotheca sowie im zweiten Buch der Historiae Herodots (5. Jh. v. Chr.) zu finden. unterirdischen Höhlen der Mysterien. Höhlen als Kulträume sind für den Mithras-Kult, nicht aber für die ägyptischen Mysterien belegt. Die Verbindung der unterirdischen ägyptischen Architektur, die eigentlich der Bestattungskultur geschuldet war, mit einer Vorstellung von den Mysterien als Untergrundreligion war der Frühen Neuzeit nicht fremd. Cornelis de Pauw legte mit seinen Recherches philosophiques sur les Égyptiens et les Chinois 1774 eine solche Interpretation vor. Vgl. Assmann / Ebeling 2011, S. 117–124. älter ... Zeugnisse der Geschichtsschreibung. Als pater historiae (Cic. Leg. 1,5), Vater der Geschichtsschreibung, gilt Herodot. montium eductae pyramides certamine et opibus regum. Vgl. Tac. Ann. 2,61: „Obelisci certamine et opibus Principum montibus excisi“.
3.2 Stellenkommentar
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§5 Sammler. Anspielung auf jene Besitzer von Kunstkammern, die aus Kauf- und Schaulust sammeln (spectandi libido, emendi cupidinem) und ihre Ausstellungsstücke als Dekoration und Statusausweis begreifen (ornamenta). Der Tadel gilt nicht dem gelehrten Sammler, der den Erkenntnisgewinn anstrebt. bei den Niederländern ... weitergelangt. Gryphius sieht den Mumienhandel aus der Perspektive des Leidener Studenten: die Handelsschiffe erreichen die niederländischen Häfen, von wo aus die Kuriositäten nach Europa weitertransportiert werden. Tatsächlich aber verfügten gerade Italien mit Venedig und Frankreich mit Marseille über eigene Fernhandelsrouten mit Alexandria. Fürst Radziwill. Mikołaj Krzysztof Radziwiłł (1549–1616) studierte in Straßburg und Tübingen, konvertierte 1566 zum Katholizismus und trieb im Großherzogtum Litauen die Gegenreformation voran. 1582–1584 unternahm er eine Pilgerreise, die ihn u. a. nach Ägypten führte. Das Reisetagebuch, das er auf Polnisch verfasst hatte, wurde von Thomas Treter bearbeitet und ins Lateinische übersetzt und erschien erstmals 1601 unter dem Titel Hierosolymitana peregrinatio. Zur Person vgl. Szteinke 1994. Die hier angedeutete Geschichte wird in den Notae ausführlich dargestellt.
§6 Solange ich also im Ausland war. Gryphius war neun Jahre fern der Heimat. 1638 begleitete er die beiden Söhne seines verstorbenen Gönners Georg Schönborner von Schönborn zum Studium an die Universität von Leiden, wo er sich selbst als studiosus philosophiae einschrieb. 1644–1647 folgte eine Reise durch die Niederlande, Frankreich und Italien als Hofmeister des Stettiner Kaufmannssohnes Wilhelm Schlegel (Darstellung der Reiseroute bei Birgfeld 2009, S. 81). Mit Sicherheit hat Gryphius die Mumien und Mumienteile des Leidener Theatrum anatomicum gekannt. Er hatte außerdem Kenntnis von der Sektion eines Mumienkopfes ebendort (vgl. § 18,2), an der er aber offenbar nicht selbst teilgenommen hat. Stieff 1737, S. 609, schreibt, Gryphius „hatte auf seinen Reisen in Holland viele zergliederte Egyptische Mumien gesehen“. Konkrete Beobachtungen im Ausland sind weder von Gryphius noch anderweitig belegt. Da er laut Stosch 1665, S. 35, 1645 in Florenz die Kunstkammer des Großherzogs besuchte, wird er die dort aufbewahrten Mumien, die von Nardi und Kircher behandelt werden, wohl ebenfalls gesehen haben. Ein Besuch weiterer privater und höfischer Sammlungen, die Mumien ausstellten, ist möglich, aber nicht belegt.
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3 Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar
die griechischen Autoren. Herodot und Diodor. Zur Mumifizierung vgl. Hdt. Hist. 2,86–88 und Diod. Bibl. 1,91. mit nicht nur ... ausgewählt wurden. Es gab also nicht nur eine Balsamierungsmethode, die auf Anwendung eines bestimmten Repertoires an Salböl und Spezereien beruhte. §7 Athanasius Kircher. Deutscher Universalgelehrter (1602–1680). Ab 1633 als Professor für Mathematik, Physik und orientalische Sprachen am Collegio Romano in Rom. Zur Person vgl. Jaumann 2004, S. 367–369, und Fletcher 2011, S. 3–67. Der Oedipus Aegyptiacus ist Kirchers monumentales Werk über das Alte Ägypten in drei Bänden, die 1652, 1653 und 1654 in Rom gedruckt wurden. Der dritte Band, auf dessen Erscheinen Gryphius hier anspielt, ist der Entschlüsselung der Hieroglyphen gewidmet und enthält die Abhandlung De Mumiis. Zur Einleitung in den Oedipus Aegyptiacus vgl. Schmidt-Biggemann 2013a, S. 9–129. Pest. Die Pestepidemie in Rom 1656–1658 zählt zu den schwersten der europäischen Geschichte. In Gryphius’ Heimatort Glogau, der zu jener Zeit nur noch 300 Einwohner zählte, brach die Pest im Mai 1656 aus (vgl. Minsberg 1853, S. 131). Schönborner. Johann Christian Schönborner, Sohn von Gryphius’ verstorbenem Gönner Georg Schönborner. Gryphius hat die Brüder Schönborner zum Studium nach Leiden begleitet, nachdem er bereits als ihr Lehrer auf jenem Landgut gewirkt hatte, auf dem er nun Schutz für sich und seine Familie suchte. Es befand sich etwa vierzig Kilometer von Glogau in Richtung Freistadt entfernt. Bei Stosch 1665, S. 58–61, ist das Epicedium von Johann Christian Schonbörner auf Gryphius abgedruckt. bis Mitte November des gerade verstrichenen Jahres. Gemeint ist entweder das Jahr 1657 oder 1658, da Gryphius eventuell vor Stattfinden der Breslauer Sektion mit der Abfassung des Traktats begann. Vgl. hierzu auch Kapitel 4.2.2. öffentlich Verhinderten. Als Syndikus im Dienste der Landstände Glogaus reiste Gryphius immer wieder für Amtsgeschäfte nach Breslau. ex Herodoto ... institutis. Die Aufzählung ist Kircher 1652, S. 125, entnommen (Kapitel De vita, moribus, et institutis Aegyptiorum). Dinge, die die Gräber betreffen. Kircher 1654, S. 399–410, widmet den unterirdischen Grabanlagen Ägyptens ein eigenes Kapitel (De cryptis locisque subterraneis). Für besonderes Aufsehen hat seinerzeit die bildliche Darstellung der
3.2 Stellenkommentar
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Grabanlagen, die Kircher dem Ägyptenreisenden Tito Livio Burattini (1617–1681) verdankte, gesorgt (Kircher 1654, nach S. 400, vgl. auch Abb. 1). Vgl. hierzu Beinlich 2002. in folgender Weise. Kircher gibt hier Diodors Darstellung (Diod. Bibl. 1,91,3–6) in lateinischer Übersetzung. den Äthiopischen Stein. Oft als Obsidian identifiziert. dreißig Tage. Diodor nennt 30 Tage als Dauer der Mumifizierung, Herodot 70. Sie übergaben den balsamierten Körper. Diodors Beschreibung springt von der Balsamierung des Leichnams zur Übergabe desselben an die Verwandten, übergeht also das Bandagieren mit Leinenbinden. Dasselbe liest man bei Herodot und Diodor. Hdt. Hist. 2,86–88 und Diod. Bibl. 1,91. diese Dinge zu bestätigen wagte. Kircher übergeht die Passage über die Entnahme des Gehirns nicht aus Gründen der Wahrscheinlichkeit, sondern weil er hier Diodor zitiert, der diesen Teil der Prozedur seinerseits nicht schilderte. Kapitel 3, § 1. Kircher 1654, S. 395 f., gibt die Herodot-Passage zur ägyptischen Mumifizierung in lateinischer Übersetzung. Nardi. Giovanni Nardi (ca. 1585–1654), studierte in Pisa Medizin, Leibarzt des Großherzogs Ferdinand II. Zur Person vgl. Pogo 1937 und Andretta 2012. Unter den an Ägypten interessierten Zeitgenossen war er wegen seiner Untersuchungen an Mumien eine große Autorität.
§8 Werk Nardis zum Lukrez. Die Titi Lvcretii Cari De Rervm Natvra Libri Sex erschienen 1647 in Florenz. Es war die erste Gesamtausgabe des Lehrgedichts, die seit der Aldine von 1515 in Italien erschien, da die Verbreitung des Werks wegen Lukrezens atomistischer Seelenlehre seit dem fünften Laterankonzil von der katholischen Kirche behindert wurde. Beigegeben war ein Exkurs über die altägyptischen Bestattungssitten, der besonders wegen der Kupfertafeln rezipiert wurde, für die Nardi auf seine Sammlung und die der Medici zurückgreifen konnte. Zu Nardi, seinem Ägyptenexkurs und bes. zu den Kupfertafeln vgl. Śliwa 2007. fern von Gelehrsamkeit und Bildung. Schlesien hatte trotz mehrerer Anläufe (vgl. Harasimowicz 2006) noch keine Universität. Erst 1702 nahm die jesuitische Universität Leopoldina in Breslau mit zwei Fakultäten den Betrieb auf. 1811 wur-
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3 Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar
de durch Zusammenlegung der Leopoldina mit der Frankfurter Viadrina die Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau gegründet. Albert von Sebisch. Gebürtiger Breslauer (1610–1688), studierte in Leipzig, Straßburg und Leiden, wofür er Empfehlungsschreiben von Martin Opitz erhalten hatte. Seine eigenen Dichtungen und gelehrten Schriften, die von Zeitgenossen hochgelobt wurden, hat er nie zum Druck zugelassen. Er hatte sich der Philologie und dem Ingenieurwesen gewidmet, verantwortete zurück in der Heimat den Bau von Befestigungsanlagen und stellte sich als Hauptmann der Stadtgarnision und Inspektor der Zeughäuser in ihren Dienst. Das gelehrte Leben förderte er durch die Veranstaltung von Kolloquien und den Zugang zu seiner reichen Bibliothek, derer sich auch Philipp Jakob Sachs von Löwenheim bediente (vgl. dessen Brief an Johann Jonston vom 16. Mai 1662, BUW, Sign. R405, S. 68). Die Bibliothek wurde später dem Elisabeth-Gymnasium in Breslau einverleibt (vgl. Stieff 1737, S. 610). Gryphius’ Sohn Christian verfasste zum Tode Sebischs die Gedenkschrift Alberto Sebisio monumentum. Zur Person vgl. Reifferscheid 1891. Kircher im 13. Syntagma. Der dritte Band des Oedipus Aegyptiacus umfasst u. a. 20 Abhandlungen (jeweils als Syntagma bezeichnet) zu verschiedenen Themen, Objekten oder Objektgruppen. Niemand, der das weiß. Nämlich von den Betrügereien bei der Balsamierung. den ägyptischen Techniken auf Lange Lebwohl gesagt. D. h. Nardi glaubte nicht mehr an die drei verschiedenen Mumifizierungsmethoden, wie sie Herodot und Diodor überlieferten. §9 Jüngst schrieb ein Verfasser aus Italien. Bartholomaeus Ambrosinus besorgte posthum die Ausgabe des Museum metallicum, die 1648 in Bologna erschien. Aldrovandis. Ulisse Aldrovandi (1522–1605), italienischer Arzt und Naturforscher, dessen Naturalienkabinett weithin bekannt war, studierte in Rom, Padua und Bologna, wo er 1571 Professor der Medizin wurde und einen botanischen Garten einrichtete. Auch wenn ... behandelt sind. Die Darstellung findet sich bereits bei Platearius 1512, Bl. xxv v f., und auch bei Belon 1553b, Liber secundus, S. 34 v. In Fraustadt ... zerfallen sind. Gryphius hatte sich nach der Rückkehr von seiner Reise etwa zwei Jahre bis 1649 im knapp dreißig Kilometer von Glogau entfernten Fraustadt aufgehalten (vgl. Flemming 1965, S. 60–67), kehrte aber auch sonst immer wieder dahin zurück. Das Epigramm beispielsweise, das Gry-
3.2 Stellenkommentar
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phius Daniel Czepko zusammen mit einem Exemplar des Carolus Stuardus übersandte (BUW, Sign. R2195, S. 273), ist auf Fraustadt, den 11. März 1657 datiert. Apotheke Schink. Nicht gefunden. bei Hortensius. Für 1621 ist die Gründung einer Apotheke in Fraustadt durch Samuel Hortensius belegt (vgl. Warschauer 1901, S. 53), dessen Tochter 1637 den bekannten Arzt und Polyhistor Johann Jonston ehelichte, jedoch kurz darauf verstarb (vgl. Loewe 1908, S. 167). Gryphius war mit Jonston befreundet und hatte sowohl zu dessen Naturalis historia (1650/53) als auch zum Polyhistor (1660) ein Gedicht beigesteuert (abgedruckt in: Gryphius 2001, S. 115 und 119 f.).
§ 10 Und sie balsamierten also Israel. Die lateinische Übersetzung ‚balsamarunt‘ unterschlägt das Subjekt der hebräischen Vorlage: die Ärzte ()הרפאים. die Übersetzung der Chaldäer. Diodor beschreibt die Chaldäer als die ältesten Einwohner Babyloniens, die von der gesellschaftlichen Stellung her mit den Priestern Ägyptens vergleichbar sind. Sie sind Philosophen und Astrologen und besonders wegen ihrer Wahrsagekunst berühmt. Vgl. Diod. Bibl. 1,28,1 und 2,28–31 sowie allgemein Koster 1954. Gryphius’ intensiver Beschäftigung mit den Schriften der Chaldäer gedenkt Lohenstein in seinem Epicedium (vgl. Stosch 1665, S. 66–76, hier S. 72). Die Rechtfertigung von Weissagungen aus den Orakelbüchern, die trotz mancher Fehldeutungen ernst zu nehmen seien, findet sich auch in der Vorrede des Leo Arminius (vgl. Kemper 2009, S. 55). Die Stelle, auf die hier angespielt wird, konnte nicht identifiziert werden. Scaliger. Julius Caesar Scaliger (1484–1558), italienischer Humanist. Während er mit den Poetices libri septem (posthum 1561) die einflussreichste Regelpoetik seiner Zeit schuf, begründete er mit den hier zitierten Exercitationes (1551) zu Girolamo Cardanos De Subtitlitate seinen Ruf als Philosoph. Gryphius war im Besitz der Scaliger-Ausgabe Frankfurt 1601: vgl. Catalogus Bibliothecae Gryphianae, Nr. 672 ([Stieff o. J.], S. 53).
§ 11 jenes. Aloe und Myrrhe. auf öffentliches Geheiß nach Breslau geschickt. Gryphius war in Glogau ansässig und reiste in seiner Funktion als Syndikus der Glogauer Landstände häufig ins ca. 90 km entfernte Breslau.
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3 Mumiae Wratislavienses. Text, Übersetzung, Kommentar
Lerch. Thomas Lerch, seit 1658 erster Registrator und Archivar des Breslauer Stadtrates, war Gryphius’ Freund aus Studienzeiten in Leiden. Das Stammbuchblatt für ihn, das zu den wenigen erhaltenen Autografen zählt, ist auf den 19. Juni 1643 in Leiden datiert (abgedruckt in Gryphius 2001, S. 105 f.). Zum Stammbuchblatt vgl. Wentzlaff-Eggebert 1970. Apotheker Jakob Krause. Die Mohren-Apotheke am Salzring wurde im 15. Jahrhundert gegründet und war die viertälteste Apotheke Breslaus. Krause erwarb sie vermutlich 1651 (vgl. auch Kapitel 4.2.1). Über den Apotheker selbst ist nichts weiter bekannt. Hoffmann. Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616–1679), der 1638–39 in Leiden studiert hatte, zählte zu Gryphius’ engsten Freunden. Seit 1657 bekleidete er das Amt des Senators im Breslauer Stadtrat. Zur Bekanntschaft der beiden vgl. Noack 1999, S. 95–99 und S. 308–313, Mannack 1993 und Kiedroń 1995. Burckhardt. Johannes Burckhardt von Löwenburg (1611–1677), 1637 ebenfalls als Student in Leiden immatrikuliert, war ab 1654 bis zu seinem Tode Breslauer Ratsherr. Laut Vorrede des Papinian, den Gryphius dem Rat dedizierte, hatte Hoffmannswaldau ihn mit Burckhardt und auch anderen Ratsherren bekannt gemacht (vgl. Gryphius 1659, S. [4]). Jener war nicht ganz abgeneigt. D. h. Hoffmannswaldau. Dieser sprach Krause ... an. D. h. Burckhardt. Rathaus und Mohren-Apotheke lagen kaum 150 Meter auseinander. § 12 kinnabwärts. D. h. den Körper, aber nicht den Kopf. Die eigene Beobachtung bei der Sektion (§§ 19–20), dass der Kopf mit Asphalt und nur der Körper mit Spezereien behandelt worden war, wird hier zum mos gentis erklärt. § 13 Der Aufzug ... leicht nach. Ein Gewebe besteht aus zwei Fadengruppen, die sich kreuzen: Aufzug bzw. Kettfäden verlaufen längs, Einschlag bzw. Schussfäden quer. § 14 Chifflet. Jean-Jacques Chifflet (1588–1660), französischer Arzt und Antiquar. Chifflet widmete sich 1624 in De linteis sepulchralibus den Grabtüchern von Tu-
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rin und von Besançon. Letzteres wurde während der Französischen Revolution zerstört. Ein außerordentlich berühmter Autor. Der französische Altphilologe Claude de Saumaise (1588–1653) wurde aufgrund seines hervorragenden Rufs 1632 ohne Lehrverpflichtungen nach Leiden berufen, wo ihn diejenigen Sektionsteilnehmer, die in Leiden studiert hatten, kennengelernt haben. Kiedroń 1994 bezeichnet den Franzosen als Lehrmeister Gryphius’ und erläutert die Beziehung und Einflussnahme. Die hier zitierte Passage entstammt einem Brief an Thomas Bartholin, ebenfalls Leidener Student, den dieser später veröffentlichte. Bartholin war mit dem Sektionsteilnehmer Sachs von Löwenheim sehr gut befreundet, seine Anatomie übte einigen Einfluss auf die Schlesier aus. dass dieser ... gehabt habe. D. i. Lazarus. Wer ... Leichnam wieder zu verhüllen. Die wieder verhüllte Mumie verblieb nach dem Tod des Apothekers Krause zunächst im Besitz von dessen Tochter und ihrem Mann Wolfgang Scharschmidt. Sie wurde später zunächst vom Breslauer Ratsherren Johann Christian von Wolfsburg, dann von Gottfried Springer, ebenfalls Ratsherr zu Breslau, erworben. Letzteren konnte Christian Stieff überreden, die Mumie zur Ausstellung in der Bibliothek der Elisabethkirche zur Verfügung zur stellen (vgl. Stieff 1737, S. 607 f.). Agricola. Johann Agricola (ca. 1590–1668, zum Geburtsdatum gibt es unterschiedliche Angaben, hier nach Cunradi 1706, S. 2) war Arzt und Alchemist mit großem Interesse an der Chirurgie. Nach Humberg 2006 begann er um 1614 seine peregrinatio, die ihn u. a. nach Ägypten führte, wurde 1615 in Basel zum Dr. med. promoviert und war seit 1643 Stadtphysicus in Breslau. Er war der älteste Sektionsteilnehmer und der einzige, der Ägypten bereist hatte. § 16 Rippen, die wir die falschen nennen. Das sind diejenigen Rippen, die nicht direkt mit dem Brustbein verbunden sind (auch: costae spuriae). Malleoli. Der Malleolus ist ein Knochenhöcker, der als Verbindungsgelenk zwischen Bein und Fuß fungiert. linea alba. Die linea alba ist der Sehnenstreifen in der Mitte des Bauchs, der vom Brustbein bis zur Höhe des Schambeins reicht. eine altbekannte Abbildung. Kircher, dem die Kupferplatten Giovanni Nardis zur Verfügung gestanden hatten, druckt in Kircher 1654, S. 512, die Abbildung aus Nardi 1647, S. 651, nach. Vgl. Abb. 10.
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Abb. 10: Szene aus dem Mumifizierungsprozess in Kirchers Theatrum Hieroglyphicum (1654).
des Schwertfortsatzes. Der Schwertfortsatz ist der untere Teil des Brustbeins. § 17 Zwiebelpflanze ... Lauchgewächs. Die kultische Bedeutung der Zwiebel in Ägypten war den griechischen und römischen Schriftstellern bekannt. Plin. Nat. hist. 19,32,101: „Alium cepasque inter deos in iureiurando habet Aegyptus“ (vgl. auch Diod. Bibl. 1,89, Sext. Emp. Hyp. 3,24,224 und Iuv. Sat. 15,9–11). Hypochondrien. Die Hypochondrie ist die Körperregion unter den Rippen. § 18 wovon Chifflet einst nicht einen einzigen überzeugte. Chifflet deutete das Grabtuch von Besançon nicht als Konkurrenten des Turiner Tuchs. Er vertrat die These, Jesus sei nach der Abnahme vom Kreuz zunächst noch mit Schweiß und Blut bedeckt in ein Tuch gehüllt worden, das er als das Grabtuch in Turin identifiziert. Nach der Leichenwaschung und -salbung habe man ihn mit einem anderen Tuch, nämlich jenem in Besançon, bedeckt. Während die Zeichnungen
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des Turiner Grabtuchs die Vorder- und Rückseite des Körpers des Herrn und Spuren der Marterung erkennen lassen, zeige das Tuch von Besançon nur die Vorderseite. Das sudarium capitis bzw. faciei interpretiert er mit Berufung auf antike Beispiele erstens als Verhüllung des ganzen Körpers, indem er caput zum pars pro toto erklärt, und zweitens als auf dem Körper liegend, indem er die dem Himmel zugewandte Oberseite eines liegenden Toten als facies versteht. Vgl. Chifflet 1624, S. 34, 42–49, 145–150 sowie die Skizzierung der These in der Abbildung nach S. 198. Ebd. ist vermerkt: „Sindon Taurinensis refert corpus Christi cruentum, et recens de Cruce depositum; Sudarium verò Bisontinum exhibet illud idem iam lotum ac perunctum, et in sepulchro compositum.“ Zum Grabtuch im Neuen Testament vgl. Jn. 19,38–42 und 20,1–10 sowie Mt. 27,57–60, Mk. 15,42–46 und Lk. 23,50–55. Die von Gryphius gegebene These Chifflets zitiert diesen indirekt (Chifflet 1624, S. 42): „Alterum addo, linteum illud, quod totam superiorem corporis iacentis partem à capite ad pedes obtegeret, rectè dici posse sudarium capitis, aut faciei.“ die Anatomieprofessoren. Zurzeit von Gryphius’ Studium waren dies Otto Heurnius und Adrianus Valckenburg. Vgl. Huisman 2008, S. 43–45. Trebellius Pollio. Pollio ist einer von sechs (angeblichen) Verfassern, unter deren Namen seit der Spätantike dreißig Biografien römischer Kaiser des 2. und 3. Jahrhunderts überliefert sind und die seit Anfang des 17. Jahrhundert als Scriptores Historiae Augustae zusammengefasst werden. Zenobia. Königin des palmyrenischen Reichs im 3. Jahrhundert n. Chr. § 19 Räucherwerk. Mit Kasia, Myrrhe und Räucherwerk zählt Gryphius genau jene Substanzen auf, die auch bei Herodot explizit genannt werden. § 20 was man einst glaubte. Nämlich aufgrund der Überlieferung Herodots. Gran. Gran ist die kleinste Einheit des Apothekergewichts und entspricht etwa einem Gerstenkorn. § 21 Dies hat er ... verglichen. Gryphius ändert Kirchers Aussagen von der ersten in die dritte Person um, zitiert aber weiter, was beim Lesen etwas irritiert. ‚Er‘ ist also Kircher über sich selbst.
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Io diffacendo ... potente. Die Passage aus della Valles Viaggi ist nach Kircher 1654, S. 410, zitiert. diffacendo. Lies: disfacendo. einem dürren Stück Holz. Es wurde unter Berücksichtigung von ital. stecco übersetzt, wofür lat. spina unpassend erscheint. In Plin. Nat. hist. 13,20 ist spina jedoch als Bezeichnung für eine spezifisch ägyptische Art des Schlehdorns bezeugt. § 22 auf öffentliche Verordnung. Auf wann diese Verordnung zurückgeht, ist unklar. Der Kayserlichen und Königlichen Stadt Breszlaw Ordnung von 1641 gibt über die hier erwähnten Maße jedenfalls keine Auskunft. Das Universal-Lexikon der Handelswissenschaften 1837, S. 218, vermerkt über die alten Breslauer Maße und Gewichte, dass ein Fuß zwölf Zoll bzw. 288,06 Millimetern entsprochen und ein Breslauer Pfund ca. 405 Gramm gewogen habe. Demnach wäre die Mumie etwa 1,10 Meter lang und rund 4,3 Kilogramm schwer gewesen. § 23 Die Schichten des Schädeldachs. Man unterteilt den Gehirnschädel in Schädelbasis und Schädeldach. Dieses besteht aus drei Schichten: Tabula externa, Spongiosa und Tabula interna. § 24 Man betrachtete ... überlassen haben. Diese Mumie wird heute im zur Universität Wrocław gehörigen Muzeum Człowieka aufbewahrt, wo sie auch besichtigt werden kann. § 25 Einfall des Kambyses in Ägypten. Der persische König Kambyses II. eroberte Ägypten im Jahre 525 v. Chr. und gliederte das Land dem Perserreich ein (vgl. Schlögl 2005, S. 132). Zur Person vgl. Hinz 1980. Gebrauch der Hieroglyphenschrift. Tatsächlich stammen die letzten sicher datierbaren Inschriften aus dem 4. Jh. n. Chr. (vgl. Altenmüller 2010, S. X). Gesetz der Perser und Griechen. Zu einem solchen Gesetz werden bei Kircher keine weiteren Angaben gemacht. Er schreibt lediglich, dass mit Kambyses die
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ägyptischen Sitten abgeschafft und die persischen eingeführt wurden („ritibus Persarum in patriarum consuetudinum locum introductis“, ders. 1654, S. 434). aus andernorts überlieferten Berichten. Diese führt Gryphius im Folgenden vor und deutet sie anders als Kircher als Belege für die fortdauernde Ausübung der ägyptischen Kulte. Aufstände. Die Ägypter begehrten mehrfach gegen die persische Herrschaft auf: Die Niederschlagung des Aufstands, der nach der Niederlage der Perser gegen die Griechen 490 v. Chr. bei Marathon seinen Anfang nahm, durch Xerxes verstärkte den Hass der Unterdrückten. Unter dessen Nachfolger Artaxerxes I. gelang den Ägyptern zeitweise die Wiedereroberung von Unterägypten und Memphis und unter Darius II. erkämpfte man sich eine Teilautonomie zurück. Faktisch hatten die Perser die Herrschaft bereits 404 v. Chr. mit der Ausrufung des Amyrtaios aus Sais zum König eingebüßt, konnten Ägypten aber 343 v. Chr. noch einmal für ein weiteres Jahrzehnt zurückerobern. 332 v. Chr. begann mit der kampflosen Übergabe des Königssitzes durch die Perser an Alexander die griechische Herrschaft über Ägypten. Vgl. Schlögl 2005, S. 133–137. Natürlich sind die Perser ... waren. Es ist unklar, worauf sich diese Anspielung bezieht. Bei Diodor folgt nichts dergleichen. Kircher schreibt mit Bezug auf die ägyptischen Priester, sie seien nach der Eroberung durch Kambyses teils getötet, teils fortgejagt worden („Sacerdotibus partim occisis, partim in exilium amandatis“, ders. 1654, S. 434.) Frevel an ihren heimischen Göttern. Kambyses soll die Tempel ausgeraubt, den Apis-Stier erschlagen und die Mumie des Königs Amasis geschändet haben (Diod. Bibl. 1,4,5, 1,46,3 und 1,95,4 sowie Hdt. Hist. 3,16 und 3,27–29). Dieser Darstellung von Kambyses als grausamen Herrscher wurde in der Forschung vielfach widersprochen (vgl. Schlögl 2005, S. 132). dass diese geheimen Kulte ... verbreitet waren. Wenngleich die ägyptischen Kulte der griechischen Welt bereits bekannt waren (zur Verehrung der Isis vgl. Hdt. Hist. 2,41), waren mit der Eroberung Ägyptens durch Alexander 332 v. Chr. die Rahmenbedingungen für eine Ausbreitung im Mittelmeerraum gelegt. Begünstigt durch die Hellenisierung ägyptischer Glaubensvorstellungen verbreiteten sie sich über die Handelsrouten über Delos und Puteoli nach Rom (vgl. Kloft 2006, S. 41–47). Während man die Etablierung der Kulte in Rom im 1. Jh. v. Chr. noch durch Verbote zu verhindern suchte, erfuhren sie seit Caligula staatliche Förderung, deren Höhepunkt die Anerkennung des Isis-Kults, der Bau eines Isis-Tempels auf dem Quirinal und die Aufnahme der ägyptischen Feste in den römischen Kalender waren (ebd., S. 47). Bis in die Spätantike behielten die ägyptischen Kulte ihre Bedeutung.
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in der hochgebietenden Stadt. Rom. Isis. Ägyptische Göttin, Gattin des Osiris und Mutter des Horus. halbgöttliche Hunde. D. i. Anubis, ägyptischer Gott, dargestellt als Hund bzw. Schakal oder als Mensch mit Hundekopf. Er ist Totenwächter der Unterwelt, Totenrichter und nimmt als Balsamierer an der Mumifizierung teil (vgl. Grieshammer 1996, S. 819). Trauerklappern. Das sistrum war eine Klapper aus Metall, die beim Gottesdienst der Isis zum Einsatz kam. Osiris. Ägyptischer Gott der Sonne, des Mondes und des Nils, später Totengott. Sein Bruder Seth tötete und zerstückelte ihn und verstreute die Leichenteile über das Land. Seine Gattin Isis sammelte sie auf und erweckte ihn durch Zauberei und Wehklagen wieder zum Leben. Vgl. Zimmermann 2000, S. 431. zwar ein Dichter ... näher ist. D. i. Marcus Annaeus Lucanus (39–65 n. Chr.), römischer Epiker. Zitiert wird aus dem Bellum civile (auch: Pharsalia), der mit dem Konflikt zwischen Caesar und dem römischen Senat, insbesondere Pompeius, einen historischen Stoff bearbeitet. Das beiläufige ‚Id quidem poeta‘ greift eine seit der Antike bestehenden Debatte zur literarischen Einordnung des Werks auf: Zur Kritik gereichten der rhetorische Stil (Mart. Epigr. 14,194, Quint. Inst. 10,1,90), der Verzicht auf die mythologische Ausschmückung der historischen Handlung und damit mangelnde dichterische Inspiration (Petron. 118,6), die chronologische Erzählweise (Quint. Inst. 7,10,11) und das eher historische als epische Thema (Mart. Epigr. 14,194), womit zugleich die aristotelische Position, nach der die Form des Wirklichkeitsbezuges und nicht die Metrik Dichtung und Geschichtsschreibung unterschieden, zugrunde liegt. Zur Beurteilung Lukans im Mittelalter vgl. Moos 1976. In der Debatte um die Vereinbarung von Poesie und Geschichtsschreibung wurde Lukan seit der Renaissance zum Gewährsmann gelehrter Dichter wie z. B. Angelo Poliziano. Cassius Dio. (155/164–ca. 235 n. Chr.), zweimaliger Konsul, stammte aus der römischen Provinz Bithynien und ist wegen seiner auf Griechisch verfassten, nicht vollständig überlieferten Historia Romana in achtzig Büchern bekannt. Apis. Heiliger Stier von Memphis, der als Verkörperung des Stadtgottes Ptah im Apieon neben dessen Tempel verehrt und nach seinem Tod als Osiris-Apis aufwendig bestattet wurde, woraufhin anhand äußerlicher Merkmale ein Nachfolger ausgesucht wurde. Ägypten ... zu einer Provinz gemacht. Ägypten wurde 30 v. Chr. von Augustus zur römischen Provinz gemacht und gehörte bis zur Eroberung Alexandrias durch die Araber 642 zum römischen (seit 395 oströmischen) Reich.
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obwohl sie ... Denkmälern aufwartet. Zur Verehrung der römischen Kaiser in Ägypten vgl. Pfeiffer 2010, zu Augustus ebd., S. 41–60. Josephus. Flavius Josephus (37/38–ca. 100 n. Chr.), jüdischer Priester, später Geschichtsschreiber. Er beteiligte sich am jüdischen Aufstand in Galiläa 66 n. Chr. und kämpfte als General gegen die Römer, in deren Gefangenschaft er nach der Einnahme von Iotapata geriet. Er wechselte die Seiten und ging nach der Freilassung durch Vespasian, dem er das Kaiseramt geweissagt hatte, nach Alexandria. 70 n. Chr. erlebte er auf römischer Seite die Eroberung Jerusalems und die Zerstörung des Tempels. Apion. Griechisch-ägyptischer Grammatiker zu Alexandria (Ende 1. Jh. v. Chr.– 1. Hälfte des 1. Jh. n. Chr.). Seine antijüdischen Invektiven hielt er in den Aegyptiaca fest, von denen nur wenige Fragmente überliefert sind. Apion stand der Delegation der Griechen vor, die anlässlich der Konflikte zwischen Juden und Griechen im Jahre 40 n. Chr. nach Rom entsandt wurde, um bei Kaiser Caligula vorzusprechen, während Philon von Alexandria (ca. 15 v. Chr.–ca. 50 n. Chr.) als Haupt der gegnerischen Gesandtschaft die jüdischen Interessen vertrat. Dem vorausgegangen war 38 n. Chr. ein Pogrom an den alexandrinischen Juden. Vgl. hierzu Schimanowski 2006, bes. 192–199, und Van der Horst 2002. Gelen. Sigmund Gelen (1497–1554) war Philologe und einer der bedeutendsten böhmischen Gelehrten des 16. Jahrhunderts. Seine Josephus-Übersetzung erschien zuerst 1535 in Paris, wurde mehrfach nachgedruckt und der ersten griechischen Ausgabe, die 1544 in Basel erschien, beigegeben. Die hier zitierte Passage stimmt mit der Ausgabe Basel 1554 überein. Sie werden nämlich alle beschnitten. Zur Beschneidung bei den Ägyptern vgl. Hdt. Hist. 2,36,3, 2,104,2–3 und Diod. Bibl. 1,28,3 und 1,55,5 sowie ausführlich Jonckheere 1951. der den Göttern mitopfert. Eigentlich: ein Schwein opfert (daher Nieses Konjektur ὗν θύει; vgl. den kritischen Apparat). Zur Abstinenz der ägyptischen Priester vom Schweinefleisch vgl. Siegert in Josephus 2008, S. 112 f. mit Stellenangaben. notwendigerweise. Die Erläuterung des griechischen Textes, dass Apion wegen einer Wucherung am Geschlechtsteil, also aus medizinischen Gründen, notgedrungen beschnitten worden sei, kürzt Gelen auf ‚necessariò circunciso‘ zusammen. der berühmte Satiriker. Decimus Iunius Iuvenalis (1.–2. Jh. n. Chr., Zeitgenosse des Tacitus, genaue Daten unbekannt), letzter bedeutender Satirendichter Roms.
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die Streitigkeiten … Aberglauben zu hegen. Die 15. Satire erzählt von einem Vorfall zwischen den Bewohnern der Nachbarstädte Ombi und Tentura in Oberägypten, der in der Verehrung des eigenen Stadtgottes und dem Hass gegen den benachbarten seinen Ausgang nahm. Nach gegenseitigen Beschimpfungen steigerten sich die Parteien in immer heftigere Kämpfe. Jedoch blieb es nicht bei den von Gryphius erwähnten ‚certamina‘: Der Streit artet in einen Fall von Kannibalismus aus, dessen grässliche Rohheit („Accipe nostro dira quod exemplum feritas produxerit aevo“, Iuv. Sat. 6, 31 f.) eigentlicher Verhandlungsgegenstand der Satire ist. Laut Adamietz verehrte man im angegriffenen Ombi wahrscheinlich das Krokodil, das in Tentura gejagt wurde (vgl. Juvenal 1993, S. 439 f., Anm. 15 und 16). Auch Diod. Bibl. 1,84,1 erwähnt einen Fall von Kannibalismus in Ägypten, jedoch aus Hungersnot. Zu den ägyptischen Kulten bei Juvenal vgl. außerdem Iuv. Sat. 6,522–541, zur Verehrung von Tieren als Götter in Ägypten Diod. Bibl. 1,83–90. Den Löwen des Apollonius: In der Vita Apollonii des griechischen Sophisten Philostrat (2.–3. Jh. n. Chr.) ist die Episode überliefert (Philostr. Vit. Apoll. 5,42), wie der griechische Philosoph Apollonios von Tyana (1. Jh. n. Chr.), der in die Eleusinischen Mysterien eingeweiht war (Philostr. Vit. Apoll. 4,18 und 5,19), in einem Tempel in Alexandria auf einen zahmen Löwen traf, dessen Besitzer mit ihm für Vorführungen durch die Städte zog. Apollonios wurde von dem Löwen sehr umschmeichelt und verkündete schließlich im Namen des Tieres, es trage die Seele des ägyptischen Königs Amasis in sich, worauf der Löwe sich zu Boden warf, kläglich brüllte und Tränen vergoss. Auf Vorschlag des Apollonios wurde er daraufhin als Weihgeschenk in den Tempel der Stadt Leontopolis gebracht, wo die Priester dem Amasis Opfergeschenke darbrachten und den Löwen schmückten, auf dass der König nicht mehr wie ein Bettler durch die Lande ziehen müsse. Vgl. auch Kircher 1654, S. 390, der die Geschichte als Beispiel für die Seelenwanderung in Tierkörper anführt. die Madaurischen Umschweife. Apuleius (2. Jh. n. Chr.), römischer Philosoph und Schriftsteller, stammte aus dem nordafrikanischen Madauros. Er war Priester des Kaiserkults mit regem Interesse an religiösem Geheimwissen und musste sich gegen eine Anklage wegen Zauberei verteidigen. Gryphius spielt auf seinen Roman Metamorphoses (später auch Asinus aureus) an. Dessen 11. Buch handelt ausführlich vom Isis- und vom Osiriskult: Dem Ich-Erzähler Lucius, der nach einer verunglückten Zauberei in einen Esel verwandelt worden war und fortan unter wechselnden Besitzern das Leben eines Nutztiers zu ertragen hatte, erscheint im Traum Isis, die er zuvor am Strand von Korinth um Hilfe angefleht hatte. Wie von der Göttin angewiesen, erhält Lucius am nächsten Tag bei der Isis-Prozession
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von dem Oberpriester die Rosen einer Girlande, mit deren Hilfe er sich in einen Menschen zurückverwandeln kann. Danach wird Lucius nicht nur in die IsisMysterien eingeweiht, sondern später auch in die des Osiris. Assmann / Ebeling 2011, S. 29, bezeichnen den apuleischen Roman als „wichtigste Quelle für das abendländische Bild der antiken Mysterien“. Zu Apuleius ebd., S. 29–47. Tacitus. Gryphius war ein ausgezeichneter Kenner des römischen Geschichtsschreibers Tacitus (ca. 55–ca. 120 n. Chr.). Bereits in seiner Danziger Zeit hatte er ein Collegium zu Tacitus’ Annales abgehalten (vgl. Stieff 1737, S. 808), aber auch sein Sprachgebrauch ist von dem Historiker beeinflusst. Germanicus. Nero Claudius Germanicus (15 v. Chr.–19 n. Chr.). Nachdem er als oberster Heerführer aus Germanien abberufen wurde, schickte ihn Kaiser Tiberius, sein Adoptivvater, in den Osten des Reiches, u. a. nach Ägypten (hierzu Tac. Ann. 2,59–61). Plutarch. Griechischer Philosoph und Biograf (ca. 45 n. Chr.–vor 125), der abgesehen von seinen Reisen, die ihn auch nach Alexandria geführt hatten, im griechischen Chaironeia ansässig war und u. a. Priesterämter, auch im Tempel des Apollon in Delphi, ausübte. Die von ihm hinterlassene Schrift zum Isis- und Osiris-Mythos (De Iside et Osiride) hatte Gryphius bereits eingangs erwähnt. Zum Fortleben der Kulte vgl. Plut. Isid. 12, 17 und 20 f. Clemens. Titus Flavius Clemens (ca. 140/150–ca. 220), der zum Christentum übertrat und als griechischer Kirchenschriftsteller Clemens von Alexandria bekannt wurde. Im Jahre 202 durch die Christenverfolgung unter Septimius Severus zur Flucht veranlasst, wirkte er bis dahin als Priester in Alexandria und war über die mit dem frühen Christentum konkurrierenden religiösen Kulte gut unterrichtet. Zu den ägyptischen Glaubensvorstellungen bei Clemens: Strom. 1,21,106 (Isis und Apis), Strom. 5,5,31 (Sphingen vor den Tempeln), Strom. 5,7,41–43 (Geheimhaltung und Sinnbilder), Strom. 6,4,35–37 (Ablauf einer Prozession), Protr. 2,39,4–5 (Tiere als Götter), Protr. 4,48,1–6 (Götterbild des Serapis, den Clemens in Protr. 4,48,1 μεγαλοδαίμων, Hauptdämon, nennt), Protr. 4,50,5 (Verehrung von Götterabbildern aus Stein). sowohl bei den Griechen ... als auch bei uns. Die Stelle ist nicht als örtliche oder zeitliche Gegenüberstellung zu verstehen. Sowohl Plutarch als auch Clemens waren griechischstämmig und griechischsprachig und wirkten im Gebiet des späteren Byzantinischen Reichs. Sie ist eher ergänzend zu lesen: Sowohl der den griechischen Göttern verpflichtete Priester Plutarch als auch der christliche Priester Clemens berichten vom Fortleben der ägyptischen Kulte bzw. des ägyptischen Geheimwissens.
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§ 26 Gepflogenheiten der Perser. Die gängige Bestattungsmethode bei den Persern war die Beerdigung (vgl. Hdt. Hist. 7,117 und 8,24, Xen. Kyr. 7,3,5 und 8,7,25). Vgl. auch Lukian. Luct. 21 zu den Bestattungssitten der antiken Völker: „[...] τὰς ταφὰς ὁ μὲν Ἕλλην ἔκαυσεν, ὁ δὲ Πέρσης ἔθαψεν, ὁ δὲ Ἰνδὸς ὑάλῳ περιχρίει, ὁ δὲ Σκύθης κατεσθίει, ταριχεύει δὲ ὁ Αἰγύπτιος [...].“ Rednerfürst. Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.), römischer Redner und Philosoph. Alexander. Alexander der Große (356–323 v. Chr.), König von Makedonien, Eroberer des Perserreichs. Curtius. Quintus Curtius Rufus (wahrscheinlich 1. Jh. v. Chr.), römischer Geschichtsschreiber und Verfasser einer Alexander-Geschichte in zehn Büchern. Kyros. Kyros II. (ca. 585–530 v. Chr.), Begründer des persischen Weltreichs, das er etwa 30 Jahre bis zu seinem Tode regierte, und Vater von Kambyses II., der später Ägypten eroberte. das er selbst gewöhnlich getragen hatte. D. h. Alexander, der über die schlichten Grabbeigaben des großen Perserkönigs erschrocken war, ließ seinen eigenen Umhang und eine Krone aus Gold als solche zurück, um Kyros seine Ehre zu erweisen. Xenophon. Griechischer Schriftsteller des 5.–4. Jh. v. Chr. Magnus Orator. D. i. Cicero. Numa Pompilius. Der Sage nach war Numa der zweite der sieben Könige, die vor Gründung der Republik über Rom herrschten, und soll im 8.–7. Jh. v. Chr. gelebt haben. das Geschlecht ... angewendet hat. Das Scipionengrab, das die Erdbestattung bezeugte, wurde 1614 wiederentdeckt. Sulla (ca. 138–78 v. Chr.) war der erste der gens Cornelia, der sich verbrennen ließ. Livius. Titus Livius (64/59 v. Chr.–ca. 17 n. Chr.), römischer Geschichtsschreiber. Papinius. Publius Papinius Statius (40/50–ca. 95 n. Chr.), römischer Dichter. ämathischen. Makedonischen. wo kriegsträchtig die Erde. Der erste Vers endet im Druck deutlich sichtbar mit einem Punkt, wodurch ‚belliger‘ und das eigentliche Beziehungswort ‚conditor‘ getrennt stehen. Nach Lesart von Shackleton Bailey, der sinnvollerweise
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auch ‚urbis‘ statt ‚Orbis‘ druckt, hießen die beiden Verse übersetzt: Führ’ zu den ämathischen Manen, wo der kriegbringende Gründer der Stadt [d. i. Alexandria], benetzt mit hybläischem Nektar, überdauert. hybläisch. Hybla ist ein Berg auf Sizilien, bekannt für seinen Reichtum an Bienenkräutern und seinen Honig. dieser Schauplatz. D. h. die Grabstätte Alexanders in Alexandria. Beinahe ein halbes Jahrtausend waren Grab und Leichnam laut Überlieferung vor der Schließung durch Septimius Severus (s. u.) zu besichtigen und Pilgerstätte eines ausgeprägten Alexanderkults. Julius. Gaius Julius Caesar (100–44 v. Chr.), römischer Staatsmann, Feldherr und Schriftsteller. Pelläischen. Makedonischen. Philipp. Philipp II. (ca. 382–336 v. Chr.), König von Makedonien und Vater Alexanders des Großen. Augustus. (63 v.–14 n. Chr.), von 30. v. Chr. bis zu seinem Tode erster römischer Kaiser. Kaiser Severus. Septimius Severus (146–211 n. Chr.) war von 193 bis zu seinem Tode römischer Kaiser. Auch er hatte das Alexandergrab gesehen, als er nach seinem Feldzug gegen die Parther im Jahre 199 nach Alexandria kam. Saunders 2007, S. 85–87, gibt als Gründe für die Schließung der Grabstätte den Schutz der Überreste Alexanders und v. a. das befürchtete Ausufern eines Kults, der das Grab zum „focus for nationalistic Egyptian impulses“ (ebd., S. 87) hätte machen können. In diesem Zuge habe Septimius Severus, der in der großen Verbreitung okkulter Praktiken, die er vor Ort beobachtet hatte, den römischen Glauben und mithin die römische Herrschaft gefährdet sah, auch das Verbot der kultischen Schriften angeordnet. § 27 Die Leichname der Griechen. Zur Bestattung bei den Griechen vgl. Mau 1897. Wir lösen nicht die schöne Harmonie des Menschen auf. Gryphius hat offenbar sowohl den griechischen Text als auch die lateinische Übersetzung von Chifflet 1624, S. 5, übernommen. Bereits dort ist ἀναλύομεν gedruckt sowie καλόν und ἁρμονίην, obwohl nicht kongruent, als Objekt dazu gezogen, wie die Übersetzung mit dissolvimus und pulchram harmoniam zeigt. Richtig wäre, wie Bergk es druckt, der Infinitiv ἀναλυέμεν. Der Vers hieße dann: Es ist nicht schön, die Harmonie des Menschen aufzulösen.
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Harmonie. Von Körper und Seele. Agesipolis. Agesipolis I. (ca. 410–380 v. Chr.), König von Sparta, verstarb während des ersten Olynthischen Krieges in Aphytis (Chalkidiki), als ihn während eines Feldzuges Fieber überkam. Agesilaos. Agesilaos II. (ca. 444–ca. 358 v. Chr.), König von Sparta, verstarb während der Heimreise von einem Feldzug. Lakedaimon. Sparta. Aemilius. Cornelius Nepos (ca. 100–ca. 25 v. Chr.), römischer Geschichtsschreiber und Biograf. § 28 Die Körper der Ptolemäer ... sehen wollte. Die Rede ist von Augustus, der bei seinem Aufenthalt in Alexandria das Grab Alexanders besuchte, die Besichtigung der Mumien der Ptolemäer jedoch verweigerte (vgl. auch Suet. Aug. 18,1). Die Ptolemäerdynastie regierte Ägypten von 305 v. Chr., als das Land in den Diadochenkriegen nach dem Tode Alexanders des Großen an Ptolemaios I. fiel, bis zum Tode Kleopatras. Antonius. Marcus Antonius (ca. 83–30 v. Chr.), römischer Politiker und Feldherr. Im Konflikt um Ägypten, als der Sieg Octavians bereits abzusehen war, erhielt er die falsche Nachricht, dass seine Geliebte, die ägyptische Königin Kleopatra, tot sei, und stürzte sich in sein Schwert. Noch rechtzeitig in das Mausoleum gebracht, in dem diese sich verschanzt hielt, soll er in ihren Armen verstorben sein. Gaius, Proculeius und Epaphroditos. Gaius Cornelius Gallus (erster Statthalter der Provinz Ägypten), Gaius Proculeius und der Freigelassene Epaphroditos. Kleopatra. (69–30 v. Chr.), letzte Königin des ägyptischen Ptolemäerreichs, beging den Überlieferungen zufolge nach dem Tod von Antonius Selbstmord, woraufhin ihr Land zur römischen Provinz Aegyptus wurde. Cicero ... Damascenus. Die hier angeführten Textstellen von Cicero, Tacitus, Pomponius Mela, Plinius d. Ä., Sextus Empiricus, Lukian, Athanasius und Johannes von Damaskus finden sich in dieser Zusammenstellung bereits bei Chifflet 1624, S. 7–11. Pomponius. Pomponius Mela, römischer Geograf des 1. Jh. n. Chr. Seine Chorographia ist das älteste uns erhaltene geografische Werk in lateinischer Sprache und wurde bereits in der Renaissance hoch geschätzt.
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Plinius. Gaius Plinius Secundus d. Ä. (23/24–79 n. Chr.), röm. Offizier und Schriftsteller, der u. a. eine Naturgeschichte in 37 Büchern verfasst hat. Das erste Harz ... cedrium genannt. König identifiziert als taeda die Zirbelkiefer bzw. Arve (Pinus cembra L.), macht aber auf botanische Widersprüchlichkeiten aufmerksam, die vielleicht auf verschiedenen, nicht aufeinander abgestimmten Quellen beruhen. Die Bezeichnung cedrium erkläre sich dadurch, dass dieses Harz oder Teer in Syrien vorwiegend aus der Zeder gewonnen wurde. Vgl. Königs Erläuterungen zu den Paragrafen 44 und 52 in Plinius 1991, S. 172 f. und 175. Sextus. Sextus Empiricus, griechischer Philosoph des 2./3. Jh. n. Chr., Vertreter der pyrrhonischen Skepsis. Lukian. Lukian von Samosata, griechischer Schriftsteller und Satiriker des 2. Jh. n. Chr. Athanasius. Athanasius von Alexandria, Kirchenvater des 3.–4. Jh., Bischof von Alexandria. Damascenus. Johannes von Damaskus, Kirchenvater des 7.–8. Jh. Hilarion. Christlicher Einsiedler und Wundertäter (291–371), Schüler des Wüstenvaters Antonius. der berühmte Verfasser. Sophronius Eusebius Hieronymus, Kirchenvater des 4.–5. Jh. EY YXI. Griechischer Abschiedsgruß an die Toten εὐψύχει (‚sei guten Mutes‘) in itazistischer Schreibung. Della Valle 1650, S. 379 f., deutet die Inschrift der von ihm angekauften Mumie als ägyptische Buchstaben für eine Form des griechischen εὐτυχία bzw. εὐτυχής und schlägt die Übertragungen ‚Buonauentura‘ und ‚Sia felice‘ vor. Litteras scribunt. Nach How / Wells 1936, S. 182, meint Herodot die Schreibrichtung der Ägypter und Griechen im Allgemeinen, die Ägypter dagegen beziehen sich auf die Schreibung des einzelnen Zeichens. Euterpe. Euterpe meint das zweite der neun Bücher von Herodots Historiae, die mit den Namen der neun Musen bezeichnet werden. Prodromus. Der Prodromus coptus erschien 1636 in Rom. Dort veröffentlichte Kircher erstmals eine Grammatik des Koptischen sowie seine Versuche, die Hieroglyphen zu entziffern, und stellte die zugrunde liegende These auf, das Koptische sei eine Zwischenstufe zwischen den Hieroglyphen und dem Griechischen, die er danach weiter ausbaute (in der Lingua Aegyptiaca restituta und dem Oedi-
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pus Aegyptiacus). Nach Kircher stammen sowohl Hieroglyphen als auch das Koptische aus pharaonischer Zeit, wobei Erstere Symbole seien, die eine höhere Weisheit vor der Allgemeinheit verbergen würden, Letzteres hingegen die Volkssprache. Cadmus habe das Alphabet dann aus Ägypten nach Griechenland gebracht. Mittels des Koptischen rekonstruierte Kircher die angebliche symbolische Bedeutung der Hieroglyphen: So meinte er in einer Hieroglyphe, die einen Ibis zeigt, der Hals und Kopf so nach unten beugt, dass er damit einen Halbkreis formt und sich zugleich Schnabel und Beine kreuzen, die Initialen Α und Δ zu erkennen, die für Ἀγαθὸς Δαίμον (lateinisch bonus daemon) stehen würden (vgl. Kircher 1654, S. 50). Nichtsdestotrotz waren Kirchers Vorarbeiten grundlegend für die erfolgreiche Entzifferung der Hieroglyphen 1822 durch Jean-François Champollion. Johann Stephan Rittangel. (1606–1652), ab 1640 außerordentlicher Professor für orientalische Sprachen in Königsberg. Die Passage gibt Rittangel 1652, Vorrede an alle christlichen Regenten, S. [59], in lateinischer Übersetzung: „Es ist unserer in Egypten zerstreueten Griechen Sprach und Schrifft: Dann sie nach laͤnge der Zeit / taͤglicher Ubung und Gebrauch der Egyptischen Sprach / ihre selbst eigene Mutter-Sprach sehr corrupt reden / oder schier gar halb vergessen haben / (sonderlichen der gemeine Maun [!] / so daselbst gebohren und erzogen ist.) Derhalben sie das Egyptische mit ihrer Griechischen Sprach vermenget reden und mit Griechischen Buchstaben schreiben.“ Im Gegensatz zu Kircher hielt Rittangel das Koptische für das korrumpierte Griechisch der in Ägypten lebenden Griechen. Zur Person und Bedeutung des Werks innerhalb der Kabbalistik vgl. Schmidt-Biggemann 2013b, S. 258–314. Seite 2. Die Vorrede von Hochfeyerliche Sollenniteten (1652) ist unpaginiert. Die Passage befindet sich auf Bogenblatt H2 bzw. S. [59]. Gryphius’ Angabe ‚pag. 2‘ ist darum unklar. Das Werk erschien im selben Jahr unter dem Titel Jüdische Solennitaeten Gebethe und Collecten, samt Kirchen-Ceremonien am Neuen-JahrsTag in ihren Synagogen ebenfalls in Königsberg und wurde 1662 erneut gedruckt. Diese beiden Ausgaben waren mir nicht zugänglich. § 29 Tertullian. Erster bedeutender lateinischer Kirchenschriftsteller des 2.–3. Jh. Sabäer. Saba ist eine vor allem für ihren Weihrauchreichtum bekannte Gegend in Arabia felix. Prudenz. Aurelius Prudentius Clemens, christlicher Dichter des 4.–5. Jh. Gryphius’ Anspielung ist nicht zweifelsfrei zu identifizieren. Es klingt Prud. Cath. 10,45–52 an:
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Hinc maxima cura sepulcris inpenditur: hinc resolutos honor ultimus accipit artus et funeris ambitus ornat. Candore nitentia claro praetendere lintea mos est, adspersaque myrrha Sabaeo corpus medicamine servat.
Zur Sorge um die Verstorbenen vgl. Prud. Cath. 10 (Zum Totengeleit), bes. 45– 60, zu den Spezereien außerdem Prud. Cath. 12 (Epiphanie), 71. Den verschwenderischen Gebrauch von Weihrauch, Spezereien und Salben thematisiert Prudenz im Kontext der heidnischen Götterverehrung und als Merkmal der luxuria (Prud. Apoth. 187 und 292, Psych. 312 und 319, Perist. 361–365). Bosio. Antonio Bosio (1575–1629) erforschte als Erster systematisch das christliche unterirdische Rom und entdeckte zahlreiche Katakomben. Gryphius spielt auf die posthum herausgegebene, auf Italienisch verfasste Roma sotterranea an. Sie erschien zuerst 1632, dann 1650 mit verringerter Anzahl an Kupferstichen und zudem in mehreren Ausgaben und bearbeiteter Form auf Latein. das sonderbare Edikt Bonifaz’ VIII. Bonifaz VIII. hatte das Papstamt 1294 bis 1303 inne. Mit dem Edikt ist die Bulle De sepulturis (auch: Detestandae feritatis) gemeint, die der Papst 1299 erlassen hatte. Vgl. hierzu Schmitz-Esser 2014, S. 251–254. Extravagantes communes. Die Extravaganten sind ein Teil des Corpus iuris canonici, einer Sammlung kirchenrechtlicher Dokumente, die in der Mitte des 12. Jahrhunderts ihren Anfang nahm. einen Missbrauch ... zuwider sein muss. Stark verkürzte Wiedergabe des Beginns des Papstedikts De sepulturis (im Sperrdruck die Passagen, auf die Gryphius sich bezieht): „D e t e s t a n d e f e r i t a t i s a b u s u m , quem ex quodam m o r e h o r r i b i l i nonnulli fideles improvide prosequuntur, nos pie intentionis ducti proposito: n e a b u s u s predicti s e v i t i a ulterius corpora humana dilaceret: m e n t e s q u e f i d e l i u m h o r r o r e c o m m o v e a t : et p e r t u r b e t a u d i t u m : digne decrevimus abolendum. Prefati namque fideles huius sue i m p r o b a n d e utique c o n s u e t u d i n i s v i c i o intendentes / si quisquam ex eis genere nobilis vel dignitatis titulo insignitus, presertim extra suarum partium limites debitum nature persolvat: in suis vel alienis remotis partibus sepultura electa: defuncti corpus ex quodam i m p i e p i e t a t i s a f f e c t u t r u c u l e n t e r e x e n t e r a n t ac illud membratim, vel in frusta inaniter concidentes ea subsequenter aquis imersa exponunt ignibus decoquenda. Et tandem (ab ossibus tegumento carnis excusso) eadem ad partes predictas mittunt seu deferunt tumu-
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landa. Quod non solum d i v i n e m a i e s t a t i s c o n s p e c t u i a b o m i n a b i l e plurimum redditur: sed etiam h u m a n e c o n s i d e r a t i o n i s o b t u t i b u s occurrit v e h e m e n t i u s a b h o r r e n d u m .“ Extravagantes communes 3,6, Bl. xxxiii v–xxxiiii r.
§ 30 Montanerius Sosa. Kämpfte auf Seiten des Hauses Aragón. Friedrichs. Friedrich II. von Aragonien (1273/74–1337). Friedrichs Vater hatte dem Haus Aragón die Herrschaft über Sizilien verschafft. die Worte des sizilianischen Historikers. Der Dominikaner Tommaso Fazello (1498–1570) legte mit De rebus Siculis decades duae (zuerst Palermo 1558) ein monumentales Werk über die Geografie und Geschichte Siziliens vor. Gryphius zitiert allerdings nicht aus Fazellos Schrift (Fazello 1558, S. 513–514), sondern aus Abraham Bzowskis Annales ecclesiastici, der Fortsetzung des gleichnamigen Werkes Baronios, dessen zwölf Bände er bereits als Student in Leiden erwarb (vgl. Bircher / Seelbach 1994, S. 132 f.). Die hier geschilderten Ereignisse beziehen sich auf den Kampf um Sizilien zwischen dem Königreich Neapel unter Karl II. aus dem französischen Haus Anjou und Friedrich II. von Aragonien. Dessen Bruder hatte mit dem Frieden von Anagni 1295 auf die Krone verzichtet, wodurch Sizilien an das Königreich Neapel fiel. Der Widerstand der Sizilianer unter Führung von Friedrich gipfelte in der Rückeroberung der Herrschaft 1302 mit dem Frieden von Caltabellotta. Gagliano. Die Gründung des Castello di Gagliano Castelferrato geht auf das 11. Jahrhundert zurück. Es liegt im Landesinneren von Sizilien in der Region Enna. Charles Marolette. Der Franzose ist ansonsten unbekannt. Fazello 1558, S. 514, schreibt, er habe sich aus Schuldgefühlen über die Ereignisse, die sein Brief nach sich zog, in Gefangenschaft zu Tode gehungert. Falconara. Die Schlacht bei Falconara, dem heutigen Birgi nahe Trapani an der nordwestlichen Küste Siziliens, fand am 10. Dezember 1299 statt. Fürst Philipp. Philipp I. von Tarent (1278–1332), Fürst von Tarent, Sohn Karls II. von Anjou, des Königs von Neapel. Gemeinsam mit seinem Bruder Robert wollte Philipp, der über eine Flotte von 40 Galeeren verfügte, gegen Catania und Friedrich II. von Aragonien ziehen. Auf hoher See entschied er sich um und zog stattdessen gegen Trapani. Friedrich nutzte die Teilung des Heeres für sich, schickte alle Truppen gegen Philipp und gewann mit seiner Übermacht in der
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Schlacht bei Falconara. Philipp wurde gefangen genommen und kam erst nach dem Friedensschluss von 1302 wieder frei. Vgl. Kiesewetter 1997, S. 717–723. Blascus Alagona. Die Familie Alagona kämpfte auf Seiten des Hauses Aragón. Herzog Robert. Robert von Anjou (1278–1343), Herzog von Kalabrien, Bruder von Philipp und ab 1309 Nachfolger seines Vaters als König von Neapel. Roger Lauria. Admiral im Dienst der Sizilianer. Walter ... von Brenna, Gottfried Milo, Thomas Prochyta. Wie seine Vorlage zählt Gryphius nur drei der neun bei Fazello (ders. 1558, S. 513) genannten Adligen auf. Almogavaren. Aragonische Infanterie, die als Söldner bereits aufseiten von Friedrichs Vater, Peter I., gegen das Haus Anjou gekämpft hatte. Sie waren mit Wurfspießen, Schwert und Messer bewaffnet und für ihre außerordentliche Schlagkraft und Tapferkeit bekannt. Burg Meneus. Wohl das Castello di Mineo in der Provinz Catania, Sizilien. nach Sitte ihres Volkes. Anspielung auf die seit dem Mittelalter gebräuchliche Bestattung more teutonico: Starben Edelleute fern der Heimat, zumal während der Kreuzzüge in nicht-christlichen Gefilden, wurden die Leichen ausgeweidet und abgekocht, um sie mit zurückführen zu können. Die Zergliederung diente in einigen Fällen außerdem dem Zweck, Teile des Körpers wie Eingeweide oder Herz an anderen religiösen Stätten beizusetzen. Vgl. mit Beispielen Röhricht 1892, ausführlich Brown 1981 sowie Schmitz-Esser 2014, S. 233–236. wie sehr man ... die Sektion toter Körper verurteilte. Die Bulle De sepulturis wendete sich gegen den mos teutonicus, nicht gegen anatomische Sektionen. Vgl. Alston 1944 und Walsh 1904. Ebd., S. 20: „It is very evident, then, that the bull did not, nor was it supposed to prohibit the cutting up of human bodies for scientific purposes.“ Bereits ab Mitte des 13. Jahrhunderts wurde die anatomische Sektion in das Lehrrepertoire italienischer Universitäten aufgenommen (vgl. Schmugge 1989, S. 412) und etablierte sich auch nach dem Papstedikt in Europa – sowohl in katholischen als auch in protestantischen Gebieten: z. B. in Padua (1341), Montpellier (1366), Wien (1404), Prag (1460), Paris (1478), Tübingen (1485), Basel (1531), Rostock (1567), Greifswald (1624) (vgl. Haage / Wegner 2007, S. 58, und Ulbricht 1997, S. 366). Trotzdem gab es auch unter den Anatomen religiöse Vorbehalte: So verzichtete der Bologneser Medizinprofessor Mondino dei Liuzzi, bekannt als Verfasser der Anathomia (1316), des anatomischen Standardwerks bis Vesal, und als einer der ersten, der während laufender Sektionen dozierte, auf das Auskochen von Leichen, um Knochenstrukturen besser
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zu studieren, weil er es für eine Sünde hielt; sein Schüler Guido da Vigevano behauptete später in seiner Anatomia (1345), die Kirche habe die Sektion menschlicher Körper verboten (vgl. Alston 1944, S. 224 f.). Es ist belegt, dass sich Universitäten die päpstliche Erlaubnis für anatomische Sektionen einholten: z. B. für die medizinischen Fakultäten der Universität Tübingen 1482 unter Papst Sixtus IV. (vgl. Schmugge 1989, S. 413) und der Universität Rom 1531 unter Papst Clemens VII. (vgl. Carlino 1999, S. 71–73). Von dem Heidelberger Mediziner Konrad Schelling ist bekannt, dass er um 1487 seiner Exkommunikation nur durch Bitte um Gnade entgehen konnte, nachdem er drei Sektionen unternommen hatte, für die keine päpstliche Erlaubnis vorlag (vgl. Schmugge 1989, S. 415). Der Jenaer Professor Werner Rolfink erwähnt in seinen Dissertationes Anatomicae (ders. 1656, S. 187), dass private Sektionen unter Strafe gestanden hätten, und führt dies auf das Bonifaz-Edikt zurück. § 31 Vorstadthaus Krauses. Krause besaß seit 1651 ein Haus und einen Garten in der Weiden- und Taschengasse nahe der Christopheri-Kirche. Vgl. Kapitel 4.2.1. David von Eben. (1600–1669), seit 1658 im Rat der Stadt Breslau. beiden Gymnasien. In Breslau gab es neben den beiden evangelischen Gymnasien St. Elisabeth (gegründet 1293, zum Gymnasium erhoben 1560) und St. Maria Magdalena (gegründet 1267, zum Gymnasium erhoben 1643) auch ein Jesuitengymnasium (vgl. Conrads 2004, S. 44). Joachim Elsner. (1612–1671), Stadtphysicus von Breslau (vgl. Cunradi 1706, S. 64 f.), Dr. med. und Dr. phil. Padua 1639 (vgl. Komorowski 2005, S. 334, und Zonta 2000, S. 186). Sein Sohn Joachim Georg Elsner (1642–1676) wurde 1672 als Mitglied der Academia Naturae Curiosorum aufgenommen und trug zur ersten Ausgabe der Ephemerides einige Artikel bei. Gottfried Wilhelmi. (1610–1678), Arzt. Adam Scholz. Arzt, nicht zweifelsfrei ermittelbar. Gottfried Thilisch. Nach Zonta 2000, S. 342 f.: geboren 1621, Dr. med. und phil. Padua 1649. Stadtarzt in Breslau seit 1668 (vgl. Anders / Beckmann 2003, S. 741), nur durch ein 1680 mit Friedrich Ortlob herausgegebenes Medicinisches Pest-Consilium bekannt, das sich durch Verzicht auf religiöse zugunsten medizinisch motivierter Maßnahmen auszeichnet (vgl. Zonta 2000, S. 278). Philipp Jakob Sachs. Philipp Jakob Sachs von Löwenheim (1627–1672), Dr. med. und Dr. phil. Padua 1651 (vgl. Komorowski 2005, S. 335, und Zonta 2000,
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S. 305), hatte sich 1645 in Leipzig und 1649 in Straßburg und Leiden eingeschrieben (vgl. Zonta 2000, S. 305), seit 1658 Mitglied der Academia Naturae Curiosorum, ab 1671 Stadtphysicus von Breslau. Christian Buckisch. (1627–1665), Dr. med. und Dr. phil. Padua 1654 (vgl. Komorowski 2005, S. 335, und Zonta 2000, S. 168). Er war mit Lohenstein bekannt, der zu seiner Hochzeit 1657 ein Gedicht verfasst hatte. Balthasar Kramer. Dr. med. Padua 1653 (vgl. Komorowski 2005, S. 335, und Zonta 2000, S. 247). Sebald Scholz. Dr. med. Padua 1657 (vgl. Komorowski 2005, S. 336). mit den höchsten Ehren ... versehen. D. h. sowohl Dr. phil. als auch Dr. med. Johannes Kretschmar. (1603–1679), studierte Jura in Leipzig und Altdorf. Seit 1637 war er Schöffensekretär und daher mit den übrigen Ratsmitgliedern bekannt. In engem Kontakt stand er mit Hoffmannswaldau, wie aus beinahe jedem der handschriftlich erhaltenen Briefe an Johann Hieronymus Imhoff auf Lonestat hervorgeht (BUW, Sign. IV F88t). Georg Friedrich und Wolfram Christian. Georg Friedrich (1641–1691) und Wolfram Christian (1645–1685), mit 13 Jahren der jüngste Teilnehmer der Sektion, waren die Söhne von Gryphius’ engem Freund Georg Friedrich von Arzat. des Johannes Burckhardt. Der Sohn des Ratsherrn hieß ebenfalls Johannes Burckhardt (1642–1691). Er war seit 1656 in Straßburg immatrikuliert. Im Jahr nach der Sektion ging er zum Studium nach Heidelberg, wofür Hoffmannswaldau ihm eine Studienanleitung anfertigte (De curriculo studiorum, hierzu: Kiedroń 1998 und Noack 1999, S. 297–305), später nach Leiden. seine Zwillingssöhne. Die Söhne des Apothekers, Johann Jakob und Johann Heinrich Krause, sind nicht weiter bekannt.
Notae § 33 auf S. 3. Die Angabe stimmt nicht mit dem Druck überein, wo sich die entsprechende Stelle auf S. 6 f. befindet. Simon Albimontanus. In der Krakauer Marienkirche befindet sich das Epitaph eines 1615 verstorbenen Priesters Simon Albimontanus, das auch eine Pilgerreise nach Jerusalem erwähnt.
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§ 34 Bodin. Jean Bodin (ca. 1529–1596), französischer Jurist und Theologe. Mit dessen Staatslehre hatte sich Gryphius bereits in seiner Zeit als Hofmeister bei Georg Schönborner auseinandergesetzt. Jedenfalls ließ der französische König ... Krankheiten. So überliefert es zuerst Belon 1553a, S. 277. Ob weil jene … gestohlen werden? Die beiden Fragen stellt, was Gryphius hier nicht kenntlich macht, bei Bodin wieder Theorus. Leiden ... mit Gold überzogenen Hände. Die beiden mit Gold überzogenen Mumienhände in der Leidener Sammlung bezeugt auch Roger 1663, S. 911.
§ 35 als ich in Padua lebte. Śliwa 2003, S. 14, merkte bereits an, dass ein PaduaAufenthalt in den Biografien Gryphius’ nicht erwähnt ist. Er datiert diesen zwischen den 15. und 22. April 1646, d. h. unmittelbar bevor Gryphius in Venedig eintraf. Vesling. Johannes Vesling (1598–1649), Arzt und Anatom. Als Arzt des venezianischen Konsuls kam er um 1627/28 u. a. für längere Zeit nach Ägypten. Seine privaten Vorlesungen in Venedig standen in bestem Ruf, so dass die Paduaner Anatomiestudenten der Natio germanica ihn aufsuchten anstatt am eigenen Lehrstuhl bei Pompeo Caimo zu lernen. Der Galen-Anhänger trat 1625 die Nachfolge von Adriaan van den Spieghel an und hatte sich mit seinen veralteten Lehrmethoden unbeliebt gemacht. Als Reaktion auf die Studentenproteste erhielt Vesling 1632 die Professur für Anatomie sowie Botanik und Chirurgie in Padua. Vgl. De Angelis 2010, S. 218–223. Von Vesling ist ein undatierter Brief an Giovanni Nardi überliefert, in dem er ihn über Fundorte, Balsamierung, Beigaben und Särge von Mumien unterrichtet (vgl. Vesling 1664, S. 151–153). der Tafeln mit den Gebeten. Die Hieroglyphen auf den Mumien und Mumiensärgen versteht Kircher zumeist als Gebete an die Götter und Schutzgeister und gibt dafür in seiner Abhandlung mehrere Beispiele. Unter den Inschriften auf der Rückseite eines Sargs aus Nardis Sammlung etwa findet er vier Zeichen (vgl. Kircher 1654, S. 413–416), die er als hundsköpfige Affen (Cynocephalus) bezeichnet und in denen er einen Verweis auf die Lunares Genii sieht, denen der Körper anvertraut worden sei (ebd., S. 415), zwei Hundefiguren würden dagegen auf die Unheil abwendenden Mercuriales Genii (ebd., S. 416) verweisen.
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Konnte nicht Pallas ... auf einen spitzen Felsen. Nach der Eroberung Trojas verging sich der Lokrer Ajax an der Seherin Kassandra, die in den Tempel der Athene geflüchtet war. Zur Strafe schleuderte die Göttin einen Blitz auf das Schiff des Griechen, als es schon fast die Heimat erreicht hatte (vgl. Verg. Aen. 2, 403 ff., Hom. Od. 4, 499 ff.). Iuno beruft sich hier in ihrer Wut darüber, dass die ihr verhassten Trojaner Sizilien passieren und das Ziel Latium damit in greifbarer Nähe ist, auf die Tat Athenes, um mit gleichem Mittel Aeneas aufzuhalten. Dieser handelte allerdings anders als der Frevler Ajax in göttlichem Auftrag. die das Gesetz und ein Richter den Rudern übergeben haben. Anspielung auf die Galeerenstrafe, die bei Kapitalverbrechen und Wiederholungstaten verhängt wurde. die einige Tage ... gereist sind. In der Dedicatio zum zweiten Buch der Oden an Johann Christian Schönborner deutet sich an, dass Gryphius auf seiner Reise selbst auf derlei Schiffen weilte („raro in urbe, saepius in equo navique viventem“, Gryphius 1663, S. 544 f.). § 36 S. 42 ... überschreitet. Die drei Seitenangaben stimmen hier mit der geringfügigen Abweichung, dass das Wort ‚brevior‘ bereits auf S. 41 beginnt, mit den tatsächlichen Seiten überein. Entweder hat die Dissertatio beim Abfassen dieses Teils der Notae bereits vorgelegen oder die Referenzen wurden anders als in § 33 während des Druckprozesses angeglichen.
4 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie Der letzte Teil der vorliegenden Arbeit widmet sich der Texterschließung der Mumiae Wratislavienses. Sie orientiert sich an drei Aspekten: Erstens soll der Traktat als Beispiel für die gelehrt-wissenschaftliche Tätigkeit und Schriftproduktion von Andreas Gryphius analysiert und interpretiert werden. Zweitens sind Verbindungen zum übrigen Schaffen des Autors herauszuarbeiten. Drittens soll die Schrift im Kontext der frühneuzeitlichen Mumienkunde gelesen werden. Den Anfang der Untersuchung bildet die Einordnung der Mumienthematik in Gryphius’ Gesamtwerk. Sie richtet sich darauf, Kontext und Funktion der Textspuren, die diese außerhalb der Mumiae Wratislavienses hinterlassen hat, zu erläutern und außerdem aufzuzeigen, dass die Auseinandersetzung mit Mumien auch andere Themen und Motive berührt, die dessen Werk in großem Maße geprägt haben. Einen wesentlichen Anteil daran, dass die Abhandlung überhaupt zustande kam, hatte eine Mumiensektion, die 1658 in Breslau stattfand. Darum gilt es im nächsten Schritt, die Umstände eines solchen in der Frühen Neuzeit selten dokumentierten Ereignisses nachzuzeichnen und die anschließende Entstehung der Schrift zu rekonstruieren. Im ersten Teil der Arbeit wurde gezeigt, dass es im 17. Jahrhundert vielfältige Interessen an ägyptischen Mumien gab, die medizinisch, geografisch, theologisch, philosophisch, sprachtheoretisch, kulturgeschichtlich oder ägyptologisch motiviert sein konnten. Es ist daher zu klären, wie der Forschungsgegenstand bewertet und die Beschäftigung damit in den Mumiae Wratislavienses eingeordnet wird. Danach wird die Präsentation der wissenschaftlichen Arbeit im Text thematisiert. Dabei wird angenommen, dass die rhetorische aufbereitete Darstellung dem leitenden Prinzip der Glaubwürdigkeit untergeordnet ist, und dieses sich auf verschiedenen Textebenen eingeschrieben hat, wie am Beispiel der Textstruktur, der Beschreibung der Breslauer Sektion und der Vorstellung neuer Wissensansprüche nachzuweisen sein wird. Schließlich soll die Darstellung des Themas Wissenschaft herausgearbeitet werden. Es wird danach gefragt, welches Wissenschaftsbild der Text entwirft, um dieses anschließend im Kontext des wissenschaftlichen Netzwerks, innerhalb dessen der Forschungsgegenstand bearbeitet wurde, zu deuten. Den Abschluss der Untersuchung bildet die Erschließung der Rezeption des Traktats, wobei neben der Wirkung und Wertung des Textes auch die Wahrnehmung von Gryphius’ Rolle interessieren soll.
https://doi.org/10.1515/9783110593556-004
4.1 Gryphius und die Mumien. Zur Einordnung der Thematik in sein Werk
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4.1 Gryphius und die Mumien. Zur Einordnung der Thematik in sein Werk Das brennende Interesse an Ägypten, das Gryphius nach eigenem Bekunden seit seiner Jugend begleitete,207 hat sich in seinem schriftstellerischen Schaffen kaum niedergeschlagen. In der lateinischen Dichtung des Schülers begegnet uns das biblische Ägypten. Darüber hinaus durchziehen lediglich einige Bemerkungen,208 vor allem in den Leichabdankungen, sein Werk. Insofern nehmen die Mumiae Wratislavienses hinsichtlich ihrer tieferen Auseinandersetzung mit der antiken Hochkultur eine Sonderstellung im Gryphschen Œuvre ein. Gleichwohl finden die ägyptischen Mumien in dem Traktat nicht das erste Mal Erwähnung. Bereits in drei früheren Texten trifft man auf Referenzen: im Drama Cardenio und Celinde sowie in den Leichabdankungen Hingang durch die Welt und Ausländische in dem Vaterland. Abgefasst wurden sie allesamt in den 1650er Jahren vor Stattfinden der Breslauer Sektion.209 Ihnen ist also ein Wissen ante experimentum eingeschrieben. In Cardenio und Celinde begegnen uns vier Verse, die auf den Import ägyptischer Mumien nach Europa zur Verwendung als Arznei fokussieren. Die Passage ist in eine Szene eingebettet, die sich auf dem Kirchhof, dem Schauplatz der vanitas, abspielt. Celinde steht kurz davor, die Leiche ihres früheren Verehrers Marcellus zu exhumieren, um aus seinem Herzen einen magischen Liebestrank herzustellen. Sie gerät jedoch ins Zweifeln, woraufhin der Kirchendiener Cleon, der zuvor für den Einlass bestochen wurde,210 Celinde zur Tat ermuntert. Zu
207 Vgl. § 4,1. Dass Gryphius sich bereits als Student für Ägypten interessierte, bezeugt auch eine Buchanschaffung aus diesen Jahren: 2014 entdeckte Martin Mulsow in der Vetustissimae Tabulae Aeneae Sacris Aegyptiorum Simulacris coelatae accurata Explicatio Lorenzo Pignorias von 1605, dem „erste[n] wirklich ägyptologische[n] Buch überhaupt“ (Vortragsmanuskript zu Mulsow: Gryphius und die Ägyptologie: Zu Gryphius’ Handexemplar von Lorenzo Pignorias ,Mensa Isaica‘, gehalten am 16. Oktober 2016), einen bis dahin unbekannten Besitzvermerk Gryphius’ aus seiner Leidener Zeit. 208 Z. B. zu den Göttern Ägyptens (Gryphius 2007, S. 64), zur Bedeutung des Fischs bei den Ägyptern (ebd., S. 228) oder zur Einweihung in die Mysterienkulte (ebd., S. 237). 209 Mannack geht in Gryphius 1991, S. 963 f., von einer Entstehung des Dramas nicht vor 1650, der Vorrede nicht vor 1654 aus. Gedruckt wurde es zuerst 1657. Hingang durch die Welt wurde zum Tode Ursula Hennings 1652, Ausländische in dem Vaterland zum Tode Barbara Hoffmanns 1657 verfasst. Erstere war die Ehefrau des Fraustädter Ratsassessors, Stadtarztes und späteren Bürgermeisters Adam Henning, den Gryphius vermutlich in Leiden kennen gelernt hat und der sich zur selben Zeit wie er in Rom aufhielt. Vgl. Steiger in Gryphius 2007, S. 408 f. Bei Letzterer handelt es sich um die Mutter des Dichters und Gryphius-Freundes Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. 210 Vgl. Gryphius 1965, V, 307 f.
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überzeugen versucht er sie, indem er das eigene Unternehmen, „zu aller Noth“ ein Mittel zu gewinnen, den Praktiken der zeitgenössischen Medizin gegenüberstellt, die auf Leichenschändung beruhen und „die so manch weites Land Vor mehr denn Menschlich haͤlt“.211 Als Beispiele führt Cleon das Anatomieren zu Lehrzwecken, die Herstellung von Arzneien aus menschlichen Körperteilen und zuletzt den Grabraub in Ägypten zu ebendiesem Zwecke an: [...] Eroͤffnet nicht die Gruͤ ffte Aegypten sonder Schew vnd bringt in freye Luͤ ffte Sein balsamirtes Fleisch das uͤ ber See verschickt Ein abgekraͤncktes Hertz im Sichbett’ offt erquickt?212
Die pharmazeutische Verwendung von Mumien wird von dem katholischen Protagonisten nicht verurteilt, sondern als Rechtfertigung für das eigene schändliche Vorhaben, sich an einer Leiche zu vergehen, aufgeführt. Dabei bedient er sich einer vereinfachenden, gar unwahren Darstellung. Dass nämlich von Seiten Ägyptens ein Verbot des Mumienexports ausgesprochen wurde, sie die Leichname also keineswegs „sonder Schew“ auslieferten, unterschlägt er ebenso, wie er den Seetransport als Tatsache referiert und dabei die zeitgenössische Debatte, dass ein von Dämonen verursachter Schiffbruch dem entgegenstünde, ignoriert. Die positive Wirkung der umstrittenen Arznei stellt er mit keinem Wort infrage. Der Handlungsverlauf stellt der Mumienthematik einen weiteren Zusammenhang anheim: das Walten von Gespenstern.213 Mit seinen anstiftenden Worten kann Cleon Celinde dazu überreden, sich an den Leichnam des Marcellus zu machen. Dabei verlacht er ihre Furcht und tut die Vorstellung, Leichenschändung würde Geister heraufbeschwören, unter Anführung der drei oben genannten Beispiele als „eitel schwaͤtzen“ ab, ja ruft sogar selbstsicher aus: „Steht jhr ein Ungluͤck vor so widerfahr es mir!“ 214 Während nun Celinde, erschaudert vom Anblick des Leichnams, das Leichenkleid zu durchtrennen beginnt, ist Cleon der erste, der davonrennt, als tatsächlich das Gespenst des Marcellus erscheint. Durch diesen Ausgang wird nicht nur die Frage, ob die Schändung von Leichen und mithin ägyptischer Mumien gespenstisches Wirken freisetzen könnte, wieder zur Disposition gestellt. Auch die Glaubwürdigkeit der übrigen Behauptungen Cleons gerät ins Wanken. Ein Urteil wird dem Zuschauer und Leser überlassen. 211 Ebd., IV, 262 und 263 f. 212 Ebd., IV, 249–252. 213 Auf die Verbindung von Mumien- und Gespensterthematik in dieser Szene hat zuerst Siebenpfeiffer 2005, S. 124, hingewiesen, jedoch mit der der Szene vorangehenden Gespenstererscheinung Olympiens und der Rede Cleons argumentiert. 214 Gryphius 1965, IV, 245 und 236. Zum Fortgang der Handlung ebd., V, 306–336.
4.1 Gryphius und die Mumien. Zur Einordnung der Thematik in sein Werk
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Während sich der dramatische Text der Mumienthematik im Kontext der Medizin nähert, bedienen sich die Leichenreden ihrer innerhalb einer christlichen Interpretation von Leben und Tod. Sowohl Hingang durch die Welt als auch Ausländische in dem Vaterland liegt die theologische Maxime zugrunde, der Tod sei erlösendes Moment und ebne den Übergang zur Unsterblichkeit. Sie resultiert aus einem Konzept von Diesseits und Jenseits, das jenem Elend und Vergänglichkeit, diesem dagegen Hoffnung und Ewigkeit zuschreibt. Hingang durch die Welt arbeitet diesem Konzept zu, indem das Leben als fortwährendes Sterben gedeutet wird. Die ägyptischen Mumien begegnen in dieser Auslegung als Sinnbild: Unsere Seligst-Verschiedene fand sich vertaͤuffet in lauterer Wehmuth und Leyden / denn sie gieng durch einen steten Tod in ein stetes Leben. Dieses Zeitliche zwar / scheinet aͤusserlichem Ansehen nach dem Tode gantz zu wider. Wenn wir solches aber was vernuͤ nfftiger beschauen / ist es dem Tode nicht nur gantz gleich / sondern nichts als ein immerwehrend Sterben selbst. Welches die Alten sehr wol zu verstehen gegeben / in dem sie ihre Leichen auff eben solche Art in Windeln gebunden / als wir unsere Neugebornen / um darzuthun / daß entweder der Kinder Geburt ein Eingang zu dem Tode / oder der Todten Hintritt eine Geburt zu einem andern Leben sey.215
Dass „die Alten“ sich hier auf die Ägypter bezieht, wird dem Leser, der zunächst vielleicht eher an die jüdische Bestattungssitte denken mag, mit der Marginalie „Vide Mumias veteres“ 216 und dem Verweis auf entsprechende Passagen in Jean-Jacques Chifflets De linteis sepulcralibus deutlich gemacht. Die Verquickung des heidnisch-antiken Glaubens an ein Weiterleben der Seele nach dem Tod und der dem Text eingeschriebenen theologischen Maxime erfolgt über den Bezug auf die Leinenbindung der Mumien. Die Verhüllung der Toten wird der Verhüllung von Neugeborenen gegenübergestellt, das Material mit Bedeutung aufgeladen. Demnach symbolisiere die Bindung nach der Geburt den beginnenden Tod, die nach dem Tod den Übergang ins ewige Leben. In Ausländische in dem Vaterland begegnet die Mumienthematik als Element der vanitas-Motivik. In seiner Rede, die den Zuhörer von der Nichtigkeit irdischer Bemühungen anhand der vielen Völkern gemeinsamen Sitte, ihre Toten ordnungs- und standesgemäß zu bestatten, zu überzeugen versucht, flicht der Sprecher zum Zwecke der rhetorischen Zuspitzung einen Verweis auf die ägyptischen Mumien ein: Das Vaterland ist seinen Einwohnern auch ein Begraͤbnuͤ ß zu verschaffen verbunden / wie wir nicht nur aus den Hebreischen / Egyptischen / Griechischen / Roͤmischen und
215 Gryphius: Hingang durch die Welt, in: Gryphius 2007, S. 145–162, hier S. 155. 216 Gryphius 2007, S. 155, Anm. 51.
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aller Voͤlcker Gewohnheiten wissen [...]. Auch die aͤltesten der Christen haben mehr auff die Begraͤbnuͤ ß der heiligen Maͤrterer gewendet / als wol die Heyden auff ihren Gottesdienst; Si Arabiae qveruntur, (schreibet Tertullianus) sciant Sabaei, pluris et carioris merces suas Christianis sepeliendis profligari, qvam diis fumigandis. Wo ist aber heute das praͤchtige Mausolaeum? Wo ist das Grab Augusti? Ja wo findet man die Grab-Staͤdte der Heiligen? [...] Was aber von ihnen selbst uͤ brig gewesen / ob es gleich mit Balsam / Hartz und derogleichen zusammen gleichsam gekleibet worden / ist laͤngst verstoben. Wir zustuͤ cken die Egyptischen Mumien: Ihre Pyramides sind Leichen-leer.217
Die Vergeblichkeit eines Strebens nach Fortdauer im Diesseits wird am Auslöschen der Erinnerung an die Ruhestätten einst ruhmreicher Figuren der Geschichte aus dem allgemeinen Bewusstsein dargestellt. Die Mumien verdeutlichen insofern den Gipfel dieser Vergeblichkeit, als die größtmöglichen Bemühungen der Ägypter nicht nur mit Vergessen, sondern gar mit Grabraub und Leichenschändung vergolten wurden. Weder in der dramatischen noch in der konsolatorischen Literatur kommt den Referenzen auf ägyptische Mumien eine zentrale Bedeutung zu. Sie sind nicht handlungs- oder argumentationsleitend, sondern haben lediglich Anmerkungscharakter. Die Wissensbestände sind innerhalb der Kontexte Medizin und Körper bzw. Tod und Bestattung in die Texte eingearbeitet. Inhaltlich speisen sie sich aus Gemeinplätzen des Mumienwissens: der geografischen Verortung (Ägypten, Pyramiden), dem Mumifizierungsprozess (Balsamierung, Leinenbindung) sowie dem Import nach und dem medizinischen Gebrauch von Mumien in Europa. Rückschluss auf einen Verfasser mit wissenschaftlicher Expertise im Bereich der Mumienkunde erlauben sie nicht. Wenn die Mumienthematik auch noch keinen selbstständigen Diskussionsraum erhielt, hatte sie doch bereits vor Stattfinden der Breslauer Sektion einen Platz in Gryphius’ Schaffen. Dass diese Beschäftigung weniger in einer Ägyptenfaszination als vielmehr in einer Auseinandersetzung mit dem Tod ihren Anfang nahm, legt die Einbindung der Thematik nahe. Auch die Schwerpunktsetzung innerhalb der Mumiae Wratislavienses, die noch genauer zu betrachten sein wird, zeugt davon. Es ist weniger die zum Ausdruck gebrachte Begeisterung für die ägyptische Götterwelt und Gesetzeskunde, die sich in der Schrift widerspiegelt. Stattdessen begegnet etwa ein Interesse für die Leinenbindung von Mumien. Sie
217 Gryphius: Ausländische in dem Vaterland, in: Gryphius 2007, S. 230–251, hier S. 246. Die rhetorische Frage nach dem Ort der Königsgräber, um die Vergänglichkeit alles Irdischen zu verdeutlichen, geht auf eine Predigt des Johannes Chrysostomos zurück, dessen Schriften Gryphius in seinen Leichabdankungen im Vergleich zu anderen Kirchenvätern überdurchschnittlich häufig heranzog. Für Referenzen zu Johannes Chrysostomos in den Leichabdankungen vgl. Schings 1966, S. 298.
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ergibt sich aus der Beschäftigung mit der jüdischen Bestattungssitte und speziell der Verhüllung von Leichnamen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Begräbnis Jesu Christi. Ausdrücklich erwähnt Gryphius, dass er Überlegungen zu dessen Bestattung in den Mumiae Wratislavienses als Vorarbeit für eine selbstständige Schrift über Kreuzigung und Grab des Herrn verstanden wissen will.218 Eine solche ist zwar nie im Druck erschienen, war seinem Biografen Stieff aber als Manuskript bekannt.219 Auch das Interesse an Gräbern und Leichen („busta inter ac Manes“ 220) wird im Vorwort thematisiert und konkret auf die künstliche Totenkonservierung in der Antike, die natürliche Mumifizierung und zeitgenössische Techniken der Körpererhaltung verwiesen221 – Themen, die ein im poetischen Schaffen häufig wiederkehrendes Motiv, die Verwesung des Leichnams, aufgreifen. So fragt etwa die bereits erwähnte Celinde, nachdem sie den Leichnam des Marcellus gesehen hat: Da ich die Leich erblickt: Erzittert ich vor Schrecken. Wo war der Stirnen Glantz / wohin der Augen Paar? Wohin Marcellus selbst? Was laͤst vns doch die Baar Als ein verstelltes Aaß / das blauer Schimmel decket Das eine braune Faͤul ansteckt vnd gantz beflecket[.]222
Eine umfangreiche und tiefgehende Kenntnis von Textzeugnissen über antike Bestattungssitten beweist Gryphius bei der Frage nach dem Ende der Mumifizierungssitte, deren Erörterung außerdem von seinem profunden kirchengeschichtlichen Wissen, insbesondere über das aufstrebende Christentum im Nordafrika der Spätantike, profitiert. In diesem Zusammenhang sei besonders auf eine Überschneidung mit der schon erwähnten, ein Jahr vor der Breslauer Sektion entstandenen Leichabdankung Ausländische in dem Vaterland verwiesen: Bereits dort hatte Gryphius sich im Kontext der vanitas-Motivik auf die
218 Vgl. § 3,3. 219 Stieff 1737, S. 819, kennt das Manuskript einer theologisch-philologischen Abhandlung De cruciatibus et morte Salvatoris, die heute verschollen ist. 220 § 3,2. 221 Vgl. § 3,1 f. 222 Gryphius 1965, V, 310–314. Besonders sei auch auf die Darstellung des verwesenden Leichnams in den Kirchhoffs-Gedancken verwiesen (vgl. Strophe 22–32). Hierzu auch Steiger 2000, bes. S. 48–51, v. a. mit Bezügen zu Luther, dem er die Begründung einer „Ästhetik des Ekels“ (ebd., S. 50) zuspricht und in dem er den Ratgeber für Gryphius’ Ausgestaltung sieht, nämlich der ars moriendi zu dienen, indem man sich im Leben mit dem Bild des Todes auseinandersetzt. Zu dieser Passage im Kontext einer literarischen Auseinandersetzung mit Anatomie und Tod in der Frühen Neuzeit Košenina 2009, S. 65–67. Ott 1985, S. 276–286, widmet dem verwesenden Toten bei Gryphius ein eigenes Kapitel.
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Grabstätten des persischen Königs Kyros II. und Alexanders des Großen sowie auf den durch Tertullian bezeugten verschwenderischen Gebrauch von Spezereien bei frühchristlichen Begräbnissen bezogen, die er hier ausführlich in seine Argumentation einbindet. Zuletzt findet auch die im Anhang der Mumiae Wratislavienses behandelte Frage, ob Mumien von Dämonen besessen sein und gespenstisches Wirken freisetzen können, ihren Referenzrahmen in der breiteren Auseinandersetzung mit Leichen und Geistern, wofür die oben vorgestellte Passage aus Cardenio und Celinde und der heute verlorene Traktat De spectris223 Beispiele sind. Festzuhalten bleibt, dass, wenn ägyptische Mumien außerhalb der Mumiae Wratislavienses bei Gryphius’ auch kaum eine Rolle spielen, in dem Traktat sehr wohl zentrale Themen und Motive seines Schaffens aufgegriffen werden. Die Schrift sollte daher nicht als Kuriosum, sondern vielmehr als genuiner Teil des Gesamtwerks gelesen und bewertet werden.
4.2 Von der Untersuchung zum Text. Entstehungsgeschichte Die Mumiae Wratislavienses gehören zum Spätwerk von Gryphius. Sie erschienen 1662 nur zwei Jahre vor seinem Tod. Der Titel der Schrift spielt auf die drei Mumien an, die in der privaten Sammlung eines Breslauer Apothekers ausgestellt waren und 1658 von einer Gelehrtengemeinschaft genauer untersucht wurden. Im folgenden Kapitel werden die Hintergründe und Umstände dieser Breslauer Mumiensektion skizziert und eingeordnet. Anschließend wird die Entstehung der daraufhin publizierten Schrift herausgearbeitet.
4.2.1 1658: Die Breslauer Mumiensektion Am 7. Dezember 1658 fand im schlesischen Breslau eine Mumienuntersuchung statt, an der 21 Bürger der Stadt und der näheren Umgebung teilnahmen. Hätte Gryphius hernach nicht einen Traktat veröffentlicht, hätte die Nachwelt wohl kaum Kenntnis von dem Ereignis erreicht. Denn abgesehen von den Mumiae Wratislavienses gibt es hiervon kaum zeitgenössische Quellen. Der Glogauische Oberamtsadvokat Peter Gigas erinnert in seinem Epicedium auf Gryphius an
223 Hoffmannswaldau hatte das Manuskript noch in den Händen, Gryphius’ Sohn Christian war es allerdings schon nicht mehr zugänglich. Vgl. Stieff 1737, S. 819.
4.2 Von der Untersuchung zum Text. Entstehungsgeschichte
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dessen Mumienzergliederungen, ohne jedoch auf Details einzugehen.224 Philipp Jakob Sachs von Löwenheim erwähnt in der Gammarologia beiläufig die Breslauer Sektion, an der er dank Gryphius habe teilnehmen können.225 Christian Stieff, Zögling von Gryphius’ Sohn Christian, schenkte der Untersuchung und ihren Umständen mehr als ein halbes Jahrhundert später einige Aufmerksamkeit. Seinem Schlesischen Labyrinth gab er auf etwa 15 Seiten ein Kapitel Von der Egyptischen Mumia auf der Maria Magdalenischen Bibliotheck in Breßlau bei.226 Anlass war die Wiederbeschaffung der von der Gelehrtenschaft zuerst sezierten Mumie, die bereits mehrfach weiterverkauft worden war, um sie in der gymnasialen Bibliothek zu St. Maria Magdalena in Breslau auszustellen.227 Die Ausführungen stützen sich jedoch, nachdem bereits zwei Generationen verstrichen waren, weitgehend auf Stieffs Auslegung der Mumiae Wratislavienses, die außerdem mit gewisser Vorsicht zu genießen ist: Das angebliche Exzerpt, das er zur Frage des Nutzens von Mumienkörpern in der Medizin gibt,228 hat in der
224 Abgedruckt in: Stosch 1665, S. 104–109, hier S. 108: Der Hand / die manchen Streit hochweißlich hat geschlichtet / Die manche Leich / auch die Egypten hat vermummt / Mit klugen Witz / der Welt zu Nutzen / hat zergliedert/ Die auch der Erden Saltz durch weises Suchen traff / hat nun der Tod den Dienst / mit schlechtem Danck erwiedert / Indem er sie itzund verdammt zum langen Schlaff. 225 „Obiter hic notandum, vires potius Ocul. cancr. quam Mumiae asscribendum, quae, utpote pissa[s]phalto plerumque saltem conditae, tam insignium virium, quae ipsis asscribuntur, esse poterunt, cum rarissimae mumiae sint odoriferis balsamis repletae, qualis illa fuit, quam MDCLVIII. VII. Id. Dec. Vratislaviae in praesentia Medicorum, in gratiam Eruditissimi et Curiosissimi Andreae GRYPHII, ipse quoque praesens vidi dissectam, et descripta erudito discursu ab Eodem Gryphio in mumiis Vratislav. pag. 26. et seq.“ Sachs 1665, S. 827. 226 Vgl. Stieff 1737, S. 605–620. Kurze Erwähnung auch in Andreae Gryphii Lebens-Lauff, ebd., S. 818. Stieff kam als Schüler im ausgehenden 17. Jahrhundert an das Breslauer Gymnasium zu St. Maria Magdalena, dessen Rektor Christian Gryphius war und Stieff ab 1717 werden sollte. Beide hatten eine enge Beziehung, wovon der umfangreiche Briefwechsel zeugt, der in der BU Wrocław in drei Bänden aufbewahrt wird (Sign. R399). 227 Stieff 1737, S. 608, spricht von der Bibliotheksmumie als der „von Andrea Gryphio tranchierte[n] Mumie“. In den Mumiae Wratislavienses wird angedeutet, dass die sezierte Mumie einige Tage nach der Untersuchung wieder eingewickelt wurde (vgl. § 14,4). Nach Stieff 1737, S. 607 f., gelangte sie nach dem Tod des Apothekers Jakob Krause zunächst in den Besitz seiner Tochter und ihres Mannes, dem Juristen Wolfgang Scharschmied. Auf Bitten des Breslauer Ratsherren Johann Christian von Wolfsburg übergab Scharschmied ihm die Mumie, die nach dessen Tode an Gottfried Springer, ebenfalls Ratsherr zu Breslau, verkauft wurde. Diesen wiederum konnte Stieff, der der Neffe von Scharschmied und damit über einige Ecken mit dem Apotheker Krause verwandt war, überreden, die Mumie für die Bibliothek zur Verfügung zu stellen. 228 Stieff 1737, S. 618 f.
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4 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie
Originalschrift überhaupt keine Entsprechung. Trotzdem ist Stieffs Text etwa für das weitere Schicksal der beschriebenen Mumien und einige Details eine wertvolle Quelle. Neben der bereits erwähnten konnte er eine weitere Mumie, die 1658 betrachtet, aber nicht seziert worden war, um sie für die Nachwelt zu erhalten, wieder ausfindig machen. Zu Stieffs Zeit fand sie sich in der Offizin der ehemals Krauseschen Apotheke, wo sie auch nach dem Zweiten Weltkrieg aufgefunden wurde.229 Von der dritten Mumie der Sammlung, die ebenfalls seziert wurde und bereits zu diesem Zeitpunkt in einem schlechten Zustand war, fehlt dagegen jede Spur, sodass Śliwa vermutet, sie sei danach zu Medizin weiter verarbeitet worden.230 Die Herkunft der drei Mumien, die der Gelehrtengemeinschaft zur Verfügung standen, kann in Grundzügen nachgezeichnet werden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren sie Eigentum des Breslauer Apothekers Jakob Krause, der sowohl die Mohren-Apotheke am Salzring als auch ein Grundstück nahe der Christopheri-Kirche besaß.231 Dabei handelte es sich um jene Gartenanlage, die ihrem Schöpfer, dem Arzt Laurentius Scholtz, im 16. Jahrhundert großen Ruhm einbrachte.232 Der Hortus Scholtzianus, eine „Oase für Intellektuelle“, wurde 1587/88 gegründet und wartete nicht nur mit mehreren hundert, teilweise exotischen und seltenen Pflanzen auf, sondern auch mit allerlei anderen Zierden wie zwei Vogelhäusern in Pyramidenform, einem Labyrinth, einer mit Obelisken geschmückten Grotte, einem Brunnen mit Wasserspielen, einer Galerie mit Wandmalereien und einer Kunstkammer.233 Etwa in der Mitte der Anlage diente
229 Die Mumie scheint also bis ins 20. Jahrhundert im Inventar der Mohren-Apotheke am Salzring verblieben zu sein. Ebendort fand Prof. Krupiński sie nach dem Zweiten Weltkrieg wieder (vgl. Śliwa 2003, S. 8). 230 Ebd. 231 Weiß 1889, S. [3], datiert die Gründung der Mohren-Apotheke mit Verweis auf die älteste Breslauer Apothekenordnung von 1489 auf die Zeit zwischen 1445 und 1489 (dagegen Werner 1880, S. 3, mit dem frühen 16. Jahrhundert). Sie war damit die viertälteste Apotheke der Stadt und bestand noch bis ins 20. Jahrhundert fort. Für das Grundstück verzeichnet Wernicke 1901, S. 445, das Jahr 1651, was wohl ein Fehler ist, da er streng chronologisch vorgeht und der Eintrag zwischen Mai 1621 und Mai 1623 liegt. Unter Berufung auf eine Archivalie des Staatsarchivs (A3 F. Breslau. No. 326, 332) notiert er für den 26. 6. 1651, d. i. 1621, den Ankauf „eine[s] Garten[s] auf der Taschengasse nebst dem dazugehörigen Hause auf der Weidengasse“ durch Jakob Krause (ebd., S. 446). Bei Kundmann 1727, S. 42, scheint es sich um eine Namensverwechslung zu handeln, wenn er vom Apotheker Christopher Krause spricht, dem Gomolcke 1735, S. 51–53, und Kurtzmann 1866, S. 457, folgen. 232 Zu Scholtz vgl. Graetzer 1889, S. 26–28, zum Garten vgl. Kurtzmann 1866, Fleischer 1984 und Oszczanowski 2004. Letzterer bezieht einen bis dahin unbekannten Kupferstich Georg Heyers, der in den Wrocławer Beständen entdeckt wurde, in seine Darstellung ein und kann dadurch neue Details über den Aufbau des Gartens mitteilen. 233 Oszczanowski 2004, S. 143–144, Zitat S. 143.
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ein mit Gemälden und Skulpturen geschmückter Holzpavillon der Zusammenkunft bei Speis und Trank. In diesem Umfeld lud der Hausherr seine Gäste zu Feierlichkeiten ein, die in der Gelehrtenwelt als Floralia Wratislaviensia bekannt waren. Für seine Kunstkammer hat Scholtz auch jene drei Mumien angekauft,234 die mit dem Verkauf des Gartens später in den Besitz von Jakob Krause übergingen. Als die Mumien bereits sechs Jahrzehnte in Breslau waren, besuchten die Ratsherren Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Johannes Burckhardt von Löwenburg gemeinsam mit Andreas Gryphius das Anwesen Krauses, um sich dessen Garten mit den verschiedenen Attraktionen anzuschauen. Thomas Lerch, ebenfalls Ratsherr und freundschaftlich mit Gryphius verbunden, hatte sie ein Jahr zuvor auf diese Idee gebracht, als man nach Amtsgeschäften in geselliger Runde zusammenkam. Die Mumien waren den Männern bei ihrem Besuch nur beiläufig („obiter“ 235) aufgefallen. Erst im Anschluss wandte sich Gryphius mit dem Vorschlag an Hoffmannswaldau, Krause um die Untersuchung einer Mumie zu bitten. Dieser weihte auch Burckhardt ein, der das Interesse nicht nur teilte, sondern auch das Einverständnis des Apothekers bei einem zufälligen Aufeinandertreffen am Rathaus einholte, das Krause sogar bereitwillig für alle drei Mumien seiner Sammlung gab.236 Die Untersuchung fand nach Gryphius’ Angaben „in Crusii suburban[o]“ 237 statt, also nicht in der zentral gelegenen Apotheke, sondern auf dem privaten Anwesen Krauses. Dafür käme entweder sein Wohnhaus in der Weidengasse infrage oder der gegenüberliegende Garten, in dem die Mumien auch ausgestellt waren. Falls der Holzpavillon noch existiert haben sollte, hätte er der Gemeinschaft mit Tisch, Bänken und Fensterbrettern sicher ausreichend Raum und Einrichtung für die Sektion geboten.
234 Gryphius gibt dazu keinen Hinweis, jedoch später Kundmann 1727, S. 42, und Stieff 1737, S. 607. Keines der Epigramme, die Freunde und Besucher zu Lob und Ruhm des Gartens verfasst hatten und die Scholtz 1594 als Sammlung In hortum epigrammata amicorum herausgab, enthält einen Hinweis auf die Mumien. Ebenso wenig Calagius 1592 oder die unter der Signatur M1039 in der Handschriftenabteilung der BU Wrocław aufbewahrten Briefe an Scholtz (im Zettelkatalog als Variorum medicorum epistolae verzeichnet). Die Mumien scheinen daher ein später Ankauf von Scholtz gewesen zu sein, der bereits 1599 verstarb. Als Arzt hat Scholtz das Medikament mumia natürlich gekannt. In seiner Funktion als Herausgeber hat er einen Brief von Thomas Maufetus an den Breslauer Kollegen Peter Moldau zum Thema in Scholtz 1598, Sp. 531 f., zur Veröffentlichung gebracht. Ansonsten aber schenkt er mumia als Medizin in seinen Werken keine weitere Beachtung. 235 § 11,3. 236 Burckhardt, nicht Lerch, wie Śliwa 2003, S. 10, schreibt, holte Krauses Einverständnis ein. 237 § 31,1.
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Durch Gryphius ist uns eine vollständige Liste der 21 Sektionsteilnehmer überliefert.238 Alle vier am Zustandekommen der Untersuchung beteiligten Personen, d. h. Gryphius, Hoffmannswaldau, Burckhardt und Krause, waren anwesend. Die übrigen Teilnehmer setzen sich vornehmlich aus ihrem Bekanntenkreis zusammen, wobei aufgrund der Vernetzung untereinander nicht mehr zweifelsfrei zu bestimmen ist, auf wen die Einladung zurückgegangen sein mag. Thomas Lerch, der dem Rat der Stadt als Registrator diente und den Besuch von Krauses Garten angeregt hatte, sowie der Arzt Philipp Jakob Sachs von Löwenheim, der ab 1671 das Amt des Stadtphysicus innehatte, waren mit Gryphius befreundet.239 Letzterer weist, wie oben angedeutet, in der Gammarologia darauf hin, dass er seine Teilnahme Gryphius verdanke. Auch die Anwesenheit der Brüder Georg Friedrich und Wolfram Christian von Arzat, die gerade einmal 17 und 13 Jahre alt waren, erklärt sich über Beziehungen, denn ihr Vater Georg Friedrich von Arzat zählte zu Gryphius’ besten Freunden. Sie waren nicht die einzigen jungen Teilnehmer: Der Apotheker Krause brachte seine beiden Söhne mit, die im Studienalter waren und den Vater als „spectaculi totius ferè editores“ 240 unterstützten, was wohl auf ein Rahmenprogramm mit Bewirtung, das Heranschaffen von Instrumentarium und vielleicht kleinere Assistenzarbeiten wie das Aufrollen und ordnungsgemäße Verstauen der Binden bezogen werden kann. Auch Johannes Burckhardt brachte seinen 16-jährigen Sohn Johannes mit, der im darauffolgenden Jahr zum Studium nach Heidelberg gehen sollte und dafür eine Studienanleitung von Hoffmannswaldau erhielt.241 Zu diesem führen im Übrigen die meisten Verbindungslinien: Er war nicht nur mit den bereits genannten – Gryphius, Burckhardt, Lerch, Sachs, Krause und den Arzats – bekannt. Als Senator war er mit seinem Amtskollegen David von Eben wenigstens dienstlich verbunden, mit dem Schöffensekretär Johannes Kretschmar zudem befreundet.242 Auch eine Bekanntschaft mit dem Arzt Gottfried Thilisch,
238 Vgl. § 31. 239 Während die Freundschaft zu Lerch, die Gryphius selbst unterstreicht (vgl. § 31,3), nicht zuletzt wegen des als Autografen überlieferten Stammbucheintrags aus Leidener Zeiten (Bircher / Seelbach 1994, S. 142) bekannt ist, blieb die Beziehung des Dichters zu Sachs von Löwenheim bisher von der Forschung unberücksichtigt. Zwar weiß man von dem Widmungsgedicht, das Gryphius Sachs für die Veröffentlichung seiner Ampelographia 1661 anfertigte; Aufschluss über das Verhältnis der beiden gibt aber auch ein bisher unbeachteter Brief von Sachs, der als Abschrift in der BU Wrocław aufbewahrt wird (Sign. R405, S. 170–174). 240 § 31,4. 241 Die Anleitung De curriculo studiorum kam erst 1700 in den Druck. Hierzu Kiedroń 1998 und Noack 1999, S. 297–305. 242 Vgl. hierzu die Briefe Kretschmars, in der BU Wrocław (Sign. IV F88t) aufbewahrt werden.
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der später Stadtphysicus werden sollte, bestand nachweislich.243 Die Gruppe der Ärzte war unter den Teilnehmern am größten: Den Medizinstudenten Krause miteingerechnet waren es zehn Personen, die somit etwa die Hälfte der Anwesenden ausmachten. Der Arzt Christian Buckisch war mit Sachs befreundet.244 In welchem Verhältnis seine Kollegen Gottfried Wilhelmi, Adam Scholz, Balthasar Kramer und Sebald Scholz zu den Sektionsteilnehmern standen, ist nicht bekannt. Gleiches gilt für Johann Agricola und Joachim Elsner, die beiden Stadtphysici Breslaus. Agricola war mit fast siebzig Jahren nicht nur der älteste Teilnehmer, sondern auch der einzige, der selbst Ägypten bereist hatte.245 Es ist vorstellbar, dass Agricola und Elsner aufgrund ihres Amtes zur Untersuchung eingeladen wurden. Wenigstens sechs der anwesenden Ärzte246 wurden an der Universität Padua promoviert, deren medizinische Fakultät den hervorragendsten Ruf in Europa genoss und in besonderem Maße für eine moderne Anatomie stand, in der das Lernen und Forschen durch Körpersektionen mit einem Anatomen, der nicht nur dozierte, sondern auch selbst sezierte, zentral war. Die Zusammensetzung der Gruppe deutet darauf hin, dass es sich bei der Breslauer Sektion um eine private und keine öffentliche Veranstaltung gehandelt hat. Zwar waren Notablen der Stadt anwesend. Nach Betrachtung der Freundschaftsverhältnisse ist es jedoch wahrscheinlicher anzunehmen, dass sie als Privatpersonen und nicht als Funktionsträger gekommen waren. Eine Ausnahme könnten die beiden Stadtphysici Breslaus darstellen. Es wird außerdem deutlich, dass unter den Versammelten kein Experte für ägyptologische Fragen war. Wohl aber verfügte die Mehrheit der Teilnehmer über eine profunde akade-
243 Zu dem Treffen bei Hoffmannswaldau, bei dem u. a. auch Johannes Burckhardt anwesend war, vgl. Noack 1999, S. 320, Anm. 98. 244 In einem undatierten, wahrscheinlich aber nach 1663 entstandenen Brief an Johann Michael Fehr bezeichnet Sachs (BUW R405, S. 212) Buckisch als „dignissimum Amicum meum sincerissimum“ und empfiehlt ihn für die Academia Naturae Curiosorum, dessen Gründungsmitglied Fehr war. 245 Allerdings ist Agricola nicht durch Veröffentlichungen zum Thema hervorgetreten. Dem zweiten Band seines Kommentars zur Chymischen Medicin des Johann Popp hat er zwar ein Kapitel De mumia beigegeben. Er fasst unter dem Begriff allerdings eine Essenz, die aus dem Fleisch hingerichteter Menschen durch Einlegen in Aloe und Myrrhe und anschließendem Trocknungsprozess gewonnen werden soll. Vgl. Agricola 1639, S. 959–966, zum Rezept S. 960 f. Zur Biografie Agricolas vgl. Humberg 2006. 246 Gryphius selbst war, anders als Śliwa 2003, S.11, schreibt, natürlich kein Arzt. Die PaduaAbsolventen sind: Elsner 1639, Thilisch 1649, Sachs 1651, Kramer 1653, Buckisch 1654, Sebald Scholz 1657. Agricola promovierte bereits 1615 in Basel. Für Wilhelmi, Adam Scholz und den jungen Krause konnten keine Angaben gefunden werden. Zu den Teilnehmern vgl. auch den Stellenkommentar zu § 31.
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mische Ausbildung. Neun Personen waren gar sowohl Doktor der Medizin als auch der Philosophie.247 Erklärte Absicht der Untersuchung war das Auswickeln einer Mumie zur Erforschung der Verhüllungsmethode sowie die Untersuchung des Körpers zur Identifizierung der Balsamierungsmittel.248 Über die Rollenverteilung schweigen die Mumiae Wratislavienses. Nur an einer Stelle formuliert Gryphius in der ersten Person – als er versuchte die Leinenbinden einzureißen („lacerare conor“ 249) –, sodass ein Indiz für seinen aktiven Part vorliegt. Stieff gibt ausdrücklich an, Gryphius selbst habe die Mumie „aufgeschnitten“.250 Auch der oben zitierte Peter Gigas, der allgemein davon spricht, Gryphius habe ägyptische Mumien zergliedert, stützt diese Lesart. Angesichts der anatomischen Ausbildung eines Teils der Teilnehmer ist es vorstellbar, dass der Sezierende in Anlehnung an die Paduaner Lehrmethode lector und dissector in einer Person war, die handwerklichen Schritte also nicht nur ausführte, sondern dabei auch erläuterte. Das Dozieren kann mangels Vorläufertexten jedoch nicht wie in der Anatomie an Lehrbüchern oder anderen Sektionsbeschreibungen orientiert gewesen sein. Wohl aber könnten die Passagen zur Mumifizierung in Herodots Historiae und Diodors Bibliotheca rezitiert worden sein. Wahrscheinlich ist auch, dass die Ausführungen des wichtigsten Ägyptenexperten seiner Zeit, Athanasius Kircher, die auch die Mumienexperimente Giovanni Nardis umfassten, vorgetragen wurden. Dessen Abhandlung De Mumiis hatte Gryphius eigens vor Stattfinden der Sektion studiert.251 Diskussionen waren während der Untersuchung offensichtlich erlaubt, wie die Erwähnung zweier Einwürfe Agricolas252 und Hinweise auf Meinungen der Teilnehmer253 zeigen. Von den drei Mumien, die Krause zur Verfügung stellte, wurden nur zwei untersucht, da man die beiden forschungsleitenden Fragen als beantwortet ansah und die Sammlung des Apothekers nicht um ihr letztes Exemplar bringen wollte. Während eine Mumie vollständig erhalten war, fehlten der zweiten, die bereits ausgewickelt und öffentlich ausgestellt worden war („publicè ostentatum fuerat“ 254), die Füße und Teile des Beins. Über die Instrumente, derer man sich bediente, bieten die Mumiae Wratislavienses keine Erläuterungen. Da die
247 Das sind: Agricola, Elsner, Wilhelmi, Adam und Sebald Scholz, Thilisch, Sachs, Buckisch, Kramer (vgl. § 31,2). 248 § 11,4. 249 § 13,2. 250 Stieff 1737, S. 810. 251 Vgl. § 7,1 und § 21,1. 252 Vgl. § 14,4 und § 21,1. 253 Vgl. § 14,1 und § 21,1. 254 § 23,1.
4.2 Von der Untersuchung zum Text. Entstehungsgeschichte
207
Gewichte der ersten untersuchten Mumie genannt werden, muss eine Waage bereit gestanden haben. Allein eine Säge („serrâ“ 255), mit der man den Hinterkopf der zweiten Mumie öffnete, wird explizit erwähnt. Beide Mumien wurden an einem Tag untersucht. Die Betrachtung der Kreideschicht, der äußeren Leinenbinden und der Leichentücher nahmen etwa eine Stunde in Anspruch.256 Weitere Einzelheiten zum zeitlichen Ablauf sind nicht bekannt. Methodisch arbeitete man sich von außen nach innen vor. Die Verhüllung muss sorgfältig entfernt, sortiert und gelagert, vielleicht sogar dokumentiert worden sein, denn ein paar Tage später fanden sich einige der Teilnehmer noch einmal zusammen, um die erste Mumie wieder einzuwickeln.257 Die äußere bemalte Schicht wurde in Stücke zerbrochen, die die Teilnehmer als Souvenir mit nach Hause nahmen.258 Über die anfänglichen Forschungsfragen zu Balsamierung und Verhüllung hinaus ließ man sich beim Vorgehen von den Besonderheiten der Körper leiten und richtete seine Aufmerksamkeit auch auf andere Details wie anatomische Auffälligkeiten, Fundstücke oder von der antiken Überlieferung abweichende Begebenheiten. Rückschlüsse wurden auf Basis der Sinneswahrnehmung getroffen. Die Balsamierungsmittel wurden beispielweise anhand von Farbe und Geruch, Rückständen des Materials und im Vergleich untereinander bestimmt. Das war möglich, da nach Gryphius’ Aussagen eine Mumie ganz mit Asphalt gefüllt war, bei der anderen aber nur der Kopf Asphalt aufwies, der Körper dagegen Salböle und Spezereien. Zu welchen Ergebnissen führte nun die Breslauer Untersuchung? Hinsichtlich der Verhüllung stellte man eine äußere Schutzschicht aus kreideähnlichem Material, zwei Schichten aus je vielfachen Windungen breiterer Leinenbinden, die jeweils in einem Leichentuch ihren Abschluss fanden, und eine Körperbindung mit schmaleren Leinenbinden fest und kam zu dem Schluss, dass die ägyptischen Verhüllung nicht mit der in der Bibel überlieferten jüdischen übereinstimme.259 Da die beiden Mumien in unterschiedlicher Weise mit Asphalt bzw. Spezereien und Salbölen behandelt waren, schloss man, dass es mehrere Mumifizierungsmethoden und eine verschiedentliche Auswahl an Materialien gegeben haben muss. Darüber hinaus wurde der Anspruch erhoben, die antike Überlieferung widerlegt zu haben, der zufolge das Gehirn durch die Nase und die Eingeweide über die linke Körperseite entfernt worden seien, da die Untersuchung Öffnungen am Hinterkopf und in der Körpermitte zutage gefördert hat-
255 256 257 258 259
§ 23,1. Vgl. § 15,1. Vgl. Anm. 227. Stieff 1737, S. 611. Vgl. § 14,4.
208
4 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie
te. Abgesehen von den neuen Thesen wurden darüber hinaus ägyptologisch interessante Funde dokumentiert. Dazu gehören Pflanzen (eine Blüte unter dem rechten Fuß, Palmenblätter an den Körperseiten, ein Zweig bei der Leiste), ein Goldblättchen im Rachen, die Fixierung der Wirbelsäule durch Stöcke oder die gekreuzte Haltung der Arme. Sowohl die Zielsetzung als auch die Durchführung der Untersuchung lassen deutlich erkennen, dass man nicht zu einer Lehrsektion zusammenkam, bei der vorhandenes Wissen nachvollzogen und ausgestellt werden sollte. Vielmehr stand die Breslauer Sektion im Dienste der Forschung, ihr Zweck war Erkenntnisgewinn. Die Mumiae Wratislavienses halten diesen für die Teilnehmer, die Gelehrtenschaft und die Nachwelt fest.
4.2.2 1662: Mumiae Wratislavienses Mehrere Jahre vergingen nach der Breslauer Sektion, bis die Mumiae Wratislavienses als Druckschrift vorlagen. Sie wurden nicht in einem Zuge niedergeschrieben, sondern, wie Gryphius anmerkt, zwischen verschiedenen Beschäftigungen zu Papier gebracht.260 Aufgrund der äußeren Form der Schrift lassen sich wenigstens drei Arbeitsphasen ausmachen, in denen die Prätexte, die Dissertatio und die Notae entstanden sind. Die Widmungsvorrede an Johann Friedrich Freiherr von Nimptsch und Johann Friedrich von Sack ist auf den 1. September 1662 datiert. Die Vorrede an den Leser wird mit der Bemerkung eingeleitet, das Publikum würde bereits fünf Jahre auf die Abhandlung warten.261 Beide Prätexte sind damit deutlich erkennbar in zeitlicher Nähe zueinander und mit großem Abstand zur Breslauer Sektion verfasst worden. Der Anhang der Schrift, die Notae, die etwa ein Viertel des Gesamtumfangs ausmachen, ist dagegen nicht genau datierbar. Sicher ist lediglich, dass sie um einiges später als die Dissertatio verfasst wurden: Als Beweggrund für das Postskriptum gibt Gryphius nämlich an, seine Freunde hätten nach Lektüre der Schrift um die Erläuterung einiger Sachverhalte gebeten.262 Statt sie in den bestehenden Text einzuarbeiten fügte er diese als selbstständigen Textteil an. Dabei ist sowohl vorstellbar, dass er das soeben fertig gestellte Manuskript für die Kritik seiner Freunde aus den Händen gab, als auch, dass er später, als der Druck bevorstand, um ihre Meinung gebeten hat.
260 Vgl. § 3,1. 261 Vgl. ebd. 262 Vgl. § 32,1. Einer dieser Freunde könnte Hoffmannswaldau gewesen sein, von dem als einzigem bekannt ist, dass er auch das Manuskript von Gryphius’ Traktat De spectris in den Händen hielt. Vgl. Stieff 1737, S. 819.
4.2 Von der Untersuchung zum Text. Entstehungsgeschichte
209
Das Kernstück der Mumiae Wratislavienses, die Dissertatio, ist mit Sicherheit in zeitlicher Nähe zur Sektion und nicht nach Verstreichen mehrerer Jahre aus der Erinnerung entstanden. Dafür gibt es einige Indizien: Bereits in der um 1662 verfassten Vorrede an den Leser wird deutlich, dass der Haupttext vor 1659 entstanden sein muss, wenn Gryphius seine Enttäuschung über die inzwischen („interea“) erschienenen „Promissa Billiana“ zum Ausdruck bringt.263 Das 1659 veröffentlichte Exemplar fusioris Codicilli Lodewijk de Bils, auf das hier angespielt wird, kann demnach bei der Abfassung der Dissertatio noch nicht vorgelegen haben. Zentral für eine genauere zeitliche Einordnung ist der Kommentar des Verfassers, er habe den Oedipus Aegyptiacus Athanasius Kirchers nicht sofort nach Erscheinen einsehen können, weil die Pest ihn zur Flucht aufs Land gezwungen hatte, wo er bis Mitte November des soeben verstrichenen Jahres („anni nuper elapsi“ 264) weilte. Für die Zusammenhänge dieser Aussage muss etwas ausgeholt werden: Der dritte Band des Oedipus Aegyptiacus wurde 1654 gedruckt, erschien laut Kolophon aber erst 1655. Die Pest brach in Glogau im Mai 1656 aus.265 Es ist der Forschung bekannt, dass Gryphius deswegen gemeinsam mit seiner Familie im Jahre 1656 von Johann Christian Schönborner, den er in jungen Jahren zum Studium nach Leiden begleitet hatte, auf dessen Familiengut Zissendorf aufgenommen wurde. Nicht bekannt ist, wie lange er dort Zuflucht suchte. Flemming spricht von „Wochen“, Mannack von „vorübergehend“.266 Offensichtlich muss sich Gryphius aber wesentlich länger dort aufgehalten haben, wenn er von der zwei Jahre währenden Pest in Rom („quae Romam abhinc biennio lues exhausit“) spricht und ergänzt, er hätte sich ungefähr in denselben Monaten („iisdem ferè mensibus“) bei Schönborner aufgehalten.267 Die Pest in Rom währte von 1656 bis 1658. All diese Daten bieten Hinweise darauf, wann Gryphius mit der Niederschrift der Dissertatio begonnen hat. Zwei Szenarien lassen sich hierfür skizzieren: Im ersten Falle hätte sich Gryphius – sofern er Glogau gleich bei Ausbruch der Pest verlassen hat – etwa von Mai 1656 bis November 1658 bei Schönborner aufgehalten. Im Monat nach der Rückkehr, im Dezember 1658, wäre er nach Breslau gereist, um an der Mumiensektion teilzunehmen, und hätte sich gegen Beginn des Jahres 1659 an die Mumiae Wratislavienses gesetzt. „[A]nni nuper elapsi“ würde sich dann auf das Jahr 1658 beziehen und auch der Bezug auf die Pest in Rom von 1656 bis 1658 wäre damit schlüssig erklärt. Das hieße zugleich, dass Gryphius etwa zweieinhalb Jahre auf Gut Zissendorf verbracht hätte.
263 264 265 266 267
§ 3,2. § 7,1. Vgl. Minsberg 1853, S. 131. Flemming 1965, S. 68, Mannack 1968, S. 19. § 7,1.
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4 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie
Möchte man von einem kürzeren Aufenthalt bei Schönborner ausgehen, ergibt sich eine zweite Option. Die Rückkehr nach Glogau wäre dann nach anderthalbjähriger Abwesenheit auf den November 1657 zu datieren und der Beginn der Arbeit am Traktat würde in das beginnende Jahr 1658 fallen. Auch für dieses Zeitfenster wäre der Bezug zur römischen Pest plausibel. Außerdem würde sich die einleitende Bemerkung der Vorrede an den Leser, dass das Publikum fast fünf Jahre auf das Erscheinen der Abhandlung gewartet hätte, bei dieser Variante sinnvoller auflösen lassen. Schließlich liegen zwischen der Breslauer Sektion und der Textveröffentlichung nur etwas weniger als vier Jahre. Es bedeutete gleichfalls, dass Gryphius bereits vor Stattfinden der Untersuchung mit der Abfassung eines Mumientraktats begonnen hätte. Das kann nicht ganz ausgeschlossen werden: Neben der Sektionsbeschreibung besteht die Dissertatio aus zwei weiteren umfangreichen Textblöcken,268 die mangels Bezugnahme untereinander auch unabhängig von dieser entstanden sein könnten und zudem durch abrupte Übergänge auffallen. Der erste, etwa zwanzigseitige Abschnitt des Textes, aus dem auch die oben diskutierte Erwähnung des „anni nuper elapsi“ entstammt, führt den Leser an die Frage heran, wie und womit ägyptische Mumien balsamiert wurden. Die Überleitung zur Breslauer Sektion erfolgt durch ein kunstloses „Haec dum [...] perpendo: evenit ut“.269 Ein weiterer Abschnitt von etwa 35 Seiten, der das Ende der Mumifizierungssitte zu datieren versucht, ist nach der Sektionsbeschreibung ohne jede Überleitung eingeschoben.270 Der Bogen zum letzten Dissertatio-Kapitel wird wiederum durch ein einfaches „Sed video, me longiùs provectum“ 271 gelöst. Wenn sie auch keinen konkreten Hinweis für eine zeitliche Einordnung liefern, deuten die wenig elaborierten Übergänge wenigstens an, was der Verfasser bereits angekündigt hatte: Er war aufgrund anderweitiger Verpflichtungen gezwungen, die Arbeit mit einigen Unterbrechungen fertigzustellen. Gegen die Annahme, Gryphius hätte bereits zu Beginn des Jahres 1658 an einer Mumienschrift gearbeitet hat, spricht die Tatsache, dass nach der Empfehlung von Krauses Garten mit Kunstkammer durch Lerch ein Jahr verstrich, bevor man diesen besuchte, und die Mumien bei dieser Gelegenheit auch nur beiläufig wahrgenommen wurden. Hätte Gryphius bereits ernsthaft an dem Thema gearbeitet, hätte man von ihm wohl größere Aufmerksamkeit für die Ausstellungsstücke erwarten dürfen. Die wahrscheinlichere Lösung scheint daher, von einer Niederschrift der Mumiae Wratislavienses ab dem beginnenden Jahr 1659 auszugehen.
268 269 270 271
Vgl. auch die Inhaltsübersicht zum Werk im Anhang. § 11,1. Ab § 25. § 31,1.
4.3 Mumien- und Ägyptenbild
211
4.3 Mumien- und Ägyptenbild Um die Mumien als zu behandelnden Forschungsgegenstand vorzustellen und einzuordnen, wird die Beschäftigung zu Beginn der Dissertatio in einen breiteren Kontext eingespannt und als Teilbereich der Erforschung des antiken Ägypten inszeniert. Durch das kurze Anschneiden von religiösen, geschichtlichen, landschaftlichen, baulichen und kulturellen Besonderheiten wird ein Bild des vergangenen Landes gezeichnet: Dazu gehören die sonderbare Götterwelt, die Mysterienkulte, die weit zurückreichende Pharaonenherrschaft, das Priestergeschlecht und seine Rechtsprechung, Obelisken und Pyramiden, der fruchtbare Nil sowie die Bestattungskultur und damit einhergehend die Konservierung der Leichen. Der Grundton der Aufzählung ist positiv. Die Beschäftigung mit diesen Dingen wird als beeindruckend beurteilt („moveant“ 272) und die Wortwahl lässt Achtung vor Alter und Kultur Ägyptens erkennen.273 Das ist insofern bemerkenswert, als in den Leichabdankungen ein durchaus gegenteiliges Ägyptenbild zu finden ist. In Magnetische Verbindung des Herrn Jesu heißt es im Zusammenhang mit dem Tadel der Abgötterei: Egypten / wo vor Zeiten Joseph gebluͤ het / wurde in wenig Jahren gantz uͤ berschuͤ ttet mit abscheulichen Goͤttern. Da ehrete man den Anubin, man fiel vor dem Serapis nieder / und hielt dem Osiris fremde und ungewoͤhnliche Feyertage[.]274
Nach der Hinführung über eine kurze Ägyptenskizze wird die Mumienthematik mit einem Überblick über das zeitgenössische Interesse an ihnen eingeführt: Die Studienbemühungen seien auf die kraftvollen Balsamierungsmittel, die Leinenwicklung und die Inschriften gerichtet. Die Medizin bediene sich der Körper nach arabischem Vorbild als Arznei und Sammler stellen sie als Schaustücke aus. Diese beiden Formen der Verwendung werden mit kritischen Worten begleitet. Die pharmazeutische Verwertung wird auf Habgier („avaritiae“ 275) zurückgeführt, die Ausstellung auf Schaulust („spectandi libido“) und Kaufsucht („emendi cupidinem“).276
272 § 4,2. 273 Zu diesem Ergebnis kommt auch Mulsow 2016 (vgl. Anm. 207), der basierend auf der Analyse der Marginalien von Gryphius’ Pignoria-Ausgabe ebenfalls eine positive Bewertung des Alten Ägypten und vor allem der Mysterien feststellt. 274 Gryphius: Magnetische Verbindung des Herrn Jesu und der ihn verliebten Seelen, in: Gryphius 2007, S. 51–93, hier S. 64. 275 § 5,1. 276 § 5,2.
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4 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie
Dass die Beschäftigung mit Mumien von den Zeitgenossen zwiespältig beurteilt werden könnte, deutet sich bereits in der Widmungsrede an. Gleich zu Beginn wird der Vorwurf vorweggenommen, es handle sich dabei um ein verhasstes („exosum“) Thema, das mit Tod und Grabesstimmung („mortem ac tumuli squallores“) assoziiert werde.277 Zur Verteidigung wird angebracht, dass der Forschungsgegenstand auch höheren Erkenntniszielen dienlich sein kann. Schließlich würden sich auch die Erforscher der Geheimnisse der Weisheit („sapientiae arcana“) diesen Überresten der alten Zeit („[v]eteris aevi relliquiis“) zuwenden, ohne sich dabei von den scheußlichen Hüllen („pudendis corticibus“) abhalten zu lassen.278 Die Anspielung zielt auf die Anhänger der prisca sapientia-Lehre und erinnert in ihrer Formulierung an Otto Heurnius’ „divinae ac humanae sapientiae arcana“.279 Sie würdigten antike Artefakte als Träger eines uralten Wissens, weil diese einer Zeit entstammten, in der die ursprüngliche, von Gott verkündete Weisheit noch zugänglich war. Insofern stand ihre Auseinandersetzung mit den Objekten im Dienste der Gotteserkenntnis. Die Lobrhetorik auf den Forschungsgegenstand wird in der Widmungsrede weiter fortgeführt: Den Mumien wird zugestanden, dass sie jene Ewigkeit atmeten, für die Menschen gemacht sind („spirasse [...] Aeternitatem illam ad quam conditi mortales“)280. Das Konzept eines ewigen Lebens taucht hier als Universalie auf. Es bleibt nicht dem Christentum vorbehalten. Im Falle der heidnischen Leichname ist der Erhalt, das Nichtvergehen des Körpers das Motiv, sie an diesem Konzept Anteil haben zu lassen. Das Weiterleben der Toten wird durch die Metapher des Atmens gestützt. An anderer Stelle werden sie angesichts des Sieges über die Vergänglichkeit des Körpers als Abbilder, die über den Tod triumphieren („triumphales hasce de nece imagines“ 281) ausgezeichnet. Die Bewertung des Gegenstands schließt sich damit an die hermetistischphilosophische (Mumien als Vermittler einer göttlichen Weisheit) und die christlich-religiöse (Ägypter als Nachahmer der biblisch überlieferten Praxis) Interpretation der Körper an. Das tatsächliche Studium der Mumien fällt dann weit nüchterner aus als die Ankündigung vermuten lässt. Es werden die Balsamierungsmittel und die Leinenbindung untersucht, die oben bereits als allgemeine Forschungsbemühungen vorgestellt wurden. Es werden historische Quellen referiert, um das Ende der Mumifizierungssitte zu markieren, und die Mumien-Gespenster-
277 278 279 280 281
§ 1,1. Ebd. Heurnius 1600, S. 11. Vgl. Kapitel 2.3.1. § 1,1. § 2,1.
4.4 Leitprinzip Glaubwürdigkeit. Zur formalen Gestaltung des Traktats
213
Thematik erörtert. Die Beschäftigung mit Mumien erfolgt, wie noch genauer zu zeigen sein wird, im gelehrt-wissenschaftlichen Modus und ist frei von einer esoterisch-philosophischen oder religiösen Überformung der Thematik. Mit der klaren Kontextualisierung der Mumienforschung als historisches Ägyptenstudium wird die Beschäftigung außerdem von dem medizingeschichtlichen Anteil des Mumienwissens befreit. Die eigene Arbeit an Mumien wird im Bereich der Ägyptologie angesiedelt.
4.4 Leitprinzip Glaubwürdigkeit. Zur formalen Gestaltung des Traktats Die Mumiae Wratislavienses sind auf Latein verfasst. Sie richten sich an ein akademisch-gelehrtes Publikum. Die Schrift hält nicht nur einige besondere Beobachtungen an den in Breslau befindlichen Mumien fest, sondern dokumentiert erstmals systematisch die Sektion eines ägyptischen Leichnams und mischt sich zugleich in mehrere zeitgenössische Debatten der Mumienkunde ein. Ein solches Vorhaben erfordert – zumal für einen Wissensakteur, der bisher noch in keiner Weise zum Thema in Erscheinung getreten ist – eine Reihe von Legitimierungen, um den Textinhalten Glaubwürdigkeit zu verleihen. Auf situativer Ebene betrifft dies die Autorisierung des Forschers, der hier zugleich der Verfasser ist. Autorität definiert sich nach der frühneuzeitlichen Testimoniumslehre über Aufrichtigkeit und Kompetenz.282 Letztere wiederum ist vor allem im 17. Jahrhundert zunehmend an die Erkenntnismethode gebunden. Diese Komponenten müssen berücksichtigt werden, um zu zeigen, dass die Person berechtigterweise Aussagen über den Forschungsgegenstand treffen kann. Die Autorisierung auf situativer Ebene ist jedoch allein nicht hinreichend. Um den gewonnenen Erkenntnissen und neuen Thesen Glaubwürdigkeit zu verleihen ist auch eine rhetorisch evidente Darstellung derselben notwendig.283 Das folgende Kapitel ist der Analyse von Verfahren und Strategien gewidmet, deren Ziel es ist, dem Text Glaubwürdigkeit zu verleihen. Dafür werden drei verschiedene Ebenen untersucht: die Komposition und Struktur des Textes, die Darstellung der Breslauer Mumiensektion und schließlich die Präsentation neuer Wissensansprüche. Dabei gilt es gleichzeitig herauszustellen, inwiefern wissenschaftliches Vorgehen textkonstitutive Funktionen übernimmt, d. h. wo wissenschaftliche Arbeit nicht nur dargestellt wird, sondern die Form des Textes mitbestimmt.
282 Vgl. Danneberg 2002, S. 26 f., und ders. 2003, S. 164 f., auch De Angelis 2011c, S. 222 f. 283 Vgl. De Angelis 2008, S. 572, ders. 2010, S. 215, ders. 2011b, S. 888.
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4 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie
4.4.1 Wissenschaft und Erzählung Gryphius’ Abhandlung trägt den Titel Mumiae Wratislavienses. Doch nur etwa ein Viertel der Schrift widmet sich den drei Mumien aus dem Besitz des Breslauer Apothekers Jakob Krause. Tatsächlich beschäftigt sie sich mit drei großen Themenkomplexen.284 Zwei davon werden in der zunächst verfassten Dissertatio abgehandelt: Die Darstellung der Breslauer Sektion ist Teil der Erörterung, mit welcher Methode die alten Ägypter ihre Leichen mumifiziert haben. Ihr schließt sich die Auseinandersetzung darüber, wann die Mumifizierungssitte ein Ende fand, an. Die dargelegten Erkenntnisse zu beiden Forschungsfragen wurden mit zeitgenössisch valider wissenschaftlicher Methodik gewonnen: Im ersten Fall berief man sich auf eine empirische Untersuchung, im zweiten Fall auf historisch-kritische Textarbeit. Formal musste die Dissertatio also der Präsentation wissenschaftlicher Inhalte gerecht werden. Der dritte Themenkomplex, der sich der angeblichen Vereinnahmung von Mumien durch Dämonen widmet, wurde hingegen in die Notae verschoben und ist damit qua Textebene von der wissenschaftlichen Diskussion ausgeschlossen.285 Er ist vielmehr als kolloquialer Debattenbeitrag zu klassifizieren. Darüber hinaus kommt ihm auch eine ironische Rolle zu: In ausufernder Länge wird in diesem Textteil die von Nikolaus Radziwill überlieferte Geschichte über das üble Wirken von Dämonen nach dem Raub zweier Mumien auf einem Schiff im Mittelmeer zitiert. So erhalten aus Perspektive der Textordnung nach der Leichenschändung, die mit der Breslauer Sektion schließlich einherging, die dämonischen Mumiengespenster ihren Auftritt, deren Walten auf Argumentationsebene geleugnet wird. Die gesamte Abhandlung präsentiert sich äußerlich wenig strukturiert. Beide Textteile, Dissertatio und Notae, sind als Fließtext verfasst. Keine Kapiteleinteilung, keine Überschriften helfen dem Leser bei der Orientierung. Weder das Erscheinungsbild noch das karge Titelblatt geben einen Hinweis darauf, dass man eine wissenschaftliche Arbeit vor sich hat. Am Ende der Dissertatio gibt der Verfasser beiläufig Auskunft über eine formale Einordnung seiner Schrift: Er nennt sie eine Erzählung („ex hac naratione“ 286).
284 Zu Methodik und Darstellung der einzelnen Themenkomplexe vgl. ausführlich Kapitel 4.4.3. 285 Dass Gryphius das Thema überhaupt aufgreift, erklärt er damit, dass seine Freunde ihn dazu aufgefordert hätten (vgl. § 32,1). Diese Rechtfertigung erinnert an die des Dramas Cardenio und Celinde (vgl. Gryphius 1965, S. 99 f.). Auch dort beruft sich der Verfasser darauf, Freunde hätten ihn um die Niederschrift der Geschichte gebeten und verweist im Zusammenhang mit dem Auftreten von Gespenstern, die die dramaturgische Funktion des deus ex machina übernehmen, auf die Freiheiten des Dichters. 286 § 31,4.
4.4 Leitprinzip Glaubwürdigkeit. Zur formalen Gestaltung des Traktats
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Wie erzählt man also Wissenschaft? Die Komposition des Textes orientiert sich an der oratio nach dem Vorbild der antiken Rhetorik: Die Dissertatio ist in vier Abschnitte gegliedert: §§ 4–11 §§ 12–24 §§ 25–30 § 31
exordium narratio argumentatio peroratio
Das exordium unterrichtet den Leser über den aktuellen Stand der Forschung zur altägyptischen Mumifizierungsmethode und vermittelt damit das Vorwissen, das zur Einordnung der in der Breslauer Sektion gewonnenen Erkenntnisse notwendig ist. Die Position der narratio wird von dem Bericht über die Mumiensektion besetzt. Die peroratio greift diese noch einmal auf, um die Zeugen des Ereignisses zu nennen und das Publikum mit dem Appell, den Nutzen der Schrift dem großzügigen Gastgeber anzurechnen, zu verabschieden. Dazwischen liegt formal die argumentatio, die aber thematisch aus der Reihe fällt. Denn auf dieser Position ist die Debatte über das historische Ende der Mumifizierungssitte angesiedelt. Während das exordium sich zwar nicht direkt mit der Breslauer Mumiensektion beschäftigt, jedoch inhaltlich darauf hinarbeitet, kommt die argumentatio ohne jeden Bezug auf das Ereignis aus. Um eine konsistente oratio abzuliefern, hätten die mit dem exordium vorbereiteten, mit der narratio vorgestellten und mit der peroratio beglaubigten Thesen zur Mumifizierungsmethode hier zur Diskussion gestellt werden müssen. Dass dies ausbleibt, könnte als kühnes Statement gewertet werden: Die Darstellung der Sektion im Modus der narratio ist, unterstützt von dem einleitenden und schließenden Redeteil, zur Beantwortung der Forschungsfrage hinreichend beweiskräftig; es bedarf keiner weiteren Argumentation. Ein nicht unerheblicher Anteil an der Herstellung dieser Beweiskraft kommt dem exordium zu, das mit seinen etwa zwanzig Seiten bemerkenswert ausführlich ausfällt. Dort wird das zum Verständnis der Sache nötige Vorwissen in eine narrative Struktur eingewoben, deren leitendes Prinzip es ist, den Leser von der Glaubwürdigkeit der in der narratio dargelegten Erkenntnisse zu überzeugen. Ein historischer Vorbericht zur Forschungsfrage, wie ihn beispielsweise Christian Hertzog in der Mumiographia Medica der Beschreibung einer in Gotha sezierten Mumie voranstellte,287 wird dafür offenbar nicht als hinreichend betrachtet.
287 Der Gothaer Hofapotheker gibt zur Einführung in die Thematik einen historischen Abriss von der Bibel über die antiken Autoren, die Kirchenschriftsteller und die arabische Überlieferung zu Autoren der zeitgenössischen Gegenwart wie Strupp, Kircher, Gryphius u. a. Vgl. Hertzog 1716, S. 13–51.
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4 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie
Anstatt an einer Chronologie fremden Erkennens konstituiert sich das exordium an einer Geschichte des eigenen Erkennens – der des Verfassers –, deren Zenit mit der Breslauer Sektion erreicht ist. Sie umfasst vier Stufen: Das Rezipieren antiker Texte, das nicht methodisch geleitete Beobachten, die Auseinandersetzung mit der aktuellen Forschungsliteratur und die empirische Untersuchung. Die Basis glaubwürdiger Ergebnisse bildet damit eine Autorisierung des Forschenden unter Berücksichtigung der Forschungsmethode. Dem Leser wird vorgeführt, dass und warum er zur Widerlegung der bis dahin tragenden Autoritäten berechtigt und befähigt ist. Die Geschichte nimmt ihren Ausgang mit dem Verweis auf das Lesen altgriechischer Autoren im Kindesalter im ersten Satz, dem Beginn der Dissertatio überhaupt: Cum à teneris incredibili aviditate Gentium Orientis ritus ac sacra scrutatus, iis Scriptoribus animum advertissem, qui non modò situs terrarum, sed et religionum atque legum arcana posteris tradidére: detinuére saepiùs admirantem [...].288
Der Verweis auf das Kindesalter ist weder zufällig noch bedient er allein den frühneuzeitlichen Topos der langjährigen Beschäftigung. Syntaktisch ist der Erkennende hier nur Objekt („admirantem“) und zudem einer recht statischen Tätigkeit ausgesetzt („detinuére“).289 Zum antiken Bücherwissen als epistemischem Zugang wird über die Zeitdimension die größtmögliche Distanz aufgebaut. Und tatsächlich wird der Verfasser auf dem Höhepunkt seines Wissens, was die Erforschung des Mumifizierungsprozesses betrifft, an keiner Stelle seiner Schrift mehr die antiken Autoritäten Herodot oder Diodor durch ein direktes Zitat zu Wort kommen lassen. Der nächste Halt im Verlauf der Geschichte betrifft die Studien- und Reisejahre Gryphius’, die die Gelegenheit zur eigenen Anschauung boten: Dem Bestaunen („miror“ 290) von Mumien und Mumienteilen, das dem Verfasser im Ausland und nach der Rückkehr ins heimatliche Schlesien möglich war, wird ein nachvollziehendes Verstehen („deprehendi“ 291) der griechischen Überlieferungen, dass nämlich die Leichname nicht allesamt mit einer bestimmten Flüssigkeit und einem feststehenden Repertoire an Spezereien konserviert wurden, aber auch erste vorsichtige Zweifel am tradierten Wissen („haud omninò ex fide mihi visa“ 292) zugeordnet.
288 289 290 291 292
§ 4,1. § 4,1. § 6,1. § 6,2. Ebd.
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In dieser Situation, zeitlich gesehen etwas vor der Breslauer Sektion, tritt die Sichtung der Arbeiten jener Zeitgenossen in den Fokus, die sowohl auf dem Gebiet der Mumienkunde höchste Autorität genossen als auch den neuesten Stand der Forschung repräsentieren: Athanasius Kirchers Oedipus Aegyptiacus und Giovanni Nardis Lukrez-Kommentar. Sie werden in der Reihenfolge, in der Gryphius sie gelesen hat, vorgestellt – und zwar nicht umfassend, sondern auf die forschungsleitende Frage hin. Kircher wird zunächst die Darstellung des antiken Kenntnisstandes in den Mund gelegt, um ihn dann auf Seiten Nardis zu positionieren, der aufgrund seiner Experimente von nur einer Mumifizierungsmethode für die breite Bevölkerung, nämlich mit Asphalt, ausging.293 Mitten in die Diskussion Kirchers wird eine Prospektive auf die Erkenntnisse der Sektion eingefügt: Das Gehirn sei nicht durch die Nase, die Eingeweide nicht durch die linke Seite des Körpers entnommen und sehr wohl verschiedene Spezereien und Salböle und nicht nur Asphalt zur Balsamierung verwendet worden. Damit entwickelt sich nicht nur aus anfänglichem Zweifel eine These; es wird auch die Ansicht der beiden wichtigsten zeitgenössischen Autoritäten zum Thema destabilisiert. Gleichzeitig ist mit der ersten Erwähnung der Sektion der Höhepunkt der Erkenntnisgeschichte des Verfassers erreicht, wie in den Formulierungen „habui perspectam“ und dem epistemologisch hoch aufgeladenem „noscere“ deutlich wird.294 Nach der Erläuterung der Positionen Kirchers und Nardis bietet sich die Gelegenheit, die Fortführung des Erzählfadens zugunsten der Darstellung einiger weiterer Positionen und Widersprüchlichkeiten zum Forschungsgegenstand zurückzustellen. (Ebendiese Darstellung hätte für eine konsistente oratio in entsprechender Ausführlichkeit die argumentatio des Textes bilden müssen.) Sie ist rhetorisch organisiert: Zunächst stellen drei Gegenargumente die AsphaltThese infrage. Aus dem Musaeum Metallicum Ulisse Aldrovandis werden gegenteilige Beobachtungen vorgestellt, die Gryphius wiederum durch eigene in Fraustädter Apotheken bekräftigt. Sodann lässt er den Leser mit dem Plausibilitätsargument, dass eine einfache Asphaltbalsamierung der langen Dauer des Balsamierungsprozesses widerspreche, an der These zweifeln, um sich ihr mit einem Zitat Julius Caesar Scaligers, der davon ausging, dass lediglich mit Asphalt konservierte Mumien nach Europa gelangen, wieder zu nähern. Die Argumente dienen nicht dazu, den Leser bereits von einer bestimmten Position zu überzeugen, sondern vielmehr zur Verdeutlichung, wieviel Unsicherheit über die sogleich zu behandelnde Forschungsfrage besteht. Auffällig ist, dass sich der Verfasser auf das Heranziehen einiger weniger Gelehrte beschränkt. Er
293 Vgl. Kapitel 2.4. 294 § 7,4. Man denke an die ‚Nosce te ipsum‘-Inschriften im anatomischen Theater.
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schreibt gar: „Quid Arabes, Graecos, quid nostrorum agmina producam?“ 295 Damit distanziert er sich ausdrücklich von einem vollständigen Bericht über die bisherige Forschungsgeschichte und erinnert mit dieser Praxis an die Forderungen Francis Bacons in De dignitate et augmentis scientiarum (1623), im Bereich der Wissenschaften statt eines historischen Gesamtüberblicks nur eine kritische Auswahl zu bieten.296 Das im Text auch formal vollzogene Hin- und Herschwanken zwischen den verschiedenen Positionen und Widersprüchen („perpendo“ 297) bietet die Überleitung zur Beschreibung der Breslauer Sektion: „Haec dum sciendi cupidine mecum perpendo: evenit [...]“.298 Mit der Darstellung der Untersuchung und der Erörterung des Aufeinandertreffens von Christentum und altägyptischer Tradition in narratio und argumentatio geht ein stilistischer Wechsel einher. Die Redeteile unterliegen nicht mehr der auf den Verfasser fokussierten erkenntnischronologischen Textordnung, sondern formieren sich am Forschungsgegenstand.299 Die Ich-Erzählweise weicht der unpersönlichen Rede. Erst in der peroratio wird sie wieder aufgenommen. Diese führt den Leser, nachdem er sich mit der argumentatio inhaltlich von den Ereignissen in Breslau wegbewegt hatte, mit einem Kommentar zum Schreibprozess gedanklich wieder dorthin zurück: „Sed video, me longiùs provectum, quam principio destinaveram, finiam itaque ubi dixero, quos idem spectandi ardor exiverat in Crusii suburbanum.“ 300 Wie dem exordium kommt auch der peroratio die Aufgabe zu, textuelle Beweiskraft herzustellen. Die Aufzählung der Teilnehmer erscheint in diesem Zusammenhang freilich nicht zufällig an derart exponierter Stelle. Man rufe sich zum Vergleich die formale Praxis in den Dramendrucken ins Gedächtnis. Hier wird für den Leser vor Beginn des Schauspiels eine Liste der Protagonisten bereitgestellt. Das umgekehrte Verfahren ist dagegen aus einem ganz anderen Genre bekannt: aus juristischen Dokumenten. In Urkunden als „Zeugnisse[n] über Vorgänge rechtlicher Natur“ wird die Zeugenliste am Ende des Schriftstücks im Schlussprotokoll, dem sogenannten Eschatokoll, geführt.301 Mit ihren Subscriptiones, die nicht zwingend eigenhändig sein mussten, beglaubigten die Zeugen, dass die Niederschrift im Dokument die tatsächlichen Vorgänge widerspiegelt. Offenbar hat der Jurist Gryphius hier an dieser Praxis Anleihe genommen hat.
295 296 297 298 299 300 301
§ 9,2. Vgl. Syndikus 2007, S. 6–13, bes. S. 7 und 11. § 11,1. Ebd. Vgl. hierzu die folgenden Kapitel. § 31,1. Zu Formeln des Urkundenprotokolls vgl. Bresslau 1912, S. 47 f. Zitat ebd., S. 1.
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219
Mit der Nennung der Zeugen greift der Verfasser außerdem einen Forschungsleitsatz, den er in der Einführung formuliert hatte, wieder auf: „Non lubet obscuris ob remota nobis loca testibus, utut id mihi haud grave, niti.“ 302 Den „obscuris ob remota [...] loca testibus“ stehen im abschließenden Satz der Dissertatio die „praesentibus“ 303 gegenüber, auf die er sich nun berufen kann. Im gleichen Zuge wird aus dem lesenden Ich des Eingangssatzes („advertissem“ 304) ein am Objekt forschendes Wir im Schlusssatz („debemus“ 305). Der Titel Mumiae Wratislavienses – um zur Ausgangsfeststellung zurückzukommen – bezieht sich nicht auf ein thematisches Programm. Er bezieht sich auf ein epistemologisches Konzept, das zugleich die Form des Textes verantwortet.
4.4.2 Vorbild Anatomie. Die Darstellung der Breslauer Sektion Für die Darstellung der Breslauer Mumiensektion konnte Gryphius auf keine Vorlage zurückgreifen, denn noch nie wurde der Hergang einer solchen Untersuchung schriftlich festgehalten. Um diese Aufgabe angemessen umzusetzen, nahm er Anleihe an der Texttradition einer Wissenschaft, die sich ebenfalls auf empirischem Wege dem menschlichen Körper als Forschungsgegenstand widmete und dabei, was die Etablierung ihrer Disziplin betrifft, auf einige Erfolge zurückschauen konnte: die Anatomie, die der Verfasser als edelste aller Wissenschaften („scientiarum nobilissima“ 306) bezeichnet. Die Praxis der anatomischen Sektion hatte im 17. Jahrhundert bereits eine längere Tradition. Während sie zunächst nur ostentativen Zwecken in der Lehre gedient hatte, wurde seit der Renaissance die Rolle der Autopsie als Zugang zu neuem anatomischen Wissen zunehmend gewürdigt. Dem Lesepublikum gegenüber betonten die Anatomen gerne, dass das dargelegte Wissen auf empirischem Wege gewonnen wurde, um ihre Kompetenz zu untermauern. Dafür griffen sie auf die sprachliche Formel zurück, etwas mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Händen erforscht zu haben, was als Gegenmodell zum Wissensgewinn aus antiken Schriften verstanden wurde. Thomas Bartholin beispielsweise, dessen medizinische Schriften unter den Schlesiern große Anerkennung fanden, behauptet, er würde nur glauben, was er mit den Händen berührt und den Augen gesehen habe: „Nos tantum credimus, quantum manibus palpamus, oculisque
302 303 304 305 306
§ 9,4. § 31,4. § 4,1. § 31,4. § 30,6.
220
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videmus.“ 307 Sein Herausgeber Sibout Hemsterhuis referiert auf diese Formel, wenn er ihn in der Vorrede der Sammlung Messis aurea anatomica mit den Worten würdigt, er sei ein „Oculatissimus Anatomicus“.308 Auch Johannes Vesling, dessen private Vorlesungen in Venedig von den Paduaner Anatomiestudenten der Natio germanica aus Unzufriedenheit über die veralteten Methoden des eigenen Professors frequentiert wurden309 und den Gryphius auf seiner Italienreise getroffen hatte, benutzt die Wendung in der Vorrede seines Syntagma anatomicum: „Capitulis deinde singulis partium seriem sic evoluo, quemadmodum in dissectione ipsa ad oculos, manusque sese profert.“ 310 Wenn nun Gryphius den Kupferstich der in Breslau sezierten Mumie mit den Worten kommentiert, den Augen der Zuschauer („oculis spectantium“) habe sie sich noch vollständig präsentiert, sei nun aber zerfetzt, da sie unter den Händen der Forscher („inter manus explorantium“) zerrissen wurde, bedient er sich der von den Anatomen begründeten Formel.311 Damit betont und würdigt er einerseits seinen empirischen Wissenszugang und konstruiert zugleich eine Verbindung seiner Arbeit zur ‚edelsten Wissenschaft‘, der Anatomie. Die Vorbildfunktion der anatomischen Texttradition manifestiert sich auf verschiedenen Ebenen: Einerseits im Übertrag der wissenschaftlichen Fachsprache auf den eigenen Untersuchungsgegenstand. So wird der abgetrennte Fuß einer Mumie anatomisch exakt als Ablösung des Fußes vom Malleolus, also dem zum Sprunggelenk gehörigen Knöchel, der die Verbindung zwischen Fuß und Bein bildet, oder ein Schnitt in der Körpermitte als der Linea alba folgend beschrieben.312 Damit werden zwei Termini verwendet, die Andreas Vesal, der Begründer der neuzeitlichen Anatomie, in De humani corporis fabrica einführte. Andererseits in textkonstitutiven Kategorien wie der Erzählordnung und dem Darstellungsmodus. Was die Ordnung sektionsbasierter Lehrinhalte betrifft, hatten sich in der Anatomie, wie Mandressi herausgearbeitet hat, zwei darstellerische Taktiken etabliert:313 Mit der Sektionsordnung wird der Körper entsprechend den Be307 Bartholin 1659, S. 47. 308 Hemsterhuis 1659, Praefatio ad lectorem, S. [2]. 309 Vgl. hierzu De Angelis 2009, S. 22–28, und ders. 2010, S. 218–223. 310 Vesling 1641, Vorrede an den Leser, S. [6]. 311 Gryphius 1662, Vorrede an den Leser, S. [3]. Vgl. auch Kapitel 3.1.2 zum Stichwort ‚Abbildung‘. Zur Formel vgl. außerdem § 21,4: „[...] corpus, quod inter manus versebatur [...]“. 312 Vgl. § 16,1 und § 16,2. 313 Vgl. Mandressi 2011, S. 67–69. Als Beispiele für Texte, die der Sektionsordnung folgen, nennt er Mondino de’ Luizzis Anathomia (1316), Alessandro Achillinis Annotationes anatomicae (1520), Niccolò Massas Liber introductorius anatomiae (1536), Ambroise Parés Anatomie universelle du corps humain (1561) und Caspar Bauhins Anatomica corporis virilis et muliebris historia (1597). Hinzuzufügen wären Caspar Bartholins Anatomicae Institutiones (1611), deren Lektüre
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obachtungen der Sektionsteilnehmer erläutert, prinzipiell also von außen nach innen. Der Text stellt „die geschriebene Spur einer vollzogenen Sektion“ 314 dar. Konkret werden nach Haut, Knochen, Muskeln und Fettschicht zunächst der untere Körperbereich mit den Därmen, dann Brustbereich und Kopf und zuletzt die Extremitäten dargestellt, da sich der tatsächliche Untersuchungsablauf danach richtete, der Verwesung des Leichnams entgegenzuarbeiten. Der Kompositionsordnung dagegen liegt eine stärker analytische Erzählweise zugrunde. Die Beschreibung des Körpers orientiert sich an der Dichte der Körperteile, d. h. von den Knochen zur Haut. Die Darstellung der Untersuchung der Breslauer Mumie bedient sich der Sektionsordnung. Sie folgt dem Prinzip ‚von außen nach innen‘. Schicht um Schicht wird die abgetragene Verhüllung erläutert, bis man zum Körper vorgestoßen war. Anders als bei der anatomischen Sektion war die Untersuchung natürlich weder an die Verweslichkeit des Forschungsgegenstands gebunden noch zielte sie auf die Darlegung sämtlicher Körperstrukturen. Entsprechend folgt die Beschreibung der Mumie nicht den vier erwähnten Körperbereichen. Stattdessen wird eine an den Gegenstand angepasste Ordnung gewählt, die von der Körperoberfläche zum Körperinneren übergeht und dabei jeweils den Kopf und den übrigen Körper separat betrachtet, womit wiederum vier Körperbereiche gedanklich konstruiert werden. Die Anlehnung der Beschreibung an den Verlauf der Untersuchung wird auch erzählerisch unterstrichen, etwa in Formulierungen wie „Vix horae intervallo hoc labore functis [...]“,315 „Haec ubi curatè animadversa, mirati sumus [...]“ 316 oder „Tum plurimi credere [...]“.317 Der Vorteil, in der Darstellung dem tatsächlichen Ablauf der Sektion zu folgen, liegt darin, das Ereignis in Textform wiederherzustellen und für Nichtanwesende erfahrbar zu machen. Ein solches Verfahren dient der Glaubwürdigkeit eines Textes, weil es die sinnliche Wahrnehmung der direkten Augenzeugen in ein plausibles Narrativ überführt. Der oben zitierte Johannes Vesling betont die Symbiose von empirischer Methode und der Darstellung nach Sektionsordnung, wenn er für sein Syntagma anatomicum ankündigt, die Kapitel über die Teile des Körpers in der Reihenfolge zu ordnen, in der sie sich Augen und Händen des Forschenden präsentiert haben.
vom Breslauer Sektionsteilnehmer Hofmannswaldau empfohlen wurde (vgl. Kiedroń 1998, S. 9), und Johannes Veslings Syntagma anatomicum (1641). Der Kompositionsordnung folgt Andreas Vesals De humani corporis fabrica (1543). 314 Mandressi 2011, S. 68. 315 § 15,1. 316 § 17,1. 317 § 14,1.
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Dem Text Glaubwürdigkeit zu verleihen, war zentrales Anliegen all jener wissenschaftlichen Disziplinen der Frühen Neuzeit, die mit ihren Beobachtungen bestehendes Wissen infrage stellten. Diesem Ansatz liegt das Verständnis zugrunde, dass die in der Augenzeugenschaft begründete, empirische Evidenz allein nicht hinreichend ist, sondern ihr auf Textebene die rhetorische Evidenz zu folgen hatte.318 Für die Texte der frühen Anatomen wurde in diesem Zusammenhang auf das Darstellungsmittel der demonstratio verwiesen. Es bezieht sich auf eine Erzählweise, die über ein folgelogisches Schildern hinaus einen hohen Grad an Anschaulichkeit erzeugt.319 Sie zeichnet sich durch einen stark deskriptiven und detailreichen Charakter aus und stellt die Übersetzung der sinnlichen Wahrnehmung der direkten Augenzeugen in sprachlicher oder bildlicher Form in den Mittelpunkt, womit die Betonung von materiellen Beschaffenheiten einhergehen muss. Dass ein solches Verfahren für die Darstellung der Breslauer Mumie grundlegend ist, wird an vielen Stellen deutlich: Lagen, Beschaffenheit und Wicklungsweise der Leinenbinden, Zustandsbeschreibungen der einzelnen Körperteile, Farb-, Gewichts- und Längenangaben – zahlreiche Details kommen der Vorstellungskraft des Lesers zugute. Vergleiche aus dem alltäglichen Bereich stützen die Beschreibung. So werden etwa verschiedene Weißnuancen differenziert, indem sie mit Gegenständen aus der Lebenswelt des Lesers verglichen werden: Die Zähne der Mumie seien weiß wie Perlen, das Gesicht habe das glasähnliche Weiß einer Eierschale und die Leinenbinden präsentierten sich im vergilbten Weiß eines Stoffes, der der Sonne länger ausgesetzt war. An kaum einer Stelle wird das Bemühen um Detailliertheit so deutlich wie in der Beschreibung dieser Binden: Dispar iis longitudo, quae vel cubitos aliquando tres aequaret, utplurimum intra secundum deficeret, latae digitos quinque quatuorve. Has ipsas aliae tenuiores, vix digitum latae quasi firmabant, atque aliquando decussatim cingebant. Utrasque stamen juxta diruptas potiùs, quam forfice ferrove scissas diceres. Textura vix nostris pectinibus inferior; filum quod medii generis appellamus. Restitit, dum experiundi ergò lacerare conor, stamen: facile subtegmen cessit.320
318 Vgl. De Angelis 2008, S. 572, ders. 2010, S. 215, und ders. 2011b, S. 888. 319 De Angelis leitet das Darstellungsmittel der demonstratio von der antiken Rhetoriktradition am Beispiel der Rhetorica ad Herennium her und setzt es mit Quintilians enargeia bzw. evidentia in narratione gleich. Vgl. De Angelis 2008, S. 572, und ders. 2011a, S. 171. Als Referenzstellen dienen ihm Rhet. Her. 4,68: „Demonstratio est, cum ita verbis res exprimitur, ut geri negotium et res ante oculos esse videatur“ und Quint. Inst. 4,2,63: „evidentia in narratione [...] est quidem magna virtus, cum quid veri non dicendum, sed quadammodo etiam ostendendum est“. Campe 2004, S. 123, bringt die Leistung der evidentia in der Formel „zeigen statt sagen“ zum Ausdruck. 320 § 13,2.
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Der Vorzug solcher Ausführungen liegt freilich nicht nur darin, der Vorstellungskraft zuzuarbeiten und den Körper für den Lesenden sichtbar zu machen, sondern auch in der Vergleichbarkeit, mithin der Überprüfbarkeit der gewonnen Kenntnisse. Die Anschaulichkeit des Textes profitiert darüber hinaus von einer Erzählweise, die auf die Fokussierung des Forschungsobjektes gerichtet ist. Dies geschieht im Wesentlichen durch zwei Strategien: Einerseits die weitestgehende Auslagerung von Aspekten rund um die Mumiensektion, die nicht den Gegenstand selbst betreffen. So sind beispielsweise das nötige Vorwissen zur altägyptischen Mumifizierungsmethode sowie wesentliche wissenschaftliche Positionen zum Thema in das exordium eingearbeitet worden, Erläuterungen zu den Teilnehmern hingegen in die peroratio. Es werden nur wenige und (mit Ausnahme von Chifflet und Saumaise) kürzere Intertexte herangezogen, die der Erläuterung des Untersuchungsgegenstands dienen, ohne eine eigene Dynamik zu entwickeln und die Erzählordnung zu unterbrechen. Zweitens lenkt eine Entpersonalisierung der Erzählung die Aufmerksamkeit des Lesers weg von den Wahrnehmenden hin zum Wahrgenommenen. Die Namen der Sektionsteilnehmer werden erst am Ende der Dissertatio aufgeführt. In der Beschreibung der Sektion tauchen sie, mit Ausnahme des dazwischen Rufenden Johannes Agricola, nicht auf. Es wird aus dem Text noch nicht einmal klar, wer überhaupt die Sektion durchführte oder wie man sich insgesamt organisierte. Dieselbe Perspektive begegnet bei der Betrachtung des einzigen Kupferstichs des Traktats wieder: Dieser visualisiert nicht die Szene der Sektion, wie man es z. B. von dem Titelkupfer Vesals De humani corporis fabrica kennt, sondern zeigt die erste der drei Mumien, bevor man sie sezierte. Der Blick fällt dabei aus nächster Nähe auf das Objekt, sodass nur ein Ausschnitt wahrzunehmen ist, und entspricht damit dem Sichtkreis des dissector, der dicht bei der Mumie steht. Die Entpersonalisierung wird durch eine Syntax gestützt, die dort, wo es um die Beschreibung von Handlungen geht, ins Passiv, in die unpersönliche oder kollektive Redeweise verfällt: „Hoc ubi sublatum [...]“,321 „Ut vincula scidimus, licuit evolvere fascias [...]“,322 „Jam [...] fasciae corpori detractae [...]“.323 Damit grenzt sich der Bericht auffallend von der Ich-Perspektive des vorangehenden exordium ab. Ihm wird ein intersubjektiver Charakter verliehen, die vermittelten Wissensbestände zur kollektiven Erkenntnis stilisiert. Ein theatraler Charakter, den die literaturwissenschaftliche Forschung im Zusammenhang mit der frühneuzeitlichen Anatomie ausführlich thematisiert
321 § 13,1. 322 § 13,2. 323 § 14,1.
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hat,324 kann für die Darstellung der Breslauer Sektion nicht festgestellt werden. Eine dramatische Inszenierung bleibt in Text und Bild aus. Vielmehr erweist sich eine auf rhetorischem Wege herbeigeführte credibilitas als darstellungsleitend, die die Sektionsbeschreibung in eine ganz andere Texttradition stellt. Geschehnisse, die der Wahrheit entsprechend beschrieben und durch adäquate Darstellungsmittel als wahrscheinlich erzählt werden, sind nach der antiken Rhetoriktheorie der historia zuzuordnen, die im Kontext der narrationum genera eine Unterart der Vorgangserzählung (in Abgrenzung zur Personenerzählung) ist.325 Vielleicht referiert der Verfasser hierauf, wenn er die Sektion mit Einsetzen der Beschreibung als „negotium“,326 dem rhetorischen terminus technicus für Vorgang, bezeichnet. Mit Blick auf die Anatomie erinnert sie deshalb an das Textgenre der Historia anatomica des 16. und 17. Jahrhunderts und die Übersetzung der direkten Beobachtung anatomischer Strukturen in ein kraft des Stils glaubwürdiges sprachliches Format. Ein solches nimmt, wie De Angelis gezeigt hat, Anleihe an einem Konzept von Wissen und Text, das auf die griechische Geschichtsschreibung zurückgeht: Demnach gründet der Wissensbegriff, wie auch aus der Semantik von ἱστορία, das die Sphären ‚sehen‘ und ‚wissen‘ verbindet, deutlich wird, in besonderem Maße auf ein Eigenerleben, auf die Selbstwahrnehmung; die Darstellung ist dann glaubwürdig, wenn sie dem Adressaten ermöglicht, das zu sehen, was der Augenzeuge gesehen hat.327 Zugleich kann für die Darstellung der Breslauer Sektion wie bereits auf Ebene der Textkomposition festgestellt werden, dass die zugrunde liegende Erkenntnismethode textkonstitutive Funktionen übernimmt: Es handelt sich nicht nur um einen Text über eine wissenschaftliche Untersuchung, sondern die wissenschaftliche Untersuchung schreibt den Text gewissermaßen mit.
4.4.3 Autorisierungsverfahren und Darstellungsformen neuer Wissensansprüche Die Mumiae Wratislavienses leisten auf drei verschiedenen Gebieten der zeitgenössischen Mumienkunde einen Beitrag: Mumifizierungsmethode, Geschichte 324 Vgl. Stockhorst 2005 mit Literaturangaben. 325 Es werden mit Cic. Inv. 1,19,27 und Rhet. Her. 1,8,12 f. drei narrationum genera unterschieden: parteiische Tatverlaufsschilderung und Exkurserzählung in der Gerichtsrede und die literarische Erzählung. Unterarten der letzten sind die Vorgangs- und die Personenerzählung. Rhet. Her. 1,8,13: „eius narrationis duo sunt genera: unum quod in negotiis, alterum quod in personis positum est.“ Bei der Vorgangserzählung unterscheidet man anhand des Tatsächlichkeitsgrades zwischen fabula, historia und argumentum. Vgl. Lausberg 1990, §§ 290–292. 326 § 11,5. 327 De Angelis 2011a, S. 172–174. Zur Semantik von ἱστορία: Snell 1922, S. 59–71.
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der Mumifizierung und Dämonologie. Alle drei Beiträge basieren auf unterschiedlichen Erkenntniswegen. Im ersten Fall konnte sich der Verfasser auf Autopsie und die Methode der Untersuchung berufen. Dabei ersetzt der empirische Ansatz aber nicht die Auseinandersetzung mit Bücherwissen. Vielmehr ist ein gleichzeitiger differenzierter Umgang mit autoritativen Schriften zu beobachten. Im zweiten Fall stützt sich die Argumentation auf Textexegese, deren Fundament eine Vielzahl von Textzeugen von der Antike bis zum Mittelalter bildet. Im dritten Fall leitet der Verfasser seine Ergebnisse aus alltäglichen Beobachtungen, aus der Erfahrung ab. Um den gewonnenen Wissensansprüchen Glaubwürdigkeit zu verleihen, ist eine rhetorisch evidente Darstellung erforderlich. In den folgenden Kapiteln wird unter Berücksichtigung der jeweiligen Erkenntnismethode untersucht, auf welchem Wege die eigenen Wissensansprüche autorisiert werden und welche formalen Entscheidungen damit verbunden sind. 4.4.3.1 Der Mumifizierungsprozess − Autopsie und Autorität In seiner Darstellung über den Ablauf der teuersten der drei altägyptischen Mumifizierungsmethoden berichtet Herodot, das Gehirn werde mit einem Eisenhaken durch die Nase entfernt.328 Diese Ansicht wurde bis ins 17. Jahrhundert in Anlehnung an den griechischen Geschichtsschreiber ohne Widerspruch tradiert. Bei der Breslauer Sektion wurde eine gegenteilige Entdeckung gemacht, die Gryphius gegen die opinio communis als neuen Wissensanspruch durchzusetzen beabsichtigt. Das geschieht in drei Schritten und mit auffallend geringem Wortaufwand. Gleich zu Beginn des Traktats findet sich ein erster vorsichtiger Versuch der Deautorisierung, der auf die Glaubwürdigkeit einzelner, dort noch nicht weiter erläuterter Behauptungen in den antiken Schriften zielt: Der Verfasser stimme mit den „Graeci autores“ darin überein, dass es verschiedene Methoden der Mumifizierung gegeben hat, „quamvis nonnulla, quae iidem Scriptores, dum expurgandi funeris morem adumbrant, tradidére, haud omninò ex fide mihi visa“.329 Die allgemeine Vertrauenswürdigkeit der Personen bleibt mit dieser Formulierung gewahrt und wird zusätzlich mit einem Verweis auf die Richtigkeit ihrer Thesen zu den unterschiedlichen Arten der Balsamierung gestützt. In einem zweiten Schritt stehen sich die beiden Verfasser der Wissensansprüche in persona gegenüber. Gryphius kann sich dabei auf Autopsie und die Methode der Untersuchung berufen.330 Die Leerstelle, wie Herodot dagegen zu seiner Behauptung gelangt sein könnte, vermag nicht einmal die Kraft der Imagination
328 Hdt. Hist. 2,86,3. Vgl. auch Anm. 103. 329 § 6,2. 330 Vgl. § 7,4.
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zu füllen: Mit dem inszenierten Unverständnis, wie dieser denn mit einem Eisenhaken das Gehirn über die Nase ausführen würde, wo doch eine Schädeluntersuchung auf keinerlei Verletzungen hinweise, führt er den Kontrahenten polemisch vor. Die Formulierung einer auf Autopsie beruhenden Gegenthese vervollständigt die Destabilisierung des alten Wissensanspruchs, der nunmehr wie selbstverständlich als überholt referiert wird („quod olim credebatur“ 331): Ein Loch in der Nähe des Atlaswirbels, das man bei der Untersuchung gefunden hatte, wird nun als Extraktionszugang behauptet. Es folgt keine weitere Argumentation, um diese Behauptung als wahr geltend zu machen. Beachtlich ist, dass es insgesamt nur dreier Sätze bedurfte, um die neue These zu etablieren. Das ist vor allem damit zu erklären, dass hier der Wissensanspruch einer antiken Autorität widerlegt wird, die in der zeitgenössischen wissenschaftlichen Gemeinschaft nur tradiert, nicht aber kontrovers diskutiert wurde. Dass es eines umfangreicheren Argumentationsprozesses bedurfte, um sich mit einer These innerhalb aktueller wissenschaftlicher Diskussionen zu positionieren, zeigt sich bei der Frage nach der Art der verwendeten Balsamierungsmittel, deren Erforschung nach Aussage des Textes neben der Wicklungsmethode überhaupt Anlass für die Breslauer Sektion war. Unter den Ärzten des frühen 16. Jahrhunderts war die Meinung verbreitet, Mumien seien mit Asphalt balsamiert worden.332 So wurde es nicht nur durch einige arabische Autoren und den griechischen Geografen Strabon überliefert. Auch bei Geruchs- und Geschmacksproben an importierten Mumienteilen hatte sich diese Ansicht bestätigt. Die wohlriechenden Spezereien, von denen die griechischen Geschichtsschreiber Herodot und Diodor berichteten, die außerdem drei im Vorgehen und im Preis unterschiedlichen Balsamierungsmethoden bezeugten, konnte man nicht finden. Dieser Widerspruch wurde verschiedentlich aufgelöst. Julius Caesar Scaliger beispielsweise verteidigte die Historiker, indem er postulierte, dass die Mumien, die mit der teureren Methode behandelt wurden, einen hohen sozialen Status hatten, bei Strafe nicht ausgegraben werden durften und deswegen auch nicht nach Europa gelangen konnten. Ihren Höhepunkt erreichte die Diskussion mit der Veröffentlichung von Giovanni Nardis Lukrez-Kommentar 1647, der aufgrund mehrerer Untersuchungen an Mumien, bei denen er nur Asphalt finden konnte, zu dem Schluss kam, die drei verschiedenen Mumifizierungsarten seien eine Erfindung der Balsamierer gewesen, um den reichen Bürgern mehr Geld zu entlocken.333 Auch er wahrt die allgemeine Vertrauens-
331 § 20,1. 332 Zur Erforschung der Balsamierungsmittel vgl. Kapitel 2.1. 333 Nardis Behauptung bezieht sich auf den Balsamierungsprozess für die breite Bevölkerung. Nur die Mumifizierung von Pharaonen lässt er als Ausnahme hiervon gelten.
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würdigkeit der griechischen Autoren, indem er ihren Zeugnisgebern, nicht aber ihnen selbst die Aufrichtigkeit abspricht. Nardis Schrift war zunächst nicht sehr bekannt, erlangte aber kaum ein Jahrzehnt nach ihrer Veröffentlichung einige Berühmtheit, weil Kircher sie in seinem Oedipus Aegyptiacus ausführlich heranzog. Mehr noch: Der europaweit bekannte Fachmann für alle ägyptischen Belange schloss sich Nardis These an. Gryphius vertrat aufgrund der Breslauer Untersuchung, bei der sich die eine Mumie als mit Spezereien, die andere Mumie als mit Asphalt balsamiert erwies, die Ansicht, es habe nicht nur eine Mumifizierungsmethode gegeben, und wendete sich damit gegen Nardi und Kircher. Es wäre jedoch falsch zu behaupten, er würde damit einen Wissensanspruch der alten Griechen verteidigen oder bestätigen wollen. Die Anführung ihrer Behauptungen ist zwar ein Argument zur Unterstützung der eigenen These, nicht aber darstellungsleitend. Es widerspräche vielmehr seinem grundlegenden Konzept zur Entstehung einer wissenschaftlichen Erkenntnis in den empirischen Disziplinen. Dieses gründet zum einen auf der Weigerung, in der Rolle des Wissenschaftlers als Repetitor der Überlieferung zu fungieren („Quid Arabes, Graecos, quid nostrorum agmina producam?“ 334) und betont zum anderen den übergeordneten Wert der Autopsie („Non lubet obscuris ob remota nobis loca testibus, utut id mihi haud grave, niti.“ 335) – Ansprüche, die im Übrigen stark an die Wissenschaftsphilosophie der sich gerade gründenden Royal Society mit ihrem Motto ‚Nullius in verba‘ erinnern.336 Zu diesem Verständnis gehört auch, dass Kontrahenten, die mittels Autopsie zu ihren Befunden gelangt sind, eine größere Kompetenz und damit höhere Autorität zugesprochen wird. So werden in diesem Sinne die Behauptungen des Arztes Giovanni Nardi als überlegen gegenüber denen des Ägyptenexperten Kircher dargestellt, da jener nicht nur Wissen zusammentrug („non congerere modò“), sondern auch durch Untersuchung berichtigte („disquisitione castigare“).337 Die Ablehnung einer allgemeinen personengebundenen Glaubwürdigkeit manifestiert sich an beinahe jeder Stelle, an der Gryphius der Aussage eines anderen Autors zustimmt. Dies geht nämlich meist mit dem Hinweis einher, dass es sich nicht um eine uneingeschränkte Zustimmung aller Behauptungen dieser Person handelt.338 Ein entpersonalisiertes Verständnis von Wissen und die Bedeutsamkeit des Erkenntnisweges sind auch für die Selbstautorisierungsstrategien relevant. An-
334 335 336 337 338
§ 9,2. § 9,4. Vgl. zu den Verbindungen der Breslauer Gelehrtenschaft mit der Royal Society Kapitel 4.5. § 8,3. Vgl. z. B. § 9,3: „Ego ut Autori non omnia concesserim […]“.
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stelle einer personalen Selbstinszenierung, beispielsweise durch Widmungsgedichte seiner berühmten Freunde oder durch eine ausufernde Zurschaustellung der eigenen Belesenheit, tritt die Betonung der eigenen Kompetenz, die in der zugrundeliegenden Methode und der langjährigen Erfahrung mit dem Gegenstand besteht. Der Autorisierung der eigenen Kompetenz ist die lange Darstellung der Einleitung gewidmet, wie sie oben bereits erläutert wurde. In Bezug auf die Balsamierungsarten ist jene Stelle wichtig, an der Gryphius die Begutachtung zweier Mumienstücke in zwei Fraustädter Apotheken erwähnt. Eines davon war mit Asphalt, das andere mit Spezereien behandelt. Damit wird das Ergebnis der Breslauer Sektion vorweggenommen, die etwa ein Jahrzehnt später stattfinden sollte, und der Befund in einer anderen Situation außerhalb der Untersuchung bestätigt. Die gleiche Funktion übernehmen in Ergänzung mehrere Intertexte der Einleitung: Neben Diodor und Herodot sind auch die Aussagen von Aldrovandi und Scaliger mit den Sektionsbefunden kompatibel und markieren so einen höheren Grad an Wahrscheinlichkeit. Kernstück der Autorisierung des Wissensanspruchs über die verschiedenen Balsamierungsarten bildet die detailgenaue Darstellung der empirischen Befunde. Besonders wichtig ist dabei die Beschreibung der ersten Mumie, weil sie mit Spezereien behandelt war und damit Nardis These über die alleinige Mumifizierung mit Asphalt destabilisiert. Daher wird über die Funde sehr genau berichtet: Spezereien, deren Farbe noch teilweise kenntlich war, in der äußeren Kreideschicht, Salböl am Leichentuch, Räucherwerk und Salböl im gesamten Bauchraum. Bemerkenswert sind die Erwähnung von Kasia, Myrrhe und Gewürzen bei den Bandscheiben, weil es genau die Substanzen sind, die auch Herodotaufzählt.339 Asphalt dagegen sei weder gefunden noch durch Geruch wahrgenommen worden. Um die Glaubwürdigkeit der Ausführungen zu unterstreichen („quò certior rei fides“ 340), weist der Verfasser zudem auf die unterschiedlichen Färbungen von Kopf und Körper hin, denn während jener mit Asphalt behandelt und ganz schwarz war, schimmerte dieser wegen der Spezereien gelbschwarz. Die Beschreibung der zweiten Mumie fällt außerordentlich kurz aus. Da sie nur mit Asphalt balsamiert war, stützte dieser Befund lediglich das, was Mediziner seit langem berichteten und Nardi durch Untersuchung erwies. Insofern konnten die Ergebnisse seiner Untersuchungen zugleich bestätigt werden, während seine Behauptung, es gebe nur die Asphaltbalsamierung widerlegt wurde. Die Autorisierung des eigenen Wissensanspruchs findet dagegen ihren Höhepunkt, als 21 hoch angesehene und gelehrte Männer („viris [...] autoritate
339 Hdt. Hist. 2,86,5. 340 § 20,2.
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doctrinaque eximilis“ 341) sich einig waren, dass eine dritte Mumie nicht mehr untersucht werden müsse, da „(quod potissimum nobis) jam manifestis indiciis constaret, haud eadem arte aut medicaminis vi functos in universum asservatos“.342 An den beiden Beispielen zur Gehirnentnahme und zur Balsamierungsmethode wird ein differenzierter Umgang mit den Wissensansprüchen autoritativer Schriften deutlich. Sie konnten wie im Falle Herodots völlig abgelehnt oder wie im Falle Nardis teilweise deautorisiert werden. Der Umfang des Autorisierungsverfahrens des eigenen Wissensanspruchs hing davon ab, inwiefern man sich in eine kontroverse wissenschaftliche Diskussion einmischte. Es konnte knapp ausfallen oder mehrschichtig sein, wobei nicht nur der Wissensanspruch selbst, sondern auch der Erkenntnisweg glaubwürdig auszustellen und durch befürwortende Argumente, die über die Untersuchung hinausgehen, zu ergänzen ist. Eine allgemeine Hoch- oder Geringschätzung antiker oder zeitgenössischer Autoren kann nicht festgestellt werden, eine klare Parteinahme für den übergeordneten Wert der Autopsie dagegen schon. 4.4.3.2 Das Ende der Mumifizierungssitte − Aegyptologus philologus oder Contra Kircherum Zu Beginn des 17. Jahrhunderts beliefen sich die Schätzungen von Orientreisenden über das Alter ägyptischer Mumien zwischen vielen hundert und dreitausend Jahren.343 Athanasius Kircher war der erste, der anstelle einer Schätzung eine begründete Theorie vorlegte. Er glaubte, dass mit dem Einfall des Perserkönigs Kambyses II. in Ägypten 525 v. Chr. alle religiösen Sitten und Bräuche der Ägypter, auch die Praxis der Mumifizierung, gewaltsam unterdrückt wurden und damit ausgelöscht waren.344 Bezogen auf das Jahr 1655, in dem der dritte
341 342 343 344
§ 11,5. § 24,1. Vgl. Amman 1618, S. 197, und Sandy 1615, S. 134. Vgl. Kircher 1654, S. 434.
Anmerkung: Aegyptologus philologus: analog zum Konzept des Medizinphilologen (medicus philologus) des 16. und 17. Jahrhundert, für das Jaumann 2001 unter dem Begriff der Iatrophilologia die verschiedenen Beziehungen von Medizin und Philologie herausgearbeitet hat. Darunter findet sich die Konstellation, dass sich „die Wissenschaft einer höheren Fakultät wie die Medizin philologische Kompetenz inkorporiert, um auf Textüberlieferung gründende Fragen der historia angemessen bearbeiten zu können“ (ebd., S. 159). Eine angemessene philologische Aufarbeitung medizinischer Inhalte betrifft etwa die kompetente Auswahl von Zitaten, das Einbeziehen topischer Vorwürfe und Rechtfertigungen oder die stilistisch und rhetorisch gewandte Argumentation (s. ebd., S. 158).
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Teil des Oedipus Aegyptiacus, das Theatrum Hieroglyphicum, erschien, wäre somit keine Mumie jünger als 2180 Jahre gewesen. Kirchers These fußt auf den Darstellungen der Gewaltherrschaft des Kambyses bei den griechischen Geschichtsschreibern.345 Jedoch berichten diese zwar von Aggressionen gegen die ägyptische Religion, z. B. der Tötung des Apis-Stiers, nicht aber explizit von einem Ende der Totenkonservierung. Die These wird zum einen durch die Behauptung gestützt, die Praxis sei von den Persern und nach ihnen von den Griechen, also seit der Eroberung Ägyptens durch Alexander 332 v. Chr., per Gesetz verboten worden. Zum anderen führt Kircher die Beobachtung an, dass zahlreiche ihm bekannte Mumien Hieroglyphen enthielten, deren Gebrauch als heilige Schriftzeichen ebenfalls mit der Eroberung durch die Perser ein Ende gefunden hätte. Damit macht er die Frage zum Teil seines Spezialgebiets, der Hieroglyphenkunde, auf die sein europaweiter Ruhm gründete.346 Gryphius nun war davon überzeugt, dass die Ägypter ihre Toten noch mindestens bis weit in die Spätantike mumifizierten und das Ende dieser Tradition im Erstarken des Christentums begründet liege: „[...] ac jam denuò visum, toleratam hanc condiendi funeris consuetudinem, donec valescentibus Christianis, Aegyptus omnis sese ritu tam operoso exsolveret.“ 347 Bevor er dem Leser aber seine These präsentiert, führt er ihn durch eine knapp dreißig Seiten lange Argumentation, innerhalb derer er in philologischer Kleinarbeit eine beeindruckende Zahl an Belegstellen aus eineinhalb Jahrtausenden Geschichte zusammenträgt, an einen Punkt, an dem die Wahrscheinlichkeit der Schlussfolgerung kaum noch abzustreiten ist. Strukturgebend für das umfangreiche Autorisierungsverfahren ist die von Kircher aufgestellte Theorie, die dem Leser zu Beginn der Auseinandersetzung im Wortlaut vorgestellt wird. Für die eigene Argumentation wird sie gedanklich in fünf Teilannahmen zerlegt und fortan Aussage um Aussage widerlegt. Das sind in dieser Reihenfolge: die auf das 6. vorchristliche Jahrhundert datierte Auslöschung des ägyptischen religiösen Lebens im Allgemeinen, das gesetzliche Verbot der Mumifizierungspraxis durch die persischen und griechischen Eroberer, die Auslöschung der Mumifizierungssitte im 6. Jahrhundert v. Chr. im Besonderen sowie die Interpretation von Mumieninschriften als Hieroglyphen. Gegen die Hypothese einer Auslöschung des religiösen Lebens in Ägypten unter Kambyses werden acht Textzeugnisse von griechischen (Cassius Dio, Philostrat, Plutarch), lateinischen (Lukan, Juvenal, Apuleius, Tacitus) und einem jüdischen (Flavius Josephus) Schriftsteller des 1. bis zum beginnenden 3. Jahr-
345 Vgl. Hdt. Hist. 3,27 ff. und Diod. Bibl. 1,4,5 sowie 1,46,3 und 1,95,4. 346 Vgl. auch Kapitel 2.3.2. 347 § 29,1.
4.4 Leitprinzip Glaubwürdigkeit. Zur formalen Gestaltung des Traktats
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hundert n. Chr. vorgestellt, die noch von ägyptischen Kulten zu ihren Lebzeiten berichteten. Gryphius argumentiert mit Berufung auf sie, dass, wenn die Ägypter auch Repressalien erdulden mussten, das kultische Leben nicht nur fortgedauert hat, sondern sogar exportiert wurde, wovon etwa der von Lukan erwähnte Isistempel in Rom zeugt. Das von Kircher behauptete Verbot der Mumifizierung durch die Perser und Griechen hält Gryphius für unplausibel und gibt zu bedenken, dass auch von diesen Völkern bekannt sei, dass sie Leichen konserviert hatten. Dafür führt er – freilich Sonderfälle der Geschichte – auf Seiten der Perser Kyros II. und Alexander den Großen, auf Seiten der Griechen Agesipolis I. und Agesilaos II. als Beispiele an und fügt zahlreiche antike Quellen zur Bestattung und zu den Gräbern der Herrscher bei, die von seiner umfangreichen Belesenheit zeugen. Indem sich Gryphius auch gegen Kirchers Interpretation von Mumieninschriften als Hieroglyphen wendet, greift er ihn sogar auf dessen Spezialgebiet an: Statt als heilige Zeichen deutet er die Inschrift einer der von Pietro della Valle importierten Mumien als Sprache der Nachfahren der Ägypter, die die Praxis der Mumifizierung noch anwendeten. Er erinnert auch daran, dass Kirchers Sprachlehre nicht allgemein anerkannt ist und durch den Königsberger Professor für orientalische Sprachen Johann Stephan Rittangel widerlegt wurde. Auch zur eigentlichen Kernfrage, der Fortdauer der Mumifizierungssitte, stellt der Verfasser ein Textkorpus zusammen. Es reicht von der römischen Republik bis ins Spätmittelalter. Zunächst erinnert er an zwei überaus prominente Beispiele für Mumifizierung im ptolemäischen Ägypten: Kleopatra und Marcus Antonius. Sodann zieht er eine historische Linie von Cicero über Tacitus, Pomponius Mela, Plinius d. Ä., Sextus Empiricus und Lukian bis zu den Kirchenvätern Athanasius und Johannes von Damaskus, die allesamt eine ägyptische Bestattungssitte bezeugen. Für dieses Zitatfundament behalf er sich, ohne Hinweis jedoch, bei den 1624 veröffentlichten De linteis sepulchralibus des französischer Arztes und Antiquars Jean-Jacques Chifflet – und zwar so genau, dass er selbst dessen Fehler mit übernahm.348 Athanasius steht für Gryphius stellvertretend für einen Wendepunkt in der Geschichte der Mumifizierungspraxis, denn durch den Bischof Alexandrias sieht er erstmals eine Konkurrenz von ägyptischer und christlicher Bestattungssitte thematisiert: Während die Ägypter nämlich ihre Toten in Leinen gewickelt und auf Leichenbetten aufgebahrt zu Hause aufbewahrten, würden die Christen auf eine Erdbestattung bestehen. Auch der christliche Einsiedler Hilarion, ein Zeitgenosse Athanasius’, hat, wie Gryphius ergänzt, auf dem Sterbebett ausdrücklich die Leinenbindung ausgeschlagen und eine Erdbestattung gewünscht. Ergänzend zur Ablehnung der ägyptischen Ge-
348 Vgl. den Stellenkommentar zu § 28.
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bräuche durch die Christen des 4. Jahrhunderts werden Zeugnisse über frühchristliche Begräbnisse herangezogen: So berichten Tertullian und Prudenz von der reichlichen Anwendung von Spezereien bei diesen Bestattungen. Dass die Körper dabei jedoch unversehrt blieben, konnte der christliche Archäologe Antonio Bosio mit seinen Forschungen in den Katakomben Roms bestätigen, die 1632 posthum in der Roma sotteranea veröffentlicht wurden. Als hervorragender Kenner der Kirchengeschichte – bereits als Leidener Student hatte Gryphius alle 12 Bände der Annales ecclesiastici von Kardinal Cesare Baronio erworben –349 erinnert er außerdem an die scharfe Verurteilung des Zerteilens und Auskochens von Leichen durch Papst Bonifaz VIII., die in der gegen den mos teutonicus gerichteten Bulle De sepulturis von 1299 zum Ausdruck kam. Statt sich nun auf einen bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum für ein Ende der Mumifizierungspraxis festzulegen, wie etwa Kircher es tat, begnügt sich Gryphius damit, die rivalisierenden Überzeugungen zur Bestattung herauszuarbeiten und vor dem Hintergrund des Christentums als Leitreligion im spätantiken Ägypten zu deuten. Bereits zu Beginn der Auseinandersetzung hatte er angekündigt, dass er eine eindeutige Antwort für unmöglich hält: „Per quot seculorum decursus cadavera haec duraverint, nemo puto mortalium examussim tradere poterit.“ 350 Die Unsicherheit des Ergebnisses liegt in der Herangehensweise begründet: Während er sich bei der Bewertung der Mumifizierungstechnik auf Autopsie und die Methode der Untersuchung berufen konnte und ein klares Urteil fällte, wagt er sich im Falle der Auswertung von Textquellen nur von Abwägen statt Urteilen zu sprechen („expendentis potiùs quam censentis more“ 351). Expendere steht für den Versuch, anhand von verschiedenen Informationen eine kohärente Lösung abzuleiten, die nicht exakt sein muss. Hier geschieht dies auf Basis von zeitlich geordneten Textzeugnissen, die außerdem eine bestimmte Qualität erfüllen müssen: Sie müssen dem Anspruch der historia genügen, also Geschehnisse auf Grundlage von Augenzeugenschaft wahrheitsgemäß widergeben und als wahrscheinlich darstellen. Das wird dort deutlich, wo etwa Tacitus als Zeuge („teste“ 352) bezeichnet wird oder das Heranziehen eines Lukan-Zitats damit verteidigt wird, dass dieser vielmehr ein Geschichtsschreiber als ein Dichter sei und zudem herausragende Kenntnisse besaß, die denen eines Konsuls entsprächen.353 Zwei weitere Literaten, der Satiriker Juvenal und der Romanautor Apuleius, tauchen in der Beweisführung zwar am Ran-
349 350 351 352 353
Vgl. Bircher / Seelbach 1994, S. 132 f. § 25,1. Ebd. § 25,5. Vgl. § 24,3.
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de auf, werden aber nicht zitiert. Das bei anderen zeitgenössischen Autoren vielfach verwendete Zitat aus der Punica des Epikers Silius Italicus übergeht Gryphius sogar ganz.354 Auch die Methodik der historisch-kritischen Textauslegung kommt nicht ohne zusätzliche Strategien der Autorisierung aus. Das betrifft einmal die Kopplung der Autorisierung des eigenen Wissensanspruches an die Deautorisierung einer Vorgängertheorie, hier gar des Ägyptenexperten Kircher. Dabei steht weniger eine tiefgehende sachliche Widerlegung der Thesen im Vordergrund, denn wichtigen Punkten in Kirchers Argumentation wird schlicht nicht gekontert. Beispielsweise sind Kircher die von Gryphius angeführten Belegstellen zur ägyptischen Mumifizierung nach dem 6. vorchristlichen Jahrhundert selbstverständlich bekannt. Entgegen der Darstellungen der Geschichtsschreiber („tanquam Historicis ferè omnibus contrarium“) meint er aber, dass die Tradition nur noch in den Köpfen der Menschen („in eorum mentibus“) fest verankert war, nicht aber in der Praxis.355 Auf diesen Einwand geht Gryphius aber gar nicht ein. Vielmehr gilt es, Schwächen der gegnerischen Theorie zu benennen, um ihr den Status der Wahrscheinlichkeit zu nehmen. Die zweite stützende Strategie betrifft die Ausstellung der eigenen Kompetenz, also die Selbstautorisierung. Für ein philologisches Beweisverfahren realisiert sie sich in der Zurschaustellung der eigenen eruditio, die durch die Beherrschung mehrerer Sprachen, insbesondere auch des Altgriechischen, und eine umfassende Belesenheit und Textkenntnis sowohl der klassischen Antike als auch der christlichen Zeit ausgewiesen wird. Letzteres wird besonders dort deutlich, wo die angeführten Belege weder der Widerlegung Kirchers noch der eigenen Argumentation dienen: etwa in der ausufernden Passage über den Perserkönig Kyros II., der selbst zum Gegenstand der Darstellung gemacht wird, indem sein Bestattungswunsch, die Grabinschrift oder die Auffindung seines Leichnams durch Alexander u. a. m. darin eingebunden werden. Die Schlussfolgerung der Argumentation jedenfalls, die das beginnende Verschwinden der ägyptischen Mumifizierung um das 4. Jahrhundert mit der Ausbreitung des Christentums erklärt, ist nicht nur für ihre Zeit erstaunlich präzise, sondern hat noch heute Gültigkeit.356 354 So gibt Chifflet 1624, S. 9, zwischen den Zitaten von Sextus Empiricus und Lukian Sil. Pun. 13,474–476: [...] Aegyptia tellus claudit odorato post funus stantia saxo corpora et a mensis exanguem haud separat umbram. 355 Kircher 1654, S. 434. 356 Vgl. Germer 1997, S. 90 f. Die spätesten Funde von Mumien stammen nach heutigem Kenntnisstand aus dem 6. bis 7. Jahrhundert (vgl. Gessler-Löhr 2012, S. 669).
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4.4.3.3 Mumien und Dämonen − Evidenz der Erfahrung Stehen Mumien in der Macht von Dämonen, die eine Überfahrt über das Mittelmeer verhindern? Nachdem sich Gryphius in der Dissertatio dieser Diskussion entzogen hat, als er den gescheiterten Versuch einer Mumienüberführung durch den polnischen Fürsten Radziwill kurz erwähnt, einen Verweis auf die sich dahinter verbergende Gespenstergeschichte jedoch unterlässt, nimmt er im Anhang der Schrift auf Bitten seiner Freunde dazu Stellung. Eine Einführung in die Problematik wird hergestellt, indem dem Leser die gesamte Episode aus Radziwills Reisebericht Hierosolymitana peregrinatio (1601) als Zitat nachgereicht wird. Dort hatte dieser behauptet, auf der Heimfahrt von Ägypten heimlich zwei Mumien mit an Bord gebracht zu haben, woraufhin zwei Gespensterscheinungen einen anwesenden Priester mit steigender Intensität gequält und starke Stürme das Schiff beinahe zum Kentern gebracht hätten. Erst als man die Mumien über Bord warf, habe sich die Situation beruhigt. Der persönliche Erfahrungsbericht Radziwills wird um eine Passage aus Jean Bodins Wissenskompendium Theatrum Naturae (1596) ergänzt, die ebenfalls von Unwettern bei Mumientransporten über See berichtet. Beide Texte führen das Ereignis auf das Walten von Dämonen zurück. Radziwill meint, dass Körper und Seelen der Mumien in Obhut und Macht von Dämonen („in cura et potestate Daemonum“ 357) stünden, und macht ihre heidnische Religion und die Götzenbilder als deren Symbole dafür verantwortlich. Auch Bodin spricht von „daemonum potestate“ 358 und erwähnt die Götzenbilder, die für die Verwünschung der Leichname verantwortlich sein könnten. Den Grund für die Meeresunruhe will er aber vor allem als Verfluchung des Grabschänders verstanden wissen. Wie bereits bei der Frage nach dem Ende der Mumifizierungssitte kündigt der Verfasser auch in diesem Fall an, sich der Problematik durch Abwägung zu nähern („si expendas“ 359), d. h. kein konkretes Urteil zu fällen. Die Rede zielt nun darauf ab zu widerlegen, dass Mumien der Grund für Stürme auf See und Schiffbruch seien. Die Argumentation ist weit weniger stringent als in der vorigen Causa. Sie orientiert sich lose an den Darstellungen Radziwills und Bodins: Diese werden auf ihre implizite Logik geprüft, Widersprüchlichkeiten werden mit Berufung auf Beobachtungen aus der Lebenswelt offengelegt und für Teilfragen alternative Erklärungen angeboten. Eine einzige kohärente Gegentheorie zur Ausgangsfrage wird aber nicht präsentiert. Es lassen sich drei Hauptargumente gegen die Widersacher herausdestillieren: 1. Wenn eine Mumie stets von einem Dämon vereinnahmt wäre, könnte
357 § 35,2. 358 § 34,4. 359 § 35,2.
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dieser anstatt erst auf See bereits beim Einbruch ins Grab und beim Leichenraub wirken und würde auch die Apotheker, die die Leiche schänden, nicht davonkommen lassen. 2. Andere Sünder wie Piraten oder ans Ruder verurteilte Straftäter, die ebenfalls einen Fluch auf sich gezogen haben und die Meere durchqueren, belegen, dass die Verfluchung nicht zwingend Unwetter auf See nach sich zieht. 3. Da es in europäischen Gefilden Mumien gibt, können Unwetter und Kentern nicht die Regel sein. Formal begegnen die Argumente als eine Kaskade an Beispielen im Gewand rhetorischer Fragen: „cur [Daemon] patitur effodi sepulcreta, cur erui corpus sandapilâ, cur efferri cryptis, quid obstat, quo minus arceat, terrore strepitu, vi denique aggressores conditoriis[?]“ 360 usw. Dass Geister die ägyptischen Mumien begleiten, wird nicht grundsätzlich abgelehnt: „Haud equidem negarim esse haec cadavera, idolis praesertim illustria, teterrimorum Geniorum curae credita“.361 Auch dass der Priester aus Radziwills Geschichte von Gespenstern („terriculamentis“ 362) geplagt wurde, zweifelt Gryphius nicht an. Jedoch wähnt er, einer der Diener hätte dem Geistlichen wegen seines schlechten Gewissens unter der Beichte von den Mumien erzählt, und schreibt die Erscheinungen dann dessen psychischer Verfassung („impressio profundiores inter curas exorta“) oder – in protestantischer Manier – dem Walten des Teufels („sive luserit aeternus ille generis nostri hostis“) zu.363 Selbst die Deutung, die Geister würden den alten Aberglauben der Menschen bestätigen wollen, wird zur Disposition gestellt. Dass die Schutzgeister allerdings für Unwetter auf See verantwortlich seien, lässt Gryphius nicht gelten. Er wirft seinen Zeitgenossen törichte Leichtgläubigkeit („vana credulitas“ 364) vor und versucht die Geschichte als Produkt des Aberglaubens („[v]ana Religio“ 365) zu entlarven, den er auf eine Missinterpretation von Kausalzusammenhängen zurückführt: Unter dem Eindruck zweier Seemannsbräuche – nämlich die Überführung von Leichen wegen des Gestanks abzulehnen und etwas, das dem Wohl der Passagiere dient, über Bord zu werfen – und den natürlicherweise häufig auftretenden Stürmen auf See sei mit der Zeit den Mumien die Schuld für diese angelastet worden. Es fällt auf, dass Gryphius, der zum Thema Geisterglauben umfangreich belesen war, für seine Argumentation nicht einen einzigen Textzeugen heranzieht. Stattdessen referiert er zur Unterstützung seiner eigenen Ausführungen
360 361 362 363 364 365
§ 35,3. § 35,2. § 35,9. § 35,9. § 35,7. § 35,8.
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auf Gewährsmänner, die er selbst befragt hat.366 So hätten ihm holländische Kapitäne versichert, dass sie, obwohl sich bei Überfahrten über das Mittelmeer Mumien an Bord befanden, in keinerlei Gefahr geraten seien. Gleiches bestätigte ihm der Paduaner Professor Johannes Vesling, der auch selbst von der Wahrheit dieser Geschichte nicht überzeugt war. Die Kompetenz der Befragten speist sich aus ihrer persönlichen Erfahrung. Für die Seefahrer erschließt sich das von selbst. In Veslings Fall wird seine Autorität als berühmter Botaniker und Anatom der Universität Padua zwar lobend erwähnt, jedoch sein langer Aufenthalt in Ägypten als die vorrangige Quelle seiner Glaubwürdigkeit („quod apprime huc facit“ 367) für die Streitfrage unterstrichen. Mit der Ausrichtung seiner Beweisführung an Beobachtungen aus der Lebenswelt entzieht sich Gryphius nicht nur einer Positionierung innerhalb gelehrter Debatten, sondern auch der theologischen Dimension des Themas.368 Zwar klingt seine nach natürlichen Erklärungen suchende Darstellung durchaus an eine protestantische Superstitionskritik an. Als konfessionsmotiviertes Plädoyer ist sie jedoch nicht zu lesen. Vielmehr steht eine Entdämonologisierung der Mumienthematik im Vordergrund, die aber ausdrücklich nicht mit einer Ablehnung des Geisterglaubens gleichzusetzen ist. Damit bieten die Mumiae Wratislavienses zugleich ein Interpretationsindiz für eine in der Forschung häufig diskutierte Passage aus Cardenio und Celinde:369 In der Vorrede verteidigt der Verfasser die Gespensterepisoden370 des Dramas, die man ihm als „wahrhaffte Geschicht“ 371 mitgeteilt habe. Er erinnert den Zuschauer aber auch an die Freiheiten des Poeten und kündigt für diejenigen, die der Sache keinen Glauben schenken können, an, das Thema „in kurtzem vernuͤ nfftig an seinem besonderen Ort / zu erwegen“,372 womit bekanntermaßen auf den verschollenen Traktat über Gespenster De spectris angespielt wird. Angesichts des Umgangs mit der Thematik im Mumientraktat darf wohl angenommen werden, dass die angekündigte gelehrt-wissenschaftliche Auseinandersetzung nicht auf eine Widerlegung des Geisterglaubens hinauslaufen kann.
366 Vgl. § 35,1 und § 35,4. 367 § 35,1. 368 Zur Theologie der Geister in der Frühen Neuzeit vgl. Neuber 2005. Zur Einführung in den protestantischen Geisterglauben Rieger 2011, S. 16–25. 369 Z. B. Mannack in Gryphius 1991, S. 976, Kemper 1992, S. 900 f., Mahlmann-Bauer 2004, S. 105. 370 An zwei Schlüsselstellen des Trauerspiels treten, in Gestalt der Olympia (Gryphius 1965, IV, 193–218) und des Marcellus (ebd., IV, 381–384 und V, 318–336), Gespenster auf. 371 Ebd., S. 99. 372 Ebd., S. 103.
4.5 Lob der Empirie. Zugänge zum Wissenschaftsverständnis
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4.5 Lob der Empirie. Zugänge zum Wissenschaftsverständnis Die Themen Wissen und Wissenschaft tauchen sowohl in Gryphius’ lyrischem Werk als auch in den Leichabdankungen immer wieder im Kontext der vanitasMotivik auf.373 Die Begriffe sind dort durchgehend negativ besetzt.374 Das gelehrte Wissen begegnet als mühsame Arbeit im Diesseits, die sich im Moment des Todes ohne jeden Nutzen für das Jenseits in Nichts auflöst. Die Bewertung wird von einer religiösen Einsicht geleitet und zieht den Appell nach sich, das Leben nicht mit Streben nach Wissen, sondern nach Gottes Weisung auszufüllen. Schings, der in seiner Studie zu den Leichabdankungen Referenzen auf zeitgenössische wissenschaftliche Bewegungen, insbesondere den Cartesianismus, untersucht hat, zieht aus der Betonung der Nichtigkeit allen Wissens den Schluss, Gryphius stehe „dem Wissens-Pessimismus dieser [der skeptischen] Tradition näher als dem reformatorischen Wissenschafts-Elan seines ‚modernen‘ Zeitgenossen“.375 Der Befund eines negativ konnotierten Wissens- bzw. Wissenschaftsbegriffs wie in der lyrischen und konsolatorischen Literatur kann für die Mumiae Wratislavienses nicht bestätigt werden. Vielmehr arbeitet der Text mit einer gegenteiligen Deutung. Besonders deutlich wird dies in einer Passage gegen Ende der Dissertatio.376 Anlass zum Aufgreifen der Thematik ist eine durch den Historiker Tommaso Fazello überlieferte Episode, die sich gegen Ende des 13. Jahrhunderts während der Kämpfe um Sizilien abgespielt haben soll. Berichtet wird von einer besonders verschlagenen Gruppe Sizilianer um ihren Anführer Montanerius Sosa, die die gefallenen Opfer der gegnerischen französischen Seite kochte, um für die so konservierten Leichname Geld von den Hinterbliebenen einzufordern. Die Begebenheit ging in die Kirchengeschichte ein, weil Papst Bonifaz VIII.
373 Zur Darstellung der Wissenschaft in den Leichabdankungen hat Sching 1966, S. 54–91, ausführlich gearbeitet. Zum lyrischen Werk liegt keine systematische Untersuchung vor. Als Beispiele vgl. z. B. Verleugnung der Welt („Was hilfft die wissenschaft / der mehr denn falsche dunst?“, Gryphius 1964, S. 40), Vanitas! Vanitatum Vanitas! („Es hilfft kein weises wissen / Wir werden hingerissen“, ebd., S. 17) oder besonders die Ode Scire tuum nihil est, deren Verhandlungsgegenstand Wissen und Wissenschaft sind („Der Cörper den du trägst / vnd schmückest muß verwesen. Man schleust kein Wissen auß / Auch ist durch hohe Kunst kein einig Fleisch genesen“, ebd., S. 72, „Was hilfft die Wissenschaft? wenn vor deß Herren Throne Die Seel erscheinen muß?“, ebd., S. 73). Der Titel spielt auf den Persius-Vers „Scire tuum nihil est, nisi te scire hoc sciat alter?“ an (Pers. Sat. 1,27) und reduziert damit die Frage, ob Wissen nur etwas wert sei, wenn andere davon Kenntnis nehmen, auf die Aussage, Wissen sei wertlos. 374 Der Begriff ‚Wissenschaft‘ wird bei Gryphius im Sinne von gelehrt-wissenschaftliches Wissen gebraucht. 375 Schings 1966, S. 68. 376 § 30,6.
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nicht nur die Täter exkommunizierte, sondern daraufhin auch die Bulle De sepulturis erließ, die das Ausweiden und Auskochen von Leichen – mos teutonicus genannt – verbot. Dieses Edikt tadelt Gryphius als Auslöser dafür, dass die wissenschaftliche Sektion und mit ihr die Anatomie in Verruf geriet. Inwieweit dies den Tatsachen entspricht, ist unzureichend erforscht:377 Es steht zwar außer Frage, dass sich die Bulle nicht auf das Verbot anatomischer Lehrsektionen bezog. Unklar ist aber, inwiefern sie von den Anatomen als solches aufgefasst oder von Sektionsgegnern als Argument genutzt wurde. Der Jenaer Professor Werner Rolfink jedenfalls, der an seiner Universität den Bau eines anatomischen Theaters nach dem Vorbild Paduas veranlasst hatte,378 behauptet in seinen 1656 erschienenen Dissertationes Anatomicae, dass private Sektionen unter Strafe stehen würden, und führt dies auf das Bonifaz-Edikt zurück.379 Das Aufgreifen dieses Vorwurfs wird nun im Text in zweierlei Weise rhetorisch verwertet. Einerseits wird die herausragende Bedeutung der Anatomie unter den zeitgenössischen Wissenschaften betont. Sie wird als edelste aller Wissenschaften („scientiarum nobilissima“ 380) bezeichnet und ihr Nutzen hervorgehoben: Die Erforschung und Ausstellung des Körpers geschehe der Erkenntnis wegen („noscendi ergò“) im Dienste der Weisheit und der Medizin („sapientiae ac medicinae emolumento“).381 Damit wird nicht nur der Wert der Anatomie für das Diesseits anerkannt, weil das Verständnis der Funktionsweise des Körpers zur Bekämpfung von Krankheiten dienlich ist. Ihr wird auch ein Beitrag für jenseitige Belange zugeschrieben, der im Streben nach Weisheit seinen Ausdruck findet. Hierbei handelt es sich um eine Anspielung auf die theologische Komponente der Verbindung von Anatomie und Erkenntnis, die im barocken Denken fest verankert war. In anatomischen Theatern fand sie durch die Präsentation des Mottos ‚Nosce te ipsum‘, der lateinischen Version der einstigen Inschrift des Apollotempels in Delphi, Eingang. Es fordert dazu auf, in der Beschaffenheit des menschlichen Körpers Gottes schöpfende Hand wiederzuerkennen und sich im Anblick des Todes der eigenen Vergänglichkeit gewahr zu werden. Gryphius ist diese Formel aus der Leidener Anatomie bekannt, wie er in der Leichabdankung Der Tod als Arzt der Sterblichen selbst bezeugt: Ich erinnere mich / daß auf dem beruͤ hmten Anatomischen Schauplatz / der durch die Welt beruffenen hohen Schule zu Leiden / unter vielen andern auch ein Todten-Gerippe stehet / welches in dem Fahne die bekanten Worte fuehrtet / NOSCE TE IPSUM, Erkenne
377 378 379 380 381
Vgl. auch den Stellenkommentar zu § 30. Vgl. Jaumann 2004, S. 565. Vgl. Rolfink 1656, S. 187. § 30,6. Ebd.
4.5 Lob der Empirie. Zugänge zum Wissenschaftsverständnis
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dich selbst. O hier / hier lernet euch selbst kennen / die ihr noch Zeit euch zu kennen uͤ brig habet.382
Nachdem die Anatomie ihre entsprechende Würdigung erfahren hat, lässt es sich der protestantische Verfasser darüber hinaus nicht nehmen, den von ihm konstruierten Missstand für eine konfessionelle Polemik zu nutzen: Die anatomische Erforschung des Körpers müsse endlich päpstlichen Segen erhalten, um der Wissenschaft die Anerkennung zukommen zu lassen, die ihr zusteht. Neben der Lobrede auf die Anatomie findet sich in den Mumiae Wratislavienses eine weitere Passage, in der zu zeitgenössischen wissenschaftlichen Praktiken Stellung bezogen wird. Sie schließt sich als Kommentar der Vorstellung von Giovanni Nardis These, es habe nur eine Art der Balsamierung im Alten Ägypten gegeben, an.383 Der Verfasser stellt fest, dass viele Gelehrte anderer Meinung sind, und möchte einer Gruppe von ihnen nach dem Kriterium des methodischen Zugangs zu Wissen den Vorzug einräumen. Dafür werden zwei Typen von Gelehrten kontrastiert, die durch die Zuschreibung von wissenschaftlichen Lastern und Tugenden zugleich Wertung erfahren: Auf der einen Seite stehen die Büchergelehrten, deren Tätigkeit darin bestehe, die Worte der Alten immer wieder von Neuem vorzulegen. Ihnen wird eine ausschweifende Darstellungsweise, mangelndes Talent und Ruhmessucht vorgeworfen. Auf der anderen Seite stehen die Empiriker, die sich durch Leidenschaft für die Erforschung der Dinge selbst („rei indaginem“) und für die Wahrheit („veritatem“) auszeichnen.384 Als Beispiele werden Botaniker, die Pflanzenstudien betreiben (statt Plinius mit Dioskurides abzugleichen), und Mediziner, die ihre Disziplin als Beitrag zum Wohl der Menschen begreifen (statt sich der Verteidigung Galens zu widmen), angeführt. Bei der Charakterisierung des empirischen Forschers fällt besonders die Berufung auf die veritas auf: ein geläufiger Topos frühneuzeitlicher Wissenschaftsakteure. Mit ihr geht die Versicherung einher, keiner philosophischen Schule oder bestimmten Autorität verpflichtet zu sein, sondern sich auf der Suche nach neuem Wissen allein vom Studium der Dinge leiten zu lassen.385 Johann Christoph Sturm beispielsweise erklärt in der Vorrede seines Collegium experimentale sive curiosum ausdrücklich, er sei weder Aris-
382 Gryphius: Der Tod als Arzt der Sterblichen, in: Gryphius 2007, S. 175–193, hier S. 191 f. 383 Vgl. § 9,1. 384 Ebd. 385 Danneberg 2003, S. 166 f., führt den Ursprung der Bekräftigung, der Wahrheit und keiner Autorität verpflichtet zu sein, auf die antike Formel Amicus Plato, amicus Aristotelis, sed magis Amica veritas zurück und gibt Beispiele für Abwandlungen der Formulierung.
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toteliker noch Cartesianer, sondern diene der Wahrheit selbst und trage nur jene Erkenntnisse vor, die er in seinen Experimenten gewonnen habe.386 Die Referenzen auf Wissen und Wissenschaft in den Mumiae Wratislavienses lassen damit folgendes erkennen: Zu allererst eine starke Sympathie für die Anatomie, die nicht nur im Diesseits nütze, sondern auch auf das Jenseits vorbereite. Der Wissenschaft wird damit das Potenzial für religiöse Einsicht zugestanden. Sie muss ihr also nicht weichen. Eine herausragende Rolle für das Disziplinverständnis nimmt dabei die Methode der anatomischen Sektion ein. Weiterhin ist eine allgemeine Methodenkritik erkennbar, die empiriebasiertes Wissensstreben als rechten Weg zur Wahrheit feiert und gleichzeitig Autoritäten- und Schulhörigkeit ablehnt. Damit ist den Prinzipien, die bereits dem Umgang mit dem eigenen Gegenstand eingeschrieben waren, – Hochschätzung der Autopsie und Ablehnung eines umfassenden und historisch geordneten Blicks auf die Überlieferung –387 ein breiterer wissenschaftstheoretischer Rahmen gegeben. Die Mumiae Wratislavienses bieten die Möglichkeit, das Wissenschaftsverständnis auch aus einer anderen Perspektive zu kontextualisieren. Die Breslauer Mumiensektion war ein regionales Ereignis fernab jeder universitärer Strukturen. Der Text überliefert die Namen von 21 Gelehrten von herausragender Bildung, die aus diesem Anlass zusammenkamen und über deren wissenschaftliche Beziehungen fast nichts bekannt ist. Ein Blick auf einige dieser Akteure soll im Folgenden dazu dienen, das wissenschaftliche Klima Breslaus in der Zeit, in der die Untersuchung veranstaltet wurde und die Mumiae Wratislavienses entstanden, sowie die Rolle von Gryphius in diesem Netzwerk zu skizzieren und auch seine besondere Würdigung der Empirie besser einzuordnen. Unter den Sektionsteilnehmern war niemand von größerer Bedeutung für die deutsche Wissenschaftsgeschichte des 17. Jahrhunderts als Philipp Jakob Sachs von Löwenheim. Wenige Monate vor der Sektion war er als 17. Mitglied und erster Schlesier überhaupt in die Academia Naturae Curiosorum aufgenommen worden. Die heutige Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina war 1652 nach dem Vorbild der italienischen Akademien in Schweinfurt gegründet worden und hatte sich zum Ziel gesetzt, zum Wohle des Menschen die Natur zu erforschen und die Medizin voranzutreiben.388 Sachs trug bis zu seinem Tode 386 „[...] nulli scilicet sectae addictus, nec ad autoritatem vel ARISTOTELIS vel CARTESII vel ullius alius Philosophi, sed ad ipsa veritatis ac sanae rationis principia et, quod modernae Philosophiae proprium est, ad experimenta ipsi oculorum Sensui exposita, meos Auditores ablegans.“ Sturm 1676, Praefatio, S. [1 f.]. 387 Vgl. Kapitel 4.4.1, 4.4.2 und 4.4.3.1. 388 Ihre Gründer waren die Ärzte Johann Laurentius Bausch, Johann Michael Fehr, Georg Balthasar Metzger und Georg Balthasar Wohlfahrt. Als Mitglieder waren zunächst nur Ärzte zugelassen.
4.5 Lob der Empirie. Zugänge zum Wissenschaftsverständnis
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1672 mit großem Engagement zu ihrem Aufstieg bei. Zu seinen Lebzeiten ging das Wirken der Gesellschaft zu einem beträchtlichen Teil von Breslau aus. Sachs korrespondierte mit Gelehrten in ganz Europa und berichtete dabei unermüdlich von der Arbeit des Collegium Curiosum. Der berühmte Anatom Thomas Bartholin in Kopenhagen zählte ebenso zu seinen Briefpartnern wie Athanasius Kircher in Rom. Auch die heimische Ärzteschaft konnte er für die Akademie gewinnen: 1661 z. B. erwirkte er die Aufnahme des in Fraustadt praktizierenden Arztes Jonas Deutschländer, Gryphius’ Schwager. Im selben Jahr gab Sachs mit der Ampelographia, einer Arbeit über den Weinstock, die er dem Breslauer Senat widmete, das Publikationsdebüt der Akademie. Nicht unbemerkt blieb in Breslau die Gründung einer englischen Gesellschaft, die sich ganz der experimentellen Naturforschung verschrieben hatte: die Societas Regia oder Royal Society, die unter dem Motto Nullius in verba, wider die Autoritätengläubigkeit, die Neubegründung der Naturphilosophie anstrebte. In Gryphius’ Todesjahr 1664 ging ein Brief nach London, um mehr über die Gesellschaft zu erfahren und sogleich auch das deutsche Pendant vorzustellen. Absender war allerdings nicht Sachs, sondern der Breslauer Senator Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und damit ein weiterer Teilnehmer der Breslauer Sektion und enger Freund von Gryphius.389 Im August 1664 sandte der Überbringer des Briefs, Theodor Jacobi, nachdem er zwei Mitglieder der Royal Society getroffen hatte, ein Schreiben mit Einzelheiten über Organisation und Anliegen der Gesellschaft an Hoffmannswaldau, das dieser auch an Sachs weitergereicht hat.390 Ein Dankesbrief für das Treffen und die lobenden Worte, die die englische Gesellschaft für die deutsche fand, kam indes – und hier deutet sich die hervorragende Vernetzung der lokalen Gelehrtenschaft an – von Johann Daniel Major, einem in Hamburg tätigen Arzt aus Breslau. Major war 1664 mit Empfehlung von Sachs als Mitglied der Academia Naturae Curiosorum aufgenommen worden und erhielt im darauffolgenden Jahr einen Ruf an die neu gegründete Universität Kiel, wo er einige Bekanntheit erlangte, weil er die erste öffentliche Leichensektion in Norddeutschland durchgeführt hat.391 Majors Brief, der außerdem eine längere Unterrichtung durch Sachs ankündigt,
389 So geht es aus dem Brief von Sachs an Oldenburg vom 16. Januar 1665, BU Wrocław, Sign. R 405, S. 243 f., hervor. Vgl. auch Major 1675, S. 34, und Sachs 1665, S. 67–69. 390 Jacobi traf Henry Oldenburg, gebürtiger Bremer und Sekretär der Gesellschaft, und den ebenfalls aus Deutschland stammenden Theodor Haak, der u. a. als erster deutscher Übersetzer von Miltons Paradise Lost bekannt ist. Einen inhaltlichen Abriss des Briefs gibt Sachs 1665, S. 67–69. 391 Zu Majors Biografie vgl. Andree 1992 und Reinbacher 1998. Zur Sektion in Kiel ebd., S. 37– 39, und auch Majors eigene kurze Abhandlung Historia anatomes Kiloniensis primae von 1666.
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4 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie
wurde nachweislich auf einem Treffen der englischen Gesellschaft verlesen und gilt als Beginn der Korrespondenz zwischen der Royal Society und der heutigen Leopoldina.392 Mit seiner Vaterstadt war Major eng verbunden, besonders mit Hoffmannswaldau, den er 1668 in der Huldigungsepistel Meditatio officiosa als Förderer der Wissenschaften feiert. Hoffmannswaldau war ein Freund der Familie, hatte den jungen Major mit Empfehlungsschreiben für dessen peregrinatio nach Italien unterstützt und ihn nach seiner Promotion in Padua 1660 ab Wien zurück nach Breslau begleitet.393 Mit Sachs stand Major, der Breslau weiterhin regelmäßig Besuche abstattete, bereits vor seiner Aufnahme in die Akademie in regelmäßigem Briefkontakt.394 In dem angekündigten Antwortschreiben lobt Sachs die englische Experimentalgesellschaft aufs Höchste, bescheinigt ihren Mitgliedern Wahrheitsliebe („amore veritatis indagendae“) und ehrt ihre Verdienste für die Medizin.395 Von der Situation in Deutschland zeichnet er ein bescheidenes Bild. Die Akademiemitglieder seien beruflich sehr eingespannt, sodass nur selten Zeit für Experimente bleibe. Zudem wohnten sie im ganzen Land verstreut und seien auf Korrespondenz statt gemeinsamer Treffen zum Austausch angewiesen – mit allen Unwegsamkeiten, die diese mit sich bringe. Sachs nutzte den Brief außerdem für ein eigenes Anliegen. Gerade arbeitete er an einer Abhandlung über Schalentiere und schickte darum eine Reihe an Fragen mit, für die er die empirischexperimentell fundierten Ansichten der Royal Society erbat: Warum z. B. wird der Hummer rot, wenn man ihn kocht? Oder: Kann es durch Beobachtungen bestätigt werden, dass Skorpione aus toten Einsiedlerkrebsen entstehen? Die Gammarologia erschien 1665 als zweite Veröffentlichung der Academia Naturae Curiosorum. Einige Jahre später reformierte Sachs, inspiriert von der Herausgabe der Philosophical Transactions durch die Royal Society, das Publikationskonzept der Akademie und rief ein deutsches Periodikum ins Leben. Für die Verlegung der Erstausgabe konnte er den in Breslau ansässigen Buchhändler Veit Jakob Trescher gewinnen, der bereits die Veröffentlichung von einigen Werken aus dem Umkreis des schlesischen Gelehrtenlebens wie Jonstons Poly-
392 Vgl. Scriba 1987, S. 69 und 74. 393 Zum Verhältnis von Hoffmannswaldau und Major vgl. Noack 1999, S. 382–385, hier S. 383. Andree 1992, S. 111, nennt die Bekanntschaft zu Hoffmannswaldau „vermutlich sogar lebensentscheidend“. Elias Major, der Vater von Johann Daniel, war Rektor des Breslauer ElisabethGymnasiums. 394 Aus den Jahren 1663 und 1664 finden sich 7 Briefe von Sachs an Major in der Sammlung BU Wrocław, Sign. R 405. In der Dissertatio epistolica de cancris, die auf den 12. Juli 1663 datiert ist, erwähnt Major einen Besuch Breslaus im selben Jahr („[...] nuper, antequam Vratislaviâ rursus abirem [...]“, Major 1664, S. 4). 395 Brief von Sachs an Oldenburg vom 16. Januar 1665, BU Wrocław, Sign. R 405, Zitat S. 245.
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histor, Sachs’ Ampelographia und Gryphius’ Mumiae Wratislavienses unterstützt hatte. 1670 dann erschienen erstmals die Miscellanea curiosa, die weltweit erste medizinisch-naturwissenschaftliche Fachzeitschrift.396 Mit Sachs und Thilisch waren unter den 36 Autoren zwei Ärzte, die auch an der Mumiensektion teilgenommen hatten.397 Auch Gryphius hat in den Veröffentlichungen der Academia Naturae Curiosorum Spuren hinterlassen. Für die erste Publikation, Sachs’ Ampelographia, verfasste er ein Geleitgedicht 398 und war damit neben Johann Fechner, dem Konrektor des Breslauer Elisabeth-Gymnasiums, der einzige Nichtmediziner unter den Zuträgern. Auch für die Gammarologia hatte Sachs, wie aus einem bisher unbekannten Brief an Gryphius vom 13. Februar 1664 hervorgeht, ein Gedicht von ihm erbeten.399 Offenbar durch den frühen Tod des Dichters verhindert, fand ein solches allerdings keinen Eingang in den Druck. Gryphius’ Rolle beschränkte sich jedoch keineswegs auf die des Poeten als Dienstleister der Wissenschaft. Für Sachs war er ein Gesprächspartner auf Augenhöhe. Major, der Gryphius offenbar ebenfalls gekannt hat und als außerordentlich bewandert in den Naturwissenschaften beschreibt („in [...] naturalium rerum cognitione versatissimum“ 400), weiß in seiner Erinnerungsschrift auf den Kollegen zu berichten, dass die beiden viele Stunden mit gelehrten Gesprächen verbrachten, wie sehr sie beruflich auch eingespannt waren.401 Dieser Austausch fand auch Eingang in die Schriften von Sachs, wie am Beispiel eines gemeinsamen Interesses der beiden Schlesier, der Petrifikation von Lebewesen, nachzuvollziehen ist. In seinem Brief an Gryphius erwähnt Sachs neben anderen Angelegenheiten und zur Verwunderung des nicht eingeweihten Lesers, dass es sich im Magen des Hirsches tatsächlich um eine verstei-
396 Der volle Titel lautete Miscellanea curiosa medico-physica Academiae Naturae Curiosorum sive Ephemeridum medico-physicarum Germanicarum curiosarum. Die Zeitschrift erscheint noch heute als Nova Acta Leopoldina. 397 Der Sohn des damals anwesenden Stadtphysicus Joachim Elsner, Joachim Georg Elsner, der 1672 Mitglied der Akademie wurde, gehörte ebenfalls zu den Autoren. Aufgrund seiner hervorragenden Kontakte konnte Sachs über deutsche Landesgrenzen hinweg berühmte Mediziner wie Thomas Bartholin für sein Projekt gewinnen. Der Kieler Professor Johann Daniel Major beteiligte sich ab dem zweiten Jahrgang der Zeitschrift 1671. 398 Abgedruckt in Gryphius 2001, S. 120–123. 399 Brief von Sachs an Gryphius vom 13. Februar 1664, BU Wrocław, Sign. R 405, S. 173. 400 Major 1675, S. 33 f. 401 „[...] Andream Gryphium, cum quo eruditas horas non paucas familiariter Phosphorum contrivisse, quamvis uterque rebus agendis esset districtissimus, hic Medicis, ille Politicis [...].“ Ebd. Phosphorus ist der Akademiename von Sachs. In den Gründerjahren der Academia Naturae Curiosorum zeichnete jedes Mitglied für die Bearbeitung eines Themas verantwortlich, für dessen Erledigung man mit dem Akademienamen geehrt wurde.
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nerte Schlange gehandelt habe, und verweist auf die Urteile zweier Kollegen, die ihn brieflich erreicht hätten. Diese knappe Mitteilung setzt eine entsprechende Diskussion mit dem Adressaten voraus, sonst wäre sie unverständlich. Was es mit der Bemerkung auf sich hat, wird in der Gammarologia deutlich. Dort widmet Sachs der Begebenheit einen mehrseitigen Exkurs, in dem er die Umstände, unter denen der besagte Hirsch im Oktober 1660 bei Hannover von Jägern erbeutet wurde und die darin gefundene Schlange in eine Sammlung weitergelangte, illustriert und um die Urteile zahlreicher Gelehrter aus Publikationen und seiner privaten Korrespondenz ergänzt.402 All diese Details spielen aber für die Korrespondenz der beiden Gelehrten keine Rolle. Die Diskussion scheint sich auf die Frage konzentriert zu haben, ob die Szene überhaupt der Wahrheit entsprechen kann, was Sachs mit seinem aktualisierten Kenntnisstand nun bejahen konnte. Gryphius muss spätestens während seiner Italienreise auf das Thema Petrifikation gestoßen sein. In gleich zwei Gedichten,403 die beide erstmals 1663 in Epigrammata Oder Bey-Schrifften veröffentlicht wurden, bereitet er die Besichtigung eines versteinerten Menschen in der Villa Ludovisi in Rom poetisch auf. In Über die Leiche eines Menschen wird das Motiv der Nicht-Verwesung aufgegriffen und mit dem der Unvergänglichkeit verknüpft: O Wunderwerck! Das Grab das was man siht verzehrt; Hat deine schwache Leich’ in harten Stein verkehrt. Ists moͤglich daß ein Ort dich unvergaͤnglich macht / In welchem / was man ehrt und schaͤtzt und wuͤ ndscht / verschmacht? Sprecht mehr / dass sterbend wir in Staub und nichts vergehn / Du kontest lebend nicht / todt wirst du stets bestehn.404
Durch das einleitende „O Wunderwerck!“ wird die Begebenheit sogleich in den Kontext göttlichen Wirkens gestellt. Als irdische Ursache der Versteinerung werden dann nicht weiter erläuterte Bedingungen am Bestattungsort ins Spiel gebracht. Im Zentrum des Gedichts steht die Wirrung, dass das Grab als Ort der Vergänglichkeit zugleich Ort der Unvergänglichkeit werden kann. Der Schluss greift die religiöse Deutung wieder auf, indem der erstarrte Körper zum Sinnbild der theologischen Maxime, erst der Tod bringe Beständigkeit und Ewigkeit, erklärt wird. Das zweite Gedicht zu der versteinerten Leiche, betitelt mit Auf eben dieselbige, fokussiert auf die Materialität des Körpers. Es greift die obige Opposi-
402 Sachs 1665, S. 177–185. 403 Birgfeld 2009, S. 41 f., zählt 20 Gedichte mit explizitem Reisebezug für die gesamte peregrinatio (1644–1647). 404 Gryphius 1663, S. 52 (Nr. 83).
4.5 Lob der Empirie. Zugänge zum Wissenschaftsverständnis
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tion vom harten Stein und der schwachen Leiche noch einmal auf und führt sie in das Bild über, der Körper selbst sei das Grab: Lass ander’ Ertz und Erd und Stein zu Graͤbern haben Die Glider / die du schawst / sind in sich selbst vergraben.405
Beide Gedichte werden kurz nach ihrer Veröffentlichung von Sachs in einer weiteren wissenschaftlichen Abhandlung aufgegriffen. Als Teil der Vorarbeit für die Gammarologia hatte er seinen Akademiekollegen Major um Ausführungen über versteinerte Schalentiere und Schlangen gebeten. Dieser erledigte die Anfrage so gewissenhaft, dass Sachs sich für eine Publikation einsetzte. Als De cancris et serpentibus petrefactis erschien die Abhandlung, die auch an die Royal Society verschickt und dort mit Beifall aufgenommen wurde,406 ergänzt um eine von Sachs verfasste De miranda lapidum natura auf insgesamt 110 Seiten und verlegt in Breslau 1664. Sachs trägt darin alle ihm bekannten Beispiele für Versteinerungen aus den Bereichen Pflanzen, Tier und Mensch zusammen und zitiert die beiden Gedichte, die „nostro aevo Silesiae Eruditorum Decus ANDR. GRYPHIUS“ 407 gerade hatte publizieren lassen, als Zeugnis für die Petrifikation eines ganzen menschlichen Körpers. Der Blick auf einige Teilnehmer der Breslauer Mumiensektion und ihr wissenschaftliches Engagement hat nun einige Facetten des lokalen Gelehrtenlebens verdeutlicht. Davon sind verschiedene Aspekte noch einmal hervorzuheben: Zuerst ist der herausragenden Ausbildung der Schlesier zu erinnern, die mangels eigener Universität nicht umhin kamen, auswärts zu studieren. Dafür gingen sie an die renommiertesten Hochschulen Europas, was einen beachtlichen Teil der Ärzte nach Padua, dem Zentrum der modernen Anatomie, führte. Dann die starke Rolle einzelner Akteure, etwa Hoffmannswaldaus als Förderer der Wissenschaften oder Sachs’ als Vernetzer und Repräsentator der Academia Naturae Curiosorum. Weiterhin der rege Austausch untereinander, sei es durch Korrespondenz oder durch gelehrte Gespräche im kleinen oder größeren Kreise. Letzteres etwa in Form von Kolloquien, wie sie der von Gryphius erwähnte Albert von Sebisch des Öfteren veranstaltete.408 Schließlich zeigt sich eine große Sympathie der heimischen Gelehrtenschaft für die empirischen Wissenschaften, wie sie durch Arbeit und Bemühungen der Akademiemitglieder – etwa Majors Leichensektion oder Sachs’ Forschungsinteressen – zum Ausdruck kam. Für
405 406 407 408
Ebd. (Nr. 84). Vgl. Sachs 1665, S. 178. Sachs in Major 1664, S. 85. Vgl. den Stellenkommentar zu § 8.
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Gryphius’ Rolle gibt es einige Indizien. Sie weisen auf eine gute Vernetzung innerhalb der Gelehrtenschaft und auf ein hohes Ansehen, dass er als Gelehrter genoss. Es wurde deutlich, dass er die Arbeit der Akademie über Sachs verfolgte und hierzu, im Rahmen seiner Möglichkeiten als Nichtmediziner, einen Beitrag leistete. Ferner zeigte sich, dass er Themen, die ihn wissenschaftlich interessierten, auch literarisch verarbeitete. Das gezeichnete Bild spricht dafür, dass er das wissenschaftliche Klima in Breslau nicht nur zur Kenntnis nahm, sondern auch selbst mitgestaltete. Die Breslauer Sektion und die Mumiae Wratislavienses sind ein Beispiel dafür.
4.6 „Bonus libellus, eruditus“. Rezeption 1676 legte Athanasius Kircher mit der Sphinx mystagoga seine zweite Veröffentlichung über ägyptische Mumien vor. Die Mumiae Wratislavienses erwähnt er darin mit keinem Wort. Um die Behandlung der Leichname zu erläutern, beruft er sich weiterhin auf die griechischen Historiker und Giovanni Nardi. Seine von Gryphius ausführlich widerlegte Behauptung, die Mumifizierungssitte hätte mit dem Einfall des Kambyses in Ägypten ihr Ende gefunden, wiederholt er allerdings nicht mehr. Ob Kircher den Mumientraktat absichtlich ignorierte oder tatsächlich nicht kannte, obwohl er sogar mit einem Teilnehmer der Sektion, Philipp Jakob Sachs von Löwenheim, in Kontakt stand,409 lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Nichtbeachtung des Textes ist jedoch geradezu symptomatisch für das 17. Jahrhundert: Populäre Wissenskompendien widmeten sich mit wachsender Ausführlichkeit den ägyptischen Mumien. Aber weder in Happels Relationes Curiosae noch in Franciscis Lustiger Schaubühne oder der Acerra exoticorum findet sich ein Hinweis auf Gryphius.410 Gleiches gilt für die Reiseund Weltbeschreibungen. Dapper schreibt in seinem zuerst 1670 erschienenen Exoticus curiosus vielmehr, niemand hätte „besser geschrieben von Mumien“ als Kircher, Nardi und della Valle.411 Nicht einmal dem Schlesier Franz Ferdinand von Troilo, der nur vier Jahre nach der Veröffentlichung über die Breslauer
409 Drei Briefe von Sachs an Kircher sind überliefert: vom 21. Juni 1671 in APUG 560, f. 157 r– 158 v, vom 16. August 1671 in APUG 565, f. 319 r–320 v, vom 7. September 1671 in APUG 560, f. 155 r–156 v. Über die Korrespondenz berichtet außerdem Major 1675, S. 39 f. (mit Abdruck aus einem Brief von Kircher). 410 Die Mumienpassagen finden sich in Happel 1683, S. 697–706, Francisci 1673, S. 319–336, und ders. 1669, S. 894–909. 411 Dapper 1717, S. 107–123, Zitat S. 114.
4.6 „Bonus libellus, eruditus“. Rezeption
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Mumien in den Orient aufbrach, scheint der Text seines Landsmannes bekannt gewesen zu sein.412 Fast zwei Jahrzehnte vergingen, bevor die Mumiae Wratislavienses ein Nachwirken zu entfalten begannen. Der erste Verweis auf sie stammt von Gabriel Clauder, einem Altenburger Arzt und Mitglied der Academia Naturae Curiosorum. Clauder kam in seiner Studienzeit in Leipzig, wo er 1662 zum Dr. med. promoviert wurde, durch seinen Anatomieprofessor Johann Bohn mit dem Thema Körperkonservierung in Berührung und hatte während seiner peregrinatio auch Gelegenheit, die von Lodewijk de Bils präparierten Leichen in Rotterdam zu besichtigen.413 Später entwickelte er selbst ein Verfahren zur Konservierung von Leichen, das auf Ammoniak basierte und auf das Ausweiden des Körpers verzichten konnte. Diese Methode stellt er, ergänzt um eine weitläufige historische Aufarbeitung des Themas, im Methodus balsamandi vor, der 1679 im Namen der Academia Naturae Curiosorum erschien.414 Der Text zeugt von einer eingehenden Auseinandersetzung mit Gryphius’ Mumientraktat. Mehrfach wird der Leser bei der Darstellung des altägyptischen Mumifizierungsverfahrens auf Befunde aus der Breslauer Sektion – besonders zur Leichenreinigung, Balsamierung und Leinenbindung – und ausführlichere Erläuterungen in den Mumiae Wratislavienses aufmerksam gemacht.415 Gryphius, der unter den Autoritäten der Mumienforschung auf einer Stufe mit Pietro della Valle, Giovanni Nardi und Athanasius Kircher erscheint, wird vornehmlich in seiner Rolle als dissector bei der Untersuchung wahrgenommen. Die Wertschätzung seiner Kompetenz wird dort besonders deutlich, wo Gryphius als derjenige, der die antike Überlieferung revidiert hat, inszeniert wird: Bei der Erörterung über die Entnahmestelle des Gehirns bei der Mumifizierung werden, statt eigene Beobachtungen anzuführen, die Clauder zweifelsohne gemacht hat, die beiden Thesengeber Gryphius und Herodot in persona gegenübergestellt. Letzterem wird die Kompetenz für die Entscheidung abgesprochen, da er ein Historiker ohne Anatomiekenntnisse sei („viro historico, rerum anatomicarum extra dubium imperito“); Gryphius’ These dagegen wird als Wahrheit („veritati“) deklariert, ohne weitere sachgebundene Argumente vorzubringen.416 Größere Aufmerksamkeit schenkt Clauder
412 Zu den Mumien vgl. Troilo 1676, 398 f. 413 Clauder 1679, S. 4. 414 1677 wurde Clauder als Mitglied aufgenommen. Bereits ein Jahr später veröffentlichte er seine erste Akademieschrift, De Tinctura Universali, eine Abhandlung über den Stein der Weisen. 415 Referenzen auf Gryphius in Clauder 1679, S. 6 f., S. 52, S. 57, S. 61, S. 67, S. 71 f., S. 86, S. 93 f. und S. 143. 416 Ebd. 1679, S. 57.
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außerdem Gryphius’ Darstellung der Konkurrenz von Christentum und ägyptischer Bestattungssitte. Dabei hebt er besonders das Bonifaz-Edikt und die religiös motivierte Ablehnung, den Körper durch Ausweiden zu verletzen, hervor, um sie anschließend für eigene Zwecke zu instrumentalisieren: Mit Berufung darauf stellt er das von ihm selbst entwickelte Verfahren ohne Organentnahme als besonders ehrenhaft dar.417 Gegen Ende des 17. Jahrhunderts, vor allem aber im 18. Jahrhundert kamen Mumienstudien langsam in Mode. Die ägyptischen Leichname waren nun weit häufiger in europäischen Sammlungen zu finden und es gab sowohl ein steigendes Interesse daran, mehr über die Schaustücke in Erfahrung zu bringen als auch die Besonderheiten der einzelnen Exemplare zu dokumentieren. In Deutschland machte Friedrich Gottlob Kettner den Anfang. Veranlasst durch die Ausstellung einer Mumie in der Leipziger Ratsbibliothek verfasste der junge Theologe eine Beschreibung derselben und stellte dieser einen enzyklopädisch organisierten Bericht zum aktuellen Mumienwissen voran. Die schmale Schrift erschien 1694 als Dissertatio historica de Mumiis Aegyptiacis und wurde neun Jahre später, um ein vielfaches vermehrt, unter dem Titel Historicum Schediasma de Mumiis Aegyptiacis erneut aufgelegt. Die Referenzen auf Gryphius und die Mumiae Wratislavienses sind knapp und beziehen sich ausschließlich darauf, einige Untersuchungsergebnisse als aktuelle Wissensbestände in den überblickenden Bericht einzuarbeiten. Das betrifft Gryphius’ Thesen zur Entnahme von Gehirn und Eingeweiden, den Verweis auf die einst in der bereits beschädigten Mumie gefundenen Götzenfigur, den Goldblattfund und die Darstellung der Leinenbindung, die besonders gelobt wird.418 Ein ähnlicher Texttyp ist mit Christian Hertzogs Mumiographia medica überliefert. Der Gothaer Hofapotheker hatte 1715 die Gelegenheit, eine gerade dort eingetroffene Mumie zu sezieren. Seine ein Jahr später auf Deutsch veröffentlichte Abhandlung gibt einen ausführlichen, chronologisch organisierten Vorbericht über Texte und Textpassagen zum Thema Mumien, eine Beschreibung der Gothaer Mumie, die sich besonders auf die Erläuterung und Deutung der zahlreichen darin gefundenen Idola konzentriert, sowie eine medizinischen Erörterung zur mumia aegyptiaca. Die Mumiae Wratislavienses finden in einem kurzen Abschnitt im Vorbericht Erwähnung. Gryphius wird darin als Vorgänger eines objektbasierten Mumienstudiums verstanden. Seinen Traktat liest Hertzog als Zeugnis für die Beschaffenheit der in Breslau befindlichen Mumien. Auf Details der Untersuchung geht er dabei nicht ein: Sein Beitrag ist eher als Verweis auf die Existenz eines solchen Textes zu sehen. Für erwähnenswert hält er nur
417 Ebd., S. 6, S. 93 f. und S. 143. 418 Vgl. Kettner 1694, § VIII, § XVII, § XIX und § XXII.
4.6 „Bonus libellus, eruditus“. Rezeption
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die Widerlegung von Kirchers These zum Ende der Mumifizierungssitte durch Gryphius, die er voll anerkennt.419 Ein Blick auf die Wirkstätten der bisher vorgestellten Gelehrten – Clauder in Altenburg, Kettner in Leipzig und Hertzog in Gotha – zeigt, dass sich die verhaltene Rezeption der Mumiae Wratislavienses außerdem auf ein geografisch eng begrenztes Gebiet beschränkte. Im europäischen Kontext konnten sie keine Wirkung entfalten. Wichtige Schriften, die im Ausland über die Körperbalsamierung im Allgemeinen oder Mumien im Besonderen entstanden, erwähnen die Abhandlung mit keinem Wort. Das gilt etwa für die Beschreibung der Mumie aus dem Besitz der Royal Society in London, die Nehemiah Grew in seinem 1685 veröffentlichten Museum regalis Societatis gab, Giuseppe Lanzonis De balsamatione cadaverum von 1693, die Beschreibung einer Mumie in Cambridge in Conyers Middletons Germana Monumenta von 1745, Guillaume François Rouelles viel beachteten Artikel Sur les Embaumemens des Egyptiens von 1750 oder John Hadleys An account of a mummy in den Philosophical Transactions von 1764, der sich ebenfalls der Mumie der Royal Society widmet.420 Erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts werden die Mumiae Wratislavienses etwas bekannter. Der Anstoß hierfür ging von Göttingen aus. Eine erste Rezeptionsspur führt zu Albrecht von Haller, der selbst ein Exemplar der Schrift besessen hat.421 Der gebürtige Schweizer trat 1736 den Lehrstuhl für Anatomie, Chirurgie und Botanik an der Universität Göttingen an und wurde später erster Präsident der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. In der posthum erschienenen Bibliotheca anatomica erwähnt er Gryphius’ Abhandlung lobend („Bonus libellus, eruditus, latinus et e re ipsa natus“) und hält kurz die Befunde aus der Breslauer Sektion fest.422 Von Hallers Nachfolger, der aus Gotha stammende Johann Friedrich Blumenbach, der 1778 die ordentliche Professur für Medizin in Göttingen erhielt, war auf dem Gebiet der Mumienforschung sehr aktiv. Den Anfang seiner Studien markiert die Untersuchung eines Mumienkopfes, in dessen Besitz er kurz nach Antritt seiner Stelle geriet. Der Artikel, den Blumenbach daraufhin verfasste, erschien 1780 unter dem Titel Von den Zaͤhnen der alten Ägyptier und von den Mumien in dem von Georg Christoph Lichtenberg und Georg Forster herausgegebenen Göttingischen Magazin der Wissenschaften und Litteratur. Darin zeugt ein kurzer Verweis auf die gut erhaltene Augenpartie der Breslauer Mumie da-
419 420 421 422
Vgl. Hertzog 1716, S. 29 f. Grew 1685, S. 1–3, Hadley 1764, S. 1–14, Middleton 1745, S. 251–266. Heute wird das Exemplar in der Biblioteca nazionale Braidense in Mailand aufbewahrt. Von Haller 1774, S. 513.
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4 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie
von, dass Blumenbach Gryphius’ Schrift bekannt war.423 Explizit erwähnt er die Mumiae Wratislavienses darüber hinaus nicht. Wohl aber wird an anderer Stelle klar, dass er den Text genauer studiert haben muss. Denn Blumenbach erörtert auch, wann die Ägypter die Mumifizierungssitte aufgaben, und lehnt sich dabei, ohne auf Gryphius zu verweisen, stark an dessen Argumentationsstruktur an:424 So beginnt er mit Kirchers Theorie über das Ende aller kultischen Traditionen mit der Herrschaft des Kambyses, führt Textzeugnisse über die Balsamierung bei den Persern, über das Fortleben ägyptischer Bräuche in griechischrömischer Zeit und über frühchristliche Begräbnisse an und weist zuletzt auf die „EYTYXI“ 425-Inschrift der Mumie von Pietro della Valle. Jenseits dieses Fadens gehen Blumenbachs Deutungen jedoch weit über die von Gryphius geleisteten hinaus. Während Letzterer beispielsweise mit der Sprachtheorie Rittangels zum Koptischen lediglich Kirchers Datierung der Mumie ins 6. Jahrhundert v. Chr. in Frage stellt, ordnet Blumenbach sie anhand weiterer Details wie der Lage der Hände, dem abgebildeten Rotweinkelch und der Fischfigur als eindeutig christlich ein. In späteren Werken über Mumien zog Blumenbach zunehmend Ergebnisse und Funde, die bei der Breslauer Sektion gemacht wurden, in seine Darstellungen mit ein.426 Mit seiner Arbeit über Mumien stieß Blumenbach bei seinen Göttinger Kollegen auf reges Interesse. Zunächst war es Christian Wilhelm Franz Walch, Professor für Theologie, den Blumenbachs These, dass nicht nur die Heiden, sondern auch die Christen die Mumifizierung praktizierten, zu einer umfangreichen Untersuchung dieser Frage veranlasste. Seine Ergebnisse stellte er bei der Versammlung der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen im September 1780 vor. Walchs Vorlesung wiederum ermunterte den Philologen und Altertumswissenschaftler Christian Gottlob Heyne zur Durchsicht der profanen Autoren, um einen umfassenden Bericht über die Überlieferung zu Mumien geben zu können. Bereits bei der nächsten Versammlung im Oktober trug er seine Arbeit vor den Kollegen vor. Sowohl Walchs (De mumiis Christianis) als auch Heynes (Spicilegium antiquitatis mumiarum) Ausarbeitungen wurden im Periodikum der Gesellschaft, den Commentationes, veröffentlicht.427 Keiner der beiden hatte sich zu diesem Zeitpunkt mit den Mumiae Wratislavienses beschäf-
423 Blumenbach 1780, S. 133. 424 Ebd., S. 114–116. Vgl. auch Kapitel 4.4.3.2. 425 Blumenbach 1780, S. 116. 426 Vgl. Blumenbach 1794, S. 182 und S. 187 f., sowie ders. 1811, S. 77, S. 83, S. 92 f., S. 112 und S. 122. 427 Walch 1781, S. 46–68, und Heyne 1781, S. 69–98. Vgl. auch die Meldungen zu den Vorträgen in: Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen 2, 1780, S. 1019–1023 und 1211–1218.
4.6 „Bonus libellus, eruditus“. Rezeption
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tigt. Wenigstens aber Heyne muss seit seinen Recherchen von der Existenz der Schrift gewusst haben, da er über Blumenbach mit einem Sekundärzitat auf Gryphius verweist.428 Ein besonderer Umstand brachte die Göttinger Gelehrtenschaft dazu, sich doch noch mit der mittlerweile fast 120 Jahre alten Abhandlung zu beschäftigen. Zu Beginn des Jahres 1781 meldete die Königliche Gesellschaft, vom dänischen König eine Mumie als Geschenk erhalten zu haben. Dessen Sammlung in Kopenhagen verfügte über mehrere Exemplare und er erhoffte sich, in Kenntnis und angeregt von den Göttinger Veröffentlichungen, von den Professoren mehr über die Antiquitäten zu erfahren.429 Zusammen mit Heyne und Blumenbach machten sich zwei weitere Kollegen, der Mediziner und Chemiker Johann Friedrich Gmelin und der Anatom Heinrich August Wrisberg, an die Untersuchung der Mumie. Gmelin stellte in Experimenta nonnulla cum Mumiis instituta die Ergebnisse seiner chemischen Experimente vor. Niemals zuvor wurde die materielle Zusammensetzung einer Mumie derart genau analysiert. Heyne würdigte die Mumie mit einer philologisch-historischen Auseinandersetzung in Mumiae, quae ex Regis Daniae liberalitate in Museo academico servatur, accuratior notitia cum observationibus.430 Zur Ergänzung seiner Objektstudien hatte er sich darum bemüht, auch seine Lektürelücken zu schließen: Nicht nur flicht er, um die eigenen Funde einzuordnen und angemessen zu deuten, mehrere Beobachtungen von Gryphius an den Breslauer Mumien in seine Arbeit ein. Er weist auch explizit darauf hin, Gryphius in seiner letzten Abhandlung leider übergangen zu haben.431 Dessen Untersuchung würdigt er als gründlich („diligentiorem [...] explorationem“), wenn man von der Bestimmung der Balsamierungssubstanzen absehe („si chemicen tollas“).432 Dass Gryphius’ Analyse, die sich angesichts des Wissensstands und der Methoden seiner Zeit, aber auch seiner Forschungsfrage mit der Unterscheidung von Asphalt und Spezereien begnügte, allzu simpel anmutete, während Gmelin mit seinen Experimenten etwa die blaue Farbe an der dänischen Mumie als Smalte identifizieren konnte, ist verständlich. Es hält Heyne
428 Heyne 1781, S. 96 (Anm. b). Dabei handelt es sich um die erwähnte Passage zur gut erhaltenen Augenpartie. 429 Vgl. Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen 1, 1781, S. 185 f. 430 Beide Abhandlungen erschienen wiederum in den Commentationes der Königlichen Gesellschaft im Jahre 1782. Der entsprechende Vortrag Gmelins fand im Mai 1781 statt, der Vortrag Heynes im August. Vgl. Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen 1, 1781, S. 569–572, und Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen 2, 1781b, S. 985–992. 431 Heyne 1782, S. 19. Referenzen auf Gryphius: S. 6, Anm. i, S. 8, Anm. o, S. 13 und S. 13, Anm. e, S. 14, Anm. g, h und i, S. 15, Anm. k, S. 19, S. 23. 432 Heyne 1782, S. 19.
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4 Mumiae Wratislavienses. Werkstudie
auch nicht davon ab, den Schlesier als „auctor haud contemnendus“ in die Reihe der Autoritäten in Mumienfragen aufzunehmen.433 Erst jetzt, als der Wissensstand der Mumiae Wratislavienses bereits in Teilen veraltet war, nahm man auch außerhalb des deutschen Sprachraums Notiz von der Schrift. Der dänische Archäologe und Antiquar Johann Georg Zoëga – ein Schüler Heynes, der im Vatikan als Aufseher des päpstlichen Münzkabinetts diente – zog die Schrift in seiner 1797 erschienenen Obeliskenstudie De origine et usu obeliscorum, die auch eine breite Auseinandersetzung mit der ägyptischen Mumifizierung umfasst, heran. Zoëga interessieren vor allem die Befunde der Breslauer Sektion (Einschnittstellen, Haltung der Arme, Pflanzen, Stöcke bei der Wirbelsäule usw.), die er vielfach zur Ergänzung oder zur Widerlegung anderer Autoren heranzieht und oft ausführlich zitiert.434 Gryphius wird dabei ohne Einschränkung als an Autorität gleichberechtigter Zeugnisgeber behandelt: nicht nur hinsichtlich seiner eigenen Zeitgenossen wie Nardi oder Kircher, sondern auch neben Mumienforschern der Gegenwart. 1799 ging die Mumiographia Musei Obiciani des österreichischen Karmelitermönchs und Orientalisten Paulinus von St. Bartholomäus in Druck. Hierbei handelt es sich ein weiteres Mal um die Beschreibung einer Mumie – und zwar einer sehr reich mit Hieroglyphen verzierten aus der Sammlung von Thomas de Obiciis in Catajo bei Padua –, die um eine allgemeine Einführung in die Mumienthematik ergänzt ist. Paulinus zählt dafür u. a., nach Orten sortiert, alle ihm bekannten Mumien auf. Bei den Breslauer Exemplaren lobt er die sorgfältige Untersuchung durch Andreas Gryphius, bedauert aber, dass dieser seinen Leser nicht genauer über die Hieroglyphen unterrichtet hat, die er an einer Mumie erwähnt.435 Gegenstand einer breiten Rezeption sind die Mumiae Wratislavienses nie gewesen. Sie widmeten sich einem Expertenthema, das im 18. Jahrhundert zwar zunehmend beliebt wurde, jedoch – vor Gründung des Fachs Ägyptologie – immer noch einen nur verhältnismäßig kleinen Kreis von Gelehrten beschäftigte. Zudem blieb die Rezeption des Textes hauptsächlich auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Auffallend ist, dass die Schrift, bevor Gabriel Clauder sie für seine Arbeit heranzog, fast zwanzig Jahre lang ganz unbeachtet blieb. Es stellt sich die Frage, inwieweit Clauders Kenntnis mit seinen Verbindungen zur Academia Naturae Curiosorum oder zur Universität Leipzig zusammenhängen. Mit der Akademie waren einige Teilnehmer der Sektion, deren Nachkommen und Freunde verbunden; mit einigen Professoren der Universität Leipzig stand
433 Heyne 1782, S. 19, Zitat S. 23. 434 Vgl. Zoëga 1797, S. 252, S. 255, S. 258–260 und S. 263. 435 Vgl. Paulinus 1799, S. 26.
4.6 „Bonus libellus, eruditus“. Rezeption
253
Gryphius selbst in freundschaftlicher Verbindung, wie ein Blick auf die Verfasser der Epicedia auf den Schlesier verrät. Jedenfalls war Clauders Schrift um einiges berühmter als Gryphius’, sodass man ihr wohl die Verbreitung der Kenntnis von dieser anrechnen kann. Dessen ungeachtet war der Text vielleicht aber auch nie dazu bestimmt, eine besondere Breitenwirkung zu erzielen: Vielleicht sollte er lediglich dazu dienen, ein sehr besonderes Ereignis in der schlesischen Gelehrtenschaft und die Diskussionen, die es aus diesem Anlass unter ihnen gegeben hat, zu rekapitulieren, einzuordnen und schriftlich festzuhalten. Die schmucklose Präsentation, das ungewöhnliches Erzählformat, aber auch die völlige Unkenntnis bei zeitgenössischen Mumienforschern und -interessierten würden dafür sprechen. Von späteren Generationen wurde die Abhandlung jedenfalls positiv aufgenommen. Sie wurde als wissenschaftlich-ägyptologische Schrift rezipiert und diente als Wissensquelle für zwei Bereiche der Mumienkunde: dem Mumifizierungsverfahren und der Geschichte der Mumifizierung. Die Beobachtungen, die bei der Breslauer Sektion zur Methode der Balsamierung und Verhüllung gemacht wurden, und die daraus resultierenden Thesen wurden als Aktualisierung und Konkretisierung des antiken und zeitgenössischen Wissens aufgenommen. Ihnen wurde Glauben geschenkt; kritische Stimmen zu der Darstellung gab es nicht. Vielmehr wurden das ein oder andere Mal auch noch lange nach der Sektion die genaue Untersuchung oder sogar Gryphius als Untersuchender gelobt. Andere gemachte Funde, etwa die verschiedenen Pflanzen, die Stöcke, das Goldblatt oder die Haltung der Arme, wurden als Detailwissen tradiert. Sie waren vor allem deswegen interessant, weil man Mumien zunehmend als individuell gestaltet wahrnahm und vergleichende Studien betrieb. Derartige Funde verlieren anders als wissenschaftliche Theorien niemals ihre Gültigkeit und so wundert es nicht, dass Gryphius’ Beobachtungen selbst noch im 19. Jahrhundert Berücksichtigung finden konnten: In History of Egyptian Mummies, einem Meilenstein der Mumienforschung aus dem Jahre 1834, verweist Thomas Joseph Pettigrew noch auf die überkreuzten Arme, die man bei der Breslauer Sektion vorgefunden hatte.436 Ab hier allerdings, als Mumien in Europa keine Seltenheit mehr waren, als Mumienstudien einen institutionellen Ort erhielten und im größeren Stil betrieben wurden, als die Thematik sich tief in der Populärkultur verankert hatte, verliert sich dann das Interesse an dem Text. Neben der Darstellung des Mumifizierungsverfahrens hat auch die Erörterung über das Ende der Mumifizierungssitte in den Mumiae Wratislavienses einige Aufmerksamkeit erhalten. Zunächst wurde sie als Widerlegung von Kir-
436 Pettigrew 1834, S. 68. Zu Pettigrew und der Mumienforschung des 19. Jahrhunderts vgl. Moshenska 2013.
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chers These wahrgenommen, die nun durch eine neue These auf Basis des Konflikts von ägyptischer und christlicher Bestattungspraxis ersetzt wurde. Damit wurde nicht nur die Geschichte der Mumifizierung um beinahe ein Jahrtausend verlängert, es begann sich auch ein Bewusstsein für einen historisierenden Blick auf die Behandlung und Gestaltung der Leichname zu bilden. Später war die These im Kreise der Göttinger Professoren Anregung für eine genauere Untersuchung der Rolle des Christentums. Einzig die Diskussion der Gespensterfrage in den Notae der Schrift hat nie eine Rezeption erfahren. Zuletzt sei noch die Rolle, die Gryphius selbst in der Rezeptionsgeschichte spielt, betont: Er wird von den späteren Mumienforschern durchweg und ohne jede Einschränkung als Ägyptologe wahrgenommen. Von dem Dichter und Dramatiker Andreas Gryphius gibt es hier keine Spuren.
5 Fazit Am Anfang dieser Arbeit stand die Feststellung, dass die Mumiae Wratislavienses, die einzige erhaltene wissenschaftliche Abhandlung des Barockliteraten Andreas Gryphius, anhand der aktuellen Forschungslage weder hinreichend in die Wissens- und Texttradition ihrer Zeit noch innerhalb von Gryphius’ Schaffen eingeordnet werden können. Im ersten Teil wurde daraufhin eine Wissensgeschichte der Mumie in der Frühen Neuzeit entworfen, die die Basis für das Verständnis des Traktats legen sollte. Darin wurde herausgestellt, dass der antike Wissensstand über die altägyptische Bestattungssitte im Europa der Spätantike verloren ging. Ab dem 11. Jahrhundert, als die Thematik durch den Wissenstransfer mit den arabischen Ländern wiederentdeckt wurde, begann man, sich das Wissen von Neuem zu erschließen. Zunächst waren Mumien als Arzneimittel nur für die Medizin interessant. Im 16. und 17. Jahrhundert konnten die unbekannten Gegenstände vor allem durch den Beitrag von Ägyptenreisenden zunehmend in die bekannte Welt eingeordnet werden. Die Annäherung wurde außerdem von einer Faszination für das Land Ägypten befördert, die sowohl in gelehrten Interessen vor allem für die ägyptische Religion und Sprache zum Ausdruck kam als auch durch die steigende Zahl an Aegyptiaca in Europa Sichtbarkeit erfuhr. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts stand die Beschäftigung mit Mumien bereits in stärkerem Zusammenhang mit Ägyptenstudien als mit der Medizin. Die Wissensbereiche der Mumienkunde hatten sich stetig erweitert und vertieft. Zahlreiche Aspekte waren nun für die Forschenden interessant: die religiösen und kultischen Hintergründe der Mumifizierungssitte, die Grabstätten, der Ablauf des Mumifizierungsverfahrens, die verwendeten Balsamierungssubstanzen, die Art der Leinenbindung, die Grabbeigaben oder die Verzierung der Leichname mit Porträts, Figuren, Ornamenten und Hieroglyphen. Außerdem wurden Mumien als Anschauungsobjekt biblischer Zeiten und im Kontext einer hermetisch geprägten Weisheitsgeschichte interpretiert. Längst hatten die Objekte den Status einer Kuriosität überwunden. Etwa um diese Zeit begann man, ägyptische Mumien auf empirischem Wege zu erforschen und einige gewonnene Ergebnisse festzuhalten. Für seine Mumienexperimente erhielt der Florentiner Arzt Giovanni Nardi Anerkennung von der Gelehrtenrepublik. Mit Athanasius Kirchers Mumienstudie wurde erstmals Wissen über Mumien in Europa an einem (Publikations-)Ort versammelt. Vereinzelt begann man, Vergleiche zu ziehen. Hier traten nun die Breslauer Sektion und die Mumiae Wratislavienses in Erscheinung. Die schlesische Gelehrtenschaft war mit dem glücklichen Umstand konfrontiert, dass in Breslau drei der noch immer seltenen Mumienexemplare in der Gartenanlage des heimischen https://doi.org/10.1515/9783110593556-005
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Apothekers Jakob Krause ausgestellt waren. Die Untersuchung aus dem Jahre 1658 ist neben den Arbeiten von Nardi und Kircher ein frühes Beispiel für objektbasierte Mumienstudien, wobei sie Nardis Methode (Sektion) und seinen Interessen (Balsamierung und Leinenbindung) näher stand als Kircher, der nicht invasiv arbeitete und seine Arbeit eher im Kontext der kosmologisch-religiös beeinflussten Hieroglyphenstudien verortete. Das Breslauer Ereignis konnte anhand der Mumiae Wratislavienses mit einiger Ausführlichkeit rekonstruiert werden. Es handelte sich dabei um eine private, außeruniversitäre Forschungsveranstaltung, an der 21 Bürger der Stadt und der näheren Umgebung teilnahmen. Der Bericht über die Mumiensektion ist der früheste seiner Art – Gryphius konnte dafür auf keine Vorgänger zurückgreifen. Mumienwissen kursierte in verschiedenen Textgenres und vor allem in nicht selbstständigen Schriften, besonders in Reiseberichten. Ganze Abhandlungen über die ägyptischen Leichname hatten vor Gryphius nur Pierre Belon, Joachim Strupp und Athanasius Kircher veröffentlicht.437 Nach Kircher war Gryphius damit der erste Nichtmediziner, der sich dem Thema so umfangreich widmete. Es zeigte sich, dass die Mumiae Wratislavienses aufgrund ihrer Forschungsmethode nicht nur einen herausragenden Platz in der Wissensgeschichte, sondern wegen der Präsentationsart des Wissens auch in der Texttradition einnehmen. Nach der Vorstellung der Überlieferung und des Textes der Mumiae Wratislavienses richtete sich der dritte Teil der vorliegenden Arbeit auf das Studium der Abhandlung selbst. Ein Ziel war es, den Text mit Blick auf die frühneuzeitliche Mumienkunde zu lesen. Dabei war zunächst die Einordnung der eigenen Mumienstudien zu betrachten. Sie wurden bereits am Anfang der Schrift klar in einen ägyptologischen Kontext gestellt. Eine Beschäftigung mit Mumien als Arznei oder mit der medizinischen Überlieferung findet bei Gryphius dagegen nicht statt. Um den Forschungsgegenstand in ein besseres Licht zu rücken, werden philosophisch-religiöse Assoziationen geweckt, z. B. der Beitrag der Mumienstudien auf der Suche nach der ursprünglichen Weisheit oder die symbolische Bedeutung der Leichname als Sieger über Tod und Vergänglichkeit. Die Assoziationen werden allerdings inhaltlich nicht weiter ausgearbeitet. Interessant sind die thematischen Zugänge, über die die verschiedenen bearbeiteten Wissensbereiche erschlossen werden. Sie legen nahe, dass die Beschäftigung mit Mumien wohl nicht einem tiefen Interesse am Alten Ägypten selbst entsprungen ist, sondern vielmehr über Schnittstellen mit anderen Wissensgebieten hergeleitet werden kann. So werden etwa bei der Erläuterung der Leinenbinden umfangreiche
437 Die Einordnung von Nardi ist nicht ganz eindeutig: Sein Mumienexkurs ist – neben anderen Themen wie z. B. der Pest in Florenz – als Anhang einer Lukrez-Ausgabe entstanden. In Komposition und Ausführlichkeit übertrifft sie aber beispielsweise Joachim Strupp.
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Zitate zur Darstellung der Verhüllung von Jesus und Lazarus in der Bibel und ihre Interpretation durch Zeitgenossen vorgestellt, um zu dem Schluss zu kommen, dass die jüdische und die ägyptische Bindungsmethode voneinander abweichen. Es wird auch klar, dass ein Interesse an der Verhüllung Christi den Anstoß für diese Auseinandersetzung gab und dass das Studium der Mumienbindung eher als eine Art Hilfswissenschaft aufgefasst wurde. Ähnlich lässt sich auch für die anderen drei Wissensbereiche zeigen, dass die Erforschung der Balsamierungsmittel in der Frage nach dem Nichtverwesen von Leichnamen, die Geschichte der Mumifizierung im Kontext der antiken Bestattungsmethoden und der dämonologische Versuch in der Arbeit über den Gespenster- und Geisterglauben ihren Anfang nahmen. Die ersten der drei genannten Wissengebiete wurden mit wissenschaftlicher Methodik erarbeitet. Dabei offenbarte sich eine solide Kenntnis antiker Textzeugen zur ägyptischen Geschichte, jedoch keine systematische Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur zu Mumien. Belon oder Strupp sind Gryphius nicht bekannt, della Valle kann er nur über Kircher fremdzitieren. Im Traktat wird auch explizit erwähnt, dass es in Schlesien Schwierigkeiten gibt, an die für Studien notwendige Literatur zu kommen. Die beiden wichtigsten Texte sind für Gryphius die von Nardi und Kircher, die er sich auch beschafft hat. Die Ausführungen zur Mumifizierung bei den griechischen Historikern sind ihm bekannt. Ansonsten schöpft er eher aus dem Fundus seiner allgemeinen Belesenheit als aus der Mumienliteratur. Mit Berufung auf die Breslauer Sektion hat Gryphius den antiken Kenntnisstand widerlegt, dass Gehirn und Eingeweide über die Nase bzw. einen Schnitt um linken Unterbauch entfernt worden seien. Außerdem hat er die von Nardi, Kircher und anderen Zeitgenossen favorisierte Behauptung, es hätte nur eine Art der Balsamierung gegeben, widerlegt. Seine historisch-kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Mumifizierung hat aufgedeckt, dass die Sitte auch noch in nachchristlichen Zeiten fortgeführt worden sein muss, womit Kirchers These von einem Ende im 6. Jahrhundert v. Chr. überholt war. Die beiden neuen Wissensansprüche, die Gryphius herausgearbeitet hat, fanden innerhalb der Rezeptionsgeschichte Zustimmung. Der Schlesier wurde von späteren Mumieninteressenten, wie von ihm intendiert, als Ägyptologe wahrgenommen. Da mit den Mumiae Wratislavienses die einzige wissenschaftliche Schrift von Andreas Gryphius vorliegt, war ein weiteres Ziel dieser Arbeit, sie als Beispiel seiner gelehrten Tätigkeit und Schriftproduktion zu lesen. Dafür wurde einerseits die Präsentation wissenschaftlicher Inhalte auf Textebene untersucht, andererseits die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Wissenschaft herausgearbeitet und im Kontext des örtlichen wissenschaftlichen Netzwerks gedeutet. Zur ersten Frage wurde herausgestellt, dass die Darstellung der wissenschaftlichen Arbeit einerseits dem Leitprinzip der Glaubwürdigkeit unter-
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5 Fazit
worfen ist, dass die wissenschaftliche Arbeit aber auch textkonstituive Funktionen übernimmt. Auf der Ebene der Textkomposition wurde dies beispielsweise verdeutlicht, indem der Einfluss der Erkenntnisgeschichte des Autors auf die Erzählform nachgewiesen wurde. Außerdem wurde, ausgehend von mangelnden Vorbildern innerhalb der Texttradition des eigenen Fachs, die Anleihe an den Textverfahren aus anderen Bereichen belegt. So zeigte sich, dass die Darstellung der Breslauer Sektion dem Stil der frühneuzeitlichen Historia anatomica folgt oder die Beglaubigung des Ereignisses im Format einer juristischen Urkunde realisiert wurde. Darüber hinaus wurde eine starke Sympathie für die Empirie sowohl implizit in der Behandlung des eigenen Forschungsgegenstands als auch explizit in der Parteinahme für die empirisch arbeitenden Wissenschaften nachgewiesen. Diese Bewertung wurde in den Kontext der Breslauer Gelehrtenschaft gestellt, von denen zahlreiche Akteure durch den modernen Anatomieunterricht der Paduaner Universität geprägt waren und einige sich den Bestrebungen der gerade neu entstehenden Academia Naturae Curiosorum angeschlossen hatten. In diesem Zusammenhang wurde ein bisher unbekanntes Verhältnis zwischen einer bedeutenden Persönlichkeit der Akademie, Philipp Jakob Sachs von Löwenheim, und Gryphius herausgearbeitet. Das dritte Ziel einer Erschließung der Mumiae Wratislavienses war eine Verortung der Schrift innerhalb des übrigen Schaffens Gryphius’. Es wurde gezeigt, dass die Mumienthematik auch außerhalb des Traktats eine, wenn auch sehr untergeordnete, Rolle spielt. Wichtiger war die Feststellung, dass die Beschäftigung mit Mumien mit zahlreichen Themen und Motiven des übrigen Werks verknüpft ist. Das sind etwa: Geister und Gespenster, Bestattungmodi und -sitten, Gräber und Leichen, Verwesung und Nichtverwesung oder die Vergänglichkeit. Es wurde gezeigt, dass etwa das Ägypten- und das Wissenschaftsbild, das in den Mumiae Wratislavienses gezeichnet wird, dem, das in den Leichabdankungen und dem lyrischen Werk skizziert wird, diametral gegenübersteht. Mit der Petrifikation von Lebewesen wurde ein Beispiel dafür vorgestellt, dass und wie Gryphius Themen, die ihn wissenschaftlich interessierten, auch poetisch verarbeitete. Es dürfte deutlich geworden sein, dass die Mumiae Wratislavienses sich weit besser im Kontext von Gryphius’ Schaffen einordnen lassen, als bisher allgemein angenommen, sodass die Verfasserin hofft, hier Impulse für eine weitere Auseinandersetzung mit der Schrift gegeben zu haben.
Anhang: Mumiae Wratislavienses – Inhaltsübersicht I
Titelblatt
II
Widmung Widmung der Mumiae an die adligen Schlesier und Freunde Johann Friedrich von Nimptsch und Johann Friedrich von Sack
III
§2
Vorrede an die Widmungsträger Rechtfertigung des Untersuchungsgegenstands als Beitrag zur Erforschung der arcana sapientiae und Würdigung der altägyptischen Bestattungssitte Lobpreisung der Widmungsträger
§3
Vorrede an den Leser Umstände der Entstehung des Werks
§1
IV V §4 §5 § 6–10 § 11
§ 12 § 13 § 14 § 15 § 16 § 17 § 18 § 19 § 20
§ 21 § 22 § 23 § 24
Dissertatio Einleitung Eigenes Interesse, Preisung des Alten Ägypten Europäische Interessen und Mumien in Europa Entwicklung der Fragestellung: Wie und womit wurden Mumien balsamiert? Hauptteil A: Die Breslauer Sektion Zustandekommen der Breslauer Sektion Untersuchung der ersten Mumie 1) Verhüllung der Mumie äußere, kreideähnliche Schicht erste Schicht von Leinenbinden: Farbe, Behandlung, Länge, Material Leinentuch: Exkurs zur jüdischen Sitte der Leichnamverhüllung zur Zeit Christi, These: Sitte stimmt nicht mit der ägyptischen überein zweite Schicht von Leinenbinden: Beschaffenheit, Wickelmethode 2) Körperoberfläche Körper: Farbe, Geruch, Zustand, Wunde zur Entnahme der Eingeweide (Widerlegung der griechischen Tradierung) Besondere Funde: Blüte am rechten Fuß, Palmenblätter an den Körperseiten, Zweig bei der Leiste, gekreuzte Arme und geballte linke Faust Kopf: Verhüllung, Beschreibung des Gesichts, der Haare und der Zähne 3) Körperinneres Körper: Wirbelsäule und Wirbel, Füllung mit Spezereien Kopf: Entnahme des Gehirns und Füllung des Schädels (Widerlegung der griechischen Tradierung), unterschiedliche Farbe von Gesicht und Gliedern, Fund: Goldblatt im Rachen 4) Proportionen: großköpfige Ägypter oder Kraft des Asphalts? 5) Alter, Geschlecht, Maße U n t e r s u c h u n g d e r z w e i t e n M u m i e : Zustand und Auffälligkeiten des Kopfes und des Körpers, Rolle des Asphalts für die Konservierung Nicht-Untersuchung der dritten Mumie
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Anhang: Mumiae Wratislavienses – Inhaltsübersicht
Hauptteil B: Datierung Widerlegung von Kirchers These, Mumifizierung hätte nur bis zum Einfall von Kambyses II. in Ägypten fortbestanden (ca. 525 v. Chr.) Argument 1: antike Quellen belegen das Fortleben altägyptischer Kulte § 26–27 Argument 2 und 3: auch die Eroberer Ägyptens, die Perser und die Griechen, haben Leichname konserviert, ein Verbot der Mumifizierung durch sie ist unwahrscheinlich § 28 Argument 4: Quellen belegen Fortdauer der Mumifizierungssitte in ptolemäischer und nachchristlicher Zeit § 29 Argument 5: Widerlegung von Kirchers These zum Koptischen mit Rittangel und dadurch spätere Datierung einer Mumie della Valles anhand ihrer Inschrift § 30 Conclusio: Mumifizierung endet erst mit Erstarken der Christen, die die Ausweidung toter Körper als Barbarei und Ehrverlust deuteten Beispielerzählung über die Anwendung des mos teutonicus, auf den die Kirche mit dem Edikt De sepulturis reagierte, das gleichfalls die Anatomie in Verruf gebracht habe, Appell zur Hochschätzung der wissenschaftlichen Anatomie Abspann § 31 Vorstellung der bei der Sektion anwesenden Personen § 25
VI § 32 § 33 § 34 § 35 § 36
Notae Einleitung Entstehung auf Drängen der Freunde Hauptteil: Bewirken Mumien auf hoher See Unwetter? Stützende Episode aus Radziwills Hierosolymitana Peregrinatio Stützende Episode aus Bodins Theatrum Naturae Auflösung der Fragestellung als Aberglauben Kommentar zur Mumienuntersuchung Haltung der Arme, Länge des Haars, vollständige Zähne
Abkürzungsverzeichnis Bibliotheken und Archive APUG BUW LAG SUB
Archivio della Pontificia Università Gregoriana di Roma Biblioteka Uniwersytecka Wrocław Landesarchiv Greifswald Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
Biblische Bücher Ex. Gen. Jn. Lk. Mk. Mt.
Das Buch Exodus Das Buch Genesis Das Evangelium nach Johannes Das Evangelium nach Lukas Das Evangelium nach Markus Das Evangelium nach Matthäus
Antike Autoren und Werke Apul. Met. Athan. Parasc. Athan. Vit. Ant. Cass. Dio Cic. Inv. Cic. Leg. Cic. Tusc. Clem. Strom. Clem. Protr. Curt. Diod. Bibl. Diosc. Hdt. Hist. Hieron. Vit. Hil. Hom. Od. Hor. Hier. Ios. Ap. Iuv. Sat. Joh. Dam. Imag. Lucan. Lukian. Luct. Mart. Epigr. Mela Chor. Nep. Ages.
Apuleius: Metamorphoses Athanasius von Alexandria: Sermo in passionem domini in Parasceve Athanasius von Alexandria: Vita Antonii Cassius Dio: Historia Romana Marcus Tullius Cicero: De inventione Marcus Tullius Cicero: De legibus Marcus Tullius Cicero: Tusculanae disputationes Clemens von Alexandria: Stromata Clemens von Alexandria: Protrepticus Quintus Curtius Rufus: De rebus gestis Alexandri Magni Diodorus Siculus: Bibliotheca Pedanios Dioskurides: De materia medica Herodot von Halikarnassos: Historiae Sophronius Eusebius Hieronymus: Vita Sancti Hilarionis Homer: Odyssee Horapollo: Hieroglyphica Flavius Josephus: Contra Apionem Decimus Iunius Iuvenalis: Saturae Johannes Damascenus: Pro sacris imaginibus Marcus Annaeus Lucanus: Bellum civile (Pharsalia) Lukian von Samosata: De luctu Marcus Valerius Martialis: Epigrammata Pomponius Mela: De chorographia Cornelius Nepos: Agesilaus
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Abkürzungsverzeichnis
Pers. Sat. Petron. Philostr. Vit. Apoll. Plin. Nat. hist. Plut. Ages. Plut. Alex. Plut. Isid. Prud. Apoth. Prud. Cath. Prud. Perist. Prud. Psych. Ps.-Phoc. Gnom. Quint. Inst. Rhet. Her. Sext. Emp. Hyp. Sil. Pun. Stat. Silv. Suet. Aug. Tac. Ann. Tac. Hist. Tert. Apolog. Treb. Poll. Tyr. Verg. Aen. Xen. Hell. Xen. Kyr.
Aulus Persius Flaccus: Saturae Titus Petronius Arbiter: Satyricon Flavius Philostratos: Vita Apollonii Gaius Plinius Secundus: Naturalis historiae Plutarch: Agesilaos Plutarch: Alexandros Plutarch: De Iside et Osiride Aurelius Prudentius Clemens: Apotheosis Aurelius Prudentius Clemens: Cathemerinon Aurelius Prudentius Clemens: Peristephanon Aurelius Prudentius Clemens: Psychomachia Pseudo-Phocylides: Gnomai Marcus Fabius Quintilianus: Institutio oratoria Rhetorica ad Herennium Sextus Empiricus: Pyrrhoniae hypotyposeis Silius Italicus: Punica Publius Papinius Statius: Silvae Gaius Tranquillus Sueton: Augustus Publius Cornelius Tacitus: Annales Publius Cornelius Tacitus: Historiae Tertullian: Apologeticum Trebellius Pollio: Triginta Tyranni Publius Vergilius Maro: Aeneis Xenophon: Hellenica Xenophon: Kyropaedia
Abbildungsverzeichnis Alle Abbildungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen zur Verfügung gestellt.
Abbildung 1: Burrattinis Abbildung einer Grabanlage in Kirchers Theatrum Hieroglyphicum (1654), in: Kircher 1654, nach S. 400. Abbildung 2: Mumie mit Götzenfigur in Andrè Thevets Cosmographie de Levant (1554), in: Thevet 1554, S. 155. Abbildung 3: Mumie mit pseudohieroglyphischen Verzierungen in Buchenbachs Orientalische Reyß (1612), in: Breuning von Buchenbach 1612, S. 159. Abbildung 4: Darstellung der Mumien Pietro della Valles in Kirchers Theatrum Hieroglyphicum (1654), in: Kircher 1654, S. 433. Abbildung 5: Die Frankfurter Mumie in Joachim Strupps Consensus super Mumia (1574), in: Strupp 1574a, o. P. Abbildung 6: Verzierte Mumie und Mumie in Leinenbinden in einem anthropomorphen Holzsarg aus den Florentiner Sammlungen Giovanni Nardis und Ferdinands II. de’ Medici in Nardis Lukrez-Ausgabe (1647), in: Nardi 1647, S. 645. Abbildung 7: Darstellung der äußeren und inneren Leinenbindung einer Mumie aus der Sammlung Ferdinands II. de’ Medici (samt einiger Aegyptiaca) in Nardis Lukrez-Ausgabe (1647), in: Nardi 1647, S. 649. Abbildung 8: Kupferstich der Mumie aus dem Besitz des Apothekers Jakob Krause, die 1658 in Breslau seziert wurde, in den Mumiae Wratislavienses (1662), in: Gryphius 1662, S. 41. Abbildung 9: Mumiae Wratislavienses (1662), Titelblatt, in: Gryphius 1662, ebd. Abbildung 10: Szene aus dem Mumifizierungsprozess in Kirchers Theatrum Hieroglyphicum (1654), in: Kircher 1654, S. 512.
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Personenverzeichnis (Edition) Agesilaos II., König von Sparta 130 Agesipolis I., König von Sparta 130 Agricola, Johannes 112, 142 Ajax, myth. 160 Alagona, Blascus 140, 142 Albimontanus, Simon 88, 146, 148, 150, 152, 162 Aldrovandi, Ulisse 96 Alexander der Große, König von Makedonien 124, 126, 128 Ambrosinus, Bartholomäus 96 Antonius, Marcus 130, 132 Apion 120, 122 Apollonios von Tyana 122 Arzat, Georg Friedrich von, d. Ält. 144 Arzat, Georg Friedrich von, d. J. 144 Arzat, Wolfram Christian von 144 Athanasius von Alexandria 104, 134 Athenaios aus Naukratis 86 Athene, myth. 160 Augustus, röm. Kaiser 120, 128
Eben, David von 142 Elsner, Joachim 142 Epaphroditos 130 Eusebius von Caesarea 88
Bils, Lodewijk de 84 Bodin, Jean 154, 158 Bonifaz VIII., Papst 138, 140, 142 Bosio, Antonio 138 Brenna, Walter von 140, 142 Buckisch, Christian 142 Burckhardt, Johannes, d. Ält. 100, 142, 144 Burckhardt, Johannes, d. J. 144
Iamblichos 88 Isis, myth. 116, 120, 122, 156 Israel, siehe Jakob
Caesar 126 Calcerando, Wilhelm 140 Cassius Dio 120, 128, 130, 132 Chifflet, Jean-Jacques 102, 108 Cicero 124, 126, 132 Clemens von Alexandria 122 Constantia 134 Cornelius Gallus, Gaius 130 Curtius Rufus 124
Della Valle, Pietro 112, 136 Diodor von Sizilien 86, 88, 90, 92, 94, 118 https://doi.org/10.1515/9783110593556-010
Fazello, Tommaso 138 Franz I., König von Frankreich 156 Friedrich II. von Argonien, König von Sizilien 138 Gelen, Sigmund 122 Germanicus 122 Gryphius, Andreas 76, 82, 86, 146 Herodot von Halikarnassos 86, 88, 90, 92, 94, 98, 122, 124, 136 Hieronymus 134 Hilarion von Gaza 134 Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian 100, 142 Hortensius, Samuel 96
Jakob, bibl. 98 Jesus Christus 84, 102, 104 Johannes, Evangelist 102, 104 Johannes von Damaskus 134 Joseph, Sohn Jakobs, bibl. 98 Joseph von Arimathäa, bibl. 104 Josephus, Flavius 120 Jupiter 160 Juvenal 122 Kambyses II., König von Persien 118 Kircher, Athanasius 88, 90, 92, 106, 112, 118, 122, 136, 158, 162 Kleopatra, ägypt. Pharaonin 130, 132 Kramer, Balthasar 142 Krause, Jakob 98, 100, 142, 144 Krause, Johann Heinrich 144 Krause, Johann Jakob 144
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Personenverzeichnis (Edition)
Kretschmar, Johannes 144 Kyros II., König von Persien 124, 126
Proculeius, Gaius 130 Prudenz 138
Lauria, Roger 140 Lazarus, bibl. 102, 104 Lerch, Thomas 98, 144 Livius 126 Lukan 120 Lukas, Evangelist 104 Lukian von Samosata 88, 132 Lukrez 92
Radziwill, Nikolaus Christoph 88, 146, 156, 158, 162 Rittangel, Johann Stephan 136 Robert von Anjou 140
Markus, Evangelist 104 Marolette, Charles 138 Matthäus, Evangelist 104 Milo, Gottfried 140 Moses, bibl. 98 Nardi, Giovanni 92, 98, 106, 162 Nepos 130 Nikodemos, bibl. 104 Nimptsch, Johann Friedrich von 78, 80, 82 Numa Pompilius, myth. König von Rom 126 Oileus, myth. König der Lokrer 160 Osiris, myth. 120, 122 Pausanias 88 Philipp I. von Tarent 138 Philipp II., König von Makedonien 128 Platon 86 Plinius d. Ält. 132, 154 Plutarch 88, 122, 124, 130 Pomponius Mela 132 Porphyrius 88 Prochyta, Thomas 140
Sachs von Löwenheim, Philipp Jakob 142 Sack, Johann Friedrich von 78, 80, 82 Saumaise, Claude de 102 Scaliger, Julius Caesar 98 Scholz, Adam 142 Scholz, Sebald 142 Schönborner, Johann Christian 88 Sebisch, Albert von 92 Septimius Severus, röm. Kaiser 128 Sextus Empiricus 132 Sosa, Montanerius de 138, 140, 142 Statius 126 Stephan, König von Polen 148 Strabon 88 Tacitus 122, 132 Tertullian 138 Thilisch, Gottfried 142 Trebellius Pollio 110 Trescher, Veit Jacob 76 Vesling, Johannes 156 Vespasian, röm. Kaiser 122 Wilhelmi, Gottfried 142 Xenophon 88, 124 Zenobia, Königin von Palmyra 110
Verzeichnis zitierter Literatur (Edition) Aldrovandi 1648 96 Athan. Parasc. 104 Athan. Vit. Ant. 134 Bodin 1605 154–156, 158 Bzowski 1618 138–142 Cass. Dio 120, 128, 130, 132 Chifflet 1624 102 Cic. Leg. 126 Cic. Tusc. 124, 132 Curt. 124, 126 Della Valle 1650 114 Diod. Bibl. 118, 130 Gen. 98 Hdt. Hist. 124, 136 Hieron. Vit. Hil. 134 Ios. Ap. 120 Jn. 102–104 Joh. Dam. Imag. 134 Josephus 1554 122 Kircher 1652 90 Kircher 1654 106, 112, 118
https://doi.org/10.1515/9783110593556-011
Lucan. 120, 128 Lukian. Luct. 132 Mela Chor. 132 Mk. 104 Mt. 104 Nardi 1647 94, 98 Nep. Ages. 130 Plin. Nat. hist. 132 Plut. Ages. 130 Plut. Alex. 124 Ps.-Phoc. Gnom. 128 Radziwill 1601 146–154, 156–158 Saumaise 1646 102, 162 Scaliger 1557 98 Sext. Emp. Hyp. 132 Stat. Silv. 126 Tac. Ann. 122 Tac. Hist. 122, 132 Tert. Apolog. 138 Treb. Poll. Tyr. 110 Verg. Aen. 160 Xen. Hell. 130 Xen. Kyr. 126
Personenverzeichnis zur Gesamtarbeit (ohne Edition) Abenephius 55 Abraham, bibl. 47 Achillini, Alessandro 220 Aeneas, myth. 193 Agesilaos II., König von Sparta 184, 231 Agesipolis I., König von Sparta 184, 231 Agricola, Johann 223 Ajax, myth. 193 Alagona, Blascus 189 Albimontanus, Simon 28, 191 Aldrovandi, Ulisse 44, 50, 170, 217, 228 Alexander der Große, König von Makedonien 47, 177, 182, 184, 200, 231 Al-Manṣur 10 Al-Razi, siehe Rhazes Al-Zohri 10 Amasis, ägypt. Pharao 177, 180 Ambrosinus, Bartholomäus 170 Ammann, Hans Jakob 21–23 Ammianus Marcellinus 52 Amyrtaios, ägypt. Pharao 177 Antonius der Große 25, 185 Antonius, Marcus 184, 231 Anubis, myth. 57, 178 Apion 179 Apollonios von Tyana 180 Apuleius von Madauros 180, 181, 230, 232 Artaxerxes I., König von Persien 177 Arveris, myth. 57 Arzat, Georg Friedrich von, d. Ält. 191, 204 Arzat, Georg Friedrich von, d. J. 191, 204 Arzat, Wolfram Christian von 191, 204 Ashmole, Elias 50 Athanasius von Alexandria 185 Athenaios aus Naukratis 166 Athene, myth. 193 Augustinus von Hippo 26, 27 Augustus, röm. Kaiser 178, 179, 183, 184 Avicenna 12–14 Bacon, Francis 218 Baronio, Cesare 188, 232 Bartholin, Caspar 220 https://doi.org/10.1515/9783110593556-012
Bartholin, Thomas 60, 173, 219, 220, 241, 243 Bauhin, Caspar 220 Bausch, Johann Laurentius 164, 240 Belon, Pierre 3, 8, 11, 15–18, 20–22, 29–32, 34, 39–42, 54, 63, 64, 170, 192, 256, 257 Bessler, Basilius 49 Bils, Lodewijk de 64, 165, 166, 209, 247 Blumenbach, Johann Friedrich 249–251 Bodin, Jean 27, 29, 192, 234 Bohn, Johann 247 Boldensele, Wilhelm von 19 Bonifaz VIII., Papst 187, 190, 232, 237, 238, 248 Bosio, Antonio 187, 232 Bracciolini, Poggio 52 Brassavola, Antonio 14, 15, 18 Breidenbach, Bernhard von 19, 20 Brenna, Walter von 189 Buckisch, Christian 191, 205, 206 Buondelmonti, Christoforo 52 Burattini, Tito Livio 18, 22, 23, 56, 65, 169 Burckhardt, Johannes, d. Ält. 172, 191, 203– 205 Burckhardt, Johannes, d. J. 191, 204 Bzowski, Abraham 188 Cadmus, myth. 186 Caesar 3, 178, 183 Caimo, Pompeo 192 Caligula, röm. Kaiser 177, 179 Calzolaris, Francesco 49 Camerarius, Philipp 59, 60 Cardano, Girolamo 17, 171 Casaubon, Isaac 51 Cassius Dio 178, 230 Champollion, Jean-François 4, 186 Chifflet, Jean-Jacques 172, 174, 175, 183, 197, 223, 231, 233 Cicero 182, 184, 231 Clauder, Gabriel 247, 249, 252, 253 Clemens von Alexandria 181
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Personenverzeichnis zur Gesamtarbeit (ohne Edition)
Clemens VII., Papst 190 Constantinus Africanus 9–11 Cope, Walter 44, 50 Cordus, Euricius 13, 14 Cordus, Valerius 15, 29, 30 Cornelius Gallus, Gaius 184 Curtius Rufus 182 Czepko, Daniel 171 Darius II., König von Persien 177 Della Valle, Pietro 20, 23, 35, 37, 50, 56, 65, 231, 247, 250 Deutschländer, Jonas 241 Diodor von Sizilien 8, 14, 16, 31, 38, 46, 55, 61, 64, 166, 168–171, 177, 206, 216, 226, 228 Dioskurides 9, 10, 13–15, 29, 30, 239 Doukas, Demetrios 52 Eben, David von 204 Elsner, Joachim 190, 205, 206, 243 Elsner, Joachim Georg 190, 243 Epaphroditos 184 Fabri, Felix 19, 20, 25–27, 64 Fazello, Tommaso 188, 189, 237 Fechner, Johann 243 Fehr, Johann Michael 164, 205, 240 Ferdinand II. de’ Medici, Großherzog der Toskana 50, 57, 58, 61, 62, 169 Ficino, Marsilio 51–53, 55 Forster, Georg 249 Franck, Sebastian 17, 18 Franz I., König von Frankreich 31 Friedrich II. von Aragonien, König von Sizilien 50, 188 Fuchs, Leonhart 13, 14, 39, 50 Galen 13, 14, 192, 239 Gassendi, Pierre 49 Gelen, Sigmund 179 Germanicus 181 Gerschow, Friedrich 44, 50 Gigas, Peter 200, 206 Girgios 10 Gmelin, Johann Friedrich 251 Goodyear, Aaron 50
Gourgues, Marc Antoine 45 Greaves, John 20, 22, 65 Grew, Nehemiah 50, 249 Gryphius, Andreas 1, 2, 5–7, 49, 60, 64, 71, 73, 164, 165, 167, 168, 170–173, 175, 177, 180, 181, 183, 186–189, 191–201, 203–211, 214–220, 225, 227, 228, 230– 241, 243–258 Gryphius, Christian 200, 201 Gryphius, Paul 164 Guido da Vigevano 190 Haak, Theodor 241 Hadley, John 249 Haller, Albrecht von 68, 249 Hellfrich, Johann 20 Hemsterhuis, Sibout 220 Henning, Adam 195 Henning, Ursula 195 Hermes Trismegistos, myth. 47, 51, 54, 55 Herodot von Halikarnassos 8, 14, 16, 31, 32, 46, 55, 61, 64, 166, 168–170, 175, 185, 206, 216, 225, 226, 228, 229, 247 Hertzog, Christian 215, 248, 249 Herwart von Hohenburg, Johann Georg 52 Hesiod 31 Heurnius, Johannes 46 Heurnius, Otto 46–49, 60, 66, 166, 175, 212 Heyer, Georg 202 Heyne, Christian Gottlob 250–252 Hieronymus 50, 57, 185, 191 Hilarion von Gaza 185, 231 Hoffmann, Barbara 195 Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian 172, 191, 195, 200, 203–205, 208, 241, 242, 245 Homer 55 Horapollo 46, 52, 55 Hortensius, Samuel 171 Horus, myth. 57, 178 Howard,Henry, 6th Duke of Norfolk 50 Iamblichos 52 Ibn al-Ğazzār 10 Ibn Sina, siehe Avicenna Ibn Wafid 12 Ibn Waḥshiyan 10
Personenverzeichnis zur Gesamtarbeit (ohne Edition)
Imhoff auf Lonestat, Johann Hieronymus 191 Imperato, Ferrante 44, 49 Innozenz X., Papst 53 Isis, myth. 27, 57, 59, 177, 178, 180, 181, 231 Israel, siehe Jakob Issaultier, Barthelemy 49 Iuno, myth. 57, 193 Iynx, myth. 57 Jacobi, Theodor 241 Jakob, bibl. 41, 45, 65 Jesus Christus 25, 174, 257 Johannes Chrysostomos 198 Johannes von Damaskus 184, 185, 231 Jonston, Johann 170, 171, 242 Joseph, bibl. 19, 20, 45, 65 Josephus, Flavius 179, 230 Juvenal 180, 230, 232 Kambyses II., König von Persien 176, 177, 182, 229, 230, 246, 250 Karl II. von Anjou, König von Neapel 188 Kassandra, myth. 193 Kettner, Friedrich Gottlob 248, 249 Kiechel, Samuel 20, 21 Kircher, Athanasius 3, 6, 9, 22, 33, 38, 39, 52, 65, 168, 184, 206, 209, 217, 229, 231, 241, 246, 247, 255, 256 Kleopatra, ägypt. Pharaonin 184, 231 Kramer, Balthasar 191, 205, 206 Krause, Jakob 1, 2, 51, 74, 172, 173, 190, 201–206, 210, 214, 256 Krause, Johann Heinrich 191 Krause, Johann Jakob 191 Kretschmar, Johannes 191, 204 Kronberg, Johann Schweickhardt von 52 Kusch, bibl. 47 Kyros II., König von Persien 182, 200, 231, 233 Lanzoni, Giuseppe 249 Lauria, Roger 189 Lazarus, bibl. 173, 257 Lerch, Thomas 172, 203, 204, 210 Lichtenberg, Georg Christoph 4, 249 Lipsius, Justus 44 Livius, Titus 182
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Lohenstein, Daniel Casper von 5, 171, 191 Lukan 178, 230–232 Lukian von Samosata 46, 182, 184, 185, 231, 233 Lukrez 55, 57, 58, 61, 62, 65, 169, 217, 226, 256
Major, Elias 242 Major, Johann Daniel 241–243, 245, 246 Manutius, Aldus 51, 52 Marci, Johannes Marcus 56 Marolette, Charles 188 Massa, Niccolò 220 Mattioli, Pietro Andrea 15 Maufetus, Thomas 203 Medici, Cosimo de’ 51 Mercati, Michele 53 Metzger, Georg Balthasar 240 Milo, Gottfried 189 Milton, John 241 Minutius, Theophilus 49 Mizraim, bibl. 54 Moldau, Peter 203 Mondino de’ Luizzi 189, 220 Monte, Giovanni Battista da 50 Moritz von Hessen-Kassel 44, 50, 51 Murer, Christoph 34, 44
Nardi, Giovanni 3, 50, 55–63, 65, 167, 169, 170, 173, 192, 206, 217, 226–229, 239, 246, 247, 252, 255–257 Nephte, myth. 57 Nepos, Cornelius 184 Nero, röm. Kaiser 165, 181 Nihus, Barthold 57 Nimptsch, Friedrich von 164 Nimptsch, Johann Friedrich von 164, 208 Noah, bibl. 47, 54 Numa Pompilius, myth. König von Rom 182
Obiciis, Thomas de 252 Oldenburg, Henry 241, 242 Olearius, Adam 50 Opitz, Martin 170 Ortlob, Friedrich 190 Osiris, myth. 57, 59, 178, 180, 181, 211
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Personenverzeichnis zur Gesamtarbeit (ohne Edition)
Pallas, siehe Athene Paludanus, Bernhard 44–46, 50, 51 Paré, Ambroise 220 Paritius, Christian Friedrich 67 Paul III., Papst 30 Paulinus von St. Bartholomäus 252 Pauw, Cornelis de 166 Pauw, Peter 47 Peck, Georg 43 Peiresc, Nicolas-Claude Fabri de 49, 50, 52, 55, 57 Peter I., König von Sizilien 189 Pettigrew, Thomas Joseph 253 Philipp I. von Tarent 188, 189 Philipp II., König von Makedonien 183 Philostrat 180, 230 Platearius, Matthaeus 11, 12, 170 Platon 51, 52, 166 Platter, Thomas 50 Plinius d. Ält. 184, 185, 231, 239 Plutarch 52, 166, 181, 230 Pomponius Mela 31, 184, 231 Popp, Johann 205 Poppea Sabina 165 Prochyta, Thomas 189 Proculeius, Gaius 184 Prudenz 186, 187, 232 Pseudo-Serapion 12–14 Ptah, myth. 178 Ptolemaios I., ägypt. Pharao 184 Quiccheberg, Samuel 40 Radziwill, Nikolaus Christoph 22, 23, 28, 29, 35, 40, 167, 214, 234, 235 Regnard, Jean-François 5 Reimers, Tobias 50, 51 Rhazes 10, 12, 14 Rittangel, Johann Stephan 186, 231, 250 Robert von Anjou 188, 189 Rolfink, Werner 190, 238 Rondelet, Guillaume 40 Rouelle, Guillaume François 249 Sachs von Löwenheim, Philipp Jakob 164, 170, 173, 190, 201, 204–206, 240–246, 258 Sack, Johann Friedrich von 164, 208
Sanderson, John 40 Sandys, George 21 Saumaise, Claude de 173, 223 Scaliger, Joseph Justus 44, 45 Scaliger, Julius Caesar 15, 45, 46, 171, 217, 226, 228 Scharschmidt, Wolfgang 173 Schelling, Konrad 190 Scholtz, Laurentius 202, 203 Scholz, Adam 190, 205 Scholz, Gottlieb 69 Scholz, Sebald 191, 205, 206 Schönborner, Christoph 167, 168 Schönborner, Georg 164, 167, 168, 192, 209, 210 Schönborner, Johann Christian 168 Schröck, Lucas 67 Sebisch, Albert von 170, 245 Septala, Manfred 50, 51 Septimius Severus, röm. Kaiser 181, 183 Serapion d. J. 12 Seth, myth. 59, 178 Sextus Empiricus 184, 185, 231, 233 Shakespeare, William 5 Sigoli, Simone 19 Silius, Italicus 233 Sixtus IV., Papst 190 Sixtus V., Papst 53 Sosa, Montanerius de 188, 237 Spieghel, Adriaan van den 192 Springer, Gottfried 173, 201 Statius 182 Sternberg, Ignatius Karl von 68 Stieff, Christian 50, 166, 167, 170, 171, 173, 181, 199–203, 206–208 Strupp, Joachim 3, 40–44, 65, 215, 256, 257 Sturm, Johann Christoph 28, 29, 239, 240 Sudheim, Ludolf von 19 Sulla 182 Sylvaticus, Matthaeus 11 Tacitus 179, 181, 184, 230–232 Tertullian 186, 198, 200, 232 Thevet, Andrè 33, 34, 44 Thilisch, Gottfried 190, 204–206, 243 Thurneysser, Leonhard 34 Tiberius, röm. Kaiser 181
Personenverzeichnis zur Gesamtarbeit (ohne Edition)
Tournon, François Cardinal de 29, 30 Trescher, Veit Jakob 67, 164, 242 Treter, Thomas 28, 167 Trew, Christoph Jakob 68 Troilo, Franz Ferdinand von 246, 247 Tscherner, David 73 Typhon, myth. 59
Valckenburg, Adrianus 60, 175 Valeriano, Giovanni Pierio 52 Valla, Laurentius 31 Varthema, Ludovico de 18 Vesal, Andreas 189, 220, 221, 223 Vesling, Johannes 6, 192, 220, 221, 236
293
Walch, Christian Wilhelm Franz 250 Waldseemüller, Martin 17 Werle, Hieronymus van 50, 57 Wilhelm, David le Leu de 48 Wilhelmi, Gottfried 190, 205, 206 Winckelmann, Johann Joachim 35 Wohlfahrt, Georg Balthasar 240 Wolfsburg, Johann Christian von 173, 201 Worm, Ole 50, 51 Wrisberg, Heinrich August 251 Xenophon 182 Zenobia, Königin von Palmyra 175 Zoëga, Johann Georg 252
Danksagung Die vorliegende Arbeit stellt die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift dar, zu deren Gelingen eine Reihe von Personen beigetragen haben, denen ich hier Dank sagen möchte. Großer Dank gilt meiner Betreuerin Prof. Dr. Hania Siebenpfeiffer, die das Projekt von der ersten Idee an engagiert begleitet und meinen Werdegang unterstützt hat. Ihre Arbeit zu Mumien und Gespenstern in der Frühen Neuzeit gab die Anregung für das vorliegende Buch. Apl.-Prof. Dr. Christoph Kugelmeier danke ich sehr für die Übernahme der Zweitbetreuung. Mit seiner Expertise zu den antiken Kulturen und seinem Rat insbesondere zum Altgriechischen stand er mir stets hilfreich zur Seite. Mein aufrichtiger Dank gilt Dr. Immanuel Musäus, der mich seit meinen Studienjahren gefördert und das Dissertationsprojekt in vielfältiger Weise unterstützt hat. Die gemeinsamen Gespräche über Gryphius’ Text haben mir zahlreiche Anregungen für Verbesserungen gegeben. Ferner danke ich allen MitdoktorandInnen, KollegInnen und WeggefährtInnen für allerlei Hinweise, kritische Fragen und Diskussionen, die mir halfen, meine Gedanken zu entwickeln. Prof. Dr. Anna Mańko-Matysiak danke ich für das herzliche Willkommen und die freundliche Unterstützung, die sie mir während meines Aufenthaltes in Wrocław zukommen ließ. Die finanzielle Unterstützung von verschiedener Seite hat meine Forschungen überhaupt erst möglich gemacht. Die Förderung der Fritz Thyssen Stiftung durch das Herzog-Ernst-Stipendium ermöglichte erste Quellenstudien an der Forschungsbibliothek Gotha, die ich dank eines Stipendiums der Dr. Günther Findel-Stiftung an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel fortführen konnte. Die vielfältige Hilfe und der wissenschaftliche Austausch an beiden Orten hat meine Arbeit in großem Maße bereichert. Hierfür möchte ich allen MitarbeiterInnen und GastwissenschaftlerInnen herzlich danken. Insbesondere möchte ich Prof. Dr. Martin Mulsow und Dr. Jill Bepler meinen Dank aussprechen. Die großzügige Unterstützung der Studienstiftung des Deutschen Volkes ermöglichte mir schließlich die Fortführung meiner Arbeit. Hierfür und für die breite ideelle Förderung bin ich überaus dankbar. Danken möchte ich außerdem den Herausgebern der Frühen Neuzeit für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe sowie dem De Gruyter Verlag für die Betreuung auf dem Weg vom Manuskript zum Buch, insbesondere für die geduldige Umsetzung des Editionsteils. Der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen danke ich für die unkomplizierte Bereitstellung der Bildrechte für die Abbildungen dieses Bandes.
https://doi.org/10.1515/9783110593556-013