230 17 115MB
German Pages 436 Year 2019
Zentrum Moderner Orient Geisteswissenschaftliche Zentren Berlin e.V.
• Katja Füllberg-Stolberg
Amerika in Afrika. Die Rolle der Afroamerikaner in den Beziehungen zwischen den USA und Afrika, 1880-1910
Studien 17
K S
Klaus Schwarz Verlag Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufhahme Katja Füllberg Stolberg: Amerika in Afrika. Die Rolle der Afroamerikaner in den Beziehungen zwischen den USA und Afrika, 1880-1910. Zentrum Moderner Orient - Berlin: Schwarz 2003 (Studien / Zentrum Modemer Orient, Geisteswissenschaftliche Zentren Berlin e.V.; 17) ISBN 3-87997-610-4
Zentrum Moderner Orient Geisteswissenschaftliche Zentren Berlin e.V. Kirchweg 33 14129 Berlin Tel. 030 / 80307 228 ISBN 3-87997-610-4 STUDIEN Bestellungen: Klaus Schwarz Verlag Bergstraße 2 12169 Berlin Tel. 030 - 729 29 44 Redaktion und Satz: Margret Liepach Einbandgestaltung: Jörg Rückmann, Berlin Titelbild: William Sheppard, umgeben von Kuba-Kriegem Quelle: Presbytarian Historical Society, Montreat, North Carolina
Druck: Offset-Druckerei Gerhard Weinert GmbH, Berlin Printed in Germany 2002 Gedruckt mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin
Inhalt
Einleitung
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KAPITEL 1 „What is Africa to me?" - Afroamerikaner und ihr Verhältnis zu Afrika im 19. Jahrhundert
15
Annäherung und Abgrenzung - Die Debatte um Kolonisation und Reemigration Anfänge afroamerikanisch-afrikanischer Beziehungen Black Nationalism und die Rückbesinnung auf Afrika
15 22 29
KAPITEL 2 Die Lage der Afroamerikaner zwischen 1880 und 1910: Der „Nadir"
43
Afroamerikanische Lebensbedingungen und Jim Crow Industrial Education. Das Hampton-Tuskegee Modell in den USA und Afrika
KAPITEL 3 „Take up the White Man's Burden". Afrika und die amerikanische Außenpolitik nach dem Bürgerkrieg
43 51
71
Expansionismus und Manifest Destiny Außenpolitische Beziehungen zum afrikanischen Kontinent In offizieller Mission: Afroamerikaner als Repräsentanten USamerikanischer Politik in Afrika Booker T. Washington, Tuskegee und Afrika Afroamerikanische Handelsgesellschaften in Afrika
72 80 87 100 111
KAPITEL 4 „Going out into the world and spread the Gospel". Die amerikanische protestantische Missionsbewegung
125
Anfänge amerikanischer Missionstätigkeit. „A moral equivalent for imperialism"
126
Afroamerikanische Kirchen und Missionsarbeit Educational Colonialism - Industrial Training für Afrika „Black Man's Bürden?" Afroamerikanische Missionsarbeit in Afrika
136 141 160
KAPITEL 5 Die USA und der „Kongo-Freistaat"
193
Belgien unter Leopold II. Henry Shelton Sanford - ein Amerikaner im Auftrag von Leopold II. Die Rolle der USA bei der Berliner Afrika-Konferenz „König Leopolds Kongo" George Washington Williams - „Open Letter to King Leopold"
193 200 210 231 239
KAPITEL 6 William Henry Sheppard und die American Presbyterian Congo Mission
259
Die PCUS und die Missionierung des afrikanischen Kontinents William Henry Sheppard - „Presbyterian Pioneer in Congo" Von der „schwarzen" Mission zur „weißen" Mission Die Konfrontation mit dem kolonialen Regime Die APCM und das Engagement für Reformen im Kongo William Sheppards Abschied von Afrika
260 268 282 295 305 319
KAPITEL 7 Die Kongo-Reformbewegung in den USA und die afroamerikanische Kritik an europäischer Kolonialherrschaft in Afrika
345
Die Anfänge der Kongo-Reformbewegung in den USA Das Ende des „Kongo-Freistaates" Die europäische Kolonialherrschaft in der Kritik afroamerikanischer Missionare
346 358
Schluß
377
Quellen- und Literaturverzeichnis
385
366
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CENTRAL AFRICA SHOWING
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Abb. 1. Quelle: The Missionary 37 (1904) 1, S. 101
I. A^ V n
VORWORT
Die Studenten meines Kurses „African Histoiy" an da 1 University of the West Indies in Kingston, Jamaica, 1988-1990, gaben den Anstoß und lieferten die Grundidee zu diesem Buch. Für sie, in ihrer großen Mehrheit Nachfahren afrikanischer Sklaven, erschienen Afrika und seine Geschichte so fem und fremd, als habe es weder Marcus Garvey noch die schwarze Bürgerrechtsbewegung gegeben. Die akademische Elite im Land der RastafariBewegung fühlte sich Europa und den USA weit mehr verbunden als „Mother Africa". Was lag näher, als der Frage nachzugehen, wie sich das Verhältnis der Afroamerikaner zu ihrem Ursprungsland nach Abschaffung von Sklavenhandel und Sklaverei entwickelt hat. Daß sich der Fokus von der Karibik in die USA verlagerte, ist der Quellenlage und -zugänglichkeit geschuldet. Nach meiner Rückkehr aus Jamaica fand ich am Zentrum Moderner Orient in Berlin die idealen Bedingungen, um mein Forschungskonzept realisieren zu können. Mein Dank geht an die Mitarbeiter des ZMO, vor allem an die Projektgruppe „Akteure", die meine Arbeit über Jahre begleiteten. Insbesondere möchte ich Heike Liebau und Brigitte Reinwald danken, die mir immer wieder mit fachlichem Rat, aber auch persönlichem Zuspruch zur Seite standen. Dank der großzügigen Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft war es mir möglich, in den USA eine Vielzahl von Archiven und Bibliotheken in kirchlichen Institutionen und Universitäten, darunter zahlreiche „black Colleges", zu konsultieren. Ich danke den vielen Kolleginnen und Kollegen in diesen Einrichtungen, die mir bei meinen Recherchen behilflich waren. Es ist unmöglich, sie alle namentlich zu erwähnen, aber stellvertretend möchte ich nennen: Diana Sanderson und Bill Bynum vom Department of Histoiy of the Presbyterian Church (U.SA) in Montreal, North Carolina, Beverly Carlson und ihre Mitarbeiterinnen am American Baptist Archives Center in Valley Forge, Pennsylvania, Jean Zeidler und ihre Mitarbeiterinnen von den Hampton Institute Archives der Hampton University in Norfolk, Virginia und Roland M. Baumann und Ken Grossi von den Oberlin College Archives in Oberlin, Ohio. Danken möchte ich auch auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Tuskegee University Archives in Tuskegee, Alabama, der Savary Library des Talladega College in Talladega, Alabama, der Manuscripts, Archives and Rare Books Division des Schomburg Center for Research in Black Culture, der Manuscript Collection der Library of Congress und der National Archives Washington, D.C. Die vorliegende Untersuchung wurde als Habilitationsschrift 2002 von der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Hannover angenommen. Mein Dank gilt meinem langjährigen akademischen Lehrer und Freund Helmut Bley, der diese Arbeit betreut hat. Mein Dank gilt nicht zuletzt Nadja-Christina Schneider, Elke Meyer-Hoos und Margret Liepach, die mir bei der mühevollen Arbeit der Endredaktion geholfen haben. Schließlich möchte ich Claus Füllberg-Stolberg danken für Ermutigung und Unterstützung. Katja Füllberg-Stolberg
EINLEITUNG
„... when our countiy [the United States] shall be induced to take an active interest in Liberia, or any other portion of the African continent that interest will be unselfish, philanthropic and sincere; or when America shall seek the commerce of Africa, she will do so with no design of acquiring colonial possessions, and she will be more just than others in her dealings with native races."1
Im Jahre 1890 machte sich William Henry Sheppard, Afroamerikaner aus Virgina, USA, auf den Weg nach Afrika. Sheppard ging als Missionar in der Hoffnung, den afrikanischen Brüdern und Schwestern auf dem Kontinent seiner Vorfahren die christliche Erlösung zu bringen. Die Arbeit des jungen Missionars und seine Erfahrungen im „Herzen Afrikas" sollten nicht nur sein Leben beeinflussen, sondern sie trugen langfristig auch zu einer Veränderung des afroamerikanischen Afrikabildes und zu einer Neuorientierung der US-amerikanischen Afrikapolitik bei. Die vorliegende Arbeit stellt die afroamerikanische Sicht auf den afrikanischen Kontinent in den Mittelpunkt. Diese transatlantische Perspektive ist gerade in den letzten zehn Jahren unter dem Begriff der afrikanischen Diaspora in den USA in den Mittelpunkt der Forschungen zur afroamerikanischen Geschichte, zur black history gerückt. Dabei wird häufig übersehen, daß die transatlantische Sichtweise bereits im 19. Jahrhundert einen wichtigen Bestandteil der afroamerikanischen Geschichte darstellte. Die black community in den USA verstand sich schon damals als Teil einer internationalen Gemeinschaft von Menschen, die ihre afrikanische Herkunft miteinander verband. Nicht nur schwarze Nationalisten, die die kulturelle, wirtschaftliche und politische Separierung der Afroamerikaner von der weißen Gesellschaft der USA forderten, sondern auch African Americans, deren Ziel die Integration (Assimilierung) in diese US-amerikanische Gesellschaft war, fUhlten gleichwohl Verbundenheit mit dem afrikanischen Kontinent. Transatlantische Geschichte beinhaltet den gegenseitigen Austausch, wobei - wie Norbert Finzsch zu Recht anmerkt - dieser Austausch „nicht immer freiwilllig und zu fairen Konditionen"2 vonstatten ging. Während bei Autoren wie dem Kultursoziologen Paul Gilroy3 der Transfer von kulturellen Konzepten und Ideen im Mittelpunkt des transatlantischen Austausches stehen, konzentriert sich die vorliegende Untersuchung auf das tatsächliche historische Aufeinandertreffen von Afroamerikanern und Afrikanern im Kontext der christlichen protestantischen Missionsbewegung. Die Geschichte der African Americans ist eng verknüpft mit ihren religiösen Erfahrungen, angefangen von der Bedeutung der Religion als .invisible institution' während der Sklaverei bis hin zur Gründung erster eigenständiger schwarzer Kirchen und ihrer Etablierung als Institutionen, die weit über den religiösen Kontext hinaus das politische und soziale Leben der Afroamerikaner bestimmten. Die Mis-
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Einleitung
sionstätigkeit - sei es an der „Heimatfront" vor allem nach dem Bürgerkrieg für die christliche Erziehung der ehemaligen Sklaven oder auf dem „Missionsfeld" in Afrika für die Christianisierung und „Zivilisierung" der „heidnischen" Bevölkerung stellte einen entscheidenden Aufgabenbereich aller schwarzen wie weißen Kirchen in den USA dar. Im 19. und bis ins 20. Jahrhundert hinein bildeten Missionarinnen und Missionare ein wichtiges Bindeglied zwischen Afroamerika und Afrika. In der vorliegenden Arbeit stehen sie als Hauptakteure im Mittelpunkt. Obwohl es sich zahlenmäßig nur um eine kleine Gruppe handelte, verfügten sie dank ihrer umfangreichen Beziehungen zum afrikanischen Kontinent über beträchtlichen Einfluß. Sie wirkten als Multiplikatoren, die ihre Vorstellungen von Afrika und ihre Erfahrungen vor Ort in ihren Kirchengemeinden, vornehmlich in den Südstaaten der USA, weiter vermittelten. Die Mehrzahl von ihnen war bis nach der Jahrhundertwende für die Missionsgesellschaften der weißen Kirchen, insbesondere der American Baptist Missionary Union, der Methodist Episcopal und der Southern Presbyterians tätig. Dies war der Tatsache geschuldet, daß afroamerikanische Missionskirchen aufgrund äußerst knapper Finanzmittel nur wenigen African Americans die Missionarstätigkeit finanzieren konnten. Auf die Schwierigkeiten, die die schwarzen Missionare bei ihrer Arbeit in einer von Weißen dominierten Mission zu überwinden hatten, wird am Beispiel der American Presbyterian Congo Mission (APCM) näher eingegangen. Afroamerikanische Missionare befanden sich in dem Dilemma, in Afrika ein „weißes", von westlichen Wertvortstellungen, geprägtes Christentum zu propagieren, dessen rassistische Konnotationen sie ablehnten bzw. zu ignorieren suchten. Auf dem Hintergrund dieser Problematik wird der Frage nachgegangen, inwieweit afroamerikanische Missionare eigene Vorstellungen und Konzepte im Kontext „weißer" Missionspolitik entwickeln und durchsetzen konnten. Trotz der räumlichen Entfernung zwischen Nordamerika und dem afrikanischen Kontinent war Afrika im Bewußtsein der Afroamerikaner immer präsent. Dies drückte sich beispielsweise in der Namenswahl afroamerikanischer Einrichtungen und Institutionen aus. So nahm die African Methodist Episcopal Church (AME Church), die sich 1816 von der weißen Methodist Episcopal Church abgespalten hatte, bewußt African in ihren Namen auf. Die Verwendung des Terminus „4/r/ca" bedeutete allerdings keine „Afrikanisierung" des Methodismus, sondern sollte vielmehr zum Ausdruck bringen, daß die Kirche kontrolliert und getragen wurde von Menschen afrikanischer Herkunft, „with African blood in their veins", wie es John T. Jenifer, Reverend der AME Church, 1884 formulierte.4 Die Namensgebungen implizierten weniger die bewußte Hinwendung zu Afrika als vielmehr die Suche nach einer eigenen Identität, nicht als Afrikaner, sondern als Amerikaner mit afrikanischen Wurzeln. Innerhalb afroamerikanischer Institutionen hat es immer wieder Diskussionen um die Verwendung des Begriffes African gegeben. Dies führte aller-
Einleitung
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dings nur sehr selten zu Namensänderungen bzw. Umbenennungen. Nach dem Bürgerkrieg trat die Verwendung des Begriffes African in den Hintergrund. Afroamerikaner bezeichneten sich selbst als „people of color" oder als „Negroes". Es wurden afroamerikanische Institutionen und Verbände gegründet wie die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) und die American Negro Academy. Im Zuge der Dekolonisationsperiode in Afrika und im Vorfeld der Bürgerrechtsbewegung kam es zu einer Rückbesinnung auf die afrikanischen Wurzeln: aus Negroes wurden Afro-Americans und blacks. Der Terminus African American ist heute zumindest in der englischsprachigen Literatur der gängigste Ausdruck für Afroamerikaner. African American - teilweise auch mit Bindestrich (AfricanAmerican) - drückt sehr gut die Verbindung zwischen Afrika als Herkunftsland und (Nordamerika aus, das die Mehrheit der Afroamerikaner heute als ihre Heimat betrachten. Die Autorin verwendet die englischsprachige Bezeichnung African Americans synonym mit dem Begriff Afroamerikaner, der im deutschen Sprachgebrauch inzwischen üblich ist. Vereinzelt werden auch die Bezeichnungen „Schwarze" bzw. „schwarze Amerikaner" benutzt, allerdings vornehmlich in der Gegenüberstellung zu „Weißen" bzw. „weißen Amerikanern".5 Die zahlreichen Namenswechsel und/oder das Nebeneinander unterschiedlicher Bezeichnungen für die Gruppe der African Americans sind ein Hinweis auf die ambivalente Haltung der Afroamerikaner im Umgang mit Afrika. Die Ambivalenz, das gespaltene Verhältnis zu Afrika, zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte afroamerikanische Geschichte. Phasen der Hinwendung zu Afrika wechselten sich mit Perioden der Distanz zum Kontinent der Vorfahren ab, meist in Abhängigkeit von der jeweiligen wirtschaftlichen und politischen Situation der Afroamerikaner in den USA. Das Interesse an Afrika und das Bedürfnis, den afrikanischen Kontinent als die eigentliche Heimat zu betrachten, war besonders groß in Zeiten politischer und ökonomischer Unterdrückung. Die Verbindung zu Afrika trat immer dann in den Hintergrund, wenn Hoffnung auf eine gesicherte Zukunft in den USA bestand. Der große Bestand an theoretischen Schriften, Autobiografien, Reisebeschreibungen, religiösen Abhandlungen etc. zum Thema Afrika aus der Feder afroamerikanischer Autoren des 19. und frühen 20. Jahrhunderts dokumentiert die intensive Auseinandersetzung mit dem afrikanischen Kontinent. Die vorliegende Arbeit will insbesondere diese Autoren, deren Publikationen die Diskussion um Kolonisation, Emigration bzw. Re-emigration und Missionierung stark beeinflußten, zu Wort kommen lassen und ihren Beitrag zur Entwicklung der afroamerikanischafrikanischen Beziehungen näher untersuchen. Viele der Autoren verfügten über konkrete Erfahrungen vor Ort. Sie waren als Missionare, Lehrer, vereinzelt als Geschäftsleute tätig und übernahmen bis in das 20. Jahrhundert hinein häufig auch konsularische Funktionen. Zu einer Zeit, als African Americans in den USA die
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Einleitung
Besetzung staatlicher Ämter fast ausnahmslos verwehrt war, traten sie in Afrika als offizielle US-amerikanische Repräsentanten auf. Die Untersuchung wird der Frage nachgehen, inwieweit Afroamerikaner diesen Spielraum nutzen und Anstöße zur Formulierung einer bis dahin nicht-existenten Afrikapolitik geben konnten. Das Eingangszitat von John Smyth, dem afroamerikanischem Generalkonsul in Monrovia in den 1880er Jahren, macht deutlich, daß die Amerikaner kein koloniales Verhältnis zum afrikanischen Kontinent anstrebten, sondern „uneigennützig" zur Entwicklung Afrikas beitragen wollten. African Americans vertraten bis in das 20. Jahrhundert hinein die Ansicht, Afrika habe den Afroamerikanern nichts zu geben, sondern benötige deren Hilfe, um den Weg zu Christentum und „Zivilisation" zu finden. Diese paternalistische Haltung drückte sich auch in der oben erwähnten afroamerikanischen Literatur aus. Die wechselnde Intensität der Beziehungen zwischen Afroamerika und Afrika fand ihren Ausdruck auch in der afroamerikanischen Historiographie. Als erste umfassende historische Abhandlung zur afroamerikanischen Geschichte, die von einem schwarzen Amerikaner verfaßt wurde, gilt die zweibändige History of the Negro Race in America from 1619 to 1880 von George Washington Williams, die 1882 erschien.6 Williams, der als Prediger, Rechtsanwalt und Journalist tätig war, bereiste 1890 den afrikanischen Kontinent. Doch erst durch Carter Woodsons Gründung der Association for the Study of Negro Life and History (1915) und des Journal of Negro History (1916) erhielt die Forschung zur afroamerikanischen Geschichte eine breitere Grundlage.7 Die Artikel im Journal of Negro History, das afroamerikanischen Autoren aus den verschiedenen Wissenschaften die Möglichkeit zur Veröffentlichung bot, zeigen, wie stark die transatlantische Komponente die African American history prägte. Trotzdem blieb Afrika lange Zeit nur ein kleiner Teilaspekt der afroamerikanischen Geschichtsforschung, die von Themen wie beispielsweise Sklaverei und Anti-Sklaverei-Bewegung, Reconstruction, Debatten um block education und black nationalism und schließlich von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung bestimmt wurde. Afrika trat erst Mitte der 1970er Jahre stärker in das Zentrum wissenschaftlicher historischer Untersuchungen, als mit der Einrichtung von black studies departments der afroamerikanischen Geschichte an Colleges und Universitäten ein fester Platz innerhalb des Lehrangebots eingeräumt wurde. Im selben Zeitraum akzeptierte auch die (weiße) Historikerzunft in den USA endlich die African American history als eigenständigen, legitimen Forschungsbereich.8 Auf den Stand der wissenschaftlichen Forschung wird in den einzelnen Kapiteln der Untersuchung verwiesen. Nicht unerwähnt bleiben soll im Zusammenhang mit der afroamerikanischen Geschichtsschreibung William Edward Burghart Du Bois und sein weitgespanntes Werk, das alle großen Themen der afroamerikanischen Geschichte vom Sklaven-
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handel über die Reconstruction bis hin zum schwarzen Nationalismus berücksichtigte.9 In Du Bois Biografie spiegelt sich die Ambivalenz gegenüber Amerika und auch gegenüber Afrika wider. Generationen von schwarzen Amerikanern waren hin und her gerissen zwischen dem Wunsch nach Assimilierung in die weiße amerikanische Gesellschaft auf der einen und dem Gefühl der Verbundenheit zu Afrika auf der anderen Seite. Du Bois hat für dieses Gefühl der Zerrissenheit den Begriff des double consciousness geprägt. Er selbst verließ am Ende seines langen Lebens mit über 90 Jahren endgültig die USA, um nach Afrika heimzukehren, in das gerade unabhängig gewordene Ghana. Die Untersuchung wird immer wieder auf Du Bois und seine Schriften zurückkommen. Der Vielschichtigkeit des afroamerikanischen Engagements in Afrika kommt auch in dem breit gefächerten Quellenmaterial zum Ausdruck. Die Quellenbestände der verschiedenen Missionsgesellschaften in den Archiven der großen protestantischen Denominationen in den USA, vor allem der ABMU und der PCUS, liefern die Materialbasis für diese Studie. Die vorliegende Arbeit ist keine missionsgeschichtliche Untersuchung, aber da die afroamerikanisch-afrikanischen Beziehungen bis in die 1920er Jahre zum überwiegenden Teil von Missionarinnen und Missionaren gestaltet wurden, ist die Einbeziehung der Missionsquellen unverzichtbar, und diese sind auch als historische und ethnologische Quellen äußerst aufschlußreich. Die Bestände umfassen nicht nur Materialien zu den verschiedenen Aspekten der offiziellen Missionspolitik, sondern die umfangreiche Korrespondenz der Missionare vermittelt die große Spannbreite missionarischer Tätigkeiten, die die Entwicklung von Bildungsprogrammen und ethnologische Studien einschließen. Das Archiv der heutigen Hampton University, die nach dem Bürgerkrieg einer großen Gruppe von Afroamerikanern einen Studienplatz bot, liefert einen weiteren wichtigen Bestand an zeitgenössischen Dokumenten. Eine beträchtliche Anzahl von HamptonAbsolventen trat in den Missionsdienst ein und hielt in Afrika weiterhin Kontakt zu ehemaligen Lehrerinnen und Lehrern. Dieser z.T. sehr persönliche Schriftverkehr, der im übrigen auch für einige wenige afrikanische Studenten vorliegt, erwies sich neben der Missionskorrespondenz als wichtigstes Quellenmaterial für die Untersuchung. Allerdings handelt es sich hierbei nur äußerst selten um große geschlossene Quellenbestände, da Studenten wie Missionare immer wieder die Institution oder die Missionsgesellschaft aus unterschiedlichen Gründen wechselten, so daß ihre Lebensläufe in den meisten Fällen bruchstückhaft bleiben und sich nicht vollständig rekonstruieren lassen. Auch die Einbeziehung einer Vielzahl kleinerer Collegearchive konnte dieses Manko nur teilweise ausgleichen. Für kleine Einrichtungen gilt darüber hinaus, daß dort nur selten systematisch archiviert wurde und auf Grund knapper Finanzmittel das nötige Personal fehlt, um die vorhandenen Bestände zu katalogisieren. Nach der Auswertung des gesichteten Materials in den oben erwähn-
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Einleitung
ten Archiven lassen sich für den Zeitraum zwischen 1880 und 1910 zumindest grobe biographische Daten zu rund 120 Afroamerikanern ermitteln, die im Laufe ihres Lebens für eine Missionsgesellschaft in Afrika waren. Die Archivbestände der Missionsgesellschaften und der afroamerikanischen Bildungseinrichtungen werden durch Aktenbestände des State Department und durch die Privatpapiere einiger amerikanischer Politiker ergänzt, die in der Library of Congress (Manuscript Collection) zugänglich sind. Noch ein Hinweis zur Sekundärliteratur: Die Arbeiten zur afroamerikanischen Missionierung in Afrika, wie auch die Literatur, die sich mit dem amerikanischen Verhältnis zu Afrika auseinandersetzt, wurden zum überwiegenden Teil von Fachfremden geschrieben, die nur sehr selten über eigene Kenntnisse zur afrikanischen Geschichte verfügten und auch nur selten auf Untersuchungen von Afrikahistorikern zurückgriffen. Dieses Defizit betrifft vor allem die Geschichte in Afrika im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Kennzeichnend ist die Verwendung von Begriffen wie Stamm (tribe), die unreflektiert aus der Kolonialliteratur entnommen wurden. Während die Kolonialliteratur inhaltlich durchaus kritisch hinterfragt wird, halten viele Autoren an der überholten Terminologie fest. Der geographische Schwerpunkt der Studie konzentriert sich auf West- und Zentralafrika, wobei die Kongo-Region (heutige Demokratische Republik Kongo) besondere Berücksichtigung findet. Das geringe außenpolitische Engagement der USA in Afrika beschränkte sich bis nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Republik Liberia und die Kongo-Region. Südafrika, das um die Jahrhundertwende zu einem weiteren Aktionsfeld afroamerikanischer Missionare avancierte, wird in der vorliegenden Arbeit weitgehend ausgeklammert. Zu Südafrika liegt zum einen die umfangreiche, quellenorientierte Untersuchung von James T. Campbell zum Einfluß der AME Church auf die schwarzen südafrikanischen Kirchen vor, die auch insgesamt das afroamerikanische Verhältnis zu Südafrika ausführlich analysiert. Zum anderen sei auf die Arbeiten von George M. Frederickson verwiesen, die insbesondere die wirtschaftliche und soziale Situation der schwarzen Bevölkerung in Südafrika und den amerikanischen Südstaaten in vergleichender Perspektive beleuchten.10 Darüber hinaus existieren für den Missionskontext zahlreiche Arbeiten südafrikanischer Autoren vor allem zum Bildungsbereich und zu den independent black churches. Der zeitliche Schwerpunkt der Untersuchung liegt zwischen 1880 und 1910 und reicht damit von der Vorphase der Berliner Afrika-Konferenz (1884-85) bis zur Annektierung des „Kongo Freistaates" durch Belgien und zur Gründung der Kolonie Belgisch-Kongo im Jahre 1908. Die Ereignisse im sogenannten Kongo-Freistaat, die um die Jahrhundertwende unter dem Begriff „Kongo-Greuel" weltweite Beachtung fanden, bildeten eine Zäsur im Verhältnis der African Americans zu Afrika und
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führten zu einer grundsätzlichen Neubewertung europäischer Kolonialherrschaft in Afrika. Die Untersuchung ist in sieben Kapitel untergliedert. Kapitel 1 faßt das wechselhafte Verhältnis der Afroamerikaner zu Afrika in einem historischen Längsschnitt zusammen und erläutert die einzelnen Phasen der afroamerikanischen Auseinandersetzung mit dem Kontinent ihrer Vorfahren. Daran anknüpfend beschäftigt sich Kapitel 2 mit der gesellschaftlichen Situation der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA. Der Zugang zu Bildung und die spezifischen Ausbildungsmodelle, die unter dem Begriff industrial education für African Americans konzipiert wurden, stehen hier im Mittelpunkt. Das Kapitel widmet sich insbesondere dem Transfer von industrial education nach Afrika. In Kapitel 3 wird zum einen die Außenpolitik der USA in bezug auf den afrikanischen Kontinent beleuchtet. Hierbei geht es insbesondere um die Partizipation von Afroamerikanern an afrikapolitischen Entscheidungen der US-amerikanischen Regierung und die Formulierung eigener politischer Konzepte. Zum anderen werden auch die wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten afroamerikanischer Geschäftsleute untersucht, und es wird der Frage nachgegangen, inwieweit African Americans eigenständige Initiativen entwickelten und Projekte wie beispielsweise die Einrichtung von Handelsgesellschaften und Schifffahrtslinien zu realisieren versuchten. Kapitel 4 widmet sich der protestantischen Missionsbewegung als zentralem Bindeglied zwischen den USA und Afrika im 19. Jahrhundert. Die Rolle afroamerikanischer Missionarinnen und Missionare als kultureller Mittler innerhalb dieser von weißen Amerikanern dominierten Missionsbewegung steht hierbei im Mittelpunkt. Das Kapitel wird ergänzt durch biografische Kurzporträts afroamerikanischer und afrikanischer Missionsangehöriger, die nach einem Studium an einem black College in den USA ihre erworbenen Kenntnisse in Afrika vermittelten. Kapitel 5 beschäftigt sich mit der Rolle der USA bei der Schaffung des „Kongo Freistaates" durch den belgischen König Leopold II. und mit der Teilnahme an der Berliner Afrika-Konferenz. Hier geht es um die Motivsuche für das US-amerikanische Engagement in Zentralafrika in den letzten zwei Dekaden des 19. Jahrhunderts auf dem Hintergrund einer eher isolationistischen Außenpolitik. Kapitel 6 steht ganz im Zeichen der American Presbyterian Congo Mission (APCM) und ihres berühmtesten Missionars William Sheppard. Am Beispiel der APCM werden das Zusammentreffen (missionary encounter) von Missionaren und afrikanischer Bevölkerung sowie die alltägliche Missionsarbeit untersucht und die Schwierigkeiten der Zusammenarbeit zwischen schwarzen und weißen Amerikanern in einer sogenannten integrated mission analysiert, die offiziell die Gleichstellung all ihrer Missionare, unabhängig von der Hautfarbe, propagierte. Das Kapitel widmet sich auch dem Beitrag der APCM und ihrer Missionare bei der Aufdeckung und Bekämpfung der Greueltaten an der Kongo-Bevölkerung, die durch Vertreter der Kolonialmacht
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Einleitung
gemeinsam mit Agenten belgischer Handelsgesellschaften verübt wurden. Kapitel 7 bietet eine kritische Bestandsaufnahme der amerikanischen Kongo-Reformbewegung und setzt sich mit der „anti-kolonialen" Rolle der USA in Afrika auseinander. Das Kapitel schließt mit einer Analyse der unterschiedlichen Positionen afroamerikanischer Missionare zu den Ereignissen im Kongo und zur Kolonialherrschaft in Afrika insgesamt. Die „Kongo Greuel" waren Ausgangspunkt für eine kritische Überprüfung des europäischen Kolonialismus, der bis dahin von der Mehrheit der African Americans als Garant für die Einführung von „Zivilisation" und Christentum in Afrika angesehen wurde.
Anmerkungen 1
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3 4 5
6
7 8
9 10
John Henry Smyth an Secretary of State Freylinghuysen, 2.10.1882, Dispatches from United States Ministers to Liberia, 1863-1906, Roll 7-9, May 9-1882-October 7, 1884, zit. in: Adelaide Cromwell Hill/Martin Kilson (Hg.), Apropos of Africa. Sentiments of Negro American Leaders on Africa from the 1800s to the 1950s. London 1969: 96/97. Der Afroamerikaner Smyth war General-Konsul in Monrovia zwischen 1878-1881 und 1882-1885. Norbert Finzsch, Die Kolonisierungsbewegung von African Americans in Liberia bis zum Amerikanischen Bürgerkrieg (1816-1866). In: Laurence Marfaing/Brigitte Reinwald (Hg.), Afrikanische Beziehungen, Netzwerke und Räume. Münster et.al. 2001: 39. Siehe Paul Gilroy, The Black Atlantic. Modernity and Double Consciousness. Cambridge, Mass. 1993. Alex Lichtenstein, Middle Passages. The Transatlantic History of Black Methodism. In: Transition 72 (1996) :137. Auf eine gleichzeitige Nennung der weiblichen Form wird aus sprachlichen Gründen verzichtet bzw. nur dann vorgenommen, wenn geschlechtsspezifische Differenzierungen thematisiert werden. George Washington Williams, History of the Negro Race in America from 1619 to 1880. Negroes as Slaves, as Soldiers, and as Citizens. 2 Bde. New York 1882. Der afroamerikanische Historiker John Hope Franklin hat Williams' Leben und Werk eine eindrucksvolle Biographie gewidmet. Siehe ders., George Washington Williams: A Biography. Chicago 1985. Zu Williams siehe Kapitel 5. 1926 wurde ebenfalls von Carter Woodson das Negro History Bulletin gegründet, eine Zeitschrift, die neben Lehrern und Studenten ein breiteres Publikum ansprechen sollte. Ausgangspunkt war August Meiers Vortrag auf dem Jahrestreffen der American Historical Association 1974 in Chicago. Siehe August Meier, Afro-American History in the Age of the Civil Rights Movement, Paper, American Historical Association Annual Meeting, Chicago 1974. Einen guten Überblick zur afroamerikanischen Geschichtsschreibung gibt der Sammelband von Darlene Clark Hine (Hg.), The State of Afro-American History. Past, Present, and Future. Baton Rouge/London 1986. Zu den Arbeiten von und über Du Bois siehe Literaturverzeichnis. James T.Campbell, Songs of Zion. The African Methodist Episcopal Church in the United States and South Africa. New York/Oxford 1995; George M. Frederickson, White Supremacy. A Comparative Study in American and South African History. Oxford et.al. 1981, und ders., Black Liberation. A Comparative History of Black Ideologies in the United States and South Africa. New York/Oxford 1995.
KAPITEL 1
„ What is Africa to me?"1 - Afroamerikaner und ihr Verhältnis zu Afrika im 19. Jahrhundert
„Over the years, American Negroes have displayed a broad range of views and attitudes about Africa, many of them laden with considerable ambivalence.... Practically universal among articulate 19th century Negroes was a pride in the accomplishments of ancient Africa, particularly Egypt. Equally universal was the view of contemporaiy Africa as heathen and savage."2
Die Beziehungen der Afroamerikaner zum afrikanischen Kontinent lassen sich nicht mit einem klaren Begriff charakterisieren. Wie August Meier und Elliot M. Rudwick ausfuhren, existierten konträre Vorstellungen und Bilder von Afrika, die diese beeinflußten. Einerseits wurden mit Afrika Hoffhungen auf eine selbstbestimmte Zukunft verbunden, und andererseits schien die apodiktisch festgeschriebene „Rückständigkeit" und „Ungezähmtheit" Afrikas gegen eine nähere Verbindung zu sprechen. Abgesehen von den widersprüchlichen Gefühlen zum Kontinent der Vorfahren, variierten die Bedeutung und der jeweilige Stellenwert, den Afrika im Leben der African Americans einnahmen, in Abhängigkeit von den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen im afroamerikanischen Amerika. Der Kampf um die Bürgerrechte, der erst in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts gewonnen werden konnte, bestimmte im wesentlichen den Grad der Identifikation mit Amerika. Der lange Zeit unerfüllte Wunsch nach citizenship führte zu einer stärkeren transnationalen Ausrichtung auf der Suche nach einer Heimat und einer Identität. Die Afroamerikaner verstanden sich als Teil der internationalen black community, der afrikanischen Diaspora. Im folgenden werden die verschiedenen Phasen der Annäherung und Abgrenzung, die das afroamerikanisch-afrikanische Verhältnis prägten, vorgestellt und in ihren vielfältigen Ausprägungen analysiert.
Annäherung und Abgrenzung: Die Debatte um Kolonisation und Re-emigration Die neuere Forschung stellt den globalen bzw. transnationalen Charakter dieses Verhältnisses in den Vordergrund und verweist darauf, daß viele afroamerikanische Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts sich als Teil einer internationalen black community, der afrikanischen Diaspora, definierten. Hierzu zählen auch frühe Vertreter der black studies, wie z.B. Carter Woodson, der die Gemeinsamkeiten und die Ein-
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Kapitel 1
heit aller Menschen afrikanischer Herkunft hervorhob.3 Die Betonung der diasporischen Identität der schwarzen Amerikaner und des afroamerikanischen Internationalismus verdeckt jedoch den Blick für die starke Ambivalenz gegenüber Afrika und das ausgeprägte nationale Bewußtsein vieler Afroamerikaner, die sich als Amerikaner definierten und die USA als ihre Heimat betrachteten. Die Hinwendung zum Kontinent der Vorfahren war eng verknüpft mit der jeweiligen Lebenssituation der Afroamerikaner innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. In den Phasen starker politischer Unterdrückung nahmen ihr Interesse am afrikanischen Kontinent und das Bedürfnis zu, darin ihre eigentliche Heimat zu finden. Dies galt z.B. für den Zeitraum um 1850, als die Einführung des Fugitive Slave Law für Sklaven wie für freie Schwarze zur Bedrohung ihrer Existenz führte. Das Scheitern der Reconstruction und die Durchsetzung der Jim-Crow-Laws nach 1877 leiteten eine weitere Periode der nordamerikanischen Geschichte ein, in der viele Afroamerikaner ihre Lebensgrundlage bedroht sahen. Der afrikanische Kontinent trat dagegen in denjenigen Phasen in den Hintergrund, die denen die African Americans eine Perspektive für eine gesicherte Zukunft in den USA sahen. Eine solche Situation entstand im Verlauf und nach dem Ende des Bürgerkriegs, als die Abschaffung der Sklaverei und die Verleihung der Bürgerechte bei den Afroamerikanern großen Optimismus im Hinblick auf ihren künftigen gesellschaftlichen Status auslösten. Die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Situation auf dem afrikanischen Kontinent und dessen Bedeutung als Herkunftsort der Vorfahren stand in einem grundsätzlichen Zusammenhang mit dem Kampf der schwarzen Amerikaner um Gleichberechtigung, soziale Anerkennung und wirtschaftliche Prosperität in den USA. Das Auf und Ab der afroamerikanisch-afrikanischen Beziehungen kann folglich nur vor dem Hintergrund der spezifischen Erfahrungen schwarzer Amerikaner in der Diaspora erklärt werden. Ungeachtet der wechselnden Intensität in der afroamerikanischen Beschäftigung mit dem afrikanischen Kontinent verschwand dieser jedoch zu keinem Zeitpunkt völlig aus dem Blickwinkel der schwarzen Amerikaner, „...there has always been a deep interest, on the part of some Negro Americans, in Africa, its past and present as well as its future."4 Allerdings existierte keine fest gefügte Meinung Uber den afrikanischen Kontinent unter den interessierten Afroamerikanern, sondern es gab vielfältige Ansichten und Einstellungen, wenn es um das Schicksal Afrikas und die afroamerikanische Verantwortung für den der Vorfahren ging: „Blacks have never spoken with one voice about Africa's heritage or about their own responsibility to their ancestral homeland."5 In dem facettenreichen Afrikabild, wie es Harold R. Isaacs im folgenden beschreibt, spiegelt sich die Vielschichtigkeit der afroamerikanischen Beziehungen zu Afrika wider.
Afroamerikaner und ihr Verhältnis zu Afrika im 19. Jahrhundert
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„Down through the generations Africa has persisted as a hazy presence in the universe of Negro Americans, an image now receding, now advancing, taking on different shapes, occupying different places in Negro mental landscapes. Now it is the ancestral land, dimly known, forgotten, denied, or thrust away both as a place and a memory, dark, torrid, dangerous, a deeply unwanted piece of oneself. Or now it is ... a savage- heathen land awaiting a tardy redemption... Or again, it is the shadowy wisp of a far past, nostalgically or romantically remembered, or woven unrecognized into bits and corners of a great folklore. Or a promised land, refuge from present evil, the land of manhood and nationhood restored..."6 Die Arbeiten des weißen Soziologen Isaacs waren umstritten. 1961 hatte er in einem Artikel im New Yorker behauptet, es bestehe „a deep pool of prejudice between Africans and American Negroes. ... The black American was more of an alien in black Africa than he was in white America". 7 Andere (weiße) Journalisten nahmen Isaacs' Anmerkungen auf und bestätigten den schwierigen Umgang zwischen schwarzen Amerikanern und Afrikanern. Führende afroamerikanische Wissenschaftler, wie der Pädagoge Horace Bond, übten hingegen harsche Kritik an diesen Äußerungen und beklagten das Stereotyp vom „Schwarzen" in Amerika, der schwarze Afrikaner nicht leiden könne. Dahinter stünde - so Bond - der Wunsch des weißen Amerika, die bestehende Einheit zwischen Afrikanern in der Diaspora und in Afrika auseinander zu dividieren.8 Wie war es tatsächlich um diese immer wieder beschworene Einheit bestellt? Trotz der berechtigten Einwände von Bond und anderen, die das einseitige Afrikabild Isaacs kritisierten, muß auch konstatiert werden, daß es unter den African Americans viele gab, die ein sehr ambivalentes Verhältnis zum afrikanischen Kontinent entwickelt hatten. Ihnen fiel es schwer, Afrika uneingeschränkt positiv darzustellen. Die afroamerikanisch-afrikanischen Beziehungen waren durch den Vorwurf von sehen der Afroamerikaner belastet, es seien die Vorfahren der Afrikaner selbst gewesen, die ihre eigenen Landsleute als Kriegsgefangene der Sklaverei ausgesetzt bzw. als Sklaven verkauft hätten. Frederick Douglass, einer der bedeutendsten schwarzen Abolitionisten und zeitlebens vehementer Kritiker der afroamerikanischen Emigration nach Afrika, drückte schon 100 Jahre vor Isaacs seine ablehnenden Gefühle gegenüber dem afrikanischen Kontinent folgendermaßen aus: „Depend upon it, the savage chiefs of the Western coasts of Africa, who for ages have been accustomed to selling their captives into bondage, and pocketing the ready cash for them will not more readily accept our moral and economical ideas than the slave traders of Maryland and Virginia. We are, therefore, less inclined to go to Africa to work against the slave trade than to stay here to work against it."9
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Andere klagten nicht nur ihre Vorfahren für deren Taten an, sondern waren beschämt über deren Existenz als Sklaven, wie ein anonym gebliebener Afroamerikaner 1926 in einem Brief bekannte: „I have no pride of ancestiy to point back to. Our forefathers did not come here as did the Pilgrim fathers in search of a place where they could enjoy civil and religious liberty. No - they were cowardly enough to allow themselves to be brought manacled and fettered as slaves, rather than die on their native shores resisting their oppressors."10 Einige afroamerikanische Führungspersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts versuchten, die traumatischen Erfahrungen der Versklavung positiv zu bewerten, und wiesen darauf hin, daß sie dank ihrer Versklavung in den USA die Zivilisation erleben durften. Zu ihnen zählte Henry McNeal Turner, Bischof der African Methodist Episcopal Church, der die Versklavung als eine Gottesentscheidung interpretierte: „God brought the Negro to America ... and Christianized him so that he might go back to Africa and redeem that land."11 Auch Booker T. Washington, Leiter des 1881 gegründeten Tuskegee Institute, argumentierte, die Sklaverei sei auch nützlich für die Afroamerikaner gewesen, habe sie ihnen doch praktische und intellektuelle Fähigkeiten vermittelt und Arbeitsmoral gelehrt: „... notwithstanding the cruelty and moral wrong of slaveiy, the ten million Negroes inhabiting this country, who themselves or whose ancestors went through the school of American slavery, are in a stronger and more hopeful condition, materially, intellectually, morally, and religiously, than is true of an equal number of black people in any other portion of the globe."12 Die Bedeutung der Sklaverei als identitätstiftendes Element, das die Afrikaner in der Diaspora zu Amerikanern macht, hat sich in den letzten Jahren unter dem Begriff Slavocentrism als Gegenkonzept zum Afrocentrism entwickelt. Ihre Vertreter, unter ihnen der Journalist Keith Richburg und der Autor Douglass Turner Ward, sind überzeugt, daß die Afroamerikaner nach 200 Jahren in Amerika Afrika nicht mehr benötigen, um sich ihrer Identität zu versichern. Richburg ist seinen Vorfahren dankbar für ihr „getting out".13 Während die Mehrheit der schwarzen Amerikaner im 19. Jahrhundert eine indifferente Haltung gegenüber dem afrikanischen Kontinent einnahm, gab es auch eine Gruppe, die eine völlige Loslösung von Afrika anstrebte und jegliche Kontakte zum Kontinent ihrer Vorfahren ablehnte. Allerdings mußte diese feststellen, daß der Versuch der Assimilierung in die weiße amerikanische Gesellschaft eine Illusion blieb. Aufgrund ihrer Herkunft wurden sie von den weißen Amerikanern nur äußerst selten als gleichwertig und gleichberechtigt angesehen. Immer wieder stellten sie fest, daß Afrikas geringes Ansehen und untergeordnete Rolle in der Welt auf sie zurückfiel. Im Gegensatz zu vielen eingewanderten ethnischen Gruppen in den USA (z.B.
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Italiener, Iren) blieben sie ebenso machtlos wie der Kontinent, von dem sie stammten, „and as they contemplated struggling for freedom and equality within the United States, they felt that they had to do something about the status of Africa in the global system. The two processes were inseparably linked and had to be dealt with as such."14 Während die Rückkehr nach Afrika als Vision stets vorhanden war, entwickelten sich um die konkrete Umsetzung in Form von Auswanderung (Re-emigration) bzw. Kolonisation hitzige Debatten. Unter afroamerikanischen Intellektuellen gab es sowohl vehemente Befürworter wie überzeugte Gegner der Kolonisation. Während die einen die Meinung vertraten, die Afroamerikaner müßten für ihre Rechte in den USA kämpfen, sahen die anderen für die Schwarzen keine Zukunft im weißen Amerika. Der afrikanische Kontinent spielte nur eine untergeordnete Rolle in dieser Diskussion um das Für und Wider der Rückkehr in das Land der Vorfahren. Die konkrete Hinwendung zu Afrika und der Entschluß, sich dort anzusiedeln, entsprangen in erster Linie dem Wunsch, der Repression in den USA zu entgehen und sich im Land der Vorfahren eine unabhängige, selbstbestimmte und ökonomisch gesicherte Existenz aufzubauen. Henry Highland Gamets Ziel war ein „grand center of Negro nationality from which shall flow the streams of commercial, intellectual, and political power which shall make colored people respected everywhere."15 Die Diskussion um die Rückkehr nach Afrika spaltete das schwarze Amerika in „back-to-Africanists" und „stay-at-homes". Anti-Emigrationisten wie Frederick Douglass waren der Ansicht, das Schicksal der Afroamerikaner sei für immer mit dem des weißen Amerika verbunden. „We are here and here we are likely to be. To imagine that we shall ever be eradicated is absurd and ridiculous... this is our country."16 John B. Russwurm, der als erster Afroamerikaner 1826 einen akademischen Abschluß an einem amerikanischen College machen konnte, schätzte die Lage hingegen sehr viel pessimistischer ein und sah für die schwarzen Amerikaner nur eine Zukunft in Afrika: „We have carefully examined the different plans now in operation for our benefit, and none, we believe, can reach half so efficiently the masses as the plan of colonization on the West coast of Africa." 17 Zeitweilig verlief die Diskussion zwischen den Anhängern und Gegnern der Kolonisation bzw. Emigration sehr kontrovers. Nicht selten wurden die Befürworter der Kolonisation zu naiven Feiglingen degradiert oder sogar als Verräter gebrandmarkt.18 Aufgrund dieser Negativpropaganda, die einzelne Vertreter der afroamerikanischen Führungsschicht in den von African Americans herausgegebenen Zeitungen betrieben, erlahmte vorübergehend in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Back-to-Africa-Bewegung. Mit dem Fugitive Slave Act von 1850 und der vorangegangenen Unabhängigkeitserklärung Liberias 1847 erhielt die Bewegung jedoch neuen Auftrieb. Eine Reihe einflußreicher schwarzer Amerikaner überdachte ihren
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Anti-Emigrations-Standpunkt. So z.B. der Pastor und Abolitionist Henry Highland Gamet, der in der Emigration zunehmend die größte Chance für die wirtschaftliche und politische Selbstverwirklichung der Afroamerikaner sah.19 1848 äußerte er gegenüber Frederick Douglass: „I hesitate not to say that my mind of late has greatly changed in regard to the American Colonization scheme. I would rather see a free man in Liberia than a slave in the United States."20 Auch Martin Robison Delany, eine der führenden Persönlichkeiten innerhalb der Abolitionsbewegung, revidierte seine grundsätzliche Ablehnung gegenüber der Emigration, hielt allerdings Liberia wegen der Nähe zur African Colonization Society als Siedlungsregion für ungeeignet. Die Befürworter der Emigration beschränkten sich bei der Suche nach einer geeigneten Zielregion anfangs nicht auf den afrikanischen Kontinent. Neben Westafrika und Zentralafrika wurden Kalifornien, Zentral- und Südamerika, Mexiko und die Westindischen Inseln als potenzielle Siedlungsgebiete in Betracht gezogen. Die Begriffe Kolonisation und Auswanderung (Emigration) werden in der Literatur nicht immer genau getrennt bzw. auch synonym verwendet. Der Anthropologe Elliott P. Skinner beispielweise bezeichnet in seiner Schilderung von Paul Cuffes Auswanderungsunternehmung die ausreisewilligen Afroamerikaner sowohl als emigrants wie auch als colonists21 Andere Autoren sind hingegen um eine Differenzierung der Begriffe bemüht. Über 20 Jahre vor Skinner unterscheidet der Historiker Theodore Draper in seiner Ende der 1960er Jahre erschienenen Arbeit The Rediscovery of Black Nationalism zwischen colonization als einer von Weißen initierten und organisierten Unternehmung und emigration, die er als afroamerikanische Version der Auswanderungsbewegung interpretiert. Er streitet die Beteiligung schwarzer Amerikaner an weißen Auswanderungsprogrammen nicht ab, betont aber, daß die Idee der Kolonisation freigelassener Sklaven an einem Ort fern von den USA von weißen Persönlichkeiten wie Thomas Jefferson entwickelt wurde, die ein gemeinsames Zusammenleben beider Rassen für unmöglich erachteten.22 Drapers Versuch der Trennung zwischen weißen und schwarzen Formen und Beweggründen von „back-to-Africa movements" hatte ideologische Gründe und erklärt sich aus der Rückbesinnung auf die afrikanischen Wurzeln in den 1960er Jahren, in denen die Rückkehr nach Afrika als afroamerikanische Bewegung dargestellt wurde. Edwin Redkey betrachtet Kolonisation und Emigration als zwei separate, aber parallele Traditionen, die sich zeitweise vermischten. „Colonization was essentially a white man's solution to the race problem and emigration was a black nationalist answer."23 Die nach Afrika re-emigrierenden Afroamerikaner verstanden sich im Verlauf des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entweder als colonists oder auch als etnigrationists. Im folgenden wird insbesondere auf die individuelle Verwendung beider Begriffe in den Lebensgeschichten der betroffenen Afroamerikaner Rücksicht genommen.
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Viele Emigrationswillige verbanden mit dem Leben auf dem afrikanischen Kontinent Vorstellungen von „Rückständigkeit, Heidentum und Barbarei". Es herrschte die weitverbreitete Meinung, die African Americans hätten die Verpflichtung bzw. wären dazu auserkoren, dem afrikanischen Kontinent die Erlösung zu bringen. So unterschiedliche Persönlichkeiten wie Crummell, Delany und Garnet waren Vertreter einer ethnozentrischen Sichtweise, nach der Afrika der Welt nicht viel zu geben hätte, sondern ihrer Hilfe bedürfe. Alle drei reisten in unterschiedlichen Phasen ihres Lebens nach Afrika, um zur Erlösung des Kontinents ihrer Vorfahren durch „Christianity, civilization and commerce" beizutragen.24 Die heutige, nicht nur von Afrozentristen vertretene Ansicht, daß die afrikanische Geschichte und Kultur die Grundlagen afroamerikanischen Lebens in den USA bildeten, war für die Mehrheit der Afroamerikaner im 19. Jahrhundert kaum nachvollziehbar.25 Die Betonung ihrer eigenen kulturellen Überlegenheit hinderte die schwarzen Amerikaner lange Zeit daran, in einen echten Dialog und in Beziehung mit den Afrikanern zu treten. Durch ihren Ethnozentrismus war es ihnen, wie Kwame Appiah formuliert, unmöglich, „to see virtue in Africa, even though they needed Africa, above all else, as a source of validation".26 Denn trotz der ambivalenten Haltung gegenüber Afrika war die Bedeutung des Kontinents als mystischer Ort der Vorfahren fest verankert in den Vorstellungen deijenigen, die gezwungen waren, in der Diaspora eine neue Existenz zu finden. Die Rückbesinnung auf eine glorreiche Vergangenheit, wie sie sich in der Geschichte Ägyptens und Äthiopiens manifestierte, war eine Möglichkeit, die aus afroamerikanischer Sicht beschämende Gegenwart Afrikas auszublenden. Erklärungen für den „erbarmungswürdigen Zustand" Afrikas und seiner Bewohner gab George Washington Williams in seiner zweibändigen History of the Negro Race, die 1882 erschien.27 Williams behauptete, die Afrikaner des antiken Ägypten wären durch ihre Migration in das durch Malaria verseuchte Westafrika über die Jahrhunderte „degeneriert". Er führte weiter aus, daß die Mehrzahl der afrikanischen Königreiche nicht auf dem politischen Geschick weiser Herrscherpersönlichkeiten basierten, sondern durch gewaltsame Kriege entstanden seien. Die Polygamie habe dazu beigetragen, daß die Frauen ihrer Schönheit beraubt und zu Opfern männlicher Leidenschaften herabgewürdigt wurden. Vor diesem Hintergrund sei auch die Regression zu erklären, die die Afrikaner dazu verleitet habe, ihr eigenes Volk in die Sklaverei zu verkaufen. Williams harsche Kritik an den Afrikanern gipfelte in folgenden Ausführungen: „His brightest days was when history was an infant... [but he ] gradually degenerated into the typical Negro. His blood infected with the poison of his low habitation, his body shrivelled by disease, his intellect veiled in pagan superstitions, his noblest yearnings of his soul strangled at birth by the savage passions of a nature abandoned to sensuality - the poor Negro of Africa deserves more our pity than our contempt."28
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Obwohl nicht alle African Americans ein so düsteres Afrikabild malten wie Williams, muß festgehalten werden, daß unvoreingenommene Beschäftigung mit dem Kontinent der Vorfahren nur selten stattfand. Auch Forschungsreisen wie die von Martin R. Delany und Robert Campbell in das Nigertal (1859) änderten nur wenig an einem weit verbreiteten Desinteresse an Afrika.29 Die Kritik an der damaligen Situation in Afrika fUhrte zu einer Verklärung der afrikanischen Vergangenheit. Afroamerikaner, die sich auf ihre afrikanischen Wurzeln beriefen, verwiesen auf Ägypten und die einstigen großen Reiche Westafrikas, wie Mali und Benin. Wenn möglich, betonten sie ihre aristokratische Abstammung, wie Henry Highland Garnet, der auf einen Mandingo-Herrscher als Großvater zurückblicken konnte.30
Anfänge afroamerikanisch-afrikanischer Beziehungen Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wurden unter den free blacks an der amerikanischen Ostküste konkrete Pläne für eine Emigration nach Afrika entwickelt. Waren es zu Anfang nur Einzelpersonen, die die Idee des „African return" ernsthaft diskutierten, formierten sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts unterschiedliche „Backto-Africa-Bewegungen".31 Der erste Afroamerikaner, dem es aus eigener Kraft gelang, die RückUbersiedlung einer Gruppe von Emigrationswilligen in die Tat umzusetzen, war Paul Cuffe. Er war der Sohn einer indianischen Mutter und eines afrikanischen Vaters, wurde als freier Schwarzer 1759 in Massachusetts geboren und erlangte als Kaufmann und Schiffseigner beträchtlichen Wohlstand. Trotz seiner vergleichsweise gut situierten Stellung innerhalb der amerikanischen Gesellschaft sah er mit Sorge, daß die nach dem Unabhängigkeitskrieg 1782 von den free blacks erworbenen Rechte, wie der Besuch öffentlicher Schulen und ungehinderte Reisemöglichkeiten zwischen den einzelnen Bundesstaaten, Schritt für Schritt wieder zurückgenommen wurden.32 1811 unternahm Cuffe eine erste Erkundungsreise in die neu gegründete englische Kolonie Sierra Leone, in der Hoffnung, den transatlantischen Sklavenhandel durch den Aufbau eines Handelsnetzes zwischen Afrika, den USA und England zerstören zu können. 1815 organisierte und finanzierte Cuffe die Reise einer kleinen Gruppe von sieben ausreisewilligen schwarzen Familien nach Sierra Leone. Durch die Ansiedlung von Afroamerikanern versuchte er, nicht nur seine Handelsinteressen voranzutreiben, sondern auch den Afrikanern das Christentum und damit die „Zivilisation" nahezubringen. Als überzeugter Quäker maß Cuffe den Afroamerikanern bei der Christianisierung und „Zivilisierung" des afrikanischen Kontinents eine entscheidende Rolle bei. Diese Gleichsetzung von Christentum und Zivilisation prägte die afroamerikanische Auseindersetzung mit Afrika und entwickelte sich im
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Laufe des Jahrhunderts durch den Einsatz von schwarzen Missionaren zeitweise zum bestimmenden Element für das Verhältnis zu Afrika. Cuffes weitere Emigrationsprojekte blieben unverwirklicht, da er im September 1817 in Boston verstarb.33 Vor dem Bürgerkrieg hatten Afroamerikaner in den USA nur selten die Gelegenheit, in direkten Kontakt mit Afrikanern zu treten und neue bzw. differenzierte Kenntnisse über Afrika zu gewinnen. Erst als Ende der 1860er Jahre eine Reihe von so genannten black colleges fur die Ausbildung ehemaliger Sklaven gegründet wurden, erhielten auch einige Afrikaner die Möglichkeit, an einer amerikanischen Bildungseinrichtung zu studieren. Obwohl ihre Zahl begrenzt blieb, bewirkten die afrikanischen Studenten dennoch eine Verbesserung im afroamerikanischen Verständnis der Probleme in Afrika. Die Begegnung zwischen afrikanischen und afroamerikanischen Studenten führte jedoch nicht grundsätzlich zu einer Relativierung von Vorurteilen, da die Afrikaner, bei denen es sich in der Regel um Absolventen christlicher Missionsschulen handelte, teilweise auch das gängige Bild vom „unzivilisierten" Afrika bestätigten. Bespielsweise schilderte der junge Sherbro Claudius Clements die Kleidungsgewohnheiten in seiner Heimat mit folgenden Worten: „...one is clad from head to foot, the other is simply naked as there in the day when he disobeyed his God. For then ,they' sew themselves leaves and made aprons, while these have clothes tied about them. It would be an interesting sight for a Naturalist."34 In den Dekaden vor dem Bürgerkrieg waren Ereignisse wie die Revolte auf dem Sklavenschiff La Amistad dazu angetan, den afrikanischen Kontinent für einige Zeit in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken, gleichzeitig offenbarten sie jedoch die Fragilität der Beziehungen zwischen den African Americans und Afrika. Die Meuterei auf der Amistad erfuhr sowohl auf Seiten der afroamerikanischen Bevölkerung als auch der weißen Amerikaner eine beträchtliche Aufmerksamkeit.35 Beide Bevölkerungsteile nahmen großen Anteil am Schicksal der afrikanischen Meuterer und an dem darauf folgenden Prozeß, der schließlich drei Jahre später mit der Freisprechung der Afrikaner endete.36 Der jahrelange Prozeß um die Amistad bot den Afroamerikanern die Möglichkeit, Informationen aus erster Hand über den Kontinent ihrer Vorfahren zu erwerben. Die Zeitungen berichteten ausführlich über die Gefangenen, die den Ethnien der Mende und Temne angehörten. Der Rebellenführer Sengbe Pieh stand dabei im Mittelpunkt des Interesses. Er wurde unter dem Namen Joseph Cinque zum Helden der Amistad-Revolte stilisiert und in eine Reihe mit Demark Vesey, Nat Turner and Toussaint L'Ouverture gestellt. Henry Highland Garnet beschrieb Cinque, den schwarzen Prinzen, wie er in der Presse tituliert wurde, mit den folgenden Worten: „Next arose the immortal Joseph Cinque, the hero of the Amistad. He was a native African, and by the help of God he emancipated a whole ship-load of
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his fellow men on the high seas. And he now sings of liberty on the sunny hills of Africa and beneath his native palm-trees, where he hears the lion roar and feels himself as free as that king of the forest."37 Garnets Beschreibung ist nicht frei vom Stereotyp des glücklichen, singenden Afrikaners. Die Verbindung von Sengbe Pieh mit einem Tier - wenn auch mit dem „König der Tiere" - offenbart ein Überlegenheitsgefühl und eine äußerst chauvinistische Haltung der Afroamerikaner gegenüber ihren afrikanischen „Brüdern". Die Unterstützung der afrikanischen Gefangenen durch finanzielle Zuwendungen und geistigen Beistand bot den Afroamerikanern die Chance, ihre Nähe zum Land der Vorfahren und ihre Verantwortung für die Brüder und Schwestern in Afrika zu demonstrieren, ohne ihre Verbundenheit mit Amerika als Heimat aufzugeben. Trotz der großen Bedeutung des christlichen Missionierungsgedankens, der in den folgenden Kapiteln näher untersucht wird, spielten der Handel und der Aufbau von Handelsbeziehungen bereits vor dem Bürgerkrieg eine nicht zu unterschätzende Rolle innerhalb der afroamerikanisch-afrikanischen Beziehungen. Die Christianisierung und die damit untrennbar verbundene „Zivilisierung" Afrikas wurden dabei als wichtige Voraussetzungen für die Schaffung intensiver Wirtschaftsbeziehungen betrachtet. Afroamerikaner traten als Agenten des legitimate trade38 auf und bemühten sich, Gesellschaften zu etablieren, die der Intensivierung des Handels mit Afrika dienten. Zu dieser Gruppe der „Entrepreneurs" zählte auch Henry Highland Garnet, der 1858 die African Civilization Society mit begründete, die sich nicht nur die Evangelisierung und „Zivilisierung" Afrikas auf ihre Fahnen geschrieben hatte, sondern auch den Anbau von Baumwolle und anderen Produkten in Westafrika für den Export nach Amerika anstrebte.39 Den Aufbau von Wirtschaftskontakten und auch die Erkundung von Siedlungsmöglichkeiten hatte Martin Robison Delany im Auge, als er sich 1859 auf eine Forschungsreise in das Gebiet der Yoruba im Westen des heutigen Nigeria begab. Berichte von Forschern über Westafrika stießen in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts auf großes Interesse und führten 1858 zur Gründung der Niger Valley Exploring Party, deren Leitung Delany übernahm.40 Langfristige Ziele dieser Unternehmungen waren der Ausbau und die Verbesserung der Baumwollproduktion in Westafrika mit Hilfe afroamerikanischer Emigranten. Damit war die Hoffnung verbunden, die Profite der amerikanischen Baumwollproduzenten, die auf Sklavenarbeit basierten, zu minimieren und dadurch die Abschaffung der Sklaverei voranzutreiben. Garnet und Delany erkannten schon früh die Bedeutung Afrikas als Rohstoffproduzent und als Absatzmarkt für amerikanische Waren. In ihren Plänen wiesen sie der afrikanischen Bevölkerung die Funktion von Produzenten und Konsumenten zu, während die Afroamerikaner ihre Aufgaben vornehmlich im Bereich von Management und Vermarktung sahen. Delany und
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Garnet scheiterten letzendlich mit der konkreten Umsetzung ihrer Ideen, aber sie eröffneten den Afroamerikanern neue Perspektiven in bezug auf mögliche Kooperationen mit dem Kontinent der Vorfahren. Innerhalb der black community verlieh das Programm der Africani Civilization Society der Debatte um die Emigration neue Impulse.41 Drei Zielsetzungen sollten nach diesem Programm das Verhältnis der Afroamerikaner zum afrikanischen Kontinent bestimmen: die Eliminierung des Systems der Sklaverei durch den Aufbau von afroamerikanisch-afrikanischen Handelskontakten, die Evangelisierung und „Zivilisierung" Afrikas durch afroamerikanische Kirchen und die Errichtung eines block state in Afrika, der den Ausreisewilligen eine sichere, unabhängige Existenz sichern sollte. Hierbei läßt sich keine klare Trennungslinie zwischen den eher pragmatischen und den moralischen bzw. religiösen Zielsetzungen ziehen. Die ökonomische Dimension gewann im Zuge der europäischen Kolonisation gegen Ende des 19. Jahrhunderts an Bedeutung, als African Americans sich bereit fanden, an der wirtschaftlichen Ausbeutung des afrikanischen Kontinents zu partizipieren. In diesem Zusammenhang sei nur auf Booker T. Washingtons Versuch verwiesen, mit Hilfe von Absolventen aus Tuskegee den Baumwollanbau in Togo zu verbessern. Washington scheute sich auch nicht, eng mit den deutschen Kolonialbehörden zusammenzuarbeiten. 42
Die American Colonization Society und die Gründung Liberias Einen ersten Anstoß erhielt die Diskussion um die Rückkehr nach Afrika durch die Gründung der American Colonization Society (ACS) Ende 1816. Die ACS fand Zustimmung bei den Plantagenbesitzern in den Südstaaten und konnte auf die Unterstützung einflußreicher weißer Persönlichkeiten zählen, wie u.a. die Kongreßabgeordneten Henry Clay aus Kentucky und John Randolph aus Virginia. Die - nicht öffentlich proklamierte - Absicht der ACS war es, sich der zum aktiven Widerstand bereiten Teile der afroamerikanischen Bevölkerung dadurch zu entledigen, daß sie deren Ansiedlung in Afrika förderten.43 Der erste Zielort der schwarzen Emigration war ein schmaler Landstreifen entlang der westafrikanischen Küste, der 1822 von den amerikanischen Einwanderern zur Republik Liberia erklärt worden war. Die ACS gewährte allen African Americans finanzielle Unterstützung, die zur Übersiedlung bzw. zur „Rückkehr" nach Afrika bereit waren. Aber der Kolonisationsaufruf der ACS (1816) stieß auf wenig Begeisterung bei der afroamerikanischen Bevölkerung. Der erste Bischof der African Methodist Episcopal Church (AME Church),44 Richard Allen, prangerte die Kolonisationsidee als „ill-conceived and nefarious" an, die letztendlich nur den Interessen der Sklavenhalter diente. 45 Unter den African
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Americans fand sich nur ein kleiner Prozentsatz bereit, die USA zu verlassen und nach Afrika zurückzukehren. Die ablehnende Haltung der Mehrheit der Afroamerikaner drückte sich in der kleinen Zahl von Emigrationswilligen aus. Weniger als 10 000 African Americans folgten dem Emigrationsaufruf der ACS bis zum Beginn des Bürgerkrieges. Die freien, relativ gut ausgebildeten Afroamerikaner, die von der ACS ursprünglich als Haupträger der Emigration auserkoren worden waren, verweigerten sich fast vollständig, und viele von ihnen traten in der letzten Dekade vor dem Bürgerkrieg als vehemente Gegner der Re-emigration hervor. Trotz der massiven Kritik an der Kolonisierungsidee erhofften sich doch einige Afroamerikaner in Liberia die Chance zur Errichtung einer neuen, unabhängigen Existenz. Hierbei handelte es sich teilweise um Sklaven, deren Bereitschaft zur Übersiedlung nach Westafrika mit ihrer Freilassung „belohnt" wurde.46 Die wirtschaftliche und insbesondere auch die emotionale Abhängigkeit der freigelassenen Sklaven von ihren ehemaligen Herren wirkte in Liberia fort und belegt die engen Bindungen der Afroamerikaner zu den USA. „The ex-slave settlers remained Americans, and their perceptions of Africa and her inhabitants, unfortunately for the success of assimilation thereafter, were those of the antebellum Southerner."47 Robert Weisbord verweist zum einen darauf, daß die afroamerikanischen Emigranten in Afrika häufig wegen ihrer falschen bzw. überzogenen Erwartungen enttäuscht wurden. Zum anderen hätte aber auch eine große Anzahl von ihnen in Afrika das Gefühl der Freiheit gefunden, das ihnen in Amerika versagt geblieben war.48 Die Aktivitäten der ACS trugen zu einem wachsenden Interesse an Liberia bei und beschleunigten die Gründung einer Reihe von weiteren regionalen Kolonisationsgesellschaften, mit deren Unterstützung sich kleine Gruppen von Ausreisewilligen an der Westküste Afrikas ansiedelten. So entwickelten sich neben der neu gegründeten Hauptstadt Monrovia und ihrem Umland insgesamt neun weitere Siedlungsgebiete, die nach der Herkunftsregion ihrer Zuwanderer z.B. „Maryland in Africa" oder „Mississippi in Africa" genannt wurden.49 Doch schon bald nach Ankunft der ersten Siedler kursierten Berichte über klimatische und wirtschaftliche Probleme und den wachsenden Widerstand der afrikanischen Bevölkerung gegen die gewaltsame Vereinnahmung ihres Territoriums durch die „Ameriko-Liberianer", wie sich die eingewanderten Afroamerikaner bezeichneten.50 In den ersten Jahrzehnten nach ihrer Ankunft zeigten die afroamerikanischen Siedler wenig Interesse an einer Annäherung an die indigene Bevölkerung, sondern pflegten weiterhin enge Kontakte zu Amerika. Sie importierten nicht nur Luxusgüter, sondern auch ihre Nahrungsmittel und Kleidung.31 Die Afrikaner fühlten sich in ihrer politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit eingeschränkt und durch die ameriko-liberianische Herrschaft zu kolonialen Objekten degradiert.52 Die afroamerikanischen Siedler bezeichneten die einheimi-
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sehe Bevölkerung mit Begriffen wie ,African natives", „savages", „heathen", „country people" oder „uncivilized population". Sie zeigten nur geringes Verständnis für die Kultur der Ethnien, in deren Herrschaftsgebiet sie sich niedergelassen hatten. In der Regel lehnten sie afrikanische Religionen als Heidentum und Götzenanbetung ab und ignorierten die bestehenden sozialen und politischen Institutionen. „They (die Ameriko-Liberianer, K.F.-S.) held land individually in contrast with the communal ownership of the African population. And their political institutions were modelled on those of America... So that in spite of their colour, they were, as a rule, as foreign, and lacking in sentimental attachment to Africa as were European colonialists elsewhere in Africa ,..".53 Auf der anderen Seite hegten auch die Afrikaner Vorurteile gegenüber den Neuankömmlingen aus Amerika. Nicht selten verhöhnten sie die Sklavenvergangenenheit der Siedler und betrachteten sie als ihnen kulturell nicht ebenbürtig. Ein amerikanischer Liberia-Besucher bemerkte 1844, die Kolonisten „would never recognize the natives otherwise than heathen" während „many of the natives look with contempt on the colonists and do not hesitate to tell them that they are merely liberated slaves."54 Die Anspielungen auf die Versklavung traf die Afroamerikaner an einem äußerst sensiblen Punkt und beeinträchtigte ihr Selbstwertgefühl. Es kann jedoch bezweifelt werden, daß sich aus dieser Kränkung heraus das Auftreten vieler amerikanischer Siedler in der Pose von Kolonialherren erklären läßt. Die Afroamerikaner erfuhren durch die Presse55 und durch die Berichte und Vorträge von Reisenden sowie zurückkehrenden Siedlern sowohl von der ablehnenden Haltung der Afrikaner als auch von den teilweise blutigen Auseinandersetzungen und von den Auswüchsen der ameriko-liberianischen Herrschaft. Die Kluft zwischen Afrikanern und eingewanderten schwarzen Amerikanern vertiefte sich dadurch, daß der einheimischen afrikanischen Bevölkerung jegliche Partizipation an der Regierung der seit 1847 unabhängigen Republik verweigert wurde. Obwohl von Seiten der verschiedenen Präsidenten Liberias immer wieder die Berücksichtigung der Interessen der indigenen Bevölkerung in Aussicht gestellt worden war, wurde erst 1874 eine begrenzte Mitsprache von Repräsentanten der unterschiedlichen Ethnien in der gesetzgebenden Versammlung der Republik eingeführt. Einzelne lokale Autoritäten erhielten durch Kooptation Zugang zum Repräsentantenhaus. Erst durch die Bedrohung der Grenzen Liberias durch die Gebietsansprüche der französischen Nachbarkolonien sah sich die ameriko-liberianische Regierung dazu veranlaßt, die Integration der gesamten Bevölkerung voranzutreiben. Unter der Regierung Barclays wurden den Afrikanern 1904 die vollen Bürgerrechte zugesprochen, der diskriminierende Status des „uncivilized citizen" wurde abgeschafft. Die späte Gewährung der Bürgerrechte für die afrikanische Bevölkerung erst über ein halbes Jahrhundert nach der Gründung der Republik Liberia zeugte von der diskriminierenden Haltung der
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Ameriko-Liberianer gegenüber der afrikanischen Bevölkerung. Ein Teil der Afroamerikaner hatte die USA verlassen, da ihnen die weiße Bevölkerungsmehrheit die vollen Bürgerrechte verweigerte. Als Siedler in Westafrika taten sie sich jedoch schwer damit, die indigene Bevölkerung als gleichberechtigte Bürger anzuerkennen, und sie versuchten diese Weigerung durch den Verweis auf die „afrikanische Rückständigkeit" und „Unzivilisiertheit" zu rechtfertigen. Die quasi-koloniale Herrschaft der Ameriko-Liberianer in Liberia wurde in den USA registriert und führte dazu, daß die Entwicklung in Liberia von vielen African Americans skeptisch betrachtet wurde und der Stolz und die Bewunderung für die unabhängige schwarze Republik sich mit Sorge und auch Unbehagen mischten. Die Spannbreite unterschiedlicher Wahrnehmungen und Erfahrungen der liberianischen Wirklichkeit illustrieren zwei Berichte, deren Autoren sich beide um 1850 in der Republik aufhielten. William Nesbit und Samuel Williams stammten beide aus Pennsylvania und erreichten mit demselben Schiff im Dezember 1853 Liberia. Während der fünfiinddreißigjährige Nesbit einen durchgängig negativen Eindruck von seinem viermonatigen Aufenthalt vermittelte, war der fünf Jahre ältere Williams darum bemüht, ein differenziertes Bild vom Alltag in Westafrika zu zeichnen. Nesbits Bericht erschien 1835 mit einem Vorwort von Martin R. Delany, und er bezeichnete Liberia darin als „complete fraud". Er beschuldigte die ACS, ihn nach Liberia gelockt zu haben, kritisierte die dilettantische Politik ihrer Vertreter vor Ort und ließ sich besonders abfällig Uber die Arbeit vieler Missionare aus, die er der Sklaverei und des Alkoholschmuggels bezichtigte. Gleichzeitig brachte er auch nur wenig Sympathien für die Bewohner und die Natur des westafrikanischen Landes auf. Er beklagte die harten klimatischen Bedingungen und die vielen Krankeiten. Besonders der Aberglaube und die angebliche Unzivilisiertheit der meist unbekleideten Afrikaner erregten sein Mißfallen und verstärkten seine Antipathie gegenüber Liberia.56 Samuel Williams war hingegen über vier Jahre als Missionar in Liberia tätig. Er bewertete die Möglichkeiten, die eine neue Existenz in Liberia bieten konnten, sehr viel positiver. Auch er verwies auf die Schwierigkeiten hinsichtlich des Klimas, unterschied aber zwischen Regionen, die gut, und anderen, die weniger gut für die Siedler geeignet wären. Er zeigte die Bereitschaft, sich mit der afrikanischen Lebensweise auseinanderzusetzen, und betonte gleichzeitig die Aufgeschlossenheit der afrikanischen Bevölkerung gegenüber der christlichen Lehre, die er in seiner Funktion als Missionar überbringen wollte. Williams prophezeite Liberia trotz aller temporären Schwierigkeiten eine große Zukunft: „On the whole, our beloved little republic is on the advance; and in spite of all that can be done by her enemies in the United States, she will grow into greatness ..."57
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Williams' Zeitgenossen teilten diesen Optimismus nicht. Am Ende des 19. Jahrhunderts überwog in den USA das negative Bild von Liberia, und die Fürsprecher Liberias, wie Bischof Alexander Crummell, waren in der Minderheit. Viele sprachen vom „Liberian embarassment" und betrachteten das Emigrationsprojekt als gescheitert. Das negative Image Liberias war auch noch in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts lebendig, und Afroamerikaner äußerten sich sehr verhalten zur schwarzen Republik in Westafrika: „I rarely think of Liberia because I don't want to. I think of Liberia as a mistake, a political mistake... I try to block out Liberia when I think of Africa... I didn't like the Liberians. They have all the negative standards of Negro Americans and none of the positive features...."58 Die negative Sicht auf Liberia wirkte weiterhin - wie schon bei dem Emigrationsaufruf der ACS vor dem Bürgerkrieg - dämpfend auf die Emigrationszahlen. Insgesamt siedelten sich im 19. Jahrhundert nur zirka 22 000 Afroamerikaner in Liberia an.59 Das Verhältnis zwischen der amerikanischen Regierung und der Regierung Liberias war nicht spannungsfrei. Dazu trug besonders die wirtschaftliche Abhängigkeit der jungen Republik von den USA bei. Langfristig gewährte Kredite zu ungünstigen Konditionen trieben das Land in Westafrika in die langfristige Verschuldung.60 In den Jahren unmittelbar nach dem Bürgerkrieg sank das Interesse der Afroamerikaner an einer Ansiedlung in Afrika auf den Nullpunkt. Die ACS unternahm einige Reaktivierungsversuche, die jedoch auf wenig Resonanz stießen. Erst im Jahre 1880 gab es erneut Anfragen an die Kolonisationsgesellschaft mit der Bitte um Unterstützung bei der RückÜbersiedlung nach Afrika. 61 Ausschlaggebender Grund für den Ausreisewunsch nach Liberia war auch zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Zwangslage der Afroamerikaner in den USA.62
Black NationaUsm und die Rückbesinnung auf Afrika Während des Bürgerkrieges und der folgenden Rekonstruktionsphase (zwischen 1860 und 1875) trat das Interesse an Afrika merklich in den Hintergrund. Beispielsweise stellte Martin R. Delany seine Afrikapläne zurück und betätigte sich als Rekrutierer von afroamerikanischen Soldaten für die Unionstruppen. Erst Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts, nach dem Scheitern der Radical Reconstruction um 1875, rückte Afrika wieder stärker in das Bewußtsein der African Americans. Die Idee von der Rückkehr nach Afrika war vor dem Bürgerkrieg nur von einer kleinen Gruppe von Intellektuellen, Geistlichen und Journalisten, die als freie Schwarze im Norden lebten, formuliert und in Ansätzen realisiert worden. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich hieraus eine Bewegung, die innerhalb der afroamerikanischen Bevölkerung auf ein breites Interesse stieß und die zur
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Griindung einer Reihe von Unternehmungen führte. Die Emigrationspläne konnten in den meisten Fällen nicht in die Tat umgesetzt werden, aber sie wurden in den afroamerikanischen Medien63, bei politischen Versammlungen und Veranstaltungen der Kirchen diskutiert und trugen damit nicht nur zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Afrika bei, sondern bildeten auch eine Plattform für die Debatte um eine Neubestimmung der afroamerikanischen Position innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Alexander Crummell, der nach zwangsjähriger Tätigkeit als Lehrer und Missionar 1873 aus Liberia zurückgekehrt war, zeigte sich bezüglich der Entwicklung in der westafrikanischen Republik desillusioniert. Er warf der amerikoliberianischen Führungsschicht vor, sie habe es versäumt, ihrer Pflicht nachzukommen, die afrikanische Bevölkerung zu „zivilisieren". Ebenso kritisierte er die starke Abhängigkeit Liberias von ausländischen Importen und die fehlenden Initiativen zur Nutzung einheimischer Ressourcen.64 Henry Highland Garnet konnte seinen Plan zur Errichtung von afroamerikanischen Ansiedlungen in Westafrika nicht realisieren und engagierte sich für die Schaffung von Bildungsprogrammen für die ehemaligen Sklaven, die Freedmert. Viele Veteranen der Emigrationsbewegung wendeten sich in den Jahren der Reconstruction der Verbesserung der Lage der afroamerikanischen Bevölkerung zu. Wilson Moses sieht diese Neu/Umorientierung in direktem Zusammenhang mit den Missionierungs- und Zivilisierungsbestrebungen in Afrika: „The goal of uplifting the freedmen was similar to the goal of uplifting Africa, and was to be carried on for the same purposes as the old Ante-Bellum African civilizationism. The building of an African-American culture would demonstrate to all the world that Blacks were able and willing to make a contribution to American life and were, therefore, fit to be United States citizens."65 Vor dem Bürgerkrieg war die Emigration nach Afrika ein Substitut für die angestrebte gesellschaftliche Gleichstellung. Nach dem Scheitern der Reconstruction waren viele African Americans davon überzeugt, daß eine erfolgreiche Karriere außerhalb der USA die Vorurteile der Weißen ihnen gegenüber mildern und ihre Chancen auf eine gleichberechtigte Position in der amerikanischen Gesellschaft vergrößern würde.66 So hoffte beispielsweise T. McCants Stewart durch seine zweijährige Lehrtätigkeit am Liberia College in Monrovia mehr Respekt in seiner Heimat, den USA, zu erringen.67 Die Idee des black nationalism erfuhr in den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts eine deutliche Wiederbelebung. Auf der Suche nach einem gleichberechtigen Platz in der amerikanischen Gesellschaft, der durch die Verweigerung der vollen Bürgerrechte fast unerreichbar erschien, waren die Afroamerikaner hin und her gerissen zwischen dem Wunsch nach Assimilierung in der weißen Gesellschaft auf der einen und der Betonung ihrer black nationality auf der anderen Seite. Delany argumentierte, die schwarzen Amerikaner bildeten eine „nation within a nation". Diese
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black nation war im Vergleich zu anderen Nationen eine „distinct nation distinguished by complexion". Trotz der Appelle an die Solidarität aller Afroamerikaner und die bewußte Hervorhebung von race pride, um das schwarze Selbstwertgefühl zu stärken, blieb die afroamerikanische Minderheit mit dem Konflikt einer doppelten Identität belastet. Das Problem von „double consciousness", wie es W.E.B. Du Bois, der fuhrende afroamerikanische Intellektuelle, in dem folgenden berühmten Zitat formuliert hat, drückt das Verhältnis der African Americans zu Amerika in diesem Zeitraum am treffendsten aus. „It is a peculiar sensation, this double-consciousness, this sense of always looking at one's self through the eyes of others, of measuring one's soul by a tape of a world that looks on in amused contempt and pity. One ever feels his twoness, - an American, a Negro; two souls, two thoughts, two unreconciled strivings; two warring ideals in one dark body, whose dogged strength alone keeps it from being torn asunder. ...He simply wishes to make it possible for a man to be both a Negro and an American, without being cursed and spit upon by his fellows without having the doors of Opportunity closed roughly in his face."68 Die afroamerikanische Elite war sich darüber uneins, ob ihre black nationality durch die Auswanderung nach Afrika verwirklicht werden konnte und sollte oder ob die Verpflichtung bestünde, den Kampf für eine black nation in den USA selbst aufzunehmen und erfolgreich zu beenden. Afrika nahm zweifellos einen hohen Stellenwert im Rahmen der afroamerikanischen Identitätsfindung ein. Die Frage nach den Ursprüngen des schwarzen Nationalismus wird bis heute kontrovers diskutiert. Autoren wie Eugene Genovese und z.T. auch Sterling Stuckey sehen in den afrikanischen Traditionen und in der slave culture die Wurzeln für den black nationalism. Wilson Moses verweist wiederum darauf, daß die afroamerikanische educated elite in beträchtlichem Maße von den intellektuellen Traditionen Europas und des weißen Nordamerika beeinflußt war. Die christlich-abendländischen Wertvorstellungen und Normen waren deshalb auch ein Bestandteil der Konzeptionen der black culture und des black nationalism, wie sie im 19. Jahrhundert weiterentwickelt wurden. Vor diesem Hintergrund ist die Argumentation von Moses durchaus überzeugend: „... classical black nationalism brought together the apparently contradictory ideas of cultural assimilationism and geopolitical separatism." 69 Aber nicht alle Afroamerikaner betrachteten den black nationalism als eine adäquate Reaktion auf den weißen Nationalismus in den USA. Viele waren davon überzeugt, ihre Gleichberechtigung von den Weißen einfordern zu können, und glaubten an ihre Zukunft in den USA. 70 Die Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Situation seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts leitete eine Rückbesinnung auf Afrika ein. Der Wunsch nach einer Intensivierung der Verbindungen zum Kontinent der Vorfahren war in erster Linie eine Reaktion auf die negativen Erfahrungen und Zurückweisun-
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gen, mit denen die Afroamerikaner in den USA zu kämpfen hatten. Er entsprang aber auch der Überzeugung, daß Afrikaner und Schwarze in der Diaspora durch ihre historischen und kulturellen Erfahrungen gemeinsame Interessen hätten und deshalb Solidarität üben müßten. Persönlichkeiten wie William Edward Du Bois sahen im Schulterschluß aller Menschen afrikanischer Herkunft die Chance für eine langfristige und substantielle Verbesserung der Lage aller Schwarzen. Als „highest expression of black nationalism" wurde der Begriff des Pan-Afrikanismus Ende 1899 von Henry Sylvester Williams geprägt. 71 In der Literatur wird einer Reihe von afroamerikanischen Persönlichkeiten das Attribut „Vater des Pan-Afrikanismus" zugesprochen. Hierzu zählen u.a. Martin R. Delany, Edward W. Blyden und Alexander Crummell. Als sogenannte Proto-Pan-Afrikanisten galten z.B. Paul Cuffe, Lott Cary und Daniel Coker, die für die ACS in Liberia tätig waren, sowie John B. Russwurm und Bischof Henry M. Turner. Die inflationäre Verwendung des Begriffes PanAfrikanisten für die Befürworter der Emigration und die Vertreter des black nationalism im 19. Jahrhundert erscheint nicht gerechtfertigt, wenn man die Beweggründe der Protagonisten hinterfragt. Sie identifizierten sich in erster Linie mit Amerika und sahen ihr Engagement für und in Afrika in erster Linie als Möglichkeit, ihren Status in Amerika durch ihre mission civilisatrice aufzuwerten. Die Bezeichnung black American nationalists, die Tunde Adeleke für die Vertreter des schwarzen Nationalismus gebraucht, ist überzeugender als das Attribut des „ProtoPan-Afrikanisten".72 Die Erfahrungen, die sie in Afrika sammeln konnten, veränderten bei einigen von ihnen das bis dahin negative Bild vom afrikanischen Kontinent. Doch erst unter dem Eindruck der vollen Ausprägung der europäischen Kolonialherrschaft entwickelten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts Formen der gegenseitigen Anerkennung und gemeinsame Aktionen zwischen African Americans und Afrikanern. Erst ab diesem Zeitpunkt läßt sich von Pan-Afrikanisten und einer panafrikanischen Bewegung sprechen. Die vielfältigen Definitionen des Pan-Afrikanismus eröffnen unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten des Begriffes. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht, beinhaltet die Bewegung folgendes: Sie bezieht sich auf alle organisierten Aktivitäten und verfolgt das Ziel, die Ausbeutung und Unterdrückung aller Menschen schwarzer Hautfarbe (nicht nur der Afrikaner) zu beenden und einen wahren schwarzen Nationalismus auf politischer, sozialer und wirtschaftlicher Ebene zu entwickeln. Eine enger gefaßte Definition begrenzt den Begriff des PanAfrikanismus auf die politische Einheit und die Kooperation auf dem afrikanischen Kontinent. Der Pan-African Congress in Manchester (1945) betonte diese auf Afrika eingeschränkte Sichtweise von Pan-Afrikanismus und stellte die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der afrikanischen Eliten in den europäischen Kolonien in den Mittelpunkt. Die Afrikaner in Afrika beanspruchten nun die Führungsrolle in
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der Bewegung, die bislang von den Afrikanern in der Diaspora ausgeübt worden war.73 Großen Einfluß auf die Weiterentwicklung der Idee des Pan-Afrikanismus und der pan-afrikanischen Bewegung hatte W.E.B. Du Bois, der „pioneer of PanAfricanism".74 Du Bois sprach bereits in den neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts von „Pan-Negroism" womit er für eine gegenseitige Verantwortung aller Schwarzen plädierte, wo immer sie auch lebten. Auf der ersten, von Sylvester Williams und anderen Westindern ins Leben gerufenen Pan-African Conference in London 1900 setzte sich DuBois in seiner „Address to the Nations of the World" für die Schaffung eines „great central Negro State of the World" in Afrika ein. Zwischen 1919 und 1927 war er Mitorganisator weiterer pan-afrikanischer Konferenzen.75 Vor dem Hintergrund dieser Rückbesinnung auf den afrikanischen Kontinent wurde in der afroamerikanischen community das Emigrationsprojekt neu diskutiert. Wie bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, formierten sich Gegner und Befürworter der Emigration. Booker T. Washington, der als Direktor des Tuskegee Institutes seit Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts zu den einflußreichen schwarzen Führungspersönlichkeiten zählte, stand den Emigrationsprojekten ablehnend gegenüber. Die überwiegende Mehrheit der afroamerikanischen Elite war allerdings prinzipiell offen für die Ideen des black nationalism.. Sie diskutierte die Möglichkeiten, die ein Engagement in Afrika bieten konnte, war aber kaum dazu bereit, die USA langfristig zu verlassen. In den ländlichen Regionen des Südens, die von wirtschaftlichen Krisen gebeutelt waren, regte sich dagegen innerhalb der bäuerlichen Bevölkerung das Interesse an einer neuen Existenzgründung auf dem afrikanischen Kontinent. Es war Henry McNeal Turner, Pastor und späterer Bischof der AME Church, der die Back-to-Africa-Bewegung neu belebte und die Bevölkerung zur Emigration aufrief: „...establish a country or a government somewhere upon the continent of Africa, as I see no other place in the world to do it, where our young men and ladies can find a theatre of activity and usefulness, and commence a career for the future that will meet the wants of posterity, at the same time build up a center of Christian civilization that will help redeem the land of our ancestry."76 Turner unterstützte anfangs die ACS, die jedoch nach 1892 keine Afroamerikaner mehr nach Liberia transportierte. In seinem „African dream" sah Turner die Ansiedlung von Tausenden von Afroamerikanern in Westafrika. Unter dem Einfluß von Turners Kolonisationsenthusiasmus wurde eine Reihe von Schiffahrtslinien und Emigrationsgesellschaften ins Leben gerufen, die in den meisten Fällen infolge von zu knappen Finanzmitteln und Missmanagement scheiterten. Im Zusammenhang mit Turner's Back-to-Africa movement wurde vor allem die fehlende Finanzkraft
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der Ausreisewilligen kritisiert, die größtenteils aus den armen ländlichen Schichten stammten. Der optimistische Turner ignorierte die Bedenken und verwies auf die Millionen von afroamerikanischen Bauern, die entschlossen seien, die USA zu verlassen und sich, allen finanziellen Widrigkeiten zum Trotz, in Afrika eine neue Existenz zu schaffen. Auszüge aus der Korrespondenz der ACS liefern Belege für Turners Behauptung. Ein anonymer Verfasser legte seine Beweggründe in einem Schreiben an die ACS folgendermaßen dar: „...the negroes there isn't anything but slaves there and got them there and can't get out. ... Oh yes they run the negroes with hound dogs now days and times as did before 1865. Oh may God help us to get out from here to Africa."77 Im Jahre 1892 gründete Turner die Afro-American Steamship Company, die allerdings bereits Mitte 1893 Konkurs anmelden mußte, ohne einen einzigen Amerikaner nach Afrika transportiert zu haben. Da Turner innerhalb der afroamerikanischen Elite keine finanzielle Unterstützung fand, wendete er sich an eine Gruppe von weißen Geschäftsleuten aus Birmingham, Alabama, die mit ihm als Berater 1894 die International Migration Society (IMS) gründete. Die Gesellschaft hatte sich zum Ziel gesetzt, emigrationswilligen Afroamerikanern die Schiffspassage nach Liberia zu bezahlen und sie dort zumindest für drei Monate zu unterstützen. Die IMS wollte ihre Profite über die geplanten Geschäfte mit den Tausenden von neuen Siedlern realisieren. Ungefähr 500 schwarze Amerikaner gelangten über die IMS nach Liberia, bis die Gesellschaft 1900 ihren Bankrott erklären mußte.78 Höhepunkt und Abschluß der Back-to-Africa-Bewegung bildete Marcus Garveys Universal Negro Improvement Association {UNIA) in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Marcus Mosiah Garvey, ein Bewunderer Booker T. Washingtons, stammte aus Jamaika. 79 Wenige Monate nach Washingtons Tod reiste Garvey Anfang 1916 in die USA. Die zuvor von ihm 1914 gegründete Universal Negro Improvement Association (UN1A) entwickelte sich in den USA zur größten internationalen Organisation für Menschen afrikanischer Herkunft. Garveys charismatische Persönlichkeit zog insbesondere die Bevölkerung in den Großstädten, vor allem in New York, in ihren Bann. Garvey ging es als black nationalist darum, die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Probleme zu lösen, die das Leben der Schwarzen prägten. Er rief die African Americans dazu auf, ihr Selbstbewußtsein zu stärken, racial pride zu zeigen und wirtschafliche Unabhängigkeit anzustreben. Die UNIA sollte hierzu als Wirtschaftsunternehmen wie auch als politische Bewegung wichtige Impulse geben. Die UNIA betrieb neben Fabriken, Läden und Hotels die
Zeitung Negro World (ab 1929 Blackman) und die Black Star Steamship Line, die den Kontakt zum afrikanischen Kontinent gewährleisten sollte. Denn Garvey sah die Zukunft der Afroamerikaner in Afrika. Er wollte mit Hilfe der Black Star Line eine große Repatriierungskampagne initiieren, die schließlich zur Gründung eines
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block State in Afrika führen sollte: „If Europe is for the Europeans, then Africa shall be for the black peoples of the world. We say it; we mean it... The other races have countries of their own and it is time for the 400 000,000 Negroes to claim Africa for themselves."80 Doch bereits 1921 geriet die Black Star Line auf Grund von zu geringem Kapital und von Managementfehlern in finanzielle Schwierigkeiten. Die insgesamt drei Frachtschiffe waren in der Anschaffung zu teuer und kaum hochseetauglich. Es fehlte an Transportaufträgen, und der Verkauf von Anteilen zu je fünf Dollar zur Finanzierung der Black Star Line verlief sehr schleppend, da der Mehrheit der Anhänger der UNIA das Geld fehlte. Die amerikanische Regierung betrachtete mit Argwohn den großen Zulauf zur UNIA und die von ihr organisierten Massenveranstaltungen und Paraden. 1922 wurde Garvey wegen Betrügereien im Zusammenhang mit Verkäufen von Aktien der Black Star Line festgenommen und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Drei Jahre später deportierte man ihn nach Jamaika. Alle Versuche, die UNIA zu reaktivieren, scheiterten. 1935 ging Garvey nach England, wo er 1940 verstarb. Trotz aller Mißerfolge leisteten Henry McNeal Turner und die AME Church einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Verbesserung der afroamerikanischafrikanischen Beziehungen, indem sie durch ihr Engagement das Interesse der schwarzen Amerikaner an Afrika wachhielten. Die AME Church weitete ihre Aktivitäten gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus und richtete ihr Augenmerk zunehmend auf Südafrika. Dort erlebten die Kirchenvertreter vor Ort die afrikanische Reaktion auf die afroamerikanische Rückbesinnung auf den afrikanischen Kontinent. James T. Campbell hat das komplizierte Verhältnis der AME Church zu ihren südafrikanischen Partnerkirchen detailliert und eindrucksvoll analysiert. Seine Arbeit belegt die These, daß das Verhältnis zwischen den Afrikanern in Afrika und in der Diaspora trotz aller Unterschiede, Vorurteile und Ambivalenzen durch gemeinsame Wurzeln geprägt war. „African and American identities are and always have been mutually constituted."81 Gleichwohl war die Haltung der Afroamerikaner gegenüber dem Kontinent ihrer Vorfahren von einer Haßliebe geprägt. Indem sie Afrika ablehnten, lehnten sie auch einen Teil von sich selbst ab. Afrika zu akzeptieren, bedeutete hingegen, das gängige Klischee vom „wilden, unzivilisierten" Afrika zu unterstützen. Außerdem sorgten sich die African Americans um die Zukunft des afrikanischen Kontinents. Denn während die innenpolitischen Frustrationen der Afroamerikaner und ihre Desillusionierung über die Möglichkeiten eines friedlichen und gleichberechtigten Zusammenlebens von Schwarzen und Weißen in den USA zunahmen, entfalteten sich parallel dazu die europäische Kolonialherrschaft und der Imperialismus in Afrika. In den USA prangerten die Afroamerikaner ihre Unterdrückung durch die weiße Herrschaft an; gleichzeitig plädierten sie jedoch für den „Schutz", bzw., genauer ausgedrückt, für die Bevormundung Afrikas durch Europa.
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Dabei ging es ihnen aber nur selten darum, die afrikanische Kultur zu bewahren und sie vor den Einflüssen des Kolonialismus zu schützen, sondern ihr Hauptanliegen bestand darin, „to civilize and Christianize heathen Africa."82 Bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurde der europäische Kolonialismus von der Mehrheit der Afroamerikaner als notwendige Voraussetzung für die Durchsetzung dieser christlich-zivilisatorischen Ziele angesehen.83 Erst die Aufdeckung des inhumanen und brutalen Vorgehens der Europäer bei der Durchsetzung ihrer kolonialen Ziele ließ die afroamerikanische Bevölkerung aufschrecken und führte zu einer kritischen Haltung gegenüber der kolonialen Machtausübung.84 Der transatlantische Charakter der afroamerikanischen Identität, der in der aktuellen Forschung postuliert wird, fand in den Arbeiten der afroamerikanischen intellektuellen Elite des 19. Jahrunderts nur vereinzelt seinen Niederschlag. John Hope Franklin merkt zu Recht an, daß der Wunsch nach Emigration oft weniger dem psychologischen Bedürfnis der Identitätssuche galt, als vielmehr ein Ausdruck großer Verzweiflung und Frustration war.85 Die Ideen der black nationalists bildeten das intellektuelle Umfeld und die Argumente für die civilizing mission in Afrika, der sich viele Afroamerikaner verpflichtet fühlten. Die Biografien von William Henry Sheppard und anderen afroamerikanischen Missionaren, die in Afrika entscheidende Jahre ihres Lebens verbrachten, werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. Sie sind auch ein Beleg dafür, daß viele schwarze Bürger Amerikas erst auf Initiative bzw. durch die massive Überzeugungskraft ihrer weißen Lehrer und Vorgesetzten die Reise in den Kontinent ihrer Vorfahren antraten. Obwohl die Erfahrungen der afroamerikanischen Missionare nicht automatisch ihre Vorurteile gegenüber den Afrikanern abschwächten, trugen diese in ihrer Funktion als kulturelle Mittler langfristig zur Entstehung eines differenzierteren Afrikabildes bei. Bevor die afroamerikanischen Missionare und die amerikanische Missionierungsbewegung in den Mittelpunkt des Interesses rücken, soll im folgenden Kapitel der gesellschaftliche und kulturelle Hintergrund der Afroamerikaner am Beispiel der Bildungseinrichtungen näher beleuchtet werden.
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Countee Cullen, Dichter der Harlem Renaissance, veröffentlichte 1925 in seinem ersten Gedichtband „Color" das Poem Heritage. Da- erste Vers lautet: „What is Africa to me: Copper sun or scarlet sea Jungle star or jungle track, Strong bronzed men, or regal black. Women from whose loins I sprang When the birds of Eden sang? One three centuries removed From the scenes his fathers loved, spicy grove, cinnamon tree, What is Africa to me?" August Meier/Elliot M. Rudwick, From Plantation to Ghetto: An Interpretative History of American Negroes. New York 1994 (l.Aufl. 1966): 4. Siehe hierzu den Artikel von Robin D. G. Kelley, „But a Local Phase of a World Problem":
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Black History's Global Vision, 1883-1950. In: Journal of American History, 86 (1999)31045-1077. John Hope Franklin, George Washington Williams and Africa. In: Lorraine A. Williams (Hg ), Africa and the Afro-American Experience. Eight Essays. Washington, D C. 1977: 61. Robert G. Weisbord, Ebony Kingship. Africa, Africans, and the Afro-American. Westport CTVLondon 1973: 7. Harold R. Isaacs, The New World ofNegro Americans. New York 1963: 127. Harold R. Isaacs, A Reporter At Large - Back to Africa. In: The New Yorker, 13 . Mai 1961. Horace Mann Bond, Howe and Isaacs in the Bush: The Ram in the Thicket. In: Negro History Bulletin 25 (Dez. 1961): 67-70,70. Frederick Douglass, African Civilization Society. In: Douglass' Monthly, February 1859. Nachdruck in Philip S. Foner (Hg.), The Life and Writings of Frederick Douglass Vol 2 New York 1950: 445. In: Carter G. Woodson, The Mind of the Negro as Reflected in Letters Written During the Crisis, 1800-1860. New York 1969 (Nachdruck, 1. Aufl. 1926): 137. M.M. Ponton, Life and Times of Henry M. Turner. Atlanta 1917:77. Zu Turner siehe Kapitel 4. Booker T. Washington, Up From Slavery. An Autobiography. Oxford/New York 1995 (l.Aufl. 1901): 9. .Zum Mythos von der Plantage als Schule der Zivilisation siehe Ulrich B. Phillips, American Negro Slavery: A Survey of the Supply, Employment and Control ofNegro Labor as Determined by the Plantation Regime. New York 1918. Keith B. Richburg, Out of America. A Black Man Confronts Africa. New York 1997: xiv. Zur Auseinandersetzung von Afrozentrismus und Slavozentrismus siehe Tunde Adeleke, Africa and Black America: Constructing Identity in the Civil and Post-Civil Rights Contexts. Paper prepared for the Conference Africa 2000 in Leipzig, March 30-April 2,2000. Elliott P. Skinner, African Americans and U.S. Policy Toward Africa, 1850-1924 Washington, D.C. 1992: 8. Weekly Anglo-African 1 (Sept .3, 1859). Zit. in: August Meier/Elliott Rudwick (Hg ), The Making of Black America. Vol . 1: The Origins of Black America. New York 1971: 57. Frederick Douglass, The North Star, November 1849. Russwurm zit. in: William M. Brewer, John B. Russwurm. In: Journal ofNegro History 13 (1928): 417. John B. Russwurm, Mitherausgeber des Freedom's Journal, wurde, nachdem er sich der Maryland Colonization Society angeschlossen hatte, öffentlich beschuldigt, die Afroamerikaner den weißen Kolonisten auszuliefern. Er war gezwungen, die Arbeit am Freedom 's Journal einzustellen. Siehe: Brewer (1928): 417f. und Theodore Draper, The Rediscovery of Black Nationalism. New York 1970: 10. Die Informationen zu Henry H. Garnet sind relativ spärlich. Zur Berühmtheit gelangte er 1843 mit seinem Aufruf zum militanten Widerstand gegen die Sklaverei. Eine umfassende Biografie zu Garnet, der zu den bedeutenden Persönlichkeiten im afroamerikanischen Amerika im 19. Jahrhundert zählt, ist nicht vorhanden. Dies liegt u.a. daran, daß die gesamten Privatpapiere Garnets verbrannt sind. Siehe aber Joel Schor, Henry H. Gamet. A Voice of Black Radicalism in the 19th Century. Westport/London 1977 und Sterling Stuckey, A Last Stern Struggle: Henry Highland Gamet and Liberation Theory. In: Leon Litwack/August Meier (Hg ), Black Leaders of the Nineteenth Century. Urbana/Chicago 1988: 129-147. North Star, January 26, 1848. Zit. in: Rodney Carlisle, Self-Determination in Colonial Liberia and American Black Nationalism. In: Negro History Bulletin 36 (1973)4: 82. Elliott P. Skinner, African Americans and U.S. Policy Toward Africa, 1850-1924. In Defense of Black Nationalism. Washington, D.C. 1992: 27-34. Theodore Draper, The Rediscovery of Black Nationalism. New York 1969:4ff. Edwin S.Redkey, Black Exodus. Black Nationalist and Back-to-Africa Movements, 18901910. New Haven/London 1969: 16. Wilson Jeremiah Moses, Alexander Crummell. A Study of Civilization and Discontent. Am-
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herst, Mass. 1992(1. Aufl. 1989): 132. Zu jenen, die diese Meinung nicht teilten, zählte Alexander Crummell, der gegenüber den Afrikanern allerdings auch nicht frei war von Patemalismus. Zu Crummell siehe unten. Kwame Anthony Appiah, In My Father's House. Africa in the Philosophy of Culture. New York/Oxford 1992: 5. George Washington Williams, History of the Negro Race in America. Bd. 1 New York 1882: 109-110. Siehe auch Elliott P. Skinner, Afro-Americans in Search of Africa: The Scholar's Dilemma. In: Ders./Pearl T. Robinson (Hg.), Transformation and Resiliency in Africa As Seen by Afro-American Scholars. Washington, D.C. 1983: 1 If. G.W.Williams (1882): 109. Martin Robison Delany, Official Report of the Niger Valley Exploring Party. New York 1861. Siehe Sterling Stuckey, Henry Highland Garnet: Nationalism, Class Analysis, and Revolution. In: Ders., Slave Culture. Nationalist Theory and the Foundations of Black America. New York/Oxford 1987: 138. Alexander Crummells Vater stammte aller Wahrscheinlichkeit nach aus einer Temne Herrscherfamilie. Siehe Moses (1992): 11 f. Floyd J. Miller, The Search for a Black Nationality. Black Emigration and Colonization, 1787-1863. Urbana/Chicago/London 1975: 134ff. Siehe auch Redkey (1969). Der priviligierte Status von freien Schwarzen gegenüber den Sklaven blieb weiterhin bestehen, aber mit Ausnahme des Rechts auf Besitz von Eigentum wurde den freien Schwarzen die Mehrheit ihrer neuen Rechte, wie z.B. das Wahlrecht, das ihnen einige Bundesstaaten zugebilligt hatten, schon bald wieder entzogen. Cuffe selbst plante keine Ansiedlung in Sierra Leone, da sich seine Frau angeblich weigerte, ihn zu begleiten. Zu Cuffe siehe u.a.: Henry Noble Sherwood, Paul Cuffe. In: Journal of Negro History (April 1923): 153-229; Sheldon Harris, Paul Cuffe: Black American and the Africa Return. New York 1972.; Lamont D. Thomas, Rise to Be a People: A Biography of Paul Cuffe. Urbana 1986. Claudius C. Clements an Cleaveland, 18.3.1889. Claudius Clements File, Hampton University Archives, Hampton, Va. Aus der umfangreichen Literatur zur Amistad-Revoite und zum Prozeß siehe u.a.: William A. Owens, Black Mutiny. The Revolt on the Schooner Amistad. New York 1951 (1. Aufl.); Howard Jones, Mutiny on the Amistad. New York/Oxford 1987. Im Gegensatz zu dem acht Jahre zurückliegenden Sklavenaufstand unter der Führung Nat Turners (1831), der die weiße Bevölkerung des Südens in Angst und Schrecken versetzt hatte, fiel es leichter, den Gefangenen der Amistad Sympathie und Mitgefühl entgegenzubringen. Handelte es sich bei ihnen doch um Afrikaner, die wieder in ihre Heimat zurückkehren würden, und nicht um amerikanische Sklaven, die - nach Ansicht vieler Weißer - den sozialen Frieden gefährdeten. Henry Highland Garnet, An Address to the Slaves of the United States of America. In: Herbert Aptheker (Hg.), A Documentary History of the Negro People in the United States. Vol.1, New York: 227-33. Zu den amerikanischen Handelsbeziehungen siehe Kapitel 3. Laut ihrer Verfassung verfolgte die African Civilization Society folgende Ziele: „...the destruction of the African Slave trade, by the introduction of lawful commerce and trade into Africa: the promotion of the growth of cotton and other products there, whereby the natives may become industrious producers as well as consumers of articles of commerce: and generally, the elevation of the conditions of the colored population of our own country, and of others." Abgedruckt in Adelaide Cromwell Hill/Martin Kilson (Hg.), Apropos of Africa. Sentiments of Negro American Leaders on Africa from the 1800s to the 1950s. London 1969: 157. Siehe auch Richard K. MacMaster, Henry Highland Garnet and the African Civilization Society. In: Journal of Presbyterian History 46 (1970): 95-112. Auf Martin R. Delany, der in der Literatur auch als der erste Pan-Afrikanist bezeichnet wird, kann hier nicht näher eingegangen werden. Seine wechselvolle Karriere und seine Bedeutung
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für das schwarze Amerika sind in einer Reihe von biografischen Arbeiten untersucht worden. Siehe u.a. Dorothy Sterling, The Making of an Afro-American: Martin Robison Delany, 18121885. Garden City, N.Y. 1971; Cyril E. Griffith, The African Dream: Martin R Delany and the Emergence of Pan-African Thought. Pennsylvania State University Press 1975 und Nell Irwin Painter, Martin R. Delany: Elitism and Black Nationalism. In: Leon Litwack/August Meier (Hg.), Black Leaders of the Nineteenth Century. Urbana/Chicago 1988: 149-171. Von Delanys eigenen Arbeiten wurden u.a. veröffentlicht: Martin R. Delany, The Condition, Elevation, Emigration and Destiny of the Colored People of the United States, Politically Considered. Philadelphia 1852 und ders., Official Report of the Niger Valley Exploring Party. New York 1861. Zur Diskussion um die African Civilization Society siehe Hill/Kilson (1969): 157fF. Siehe Kapitel 3. Die nach wie vor beste und umfassenste Arbeit zur ACS stammt von P.J. Staudenraus: The African Colonization Movement, 1816-1865. New York 1961. Der ursprüngliche Name der ACS lautete American Society for Colonizing the Free People of Color in the United States. Die Idee zu dieser Bewegung ging zurück auf den Presbyterianer Robert Finley, der die Auswanderung ausschließlich freien Schwarzen gestatten wollte. Um 1820 lebten zirka 250 000 free blacks in den USA. Zur AME Church siehe Kapitel 4. James M. McPherson, Ordeal by Fire. Vol. 1. The Coming of the Civil War. New York 1982: 40. Zwischen 1822 und 1867 wurden 5.957 Sklaven freigelassen, um nach Liberia zu emigrieren. J.Gus Liebenow, Liberia. The Quest for Democracy. Bloomington/Indianapolis 1987: 19 (Table 2). Randall M. Miller, „Home as found": Ex-Slaves and Liberia. In: Liberian Studies Journal 6 (1975) 2: 96. Siehe auch ders (Hg.), Dear Master. Letters of a Slave Family. Original Documents from two Continents. Providing rare Insights into Plantation Life in America and Colonial Life in Africa. Ithaca/London 1978. Zu den Motivationen der Sklavenhalter, ihren Sklaven die Ansiedlung in Liberia zu gestatten, siehe Jeffrey B. Allen, „All of us are highly pleased with the country": Black and White Kentuckians on Liberian Colonization. In: Phylon 43(1982)2: 97-109. Robert G. Weisbord, Ebony Kinship. Africa, Africans, and the Afro-American. Westport/London 1973: 5. Die Maryland Colonization Society und die Mississippi Colonization Society waren Abspaltungen der^CS, deren Siedlungsgebiete 1857 der Republik Liberia einverleibt wurden. Zur Entwicklung von Mississippi in Africa" siehe Jo Sullivan, Mississippi in Africa: Settlers among the Kru, 1835-1847. In: Liberian Studies Journal 8 (1978-79) 2: 79-94. Am verbreitesten war der Begriff Americo-Liberian, aber die Afroamerikaner bezeichneten sich auch als Liberians oder als citizens. Aus der umfangreichen Literatur siehe Tom W. Shick, Behold the Promised Land. Baltimore 1980; Monday B. Akpan, Black Imperialism: Americo-Liberian Rule Over African People of Liberia, 1841-1964. In: Canadian Journal of African Studies 7 (1973) 2: 217-236; Magdalene S. David, „The Love of Liberty Brought Us Here". An Analysis of the Development of a Settler State in 19th Century Liberia. In: Review of African Political Economy 31 (1984): 57-70. Siehe M.B. Akpan, Black Spokesmen and Activists: The Liberian Elites in the Nineteenth Century. In: The Calabar Historical Journal 1 (June 1976) 1: 89-144. Zum Widerstand der afrikanischen Bevölkerung gegen ameriko-liberianische Herrschaft: Monday B. Abasiattai, Resistance of the African Peoples of Liberia. In: Liberia-Forum 3 (1987) 4: 53-69 und ders., Gola Resistance to Liberian „Rule" in the Nineteenth Century, 1835-1905. In: Liberia-Forum 1 (1985) 1: 5-69. Akpan (1973): 219. Zit. in: Akpan (1973): 225. Um 1880 gab es zirka 120 Zeitungen und Zeitschriften, die von Afroamerikanern herausgege-
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Kapitel 1
ben wurden. William Nesbit/Samuel Williams, Two Black Views of Liberia: William Nesbit, Four Months in Liberia or, African Colonization Exposed (Pittsburgh 1855); Four Years in Liberia, A Sketch of the Life of Rev. Samuel Williams. With Remarks on the Missions, Manners and Customs of the Natives of Western Africa (Philadelphia 1857). New York 1969. Samuel Williams (1857): 27. Auszüge aus Interviews mit Afroamerikanern Ende der 1950er Jahre in: H.R. Isaacs (1963): 131. M.S. David (1984): 59. Elliott P. Skinner, African Americans and U.S.Policy Toward Africa, 1850-1924. In Defense of Black Nationality. Washington, D.C. 1992:291ff. Zu den Beziehungen zwischen den USA und Liberia siehe auch Kapitel 3. Erst im August 1964 löste sich die ACS auf. Die verbliebenen Vermögenswerte wurden den Treuhändern des Phelps-Stokes Fund mit der Auflage übertragen, sie für Forschungen zur Verbesserung der Lage der schwarzen Bevölkerung in den USA und Afrika zu verwenden. Eli Seifman, The Passing of the American Colonization Society. In: Liberian Studies Journal 2(1969)1:7. Lenwood G. Davis, Black American Images of Liberia, 1877-1914. In: Liberian Studies Journal 6 (1975) 1: 55. Zu den bekanntesten und einflußreichsten afroamerikanischen Zeitungen und Zeitschriften zahlten u.a.: New York Age, Freeman (Indianapolis), und Bee (Washington, D.C.). Siehe Walter L. Williams, Black Journalism's Opinions about Africa during the late 19th. Century. In: Phylon 34 (Sept.1973): 224-235. Wilson J. Moses, Civilizing Missionary: A Study of Alexander Crummell. In: Journal of Negro History 60 (1976) 2: 240. Ausführlicher zu Crummells Standpunkt siehe Alexander Crummell, Our National Mistakes and the Remedy for Them. In: Ders., Africa and America: Addresses and Discourses. Springfield, Mass. 1891 (Nachdruck New York 1969): 165-198. Moses (1976): 241. Siehe George M. Fredrickson, Black Liberation. A Comparative History of Black Ideologies in the United States and South Africa. New York/Oxfoid 1995: 26. Moses (1976): 241. Die Aussage von Du Bois ist vielfach zitiert worden, aber auch hier soll nicht darauf verzichtet werden, da sie besonders überzeugend das Dilemma der afroamerikanischen Existenz in den USA demonstriert. W.E.B. Du Bois, The Souls of Black Folk. 1903. In: Three Negro Classics. New York 1965:215. Moses (1992): 10. Moses Definition des schwatzen Nationalismus ist hingegen zu einseitig. Er ignoriert die verschiedenen Facetten des black nationalism, wenn er das Konzept auf die Ideologie reduziert, „that Northern blacks created by appropriating and adapting to their own ends the militant racial chauvinism and the strident .Christian soldierism' that were typical of nineteenth-century Christianity." Ebenda. Siehe Redkey (1969): 13. Sylvester Williams, ein aus Trinidad stammender Rechtsanwalt, der in Kanada ausgebildet wurde, verwendete den Begriff in einem Brief an einen Geschäftspartner in London. Für Lewis Levering ist Williams „one of the most visionary colored men of his generation, he was cultured, dedicated, and globe-wandering, but he would be practically forgotten when he died aged forty-two." David Levering Lewis, W.E.B. Du Bois. Biography of a Race, 1868-1919. New York 1993: 248. Siehe auch Owen Charles Mathurin, Henry Sylvester Williams and the Origins of the Pan-African Movement, 1869-1911. Westport/London 1976. Tunde Adeleke, UnAfrican Americans: Nineteenth-Century Black Nationalists and the Civilizing Mission. Louisville, KY 1998: 11 Iff. Zum Pan-Afrikanismus als Idee und Bewegung siehe Milfred C. Fierce, The Pan-African Idea in the United States 1900-1919. New York/London 1993: xviiiff. George Shepperson, Notes on Negro American Influences on the Emergence of African Na-
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tionalism. In: Journal of African Histoiy 1 (1960) 2: 306. P. Olisanwuche Esedebe, Pan-Africanism. The Idea and the Movement, 1776-1991. Washington, D.C. 1994 (l.Aufl.) 1982; George Shepperson, Pan-Africanism and „Pan-Africanism": Some Historical Notes. In: Phyton 23 (1962) 4: 346-58. H. McNeal Turner in answer to an article by Rev. H G. Offley, 21.6.1883. Zit. in: Edwin S. Redkey (Hg.), Respect Black! The Writings and Speeches of Hemy McNeal Turner. New York 1971: 58. R.L. Davis to Coppinger, 22 August 1891, ACS Papers. Zit. in: Edwin S. Redkey, The Meaning of Africa to Afro-Americans, 1890-1914. In: Black Academy Review. Quarterly of the Black World 3 (1972) 1-2: 11. Ausführlich zur Geschichte der IMS in Redkey (1969): 195ff. Aus der umfangreichen Literatur zu Garvey siehe: David E. Cronon, Black Moses. The Story of Marcus Garvey and the Universal Improvement Association. Madison, Wise. 1955; Tony Martin, Marcus Garvey, Hero. A First Biography. The New Marcus Garvey Libraiy, No.3. Dover, Mass. 1983; Judith Stein, The World of Marcus Garvey. Race and Class in Modern Society. Baton Rouge/London 1986; Rupert Lewis, Marcus Garvey. Anti-Colonial Champion. London 1987. Siehe auch Norbert Finzsch/James O. Horton/Lois E. Horton, Von Benin nach Baltimore. Die Geschichte der African Americans. Hamburg 1999: 389ff. Garvey zit. in: Cronon (1955): 65. James T. Campbell, Songs of Zion. The African Methodist Church in the United States and South Africa. New York/Oxford 1995. Kimpionga Mahaniah, The Presence of Black Americans in the Lower Congo, 1878-1921. In: Joseph Harris (Hg.), Global Dimensions of the African Diaspora, Washington, D C. 1993 409. Sylvia M. Jacobs, The African Nexus. Black American Perspectives on the European Partitioning of Africa, 1890-1920. Westport, Conn. 1981: 10. Dieser Stimmungswechsel vollzog sich vor dem Hintergrund der so genannten „Kongo Greuel", auf die in spateren Kapiteln näher eingegangen wird. J.H. Franklin (1977). 64.
KAPITEL 2
Die Lage der Afroamerikaner zwischen 1880 und 1910: Der „Nadir"
„Without crime or offense against law or gospel, the colored man is the Jean Valjean of American society. He has escaped from the galleys, and hence all presumptions are against him. The workshop denies him work, and the inn denies him shelter; the ballot-box a fair vote, and the jury-box a fair trial. He has ceased to be the slave of an individual, but he has in some sense become the slave of society."1
Die Jahre zwischen dem Scheitern der Reconstruction 18772 und dem Ersten Weltkrieg markierten für die African Americans eine Periode des Niedergangs und der Hoffnungslosigkeit. Insbesondere die Phase von 1890 und 1910, die Ray ford Logan als den „Nadir" bezeichnet hat, war geprägt von extremem Rassismus, Negrophobia und rigider Rassentrennung.3 Obwohl der Endpunkt des „Nadir" nicht eindeutig zu setzen ist und diese Phase in der Literatur z.T. bis in die zwanziger Jahre hinein reicht, herrscht dahingehend Übereinstimmung, daß sich die Situation der Afroamerikaner um die Jahrhundertwende im politischen, sozialen und ökonomischen Bereich massiv verschlechterte. Logan spricht vom Verrat an den African Americans,4 denen die gerade errungenen Bürgerrechte sukzessive wieder entzogen wurden. Am Ende des „vale of tears"5 mobilisierten die Afroamerikaner jedoch auch neue Kräfte, verstärkten Formen gegenseitiger Hilfe und betonten ihre Zusammengehörigkeit, ihre racial identity.
Afroamerikanische Lebensbedingungen und Jim Crow Zwar war die afroamerikanische Bevölkerung in den ehemaligen Sklavenstaaten aus ihrer Existenz als Sklaven befreit worden, aber ihre Lebensbedingungen und ihr gesellschaftlicher Status hatten sich trotz Emanzipation nicht entscheidend verbessert. Die Mehrzahl von ihnen verdingte sich als sharecropper und Pächter ohne eigenen Landbesitz. Um 1880 lebten 90 Prozent aller Afroamerikaner in den Südstaaten. Sie waren überwiegend in der Landwirtschaft tätig. Unter allen afroamerikanischen Bauern befanden sich 82 Prozent in einem Pachtverhältnis. Zwischen den ExSklaven und den Landbesitzern existierte eine Vielzahl von Arbeits- und Pachtverhältnissen, die für die afroamerikanische Bevölkerung wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit bis hin zur Schuldknechtschaft zur Folge hatte.6
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Kapitel 2
Im extremen Gegensatz dazu gelang es einigen weißen Unternehmern wie John D. Rockefeiler (Standard Oil Monopol) und Andrew Carnegie (Stahlproduktion), innerhalb von 15 Jahren nach Kriegsende ein riesiges Vermögen anzuhäufen. Bis zum Jahre 1894 hatten sich die USA zur führenden Industrienation der Welt entwickelt. Das Land verfügte über umfangreiche natürliche Ressourcen: gutes Farmland, große Vorkommen an Eisen, Kohle und Mineralien. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes eröffnete einen riesigen Binnenmarkt für einheimische Manufakturwaren.7 Das wirtschaftliche Wachstum war jedoch auch sehr instabil. In den ersten acht Jahren nach dem Bürgerkrieg war in vielen Wirtschaftsbereichen Prosperität zu beobachten. Aber Ende 1873 geriet das schnelle Wachstum ins Wanken und eine fünfjährige Phase tiefer Depression folgte. Bis zum Ende des Jahrhunderts wechselten sich die Konjunkturphasen von Depression und Aufschwung in schneller Folge ab. Der Verlust von Arbeitsplätzen und ein lang anhaltender Preisverfall für Manufakturwaren trafen große Teile der Bevölkerung.8 In der Literatur wird diese anfängliche Phase des Aufschwungs nach dem Bürgerkrieg häufig als Gilded Age bezeichnet.9 Der Begriff vom „vergoldeten Zeitalter" geht zurück auf Mark Twains berühmten Roman The Gilded Age. A Tale ofTo-Day, der erstmals 1873 erschien. Twain und sein Co-Autor Charles Dudley Warner präsentierten ein satirisches Portrait der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft, hinter deren glänzender Fassade rücksichtslose Bankiers, gierige Landspekulanten und unehrliche Politiker agierten. Eng verbunden ist das Gilded Age mit den Präsidentschaften von Ulysses S.Grant (1868-1876) und Rutherford Hayes (1877-81), die durch Korruptionsskandale, Vetternwirtschaft und Mißmanagement gekennzeichnet waren. Nach dem Ende der Reconstruction und den Wahlen von 1876 kam es zu einer Annäherung zwischen den Industriekapitalisten des Nordens und den ehemaligen Sklavenbesitzern des Südens. Der sogenannte Kompromiß von 1876 führte zum Abzug aller Bundestruppen und zur erneuten Machtübernahme der Demokraten in den Sttdstaaten, wodurch sich den Industriellen des Nordens gleichzeitig der Süden als Absatzmarkt erschloß. Trotz beträchtlicher Investitionen blieben das erwartete Wirtschaftswachstum und der technologische Fortschritt aus.10 Die Machthaber im Süden versuchten, durch Subventionen ein positives Investitionsklima zu schaffen, während die Investoren aus dem Norden ihre Augen vor der Entrechtung der ehemaligen Sklaven verschlossen. Die nationale Einheit, d.h. die Einheit der weißen machthabenden Eliten des Nordens und Südens, war zurückgewonnen, jedoch auf Kosten der Afroamerikaner. Nur rund 20 Jahre lagen zwischen der afroamerikanischen Erlangung des vollen Wahlrechts im Zuge der Reconstruction 1870 und der schleichenden Aberkennung der Bürgerrechte, die mit der Durchsetzung der sogenannten Jim Crow Laws in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts legalisiert wurde. Die Afroamerikaner, die zirka 12 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmach-
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ten, waren von weiten Bereichen des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lebens in den USA ausgeschlossen.11 Die Migration von Afroamerikanern aus den SUdstaaten in die großen Städte des Nordens wie Chicago oder New York führte zu einer Konkurrenz mit weißen Amerikanern und Immigranten aus Europa um Arbeitsplätze, was zu einer weiteren Verschlechterung der Lebensbedingungen von schwarzen Migranten im Norden führte. Die wenigen African Americans, die nach dem Bürgerkrieg in politische Ämter berufen bzw. in die Parlamente einzelner Bundesstaaten gewählt worden waren, verloren ihre gerade errungenen Posten zum großen Teil in den folgenden Jahren wieder. Nur wenige Bereiche entwickelten sich zu afroamerikanischen Domänen. Hierzu zählten im diplomatischen Dienst die konsularischen Tätigkeiten in den Ländern Afrikas (Liberia, Sierra Leone, Madagaskar) und der Karibik (Haiti).12 Nicht nur die ehemaligen Sklaven im Süden, sondern auch die afroamerikanischen Gemeinden in den Neu-England Staaten sahen sich in zunehmendem Maße einem weißen Amerika gegenübergestellt, das nicht ernsthaft gewillt war, seinen schwarzen Bürgern einen ebenbürtigen Platz einzuräumen. Die in der Verfassung verankerte Gleichstellung von Menschen schwarzer und weißer Hautfarbe war bereits in der Phase der Reconstruction eher halbherzig umgesetzt und später durch neue Auslegungen der Verfassungszusätze und durch die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs wieder zurückgenommen worden. Auf legalem Wege wurden die Schwarzen zu Menschen zweiter Klasse degradiert. So wurde das erst 1875 vom Kongreß verabschiedete Civil Rights Act (gegen Rassendiskriminierung) 1883 für verfassungswidrig erklärt. Bei der so genannten J/m-Oow-Gesetzgebung13 handelte es sich um Segregationsgesetze, die den sozialen Umgang zwischen den Rassen reglementierten und der afroamerikanischen Bevölkerung z.B. den Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen und die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen verweigerte. 1896 wurde die Rassentrennung vom obersten Gerichtshof rechtlich sanktioniert. Das Urteil im berühmten Fall Plessy vs. Ferguson besagte, daß die Rassentrennung die Schwarzen nicht ihrer Bürgerrechte beraube, solange eine adäquate Alternative zur Verfügung stünde.14 Die im Supreme Court verwendete Formel des „seperate but equal" zog in alle Bereiche des amerikanischen Alltags ein. In diesem Urteil wurde u.a. behauptet, die „legislation was powerless to eradicate racial instincts".15 Das Bild des „minderwertigen" und zur Teilnahme an der „white man's civilization" „unfähigen" schwarzen Amerikaners war in den Südstaaten stets vorherrschend und wurde nun auch zur verbreiteten Sichtweise im Norden der USA. Die offizielle Politik ignorierte die Afroamerikaner und ihre gravierenden Probleme. Die Hoffnungen, die viele African Americans in die Präsidentschaft ehester Arthurs gesetzt hatten, der im Juli 1881 die Amtsgeschäfte des ermordeten Präsi-
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denten James Garfield übernahm, erfüllten sich nicht. Der Präsident versäumte es, in seiner Antrittsrede die schwarzen Bürger der USA zu erwähnen, und verlor kein Wort über die Diskriminierungen, denen sie ausgeliefert waren. Obwohl die Politik ehester Arthurs für die afroamerikanischen Interessen wenige positive Impulse bot, brach die Unterstützung für den Präsidenten und die Republikanische Partei nicht völlig ab. Die afroamerikanische Presse befürwortete fast einstimmig die Südstaatenpolitik des Präsidenten. Trotz vieler Vorbehalte hielten afroamerikanische Führungspersönlichkeiten wie Frederick Douglass an der Republican Party als der Partei Abraham Lincolns fest. Obwohl Douglass sich selbst als „an uneasy Republican" bezeichnete, rief er nicht zum Verlassen der Partei auf, sondern unterstützte Außenminister Blaine bei seiner Präsidentschaftskandidatur 1884. Für die meisten Afroamerikaner war es trotz ihrer Enttäuschung über die republikanische Politik, besonders in bezug auf den Kompromiß von 1877, undenkbar, sich den Demokraten anzuschließen. Die Treue zur Republikanischen Partei zahlte sich jedoch nur für wenige schwarze Amerikaner aus. Die wenigen Posten im öffentlichen Dienst, die Schwarzen zugestanden wurden, beschränkten sich hauptsächlich auf untergeordnete Positionen. Zur Vergabe von Ämtern an Afroamerikaner äußerte der Präsident gegenüber Mitarbeitern abfällig, die schwarzen Südstaatler würden sich nur bei der Bettelei um Posten hervortun.16 Die negative Bilanz der Politik Arthurs, die afroamerikanische Wissenschaftler wie Rayford Logan für die afroamerikanische Minderheit ziehen, wird von einigen (weißen) Historikern relativiert. So betont Thomas C. Reeves, daß sich Arthur bereits vor dem Bürgerkrieg als Abolitionist zu erkennen gegeben habe und mit zahlreichen Gesten der Sympathie für die Angelegenheit der schwarzen Bevölkerung eingetreten sei.17 In diesem Zusammenhang wird auch auf Arthurs Haltung in bezug auf die Entscheidung des obersten Gerichtshofs verwiesen, den Civil Rights Act von 1875 zu Fall zu bringen. Arthur versicherte vor dem Kongreß, er unterstütze ohne Zögern „any right, privilege and immunity of citizenship that it might pass."18 Insgesamt gesehen, hinterließ die Regierung ehester Arthurs kaum nennenswerte Spuren in der Geschichtsschreibung. Sie trug letztendlich zur Politikverdrossenheit und zur Desillusionierung der schwarzen Amerikaner in bezug auf die Partei der Republikaner bei.19 Arthurs Nachfolger, der Demokrat Crover Cleveland, der 1885 die Regierungsgeschäfte übernahm, ermöglichte einer größeren Gruppe von Afroamerikanern Zugang zu höheren Ämtern im öffentlichen Dienst. Doch auch die Regierung Cleveland zeigte kein großes Interesse an einer Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der schwarzen Amerikaner.20 Um die Jahrhundertwende prägten sozialdarwinistische Ideen nicht nur die pseudo-wissenschaftlichen Debatten in den USA, sondern auch die Vorstellungen von weißer Überlegenheit und schwarzer Inferioriät. Sie waren bis dahin vor allem im
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Süden stark ausgeprägt, fanden nun aber Uberall im Land die breite Zustimmung der Weißen.21 Die weiße Bevölkerung übernahm die Haltung der Südstaaten, daß Weiße stärker und fähiger wären und deshalb das Recht hätten, den schwarzen „backward races" ihren Willen aufzuzwingen. Die Betonung der weißen Vorherrschaft diente auch als Argument fUr die imperialen Bestrebungen, die seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts die amerikanische Politik mitbestimmten.22 Wurden die schwarzen Amerikaner anfangs als unfähig und minderwertig dargestellt, so ließ sich mit der Durchsetzung der Diskriminierungsgesetze gleichzeitig eine Transformation der Darstellung des Afroamerikaners vom naiven „slave chattel" zum „wildbeast" beobachten. Die Medien hatten durch eine wachsende Anzahl von Artikeln in der Presse und die Veröffentlichung von Romanen, wie z.B. Thomas Dixons The Clansman: An Historical Romatice of the Ku Klux Klan 23, einen entscheidenden Anteil an dem Negativbild vom „brutalen Schwarzen". Abseits der überregionalen Medien und nationalen Konferenzen beschworen Pastoren, Lehrer, Mediziner und Verwaltungsbeamte in ihren Gemeinden, in Fortbildungsseminaren und kleinen Tagungen die Gefahren, die angeblich von der schwarzen Rasse ausgingen. Der Arzt P.B. Barringer versuchte in einem Vortrag vor der Tri-State Medical Association of Virginia and the Carolinas, mit angeblich wissenschaftlichen Belegen aus der Vererbungslehre die über Jahrhunderte fortentwickelte „Degenerierung" der schwarzen Afrikaner nachzuweisen, die zur „Verrohung" der „schwarzen Rasse" geführt habe. Er kam zu dem Schluß, daß die Afrikaner trotz des „zivilisierenden Einflusses der Sklaverei" in den USA den „Pfad der Barbarei" noch nicht verlassen hätten. Barringers Vortrag trug den Titel „The American Negro, His Past and Future". Der Autor offenbarte damit, daß er den Afroamerikanern keinen Platz in der gegenwärtigen amerikanischen Gesellschaft zugestand 24 Moderatere Zeitgenossen als Barringer sprachen den ehemaligen Sklaven nicht die Fähigkeit ab, eine „höhere Zivilisationsstufe" zu erreichen. Allerdings verwiesen sie darauf, daß dies nur mit der Unterstützung weißer Mentoren zu verwirklichen sei. Die Afroamerikaner wurden zu „hilflosen" Mündeln degradiert, die eine „Belastung für die weiße Gesellschaft" darstellten. Julius Dreher, Präsident des Roanoke College in Virginia, betonte die Verpflichtung von Lehrern und Erziehern, die schwarzen Amerikaner nach dem Ende der Sklaverei auf ihrem Weg in die amerikanische Gesellschaft zu begleiten und zu leiten: „The negro is now our trust, our Charge, and our bürden."25 Nicht wenige African Americans fühlten sich deshalb verpflichtet, zur Rehabilitierung der Afroamerikaner bzw. aller Menschen afrikanischer Herkunft beizutragen. Die „Vindication of Race" war ein wichtiges Antriebsmoment, um sich der eigenen Stärke bewußt zu werden und zur Selbsthilfe zu greifen.
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„Racial Solidarity", Selbsthilfe und „Black Edueation" Der weitgehende Ausschluß der Afroamerikaner aus wichtigen Bereichen des öffentlichen Lebens seit dem Scheitern der Reconstruction führte nicht nur zur Resignation, sondern verstärkte bei den Betroffenen auch den Wunsch, ihr Schicksal selbst zu bestimmen und ihre Zukunft gemeinsam zu gestalten. Racial solidarity und gegenseitige Hilfe wurden als Grundvoraussetzungen betrachtet, um selbstbestimmt Veränderungen herbeizuführen. Der Schwerpunkt der Bemühungen lag auf dem eigenen, von weißem Einfluß weitgehend unabhängigen ökonomischen Erfolg, dessen Voraussetzungen eine umfassende Schulbildung schaffen sollte. Der direkte politische Protest, der vor dem Bürgerkrieg zunächst im Zusammenhang mit der Abolitionsbewegung von freien Schwarzen im Norden der USA artikuliert wurde, trat in den Hintergrund. Es ging zuerst einmal nicht um eine Neuformulierung der langfristigen Ziele, sondern um die Anwendung neuer Strategien. Der komplizierte Prozeß der Selbstfindung und der Definition einer eigenen Position innerhalb der amerikanischen Gesellschaft manifestierte sich in der Reaktivierung und dem Ausbau sozialer Netzwerke, die auf eine bis weit in das 18. Jahrhundert hinein reichende Tradition zurückgingen und die nun verstärkt ausgebaut wurden. Hierzu zählten auf lokaler Ebene Klubs, in denen die politisch drängenden Fragen diskutiert wurden, und Einrichtungen wie Wohltätigkeitsgesellschaften (benevolent societies), die Beratung und finanzielle Unterstützung im Alltag gewährleisteten. Darüber hinaus kam es zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Gründung nationaler Organisationen, Parteien und Gewerkschaften, die über lokale und regionale Büros agierten, wie z.B.
die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) von 1909 und die National Urban League (1911) sowie die National Business League. Eine wichtige Funktion bei der Schaffimg eigenständiger politischer, sozialer, ökonomischer und kultureller Institutionen übernahmen die Kirchen. Die Herausbildung von Führungspersönlichkeiten und die Entstehung einer afroamerikanischen Identität waren ohne den sozialen Zusammenhalt, den die Kirchen über ihren religiösen Auftrag hinaus schufen, nicht denkbar. Als nach dem Bürgerkrieg die Einrichtung und der Ausbau von Schulen zu den vordringlichsten Aufgaben in den ehemaligen Sklavenstaaten zählten, spielten die Kirchen und kirchliche Einrichtungen eine richtungsweisende Rolle. Sie übernahmen sowohl finanziell wie auch personell das Gros der Ausbildungsaufgaben für die ehemaligen Sklaven.26 Der Wunsch nach Bildung und die Bereitschaft, große Opfer für eine Ausbildung zu bringen, waren unter den freedmen sehr hoch. Die Mehrheit dieser neu geschaffenen schulischen Einrichtungen konnte aber, abgesehen von der Vermittlung rudimentärer Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen, aufgrund fehlender Fi-
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nanzmittel keine weiterführende Ausbildung gewährleisten. Der Ruf nach einer Collegeausbildung für Afroamerikaner wurde laut. „The short-range purpose of black schooling was to provide the masses of exslaves with basic literacy skills plus the rudiments of citizenship training for participation in a democratic society. The long-range purpose was the intellectual and moral development of a responsible leadership class that would organize the masses and lead them to freedom and equality."27 Seit den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde eine Reihe sogenannter black colleges gegründet, die neben den wenigen weißen Instituten, an denen Afroamerikanern ein Studium gestattet war, einen entscheidenden Anteil an der Herausbildung einer schwarzen Führungsschicht innerhalb der afroamerikanischen Gesellschaft hatten. Die Mehrheit dieser black colleges stand nicht - wie ihr Name vielleicht vermuten ließe - unter Leitung schwarzen Amerikaner, sondern ihre Studentenschaft war schwarz. 28 Sie wurden hauptsächlich von vier so genannten Freedmen Aid Societies sowie den großen protestantischen Kirchen des Nordens finanziert und
geleitet. Die American Missionary Association {AMA), die Freedmen's Aid Society of the Methodist Episcopal Church, die American Baptist Home Mission Society und die Board of Missions for the Freedmen of the Presbyterian Church in the U.S.A. gingen auf die Initiative weißer Amerikaner zurück, die alle Leitungsfunktionen innehatten und die in unterschiedlichem Ausmaß Afroamerikaner partizipieren ließen. Hinzu kamen einige überkonfessionelle und unabhänge Einrichtungen wie u.a. die Howard University und das Hampton Institute. Nur sehr wenigen black colleges stand ein afroamerikanischer Prinzipal vor. 29 Nicht alle Afroamerikaner bedauerten diesen Zustand, vielmehr fürchteten einige, daß ein Rückzug des weißen Lehrpersonal die Qualität der Ausbildung mindern könnte. Viele ehemalige Sklaven waren den Kirchen im Norden dankbar, da diese den Freedmen während und nach dem Bürgerkrieg trotz massiven Widerstands seitens der weißen Südstaatler eine erste Ausbildung ermöglicht hatten. Sie waren der Überzeugung, daß den black colleges unter weißer Obhut eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung zuteil käme. Das geringe Selbstbewußtsein, daß dieser Einstellung zugrunde lag, stieß bei den afroamerikanischen Lehrern und Lehrerinnen aus dem Norden, die im Auftrag der protestantischen Kirchen einen Großteil des Lehrpersonals stellten, auf wenig Verständnis. Sie forderten ein Mitspracherecht, wenn es um wichtige Entscheidungen für das College ging, und erwarteten, daß sie bei der Vergabe höherer Posten angemessen berücksichtigt würden. Die Unzufriedenheit mit den weißen College- und Schulvorstehern verstärkte zum einen den Ruf nach staatlichen schulischen Einrichtungen für African Americans und afroamerikanischer Leitung. Allerdings erreichten die staatlichen Bildungsinstitute nur selten den Standard der kirchlichen Ausbildungsstätten. Zwi-
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sehen der guten Collegausbildung für die Kinder der so genannten black elite und der schulischen Grundversorgung fiir die Mehrheit der afroamerikanischen Bevölkerung entstand ein Gefälle.30 Zum anderen unternahmen afroamerikanische Kir-
chen wie die African Methodist Episcopal Church (AME Church), die Colored Methodist Episcopal Church und die African Methodist Episcopal Zion Church (AMEZ Church) große Anstrengungen, um eigene weiterführende Schulen und Colleges einzurichten, die von ihnen organisiert und kontrolliert wurden. 1863 kaufte die AME Church von der Methodist Episcopal Church die Wilberforce University in Ohio. Ursprünglich als Ausbildungsstätte für die „illegitimen" Kinder der Pflanzeraristokratie eingerichtet, war Wilberforce später das erste black college in den USA31 In dem hier untersuchten Zeitraum unterschieden sich die Bildungsinhalte, die an den renommierten schwarzen Colleges und den weißen Colleges unterrichtet wurden, nur wenig voneinander. Auffallend war, daß das kulturelle Erbe Afrikas so gut wie keine Beachtung in den Lehrplänen fand, vielmehr sahen diese ausschließlich die Vermittlung der westlichen Kultur-, Moral- und Wertvorstellungen vor.32 Viele der afroamerikanischen Collegeabsolventen hatten aus diesem Grund eine negative Einstellung gegenüber dem afrikanischen Kontinent eingenommen, den sie als „gottlos" und „unzivilisiert" ablehnten. Willard Gatewood weist darauf hin, daß es dessenungeachtet gerade die Vertreter der educated elite waren, die später als Protagonisten des black nationalism hervortraten. „Although upper-class black generally looked upon Africa as a benighted land, as did other Americans, this did not mean that they sought to deny either their racial identity or their black heritage. In fact, it was precisely individuals such as ... W.E.B. DuBois, and Carter Woodson who organized black historical societies, recorded black history, and promoted black culture."33 Das Studium an einem black college gab also auch Anstoß zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Rolle der afroamerikanischen Minderheit innerhalb der amerikanischen Gesellschaft und schuf damit die Grundvoraussetzung für die Verwirklichung der Ziele des African American nationalism. In diesem Sinne war das black college Ausdruck eines neuen Zeitalters, einer era of change wie es Benjamin Mays, der ehemalige Präsident des Morehouse College, formulierte.34 Das Gefälle zwischen den verschiedenen Colleges war beträchtlich. Nur ein Teil der black colleges verfügte über die nötige finanzielle und damit personelle Ausstattung, um den Studierenden eine anspruchsvolle akademische Ausbildung anzubieten. Die Folge waren hohe Studiengebühren, die viele Studenten nicht über Jahre aufbringen konnten. In Wilberforce wurden z.B. die klassischen humanistischen Fächer wie alte Sprachen, Philosophie, Theologie etc. gelehrt, gleichwohl schlössen im 19. Jahrhundert nur 50 Studenten in Wilberforce ihr Studium mit einem B.A.
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Degree ab. Die Mehrheit aller Studierenden absolvierte EinfÜhrungs- und Aufbaukurse, aber keine graduate programs, und arbeitete nach dem Studium im Lehrerberuf. Trotz des eingeschränkten Ausbildungsangebotes für Afroamerikaner betrachteten die weißen Südstaatler die Zunahme an Bildungsmöglichkeiten für die ExSklaven mit Mißtrauen. Die Analphabetenrate unter den Afroamerikanern sank von 95 Prozent zu Beginn des Bürgerkrieges auf 70 Prozent im Jahre 1880 und betrug 1910 noch 30 Prozent.35 Das Streben der African Americans nach freiem Zugang zu jeder Form von Schulbildung, stieß auf massive Ablehnung bei der weißen Mehrheit, die den Afroamerikanern einen Teil der bürgerlichen Grundrechte verweigerte. Da jedoch die Einsicht vorherrschte, daß eine Ausweitung der schulischen Einrichtungen nicht zu stoppen sei und eine völlig ungebildete afroamerikanische Bevölkerung letztendlich nur eine Belastung für die amerikanische Wirtschaft darstellen würde, kam es aus Sicht der weißen Südstaatler auf eine Neuformulierung afroamerikanischer Bildungsinhalte an. Federführend für die Ausarbeitung dieses neuen Curriculums war Samuel Chapman Armstrong, der Leiter des Hampton Normal and Agricultural Institute in Hampton, Virginia. „This new curriculum offered the possibility of adapting black education to the particular needs and interests of the South's dominant-class whites. Hence those southern and northern whites who thought it wiser to redirect the social purpose of freedmen's education rather than attempt to destroy it rallied to this new model of special education."36 Der Begriff für das Ausbildungskonzept lautete industrial education. Die Debatte um industrial education prägte die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die sich in unterschiedlicher Art und Weise und mit divergierenden Interessen für die Belange der afroamerikanischen Minderheit verantwortlich fühlten. Die industrial education entwickelte sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Bildungsmodell, das nach Meinung vieler für alle Menschen afrikanischer Herkunft in der Diaspora wie auch in Afrika eine adäquate Form der Ausbildung bieten konnte.
Industrial Education: Das Hampton-Tuskegee-Modell in den USA und Afrika Das Konzept von industrial education, das auch unter den Begriffen „practical training" und „vocational instruction" firmierte37, ist eng verbunden mit Samuel Armstrong und dem Hampton Institute. Die Anfänge dieses Modells reichen jedoch zurück in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts, als zuerst in England und im britischen Empire im Zuge des Übergangs von Sklavenarbeit zu freier Lohnarbeit neue
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Arbeitsformen entwickelt wurden und die Arbeitsdisziplin sichergestellt werden sollte. Zur selben Zeit fand die industrial education auch in den USA Zuspruch. Die Abolitionisten diskutierten die Einrichtung von Manual Labor Schools, die den African Americans eine praktische Ausbildung vermitteln und damit den Grundstein für eine wirtschaftliche Entwicklung und ökonomische Unabhängigkeit legen sollten. In den Schriften von Frederick Douglass finden sich ähnlich lautende Argumente, wie sie dreißig Jahre später von Booker T. Washington verwendet wurden. So schrieb Douglass 1835: ,4t is vain that we talk about being men, if we do not the work of men. We must become valuable to society in other departments of industry than those servile ones from which we are rapidly being excluded. We must show that we can do as well as be; and to this end we must learn trades. When we can build as well as live in houses; when we can make as well as wear shoes; when we can produce as well as consume wheat, corn and rye - then we shall become valuable to society."38 Als Samuel Armstrong seine Thesen zur industrial education entwickelte, hatte er im Gegensatz zu Douglass nicht die berufliche Weiterbildung und die wirtschaftliche Eigenständigkeit der African Americans im Auge, sondern ihre Erziehung zu unterwürfigen, loyalen Arbeitskräften im Dienste der weißen amerikanischen Wirtschaft. Hampton Normal and Agricultural Institute wurde 1868 von Samuel Armstrong mit Unterstützung der American Missionary Association (AMA) in Hampton, Virginia gegründet. Armstrong entstammte einer Missionarsfamilie, war auf Hawaii aufgewachsen und betrachtete die Missionierungsarbeit als „noble work for the savage race". Später studierte er Pädagogik und nach dem Ende des Bürgerkriegs, in dem er als Offizier der Union ein schwarzes Regiment gefuhrt hatte, leitete er das Freedmen's Bureau in Hampton. Als Direktor des Hampton Institute übertrug er seine degradierende Sichtweise der Hawaiianer auf die Afroamerikaner. Armstrong sah es als seine vornehmste Aufgabe an, die Ex-Sklaven in einfachen manuellen Tätigkeiten zu unterweisen und zur regelmäßigen Arbeit zu erziehen.39 Armstrongs Bildungskonzept stieß sowohl bei den Schulreformern im Süden und den Missionsgesellschaften als auch bei einflußreichen Geschäftsleuten aus dem Norden, die zur finanziellen Unterstützung bereit waren, auf große Zustimmung. Sie alle vertraten die Meinung, daß das industrial training die adäquateste Form der Ausbildung für die Ex-Sklaven sei, um die politische Stabilität und den materiellen Wohlstand in den ehemaligen Sklavenstaaten zu gewährleisten. Die Betonung einer praktischen handwerklichen Ausbildung bedeutete eine klare Abkehr von den Bildungskonzepten der black colleges, die auch geisteswissenschaftliche Elemente in ihren Curricula berücksichtigt hatten. Es war deshalb nicht verwunderlich, daß große Teile der
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African Americans, die zur educated elite zählten, Armstrong und sein Institut mit Sorge betrachteten. Die industrial education war ursprünglich ein „all-inclusive concept"40 und beinhaltete verschiedene Schultypen. Die größte Verbreitung fanden die „trade schools", an denen Handwerker und Arbeiter für die Industrie ausgebildet wurden. Daneben gab es Technikerschulen (schools of applied science and technology), die eine praktische Ausbildung für Ingenieure, Architekten, Chemiker u.a. anboten. Eine weitere Schulform vermittelte einfache manuelle Fähigkeiten, wobei besonderes Augenmerk auf die Herausbildung von „Tugenden" wie Pünktlichkeit, Sauberkeit und Ordnung gerichtet wurde. In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die industrial education zu einem weit verbreiteten Ausbildungsmodell, das nach Ansicht seiner Befürworter nicht nur den Bedürfnissen der afroamerikanischen Minderheit, sondern auch den Anforderungen der Industrialisierung am besten gerecht wurde.41 Erklärtes Ziel der weißen Verfechter der industrial education war die Schaffung einer schwarzen Arbeiterschaft, die niedere Aufgaben in der Landwirtschaft, der Industrie und im Dienstleistungsbereich wahrnahm und ihre untergeordnete soziale Position innerhalb der amerikanischen Gesellschaft kritiklos akzeptierte. Diese Vorstellung entsprach einer reduzierten Form von industrial education, die nur noch bedingt die Vorbereitung der afroamerikanischen Bevölkerung auf die Erfordernisse des Industriezeitalters unterstützte. Das Hampton Institute war in erster Linie eine sogenannte normal school zur Ausbildung von Grundschullehrern. Hampton bot eine zwei- bis dreijährige Ausbildung, die mit einem Lehrerzertifikat abgeschlossen wurde, ohne die Möglichkeit, einen Bachelor-Abschluß zu erwerben. Hamptons Image als industrial school beruhte auf Armstrongs Vorstellungen von der Notwendigkeit einer handwerklichen Ausbildung und der Idee von „self-help" als praktischer und moralischer Grundlage der Lehrerausbildung. Auf dem Schulgelände wurden Farmen und kleine Werkstätten eingerichtet, wo die künftigen Lehrer Erfahrungen in manueller Arbeit sammeln sollten. Es ging weniger um eine zusätzliche berufliche Qualifikation, sondern vorrangiges Ziel war es, den zukünftigen Lehrern die Würde harter Arbeit durch praktische Erfahrung zu vermitteln. In den Worten Andersons verfolgte man das Ziel: „to work the prospective teachers long and hard so that they would embody, accept, and preach an ethic of hard toil or the,dignity of labor'."42 Die Quintessenz von black industrial education bestand darin „to train a cadre of conservative black teachers who were expected to help adjust the Afro-American minority to a subordinate social role in the Southern political economy".43 Kritiker bemängelten vor allem den Aspekt der Unterordnung und das statische Bild, das die Weißen von den Afroamerikanern hatten und demzufolge ihnen keine Weiterentwicklung innerhalb der amerikanischen Gesellschaft zuerkannt wurde. „The institute (Hampton, K.F.-S.) would thus produce leaders for
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a stable, literate, and semi-skilled community that would remain in a state of permanent economic, political, and social subordination to the dominant white sector of southern society."44 Unter der ländlichen afroamerikanischen Bevölkerung fand die Hampton School beträchtlichen Zuspruch, da das Institut keine hohen Aufnahmeanforderungen erhob und Schulgeld, Unterkunft, etc. von den Studenten großenteils durch Arbeit auf den schuleigenen Feldern, in den Werkstätten und im Versorgungsbereich aufgebracht werden konnten.45 Viele Absolventen schrieben später begeistert über ihr Studium in Hampton und blieben ihren ehemaligen Lehrern und Lehrerinnen ein Leben lang in Dankbarkeit verbunden. Nicht alle formulierten jedoch Briefe voller tiefempfundener Zuneigung für ihre Alma Mater, wie William Henry Sheppard. Auch nach über 10 Jahren missionarischer Tätigkeit im Kongo fühlte er sich seiner Ausbildungsstätte eng verbunden. Die folgenden Zeilen Sheppards an seine ehemalige Lehrerin stehen in starkem Kontrast zu dem harten Schulalltag, den Entbehrungen und dem Drill, dem die Studenten ausgeliefert waren. Sheppard ist ein Musterbeispiel für eine erfolgreiche Erziehung und Ausbildung im Sinne Samuel Armstrongs. „Dear Miss Sherman... The birds of the great mother (Hampton) fly away but they are not forgotten. They are written to, and are drawn with cards of love homeward. Hampton loves me. I am far away in the darkest part of the world, and my great mother sends her words of cheer and devotion to brighten our home and to tell us distinctly that we are not forgotten. I always feel ashamed whenever I receive a letter from Hampton, especially when I think of her great love and my unworthiness."44 Hamptons berühmtester Student war Booker T. Washington. Er schloß sein Studium 1875 ab und arbeitete seit 1879 als Lehrer in Hampton, bis er 1881 die Leitung einer kleinen Schule in Tuskegee, Alabama, übernahm und dort nach dem Vorbild seiner Alma Mater das Tuskegee Normal and Industrial Institute schuf. In Tuskegee entwickelte Washington die Idee Hamptons mit dem Anspruch weiter, sie den Erfordernissen des ländlichen Umfeldes, aus dem die Mehrheit der African Americans stammte, anzupassen. Benjamin Brawley, der 1920 für einige Monate am Booker T. Washington Institute in Liberia unterrichtete, beschrieb Booker T. Washingtons Rolle bei der Umsetzung der „Hampton-Idee" mit den folgenden Worten: „What was needed, however, was for some one to take the Hampton idea down to the cotton belt, interpret the lesson for the men and women digging in the ground, and generally to put the race in line with country's development. This was what Booker T. Washington undertook to do."47 Washington, der seine Kindheit noch als Sklave auf einer Plantage verbracht hatte, betonte den Zusammenhang von Bildung und ökonomischer Entwicklung und betrachtete eine praktische Ausbildung als die beste Voraussetzung, um der afroame-
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rikanischen Bevölkerung eine angemessene Lebensgrundlage zu sichern. In seiner Schrift „Working with the Hands", betonte Washington die vier Ziele, die von ihm am Tuskegee Institute entwickelt wurden: „To teach the dignity of labor; To teach the trades thoroughly and effectively; To supply the demand for trained industrial leaders; To assist the students in paying all, or a part, of their expenses."48 Als entschiedener Gegner jeder Form von Migration plädierte Washington dafür, daß die Afroamerikaner nicht in die großen Städte des Nordens oder nach Afrika auswanderten, sondern im ländlichen Süden blieben und sich dort eine Existenz als Lehrer, Handwericer, Büroangestellte oder Kleingewerbetreibende schufen.49 Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion durch die Vermittlung von Kenntnissen im Bereich der modernen Agrartechniken und der Bekämpfung von Bodenerosion wurde deswegen als Ausbildungsschwerpunkt in Tuskegee angestrebt.50 Washington avancierte in den letzten beiden Dekaden des 19. Jahrhunderts zu einer der wichtigsten afroamerikanischen Führungspersönlichkeiten. Die TuskegeePhilosophie, eine Kombination von Kompromissen und Veränderungen im kleinen, akzeptierte die Rassentrennung, forderte die territoriale Integrität für African Americans und die Kontrolle der eigenen Märkte durch ein afroamerikanisches Kleinbürgertum. Sie propagierte die industrial education, lehnte sozialistische Ideen ab und befürwortete eine pragmatische Allianz mit den weißen Plutokraten und Erziehern. Washingtons Politik der „racial accommodation" rief keinen Argwohn seitens der weißen Bevölkerung hervor und ermöglichte es ihm, das Tuskegee Institute trotz aller Reglementierungen weitgehend in eigener Verantwortung zu leiten.51 Sein Einfluß und sein Prestige rührten vor allem daher, daß es ihm gelang, von der Gruppe der Philantropen akzeptiert zu werden, die vor allem zur Unterstützung einer Ausbildung der afroamerikanischen Minderheit im Süden bereit waren. Zu denjenigen, die philantropische Aktivitäten entfalteten, gehörten neben den bereits genannten Missionsgesellschaften auch Großindustrielle und Geschäftsleute aus dem Norden wie etwa Andrew Carnegie, John D. Rockefeller Jr., George F. Peabody, Julius Rosenwald, William H. Baldwin oder auch Anna T. Jeanes, eine reiche Quäkerin. Eine Reihe von philanthropischen Gesellschaften wurde gegründet. Hierzu zählten der bereits 1867 gegründete Peabody Fund, der Slater Fund (1881) und der General Education Board (GEB) von 1902. Der GEB, mit einer großen Spende von Rockefeiler ins Leben gerufen, gab der philanthropischen Bewegung eine neue Richtung. Weitere Gründungen wie das Southern Education Board (1901), der Jeanes Fund (1907), der Phelps-Stokes Fund (1911) und der Julius Rosenwald Fund (1917) arbeiteten eng mit dem GEB zusammen und koordinierten ihre Aktivitäten mit ihm. Obwohl private Geber und die Missionsgesellschaften zu Beginn des Jahrhunderts noch das Gros der finanziellen Unterstützung für das afroamerikanische Bildungswesen leisteten, fand die neue Politik des GEB schnell Zustimmung. Mora-
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lische Beweggründe der Spendenvergabe traten zugunsten wissenschaftlicher Untersuchungen in den Hintergrund, durch die die Ursachen des Problems grundlegend gelöst werden sollten. „Rejecting »sentimental' giving that responded to mere symptoms, these ,new philanthropists' believed that they could eliminate the root causes of social problems through research and the careful application of insights."52 Washingtons Befürworter unter den weißen Politkern und Geschäftsleuten zeigten sich gegenüber seinen Bemühungen für eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der African Americans wohlwollend, und seine guten Beziehungen zu Theodore Roosevelt brachten ihm den Titel „Advisor for Negro Affairs" ein, nachdem Roosevelt 1904 die Präsidentschaft übernommen hatte. Das HamptonTuskegee Modell war seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts bei Kirchenvertretern, Philanthropen und allen jenen, die sich mit Bildungskonzepten für die ehemaligen Sklaven in den amerikanischen Südstaaten nach dem Bürgerkrieg beschäftigten, auf wachsendes Interesse gestoßen. Um 1890 wurde die Forderung nach einem Ausbau der praktischen Lehrgänge immer lauter. Der John F. Slater Fund stellte seine Gelder ausschließlich für das industrial training zur Verfugung.53 Auch am Fisk College, das sich intensiv um eine geisteswissenschaftliche Ausbildung bemühte, setzte sich Industrial Education durch. Hierbei handelte es sich nicht um eine freiwillige Entscheidung der College-Leitung, sondern um eine notwendige Maßnahme, um den Anforderungen der Geldgeber zu entsprechen und die dringend benötigte finanzielle Unterstützung zu sichern. So setzte der John F. Slater Fund durch, daß Kurse für Kinderpflege und Hygiene sowie Kochen und Weißnäherei eingerichtet wurden.54 Auch zahlreiche andere black colleges sahen sich gezwungen, ihr Lehrangebot durch das industrial training zu erweitern. Vertreter der Missionary Societies übernahmen immer häufiger wichtige Funktionen innerhalb des GEB. Die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen philanthropischen Einrichtungen führte auch zu größeren Abstimmungen bei der Mittelvergabe. Die Anzahl der finanziell unterstützten Bildungsinstitute sank, dafür erhielten einige ausgewählte Einrichtungen deutlich höhere Zuwendungen. Es verwundert nicht, daß Hampton and Tuskegee den Löwenanteil der Philanthropengelder für sich verbuchten. Booker T. Washington verfügte bei der Verteilung der finanziellen Zuwendungen von seiten philanthropischer Organisationen über einen beträchtlichen Einfluß. Die Neustrukturierung der Mittelvergabe kam in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts voll zum Tragen, nachdem 1917 eine vom Phelps-Stokes Fund in Auftrag gegebene, große Untersuchung zur Lage der black education veröffentlicht wurde. Die Arbeit mit dem Titel „Negro Education: A Survey of the Private and Higher Schools for Colored People in the United States" wurde von Thomas Jesse Jones, einem presbyterianischen Pastor und Lehrer sowie „educational director" des Phelps-Stokes Fund, verfaßt. Jones hatte von 1902 bis 1909 am Hampton Institute
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unterrichtet. Er betonte vor diesem Erfahrungshintergrund die Bedeutung der praktischen Ausbildung in den Colleges und Schulen für African Americans im amerikanischen Süden. Jones versuchte in seinem Bericht, die Bedeutung der akademisch orientierten black Colleges wie Fisk und Howard herabzuwürdigen, und ignorierte damit nicht nur das wachsende Interesse der Afroamerikaner an einer weiterfuhrenden Ausbildung, sondern erschwerte diesen Colleges auch den Zugang zu dringend benötigter finanzieller Unterstützung.55 Für Fisk entspannte sich die finanzielle Situation erst, als Booker T. Washington 1909 Mitglied im Fisk Board of Trustees wurde und sich für die Unterstützung des Colleges in Nashville einsetzte.56 Die Bedeutung des Philanthropinismus für das afroamerikanische Erziehungswesen wird in der Literatur bis heute kontrovers diskutiert. Befürworter betonten die vielfältigen Möglichkeiten und Chancen, die diese Form der Unterstützung hätte bieten können Die Kritiker hingegen sahen in der „Großzügigkeit" den Versuch, echte Reformen zu verhindern. In einer neueren Untersuchung wird der Versuch unternommen, den starken Einfluß der Südstaatler auf die Philanthropen aus dem Norden zu verdeutlichen Die Philanthropen hätten sich, so das Fazit der Arbeit von Anderson und Moss, bei vielen ihrer Entscheidungen letztendlich dem Druck aus dem Süden beugen müssen.57 Die Hampton-Tuskegee Idee, die in der Öffentlichkeit durch die Monatszeitschrift des Hampton Institutes Southern Workman verbreitet wurde58, stieß vor allem auf Kritik von sehen der afroamerikanischen Elite, die sich hauptsächlich in den großen Städten des Nordens etablierte, hatte und vorwiegend aus Pastoren, Lehrern, Journalisten und Kleinunternehmern zusammensetzte. Auch einige Vertreter der Missionsgesellschaften hinterfragten das Konzept der industriell education, wie es in Hampton und Tuskegee angewendet wurde, kritisch. Die Kritiker äußerten Zweifel an den langfristigen Folgen einer einseitig praktisch ausgerichteten Ausbildung, die sich darüber hinaus auf den ländlichen Raum konzentrierte und die Entwicklung des Kleinbürgertums in den Städten vernachlässigte. James Andersons ein wenig militärisch anmutende Zusammenfassung trifft den Kern des Konflikts. Die Kontroverse, so Anderson, „represented one of the last great battles in the long war to determine whether black people would be educated to challenge or accommodate the oppressive Southern political economy."59 Vor allem Booker T. Washingtons Politik der Anpassung entfachte hitzige Debatten unter den Afroamerikanern. Dabei ging es nicht mehr nur um die Ziele afroamerikanischer Erziehung und Ausbildung, sondern letztendlich um den zukünftigen Status der African Americans in der amerikanischen Gesellschaft. W.E.B. Du Bois, einer der entschiedensten und eloquentesten Kritiker Booker T. Washingtons, gründete 1905 mit Gleichgesinnten das Niagara Movement of Civil Rights als Gegenorganisation zu Washington und zur Tuskegee Machine.60 Innerhalb der educa-
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ted elite stimmten viele Du Bois' deutlicher und teilweise ironischer Kritik an Booker T. Washington zu. „The black men of America have a duty to perform, duty stern and delicate-a forward movement to oppose a part of work of their greatest leader. So far Mr. Washington preaches Thrift, Patience, and Industrial Training for the masses, we must hold up his hands and strive with him, rejoicing in his honors and glorying in the strength of this Joshua called of God and of man to lead the headless host. But so far as Mr. Washington apologizes for injustice, North or South, does not rightly value the privilege and duty of voting, belittles the emasculating effects of caste distinctions, and opposes the higher training and ambition of our brighter minds - so far as he, the South, or the North, does this - we must increasingly and firmly oppose."61 Erst nach dem Tode Booker T. Washingtons (1915), der von vielen als der einflußreichste afroamerikanische Pädagoge des frühen 20. Jahrhunderts bezeichnet wird, begann eine breitere Öffentlichkeit, die in Hampton und Tuskegee vermittelte Lebensphilosophie ernsthaft in Frage zu stellen. Alexander Crummell, ein ehemalige Befürworter des Industrial Training, maß der akademischen Ausbildung nach langjähriger Missionars- und Lehrtätigkeit eine größere Bedeutung bei. Crummell erkannte, „that purely mechanical education could never provide the necessaiy mental habits for racial progress. Education in philosophy, history, literature and the classics provided discipline and toughness, no less than industrial education."62 Washington hingegen gab die klassische Ausbildung der Lächerlichkeit preis und sah in der industrial education die Lösung für die Probleme der Afroamerikaner in den USA.63 Mit Booker T. Washington ging die „accomodationist era" zu Ende. Intellektuelle wie W.E.B. Du Bois bildeten die neue afroamerikanische Führungselite. Zweifellos haben Washington und seine Tuskegee-Philosophie zur Etablierung eines schwarzen Kleinbürgertums in den USA beigetragen. Die Vertreter dieser black petty bourgeoisie 64 und ihre Kinder bildeten die Mehrheit der Studentenschaft an den schwarzen Colleges. Das Konzept der industrial education überlebte Booker T. Washington. Bedingt durch ihre deprimierende wirtschaftliche und soziale Lage sahen viele African Americans wenig Sinn in einem weiterfuhrenden Studium, da sie damit keine Verbesserung ihrer sozioökonomischen Verhältnisse erwarten konnten. T. McCants Stewart zählte zu denjenigen, die das industrial training im Sinne von Armstrong und Washington trotz eines eigenen Studiums an der Howard University und der University of South Carolina für angemessen und richtig hielten. Stewart war als freier Schwarzer in einfachen Verhältnissen in Charleston aufgewachsen und hatte während der Phase der Reconstruction studiert. Er arbeitete als Pastor für die A ME Church, schloß sich vorübergehend der republikanischen Partei an und unternahm zwei erfolglose Versuche, in Liberia als Literaturprofessor und
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als Richter Fuß zu fassen. T. McCants Stewart verfügte über eine breit gefächerte geisteswissenschaftliche Aubildung und engagierte sich aktiv für die Bürgerrechte der African Americans. Dennoch gelang es ihm zeitlebens nicht, eine seiner Ausbildung entsprechende berufliche Position zu finden, die ihm darüber hinaus auch ein finanziell abgesichertes Leben ermöglicht hätte. Diese Erfahrungen bestärkten Stewart in einer positiven Bewertung der industriai education.65
Der Blich nach Afrika Die philanthropischen Gesellschaften weiteten ihr Einflußgebiet nach der Jahrhundertwende beträchtlich aus und begannen, auch auf dem afrikanischen Kontinent Aktivitäten zu entfalten. Gemeinsam mit den britischen Kolonialverwaltungen entwickelten sie in Anlehnung an das Hampton-Tuskegee-Konzept Bildungsprogramme für die afrikanische Bevölkerung. So förderte z.B. der Jeanes Fund in Kenia und im damaligen Süd- und Nordrhodesien spezielle Ausbildungsstätten mit dem Ziel, „to train sympathetic and vital educators for rural regions."66 1919 richtete der Phelps-Stokes Fund auf Anregung der American Baptist Missionary Society die African Education Commission ein. Die Kommission erhielt den Auftrag, auf einer Reise durch den afrikanischen Kontinent die Ausbildungssituation in einer Reihe von Ländern zu ermitteln und im Anschluß daran in einem zusammenfassenden Bericht Empfehlungen auszusprechen. Das Ziel war die Erarbeitung von Richtlinien für ein gemeinsames Bildungsprogramm für Afrika. Zwischen August 1920 und März 1921 besuchte die African Education Commission acht Länder: Sierra Leone, Liberia, die Goldküste (Ghana), Nigeria, Kamerun, Belgisch Kongo (Demokratische Republik Kongo), Angola und Südafrika. Die Kommission bestand neben Thomas Jesse Jones, der als Vorsitzender fungierte, aus folgenden Mitgliedern: Arthur W. Wilkie und Mrs. Wilkie, die die Conference of Missionary Societies of Great Britain and Ireland vertraten, Dr. C.T. Loram von der Native Affairs Commission of South Africa, Emory Ross, Mitglied der American Disciples Mission in Belgisch Kongo und Janes E.K. Aggrey, der als einziger schwarzer Hautfarbe war.67 Aggrey stammte von der damaligen Goldküste, hatte mit Unterstützung des Phelps-Stokes Fund am Livingstone College in North Carolina und an der Columbia University studiert und war 1919 als Lehrer am Livingstone College tätig. Er war ein großer Anhänger von Booker T. Washington und dessen Ausbildungsziel „of black advancement through educational, social, and economic uplift."68 Aggrey betrachtete den Erfolg von Tuskegee als wegweisend für das Ausbildungswesen in seiner Heimat Afrika.69
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Der Abschlußbericht der African Education Commission70 stammte aus der Feder von Thomas Jesse Jones. Er basierte größtenteils auf vorgefaßten Meinungen der weißen Amerikaner, die er bereits in seiner Untersuchung Negro Education dargelegt hatte. Ausgehend von der Behauptung, daß sich die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verhältnisse der Afrikaner in Afrika und in den USA nicht grundsätzlich unterschieden, empfahl Jones in Afrika eine ähnliche Vorgehensweise. Er plädierte für den Ausbau der Schulen mit landwirtschaftlichen und einfachen handwerklichen Lehrgängen, eine effektivere Überprüfung der Schulen sowie eine engere Kooperation zwischen der Kolonialverwaltung und der Mission. Darüber hinaus empfahl Jones eine Differenzierung zwischen einer praktischen Ausbildung für die Massen und einem Ausbildungsangebot für die indigene Führungsschicht, was in erster Linie den Lehrerberuf betraf. Die Ansprechpartner und Informanten der Kommissionsmitglieder in den einzelnen Anlaufstationen waren in erster Linie höhere Kolonialbeamte bis hin zum Gouverneur der Goldküste, Guggisberg; Missionare der verschiedensten britischen und amerikanischen Missionsgesellschaften vor Ort und einige wenige lokalen Autoritäten wie paramount chiefs. Eine Konsultation mit der betroffenen Bevölkerung fand kaum statt. Ebenso wie die kolonialen Verwaltungen war auch Jones der Ansicht, daß die Einbeziehung der Afrikaner von geringem Nutzen für die Untersuchung sei. Die Nichtbeachtung der educated elite in Westafrika, die politische Partizipation forderte, war ein Versuch, diesen Teil der indigenen Bevölkerung zu isolieren. Hierzu zählten die Mitglieder des National Congress of British West Africa, die sich für die Einrichtung einer Universität in Westafrika einsetzten.71 Intern gab es einige Kritik an den Untersuchungsmethoden von Thomas Jesse Jones. Arthur Wilkie äußerte in einem Brief an J.H. Oldham sein Befremden in bezug auf die Arbeitsweise des Vorsitzenden: ,Jones is splendid on his own subject. He has, however, a rather pronounced tendency to prejudge; to assume that certain characteristics will be present and then to dismiss them! I was rather shocked when he began to write a report on the Gold Coast, with recommendations, when he had visited only one outpostKumase... One rather disturbing characteristic is a reluctance to study documents! And its effect is that later on he finds out that certain methods are already adopted which he thought were absent."72 Insgesamt stießen die Erkenntnisse und Vorschläge der African Education Commission auf weitgehende Zustimmung bei den Kolonialverwaltungen, im Colonial Office in London und bei den Missionsgesellschaften, die sich in ihrer Arbeit bestätigt fühlten. 1924 wurde eine zweite Kommission eingesetzt, die in sechs Wochen Äthiopien, Kenia, Uganda, Tanganyika (Tanzania), Sansibar, Nyasaland (Malawi), Mosambik, Nord-und Südrhodesien (Sambia und Zimbabwe) und Südafrika bereiste. Die zweite Kommission war deutlich prominenter besetzt als die Vorgängerin.
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Neben Hanns Vischer, dem Vorsitzenden des Colonial Office 's Advisory Committee on Native Education in Tropical Africa war auch James H. Dillard, Präsident des Jeanes Fund und Treuhänder des Phelps-Stokes Fund mit dabei. James Aggrey war wiederum als einziger Vertreter Afrikas daran beteiligt. Obwohl auch die Empfehlungen der zweiten Kommission mehrheitlich von offizieller Seite begrüßt wurden, blieb eine Implementierung der Vorschläge weitgehend aus. Die gebildete schwarze Elite auf beiden Seiten des Atlantiks reagierte jedoch mit scharfer Kritik auf die African Education Commission, deren Vorschläge sie als Einschränkungen ihrer Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten ansahen. An der Goldkiiste agitierten Anhänger von Marcus Garvey auf Veranstaltungen gegen den Bericht, und eine Gruppe von Rechtsanwälten fürchtete um den Fortbestand der wenigen Einrichtungen für higher education. In den USA zählten W.E.B. DuBois und Carter Woodson zu den entschiedensten Gegnern der African Education Commission. Während in den USA das Konzept der industrial education wachsender Kritik ausgesetzt war und von vielen nicht mehr als adäquate Ausbildung für die afroamerikanische Bevölkerung angesehen wurde, versuchten amerikanische „Bildungsexperten" gemeinsam mit Vertretern der europäischen Kolonialmächte, die HamptonTuskegee-Idee als alleiniges Ausbildungskonzept in Afrika zu etablieren. Dabei gingen sie von den folgenden drei Grundannahmen aus: 1) Die Erfahrungen des afroamerikanischen Südens haben einen unmittelbaren Einfluß auf Afrika. 2) Weder Afroamerikaner noch Afrikaner werden in absehbarer Zeit ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können. 3) Afrika und der afroamerikanische Süden sind ausschließlich von der Landwirtschaft geprägt.73 Während die erste Annahme bis heute in der Literatur diskutiert wird und zu einer intensiven Debatte über die Vergleichbarkeit der Entwicklungen im amerikanischen Süden und in Südafrika geführt hat74, haben sich die beiden anderen Behauptungen nicht bewahrheitet. Die African Education Commission des Phelps-Stokes Fund ist ein Beispiel für die Verbindung von philanthropischen Gesellschaften und europäischer Kolonialpolitik. Sie dokumentiert auch den beträchtlichen Einfluß, den die USA indirekt auf die koloniale Entwicklung in Afrika nehmen konnten.75 Diese Form der Einflußnahme, die als Kulturimperialismus bezeichnet werden kann, wurde mit dem Ausbau des Schulwesens durch amerikanische Missionsgesellschaften weiter intensiviert. Die christlichen Missionare übernahmen die Funktion von Vermittlern, die nicht nur die christliche Lehre, sondern auch die Vorstellungen der Segregation und der „Rückständigkeit" aller Menschen afrikanischer Herkunft als Teil der christlichen Zivilisation auf dem afrikanischen Kontinent verbreiteten. Seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts errichteten amerikanische Missionare auf ihrem „Missionsfeld" in Afrika Schulen, in denen neben Kenntnissen wie Lesen, Schreiben und Rechnen auch handwerkliche Techniken gelehrt wurden. Die Missionare und Mis-
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sionarinnen unterschieden sich in den Zielen ihrer Missionsschulausbildung nur geringfügig von Samuel Armstrong und dem Hampton Institute. Es ging ihnen darum, die „unzivilisierten Heiden" zu regelmäßiger produktiver Arbeit „heranzuziehen", sie damit an die Mission zu binden und schließlich zum Christentum zu bekehren. Es herrschte die Vorstellung, die Afrikaner seien wie die Afroamerikaner in erster Linie rural people, die ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft verdienen sollten. Jene African Americans, die unter großen Anstrengungen und Entbehrungen eine Ausbildung an einer schulischen Einrichtung absolviert und auf eine gesicherte Existenz in den USA gehofft hatten, sahen ihre Lebensperspektive in dem Land, das sie als Heimat betrachteten, bedroht. Die ,Jim Crow-Gesetzgebung", die sie nach und nach ihrer Bürgerrechte beraubte und die dem weißen Rassismus Tür und Tor öffnete, löste Angstgefühle und die Furcht vor einer ungewissen Zukunft aus. Wie vor dem Bürgerkrieg begannen einige Afroamerikaner über eine mögliche Migration nachzudenken. Viele wanderten in die großen Städte im Norden der USA ab, für andere rückte der afrikanische Kontinent wieder stärker in das Bewußtsein. Die Überlegung, die erworbenen Kenntnisse als Lehrer oder Lehrerin den Afrikanern zuteil werden zu lassen und so beim Aufbau eines Ausbildungssystems nach USamerikanischem Vorbild mitzuhelfen, erschien als eine interessante Perspektive. Die jungen Schul- und Collegeabsolventen wurden bei ihren Emigrationsplänen oftmals von den Lehrerinnen und Lehrern unterstützt, die ihren Studenten bereits während des Studiums Afrika nahezubringen versuchten. Ackrel White und William Schofield studierten beide am Hampton Institute. White arbeite nach Abschluß seines Studiums 1877 für mehrere Jahre als Lehrer auf einer Missionsstation in Sierra Leone. Schofield schloß 1886 seine Ausbildung in Hampton ab und verzichtete auf ein weiterführendes Studium, um als Missionshelfer nach Liberia zu gehen.76 Beide verfolgten getrennt voneinander die Idee, ein Hampton in Afrika zu schaffen. White kehrte frustriert in die USA zurück, nachdem seine Fähigkeiten als Lehrer von den weißen Vorgesetzten auf der Station immer wieder bemängelt worden waren. Schofield blieb in Liberia, konnte seinen Traum aber nicht realisieren und verstarb dort nach langer Krankheit.77 Die Schicksale von Ackrel White und William Schofield sind zwei Beispiele aus der Gruppe von Afroamerikanern, die eine Zukunft in Afrika suchten. Nicht alle endeten in der Enttäuschung. Die Karrieren von William Henry Sheppard, Althea Brown Edmiston und Maria Fearing, die ihre Träume zum Teil in Afrika realisieren konnten, werden in Kapitel 6 eingehender vorgestellt. Die Veröffentlichung von Briefen von Afroamerikanern in Afrika an ehemalige Lehrer, z.B. im Southern Workman, trug dazu bei, daß viele interessierte African Americans zum ersten Mal unmittelbare Erfahrungsberichte über die Lebenssituation auf dem afrikanischen Kontinent erhalten konnten. Die afroamerikani-
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sehen Aktivitäten in Westafrika bescherten Bildungseinrichtungen wie Hampton auch eine neue Gruppe von Studenten, junge Afrikaner und Afrikanerinnen, die durch ihre Lehrer zu einem Studium in den USA angeregt worden waren. 78 Als z.B. Ackrel White 1881 aus Sierra Leone zurückkehrte, begleiteten ihn zwei seiner afrikanischen Schüler, Buell Tucker und Claudius A. Clements. Beide absolvierten eine Ausbildung in Hampton. Während Tucker in den USA blieb, kehrte Clements als Lehrer in seine Heimat zurück und versuchte mit unerschütterlichem Optimismus, seinen Traum von einem Klein-Hampton in Afrika zu realisieren. 79 Afrikanische Studienanwärter fanden in erster Linie Ausbildungsplätze an den afroamerikanischen Bildungseinrichtungen. Auch nach dem Ende der Sklaverei zeigten sich nur wenige weiße Colleges wie beispielsweise Oberlin bereit, schwarze Studenten und damit auch Afrikaner aufzunehmen. Die Mehrheit der afrikanischen Studenten waren christliche Konvertiten wie Clements, die Uber einen Missionsschulabschluß verfugten und von ihren amerikanischen Mentoren als geeignet für ein Studium in den USA eingestuft worden waren. Afrikanische Studenten in den USA bildeten eine wichtige Verbindung zwischen Afrika und Amerika. Für viele Afroamerikaner waren sie die ersten Afrikaner, zu denen sie persönlich Kontakt aufnehmen konnten und die für sie einen „connecting link" 80 zum Kontinent ihrer Vorfahren darstellten. Unter anderen nahmen folgende Colleges und Schulen Studierende aus Afrika auf: Tuskegee Institute, Hampton In-
stitute, Livingstone College, ¡Vilbelforce University, Fisk University, Howard Universitär, Lincoln University und Oberlin College. Die Gruppe der afrikanischen Studenten blieb bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein zahlenmäßig gering.81 Einige von ihnen machten jedoch in ihren Heimatländern Karriere und stärkten dadurch in besonderem Maße das Zusammengehörigkeitsgefühl von Afrikanern auf beiden Seiten des Atlantiks. Der bereits erwähnte James Aggrey zählte zu dieser Gruppe erfolgreicher Afrikaner. Ein anderer war John Langalibale Dube, ein Zulu, der an mehreren amerikanischen Colleges studierte, u.a. am Oberlin College. 1901 gründete Dube das Ohlange Institute in Natal nach dem Vorbild von Tuskegee und avancierte zum afrikanischen „Booker T. Washington". 82 Bevor die amerikanische Missionierungsbewegung und der Einfluß der African Americans innerhalb der Missionsgesellschaften untersucht werden, sollen im folgenden Kapitel die allgemeinen Rahmenbedingungen der Außenpolitik der USA im Hinblick auf Afrika kurz skizziert werden, um daran anschließend die spezielle Position der Afroamerikaner und ihre Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb dieser foreign policy herauszustellen.
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Frederick Douglass, The Color Line. In: The North American Review (June 1881). Zit. in: Philip S. Foner (Hg.), The Life and Writings of Frederick Douglass. Vol.4: Reconstruction and After. New York 1955: 344. Der Begriff Reconstruction umfaßt die Wiedereingliederung des abgespaltenen Südens nach dem Ende des Bürgerkriegs. Die Phase der Reconstruction begann bereits während des Bürgerkrieges 1863 und endete 1877 mit der Amtseinführung des Republikaners Rutherford Hayes als Präsident. Der fünfzehnte Zusatz zur amerikanischen Verfassung sicherte allen erwachsenen (männlichen) Bürgern der USA das Wahlrecht zu, unabhängig von der Hautfarbe. Die Bürgerrechte hatten die Afroamerikaner durch die Verabschiedung des Fourteenth Amendment 1865 erhalten. Aus der umfangreichen Literatur zur Reconstruction sei verwiesen auf John Hope Franklin, Reconstruction After the Civil War. Chicago 1961; Eric Foner, Reconstruction 1863-1877. America's Unfinished Revolution. New York 1988; James McPherson, Ordeal by Fire. Vols.2 & 3: The Civil War and Reconstruction. New York 1982. Rayford W. Logan, The Negro in American Life and Thought: The Nadir, 1877-1901. New York 1954. Ders., The Betrayal of the Negro. From Rutherford B. Hayes to Woodrow Wilson. London 1965. Für den Historiker Brawley erreichten die Afroamerikaner um 1890 „the vale of tears". Benjamin Brawley, A Social History of the American Negro. New York 1921: 297. 47 Prozent der weißen Bevölkerung waren Pächter. Zu den Pacht- und Arbeitsverhältnissen zählten u.a. sharecropping und das croplien system. In diesen Fällen mußte die Pacht durch die Mitarbeit auf den Feldern des Verpächters beglichen werden bzw. erhielt der Verpächter einen Teil des Ertrages. Bureau of the Census, The Social and Economic Status of the Black Population in the United States: An Historical View, 1790-1978. Washington, D.C.: Government Printing Office 1979; siehe auch Roger L. Ransom/Richard Sutch, One Kind of Freedom: The Economic Consequences of Emancipation. New York 1977. Eine stabile Währung, hohe Importsteuern zum Schutz vor Konkurrenz von außen, Bundeskredite, Landschenkungen für Eisenbahnbau, etc. unterstützten anfangs diese Entwicklung. Zur amerikanischen Wirtschaftsentwicklung nach dem Bürgerkrieg siehe u.a. Ramson/Sutch (1977) und Who Built America? Working People and the Nation's Economy, Politics, Culture and Society. Vol.1: From the Gilded Age to the Present. American Social History Projekt. New York 1992. Mark Twain/Charles Dudley Warner, The Gilded Age. A Tale of To-Day. Hartford, CT 1996. Die Gründe für das mangelnde Wachstum der Südstaatenwirtschaft waren vielfältig und werden von einzelnen Autoren unterschiedlich gewichtet. Hierzu zählen: die weitverbreitete Baumwoll-Monokultur, die wirtschaftliche Dominanz der Geschäftsleute aus dem Norden und das Vermächtnis der Sklaverei. Die Kontrolle von Industrie und Bankwesen durch den Norden trugen zur wirtschaftlichen Stagnation bei. 1890 betrug die Gesamtbevölkerung der USA 62,9 Millionen, davon waren 7,4 Millionen Afroamerikaner. Siehe hierzu Kapitel 3. Obwohl der Terminus in der amerikanischen Geschichtsschreibung weit verbreitet ist, ist die tatsächliche Bedeutung des Begriffes Jim Crow nicht eindeutig geklärt. Er soll auf einen gleichnamigen weißen Minstrel Song zurückgehen, der 1832 von Thomas D. Rice geschrieben wurde. In den Minstrel Shows traten Weiße mit schwarz gefärbten Gesichtern hüpfend und tanzend auf. Für das weiße Publikum verkörperte Jim Crow das Bild des „tumben, dummen, unbeholfenen Negers". Seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts stellten diese Shows eine populäre Form der weißen Massenunterhaltung dar. Litwack (1998): xiv. Hierzu u.a. Christopher Collier/James Lincoln Collier, Reconstruction and the Rise of Jim Crow, 1864-1896. Tarrytown, NY 2000, Dailey, Elizabeth/Glenda Elizabeth Gilmore/Bryant Simon, Jumpin' Jim Crow: Southern Politics From Civil War to Civil Rights. Princeton, NJ
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2000, William T. Lhamon, Raising Cain: Blackface Performance from Jim Crow to Hip Hop. Cambridge, MA 1998 und Jerrold M. Packard, American Nightmare. The History of Jim Crow. New York 2002. Im Fall Plessy versus Ferguson klagte der Afro-Amerikaner Homer Plessy gegen ein Gesetz in Louisiana, das gesonderte Eisenbahnabteile für Schwarze vorschrieb. Plessy hielt sich nicht an die Vorschrift und wurde während einer Bahnfahrt festgenommen und inhaftiert. Der oberste Gerichtshof entschied, die getrennten Abteile stellten keine Einschränkungen für Schwarze dar, solange die ihnen zugewiesenen Plätze dem gleichen Standard entsprächen. Die „separate but equal'-Entscheidung wurde schon bald unterhöhlt, denn immer häufiger wurde die Rassentrennung praktiziert, ohne daß den Schwarzen zumindest gleichwertige Transportmittel, Schulen, etc. zur Verfügung standen. Milfred C. Fierce, The Pan-African Idea in the United States 1900-1919. New York/London 1993: x. Justus D. Doenecke, The Presidencies of James A. Garfield and Chester A. Arthur. Lawrence, Kansas 1981: 124. So habe Arthur z.B. persönlich die Verteilung von Diploma an einer schwarzen High School in Washington, D.C. vorgenommen und Bundeshilfen für Alphabetisierungskampagnen zur Verfügung gestellt. Thomas C. Reeves, Gentleman Boss: The Life of Chester Alan Arthur. New York 1975. Doenecke (1981): 125. In vielen Arbeiten zur amerikanischen und afroamerikanischen Geschichte sucht man den Namen Chester Arthurs vergeblich. Justus Doeneckes Bemühen, die besonderen Kennzeichen der Regierungen Garfield und Arthur herauszuarbeiten, läßt sich nur im Bereich der Außenpolitik, dem einzigen Feld, auf dem es Chester Arthur gelang, in Ansätzen eine eigenständie Politik zu formulieren, nachvollziehen. Siehe hierzu August Meier, Negro Thought in America, 1880-1915. Racial Ideologies in the Age of Booker T. Washington. Ann Arbor 1963: 31ff. Die Amerikaner wählten Cleveland für zwei Amtszeiten: von 1885 bis 1889 und von 1893 bis 1897. Dazwischen regierte der Republikaner Benjamin Harrison. Wie schon zu Chester Arthur existieren kaum Arbeiten zu Leben und Werk Grover Clevelands. Siehe Richard E. Welch, Jr., The Presidencies of Grover Cleveland. Lawrence, Kan. 1984. Zur kritischen Auseinandersetzung mit den pseudo-wissenschaftlichen Rassentheorien siehe Elazar Barkan, The Retreat of Scientific Racism: Changing Concepts of Race in Britain and the United States Between the World Wars. Cambridge/New York 1992, Collier/Collier (2000), Dailey/Gilmore/Simon (2000), und George M. Frederickson, The Black Image in the White Mind: The Debate on Afro-American Character and Destiny, 1817-1914. New York 1971. Siehe hierzu Kapitel 3. Thomas Dixon Jr., The Clansman: An Historical Romance of the Ku Klux Klan. New York 1905. Der Roman wurde 1915 von D.W. Griffith unter dem Titel The Birth of a Nation sehr erfolgreich verfilmt. 1902 erschien von Dixon The Leopard's Spots. A Romance of the White Man's Burden, 1865-1900. New York 1902. P.B. Barringer, The American Negro, His Past and Future, ohne Datum, wahrscheinlich 1900. Department of History of the Presbyterian Church (U.S.A.), Montreat, North Carolina, Pamphlet File - Negro. Julius Dreher, The Education of the Negro in the South. An Address Before the Southern Educational Association in Richmind, Va., December 29, 1900", S.8. [Reprint from the Journal of Proceedings and Addresses of the Southern Educational Association], Department of History of the Presbyterian Church (U.S.A.), Montreat, North Carolina, Pamphlet File - Negro. Es waren vor allem schwarze und weiße Frauen aus dem Norden, die mit großem Engagement in den ehemaligen Sklavenstaaten Schulen einrichteten und unter teilweise schwierigsten Bedingungen eine Grundschulausbildung vermittelten. Aus der umfangreichen Literatur sei verwiesen auf Adam Fairclough, Teaching Equality: Black Schools in the Age of Jim Crow.
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Athens, OA 2001. Siehe auch Vincent P. Franklin/James D. Anderson (Hg.), New Perspectives on Black Educational History. Boston, MA 1978, und Henry Bullock, A History of Negro Education in the South from 1619 to the Present. Cambridge, MA 1967. Obwohl bereits in den sechziger Jahren erschienen, bietet die Arbeit nach wie vor einen guten Oberblick. James D. Anderson, The Education of Blacks in the South, 1860-1935. Chapel Hill/London 1988: 31. Weiße Studenten hatten Zugang zu den Colleges, machten aber nur in Ausnahmefällen davon Gebrauch. James M. McPherson, White Liberals and Black Power in Negro Education, 1865-1915. In: American Historical Review 75 (1970) 5: 1380-1385. Table: Southern Negro Colleges and Secondary Schools Established by Northern Mission Societies. Zur Ausbildung der educated elite und zur College-Hierarchisierung siehe Willard B. Gatewood, Aristocrats of Color. The Black Elite, 1880-1920. Bloomington/Indianapolis 1990: 247-271. Wie auch die beiden Collegegründungen der AMA, Fisk und Straight, erhielt Wilberforce seine offizielle Akkreditierung als Universität erst im 20. Jahrhundert. James T. Campbell, Songs of Zion. The African Methodist Episcopal Church in the United States and South Africa. New York/Oxford 1999:264. Eine kritische Aufarbeitung der Geschichte der afroamerikanischen Erziehung und Ausbildung in den Südstaaten nach dem Bürgerkrieg liefert Anderson (1988). Gatewood (1990): 271. Benjamin E. Mays, Black Colleges: Past, Present and Future. In: The Black Scholar 6 (1974): 32. Industries. In: Southern Workman 19 (June 1890): 71-73. Zit. in: Anderson (1988): 31. Manning Marable interpretiert die Analphabetenrate für das Jahr 1890 als sehr hoch und sieht sie als Beleg für die katastrophale Lage der afroamerikanischen Bevölkerung im Süden der USA. Im Gegensatz zu Anderson gibt er keine Vergleichsjahre an. Bureau of Census, The Social and Economic Status of the Black Population in the United States: An Historical View, 17901978. Washington, D.C.: Government Printing Office 1979. Zit. in: Manning Marable, Booker T. Washington and the Political Economy of Black Education in the United States, 1880-1915. In: Education with Production 4 (February 1986) 2: 13. Anderson (1988): 31. David Levering Lewis, W.E.B. Du Bois. Biography of a Race, 1868-1919. New York 1993 (1993): 123. Frederick Douglass, „Learn trades or starve", Frederick Douglass' Papers, March 4, 1853. In: Philip S. Foner (Hg.), The Life and Writings of Frederick Douglass. Vol.2: Pre-Civil War Decade. New York 1950: 224. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Bildungsidealen Samuel Armstrongs siehe Anderson (1988): 33ff. Ein eher verklärendes Bild von der Person Armstrongs zeichnet die von seiner Tochter verfaßte Biografie. Edith Armstrong Talbot, Samuel Chapman Armstrong. A Biographical Study. New York 1904. Meier (1963): 85. Zu industrial education siehe Meier (1963): 85-89. Anderson (1988): 34. James D. Anderson, The Hampton Model of Normal School Industrial Education, 1868-1900. In: Vincent P. Franklin/James D. Anderson (Hg.), New Perspectives on Black Educational History. Boston, Mass. 1978: 61. Richard Hunt Davis Jr., Producing the „Good African": South Carolina's Penn School as a Giude for African Education in South Africa. In: T. Agrippah Mugomba/Mougo Nyaggah (Hg.), Independence Without Freedom. The Political Economy of Colonial Education in Southern Africa. Santa Barbara/Oxford 1980: 83. Im Gegensatz zu den afroamerikanischen Studenten an Colleges und Handelsschulen (trade schools) waren die Studienananwärter in Hampton in der Regel älter, schlechter ausgebildet
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und finanziell benachteiligt. William Henry Sheppard an Miss Sherman, March 1904. William H. Sheppard File, Hampton University Archives, Hampton University, Hampton, Va. (ab hier Hampton Archives). Benjamin Brawiey, A Social History of the American Negro. Being a History of the Negro Problem in the United States Including a History and Study of the Republic of Liberia. London 1921 (Reprint 1970): 305. Zu Brawleys Tätigkeit in Liberia siehe Donald Spivey, The Politics of Miseducation. The Booker T. Washington Institute of Liberia, 1929-1984. Lexington, KY 1986: 2Iff. Washington zit. in: Stephen J. Wright, The Development of the Hampton-Tuskegee Pattern of Higher Education. In: Phylon 10 (1949) 4: 340. 1900 gründete Washington die National Negro Business League zur Unterstützung und Förderung afro-amerikanischer Geschäftsleute und Unternehmer. Zur Problematik der Umsetzung dieser Zielsetzungen siehe Anderson (1978). Siehe dazu Marable (1986): 10-37. Hierbei ist allerdings anzumerken, daß Washington den weißen Treuhändern des Tuskegee Institutes Rede und Antwort stehen mußte. Häufig gelang es ihm jedoch, durch geschicktes Taktieren eigene Vorstellungen durchzusetzen. Washington erläuterte sein Konzept „racial accommodation" in seiner Rede auf der Cotton States and International Exposition in Atlanta 1895, die als Atlanta Compromise in die Geschichte einging. In. William L. Andrews (Hg ), Booker T. Washington, Up From Slavery. Oxford/New York 1995. Das Buch erschien ursprünglich 1901, es war aus einer Artikelserie für den Outlook hervorgegangen. Eric Anderson/Alfred A. Moss, Jr., Dangerous Donations. Northern Philanthropy and Southern Black Education, 1902-1930. Columbia/London 1999:4. John F. Slater, ein Textilproduzent aus Connecticut, richtete 1882 einen Fond ein, der ausschließlich für die praktische Ausbildung und „for uplifting the lately emancipated population of Southern states" zur Verfügung stehen sollte. Siehe Benjamin Brawiey, Doctor Dillard and the Jeanes Fund. New York 1930:56-57. Edward H. Berman, The Influence of Carnegie, Ford and Rockefeller Foundations on American Policy: The Ideology of Philanthropy. Albany, NY. 1983. Thomas Jesse Jones, Negro Education: A Study of the Private and Higher Schools for Colored People in the United States. Vol. 1-2. Washington, D C.: Government Printing Office 1917. Joe M. Richardson, A History of Fisk University, 1865-1946. University of Alabama Press 1980. Siehe u.a. Anderson/Moss (1999): 39ff. Allgemein zur Philanthropie in den USA siehe Robert H. Bremner, American Philanthropy. Chicago 1988 und Walter I. Trattner, From Poor Law to Welfare State: A History of Social Welfare in America. New York 1999. Der Southern Workman, der erstmals 1872 am Hampton Institute erschien, entwickelte sich bald zu einer politisch einflußreichen Zeitschrift, die auch von Armstrongs Kritikern als Publikationsorgan benutzt wurde. Sie diente auch Missionaren als Forum, um ihre Afrikaerfahrungen einem breiteren Publikum zu vermitteln. Anderson (1978): 91. Zu Du Bois siehe Levering (1993). Der Begriff Tuskegee Machine stand für das Netzwerk von Institutionen innerhalb der afroamerikanischen community, das von Tuskegee aus gesteuert wurde. Siehe Louis R. Harlan, Booker T. Washington. The Making of a Black Leader, 1856-1901. London/Oxford/New York 1972: 254. W E B. Du Bois, Of Mr. Booker T. Washington and Others. In: Ders., The Souls of Black Folk. New York etal. 1989: 42. Das Buch erschien erstmals 1903. Wilson Jeremiah Moses, Alexander Crummell. A Study of Civilization and Discontent Amherst 1992: 249. Ebenda:: 249. Siehe dazu u.a. Manning Marable, The Panafricanism of Booker T. Washington: A Reappraisal. In: The Claflin College Review 2 (1978) 2: 1.
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Albert S. Broussard, African-American Odyssey. The Stewarts, 1853-1963. Lawrence, KY 1998. Phelps-Stokes Collection, Box 34 Africa, „Jeanes Schools". Schomburg Center for Research in Black Culture, The New York Public Library, New York. Die Quäkerin Anna Jeanes interessierte sich speziell für das Schulwesen auf dem Lande und unterstützte Tuskegee und Hampton mit großzügigen Spenden. Kurz vor ihrem Tod spendete sie eine Million Dollar. Mit diesem Geld wurde 1907 der Rural School Fund gegründet mit Booker T. Washington als chairman. Siehe Bullock (1967): 125f. David G. Scanion (Hg.), Traditions of African Education. Classics in Education No. 16. New York 1964. Sylvia M. Jacobs, James Emman Kwegyir Aggrey: An African Intellectual in the United States. In: Journal of Negro History 81 (1996) 1-4: 55. Zur Biografie von Aggrey siehe auch L.H. Ofosu-Appiah, The Life of Dr. J.E.K. Aggrey. Accra: Waterville Publishing House Division of Presbyterian Book Depot Limited 1975 und Edwin M. Smith, Aggrey of Africa: A Study in White and Black. London: The Garden City Press, Inc. 1929. Aggreys Söhne, Kwegyir und Orison Rudolph, studierten am Hampton Institute. Ihre Namen finden sich in der Liste der afrikanischen Studenten in Hampton. Education in Africa. A Study of West, South, and Equatorial Africa by the African Education Commission, under the Auspices of the Phelps-Stokes Fund and Foreign Mission Societies of North America and Europe. Report Prepared by Thomas Jesse Jones. New York 1922. Godfrey N. Brown, British Educational Policy in West and Central Africa. In: Journal of Modern African Studies 2 (1964): 369. Das Fourah Bay College in Sierra Leone wurde 1826 von der Church Missionary Society gegründet und 1876 an die Durham University angegliedert. Fourah Bay erhielt damit den Status einer universitären Einrichtung, ohne allerings völlig selbständig zu sein. Bis 1948 blieb es die einzige Institution dieser Art in Westafrika. Siehe J.F. Ade Ajayi/Lameck K.H.Goma/G. Ampah Johnson, The African Experience with Higher Education. London/Athens 1996: 16ff., und Apollos O. Nwauwa, Far Ahead of his Time: James Africanus Horton's Initiatives for a West African University and his Frustrations, 1862-1871. In: Cahiersd'Etudesafricaines39(1999) 1: 107-121. Zit. in: Edward H. Berman, American Influence on African Education: The Role of the Phelps-Stokes Fund's Education Commissions. In: Comparative Education Review 15(1971)2: 134, Fußnote 10. Siehe Berman (1971): 144. Siehe dazu u.a. George M. Frederickson, White Supremacy. A Comparative Study in American and South African History. Oxford et.al. 1981; Campbell (1995) und Ders., Beyond White Supremacy: Towards a New Agenda for the Comparative Histories of South Africa and the United States. Collected Seminar Papers No.49. University of London, School of Advanced Studies, Institute of Commonwealth Studies 1997: 28-30. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm der Einfluß der philanthropischen Gesellschaften in Afrika beträchtlich zu. Sie operierten immer häufiger in enger Abstimmung mit dem amerikanischem Außenministerium und übernahmen nicht selten außenpolitische Funktionen. Eine Transformation der „philanthropic foundations" in „unofficial extensions of the department of state's foreign policy planning division" (Berman, 1977: 73) ließ sich beobachten. Eine genauere Diskussion dieser Entwicklung ist hier nicht möglich, da sie den zeitlichen Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Siehe dazu die Arbeiten von Edward Berman, der die Erziehungs- und Kulturprogramme der Carnegie Corporation und der Ford Foundation in ihren Auswirkungen auf die britischen Kolonialgebiete und späteren unabhängigen Staaten in Afrika seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts untersucht hat. Edward H. Berman, American Philanthropy and African Education: Toward an Analysis. In: African Studies Review 20 (1977) 1: 71-85 und Ders., The Influence of Carnegie, Ford and Rockefeller Foundations on American Policy: The Ideology of Philanthropy. Albany, N.Y. 1983. Zur Biografie von William Schofield siehe Kapitel 4. Siehe William Schofield File und Ackrel White File, Hampton Archives.
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Zwischen 1900 und 1950 sind 43 afrikanische Studenten, davon 36 aus Westafrika, namentlich in Hampton vermerkt. Siehe Former African Students Attending Hampton Institute (1900-1950), Hampton Archives. Zu Clements siehe Kapitel 4. Walter L. Williams, Black Americans and the Evangelization of Africa, 1877-1900. Madison Wise. 1982: 145. Eine Ausnahme machte die Wilberforce University. Dort studierten zwischen den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts und dem Ersten Weltkrieg allein an die 40 Männer und Frauen aus Südafrika. Siehe Campbell (1995): 258. R. Hunt Davis Jr., John L. Dube. A South African Exponent of Booker T. Washington. In: Journal of African Studies 2 (1975/76) 2: 497-529.
KAPITEL 3
„Take up the White Man's Bürden"1 - Afrika und die amerikanische Außenpolitik nach dem Bürgerkrieg
„US-Africa policies from the founding of the Republic in 1789 to the present have been marked by indifference, at worst, and neglect, at best. Africa has been treated as a 'backwater' in official policymaking circles, compared to the time and resources allocated to other regions considered to be of greater concern."2
Nach dem Bürgerkrieg bestimmten innenpolitische Probleme mehrere Jahre lang die amerikanische Regierungspolitik. Die Wiedereingliederung der Südstaaten, die fortschreitende Industrialisierung, wirtschaftliche Depressionen, die Migration in die Städte des Nordens und nicht zuletzt die Lösung des sogenannten Negro problem, wie es aus Sicht der weißen Amerikaner genannt wurde, prägten den amerikanischen Alltag und ließen die Außenpolitik in den Hintergrund treten. Nach der sogenannten stillen Administration unter Rutherford Hayes (1877-1881), dem „dead center" in der Geschichte der amerikanischen Außenbeziehungen zwischen 1865 und 1898, waren das State Department und der Kongreß immer aktiver darum bemüht, die Außenpolitik den sich weltweit verändernden Bedingungen anzupassen. Kritiker monierten allerdings, daß die außenpolitischen Aktivitäten, zumindest unter den Präsidentschaften von Garfield und Arthur (1881-1885), meist auf dem Verfahren „Versuch und Irrtum" beruht hätten. Trotzdem wurden in diesem Zeitraum Voraussetzungen für den amerikanischen Imperialismus geschaffen, dessen Beginn mit dem Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 und dem Amtsantritt von Theodore Roosevelt 1901 zusammenhing. Im folgenden werden kurz die Gründe skizziert, die fiir die expansionistische Politik der USA am Ende des 19. Jahrhunderts ausschlaggebend waren. In einem knappen Rückblick werden die offiziellen zwischenstaatlichen Beziehungen der USA zum afrikanischen Kontinent erläutert, die jedoch von untergeordnetem außenpolitischem Interesse waren und sich hauptsächlich auf den Handel konzentrierten. Um so bemerkenswerter ist die Tatsache, daß die USA 1884 ihre Zurückhaltung gegenüber Afrika aufgaben und eine tragende Rolle auf der Berliner AfrikaKonferenz von 1884-85 übernahmen. In diesem Zusammenhang ist zu fragen, ob dieses Engagement während der Präsidentschaft Arthurs bereits Ausdruck einer neuen imperialen Politik war oder ob die Hinwendung zu Afrika stärker mit innenpolitischen Konstellationen und mit der gesellschaftlichen Situation der African Americans in einem unmittelbaren Zusammenhang stand. Ein Blick auf die außenpolitischen Interessen der Regierung Arthurs und seines ermordeten Vorgängers,
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Kapitel 3
James Garfield, sollen zur Klärung dieser Frage beitragen. In Washington bestimmten weiße Politiker und Administratoren die offizielle Außenpolitik. Auf dem afrikanischen Kontinent kamen hingegen auch African Americans zum Einsatz, beispielsweise als Konsulatsvertreter. Ihrem politischen Handlungsspielraum vor Ort widmet sich der Schluß des Kapitels.
Expansionismus und Manifest Destiny Die historiografischen Debatten der letzten hundert Jahre brachten eine ganze Palette von Gründen für den „imperialistischen Drang" (Imperialist urgef der USA hervor. Sie reichen von ökonomischen Zwängen in Form von Überproduktionen, die neue Absatzmärkte erforderten, über die Betonung des manifest destiny und des göttlichen Missionsauftrags, oft verbunden mit sozialdarwinistischen Ideen, bis hin zum Problem des sozialen Prestiges und dem Wunsch nach weltweiter Anerkennung.4 Die Doktrin des manifest destiny, die besonders mit der Migration nach Westen, der Annektierung von Texas (1845) und dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg (1846-48) verbunden wird, legitimierte den Prozeß der territorialen Expansion und betonte die Vorstellung der weißen Amerikaner als „auserwähltes Volk", als „zivilisatorisch Überlegene", deren gottgewollte Bestimmung es sei, den anderen Nationen ein Vorbild zu sein. Der Begriff wurde erstmals 1845 von John L. O'Sullivan, Herausgeber des United States Magazine and Democratic Review geprägt. O'Sullivan prophezeite: „... the fulfillment of our manifest destiny to overspread the continent allotted by Providence for the free development of our yearly multiplying millions."5 O'Sullivan betrachtete den Territorialexpansionismus als unausweichlich, verband ihn aber nicht zwangsläufig mit Eroberung und Unterdrückung. Der Gruppe der Expansions-Enthusiasten hingegen diente manifest destiny, vor allem in den 1840er und 1850er Jahren, zur Rechtfertigung ihrer Expansionswünsche unter Einsatz jeglicher, auch gewaltsamer Mittel. In den fünfziger Jahren versuchten einige Historiker, die imperialistische Politik als einen „vorübergehenden Betriebsunfall" darzustellen. David Pletcher betont, es habe vielfach die Vorstellung geherrscht, der amerikanische Imperialismus der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts wäre plötzlich wieder aus dem Nichts aufgetaucht, „...without apparent warning, out of a coma".6 Walter LaFeber weist hingegen daraufhin, daß die Überseegebiete, die die Amerikaner um 1900 kontrollierten, keinen Bruch mit der Geschichte darstellten, sondern eine „natural culmination".7 Lawrence Little geht zu den Wurzeln der amerikanischen Geschichte zurück und vertritt die Meinung, die Vereinigten Staaten seien bereits in ihrer Konzeption eine imperiale Macht gewesen. Lange bevor die Amerikaner sich am Übersee-
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Imperialismus beteiligten, hätten sie durch Krieg, Zwangsumsiedlung und die Schaffung des Reservationssystems große Teile der indianischen Bevölkerung dezimiert und die Überlebenden ihres angestammten Territoriums beraubt. Hatte man den amerikanischen Indianern anfangs noch den Status von unabhängigen Nationen zugesprochen, so befanden sie sich um 1890 in einem quasi-kolonialen Verhältnis. Die im Zuge der Eroberung der indianischen Bevölkerung gewonnenen Erfahrungen und entwickelten Methoden wurden vielfach auf die nicht-weiße Bevölkerung im Pazifik und in der Karibik übertragen.8 Der Ausgangspunkt für die Expansionspolitik der USA Ende des 19. Jahrhunderts war der Spanisch-Amerikanische Krieg von 1898, der mit dem Vertrag von Paris Ende des selben Jahres beendet wurde. Die direkten Folgen des Krieges waren die Unabhängigkeit Kubas und die amerikanische Annexion der Philippinen, Guatemalas und Puerto Ricos. In den folgenden 17 Jahren (1898 bisl915) schufen sie ein Kolonialreich, das Gebiete im Pazifischen Ozean und in der Karibik umfaßte. Alle diese Besitzungen - mit Ausnahme von Haiti und der Dominikanischen Republik - waren während des Krieges annektiert worden. Am Ende des Ersten Weltkrieges befanden sich Millionen von Menschen im Pazifik und der Karibik unter der Jurisdiktion der USA. Der amerikanische Imperialismus der Jahrhundertwende wird gewöhnlich durch folgende Faktoren gekennzeichnet: militärische und technologische Überlegenheit, christliche Bekehrung, Sozial-Darwinismus und manifest destiny. Die Doktrin des manifest destiny diente anfangs als Begründung, um sich den gesamten nordamerikanischen Raum von der Ostküste bis zu seiner „natürlichen Grenze" am pazifischen Ozean notfalls mit Gewalt Untertan zu machen. Ende des 19. Jahrhunderts äußerten sich vermehrt Stimmen, die forderten, die Amerikaner hätten die Verpflichtung, ihre christlichen, demokratischen Prinzipien über das eigene Land hinaus den Völkern der Erde nahe zu bringen. Die enge Verbindung von manifest destiny und göttlicher Mission wird im Kapitel 4 genauer ausgeführt. Das weiße amerikanische Sendungsbewußtsein basierte auf einem rassistischen Konzept, das zwischen „zivilisierten" und „unzivilisierten" Völkern unterschied. Hierin wurden die Machtverhältnisse der US-amerikanischen Gesellschaft zum Ausdruck gebracht. Die Ideologie von der white man 's bürden, der Last des weißen Mannes, der übrigen Welt Zivilisation und Fortschritt zu bringen, beschränkte sich nicht auf die Vereinigten Staaten, sondern war ebenso en vogue unter den europäischen Kolonialmächten, die im Begriff waren, Afrika offziell unter sich aufzuteilen.9 Als die USA in der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts ihr „imperiales Abenteuer" begannen, erfüllten sie nicht die „klassischen Defizite", die andere Länder zur imperialen Expansion veranlaßten. Sie verfügten über große natürliche Ressourcen, ausreichend Land sowie „lack of surplus capital and surplus manufacturer".10 Dies hat bei-
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spielsweise den Soziologen Rubin F. Weston zu seiner These bewogen, daß der Motor der Ausweitung des US-amerikanischen Herrschaftsraumes weniger im Gebietszuwachs und in ökonomischen Gewinnen als vielmehr in dem Drang gesehen werden muß, eine „Mission zu erfüllen" und den Europäern „einen Teil der Last des weißen Mannes" abzunehmen.11 Die revisionistische Geschichtsschreibung hat stets auf die große Bedeutung des Handels-expansionismus als entscheidende Komponente der Außenpolitik der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts und als Hauptantriebsmoment für den Aufstieg zur Weltmacht verwiesen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Vereinigten Staaten zu einer großen Industrienation. Die Erschließung neuer Absatzmärkte für amerikanische Produkte und der Zugang zu billigen Rohstoffquellen vor dem Hintergrund einer wachsenden Konkurrenz durch die europäischen Industrienationen hat zweifellos eine Rolle im Rahmen außenpolitischer Aktivitäten gespielt. Doch das amerikanische Engagement im Pazifikraum (Hawaii und besonders Samoa) liefert zum Beispiel keine Uberzeugenden Beweise für das außenpolitische Primat des wirtschaftlichen Expansionismus.12 Auch das amerikanische Interesse an der Kongo-Region Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts läßt sich nicht allein durch ökonomische Ziele erklären. Obwohl seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts über das wirtschaftliche Potential dieses Teils von Afrika spekuliert wurde, bemühten sich amerikanische Geschäftsleute erst seit der Jahrhundertwende um Kautschukkonzessionen, etc.13 Pletcher verweist in diesem Zusammenhang auf das Auseinanderklaffen von politischer Rhetorik und ihrer Umsetzung in Taten: „Probably no one today would ... deny(ing) the importance of economic concerns in the rhetoric of the late nineteenth century and, indeed, in some policies and at least a few actions. Nevertheless ... the historians who have developed this thesis have exaggerated the deliberate, systematic character of expansionist policies and, at least by implication, the successful prosecution of these policies before 1898."14 Vor allem angesichts der britischen Konkurrenz, die über eine starke Kriegs- und Handelsmarine verfügte und sich damit den unbeschränkten Zugang zu allen Weltmeeren sicherte, wuchs in den USA die Lobby für den Ausbau der Marine und die Schaffung von Kohlestationen und Marinestützpunkten außerhalb der amerikanischen Küstengebiete. Admiral Alfred Thayer Mahan zählte zu den Lobbyisten für eine Modernisierung und Stärkung der amerikanischen Marine. Er verwies in zahlreichen Schriften auf die Dominanz der britischen Seemacht und forderte die Amerikaner auf, ihre überholte isolationistische Politik aufzugeben und sich ihrer verantwortlichen Rolle in der Welt bewußt zu werden.15
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Die Historiker John Hope Franklin und Alfred Moss Jr. merken an, daß die imperialistische Politik der USA in der Außenwahrnehmung im Gegensatz zur europäischen als „aufgeklärter" und „aufrichtiger" bewertet wurde. Man gestand den Amerikanern zu, sich in ihrem Imperium stärker als die Europäer um die Verbesserung der Bildung, des Gesundheitswesens und des Lebensstandards der Bevölkerung zu bemühen. Allerdings, so Franklin, werde bei dieser Sichtweise der weitreichende Einfluß von Geschäftsleuten und Finanzmagnaten auf die Außenpolitik übersehen. Die sogenannte Dollardiplomatie stand in quasi-unabhängigen Regionen im Vordergrund, während die abhängigen Gebiete vernachlässigt wurden und unter mangelhafter Verwaltung zu leiden hatten. Außerdem übten die USA z.B. in Haiti und Santo Domingo militärische Kontrolle aus, unter Mißachtung der territorialen Integrität und Souveränität dieser Staaten. Der Grund für diese Demonstration der Stärke lag nach Franklin und Moss in einem Gefühl des Mißtrauens und möglicherweise auch in einem Komplex gegenüber den europäischen Kolonialmächten begründet, die auf langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der imperialen Politik zurückblikken konnten. Anders als bei den europäischen Kolonialmächten gemahnte die fast ausschließlich nicht-weiße Bevölkerung ihres Kolonialreiches die weißen USAmerikaner an das ungelöste „Rassenproblem" zu Hause. „The specter of color in America's empire hung over the mother country like the sword of Damocles and was a constant reminder that the imperial policy of the United States should take cognizance of that fact. For an America that would like to boast of having the most enlightened policy in the world, the problem of color at home served to check the liberalism of that policy in the empire of darker peoples."16
Amerikanische Handelsinteressen im subsaharischen Afrika Die amerikanischen Beziehungen zu Afrika waren - abgesehen von dem Spezifikum des afroamerikanischen Verhältnisses - vor allem von kommerziellen Interessen geprägt. Zu ihnen zählte an erster Stelle der Sklavenhandel.17 Neben dem Menschenhandel war es der Walfang, über den sich seit 1763 (Handels-)Beziehungen zwischen den USA und der Küste Guineas herausbildeten. Die Walfänger trieben keinen Handel mit Afrika, aber sie versorgten sich mit Proviant und beschäftigten auch Afrikaner als Seeleute auf ihren Schiffen. 18 Bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts segelten die Walfangschiffe von Nantucket an der amerikanischen Ostküste aus nach Westafrika. Danach ersetzte preiswerteres Petroleum das Walöl. Die Abschaffung des Sklavenhandels 1807 öffnete den Weg für den sogenannten legitimen Handel19. Die kommerziellen Beziehungen waren jedoch auch zuvor nicht
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auf den Sklavenhandel beschränkt, sondern Produkte wie Palmöl, Goldstaub und Elfenbein von der afrikanischen Westküste wurden gegen Rum, Tabak und Brandy getauscht. Seit Ende des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1775) bestanden regelmäßige Handelsverbindungen zwischen Kaufleuten aus Neuengland und den europäischen Stützpunkten und Faktoreien entlang der westafrikanischen Küste. Einen weiteren Anstoß erhielt der amerikanische Westafrikahandel durch die Gründung Sierra Leones 1787. Hier stand der Handel mit Nahrungsmitteln und Rum, die gegen Palmprodukte und Elfenbein getauscht wurden, im Mittelpunkt. Dieser Warenaustausch ging auf die Initiative einzelner Händler zurück und fand nur wenig Unterstützung durch die amerikanische Regierung. Bis 1812 profitierten die Amerikaner wirtschaftlich von den Kriegen in Europa, und besonders Sierra Leone war auf Waren aus den USA angewiesen. Der Krieg zwischen den USA und England (1812-1815) unterbrach vorübergehend die Handelsaktivitäten. Als die amerikanischen Kaufleute nach Kriegsende nach Westafrika zurückkehrten, traten ihnen die Engländer und Franzosen als Konkurrenten entgegen und versuchten, einige ihrer Häfen für ausländische Schiffe zu sperren. Obwohl den Blockaden kein großer Erfolg beschieden war, stagnierten die amerikanischen Handelsbeziehungen zu Westafrika. Doch als die Händler 1840 erstmals offizielle Unterstützung durch die Stationierung eines amerikanischen Marinegeschwaders (naval squadron) erhielten, das nicht nur für die Einhaltung des Verbots des Sklavenhandels, sondern auch für eine Belebung der kommerziellen Aktivitäten sorgen sollte, konnten die Amerikaner ihre Handelsbeziehungen zur westafrikanischen Küste wieder aufnehmen und ausbauen. Dort waren sie nun in weiten Abschnitten anzutreffen: von Senegal und Gambia im Westen bis zur Goldküste und Nigeria im Osten.20 „Even in centers controlled by Europeans, such as the French forts of St. Louis and Goröe in Senegal, and the British posts of Freetown in Sierra Leone and Bathurst in the Gambia, Americans were the masters of commerce."21 Ein Teil des Erfolges rührte daher, daß die Amerikaner die restriktive Handelspolitik der Briten und Franzosen durch den Schmuggel umgehen konnten. In Ostafrika konzentrierte sich das Interesse der amerikanischen Händler auf Sansibar. Bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges dominierten sie den Handel mit ungebleichten Baumwollstoffen, die in Ostafrika „merikani" genannt wurden.22 Im Gegenzug exportierte Sansibar hauptsächlich Elfenbein, daneben Häute und bis 1876 auch Sklaven. Die Handelsbeziehungen zwischen der Insel im Indischen Ozean und den amerikanischen Kaufleuten, die größtenteils aus Massachusetts stammten, war so bedeutsam, daß 1836 ein amerikanisches Konsulat eingerichtet und von einem ansässigen Händler geleitet wurde.23 Die Aufgaben des amerikanischen Konsuls auf Sansibar beschränkten sich fast ausschließlich auf kommerzielle Angelegenheiten, die jedoch auch zu diplomatischen Problemen fuhren konnten. Dies war
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bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein der Fall, als Großbritannien im Zuge der Durchsetzung des Verbots des Sklavenhandels Schiffe vor der Küste aufbrachte und die Amerikaner sich dadurch in der freien Ausübung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten behindert fUhlten. Selbst jene Konsuln, die aus Massachusetts, einem Staat mit langer Abolitionstradition stammten, duldeten stillschweigend den Handel mit Sklaven, wenn es um ihre eigenen ökonomischen Interessen ging.24 Zum südlichen Afrika bestanden bereits seit dem Ende des 18. Jahrhunderts kommerzielle Kontakte, insbesondere zur Kapregion. In welchem Umfang bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Afroamerikaner aktiv an den Handelsbeziehungen zu Afrika beteiligt waren, ist emprisch nur unzureichend zu belegen. Nichtsdestotrotz belegt das Beispiel von Persönlichkeiten wie Paul Cuffe, daß es Afroamerikaner gab, die eigene Schiffe besaßen und Handel in größerem Umfang betrieben. Der Afrikahandel machte nur zirka ein Prozent des gesamten US-amerikanischen Handelsvolumens aus, aber für die westafrikanischen Märkte spielten die USA als Handelspartner eine wichtige Rolle. Im Senegal stellten amerikanische Kaufleute die größte Gruppe ausländischer Händler dar. 1860 machten die Importe aus den USA in Gambia einen Anteil von 28 Prozent aus, in Sierra Leone waren es 12 Prozent und an der Goldküste sogar 41 Prozent.25 Tabak und Rum waren die wichtigsten Handelsgüter, die die Amerikaner nach Afrika ausführten. Hinzu kamen Baumwollstoffe, Gewehre und Munition. Im Gegenzug verließen amerikanische Schiffe die Häfen Afrikas mit Elfenbein, Häuten, Palmöl, Goldstaub und Erdnüssen. Trotz des geringen Handelsvolumens sah Washington die kommerziellen Beziehungen als so bedeutend an, daß entlang der westafrikanischen Küste Konsulate eingerichtet wurden, die vorrangig dem Schutz der amerikanischen Geschäftsleute und der Aktivierung des Handels dienten.26 Das erste Konsulat war bereits 1799 in Kapstadt eingerichtet worden, weitere Vertretungen folgten in Dakar-Goröe (1833), in Bathurst (1834), und in St. Louis (1900).27 Die konsularischen Einrichtungen in Westafrika waren in erster Linie Handelsstutzpunkte und wie beispielsweise in Freetown nur mit einem Handelsagenten besetzt, der bereits vor Ort tätig war.28 Erst 1928 eröffneten die USA ein konsularisches Büro in Lagos, das für Gambia, Nigeria, Sierra Leone, die Goldküste sowie die britischen Mandatsgebiete in Togoland und Kamerun zuständig war. Der Zuständigkeitsbereich des Konsulats in Dakar erstreckte sich über Mauretanien, Senegal, Französisch Guinea, die Elfenbeinküste, Dahomey, das damalige Obervolta (Burkina Faso), Niger, den Französischen Sudan bis hin zu Portuguiesisch Guinea.29 Abgesehen von der Einrichtung einiger weniger konsularischer Vertretungen, die in erster Linie der Unterstützung und Sicherung der Handelsinteressen dienten, blieb das Interesse der amerikanischen Regierung am afrikanischen Kontinent bis zum Zweiten Weltkrieg gering. Wie bereits von Peter
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Schraeder im Eingangszitat formuliert, trat der afrikanische Kontinent im Kontext der amerikanischen Außenpolitik kaum in Erscheinung. Eine Ausnahme bildete Liberia, dessen Entstehungsgeschichte unmittelbar mit den USA verknüpft war. Das Land bildete einen wichtigen Teil des informal empire der USA und diente als Basis für amerikanische Handelsunternehmungen mit anderen Teilen Westafrikas. Die USA waren bis zum amerikanischen Bürgerkrieg der wichtigste Handelspartner und kontrollierten auch einen bedeutenden Anteil des liberianischen Außenhandels. Erst seit dem Ersten Weltkrig, inbesondere seit 192S, als der US-amerikanische Gummikonzern Firestone riesige Kautschukplantagen einrichtete, stieg der Anteil der USA am Exporthandel Liberias deutlich wieder an.30 Robert W. Shufeldt, Marineadmiral und Mitglied der American Colonization Society, hatte Liberia 1876 auf einer Erkundungsreise entlang der westafrikanischen Küste besucht und sich voller Begeisterung über das wirtschaftliche Potenzial der Region geäußert.31 Doch weder das Außenministerium noch die Marine waren bereit, dem Vorschlag Shufeldts zu entsprechen und ein Kriegsschiff vor der liberianischen Küste zu stationieren, um durch die amerikanische Marinepräsenz die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Amerikaner zu sichern. Eine spezifische Form des Handels war in Liberia der sogenannte coasting trade entlang der Küste, der bereits vor der ameriko-liberianischen Herrschaft etabliert war. Lokale Händler kreuzten in kleinen wendigen Schiffen vor der liberianischen Küste und kauften oder tauschten Waren, die sie dann in anderen Regionen auf den Markt brachten. Der coasting trade entsprach den geografischen Bedingungen der zerklüfteten Küstenregion Liberias mit ihren vielen kleinen Flußdeltas. Zunehmend übernahmen jedoch ameriko-liberianische Siedler den Küstenhandel, verdrängten die einheimischen Händler und bauten eine Flotte auf, die zeitweise aus über 230 kleinen Schiffen bestand. Die Ameriko-Liberianer kontrollierten den Handel, sie kauften von afrikanischen Produzenten und Zwischenhändlern, die hauptsächlich zu den Ethnien der Dei und Gola gehörten, Produkte auf. Die Warenpalette reichte von Palmöl und Rotholz (camwood) über Reis, Ingwer, Pfeffer bis zu Häuten, Kautschuk und Gold. Die Produkte wurden nach Monrovia transportiert und von dort aus exportiert bzw. an ausländische Händler verkauft. Auf dem selben Wege wurden ausländische Importe auf den Markt gebracht. Die Ameriko-Liberianer hofften durch diese Handelsunternehmung, die indigene Bevölkerung Liberias zur Intensivierung ihrer landwirtschaftlichen Produktion anzuregen. Die großen Profite teilten sich jedoch die Regierung durch die Erhebung von Steuern und die amerikoliberianischen Händler, die wiederum enge Kontakte zu Regierungskreisen pflegten oder ihnen selbst angehörten. Der langfristige Erfolg hing von mehreren Bedingungen ab: Die afrikanischen Produzenten mußten ausreichend Produkte zu den Faktoreien an der Küste bzw. zu den Sammelstationen entlang der schiffbaren Flüsse lie-
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fern, während die ausländische Konkurrenz gleichzeitig durch Restriktionen von den Faktoreien ferngehalten bzw. ihre Aktivitäten auf wenige Handelsstationen beschränkt wurden. Letztendlich bestimmte die Nachfrage nach liberianischen Produkten auf dem Weltmarkt das Schicksal des Küstenhandels, dessen Niedergang in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts begann. Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Ethnien, wie z.B. der Grebo-Krieg 1875-76, führten zu Unregelmäßigkeiten bei der Anlieferung der Produkte für den Export. Entscheidender für den Rückgang des Küstenhandels waren jedoch der Verfall der Weltmarktpreise infolge der Rezession um 1890 sowie die Substituierung der wichtigsten Ausfuhrgüter camwood (Rotholz) durch Anillinfarben und Palmöl durch Petrolumprodukte.32 Hinzu kam die wachsende Konkurrenz der Europäer, die insgesamt zu einem Rückgang des amerikanischen Afrikahandels führten. Seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges stagnierten die Handelsbeziehungen. Vier Gründe waren unmittelbar verantwortlich für den Niedergang der kommerziellen Beziehungen zu Afrika. Die Umstellung der Produktion auf kriegswichtige Güter verringerte das Angebot für den Export. Gleichzeitig nahm der Bedarf an Produkten aus Afrika ab. Die Ausnahme waren Häute, die zur Herstellung von Stiefeln für die Truppen benötigt wurden und dadurch den Handel mit Südafrika belebten. Fehlende Schiffskapazitäten behinderten überdies den kommerziellen Austausch mit Afrika. Ein zweiter Grund für die Stagnation lag im technologischen Bereich. Die Einfuhrung von Dampfschiffen seitens der Europäer führte zu einer Senkung der Transportkosten und zu einer Verkürzung der Transportdauer. Gleichzeitig führte die Migration nach Westen innerhalb der USA zur Entwicklung neuer Industriestandorte und bedingte neue Absatzmärkte. Afrika verlor ökonomisch weiter an Bedeutung, während der amerikanische Binnenhandel sich ausweitete. Schließlich begannen die Europäer seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine stärkere wirtschaftliche Kontrolle auf ihre Einflußzonen in Afrika auszuüben. Die wenigen noch aktiven amerikanischen Kaufleute bekamen die neue Handelspolitik in Form von hohen Importzöllen auf Genußmittel wie Rum und Tabak u.a. und von weiteren Handelsrestriktionen gegenüber ausländischen Händlern besonders deutlich zu spüren. Amerikanische Waren erreichten auch weiterhin den afrikanischen Kontinent, aber immer häufiger waren es britische, französische und deutsche Geschäftsleute, die diese Produkte dort vermarkteten. Der Ausweitung der kolonialen Besitzungen der Europäer in Afrika und der offiziellen Aufteilung des Kontinents im Zuge der Berliner Afrika-Konferenz folgte der Ausbau der europäischen Handelsinteressen durch Zölle und andere Barrieren, um fremde Konkurrenz und speziell das amerikanische Vordringen zu begrenzen. Der amerikanische Afrikahandel kam dennoch nicht völlig zum Erliegen. Zumindest zum Beginn des 20. Jahrhunderts betrugen die Importe aus Afrika zwischen 1,2 und 1,4 Prozent der Ge-
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samtimporte.33 Die verschärften Wettbewerbsbedingungen in Afrika infolge der neuen kolonialen Wirtschaftspolitik der Europäer wirkten sich auf die Handelsaktivitäten der Afroamerikaner verheerend aus. Seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts versuchten African Americans im Zusammenhang mit der erneuten Rückbesinnung auf Afrika auch im kommerziellen Bereich auf dem Kontinent ihrer Vorfahren wieder Fuß zu fassen. Der Umfang der amerikanischen Handelsbeziehungen zu Afrika im 19. Jahrhundert war für die USA nur von untergeordneter Bedeutung; einen deutlichen Zuwachs der Export- und Importzahlen brachte schließlich der Erste Weltkrieg mit sich. Dessen ungeachtet hatten die kommerziellen Verbindungen zwischen den USA und Afrika jedoch langfristige Folgen. Gemeinsam mit den Missionaren und Lehrern trugen die Händler dazu bei, daß die USA ohne eine offizielle Errichtung von Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent präsent waren und damit zumindest indirekt auf die politischen Ereignisse am Ende des 19. Jahrhunderts Einfluß nahmen und auf die kolonialherrschaftlichen Entwicklungen einwirken konnten. J f the total United States' legitimate trade with West Africa in the nineteenth century was of less than epic proportions, it is nevertheless indisputable that it was often of considerable significance in the African context. American traders were enterprising in seeking new markets and once established they were tenacious competitors difficult to dislodge. Individually and collectively, they influenced the development of African commerce far beyond what their numbers or the extent of their trade would suggest."34
Außenpolitische Beziehungen zum afrikanischen Kontinent In den folgenden Ausführungen geht es primär nicht um eine Auseinandersetzung mit den außenpolitischen Zielsetzungen und Strategien der Regierungen Garfield und Arthur, sondern um Hintergründe und Erklärungsansätze für die unerwartete Teilnahme der USA an der Berliner Konferenz und die frühe Anerkennung des sogenannten „Kongo-Freistaates".35 Die vieijährige Amtszeit der beiden Republikaner James A. Garfield und, nach dessen Ermordung im Juli 1881, ehester A. Arthur wird in der amerikanischen Geschichte als Übergangsperiode bezeichnet, zwischen der „internen Agonie" des Bürgerkriegs und der Reconstruction einerseits und dem offenen Imperialismus der späten neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts andererseits.36 Garfield und Arthur sind in dem Zusammenhang auch als „transitional figures, way stations on the road leading from the weak leadership of Andrew Johnson to the forceful direction of Theodore Roosevelt"37 charakterisiert worden. David Pletcher, einer der wenigen Historiker, der die Jahre zwischen 1881 und 188S bedeutend genug für eine wissenschaftliche Untersuchung fand, bewertete die
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Periode als „the awkward years"38. Pletcher bezieht sich dabei auf die vielen Unzulänglichkeiten, die diese Ära prägten. Hierzu zählten unkoordinierte Staatskunst, ungeschickte Diplomatie, amateurhafte Emissäre, hohle Rhetorik, der keine politischen Taten folgten, und viele Mißverständnisse zwischen der amerikanischen Öffentlichkeit und dem Kongreß. Aber trotz einer ingesamt wenig erfolgreichen Amtszeit, die keine nennenswerten Höhepunkte zu verzeichnen hatte, wurden in dieser Periode doch erste grundlegende Voraussetzungen für den „expansionist path" der späten neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts geschaffen. Während der Amtszeit Chester Arthurs waren die USA in eine Reihe unterschiedlichster außenpolitischer Unternehmungen involviert wie beispielsweise die Vermittlungen im Krieg zwischen Chile und Peru/Bolivien um Salpetervorkommen, der 1883 beendet wurde; die Kontroverse mit Großbritannien um den Bau eines Kanals in Nicaragua, der den Clayton-Bulwer Treaty39 tangierte; ein Handelsabkommen mit den Hovas auf Madagaskar (1883) und schließlich die Teilnahme an der Afrika-Konferenz in Berlin. Garfield und Arthur zeigten kein besonderes Interesse für die Außenpolitik. Verantwortlich für die außenpolitischen Entscheidungen waren die secretaries of state James G. Blaine und seit Dezember 1881 Frederick T. Frelinghuysen. Blaine war auf Grund seiner Unterstützung bei der Nominierung Garfields berufen worden. Er verfügte weder über besondere Qualifikationen für dieses Amt noch über diplomatische Erfahrungen. Als ausgeprägter Nationalist und Anhänger des Protektionismus ging es ihm weniger um praktische Strategien zur ökonomischen Expansion, die viele von ihm erwarteten, sondern in erster Linie um das Prestige und das Ansehen der USA in der Welt. Die Kritiker sind sich uneins, inwieweit Blaine zur Gestaltung der Außenpolitik beitrug. Einerseits sorgte er während seiner kurzen Amtszeit für eine Ausdehnung der Handelsinteressen, für die Sicherung der amerikanischen Dominanz am Isthmus von Panama und verschaffte sich dadurch Respekt bei den europäischen Mächten. Andererseits warfen ihm seine Kritiker vor, er habe durch die Intervention in Lateinamerika eine langfristige Instabilität heraufbeschworen. Vor allem aber bemängelten seine politischen Gegner das amateurhafte Auftreten und den Oportunismus Blaines. „During the early 1880s, American diplomacy was singularly ill equipped to cope with the crises that invariably accompanied industrialization. If, during that time, James G. Blaine ever did possess a grand strategy for commercial expansion - a proposition surely open to question - he was the wrong man to execute it. Indeed, it is difficult to conceive of more clumsy statescraft. His tenure in office was marked by showmanship and demagoguery, evincing little maturity for any ,large policy'."40 Diese subjektiven Charakterisierungen Blaines und seiner Politik, die sich bei sämtlichen Autoren wiederfinden, drängen andere Gründe für die wenig überzeugende Leistung Blaines in den Hintergrund. In diesem Zusammenhang kann auch auf die
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insgesamt schwache Regierung Garfield und die ineffiziente Ausstattung des State Department, die dem Außenminister bei der Durchsetzung seiner außenpolitischen Entscheidungen enge Grenzen auferlegten, verwiesen werden.41 Auf Grund der wachsenden Kritik an der Politik Blaines und persönlicher Unstimmigkeiten trennte sich Arthur schließlich von seinem Außenminister.42 Im Dezember 1881 übernahm Theodore Frelinghuysen, damals bereits 64 Jahre alt und ein kranker Mann, das State Department. Frelinghuysen war überzeugter Anhänger der Dutch Reformed Church und sah die Innen- und Außenpolitik als Teil eines religiösen Auftrages. Für die Gleichberechtigung der Ex-Sklaven hatte er sich beispielsweise durch seine Unterstützung für die Verabschiedung von Charles Sumners Civil Rights Bill von 1875 eingesetzt. Die wirtschaftlichen Krisen der Jahre 1882 bis 1884 und die damit verbundene, schwindende nationale Prosperität führte dazu, daß die Regierung Arthur den Blick in erster Linie auf die Problematik der Überschüsse richtete. Auch Frelinghuysens außenpolitische Aktivitäten waren deutlich stärker von der Suche nach Absatzmärkten bestimmt als die seines Vorgängers Blaine. In der amerikanischen Öffentlichkeit wurde immer häufiger die Frage gestellt: „Where could the surplus go but abroad?"43 Der Wunsch, eine wichtigere Rolle auf dem internationalen Parkett zu spielen, blieb, neben wirtschaftlichen Überlegungen, ein wichtiger Ansporn für die Formulierung außenpolitischer Konzepte. Der direkte Konkurrenzkampf mit Europa um Handel und Kolonien nahm an Dynamik zu. Die europäischen Geschäftsleute verdrängten die Amerikaner bereits von vielen Märkten. Zwischen 1880 und 1885 verloren Ägypten, Tunis, Indochina, Neu-Guinea und große Teile des subsaharischen Afrika ihre Unabhängigkeit und gerieten unter europäische Kontrolle. Dieser Imperialismus schien nach amerikanischer Ansicht auch die Neue Welt zu bedrohen. Die Europäer boten nicht nur ihre Waren überall in Lateinamerika an, sondern sie engagierten sich z.B. auch für den Bau des Panama-Kanals (Ferdinand de Lesseps), und Großbritannien schien sich in die Konflikte zwischen Peru, Bolivien und Chile (Pazifik-Krieg) einzumischen. Amerikanische Nationalisten, die Handelswettbewerb und politische Vorherrschaft nicht klar voneinander trennten, sahen die MonroeDoktrin in Gefahr. Die Presse fürchtete sogar um die nationale Sicherheit. Genau genommen ging es jedoch um eine weiterhin ungehinderte Expansion der amerikanischen Wirtschaft und die Sicherung des ideologischen Einflusses der USA, vor allem in Lateinamerika. In Afrika spielten die Handelsinteressen, wie bereits angeführt, keine entscheidende Rolle, trotzdem engagierten sich die USA in Madagaskar und auf der Berliner Konferenz zugunsten des sogenannten „Kongo-Freistaates". Die Insel Madagaskar verfugte über große natürliche Ressourcen an Holz, Elfenbein und Kautschuk und unterhielt seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts Kontakte zu den USA.
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Aber erst als William W. Robinson 1875 sein Amt als amerikanischer Konsul in Tamatave, dem wichtigsten Hafen der Insel, antrat, wurden die Beziehungen intensiver. Robinson avancierte zum wichtigsten Berater der Hova-Königin Ranavalona II (1868-1883). Die Hova, eine der 20 Ethnien der Insel, bewohnten den fruchtbarsten Teil Madagaskars und repräsentierten nach außen hin die Regierung. Sie verfügten über eine kleine Armee, die von britischen Offizieren geleitet wurde. Als die Hova, ermutigt durch Robinson, die Kontrolle über die gesamte Insel zu übernehmen versuchten, leisteten die Sakalavas, neben den Hova die größte Ethnie, erbitterten Widerstand. Sie wurden darin von den Franzosen unterstützt, die ein Protektorat für die gesamte Insel anstrebten. Robinson forderte daraufhin militärische Hilfe von der amerikanischen Regierung. Aber Außenminister Frelinghuysen lehnte jede Form der direkten Einmischung der USA in den Konflikt zwischen England und Frankreich über die Vorherrschaft in Madagaskar strikt ab.44 Die Verbindungen der USA zu der Insel vor Afrika blieben weiterhin bestehen, und 1881 kam es zum Abschluß eines bilateralen Handelsvertrages. 1884 unternahm der Marineoffizier Mason A. Shufeldt eine kleine Forschungsreise in den von Ausländern kaum beachteten westlichen Teil der Insel. Die Unternehmung brachte wenig wissenschaftliche Erkenntnisse, aber die Tatsache, daß ein Offizier der amerikanischen Marine für mehrere Monate vom Dienst freigestellt wurde, um in Madagaskar eine Expedition durchzuführen, läßt auf ein spezielles Interesse von offizieller Seite schließen.45 Obwohl das State Department eine Intervention der USA in die europäischen Auseinandersetzungen um Madagaskar verhindert hatten, kam es im Zusammenhang mit der John Waller-Affäre (1891-1895) zu einem erneuten Auftreten der Problematik.46 Im Gegensatz zur distanzierten Haltung in bezug auf Madagaskar vertrat Frelinghuysen gegenüber dem „Kongo-Freistaat" eine deutlich positivere Einstellung. Auf der Berliner Afrika-Konferenz legten die Amerikaner gemeinsam mit den europäischen Mächten u.a. den künftigen Status des Kongobeckens in Zentralafrika fest. Der amerikanischen Mitwirkung am sogenannten scramble for Africa war die Anerkennung der dubiosen Association Internationale du Congo (AIC) des belgischen Königs Leopold II Anfang 1884 vorausgegangen. Das amerikanische Interesse an Afrika hatte 1870 einen speziellen Anstoß erhalten, als Heniy Morton Stanley vom New York Herald den Auftrag erhielt, den in Zentralafrika verschollenen Missionar David Livingstone zu suchen. Diese Aktion brachte Afrika in die Schlagzeilen: „Africa burst into American (and much of the world's) attention"47 und weckte eine, wenn auch nur vorübergehende Begeisterung für den „dark continent". Stanley fand nicht nur Livingstone, sondern berichtete auch über riesige RohstoffVorkommen, die im Inneren Afrikas auf ihre Ausbeutung warteten. Wenige Jahre später war auch Marineadmiral Robert Shufeldt nach einer Reise entlang der westafrikanischen KU-
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ste von Afrika als „great commercial prize of the world" überzeugt. Er versuchte, die Verbindungen zu Liberia zu intensivieren und sprach sich gegenüber dem amerikanischen Außenministerium für die Einrichtung von Konsulaten entlang der westafrikanischen Küste aus. Shufeldt stieß mit seinen Vorschlägen zwar auf Interesse bei dem damaligen Außenminister William Evarts, aber wie schon im speziellen Fall Liberias war das State Department nicht zu einer langfristigen Unterstützung amerikanischer Handelsinteressen bereit. Vor diesem Hintergrund ist die Teilnahme der USA an der Berliner AfrikaKonferenz um so bemerkenswerter. Schließlich besaßen sie „few political, economic, or sentimental connections with Africa strong enough to overcome the traditional isolationism toward European diplomatic meetings", wie Robert Beisner anmerkt. 48 Unter dem Eindruck der Depression gelangte die Regierung Arthur Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts jedoch zu einer Neubewertung der Situation. Der Wettlauf um Afrika war in seine Hochphase getreten, und die USA wollten dabei nicht leer ausgehen. Der afrikanische Kontinent als „the only remaining unoccupied part in the old world" und „the virgin soil of Africa with its teeming population" durfte nicht ausschließlich den Europäern anheimfallen.49 Die Schaffung neuer bzw. die Sicherung der etablierten internationalen Absatzmärkte gewann in den Jahren der wirtschaftlichen Depression zwischen 1882 und 1884 an Bedeutung und soll nicht ignoriert werden. Hinzu kam die bereits erwähnte wachsende europäische Konkurrenz, die nicht nur in Afrika, sondern vor allem in Lateinamerika als Bedrohung des wirtschaftlichen Wachstums angesehen wurde. Allerdings reicht die Verbindung der amerikanischen Außenpolitik mit wirtschaftlichen Interessen, speziell der Erschließung neuer Absatzmärkte, wie sie von den Revisionisten immer betont wurde, als Erklärung nicht aus. Zweifellos sind die ökonomischen Zwänge als entscheidendes Antriebsmoment für außenpolitische Entscheidungen nicht völlig von der Hand zu weisen, aber sie greifen häufig zu kurz. Dies wird am Beispiel der Kongo-Region besonders deutlich. Das Kongobecken war seit den Reisen Stanleys als Rohstoffreservoir und Absatzmarkt für amerikanische Produkte im Gespräch. Viele Anhänger einer expansionistischen Politik betrachteten die riesige Kongo-Region auch als Ziel missionarischer Aktivitäten und als mögliches Siedlungsgebiet für African Americans. Wortführer der Befürworter dieser „solution of the Negro problem" in Afrika war John Tyler Morgan, Senator aus Alabama, langjähriges Mitglied und zeitweiliger Vorsitzender des Senate Committee on Foreign Relations. Ebenso wie der Kongreßabgeordnete John A. Kasson aus Iowa, der in seiner Eigenschaft als US Minister to Germany an der Konferenz in Berlin teilnahm, propagierte Morgan ein neues manifest destiny, eine Idee, die gerade von den Missionsgesellschaften dankbar aufgenommen wurde.50 Der Einfluß von Missionaren und Missionarinnen auf die Formulierung und vor allem die Umset-
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zung amerikanischer Politik auf dem afrikanischen Kontinent war beträchtlich. Da die USA zu größerem personellen und finanziellen Engagement in Afrika nicht bereit waren, waren sie auf die Expertisen der Vertreter der Missionsgesellschaften und deren Zusammenarbeit häufig angewiesen. „(T)he principal American stake seemed to be the work of missionaries."51 Pletcher kommt zu der folgenden Einschätzung: „... especially in Africa a few missionaries, strategists, businessmen and publicists thought that they discerned the outlines of future American interests. Disapproving of colonialism, anxious to preserve an open door into Africa, yet fearful of violating isolationist traditions, they urged the State Department to explore the possibilities of commercial treaties and other manifestations of disinterested friendship through which the United States expand its influence in obscure corners of the world."52 Missionare, Geschäftsleute etc. bestimmten zu einem nicht unerheblichen Teil die langfristigen Interessen der USA in Afrika mit, daß sie jedoch den Kolonialismus grundsätzlich mißbilligten, kann bezweifelt werden. Missionsangehörige oder Händler agierten nicht selten als Kollaborateure der kolonialen Verwaltungen. Diese Haltung wird in den folgenden Kapiteln durch Beispiele dokumentiert. Der Versuch einer direkten Einflußnahme der amerikanischen Regierung auf die europäische Kolonialpolitik blieb vorerst eine kurze Episode, da Chester Arthurs Nachfolger Grover Cleveland die Ratifizierung der Schlußakte der Berliner AfrikaKonferenz verweigerte. Die vorsichtigen Schritte Theodore Frelinghuysens in Richtung einer expansionistischen Politik wurden zwar von den Mitgliedern des außenpolitischen Ausschusses unterstützt, aber die Expansionsgegner im Kongreß und in der Presse attackierten die außenpolitischen Bestrebungen der Regierung Arthur scharf und versuchten, jegliche Einmischung in Überseeangelegenheiten zu vermeiden. Die Isolationisten forderten, amerikanisches Kapital und die Truppen im Land zu belassen und sich auf den Binnenmarkt zu konzentrieren, und die „Economizers" befürchteten, daß das Auslandsengagement zu Steuererhöhungen führen würde. Abweichungen von der isolationistischen Politik erzeugten Proteste, die die überzogene Furcht vieler Amerikaner demonstrierten, „... that their naive statesmen would be led beyond their depths by the guileful navigators of European statecraft."53 Derart in die Defensive gedrängt, verfolgten die Außenpolitiker nur sehr zögerlich expansionistische Ziele. Das State Department vermittelte Unsicherheit und experimentierte mit interventionistischen Maßnahmen, ohne längerfristige Verpflichtungen einzugehen. Während der Präsidentschaft Arthurs hielten die USA an ihrer herkömmlichen Diplomatie fest. Sie übten sich in politischer Isolation gegenüber Europa, Hegemonieanspruch in ihrer Hemisphäre, waren um engere Beziehungen zu den anderen amerikanischen Ländern bemüht und betonten die Rechte und Verantwortungen der neutralen Staaten.
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Die Ursachen fiir das Scheitern der Expansionsversuche von Garfield und Arthur sind nicht eindeutig auszumachen. Einzelne Autoren verweisen u.a. auf die schwache Regierung, unfähige Politiker und Berater sowie die Zerstrittenheit innerhalb der republikanischen Partei, die dann zur Wahlniederlage von 188S führte. David Pletcher äußert die Vermutung, die Zeit sei noch nicht „reif gewesen für eine expansionistische USA. Die Regierungen Garfield und Arthur hätten versucht, „to take a shortcut into the next decade"54. Pletcher kommt zu dem Schluß, daß die vier „awkward years" eine Vorbereitungsphase gewesen seien. „...the outwardly stagnant years of Garfield and Arthur were actually a period of preparation and crude testing in response to impulses which, though strong, were still vaguely formed and not clearly understood. The foreign policies of the early 1880's contain little glory, but in their awkwardness and failure they add plausibility to the heroics of 1898. Like an early stumblingrehearsalof a play, this apparently futile diplomacy made possible greater self-confidence and seemingly spontaneous determination a few years later."55 Erst um 1900 kann man von einer Open Door Policy sprechen. Die Wahl Theodore Roosevelts zum Präsidenten 1901 bedeutete die Einführung einer stärker global ausgerichteten Außenpolitik. Die Dollar Diplomacy von Roosevelts Nachfolger William H. Taft (1909-1913) ließ Afrika aber völlig in den Hintergrund treten, da die ökonomischen Kontakte im Vergleich zu anderen Kontinenten dort nur sehr begrenzt waren. Auch Woodrow Wilson (1913-1921) zeigte bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs wenig Interesse an Afrika, ließ die Konsulate in Äthiopien (1914) und Sansibar (1915) schließen und beschränkte das amerikanische Engagement auf Liberia. Die amerikanische Afrikapolitik wurde mehr und mehr zu einem Bestandteil der Europapolitik der USA. Die Teilnahme der Amerikaner an der Konferenz in Berlin und die dadurch geweckte Sensibilität für den sogenannten Kongo-Freistaat überdauerte die Politik der Zurückhaltung bzw. Ignoranz gegenüber dem afrikanischen Kontinent in den folgenden Jahren. Zum einen war die Lobby der Kongo-Enthusiasten in der Lage, einflußreiche Persönlichkeiten wie John Tyler Morgan von der wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung der Kongoregion zu überzeugen als „channel through which civilization and all its attendant advantages will be introduced into a region inhabited by 50.000.000 of people."56 Das Interesse am Kongo intensivierte die Debatte um die Re-imigration der African Americans nach Afrika und gab auch den Anstoß für Missionsaktivitäten. Hierzu zählte die Gründung der American Presbyterian Congo Mission durch den afroamerikanischer Missionar William Henry Sheppard.
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In offizieller Mission: Afroamerikaner als Repräsentanten US-amerikanischer Politik in Afrika Die allgemeine Literatur zur amerikanischen Außenpolitik im 19. Jahrhundert vernachlässigt nicht nur den afrikanischen Kontinent, sondern auch weitgehend die Rolle der African Americans in den außenpolitischen Beziehungen der USA. Nur wenige Afroamerikaner waren in dieser Periode im auswärtigen Dienst bzw. im State Department beschäftigt.57 Auch existierte für diesen Zeitraum kaum eine Form von afroamerikanischer Diplomatie, abgesehen von einigen Handelsverträgen mit afrikanischen Herrschern, wie sie z.B. Martin R. Delany mit King Docemo of Lagos abschloß58. Entscheidender war hingegen das afroamerikanische Engagement innerhalb der Missionsgesellschaften, deren Einflußnahme auch im diplomatischen Bereich zu spüren war.59 Die African Americans waren in den außenpolitischen Beziehungen zu Afrika aber nicht nur Statisten: Es gab auch Akteure, die über die aktuelle Situation auf der anderen Seite des Atlantik berichteten und ihren, wenn auch eingeschränkten, politischen Spielraum für Veränderungen nutzten. Seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts versuchten afroamerikanische Diplomaten, ihre zurückhaltende Verwaltung dazu zu bewegen, von Europa unabhängige politische Konzepte für Afrika zu entwickeln, die sowohl hilfreich für Afrikaner waren als auch im nationalen Interesse der USA lagen. „African Americans with symbolic power sought to make their views known both at home and abroad with respect to United States foreign policy."60 Aber African Americans im konsularischen Dienst in Afrika verfügten nur über geringe Machtbefugnisse und sehr begrenzte Budgets, da das State Department dem afrikanischen Kontinent keine außenpolitische Bedeutung zumaß. Andererseits bedeutete das Desinteresse von Regierungsseite auch weniger Kontrolle und eröffnete den Konsulatsvertretern die Chance, eigene Vorstellungen beispielsweise bei wirtschaftlichen Transaktionen oder bei der Zusammenarbeit mit Afrikaner im kulturellen Bereich zu realisieren. Viele dieser Vorhaben scheiterten jedoch an den fehlenden Finanzmitteln. Daneben versuchten Afroamerikaner, so der Anthropologe Elliott P. Skinner, mit Hilfe von „symbolic structures" wie kirchlichen Organisationen, Bildungseinrichtungen und Emigrationsgesellschaften zu agieren.61 Einige afroamerikanische Autoren, wie auch Skinner, beschreiben ausführlich die politische Rolle der Afroamerikaner trotz ihrer geringen Möglichkeiten der Einflußnahme auf Washington. Das folgende Beispiel belegt die Vergeblichkeit afroamerikanischer Bemühungen: John H. Smyth, der als Konsul in Monrovia tätig war, gelang es trotz eindringlicher Berichte nicht, das State Department von der Notwendigkeit einer Unterstützung Liberias zu überzeugen.62
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Wie bereits erwähnt, wird in den einschlägigen Werken zur amerikanischen Außenpolitik um die Jahrhundertwende die afroamerikanische Sichtweisen kaum berücksichtigt.63 Die wenigen Arbeiten, die sich explizit mit dem Verhältnis der Afroamerikaner zum Imperialismus und Kolonialismus auseinander setzen, richten ihr Augenmerk nur ganz am Rande auf den afrikanischen Kontinent.64 Dies gilt für Willard B. Gatewood, der in seiner Studie die Auseinandersetzung des „schwarzen Amerika" mit der amerikanischen imperialen Politik sehr umfassend untersucht, aber sich bei seinen Beispielen auf Regionen außerhalb Afrikas, wie die Philippinen und Kuba, beschränkt.65 Gatewood und andere Autoren betonen, die African Americans wären um 1890 so sehr mit dem Kampf um Anerkennung als gleichberechtigte BUrger beschäftigt gewesen, daß sie nur geringes Interesse für auswärtige Probleme aufbringen konnten. Die neuere Forschung widerlegt diese These und wartet zumindest für den afrikanischen Bereich mit vielfältigen Beispielen von afroamerikanischem außenpolitischem Engagement auf. Die ganze Bandbreite afroamerikanischer Stellungnahmen für und wider den neuen Interventionismus der USA in die Weltpolitik hat George Marks bereits 1971 in seiner umfangreichen Artikelsammlung aus afroamerikanischen Zeitungen um die Jahrhundertwende dokumentiert.66 Die Vernachlässigung des afrikanischen Kontinents in der wissenschaftlichen Literatur reflektiert das politische Desinteresse der amerikanischen Politik an Afrika. Erst als die Kritik an der europäischen Kolonialpolitik immer lauter artikuliert wurde und Reformen gefordert wurden, wie beispielsweise seit 1904 im Kongo, fühlte sich Washington bemüßigt, den Blick stärker auf den Kontinent zu richten. Zwei Arbeiten, die das Verhältnis zwischen dem schwarzen Amerika und Afrika an Fallbeispielen darstellen, räumen der afroamerikanischen Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Imperialismus einen breiteren Raum ein. Hierbei handelt es sich um die Untersuchungen der Historikerin Sylvia M. Jacobs und des Anthropologen Skinner. Skinner, Franz-Boas-Professor an der Columbia University und ehemaliger amerikanischer Botschafter in Burkina Faso, verfolgt die historischen Spuren des afroamerikanischen Einflusses auf die Gestaltung der amerikanischen Afrikapolitik und geht dabei bis zu den Anfängen der Republik Liberia (1846) zurück. Er verweist auf das breite Spektrum informeller Aktivitäten der African Americans, denen die offiziellen Wege der Diplomatie lange Zeit nicht zur Verfügung standen. Sylvia M. Jacobs, Professorin an der Universität von North Carolina in Durham, setzt sich mit den verschiedenen Formen des afroamerikanischen Engagements innerhalb der amerikanischen Afrikapolitik in der Phase der sogenannten europäischen Aufteilung des afrikanischen Kontinents zwischen 1880 und 1920 auseinander. Beide Autoren zeigen auf, daß sich African Americans gegenüber imperialen und kolonialen „Abenteuern" als durchaus aufgeschlossen erwiesen.67
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Während der afroamerikanische Beitrag zur Afrikapolitik in der Literatur vielfach erst für das 20. Jahrhundert postuliert wird, fungierten einzelne African Americans auch im 19. Jahrhundert als Repräsentanten der USA auf dem afrikanischen Kontinent. Sie hatten jedoch beträchtliche Probleme, als gleichberechtigte Partner akzeptiert zu werden. Die Unterpriviligierung der African Americans spiegelte sich auch im Widerstand der amerikanischen Regierungsbehörden gegen die afroamerikanische Partizipation und Mitgestaltung an der Außenpolitik wider. „Nevertheless, African Americans have always known that in order to gain equal status in America, they must have a say in how their country relates to the rest of the world. In order to accomplish this, African Americans have used both formaI and symbolic means to deal with America's foreign policy."6* Obwohl ihnen die volle Mitsprache innerhalb des „foreign policy-making process" bis weit in das 20. Jahrhundert verwehrt blieb, nahm die afroamerikanische educated elite regen Anteil an den Diskussionen um die Neugestaltung der Rolle Amerikas in der Weltpolitik seit dem Ende des Bürgerkrieges. Trotz aller Frustrationen versuchte sie durch die Presse, auf Kongressen und bei kirchlichen Veranstaltungen eigene Strategien zu entwickeln und aktiv zu werden „... with a firm faith and an optimism in American ideals and institutions."69 Aufgrund der historischen und emotionalen Bindungen war das Interesse und die Betroffenheit über die koloniale Expansion der Europäer in Afrika besonders groß. Die Afroamerikaner hatten nicht die Möglichkeit, eine eigenständige Afrikapolitik zu entwickeln, sie waren aber als „men (and women, K.F.-S.)-on-the-spot" in die Ereignisse auf dem afrikanischen Kontinent involviert und konnten indirekt und informell politisch Einfluß nehmen. Allerdings fehlte es innerhalb des State Department an Ansprechpartnern, die bereit waren, afroamerikanische Vorschläge aufzunehmen und zumindest zu einer informellen Zusammenarbeit zur Verfügung zu stehen. Wie im gesamten Verwaltungsbereich, standen den African Americans auch die höheren, einflußreichen Positionen im Außenministerium nicht zur Verfügung. Der Ausbau der amerikanischen Präsenz in Afrika durch die Einrichtung von Handelsvertretungen und Konsulaten ermöglichte es einzelnen Afroamerikanern, auf dem afrikanischen Kontinent im diplomatischen Dienst tätig zu werden und damit einen stärkeren Einfluß auf die Gestaltung amerikanischer Außenpolitik zu nehmen. Als offizielle Gesandte der USA im Ausland schien es möglich, nicht nur einen Beitrag für die Verbesserung der innerafrikanischen Verhältnisse zu leisten, sondern auch den eigenen Status innerhalb der amerikanischen Gesellschaft zu erhöhen. Viele von ihnen sahen sich durch die diplomatische Tätigkeit mit ihrem ambivalenten Verhältnis zu Afrika konfrontiert. Sie fühlten einerseits eine Verbundenheit, eine,facial unity" mit den Afrikanern, andererseits traten sie als Repräsentan-
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ten einer Nation auf, die nicht nur den afrikanischen Kontinent als rückständig und unzivilisiert diffamierte, sondern ihnen selbst einen gleichberechtigten gesellschaftlichen Status verwehrte. Zu den ersten African Americans, die in offizieller Mission in Afrika tätig waren, zählte John Brown Russwurm. Er stammte aus Jamaika und erlangte als erster Afroamerikaner 1826 einen Collegeabschluß in den USA. Russwurm machte sich einen Namen als Herausgeber des Freedom 's Journal, einer der ersten afroamerikanischen Zeitungen, die sich der Abschaffung der Sklaverei verschrieben hatten. 1829 ging er im Alter von 30 Jahren im Auftrag der American Colonization Society (ACS) nach Liberia. Ursprünglich ein Gegner der Kolonisation, änderte Russwurm, ähnlich wie Henry H. Garnet und eine Reihe anderer Abolitionisten, seinen Standpunkt später. Er kam zu der Überzeugung, daß die Kolonisation für die schwarzen Amerikaner den praktikabelsten Weg aus der Sklaverei darstelle: „We have here [in Liberia] a republic in miniature... Before God, we know of no other home for the man of color, of republican principles, than Africa." 70 Russwurm akzeptierte einen Posten in der Verwaltung Liberias, den ihm die ACS angeboten hatte. Er baute das Schulwesen auf, gründete den Liberia Herald und wurde 1835 zum Gouverneur von Maryland in Africa ernannt, das sich 1857 der Republik Liberia anschloß. Russwurm starb 1851 als wohlhabender Mann, der ein Vermögen im liberianischen „coasting trade" erworben hatte. Er gehörte zu den einflußreichen Persönlichkeiten in Liberia und hatte nicht nur als Leiter der Schulbehörde die Grundlagen für ein weiterführendes Bildungswesen geschaffen, sondern sich in seiner Funktion als Gouverneur die Annäherung zwischen den afroamerikanischen Einwanderern und der indigenen Bevölkerung Liberias zur Aufgabe gemacht. Die Hoffnung auf einen sozialen Aufstieg erfüllte sich allerdings nur fur einige wenige, die Zugang zu dem begrenzten Kontingent an diplomatischen Posten fanden, die Amerikanern schwarzer Hautfarbe offenstanden. Zu den wichtigsten Vertretungen, die mit einem afroamerikanischen Generalkonsul besetzt wurden, zählte das Konsulat in Monrovia. Obwohl Liberia bereits 1847 seine Unabhängigkeit erklärt hatte, erkannten die USA die Republik erst 1862 offiziell diplomatisch an71. Unter der Regierung von Ulysses Grant wurde James Milton Turner 1871 als erster afroamerikanischer Konsul nach Monrovia berufen.72 Zwei Jahre zuvor hatte Ebenezer D. Bassett als erster schwarzer Diplomat das Konsulat in Haiti als Consul General und Minister Resident übernommen. Die amerikanischen Vertretungen in Liberia und Haiti zählten zu den beiden Posten, die fast ausschließlich mit African Americans besetzt wurden. Die Auswahl erfolgte aus politischen Erwägungen. Prominente afroamerikanische Persönlichkeiten fanden Berücksichtigung, wie z.B. Frederick Douglass, der von 1889 bis 1891 die amerikanischen Interessen in Haiti vertrat.73 Mit der Ernennung zum Konsul wurden aber auch häufig jene Afroameri-
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kaner honoriert, die die offizielle Politik des „weißen" Amerika unterstützten. So hing Milton Turners Ernennung mit seinen guten Kontakten zu Präsident Grant zusammen. Turner war durch den Optimismus der ersten Jahre nach dem Bürgerkrieg geprägt. Er sah seine Zukunft in den USA und betrachtet den Posten in Monrovia nur als eine Stufe auf der Karriereleiter. Liberia blieb ihm fremd, und er empfand keine Verbundenheit zur afrikanischen Bevölkerung. Trotz seiner Distanz zum afrikanischen Umfeld geben seine Berichte an das Außenministerium aber Aufschluß über die internen Konflikte zwischen der ameriko-liberianischen Regierung und der einheimischen Bevölkerung. Er informierte beispielsweise über den Protest der Grebo gegen Versuche der Ameriko-Liberianer, ihnen die Nutzung ihres Gemeindelandes abzuerkennen. Der sogenannte „Grebo War" stieß bei Turner auf wenig Verständnis. Er charakterisierte die Grebo als unzivilisiert, kriegslüstern und hob hervor, daß Schüler dieser Ethnie an einer Missionsschule der American Episcopal Mission in Cape Palmas militärischen Unterricht erhalten hätten: „During a recent conversation, the President while referring to the probable war with the „Grebo" tribe expressed the conviction that owing to a kind of military training which he said was introduced by the late Bishop J.G. Auer into the „Grebo" schools of the American Episcopal Mission at Cape Palmas, the „grebos" have made proficient in the use of artilery and otherfirearmsand are therefore a formidable foe tolerably versed in the arts of war."74 Turner war in seiner Berichterstattung bemüht, die spezifischen Formen der Landnutzung in Liberia zu erläutern, und ermöglichte damit einen Einblick in afrikanische Lebensformen. Vor allem aber belegten Turners Darstellungen den beträchtlichen Widerstand der afrikanischen Bevölkerung gegen die Vorherrschaft der afroamerikanischen Siedler, ein Umstand, der in den USA häufig verschwiegen bzw. bestritten wurde. Seine Berichte waren durchaus nicht frei von Kritik an der ameriko-liberianischen Regierung. So warf er dieser vor, den Konflikt dadurch geschürt zu haben, daß sie beim Landerwerb keine Rücksicht auf traditionelle Landrechte genommen und in ihrer Verwaltung auf Formen der US-amerikanischen „Indian policy" zurückgegriffen hätten: „Liberia seems to have adopted towards this class of her population (indigene Bevölkerung, K.F.-S.), a policy in some respect similar to what is commonly known in the United States as the ,Indian policy'. For example: where she has desired new territoiy she has attempted to acquire it by treaty, by purchase, and by promising the African tribes certain stipends or annuities. In the way of the stability of her treaties have stood the tribal traditions of the aborigines, superstitiously forbidding those tribesfrompermanently alienating their lands, rather making the lands of the tribes a property held in trust for those yet unborn - granting for no living being more than a life estate in any tribal lands.
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In the way of native, aboriginal confidence and trust in the good faith of Liberia to keep her promises, and pay the stipend or annuity for which the Government's honor has been repeatedly pledged to the native tribes - stands the abortive system of finances so long and disastrously employed by the Republic of Liberia. Indeed, the Government of Liberia is sometimes forced to offer to the aboriginal tribes most humiliating, apologetic explanations of her inability to pay them the sums promised as annuities."75 Turners Nachfolger, John Henry Smyth, gehörte zu denjenigen Afroamerikanern, die ihre afrikanischen Wurzeln „wiederentdeckten" und ihre Nähe zum Kontinent ihrer Vorfahren stärker betonten.76 Smyth stammte aus einer Familie, die als freie Schwarze wirtschaftlich erfolgreich waren. Trotz seiner Begeisterung für die Emigrationsidee entwickelte Smyth schon bald nach seiner Ankunft in Monrovia ein distanziertes Verhältnis zur ameriko-liberianischen Führungsschicht. Er prangerte ihre diskriminierende Haltung gegenüber der einheimischen Bevölkerung an und warf ihr vor, sich zu stark an den USA zu orientieren, anstatt die Unabhängigkeit und das Wohlergehen Liberias zu befördern. Smyth teilte seine kritische Haltung gegenüber den Ameriko-Liberianern mit zahlreichen African Americans, die das koloniale Auftreten der afroamerikanischen Siedler, die sich als Herrschaftselite gerierten, als abstoßend, beschämend und unvereinbar mit den Vorstellungen einer gemeinsamen black nation empfanden.77 Smyth wurde 1844 in Virginia geboren, hatte in Washington D.C. als Büroangestellter gearbeitet und an der Howard University Rechtswissenschaften studiert. Als Anwalt engagierte er sich für die Republikanische Partei und erlebte das Scheitern der Reconstruction in den Südstaaten mit. Desillusioniert sah er für die Afroamerikaner keine Zukunft mehr in den USA und rief zur „Re-emigration" nach Afrika auf. Durch seinen guten Ruf als Anwalt und die Tätigkeit in der Partei der Republikaner war er für den Posten in Liberia geradezu prädestiniert. Obwohl die Mehrheit der afroamerikanischen Führungselite ihren Hauptwirkungsbereich innerhalb der USA sah und nur wenige von ihnen eine berufliche Karriere in Afrika ins Auge faßten, meldeten sie gegenüber dem Außenministerium Ansprüche auf die Besetzung der Konsulate in Monrovia und Haiti durch African Americans an. Der Konsulposten in Monrovia galt als prestigeträchtig. So fühlte sich der ursprünglich überzeugte Gegner der Emigration, Henry Highland Garnet, geschmeichelt, als ihm der Posten des Konsuls in Monrovia angetragen wurde. Er reiste 1881 nach Liberia, starb aber bereits drei Monate nach seiner Ankunft. Zu Garnets Nachfolger wurde wieder John H. Smyth ernannt, der in Liberia geblieben war und das Amt bis zum Regierungswechsel in den USA 1885 innehatte.78 Smyth kehrte in einer für Liberia schwierigen Zeit auf seinen Posten zurück. Die Grenzkonflikte mit den Nachbarterritorien verschärften sich und bedrohten die Existenz der unabhängigen Republik. Die Gebietsansprüche der beiden europäischen Mächte
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Frankreich und England fanden im amerikanischen Außenministerium wenig Beachtung.79 Beide Länder versuchten von ihren angrenzenden Besitzungen aus, mehrere hundert Kilometer nach Liberia einzudringen und die Grenzregionen zu okkupieren. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit80 sah sich die Regierung in Monrovia gezwungen, Teile ihres Territoriums vertraglich an England bzw. Frankreich abzutreten. Trotz der eindringlichen Appelle von Smyth hielt sich die Regierung in Washington weiterhin strikt an die Monroe-Doktrin der Nichteinmischung in politische Angelegenheiten der Europäer. Bereits vor der offiziellen „Aufteilung Afrikas" durch die Berliner Konferenz erkannten die USA die Einflußsphären der Europäer auf dem afrikanischen Kontinent an. Der Konflikt um die Festlegung der äußeren Grenzen Liberias schwelte weiter und konnte erst 1909 mit der Einberufung einer Untersuchungskommission, der Liberia Commission, durch Präsident Theodore Roosevelt beigelegt werden.81 Smyth war über die imperialen Ziele der Europäer in Afrika beunruhigt und forderte in seinen Dossiers an den amerikanischen Außenminister den Ausbau der Handelsbeziehungen beider Länder. Zwischen den USA und Liberia bestand kein regelmäßiger Schiffsverkehr, so daß die Produkte der westafrikanischen Republik, wie z.B. Kaffee, zum überwiegenden Teil nach Deutschland und England exportiert wurden. Nur in einer stärkeren wirtschaftlichen Anbindung an Amerika sah Smyth eine Chance für Liberias Unabhängigkeit. Smyth lieferte dem Außenministerium nicht nur Informationen zur Lage in Liberia, sondern verwies immer wieder auf die Notwendigkeit, in den USA auch die Ereignisse in West- und Zentralafrika nicht aus den Augen zu lassen. Er berichtete detailliert Uber das wirtschaftliche Potential in der Region und schlug die Einrichtung weiterer konsularischer Vertretungen in Whydah (Dahomey), Lagos, Abeokuta und Bonny (Nigeria) und in Gabun vor. Nach Smyths Ansicht sollten mit diesen Aufgaben nicht, wie sonst üblich, europäische Handelsagenten, sondern gebildete Afrikaner betraut werden. Die Kontakte zu Edward Wilmot Blyden, der während der Amtszeit von Smyth zum Leiter des neu gegründeten liberianischen Innenministeriums avancierte, verstärkten das Bemühen des Konsuls um eine Zusammenführung der Afrikaner in Afrika und der Diaspora und die Verwirklichung seiner Idee der kulturellen Einheit aller Menschen schwarzer Hautfarbe. Smyth wird als ein Wegbereiter des PanAfrikanismus des 20. Jahrhunderts angesehen. Er zählte zu den „early African Americans", wie sie Elliott Skinner bezeichnet82, die, noch eng verbunden mit der angloamerikani sehen Weltanschauung des 19. Jahrhunderts, wichtige Voraussetzungen für das gemeinsame Agieren von Afrikanern und African Americans in den nachfolgenden Generationen schufen. Seine Vision von der Schaffung einer „great black civilization in the future" setzte beträchtliche gesellschaftliche Veränderungen auf dem afrikanischen Kontinent voraus. Smyths Vorstellungen umfaßten u.a. die Ein-
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führung eines westlichen Ausbildungsmodells und die Technisierung einer exportorientierten Landwirtschaft. „The African", so Smyth, „must be taught to provide for his material wants" und „the influence of civilization shall gradually destroy heathenism."83 Mit Blyden unternahm Smyth Reisen in das Landesinnere Liberias und knüpfte Kontakte mit der afrikanischen Bevölkerung. Er war begeistert von der Schönheit der Landschaft, der üppigen Vegetation und pries die Menschen als „the flower of womanhood and the pride of our manhood". Er traf „the stately and grave Mandingo, the diplomatic Sosoo, the frail but handsome Foulah, and the paragon of men, the magnificent Jolof... intensely, lustrously, magnificently black."84 Smyths Ausführungen belegen eine starke Exotisierung der Afrikaner und ihrer Kultur und Lebensweise und vermitteln trotz seiner Aufgeschlossenheit gegenüber dem Kontinent der Vorfahren ein ambivalentes Verhältnis zu Afrika. Unter die Bewunderung für die Afrikaner mischte sich Skepsis hinsichtlich der Fähigkeiten der afrikanischen Bevölkerung, den „inevitable progress" zu nutzen und die damit einhergehenden Veränderungen aus eigener Kraft zu bewältigen. Auch Smyth ging es letztendlich weniger um das Schicksal der Afrikaner als vielmehr um die wirtschaftlichen und sozialen Chancen, die sich für die African Americans auf dem Kontinent ihrer Vorfahren boten und deren Verwirklichung zur Verbesserung ihres gesellschaftlichen Status in der Heimat Amerika beitragen konnte. Beeindruckend ist Smyths Kritik an der europäische Einflußnahme in Afrika. Im Gegensatz zur Mehrheit der Afroamerikaner sah Smyth bereits um 1880 einen direkten Zusammenhang zwischen der europäischen Expansion und der Zerstörung der indigenen politischen und wirtschaftlichen Strukturen Afrikas. Gleichzeitig war das Bild, das Smyth von Afrika zeichnete, a-historisch. Es spiegelte eine idyllische, aber vollkommen statische afrikanische Vergangenheit ohne große Ereignisse und einschneidende Veränderungen wider und ähnelt damit zeitgenössischen Darstellungen weißer Forscher und Reisender. In einem Beitrag auf dem Congress on Africa, der anläßlich der Cotton States and International Exposition 1895 in Atlanta stattfand, formulierte Smyth: „The actual appaling state of things in Africa is the result of the policy of Europe towards the African races. European contact has brought... political disintegration, social anarchy, moral and physical debasement, [and] the decay of the simple arts and industries which had been developed during centuries of undisturbed and uneventful existence ... European trade, while extinguishing native handicrafts, places within the African's grasp the power of selfdestruction by spirits and of mutual destruction by firearms."85 Trotz seines großen Engagements war es Smyth kaum möglich, seine Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Die knappe finanzielle Ausstattung des Konsulatspostens
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und die begrenzte Entscheidungsbefugnis beschränkten Smyths Handlungsspielraum. Seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts übernahmen immer mehr Afroamerikaner, die in Afrika bereits als Missionare tätig waren, neben ihrer religiösen Tätigkeit auch Aufgaben im diplomatischen Dienst. So waren beispielsweise einige Vertreter der AME Church als Diplomaten in Afrika akkreditiert.86 Smyths Nachfolger als Konsuln in Monrovia waren die Pastoren William Heard (1895-1898) und Ernest Lyon (1903-1910). Heard und Lyon mußten, obwohl ihnen beiden große diplomatische Fähigkeiten bescheinigt wurden, ihre Posten jeweils nach einem Regierungswechsel in Washington räumen. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich Monrovia zu einer Art „training ground" für afroamerikanische Diplomaten. Viele von ihnen traten nach ihrem Liberia-Aufenthalt bedeutendere Posten im diplomatischen Dienst der USA an.87 Abgesehen von der Besetzung weniger Posten im diplomatischen Dienst, eröffnete der Bildungsbereich zusätzliche Chancen für eine berufliche Karriere in Afrika. Nachdem John Russwurm in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts das liberianische Schulwesen aufgebaut hatte, war die Regierung Liberias daran interessiert, einige der übergeordneten Positionen im Bildungsbereich mit in den USA ausgebildeten African Americans zu besetzen. Einer von ihnen war T. McCants Stewart aus South Carolina. Er wurde 1853 geboren und stammte aus einer freien schwarzen Familie, die in Charleston ansässig war. Stewart besuchte das Avery Normal Institute**, studierte dann an der Howard University, kehrte aber schon vor Abschluß seines Studiums aus familiären Gründen in seine Heimatstadt zurück. Er schrieb sich 1874 an der University of South Carolina in Columbia ein, die ein Jahr zuvor die ersten schwarzen Studenten aufgenommen hatte. Nach einem B.A.-Abschluß in Jura und Mathematik nahm er vorübergehend eine Tätigkeit als Lehrer auf, um anschließend ein weiteres Studium am Princeton Theological Seminary zu absolvieren und sich als Pastor der AME Church in New York niederzulassen. Doch bereits Anfang 1882 entschloß sich Stewart, eine Stelle als Professor am Liberia College in Monrovia anzunehmen. Ausschlaggebend für seinen Entschluß waren in erster Linie finanzielle Erwägungen. Trotz einer guten akademischen Ausbildung gelang es Stewart nicht, eine adäquate Stelle zu finden, die ihm ein gesichertes Einkommen bot. Er sah in der Übersiedlung an die afrikanische Westküste eine Möglichkeit, für sich und seine Familie eine neue Existenzgrundlage zu schaffen. McCants Stewarts Lehrtätigkeit war nicht von Erfolg gekrönt. Er geriet in Konflikt mit dem Direktor des Liberia College, William Blyden, und den liberianischen Autoritäten, die Stewarts Führungsstil mißbilligten und sich jegliche Einmischung in interne Angelegenheiten des Colleges verbaten. Bereits 1885 kehrte Stewart in die USA zurück,
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war als Anwalt in New York tätig und engagierte sich für die Durchsetzung von Bürgerrechten für Afroamerikaner. Als guter Freund Booker T. Washingtons zählte Stewart zu den begeisterten Anhängern des Modells der industrial education. Der New Yorker Anwalt bekundete aber weiterhin sein Interesse an Afrika. Wie viele seiner Zeitgenossen vertrat er die Ansicht, daß ein wirtschaftlich starker afrikanischer Kontinent positive Impulse für das Ansehen aller schwarzen Menschen aussenden würde. Wie Smyth und vor ihm Delany, betonte Stewart immer wieder die Notwendigkeit intensiver Handelsverbindungen zwischen Nordamerika und Afrika und sprach sich für eine begrenzte Migration aus „as a means of Christianizing Africa and creating a prosperous republic that would reflect credit on the race." 89 Trotz seiner negativen Erfahrungen setze sich Stewart besonders intensiv für eine finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung Liberias ein. Er war der Meinung, daß in naher Zukunft das Kapital für diese Unternehmung von den Afroamerikanern kommen würde und „that thousands of civilized American Negroes of enterprise would be attracted to Africa." 90 T. McCants Stewart sicherte sich im Laufe seines Lebens einen Platz unter den einflußreichen afroamerikanischen Führungspersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Er erreichte nicht die Popularität eines Frederick Douglass oder Booker T. Washington, aber seine Meinung war gefragt, und er erhielt von seinen Zeitgenossen Anerkennung als Aktivist und bedeutender Verfechter der afroamerikanischen Bürgerrechte.91 Es ist deshalb um so erstaunlicher, daß sein Name nur selten in den Arbeiten zur afroamerikanischen Geschichte und in den Untersuchungen zum black nationalism Erwähnung findet.92 Stewarts Schriften und Reden belegen seinen Stolz auf die afrikanische Geschichte und die afrikanische Zivilisation. Er betrachtete es als Verpflichtung, Afrikas Zukunft mitzugestalten. 1906 unternahm Stewart einen zweiten, anfangs erfolgreichen Versuch, in Afrika Fuß zu fassen. Sein wachsender Pessimismus in bezug auf die politischen und wirtschaftlichen Chancen der schwarzen Amerikaner in den USA veranlaßten ihn, sein Glück in Hawaii und dann erneut in Liberia zu suchen. Er eröffnete eine Anwaltspraxis in Monrovia, beriet schon bald die Regierung in rechtlichen Fragen und war entscheidend an der Schaffung der Liberian National Bar Association beteiligt. Seine Fähigkeiten als geschickter Anwalt fanden Anerkennung. Er gewann das Vertrauen des Präsidenten Liberias, Arthur Barclay, der ihm zunächst den Posten des Erziehungsministers und dann einen Sitz im Obersten Gerichtshof anbot. Zuerst lehnte Stewart beide Angebote ab, aber 1911 konnte er der mit Prestige verbundenen Position eines beigeordneten Richters am Supreme Court Liberias nicht widerstehen und willigte ein. Der Hintergrund für seinen Sinneswandel war offensichtlich die Aussicht auf ein regelmäßiges Einkommen, da seine Versuche, eine Exportgesellschaft zu gründen, an mangelndem Kapital gescheitert waren. Aber die Berufung
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bedeutete auch einen großen politischen Erfolg für Stewart. Präsident Barclay beauftragte Stewart auch mit sensiblen diplomatischen Verhandlungen. So reiste der Anwalt 1911 in die USA, um die Kontakte Liberias mit den USA zu intensivieren und in Gesprächen mit dem amerikanischen Außenminister Knox über einen Kredit zu verhandeln, den bereits die Liberia Commission vorgeschlagen hatte.93 In den folgenden zwei Jahren arbeitete Stewart erfolgreich in Liberia und glaubte, dort endgültig ein Zuhause gefunden zu haben. Doch trotz seiner guten Verbindungen zur liberianischen Regierung war Stewarts Mitgliedschaft am obersten Gerichtshof nicht von langer Dauer. Im September 1914 wurde er seines Amtes enthoben. Die genauen Umstände seiner Entlassung sind unklar. Die Regierung Liberias bestritt politische Gründe, sondern beschuldigte Stewart, das liberianische Recht gebrochen zu haben. Hintergrund war aller Wahrscheinlichkeit nach Stewarts kritische Haltung gegenüber der Gerichtsbarkeit, der er schon vor seiner Ernennung Korruption und Unmoral vorgeworfen hatte.94 T. McCants Stewart war auf der Suche nach einer beruflichen Existenz nach Afrika zurückgekehrt. Wie für ihn war für viele African Americans im 19. Jahrhundert der Einsatz für Afrika gekoppelt mit dem Wunsch nach eigener wirtschaftlicher Unabhängigkeit und Prosperität. Ein weiteres Beispiel dafür ist John L. Waller, der 1891 zum amerikanischen Konsul in Madagaskar ernannt wurde. Wallers Anwesenheit in Madagaskar führte zu einem diplomatischen Skandal und beträchtlichen Spannungen zwischen den USA und Frankreich. Waller setzte sich nachdrücklich für die Autonomie der Insel ein und geriet dadurch in direkte Konfrontation mit den Franzosen, die das Gebiet 1896 annektierten. Der Konsul befand sich in einer schwierigen Position, da er öffentlich die einheimischen Unabhängigkeitsbestrebungen unterstützte, während die amerikanische Regierung inzwischen der französischen Kolonisation Madagaskars zugestimmt hatte.95 John L. Waller war 1850 als Sklave in Missouri geboren worden. Nach dem Bürgerkrieg gelang es seiner Famile mit Unterstützung von Weißen, sich auf einer Farm in Iowa niederzulassen. Trotz zahlreicher Unterbrechungen aus familiären Gründen konnte Waller einen Collegeabschluß machen und wurde 1877 als Anwalt zugelassen. Er siedelte über nach Kansas, da dort die Arbeitsmöglichkeiten für einen afroamerikanischen Anwalt erfolgversprechender waren. Schon bald erwarb er sich in seinem Beruf einen guten Namen und begann sich nach seiner Heirat mit einer wohlhabenden Witwe in der Republikanischen Partei zu engagieren. Als Herausgeber des Topeka Weekly Recorder setzte er sich für republikanische Kandidaten ein und entwickelte seine Zeitung zu einem Sprachrohr gegen Rassentrennung, Lynchjustiz und den Verlust des Wahlrechts. Trotz des wachsenden Widerstandes im Land gegen die politische Partizipation von African Americans gelang es Waller, in den Wahlausschuß von Kansas berufen zu werden und schließlich als erster
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Afroamerikaner den Posten des stellvertretenden Bundesanwalts in Topeka zu erhalten. Auf Grund der Fürsprache eines befreundeten Anwalts bei Präsident Harrison wurde Waller für den Posten des Generalkonsuls in Madagaskar vorgeschlagen, den er im Sommer 1891 antrat. Es ist strittig, was Waller veranlaßte, seine sichere Position in den USA aufzugeben und sich auf eine afrikanische Insel zu begeben, von der die Amerikaner nur sehr vage Vorstellungen hatten. Offensichtlich sah der ehrgeizige Anwalt Madagaskar als Meilenstein für seine weitere Karriere. Der Konsulatsposten bot darüber hinaus die Möglichkeit, als African American aktiv die imperialen Ziele Amerikas zu unterstützen und somit den Anspruch der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA auf Gleichbehandlung und Mitbestimmung nachhaltig zu demonstrieren. Zweifellos verfolgte John Waller aber auch das Ziel, in Afrika finanziell sein Glück zu machen. Madagaskar96 galt für Europäer und Amerikaner als großes Rohstoffreservoir mit riesigen Vorkommen an Holz, Gummi, Elfenbein, Mineralien und tausenden Hektar an fruchtbarem Land fiir die Produktion von Zucker, Tee, Kaffee und Vanille. Befürworter der Expansion nach Übersee unter den African Americans betrachteten Madagaskar als geeigneten Standort für eine afroamerikanische Kolonie, „that would not only enhance the prestige of the United States and thus elicit the approval of white America, but would also augment Black America's economic and political power base and in doing so aid in the fight for justice and equality".97 Während seiner Amtszeit als Konsul und anschließend als Privatunternehmer versuchte Waller gezielt, afroamerikanische Geschäftsleute aus den USA in Madagaskar anzusiedeln und, ähnlich wie Martin R. Delany vor ihm, ein „Black Empire" oder zumindest eine „Colored Colony" in Madagaskar zu errichten. Mit diesen Vorstellungen trug er zur Konfrontation zwischen dem europäischem Imperialismus und der afroamerikanischen Version des manifest destiny bei. Die Amerikaner pflegten seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts gute Kontakte zu Madagaskar. Der Handel mit Kaliko und anderen Produkten florierte, und das amerikanische Außenministerium stationierte 1867 einen Handelsagenten auf der Insel. Obwohl den Madegassen bewußt war, daß die Amerikaner in erster Linie an einem wirtschaftlichen Stützpunkt in der Region interessiert waren, zeigten sie sich den amerikanischen Händlern gegenüber aufgeschlossen, da sie auf die Unterstützung der USA in ihrem Kampf gegen die europäischen Kolonialinteressen hofften. Aber der zwischen den USA und Madagaskar geschlossene Freundschaftsund Handelsvertrag von 1867 (Americo-Malagasy Treaty) war für die Amerikaner lediglich ein Stück Papier, das ihnen keinerlei Verpflichtungen auferlegte. Als zu Beginn der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts die Franzosen verstärkt versuchten, politischen Einfluß zu nehmen, und für ihre Landsleute auf der Insel den freien Zugang zu Land forderten, baten die Madagassen die USA und Großbritannien um
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Hilfe.98 Die amerikanische Regierung lehnte jedoch jegliche Einmischung in den Konflikt zwischen Madagaskar und Frankreich ab und sah, wie Großbritannien auch, den französischen Protektoratsplänen tatenlos zu." Erst mit dem Amtsantritt John Wallers, der die französische Einflußnahme scharf verurteilte, änderte das amerikanische Außenministerium seine Politik und protestierte gegen die Kolonisierungsbestrebungen Frankreichs. Zwei Gründe waren dafür ausschlaggebend: Zum einen waren die USA irritiert und verärgert über die französischen Versuche, Teile Liberias zu einem französischen Protektorat zu erklären, zum anderen spielten wirtschaftliche Überlegungen eine wichtige Rolle bei diesem Kurswechsel. Hintergrund war der Wunsch, den amerikanischen Handelshäusern, die rund eine Million Dollar auf der Insel investiert hatten, weiterhin Freihandelsbedingungen zu sichern. Der Handel mit den USA umfaßte 30 Prozent des gesamten Exporthandels Madagaskars, der französische Anteil betrug nur 10 Prozent.100 Auch Wallers Konfrontationskurs mit Frankreich war von ökonomischem Kalkül bestimmt. Er plante größere Investitionen und war zur Durchsetzung seiner Ziele darauf bedacht, freundschaftliche Beziehungen zum madagassischen Königshaus zu unterhalten. Die Franzosen betrachteten den afroamerikanischen Konsul als offiziellen Agenten des anglo-amerikanischen Imperialismus und als Werkzeug in der Hand des madegassischen Premierministers und somit als Bedrohung für ihre Interessen. Als im Sommer 1893 die demokratische Regierung unter Grover Cleveland die Amtsgeschäfte übernahm, wurde Waller von seinem Posten abberufen. John Waller war über diese Entscheidung nicht unglücklich, da er nun seinem lange gehegten Wunsch nachgehen und sich ganz auf den Handel konzentrieren konnte. Er verhandelte über die Konzession für ein Areal von 150.000 acres in einem der besten Kautschukproduktionsgebiete der Insel. Dank seiner guten Kontakte und seiner Parteinahme für das Königshaus wurde ihm schließlich die Konzession von der madegassischen Königin gewährt. Sofort nach Bekanntgabe der Entscheidung zweifelten die Franzosen die Rechtmäßigkeit der Konzessionsvergabe an. Der französische résident général erklärte die Vergabe für null und nichtig, da die Franzosen nicht konsultiert worden seien. Es ging nicht nur um den Erwerb von Land, sondern in erster Linie um „the ability of a European colonial power to control its colony."101 Ende 1894 bombardierte Frankreich die Insel, wenige Monate später landeten französische Truppen auf Madagaskar, verhängten das Kriegsrecht und begannen, die Post zu zensieren.102 Anfang 1895 wurde John Waller festgenommen und beschuldigt, die Zensur umgangen zu haben, indem er einen Brief an seine Frau aus dem Land zu schmuggeln versucht hatte. Die Anklage lautete auf Mißachtung des Zensurgesetzes und Verrat von geheimen Informationen an die Feinde Frankreichs.103 Waller wurde von einem Militärtribunal zu zwanzig Jahren Gefängnis
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verurteilt, in Ketten nach Frankreich verschifft und dort inhaftiert. Die offiziellen Stellen in den USA waren anfangs nur zögerlich bereit, zugunsten von Waller zu intervenieren. Erst als der Ex-Konsul an den Folgen der schlechten Haftbedingungen lebensgefährlich erkrankte, bemühte sich das Außenministerium um seine Freilassung. Nachdem sich die amerikanische Regierung bereit erklärte, keinerlei Ansprüche auf Haftentschädigung zu unterstützen, wurde John Waller im Februar 1896 freigelassen. Die „John Waller Affair" sorgte in den USA für Schlagzeilen. Zahlreiche Hinweise deuteten daraufhin, daß Wallers Position auf Madagaskar umstritten gewesen war, da er offensichtlich seine eigenen materiellen Interessen Uber seine Aufgaben als Konsul gestellt hatte. Unregelmäßigkeiten bei der Nachlaßverwaltung eines verstorbenen amerikanischen Händlers auf der Insel wurden ihm zur Last gelegt.104 Nach seiner Rückkehr in die USA versuchte er erfolglos, eine Kompensation für seine Konzessionen in Madagaskar durchzusetzen. Trotz seines wirtschaftlichen Mißerfolges setzte sich Waller auch weiterhin in Reden und Zeitungsartikeln für die afroamerikanische Re-emigration nach Afrika ein. John Wallers Wirken in Madagaskar ist ein Beispiel für die enge Verquickung von persönlichen ökonomischen Interessen und dem Wunsch, politische Anerkennung zu erringen. Die Afroamerikaner waren nicht nur erzürnt über die Behandlung eines African American durch eine europäische Macht, sondern verurteilten auch die Degradierung des unabhängigen Madagaskar auf den Status einer abhängigen europäischen Kolonie. Im Fall von Waller realisierten viele African Americans zum ersten Mal die negativen Folgen der Kolonialpolitik der Europäer, die sie bis dahin in erster Linie als „civilizing mission" verstanden hatten. Weitreichende anti-koloniale Proteste gab es aber erst im Zusammenhang mit der Aufdeckung der Greueltaten an der Bevölkerung im sogenannten Kongo Freistaat Anfang des 20. Jahrhunderts.105
Booker T. Washington, Tuskegee und Afrika Booker T. Washington, der nach dem Tod von Frederick Douglass 1895 zur wichtigsten schwarzen Führungspersönlichkeit avancierte, betrat trotz reger Reisetätigkeit nie in seinem Leben afrikanischen Boden. Dennoch verfugte er um die Jahrhundertwende über sehr weitreichende Kontakte zu Afrika. So konnte er nicht nur die Besetzung einiger Konsulatsposten in Afrika beeinflussen, sondern es gelang ihm auch, aktiv an der Gestaltung der US-amerikanischen Außenpolitik mitzuwirken. Als persönlicher „advisor of Negro affairs" von Theodore Roosevelt und William Taft hatte Washington direkten Zugang zu den Präsidenten und war durch diese privilegierte Stellung in der Lage, sich in Regierungskreisen Gehör zu verschaf-
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fen.106 Sein Tuskegee Institute unterstützte und organisierte Handelsaktivitäten mit Afrika und war bestrebt, die wirtschaftlichen Beziehungen zu intensivieren. Tuskegee-Absolventen arbeiteten als Berater für die Baumwollproduktion in Togo und im Sudan. Eine Reihe von Afrikanern studierte in Tuskegee und versuchte z.B. in Südafrika durch die Konzipierung spezieller Ausbildungsprogramme das Modell der industrial education einzuführen. Washington sah seinen Platz in den USA und betonte als entschiedener Gegner aller Emigrationsprogramme stets: „a return to Africa for the Negro is out of question".107 Die Schaffung von besseren Arbeits- und Lebensbedingungen für African Americans in ihrer neuen Heimat stand stets im Mittelpunkt seiner Bemühungen. Sein Engagement für Afrika konzentrierte sich lange Jahre auf die Unterstützung von Bildungseinrichtungen und die Verbreitung des Tuskegee-Modells. Washington erfreute sich beträchtlicher Popularität und genoß großes Ansehen als Pädagoge unter den Afrikanern. Gleichwohl wird in seinen Schriften keine große Verbundenheit mit Afrika, sondern vielmehr Distanz spürbar, die aber durch die vielfältigen Projekte und seine Betriebsamkeit überdeckt werden. Washingtons Verhalten erweckt den Eindruck, als habe er, im Gegensatz zu vielen Afroamerikanern seiner Generation, es vermieden, sich mit der Frage seiner persönlichen Affinität zum afrikanischen Kontinent auseinanderzusetzen. Erst in den letzten Jahren vor seinem Tod 1915 begann er, offensichtlich unter dem Eindruck der weitreichenden Folgen kolonialer Herrschaft, sich intensiver mit den allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Problemen in Afrika zu beschäftigen. Inwieweit diese stärkere Hinwendung zu Afrika in erster Linie mit den veränderten innenpolitischen Bedingungen in den USA zusammenhing, läßt sich nicht eindeutig klären. Sicher ist, daß nach dem Sieg des Demokraten Woodrow Wilson bei den Präsidentschaftswahlen von 1912 die Tuskegee Machine einen großen Teil ihrer Unterstützung verlor. Darüber hinaus sah sich Washington durch die Gründung der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) einer wachsenden Opposition unter der afroamerikanischen Elite gegenübergestellt. Washington wurde bei seinen Aktivitäten von seinem Berater und wichtigsten Ghostwriter, dem Soziologen und Professor an der Universität von Chicago Robert Ezra Park unterstützt. Von Park stammte beispielsweise die Idee zu einer International Conference on the Negro, wozu ihn der International Races Congress angeregt hatte108. Zu dieser Tagung im April 1912 wurden Teilnehmer aus Afrika, Europa und der Karibik nach Tuskegee eingeladen, die besonders interessiert an Afrika waren bzw. sich aktiv für „education and upbuilding of Negro peoples" auf dem afrikanischen Kontinent und in der ganzen Welt engagierten. Washington sorgte dafür, daß die Konferenz bereits im Vorfeld große Publizität erlangte. Alle wichtigen Missionsgesellschaften und über tausend Einzelpersonen erhielten Einladungen.
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Der Außenminister unterrichtete auf Wunsch von Washington die europäischen Regierungen über das Ereignis. Die Conference on the Negro sollte ein Diskussionsforum zwischen Afroamerikanern, Afrikanern, weißen Missionaren und Philantropen schaffen, sie diente aber auch dazu, Werbung für das Tuskegee Institute zu machen. Auf Grund von Reiserestriktionen und finanziellen Problemen nahm nur ein Afrikaner an der Konferenz teil. Die Mehrheit der Teilnehmer waren Weiße, die im Missionsdienst standen.109 Park war auch federführend bei der Planung einer Europareise Washingtons 1914, die schließlich auf Grund des Kriegsausbruchs nicht stattfand. Mit dieser Reise wollte Washington den Dialog zwischen der afrikanischen Welt und den europäischen Kolonialherren voranbringen. Inwieweit diese Initiativen allerdings auf Washington selbst zurückgingen, ist fraglich. Zweifellos war Park die treibende Kraft hinter Washingtons Afrika-Aktivitäten, bei denen Washington eher im Hintergrund agierte. Daß Washington keinesfalls als Gegner der europäischen Kolonialherrschaft bezeichnet werden kann, zeigte sich auf seiner Europareise 1910, als er in Berlin die deutsche Kolonialpolitik mit den folgenden Worten rühmte: ,4 have followed with great care the policies and the plans according to which the German officials have dealt with the natives of Africa... Their work succeeds by these means in a wholesome and constructive manner. They do not seek to suppress the Africans, but rather to help them that they may be more useful to themselves and to the German people. Their manner of handling Negroes in Africa might be taken as a pattern for other nations."110 Diese Einschätzung stand im extremen Widerspruch zur tatsächlichen Situation in den deutschen Kolonialgebieten in Afrika. Auch afroamerikanische Führungspersönlichkeiten in den USA hatten sich zu diesem Zeitpunkt von ihrer Bewunderung und Unterstützung des europäischen Kolonialismus weitgehend distanziert. Die Kooperation mit der deutschen Kolonialmacht in Togo seit 1900 war der Beginn von Washingtons aktivem Engagement in Afrika. Das Kolonialwirtschaftliche Komitee (KWK) in Deutschland bat Washington um Unterstützung bei der Verbreitung und Intensivierung des Baumwollanbaus in der deutschen Kolonie Togo.111 Nach einem längeren Briefwechsel und dem Besuch einer Abordnung des KWK unter Leitung von Baron Herman in Tuskegee war Washington bereit, drei Absolventen und ein Mitglied des Lehrkörpers des Tuskegee-Instituts nach Togo zu schicken. Die Experten des KWK äußerten anfangs Bedenken darüber, ob die vier Afroamerikaner gegenüber der afrikanischen Bevölkerung die nötige Autorität aufbringen könnten und gleichzeitig den deutschen Kolonialherren den entsprechenden Respekt erweisen würden. Washington war davon jedoch überzeugt und versicherte dem deutschen Baron: „I do not think in any case that there will be much if any dif-
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ficulty in the men who go from here treating the German officials with proper respect. They are all kindly disposed, respectful gentlemen. I believe at the same time they will secure the respect and confidence of the natives."112 James Nathan Calloway wurde von Washington zum Leiter der kleinen Gruppe von Baumwollexperten ernannt, die in Togo zum Einsatz kommen sollte. Calloway hatte an der Fisk University studiert und dann eine der Experimentierfarmen zur Entwicklung von Baumwollsaatgut in Tuskegee geleitet. Er verfügte über Deutschkenntnisse und traf mit den drei jungen Männern im Januar 1901 in Lomé ein. Gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung und unter Kontrolle der deutschen Kolonialbehörden errichteten die vier auf der Station Misahöhe im Landesinneren eine Plantage. Ihr Ziel war, die lokale Baumwolle mit der amerikanischen zu kreuzen, um so eine widerstandsfähige, qualitativ hochwertige Sorte zu züchten, die den Anforderungen des Weltmarktes entsprach. Außerdem sollten die Afrikaner mit den in Tuskegee entwickelten Anbaumethoden vertraut gemacht werden.113 Das Baumwollexperiment ließ sich erfolgversprechend an. Die Qualität wie auch die Produktion konnten gesteigert werden. Zwischen 1901 und 1909 trafen noch fünf weitere Tuskegeans in Togo ein. Die Afroamerikaner zahlten jedoch einen hohen Preis für ihr Engagement. Vier von ihnen starben in Togo, die fünf anderen kehrten nach wenigen Jahren in die USA zurück. Nach Anfangserfolgen gab es eine Reihe von Fehlschlägen, die von deutscher Seite den Amerikanern angelastet wurden. Das KWK beschloß daraufhin, auf die Beschäftigung weiterer Experten aus Tuskegee zu verzichten. Der stellvertretende Gouverneur Graef erklärte in einer Stellungnahme zur Arbeit von Calloway, „...es sei geboten, den Experten abzulösen, da dieser kein sonderliches Interesse am Emporkommen der Kultur habe. Sollte das Unternehmen zu einem glücklichen Ende geführt werden, so sei es nötig, die Leitung aller Baumwollanlagen in Togo einem deutschen Sachverständigen zu übertragen."114 Der Hauptgrund für den Verzicht auf die Zusammenarbeit mit den Amerikanern war die Befürchtung, „daß amerikanische Farbige keinen guten Einfluß auf die eingeborene Bevölkerung Togos ausüben."115 John W. Robinson, der zur ersten Gruppe gehörte, blieb als einziger in der deutschen Kolonie in Westafrika zurück. Er hatte 1897 sein Studium beendet und war voller Enthusiasmus nach Togo gekommen. Ähnlich wie William Henry Sheppard, der seit 1890, zeitweise völlig auf sich allein gestellt, im Kongo als Missionar aktiv war, harrte Robinson in Togo mit unerschütterlichem Optimismus aus. Er ordnete sich dem autoritärem deutschen Kolonialstil unter und richtete 1905 eine „Cotton School and Plant Breeding Station" für afrikanische Produzenten ein. Fünfundvierzig junge Männer wurden dort in die „simple rules and practices of Agriculture" eingeführt. Robinson berichtete seinem Mentor Washington von seinen Erfolgen,
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die dem negative Bild der deutschen Kolonialverwaltung von der afrikanischen Bevölkerung widersprachen: „At the outset it was exceedingly difficult to incite any interest at all in our work on the part of the natives. For some reason, the natives mistrust every proposition made to them by a foreigner, and in the beginning they would not even accept the gift of cotton seeds of us. They claimed that if they should accept our seeds, we would come again and claim our own with usury. Many of the Europeans here said that the natives would never become interested in the movement. But we worked on, and now already in the fanning districts are hundreds of native cotton farms. Now they no longer mistrust us, but they come and ask for cotton seeds, and a conservative estimate places the incoming native harvest near the thousand bale mark.... At the beginning all of these people did not believe in the wisdom of the Cotton Expedition, but now the interest and enthusiasm are very high. There will soon be in operation three ginning and pressing stations run by steam power besides a dozen or more hand gins."116 Robinson war von den traditionellen Anbaumethoden der Afrikaner, die Baumwolle nicht als Monokultur anpflanzten, sondern als secondary crop, um damit im Fall von Schädlingsbefall, Trockenheit etc. nur einen Teil ihrer Ernte zu verlieren, nicht sehr überzeugt. Aber er versuchte nicht, die afrikanischen Bauern zur Monokultur zu zwingen, sondern erläuterte, „...we are content, at the beginning, to let them cultivate in their own way."117 Robinsons Initiative trug Früchte. Seine Schule erhielt 1908 den Status einer allgemeinen Landwirtschaftsschule und wurde weiter im Landesinneren einer neuen Forschungsstation angegliedert. Die afroamerikanische Baumwollexpedition fand ein jähes Ende, als John Robinson Anfang 1909 mit seinem Kanu verunglückte und ertrank. Die vier jungen Männer, die in Togo den Tod fanden, erhielten in Tuskegee den Status von Märtyrern. Aber niemand wollte ihnen nacheifern oder war bereit, die Arbeit in Westafrika fortzusetzen. Fünf Tuskegee-Absolventen beteiligten sich auch an Baumwollexperimenten im Sudan, die von dem weißen amerikanischen Geschäftsmann Leigh S. J.Hunt finanziert wurden. Hunt kam direkt nach Tuskegee und suchte sich drei Studenten aus, die kurz vor ihrem Abschluß standen, um mit ihrer Hilfe eine Baumwollplantage in Zeidab am Nil zu errichten. Das Projekt schloß auch die Ansiedlung von African Americans ein. Hunt verfolgte keine philanthropischen Interessen, wie er gegenüber Washington betonte, sondern reine Profitinteressen. Er lobte die vorbildliche Arbeit in Tuskegee und bezeichnete die Studenten als bestens für die Aufgabe im Sudan geeignet. 1904 reiste die Gruppe der drei Männer, die von Hunt in seiner Korrespondenz mit Booker T. Washington stets als „boys" bezeichnet wurden, in den Sudan. Washington verzichtete nicht darauf, seinen Studenten ein paar Maßregeln mit auf den Weg zu geben und auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die auf
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dem afrikanischen Kontinent lauerten. Washingtons Ratschläge vermitteln anschaulich seine ambivalente Haltung gegenüber dem indigenen Afrika: „One point I wish to impress upon you is this, a great many persons going to a warm climate, go to ruin from a moral standpoint. I hope you will keep this in mind and remember that if you yield to the temptation and lower yourselves in your moral character, you will do yourself, the school and the race the greatest injustice, but I feel sure you are going to stand up and be men."118 Leigh Hunt war sehr angetan von dem Auftreten der Tuskegeans und ihrer Arbeit in Zeidab. Begeistert schrieb er an Washington: „To tell you the truth, I am delighted with these boys and therefore very hopeful that my experiment in blazing the way to this land of promise is going to prove beneficial to at least some of your race."119 Noch zwei weitere Tuskegee-Studenten reisten in den Sudan. Innerhalb der folgenden zwei Jahre starb jedoch einer von ihnen, und die anderen kehrten mit Malaria in die USA zurück. Hunt beendete kurz danach sein „Sudan-Abenteuer". Im Fall von Liberia gelang es Washington am deutlichsten, Einfluß auf die historische Entwicklung im kolonialen Afrika zu nehmen.120 Er konnte durch seinen Einfluß auf die Roosevelt Administration und die nachfolgende Regierung Taft die Liberia Commission konstituieren, um die bedrohliche Lage der Republik in Westafrika vor Ort zu untersuchen. Dieser Initiative war ein Briefwechsel mit Ernest Lyon, dem amerikanischen Konsul in Monrovia, vorausgegangen, der die Situation in Liberia als dramatisch beschrieb und Washington um Hilfe bat. Es ging um die Forderung Frankreichs, sich einen Teil des liberianischen Territoriums, der an die französischen Kolonialgebiete angrenzte, einzuverleiben. England war nicht bereit, dem Vorgehen der Franzosen tatenlos zuzusehen, und erhob ebenfalls Gebietsansprüche. Lyon schilderte Washington die Situation folgendermaßen: „England on the northwest declares that she has no desire for Liberia's territory, but if French encroachments in the southeast are not checked she will be obliged for national defence to imitate France on the northwest. Liberia is unable to check France and unless the United States interferes the impairment of the indepence of Liberia is inevitable... We must come to the rescue of our people over there. The grasping policy of these nations must be checked if it can."121 Ernest Lyon wurde 1860 in Honduras geboren, migrierte in den frühen siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in die USA und studierte u.a. an der Straight University und der New Orleans University. Er arbeitete anschließend als Pastor der Methodist Episcopal Church in Baltimore und war seit 1901 Professor für Kirchengeschichte am Morgan College. Als Freund Booker T. Washingtons gründete er das Maryland Industrial and Agricultural Institute. Lyon gehörte der Republikanischen Partei an und wurde 1909, auf Fürsprache Washingtons, amerikanischer Generalkonsul in
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Liberia. 1911 kehrte Lyon nach Baltimore zurück und wirkte bis zu seinem Tod 1938 als Pastor der A mes Methodist Episcopal Church. Lyon hatte seit seinem Amtsantritt in Berichten an das Außenministerium die Entsendung von amerikanischen Kriegsschiffen an die liberianische Küste gefordert, um so gegenüber den europäischen Kolonialmächten die Unterstützung Liberias durch die USA zu demonstrieren, doch die Regierung verhielt sich lange Zeit abwartend. Erst als im Sommer 1908 eine Delegation aus Liberia Washington D.C. besuchte und die amerikanische Regierung formell um Unterstützung bei der Sicherung ihrer Grenzen und der Konsolidierung ihres Haushaltes bat, reagierten die USA.122 Booker T. Washington betrachtete das mangelnde Interesse der Regierungskreise am Schicksal der Republik an der westafrikanischen Küste nicht als einseitiges Problem, sondern bemängelte umgekehrt auch, daß Liberia die Kontakte zu den USA nicht ausreichend gepflegt habe. Im Vorfeld des Besuchs der Delegation aus Liberia kritisierte Washington das Verhalten der Liberianer in einem vertraulichen Brief an Lyon: „If you will permit me to say rather frankly, it is my opinion that Liberia has made a mistake in the last few years in not cultivating the good will of the people in America. The fact is, Americans have in a large degree forgotten Liberia. They are interested in Liberia, but their interest must be kept awake and alive in some way. I very much fear that Liberia has drifted too much toward other countries and not kept alive the original and historic attachment between America and Liberia that it should have done."123 Washingtons Einschätzung der Ameriko-Liberianer spiegelte das ambivalente Verhältnis vieler African Americans zu Liberia wider. Das Schicksal der Republik in Westafrika berührte und löste Betroffenheit aus, aber das angebliche Unvermögen der afroamerikanischen Siedler, die gesellschaftlichen und ökonomischen Probleme zu bewältigen, stieß auch auf Unverständnis und verstärkte das rassistische Vorurteil der „Unzulänglichkeit und Unfähigkeit aller Menschen afrikanischer Herkunft". 1908 rief Roosevelt die Liberia Commission ins Leben, die die Lage in Liberia vor Ort recherchieren sollte, um dann der amerikanischen Regierung Vorschläge zum weiteren politischen Vorgehen zu unterbreiten. Die Kommission brach im Sommer 1909 nach Afrika auf, jedoch ohne Washington, der sich entschlossen hatte, in den USA zu bleiben, um dem neuen Präsidenten William Howard Taft bei der Übernahme der Amtsgeschäfte zur Seite zu stehen.124 Als Washingtons Vertreter fungierte sein Vertrauter Emmett Jay Scott.125 Wie viele Afroamerikaner war Scott der Überzeugung, „...that the United States alone could save the Liberian Republic."126 Bis zum Jahr 1911 konnte die Gefahr einer Annektierung Liberias durch England, Frankreich und Deutschland gebannt werden. Die USA übernahmen die Finanzhoheit, kontrollierten die Grenzen und machten Liberia faktisch zu einem US-
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amerikanischen Protektorat. Die Europäer erhielten im Gegenzug großzügige Handelskonzessionen und konnten sich ihre früheren Annexionen von liberianischem Territorium einverleiben.127 In Abstimmung mit den Europäern organisierte die amerikanische Regierung ein Kreditabkommen zwischen den USA und einer Gruppe ausländischer Banken. Der Kredit in Höhe von 1,7 Millionen Dollar mit einer Laufzeit von 40 Jahren und einem Zinssatz von fünf Prozent diente in erster Linie dazu, den britischen Kredit von 1906 abzulösen. Zur Sicherstellung der liberianischen RückZahlungsfähigkeit wurde eine Gruppe von europäischen Verwaltern eingesetzt, die unter Leitung eines general receiver aus den USA agierten. Der Protektorats-Status Liberias gegenüber den USA fand unter den Amerikanern allgemeine Zustimmung. Washingtons inoffizielle Diplomatie, sein Geschick und seine Geduld bei den Vorverhandlungen brachten ihm viel Anerkennung ein. Er hatte dazu beigetragen, daß Liberia nicht zum Spielball der europäischen Kolonialmächte wurde, ohne jedoch damit die tiefgreifenden Probleme der Republik dauerhaft zu lösen. Liberia sah sich gezwungen, in den folgenden Jahren weitere Kredite aufzunehmen, die das Land immer stärker in die Verschuldung trieben. Washington sah die prekären wirtschaftlichen Folgen dieser Politik und ermutigte deshalb Investitionen von afroamerikanischem Kapital in Liberia. Doch sein Vertrauen in die ökonomischen Überlebenschancen von Unternehmungen wie der Liberian-American Produce Company war nur gering. Er vermied es, in die Gesellschaft zu investieren und lehnte es ab, seinen Namen für eine Werbekampagne der Firma zur Verfügung zu stellen. Washington engagierte sich auch in Südafrika und schlug Ausbildungsprogramme für den Oranjefreistaat und Transvaal vor. Obwohl die südafrikanische Regierung seine Empfehlungen in bezug auf eine industrial education nicht aufnahm, standen einige weiße Südafrikaner seinem Ausbildungsmodell sehr aufgeschlossen gegenüber. John X. Merriman, ein liberaler Politiker aus der Kapregion und von 1908 bis 1910 Premierminister am Kap, war ein Bewunderer Washingtons. „And with regard to Coloured education - read Booker Washington. Working with the hands - it is a revelation of the true lines our efforts should take." 128 Viele schwarze Südafrikaner sahen in der industrial education ein attraktives Ausbildungsmodell. Die Anfragen an Booker T. Washington zum Hampton-Tuskegee Konzept aus Südafrika belegen das Interesse für diese Form der Ausbildung. Der Wunsch, in Tuskegee studieren zu können, war ebenso groß wie die Bitte um finanzielle Unterstützung beim Aufbau eines Tuskegee in Südafrika. Der folgende Brief von P.J. Mzimba aus Alice in der Kapregion illustriert das Bedürfnis nach Ausbildung und das große Vertrauen, das viele Afrikaner in Washington setzten: ,Jn South Africa there are many young people who are anxious for education but have not means to pay for college training but who would be thankful to
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learn a trade and be able to receive higher education as well. We would be very much obliged to you, if you could fully and even to the smallest particulars inform about your noble Institution and the conditions which would be required from such young men and women. The sons of Africa are crying to the Africans in America, ,come over help us'. We have about 12 young men and 6 young women anxious to go at once."129 Im Auftrag einer Reihe von jungen Südafrikanern bat John Merriman Washington um Informationen über ein Studium in Tuskegee und äußerte Interesse an afroamerikanischen Lehrern und Lehrerinnen für Südafrika. Washington schickte daraufhin eine Broschüre über Tuskegee und verwies auf die Bereitschaft seines Institutes, weiterhin afrikanische Studenten aufzunehmen. Allerdings sah er keine Chance für die Entsendung von Lehrpersonal. „I do not know of any of our graduates who would care to go to South Africa to teach school. The fact that they are able to find profitable and satisfactory employment here at home as soon as they finish their courses keeps our graduates from seeking employment in foreign fields similar to that they find to do here."130 Unter den zahlreichen Südafrikanern, die in den USA studierten, eiferte John Langalibalele Dube am stärksten Washington nach. Dube wurde 1871 geboren und stammte aus einer christlichen Zulu-Familie in Natal, die über gute Beziehungen zum American Boardfor Foreign Missions verfugte. Er besuchte von 1888 bis 1890 einen Vorbereitungskurs am Oberlin College und kehrte anschließend nach Südafrika zurück. Seine Annährung an Washington begann bei seinem zweiten Besuch in den USA 1897, als Dube Hampton und Tuskegee besuchte und persönlich mit Washington zusammentraf. Er studierte am Union Missionary Training Institute in Brooklyn, New York, und ging als ordinierter Pastor in seine Heimat zurück. Nach seiner Rückkehr blieb Dube Washington eng verbunden und gründete 1901, trotz massiven Widerstandes von weißer Seite, die Zulu Christian Industrial School in Ohlange, Natal. Er unternahm drei weitere Reisen in die USA (1904-1905, 1910 und 1926-1927), um für seine Schule finanzielle Mittel zu aquirieren. Die Gruppe der amerikanischen philanthropischen Einrichtungen, die Tuskegee unterstützten, zeigte sich auch in bezug auf Ohlange großzügig. Als Dube Washington 1897 kennenlernte, war dieser auf dem Höhepunkt seiner Macht, und der junge Mann aus Natal blickte voller Bewunderung auf den „wizard of Tuskegee": „And Booker T. Washington is to be my guiding star - (would that he were nigh to give us help of his wise counsel!). I have chosen this great man, firstly, because he is perhaps the most famous and best living example of our Africa's sons; and, secondly, because like him, I, too, have my heart centered mainly in the education of my race. Therein, me thinks, lies the shortest and best way to their mental, moral, material, social and politcal betterment."131
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Bereits während seiner Schulzeit in den achtziger Jahren auf einer Missionsschule der American Zulu Mission in Amanzimtoti, Natal, war Dube mit den Prinzipien der industrial education vertraut gemacht worden. 132 Vorbild für sein Ohlange Institute war jedoch Washingtons Modell der industrial education, und dementsprechend formulierte er die Zielsetzungen seiner Schule: „The aim of The Ohlange Native Industrial Institution is to give Zulu boys and girls ... a Christian industrial training ... to form them into good and useful citizens of the British Colony in which we live... In Natal, as no doubt elsewhere, we may divide labour and labourers into two classes - the skilled and the unskilled. To enter the class of skilled labour is in our Colony, the prerogative of the White man... We wish to be trained and be intelligent .unskilled labourers', in the house, store, workshop and farm - useful servants and assistants, small jobbers and peasant farmers."133 John Dube avancierte zum „Booker T. Washington of South Africa" 134 , doch wie Shula Marks gezeigt hat, entfernte er sich später vom Tuskegee-Modell und förderte in Ohlange nicht länger nur die praktische und landwirtschaftliche Ausbildung, sondern erweiterte das Curriculum u.a. um Kurse in Sozialwissenschaften, Literatur, Musik und afrikanische Sprachen.135 Auch politisch ging John Dube eigene Wege, nachdem er 1912 zum Präsidenten des South African Native Congress gewählt wurde.136 Washingtons schillernde Persönlichkeit hat Anlaß zu sehr unterschiedlichen Interpretationen und Einschätzungen seines Wirkens und seiner Bedeutung für die Beziehungen Afroamerikas zu Afrika gegeben. Die afroamerikanische Literatur der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts stilisierte ihn trotz seiner Nähe zu den weißen Amerikanern zum Pan-Afrikanisten und Wegbereiter für die schwarzen nationalistischen Bewegungen von Marcus Garvey und Elijah Muhammad.137 Doch Washington engagierte sich nicht aktiv für die pan-afrikanischen Bewegung, die für ihn viel zu sehr mit seinem Rivalen W.E.B. Du Bois verbunden war. So zeigte er Interesse für die African Association des Rechtsanwalts Henry Sylvester Williams und unterstützte dessen Initiative zur Ausrichtung des ersten Pan-African Congress in London 1900, lehnte es aber ab, persönlich daran teilzunehmen.138 David Levering Lewis interpretiert Washingtons Engagement für den Pan-African Congress ganz im Sinne der Gegner des „wizard of Tuskegee" um W.E.B. Du Bois: „Williams' African Association intrigued the Wizard enough to make him attend one of its meetings and even to agree to sponsor a proposed Pan-African Congress in London the next year. He declined to be present himself. Washington felt about as much need for solidarity as did the explorer Stanley (who once explained to a like-minded Wizard that African-American emigration to Africa was impracticable), but Washington was sure that the more black peo-
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pie in America learned about European treatment of Africans, the more tolerable the conditions in the South would seem to them."139 Washington reiste mehrmals nach Europa und warb dort nicht nur um Unterstützung für sein Institut, sondern setzte sich auch für den Ausbau des Schulwesens in den europäischen Kolonien in Afrika ein. Vierzehn Jahre nach seinem Tod wurde 1929 in Liberia das Booker T. Washington Institute, ein „Tuskegee in Africa", gegründet.140 Die Initiative zu dieser Bildungseinrichtung ging 1910 von Olivia Egleston Phelps-Stokes aus. In einem Brief von 1910 an Washington und ihren Neffen Anson Phelps-Stokes äußerte sie diesen Wunsch und stellte SO 000 Dollar dafür zur Verfugung.141 Washington schlug daraufhin vor, zuerst fünf liberianische Studenten in Tuskegee auszubilden, die dann gut vorbereitet in ihre Heimat zurückkehren sollten. „... we feel", so Washington, „that the five students returned there from here thoroughly indoctrinated with the idea of industrial education would itself prove such a power that it would give the school an impetus which would make it go."142 Dem Booker T. Washington Institute in Liberia war lange Zeit kein großer Erfolg beschieden. African Americans wie Benjamin Brawley, die als Lehrpersonen gewonnen werden konnten, wendeten sich desillusioniert von ihren Posten ab: Brawley verließ Liberia mit seiner Frau bereits nach drei Monaten wieder. Er hatte eine angemessene Unterkunft, akzeptable Unterrichtsbedingungen und vor allem Respekt für seine wissenschaftliche Arbeit erwartet. Doch der Standard des Instituts entsprach nicht dem eines College, wie Brawley erwartet hatte. Die Mehrheit der Studenten benötigte erst einmal eine Grundschulausbildung, und der Ausbildungsstand der Lehrpersonen lag kaum über dem der Studierenden. Brawley war ein anerkannter Historiker, Professor für Englisch und Mann der Kirche. Er hatte am Morehouse College, an der University of Chicago und in Harvard studiert und zahlreiche Aufsätze und Bücher publiziert. Seine Kontakte zu den Ameriko-Liberianern, die sich Besuchern gegenüber distanziert und bisweilen arrogant verhielten und sich jegliche Einmischung von amerikanischer Seite verbaten, gestalteten sich schwierig. Brawley charakterisierte die Ameriko-Liberianer als „a combination of conservatism, aloofness, and self-satisfaction."143 Ähnlich negative Erfahrungen mit den gesellschaftlichen Bedingungen und der Vorherrschaft der Ameriko-Liberianer hatte T. McCants Stewart 35 Jahre vor Brawley gemacht. Nach unüberbrückbaren Meinungsverschiedenenheiten mit dem Präsidenten des Liberia College, Edward Blyden, über die politische Ausrichtung und das Curriculum des Colleges kehrte Stewart nach zwei Jahren 1885 in die USA zurück.144 Die Tatsache, daß das Booker T. Washington Institute vom Phelps-Stokes Fund abhängig war, trug zum Mißtrauen und Desinteresse der Ameriko-Liberianer bezüglich der Einrichtung in Kakata nordöstlich von Monrovia bei. Dieser Standort am Rande einer Kautschukplantage des amerikanischen Gummikonzerns Firestone war
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bewußt von einer Gruppe philanthropischer Gesellschaften in den USA gewählt worden.145 Die Hauptaufgabe des Booker T. Washington Institutes bestand in der Ausbildung von indigenen Arbeitskräften für die Plantage der Harvey Firestone Rubber Corporation, die seit 1925 durch die Vergabe eines Kredits in Höhe von fünf Millionen Dollar großen Einfluß auf die liberianische Wirtschaft ausübte.146
Afroamerikanische Handelsgesellschaften in Afrika Wirtschaftliche Aspekte bestimmten zu einem erheblichen Teil die Beziehungen zwischen Afroamerika und dem afrikanischen Kontinent. Zu den frühen Protagonisten, die neben dem afroamerikanischen „Zivilisationsauftrag" auch das wirtschaftliche Potential Afrikas als Anbaugebiet wie auch als Absatzmarkt betonten, zählten neben Paul Cuffe vor allem Henry Highland Garnet und Martin Robison Delany. Delanys Niger Valley Exploring Party147 verfolgte ebenso wie Garnets African Civilization Society, die bereits 1848 gegründet worden war, auch eindeutig wirtschaftliche Ziele. Im Mittelpunkt stand bei beiden Unternehmungen die Suche nach einer geeigneten Region in Afrika für die Produktion und die Vermarktung von Baumwolle.148 Garnet und Delany konzentrierten ihre Bemühungen auf das Niger Valley im heutigen Nigeria. Die African Civilization Society verfolgte auch missionarische Ziele und sah sich als Vertreterin der afroamerikanischen Kirchen. Sie rief zur Gründung von „Christian industrial settlements in Yoruba, west of the Niger, and near its banks, in a fertile, healthy and attractive region" auf.149 Delany, der zusammen mit dem Jamaikaner Robert Campbell 1859 das Yorubagebiet bereiste, vertrat langfristig ähnliche Ziele wie Garnet. Auf dieser Reise ging es jedoch zunächst darum, eine topografische, geologische und geografische Erforschung des Gebiets sowie eine Untersuchung der dort lebenden Bevölkerung vorzunehmen. Delany und Campbell schlössen Verträge mit lokalen Autoritäten wie dem König der Egba. Ziel der Verträge war es in erster Linie, den African Americans z.B. im Gebiet von Abeokuta Siedlungsrechte zu sichern: „... the right and privilege of settling in common with the Egba people, on any part of the territory belonging to Abeokuta, not otherwise occupied."150 Der Bürgerkrieg in den USA und die Kriege um Ibadan seit I860151 verhinderten eine Realisierung der weit gefaßten Pläne Delanys. Auch Garnet scheiterte an der unsicheren Lage im Yorubagebiet. In den USA stießen Garnets und Delanys Ideen von industriellen Siedlungen im Niger Valley auf weitgehendes Unverständnis und wurden nicht ernst genommen. Garnet verließ 1862 die African Civilization Society. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand Liberia im Mittelpunkt der afroamerikanischen Wirtschaftsaktivitäten in Afrika, wobei es in erster Linie um die
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Schaffung bzw. den Ausbau von Handelsbeziehungen ging. Allerdings zeigen die Wirtschaftsstatistiken, daß der Handel zwischen den USA und Liberia für beide Länder nicht Priorität besaß. Für die Entwicklung des amerikanischen Handelsvolumens spielte der Liberiahandel keine Rolle. In Liberia richteten sich die Handelsbeziehungen immer stärker auf Großbritannien und Deutschland aus.152 Konsul Smyth beschreibt in seinem Trade Report für das Jahr 1885 die deutsche und englische Konkurrenz im amerikanischen Liberiahandel. Fünf deutsche Dampfschiffe befahren regelmäßig die westafrikanische Küste von Liberia bis Gabun. Smyth merkte an, daß ein Teil der amerikanischen Produkte nicht länger direkt von New York nach Liberia verschifft wurde, sondern über Hamburg nach Westafrika gelangte und dann von deutschen Händlern vermarktet wurde. Als Grund nannte Symth die deutlich günstigeren Frachtraten. Symth bat das State Department inständig, einen regelmäßigen Dampfschiffsverkehr zwischen New York und der westafrikanischen Küste einzurichten. Er pries nicht nur das große zukünftige wirtschaftliche Potential des afrikanischen Kontinents, sondern verwies ebenso auf Afrikas glorreiche Vergangenheit und seinen Beitrag zur europäischen Kultur: „Yet when one recalls the millions that have been fed from the bosom of Africa, and the millions that are being by her sustained, the glories of ancient Egypt, the regal magnificence of lost Carthage, and the strength that was given the war sinews of Rome and Greece, and the unprecedented excellences in the fine arts to which these two European states were raised through their conquests and retained possessions in Africa, much may be looked for from this mysterious land and these no less mysterious races which inhabit it, under the influence of an enlightened jus gentium, and the almost universal influences of Christianity."153 Smyth beendete seinen Bericht mit einem Appell an die amerikanische Wirtschaft, eigene Handelshäuser in Westafrika zu gründen und die Transportverbindungen zu verbessern. Smyth beschränkte sich aber nicht auf den kommerziellen Bereich, sondern forderte eine allgegenwärtige Präsenz der USA in Afrika: „All American enterprises in Liberia or other portions of Africa, to be successes, whether commercial, religious, educational, or industrial, must be under the control and supervision of Americans.154 African Americans sahen Liberia als ökonomische Nische, die vom weißen Amerika wegen der geringen Profite u.a. als Folge von unregelmäßigen Schiffsverbindungen und instabilen Ernteerträgen zu Gunsten der attraktiveren Märkte in Lateinamerika vernachlässigt wurde. Die ameriko-liberianische Führungsschicht hingegen fürchtete die starke wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA und die Einmischung der Afroamerikaner in die innerpolitischen Angelegenheiten ihrer Republik. Sie bevorzugte deshalb eine Ausweitung der Wirtschaftskontakte zu Europa, konnte aber auf Grund der schlechten ökonomischen Verhältnisse auf afroamerikanische
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Geschäftsleute nicht verzichten. Auch die zahlreichen afroamerikanischen Gründungen von Handelsfirmen und Schifffahrtslinien konnten diesen Trend nicht positiv beeinflussen. Bereits 1838 war die American Free Produce Association von den Abolitionisten Henry H. Gamet, Gerrit Smith und Lewis Tappan ins Leben gerufen worden. Die Gesellschaft rief zum Boykott von Waren wie Zucker und Baumwolle auf, die durch Sklavenarbeit in den Südstaaten produziert wurden. Ihr Ziel war u.a. die Unterstützung der Produktion von „free-labor African cotton", z.B. in Liberia. Die American Free Produce Association konnte trotz Unterstützung von Seiten der American Colonization Society und deren Nachfolgerin, der African Civilization Society, keine wirtschaftlichen Erfolge erzielen. Garnets Vorstellungen von Afroamerikanern als prosperierende Baumwollhändler und Geschäftsleute mit Firmenniederlassungen an der westafrikanischen Küste ließen sich nicht verwirklichen. Zahlreiche Handelsgesellschaften, die Verbindungen mit dem afrikanischen Kontinent anstrebten, wurden seit Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet. Sie entstanden auf Initiative von African Americans, jedoch nicht selten mit finanzieller Unterstützung von weißer Seite. Die Existenz dieser Unternehmen war meist nur von kurzer Dauer. Hauptgründe fur das Scheitern waren unzureichende finanzielle Mittel und schlechtes Management. 1845 kam es in Baltimore zur Gründung der Chesapeake and Liberia Trading Company, einer semi-philantropischen Unternehmung. Sie konnte wegen Kapitalmangels nur in unregelmäßigen Abständen Fahrten nach Liberia durchführen, und die Zerstörung des einzigen Schiffes besiegelte 1853 ihr Ende. Die African Development Society von 1899 hatte den Ankauf von Land für die Ansiedlung von Afroamerikanern im Osten Zentralafrikas zum Ziel. Um die Jahrhundertwende entstanden immer wieder neue Handelsgesellschaften, die hauptsächlich Geschäftsbeziehungen zu Liberia anstrebten. Sie alle litten unter den unzureichenden Transportverbindungen, die bereits Konsul Smyth als entscheidendes Hemmnis für den Ausbau von Handelsbeziehungen zwischen USA und Westafrika angeführt hatte. Zwei weitere Firmengründungen folgten, über deren weiteres Schicksal nichts bekannt ist: Die African Trading Company von 1904 und die Libericm Development Association for Progressive Emigration of the American Negro, the Economic, Industrial and Social Improvement of Liberia and the Cultivation of the Hinterland von 1907. Die New York and Liberia Steamship Company verfolgte ehrgeizige Pläne. Nach eigenen Informationen besaß sie ein Grundkapital von $50 000 und bot Afroamerikanern Anteile in Höhe von je $5 an. Ziel der Gesellschaft war der Ausbau des Westafrikahandels, der neben Liberia auch Senegal, Gambia, Sierra Leone, die Goldküste und die Kapverdischen Inseln einschloß. In großen Anzeigen in der afroamerikanischen Presse, z.B. im Colored American und Colored American Magazine, behauptete die Gesellschaft, sie verfüge über Zusagen von amerikanischen Produzenten für eine große Fracht Tabak, die nach Westafrika
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transportiert werden sollte. Sie versprach weiterhin, die Reisezeit nach Liberia von 35 Tagen auf 15 zu reduzieren und die Kosten für Palmöl und Kokosöl zu senken. Der liberianische Präsident Barclay begrüßte die Absichten der Handelfirma. Doch die Ziele waren zu hoch gesteckt. Bereits 1904 mußte die New York and Liberia Steamship Company ihren Bankrott erklären. Ähnlich ambitioniert war auch die in Arizona registrierte Ethiopian American Steamship Freight and Passenger Colonization Company, die angeblich über ein Kapital von $ 500 000 verfügte. Die Steamship Company plante einen regelmäßigen Fracht- und Personenverkehr zwischen Kalifornien und Liberia. Der Ausbau des Straßennetzes in Liberia und die Übersiedlung von 100 000 African Americans, die dort dringend benötigt würden, wurden angekündigt. Man setzte große Hoffnungen in die Unterstützung der Gesellschaft durch Booker T. Washington, der sich allerdings zurückhaltend verhielt.15S Hintergrund fUr die zahlreichen Firmengründungen um die Jahrhundertwende war die prekäre wirtschaftliche Lage der Afroamerikaner in den USA. Investitionen in dubiose Handelsfirmen stellten verzweifelte Versuche dar, im Außenhandel ökonomische Erfolge zu erzielen. Sie versprachen nicht nur eigene wirtschaftliche Gewinne, sondern kamen auch dem Bedürfnis entgegen, in den Beziehungen zum afrikanischen Kontinent eine dominante Rolle als Anteilseigner an einer Handelsgesellschaft zu übernehmen. Die Pläne der Gesellschaften sahen auch die Ansiedlung von African Americans in Afrika vor, die dann in leitender Funktion vor Ort die Geschäfte führen und die Afrikaner mit den westlichen Vermarktungsmethoden vertraut machen sollten. Nur in wenigen Fällen verbanden die Unternehmen, die sich als rein kommerzielle Unternehmen verstanden, ihre Aktivitäten mit einem missionarischen Anspruch. 156 Es muß allerdings eingeräumt werden, daß keine der Wirtschafts- und Handelsaktivitäten von Erfolg gekrönt war. Die Unternehmungen scheiterten entweder bereits im Vorfeld als Folge einer zu dünnen Kapitaldeckung oder es wurden ihnen zu viele administrative Stolpersteine in den Weg gelegt. Die amerikanischen Behörden verzögerten oder verweigerten z.B. die Eintragung in das Handelsregister, oder die europäischen Kolonialmächte unterbanden durch verschiedene Restriktionen die Aktivitäten der Afroamerikaner in Afrika. Dies galt auch für die von Alfred Charles Sam gegründete Akim Trading Company. Sam wurde 1881 im heutigen Ghana geboren und hatte für einige Zeit die Schule der Baseler Mission in Kibi besucht. Er bezeichnete sich selbst als „Gold Coast Chief und behauptete, sein Großvater sei das Oberhaupt von Obosse und Appasu in West Akim in der Gold Coast gewesen.157 Nach einigen Jahren im Kautschukhandel reiste er 1911 in die USA und gründete noch im selben Jahr gemeinsam mit afroamerikanischen Gesellschaftern in New York die Akim Trading Company. Ziel war es, durch die Ansiedlung afroamerikanischer Bauern und Handwerker Westafrika industriell zu erschließen und ein
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Handelsnetzwerk zwischen den USA und Afrika aufzubauen. Nach Schwierigkeiten mit den Teilhabern und finanziellen Unstimmigkeiten verließ „Chief Sam", wie er inzwischen genannt wurde, die Gesellschaft und gründete die Akim Trading Company Ltd., die im Handelsregister von South Dakota eingetragen war. Die Firma war ausschließlich unter afrikanisch-afroamerikanischer Kontrolle und plante: „...to open up the trade between West Africa on the one hand and Europe and America on the other; to develop Africa industrially for Africa and the world; encourage the emigration of the best Negro fanners and mechanics from the United States to different sections in West Africa, so that the knowledge of practical and modern agriculture may be quickened by contact with natives; develop mining and banking in West Africa, build and purchase ships and boats for transportation and dredging; establish schools and colleges along modern lines, and undertake all interests that relate to economic independence."158 Sams Kontakt mit Dr. P. J. Dorman und Professor J. P. Liddell, zwei African Americans von zweifelhaftem Ruf, brachte ihn 1913 nach Oklahoma. In Oklahoma entwickelte sich aus der Akim Trading Company eine Back-to-Africa-Bewegung, deren Anhänger in Oklahoma, Texas und Arkansas Anteile an der Akim Trading Company erwarben. Sams Plan war einfach: Die Gesellschaft sollte sich auf den Handel konzentrieren. Die Schiffe, die noch gekauft werden mußten, sollten neben der Fracht auch eine begrenzte Anzahl von künftigen Siedlern an Bord nehmen. Gegen einen Beitrag für die Transportkosten erhielt jeder Anteilseigner die Berechtigung zur Überfahrt nach Afrika. Sam schilderte das Leben an der Goldküste in den leuchtendsten Farben. Die Emigranten aus Amerika würden in Sams Ethnie aufgenommen und könnten dann alle lokalen Landrechte in Anspruch nehmen und unbehelligt ihren Geschäften nachgehen. Kritiker wie der amerikanische Konsul in Monrovia Ernest Lyon warnten davor, es gäbe außer Liberia kein Land in Afrika, das afroamerikanische Emigranten aufnehmen würde.159 Trotz zahlreicher negativer Berichte, auch in der afroamerikanishen Presse, waren schon bald 5.000 Anteilseigner bereit, die Ausreise zu wagen. An Bord eines alten Schiffes, das nicht über eine entsprechende technische Ausstattung für die Atlantiküberquerung verfügte, erreichte schießlich im Januar 1915 eine Gruppe von 60 African Americans die Goldküste. Die britische Kolonialverwaltung, die vergeblich versucht hatte, die Ankunft der Afroamerikaner zu verhindern, verlangte die Hinterlegung einer Kaution für jeden Einreisenden und begrenzte ihre wirtschaftlichen Aktivitäten.160 „Chief Sam" stellte das Geld zur Verfügung, überließ danach aber die Neuankömmlinge weitgehend sich selbst. Konflikte mit der indigenen Bevölkerung, die nur bedingt bereit war, ihr Land mit den Afroamerikanern zu teilen, Geldknappheit und Krankheiten desillusionierten die Auswanderer und veranlaßten viele, nach Amerika zurückzukehren.161
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1913 trat die African Union Company (AUC) auf den Plan, die den Handel mit afrikanischen Produkten und Handelstransaktionen zwischen Afrika und dem Weltmarkt im Visier hatte. Darüber hinaus war die Einrichtung einer industriell school in Afrika und die allgemeine Unterstützung des afrikanischen Kontinents und seiner Bewohner geplant. Präsident und Manager war C. W. Chapelle. Ihm stand ein board of directors zur Seite, dem neben einer Reihe afrikanischer Autoritäten auch Emmett J. Scott, der Sekretär Booker T. Washingtons, angehörte. Die AUC war in New York mit einem Vermögen von $ 500.000 registriert. Anteile im Wert von $ 25 wurden in den USA und in Afrika verkauft. Angeblich hatten afrikanische Herrscher, deren Identität nicht festgestellt werden konnte, in Anteile der AUC investiert. Die Gesellschaft verfugte angeblich über Vorkommen an Bauholz, Palmölplantagen, Goldminen sowie über Werkzeuge, die für die landwirtschaftliche Ausbildung zur Verfugung gestellt werden sollten. Einzelheiten über die tatsächlichen Aktivitäten der AUC bleiben im Dunkeln. Es ist unklar, in welchen Teilen Afrikas die AUC tätig war. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat der Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Konkretisierung der Pläne zunichte gemacht. Es liegt die Vermutung nahe, daß es sich bei der Gesellschaft um ein Betrugsunternehmen handelte.162 Die Geschichte der afroamerikanischen Handelsunternehmungen mit Afrika im 19. und frühen 20. Jahrhundert war gekennzeichnet von Mißerfolgen, die dazu beitrugen, daß die African Americans ihre wirtschaftlichen Erfolge trotz beträchtlicher Hemmnisse und Entmutigungen in den USA und nicht auf dem Kontinent ihrer Vorfahren zu realisieren suchten. Afroamerikaner, die Beziehungen zu Afrika aufbauen wollten, wendeten sich mehrheitlich an kirchliche Einrichtungen, deren Afrikaverbindungen als seriöser und erfolgversprechender eingestuft wurden. Bis weit in das 19. Jahrhunderts hinein waren Afroamerikaner allerdings in den meisten Fällen gezwungen, im Auftrag von weißen Missionsgesellschaften Dienst auf dem afrikanischen Kontinent zu leisten.
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Erste Zeile des berühmten Gedichts von Rudyard Kipling „The White Man's Burden", das erstmals im Februar 1899 in McClure 's Magazine erschien. Peter Schraeder, United States Foreign Policy Toward Africa: Incrementalism, Crisis and Change. Cambridge 1994: 3. Siehe David F. Healy, US Expansionism. The Imperialist Urge in the 1890s. Madison etal. 1970. Die Literatur zur Historiografie ist ausufernd und kann hier weder rezipiert noch im einzelnen aufgeführt werden. Einen guten Überblick zur Debatte gibt Hugh de Santis, The Imperialist Impulse and American Innocence, 1865-1900. In: Gerald K. Haines/J. Samuel Walker (Hg.),
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American Foreign Relations. A Historiographical Review. Westport, CT 1981:271-291. Zit. in. Jason H. Silverman, American History Before 1877. New York et.al. 1989: 270. David M. Pletcher, The Awkward Years. American Foreign Relations under Garfield and Arthur, 1881-1885. Columbia, MO 1962: xi. Walter LaFeber, A New Empire. An Interpretation of American Expansion, 1860-1898. Ithaca 1963: vii. Lawrence S. Little, A Quest for Self-Determination. The AME Church During the Age of Imperialism, 1884-1916. Ph D. Thesis, Ohio State University 1993. Vgl. dazu auch Healy (1970): 36ff, dereinen ähnlichen Standpunkt vertritt. Diese Ideologie wurde auch sehr häufig und von den Briten in bezug auf Indien angewendet. Rubin Francis Weston, Racism in U.S. Imperialism. The Influence of Racial Assumptions on American Foreign Policy, 1893-1946, Columbia, SC 1972: 6. Ebenda: 6f. Siehe hierzu John Garraty, der bereits in den 1960er Jahren betonte: „...economic factors exerted at most a peripheral influence on the formulation of poliy." John Garraty, The New Commonwealth, 1877-1890. New York/Evanston/London 1968: 282, Fußnote 41. Siehe hierzu Kapitel 5. David M. Pletcher, Rhetoric and Results: A Pragmatic View of American Economic Expareionism, 1865-1898. In. Diplomatic History 5 (1981): 103-104. Pletcher bezieht sich in seiner Aussage auf Williams und LaFeber. William Appleman Williams, The Roots of Modem American Empire. New York 1969 und. LaFeber (1963). Einige Historiker vertraten die Ansicht, im Gilded Age läge die Wurzel des American Empire. Die Periode von Rutherford Hayes bis William McKinley könne man demnach nicht nur als lethargisch beschreiben, vielmehr seien bereits seit der Depression von 1873 Anstrengungen unternommen worden, um wirtschaftliche Überschösse auf dem internationalen Markt, in erster Linie in Europa, abzusetzen. Alfred Thayer Mahan, The Influence of Sea Power upon History 1889. Zur Debatte über die Zukunft der Marine Ende des 19. Jahrhunderts siehe Kenneth J. Hagan, American Gunboat Diplomacy and the Old Navy, 1877-1889, Westport, CT/London 1973. John Hope Franklin/Alfred A. Moss Jr., From Slavery to Freedom. A History of African Americans, New York 1988 (1. Aufl. 1947): 277. Adebayo Oyebade, Feeding America's War Machine: The United States Economic Expansion in West Africa During World War II. In: African Economic History 26 (1998): 119. James Farr, A Slow Boat to Nowhere: The Multi-Racial Crews of the American Whaling Industry. In: Journal of Negro History 68 (1983) 2: 159-170. Neben Afrikanern gehörten auch Afroamerikaner zu den Besatzungen der Walfangschiffe. Im Gegensatz zum nun als illegitim bezeichneten Sklavenhandel, der u.a. weiterhin von Brasilien und Kuba aufrecht erhalten wurde. George Brooks hat die Geschichte der amerikanischen Handelsbeziehungen zu Westafrika sehr detailliert dokumentiert und statistisch belegt. Die Arbeit stammt von 1970 ist aber bis heute die umfassendste Abhandlung für das 19. Jahrhundert. George E. Brooks, Jr., Yankee Traders, Old Coasters and African Middlemen. A History of American Legitimate Trade with West Africa in the Nineteenth Century. Boston 1970. Siehe auch Clarence Clendenen/Robert Collins/Peter Duignan, Americans in Africa, 1865-1900. Hoover Institution Studies 17. Stanford 1966 und Peter Duignan/L.H.Gann, The United States and Africa. London et al 1984 Oyebade (1998): 120. In Westafrika fanden amerikanische Baumwolltuche hingegen kaum Abnehmer, da sie weder in Farbe, Design noch Stoffgröße den Geschmack der westafrikanischen Kunden treffen konnten. Siehe Brooks (1970): 90, Fußnote 21. Zu Sansibar siehe Edward W. Chester, Clash of Titans: Africa and US Foreign Policy. New York 1974: 55; 135f; Peter Duignan/L.H.Gann (1984): 140ff, und Norman Robert Bennett, Americans in Zanzibar, 1825-1845. In: Essex Institue Historical Collections 95 (1959): 240. Ausführlich zu Sansibar: Duignan/ Gann (1984). 140ff; Chester (1974): 55f. und 135ff.
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Brooks (1970): 6. Die Zahlen stammen aus Bureau of Census, Statistical Abstract of the United States. Washington: U.S. Government Printing Office 1947. Siehe E.J. Alagoa, Preliminary Inventory of the Records of the United States Diplomatic and Consular Posts in West Africa, 1856-1935. In: Journal of the Historical Society of Nigeria 2 (Dez. 1960) 1: 78-104. Vor 1862 waren 25 Konsuln und Handelsagenten in Afrika tätig. Die Vertretung in Sierra Leone wurde 1858 gegründet. Nach ihrer Schließung 1915 übernahm das Konsulat in Dakar ihren Aufgabenbereich. Der Aktenbestand der Konsulate befindet sich in den National Archives, College Park, Maryland, Record Group 84, Records of the Foreign Service Posts of the Department of State. Zur Rolle der Afroamerikaner im Konsulatsdienst siehe Kapitel 3. Siehe Exporte Liberia (1859-1926) in: Robert Kappel, Ökonomie, Klassen und Staat in Liberia. Entwicklung gesellschaftlicher Widersprüche im peripheren Kapitalismus während des 19. und 20. Jahrhunderts. Frankfurt/M. 1982: 142. Siehe Robert W. Shufeldt Papers, Liberary of Congress, Manuscript Collection, Washington, D.C.und Hagan (1973): 60ff. Eine ausfuhrliche Darstellung der Entwicklung des liberianischen Küstenhandels in Dwight N. Syfert, The Liberian Coasting Trade, 1822-1900. In: Journal of African History 18 (1977) 2: 217-235. Zur liberianischen Wirtschaftsgeschichte im 19. Jahrhundert siehe Monday B. Akpan, The Liberian Economy in the Nineteenth Century: the State of Agriculture and Commerce. In: Liberian Studies Journal 6 (1975) 1: 1-24, und ders., The Liberian Economy in the Nineteenth Century: Government Finances. In: Liberian Studies Journal 6 (1975) 2: 129-161. Zur Statistik vgl. Exports and General Imports by Continents-Percentage Distribution: 1821 to 1949. Statistical Abstracts of the United States, U.S. Department of Commerce, Bureau of Census, Washington, D C . 1950. Brooks (1970): 7. Die Berliner Konferenz und die Rolle der amerikanischen Teilnehmer werden in Kapitel 5 erörtert. Justus D. Doenecke, The Presidencies of James A. Garfield and Chester A. Arthur. Lawrence, Kan. 1981: 55-56. Die folgenden Ausflihrungen beziehen sich vor allem auf die Arbeiten von Doenecke und Pletcher, die zu den wenigen Veröffentlichungen zählen, die für die Periode vorliegen. Doenecke (1981): xii-xiii. Pletcher (1962). Pletcher versucht in seiner Arbeit, dem sich entwickelten Expansionismus unter Gaifield und Arthur nachzugehen, ihn mit politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen innerhalb der USA zu verbinden und die Gründe für sein Scheitern zu erklären. Der Clayton-Bulwer Vertrag war 1850 zwischen den USA und Großbritannien geschlossen worden und sah vor, daß der Bau eines Kanals nur nach gegenseitiger Konsultation gestattet war. Ebenda. Doenecke (1981): 74. Im Gegensatz zu Doenecke und Pletcher kommt u.a. John Dobson zu einer positiveren Einschätzung der Person James G. Blaines. Siehe John M. Dobson, America's Ascent: The United States Becomes A Great Power, 1880-1914. De Kalb, Ill.ess 1981: 27ff. Blaine dachte bereits an Rücktritt, da er selbst fUr das Präsidentenamt kandidieren wollte. Er wurde schließlich als Kandidat aufgestellt, verlor aber die Wahl an den Republikaner Grover Cleveland 1885. Blaine hatte das Amt des Außenminister ein zweites Mal unter Benjamin Harrison ( 1889-1892) inne. Pletcher (1962): xii. Inwieweit Chester Arthurs Außenwirtschaftsinteresse mit seiner früheren Tätigkeit als collector of port im Hafen von New York zusammenhing, ist Spekulation. Garland Downum, The Madagascan Mission to the United States in 1883: Diplomacy and Public Relations. In: Historian 39 (1977): 472-489, und Pletcher (1962): 227ff.. Zur Reise Mason Shufeldts siehe Clendenen/Collins/Duignan (1966): 84f. Mason Shufeldt
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war der Sohn des Marine-Kommandeurs Robert W. Shufeldt, der Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts Erkundungsreisen entlang der westafnkanischen Küste unternommen hatte. Siehe hierzu Kapital 4. LaFeber, The American Search for Opportunity, 1865-1913. In: The Cambridge Histoiy of American Foreign Relations, Vol.II. Cambridge 1993: 83 Robert L. Beisner, From the Old Diplomacy to the New, 1865-1900. Arlington Heights 111 1986: 64. Ebenda. Siehe hierzu Kapitel 4. Pletcher(1962): 219. Ebenda. Russell Warren Howe, Along the African Shore: A Historical Review of Two Centuries of US-African Relations. New York 1967: 275. Zur Debatte um die Berliner Konferenz siehe Kapitel 5. Pletcher (1962): xvi. Ebenda: 356-357. U.S. Congress, Senate, 49th Cong., 1st. Sess, 1886, Senate Executive Document 196: 166. Meist waren sie in untergeordneten Funktionen beschäftigt. Vertrag abgedruckt in Dorothy Sterling, The Making of an Afro-American. Martin Robison Delany, 1812-1885. Garden City, NY 1971: 195. Hierzu wird in Kapitel 4 Stellung genommen. Elliott P. Skinner, African Americans and U.S. Policy Toward Africa, 1850-1924. In Defense of Black Nationality. Washington, D.C. 1992: 95. Siehe Skinner (1992): 14. Zu Smyth siehe unten. Siehe Pletcher (1962). Beispielsweise Richard E. Welch, Response to Imperialism: The United States in the Philippine War, 1899-1902. Chapel Hill, NC 1979. Welch beschäftigt sich in seinem Kapitel „Influence of Racism and the Response of Black America" mit der Thematik. Dies gilt auch für Philip S. Foner, The Spanish-Cuban-American War. New York 1979, und Daniel B. Schirmer, Republic or Empire. Cambridge, Mass. 1972. Siehe auch Stuart C. Miller, Benevolent Assimilation. New Haven 1982. Willard B. Gatewood, Black Americans and the White Man's Burden. Chicago 1975. George P. Marks, The Black Press Views American Imperialism, 1898-1900. New York 1971. Die afroamerikanische Haltung zum europäischen Kolonialismus wird im Zusammenhang mit der Berliner Konferenz analysiert. Skinner (1992): 1. Lawrence S.Little, A Quest for Self-Determination. The AME Church During the Age of Imperialims, 1884-1916. Ph.D.Thesis, Ohio State University 1993: 151. Zit. in: William M. Brewer, John B. Russwurm. In: Journal of Negro History 13 (Oct. 1928): 417. Zu Russwurms Lebenslauf siehe John Sumner Russwurm Papers, 1786-1914, Tennessee State Library and Archives, Nashville, Tenn. Siehe auch Mary Sagrin, John Brown Russwurm. The Story of Freedom's Journal. Freedom's Journey, New York 1970. Die offizielle Anerkennung der Republik Liberia scheiterte bis zum Beginn des Bürgerkriegs am Widerstand vieler Südstaatler, die, wie der Senator von Kentucky, Garrett Davis, die Entsendung eines diplomatischen Repräsentanten mit der Begründung ablehnten: „...if a fullblooded negro were sent in this capacity from either of those countries, by the laws of nations he could demand that he be received precisely on the same terms of equality with the white representative from the powers on earth composed of white people." Zit. in: Skinner (1992) 54. Von 1863 bis 1866 war der Posten in Monrovia mit einem commissioner and consul general besetzt, danach lautete die Bezeichnung fìir den amerikanischen Vertreter in Liberia minister
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Wahrend zumindest einige amerikanische Gesandtschaften in Afrika mit Afroamerikanern besetzt waren, konnte sich umgekehrt kein diplomatischer Vertreter Afrikas mit schwarzer Hautfarbe in Washington akkrditieren lassen. Milton Turner an Hamilton Fish, Secretary of State, 4.9.1875: „Declaration of War Against Liberia by the ,Grebo' tribe of Africans", RG 59 Diplomatic Despatches, 1863-1906, Roll 5 (May 30,1875-June 15,1876), No.178, National Archives, Washington, D.C. Turner an Fish, 3.11.1875 „Transmitting Note" and „Conclusions" of Commissionar James B Payne. RG 59 Diplomatic Despatches, 1863-1906, Roll 5 (May 30,1875-June 15,1876), National Archives. Smyth trat seinen Posten 1878 an. Mit einer kurzen Unterbrechung war er bis 1885 in Liberia als amerikanischer Konsul akkreditiert. Zu Turner und Smyth siehe James A. Padgett, The Ministers to Liberia and their Diplomacy. In: Journal of Negro Histoiy 22 (1937): 50-92; zu Smyth außerdem Walter L. Williams, Nineteenth Century Pan-Africanist: John Henry Smyth, United States Minister to Liberia, 1878-1885. In: Journal of Negro History 63 (1978): 18-25. Siehe Kapitel 1. Die Regierung unter dem Demokraten Grover Cleveland rief den Republikaner Smyth ab und besetzte den Posten mit Moses Aaron Hopkins, einem Pädagogen und Pastor, der die Erlösung Afrikas auf seine Fahnen geschrieben hatte. Smyth kehrte nach Virginia zurück. Er war als Rechtsanwalt tätig, gründete 1897 die Manual Labor School, engagierte sich für die Negro Reformatory Association und brachte die Zeitung The Reformer heraus. Er starb 1908. Raymond W. Bixler, The Foreign Policy of the United States in Liberia. New York 1957. So stand z.B. fur 1886 die Rückzahlung eines britischen Kredites an. Zur Liberia Commission siehe unten. Skinner (1992): 16. U.S. Department of State, Foreign Relations, 1881: 738. Zit. in: Adelaide Cromwell Hill/Martin Kilson (Hg.), Apropos of Africa: Sentiments of Negro American Leaders on Africa from the 1800s to the 1950s. London 1969 (1969): 96. Smyth in J.W.E. Bowen (Hg.), Africa and the American Negro; Addresses and Proceedings of the Congress on Africa. Atlanta 1896 (Reprint Miami 1969): 78. Smyth in Bowen (18%): 74,76. Wie z.B. C.W. Manning und Owen Smith. Siehe Little (1983): 280. Die Einschätzung stammt von Rayford Logan. Zit. in: StClair Drake, Negro Americans and the Africa Interest. In: John P. Davis (Hg.), The American Negro Reference Book. Englewood Cliffs, N.J. 1966: 664, Fußnote 5. Die Einrichtung war 1865 von der American Missionary Association für schwarze Amerikaner gegründet worden und bot eine Vorbereitung für das Studium an einem College. T. McCants Stewart, Liberia: The Americo-African Republic. New York 1886: 101-105. Zur Biografie Stewarts siehe Albert S. Broussard, African-American Odyssey. The Stewarts, 1853-1963. Lawrence, Kan. 1998. Im Februar 1919 lud ihn Du Bois zur zweiten Pan-African Conference nach Paris ein. Es ist unklar, ob Stewart daran teilnahm. Das gilt z.B. Air Wilson Jeremiah Moses, The Golden Age of Black Nationalism, 1850-1925. New York/Oxford 1978, Benjamin Quarles, The Negro in the Making of America. New York/London 1987 (3. Aufl.) und John Hope Franklin/Alfred A. Moss, From Slavery to Freedom. A History of Negro Americans. New York 1988 (1. Aufl. 1947). Im Gegensatz dazu August Meier, Negro Thought in America, 1880-1915. Racial Ideologies in the Age of Booker T. Washington. Ann Arbor, Mich. 1963. Siehe unten. Stewart starb Anfang 1923 auf der westindischen Insel St.Thomas, wo er nach einem Zwischenstopp in London wiederum einen neuen Anfang gewagt hatte. Zu John Waller siehe Randall B. Woods, Black America's Challenge to European Colonialism: The Waller Affair, 1891-1895. In: Journal of Black Studies 7 (Sept. 1976): 57-77; Alii-
resident and consul general.
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son Blakely, The John L. Waller Affair, 1895-1896. In: Negro History Bulletin 37 (Febr.March 1974): 216-218; Katheryn R. Nickles, The Case of John L.Waller. In: Ozark Historical Review I (Spring 1972): 21-30. Madagaskar war zwischen 1817 und 1895 ein Königreich. Der Hova-Klan übernahm 1828 unter Königin Ranavalona I die politische Macht, nachdem sie bereits die militärische Übermacht erlangt hatten. Es folgten die Regentschaften ihrer beiden gleichnamigen Nachfolgerinnen. 1869 trat die Königsfamilie zum Protestantismus über und pflegte enge Beziehungen zu Großbritannien. Woods (1976). 58. Garland Downum, The Madagascan Mission to the United States in 1883: Diplomacy and Public Relations. In: Historian 39 (1977): 472-489. Die Briten zogen 1882 ihre Ansprüche auf Madagaskar zurück, um damit die Franzosen zur Anerkennung der britischen Vorherrschaft in Ägypten zu bewegen. 1890 schlössen Frankreich und Großbritannien einen Vertrag, in dem das französische Protektorat anerkannt wurde und im Gegenzug das britische Protektorat Sansibar von französischer Seite akzeptiert wurde. Zu Einzelheiten dieses Konflikts siehe neben den Aufsätzen zu John Waller auch Skinner (1992): 245ff. Großbritannien war der wichtigste Handelspartner Madagaskars. Sylvia M. Jacobs, The African Nexus. Black American Perspectives on the European Partitioning of Africa, 1880-1920. Westport, CT 1981: 128. 1897 wurde die Königsfamilie entmachtet. Es ging um einen Brief Wallers an seine Frau, den er vor Inkrafttreten der Zensur abgeschickt hatte. Das Schreiben wurde irrtümlich nach Südafrika geschickt und ging dann zurück nach Madagaskar. Siehe Skinner (1992): 245ff und Blakely (1974). Ob Waller tatsächlich seine Position als Nachlaßverwalter zum eigenen Vorteil nutzte, wurde nie völlig geklärt. Der Verdacht, der auf Waller lastete, könnte aber eine Erklärung ftlr die Zurückhaltung des Außenministeriums gegenüber seiner Haftentlassung sein. Hinzukam, daß sich die politischen Konstellationen durch den Amtsantritt des Demokraten Cleveland geändert hatten und darüberhinaus ein ehemaliger Brigadegeneral der Konföderierten Armee als Legationsrat in Paris mit der Angelegenheit betraut war. Siehe Kapitel 5 und 6. Washingtons Einladung zum Dinner in das Weiße Haus am 16.10.1901 führte zu einem Sturm der Entrüstung unter den weißen Amerikanern und fand auch nicht nur Zustimmung bei den Afroamerikanern. Zit. in: Manning Marable, The Panafricanism of Booker T. Washington: A Reappraisal. In: Claflin College Review2 (1978)2: 3. Der International Races Congress fand 1911 in London statt. Washington hatte eine Einladung nach London abgelehnt, da er sich allem Anschein nach nicht der Kritik von Du Bois aussetzen wollte. Siehe Louis R. Harlan, Booker T. Washington. The Wizard of Tuskegee, 1901-1915. New York/Oxford 1983: 275. Zur Konferenz siehe Harlan (1983): 275-276. Washington zit. in: Harlan (1966): 446. Siehe Konsultationen Washingtons mit Baron Herman vom KWK, speziell Baron Herman an Booker T. Washington, 3.9.1900. In: Louis R. Harlan/Raymond W. Smock (Hg.), The Booker T. Washington Papers.Vol. 5. Urbana, III. 1981: 635-636. Washington an Baron Herman, 20.9.1900. Ebenda: 639-642. Über die Anfangsphase der Unternehmung und das Zusammentreffen mit der indigenen Bevölkerung in Togo berichtete James Calloway anschaulich. J. N. Calloway, Tuskegee CottonPlanters in Africa. In: Outlook 70 (29.3.1902): 772-776. Siehe auch Harlan (1966): 442ff. Ralph Erbar, Ein „Platz an der Sonne"? Die Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte der deutschen Kolonie Togo, 1884-1914. Stuttgart 1991: 146-147. Die Behauptung stammte von Gouverneur Zech, zit. in: Peter Sebald, Togo 1884-1914. Eine
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Geschichte der deutschen „Musterkolonie" auf der Grundlage amtlicher Quellen. Berlin 1988: 439. Brief von John W. Robinson an Booker T. Washington. Abgedruckt unter dem Titel Cotton Growing in Africa. In: The Southern Letter, August 1904, ohne Seitenzahlen. Tuskegee University Archives, Tuskegee, Alabama, Booker T. Washington Collection. Ebenda. Washington zit. in: Harlan (1966): 447. Hunt an Washington, 3.2.1905. In: Harlan/Smock (1980): Siehe Harlan (1983): 271. Ernest Lyon an Booker T. Washington, 10.8.1907. In: Harlan/Smock (1980): 332. Washington organisierte das Treffen der Delegation aus Liberia mit Präsident Roosevelt im Weißen Haus. Danach hielten sich die Liberianer noch filr drei Tage in Tuskegee auf. Washington erläuterte Lyon, wie der Besuch beim Präsidenten zustande kam: „I have taken the liberty to arrange the meeting at the White House in the evening because I have found that this is really the way to get a full, free and frank conference with the President. Whenever I want to accomplish anything of value I get him to permit me to come to the White House at night when he is free from other cares and duties, and in this way I am quite sure we can arrange to have an hour with the President, something that very few people get." Washington an Lyon, 3.6.1908. In: Harlan/ Smock (1980) Vol. 9: 548. Washington an Lyon, 3.6.1908. In: Harlan/ Smock (1980) Vol. 9: 548. Booker T. Washington und William Howard Taft, der dem Hampton Institute verbunden war, kannten sich seit längerem. Tafi war von 1909 bis zu seinem Tod 1930 Mitglied des Hampton Institute's Board of Trustees. Zur Verbindung Tafts mit der Hampton-Idee siehe Howard V. Young Jr., William Howard Taft and Hampton Institute. In: Keith L. Schall (Hg.), Stony the Road. Chapters in the History of Hampton Institute. Charlottesville, VA 1977: 125-162. Die Kommission bestand aus drei Personen. Neben Scott gehörten ihr Roland P. Falkner, ehemaliger Leiter der Schulbehörde in Puerto Rico und George Sale, Leiter der Baptisten Missionen in Puerto Rico und Cuba, an. Washington hatte ihre Berufung befürwortet. Emmett Scott, Is Liberia Worth Saving?. In: Journal of Race Development I (1910/11): 277301. Die Geschichte der Liberia Commission ist ausführlich dokumentiert, siehe u.a. John D. Hargreaves, Liberia: The Price of Independence. In: ODU. A Journal of West African Studies 6(1971): 3-20; Judson M.Lyon, Informal Imperialism: The United States in Liberia, 18971912. In: Diplomatic History 5 (1981) 3: 221-243; Sylvia M. Jacobs, The African Nexus. Black American Perspectives on the European Partitioning of Africa, 1880-1920. Westport, CT 1981: 205-234. Zur Vorgeschichte und den Verbindungen zu Booker T. Washington siehe Louis Harlan, Booker T. Washington and the White Man's Burden. In: American Historical Review 71 (Jan. 1966) 2: 452ff. Edward O. Erhagbe, African Americans and the Defense of African States Against European Imperial Conquest: Booker T. Washington's Diplomatic Efforts to Garantee Liberia's Independence 1907-1911. In: African Studies Review 39(1996) 1: 55-65. Phyllis Lewsen (Hg.), Selections from the Correspondence of John X. Merriman. Vol 3 (1899-1905). Cape Town: The Van Riebeeck Society 1966: 390-391. Siehe auch dies., John X. Merriman. Johannesburg 1982. Mzimba an Washington , 23.5.1901. Booker T. Washington Papers, container 182, reel 182, Manuscript Collection, Library of Congress, Washington, D.C. Washington an Merriman, 25.11.1904. Ebenda. John L. Dube in einem Brief an den South African Native Congress, zu dessen Präsident er in absentia am 2. Februar 1912 gewählt worden war. In: R. Hunt Davis Jr., John L. Dube: A South African Exponent of Booker T. Washington. In: Journal of African Studies 4 (1975/76): 498.
Zur American Zulu Mission, die 1835 auf Initiative des American Board of Foreign Missions gegründet wurde, siehe u.a. Norman Etherington, An American Errand into the South African
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Wilderness. In: Church History 39 (1970) 1: 62-71 und J. Du Plessis, A History of Christian Missions in South Africa. New York et al. 1911: 219ff. John L. Dube, The Zulus Appeal for Light and England's Duty. Durban, Natal 1910, ohne Seitenzahlen. Kopie in Dube File, Oberlin College Archives, Oberlin, Ohio. Chester (1974): 176. Manning Marable, A Black School in South Africa. In: Negro History Bulletin 37 (June/July 1974)4:258-261. Aus der umfangreichen Literatur zu Dube seien u.a. erwähnt: R. Hunt Davis Jr. (1975/76), Shula Marks, The Ambiguities of Dependence: John L. Dube of Natal. In: Journal of Southern African Studies 1 (1975) 2: 162-180, und Manning Marable, John L. Dube and the Politics of Segregated Education in South Africa. In: A. T. Mugomba/ M. Nyaggah (Hg.), Indepence Without Freedom. Santa Barbara/Oxford 1980: 113-128. Siehe Marable (1978): 1-14. Der Trinidadier Williams gründete 1897 in London die African Association, um das Zusammengehörigkeitsgefühl und den Informationsaustausch zwischen allen Menschen afrikanischer Herkunft zu fördern. Siehe Owen Charles Mathurin, Henry Sylvester Williams and the Origins of the Pan-African Movement, 1869-1911. Westport, CT 1976: 41ff. David Levering Lewis, W.E.B. Du Bois. Biography of a Race, 1868-1919. New York 1993: 249. Für eine kritische Untersuchung dieser Einrichtung siehe Louise Johnston, Tuskegee in Liberia: The Politics of Industrial Education, 1927-1935. In: Liberian Studies Journal 9 (1980-81): 61-68, und Donald Spivey, The Politics of Miseducation. The Booker T.Washington Institute of Liberia, 1929-1984. Louisville, Ky. 1986. „My wish is to found a school in Liberia, similar to the Tuskegee Normal and Industrial at Tuskegee, Alabama. It seems especially appropriate that you should do this from your connection with education and I am happy in placing this amount in your hands trusting the work will not be difficult and that you may be rewarded by the good accomplished." O.E. Phelps-Stokes to A. Phelps-Stokes and B.T. Washington, 18.1.1910. In Harlan/Smock (1980):. Washington an Egleston Phelps-Stokes, 27.10.1909. In: Harlan/Smock (1980): 186. Brawley zit. in: Spivey (1986): 28. Zu Brawleys bekanntesten Veröffentlichungen zählt A Social History of the Negro von 1921. Albert S. Broussard, African-American Odyssey. The Stewarts, 1853-1963. Lawrence, Kan. 1998: 40ff. Hierzu gehörten der Phelps-Stokes Fund, das General Board of Education, die New York State Colonization Society und die American Colonization Society. Zu den Einzelheiten des Kredits und zur „Firestone-Diktatur", wie sie George Padmore genannt hat, siehe Robert Kappel, Ökonomie, Klassen und Staat in Liberia. Entwicklung gesellschaftlicher Widersprüche im peripheren Kapitalismus während des 19. und 20. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. 1982 und George Padmore, American Imperialism Enslaves Liberia. In: The Communist 10 (February, 1931): 137ff. Martin Robison Delany, Official Report of the Niger Valley Exploring Party. New York 1861. Der Autor beschränkt sich auf die sachliche Beschreibung von Flora, Fauna, klimatischen Bedingungen und Anbauprodukten. Sehr viel persönlicher und literarischer ist Campbells Veröffentlichung über seine Reise zum Nigertal. Robert Campbell, A Pilgrimage to My Motherland. An Account of a Journey among the Egbas and Yorubas of Central Africa in 1859-60. New York 1961. Zu den beiden Berichten siehe Pearl T. Robinson/Elliott P. Skinner (Hg.), Transformation and Resilience in Africa As Seen by Afro-American Scholars. Washington, D C. 1983: 7ff. 1858 veröffentlichte der Quäker Benjamin Coates seine Untersuchung zur Produktion von Baumwolle in Afrika. Coates kam in seiner Arbeit zu dem Ergebnis, daß ein intensiver Baumwollanbau besonders in Westafrika möglich sei. Zwei Jahre zuvor war Thomas Jefferson Bowen, ein Missionar der Southern Baptist Convention aus Abeokuta zurückgekehrt. Er hatte dort 1849 eine Missionsstation errichtet und pries ebenfalls die großen wirtschaftlichen
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Möglichkeiten des Niger Valley. Benjamin Coates, Cotton Cultivation in Africa. Suggestions of the Importance of the Cultivation of Cotton in Africa, in Reference to the Abolition of Slavery in the United States, Through the Organization of an African Civilization Society. Philadelphia 1858. Thomas Jefferson Bowen, Central Africa. Adventures and Missionary Labours in several Countries in the Interior of Africa from 1849 to 1856. Charleston, SC 1857. Zit. in: Richard K. MacMasters, Henry Highland Garnet and the African Civilization Society. In: Journal of Presbyterian Histoid 48 (Summer 1970): 104. Zur African Civilization Society siehe auch Earl Ofari, „Let Your Motto be Resistance". The Life and Thought of Henry Highland Garnet Boston 1972: 71-102 und Joel Schor, Henry H. Gamet. A Voice of Black Radicalism in the 19th Century. Westport, CT/London 1977: 150-194. Der voile Wortlaut des Vertrages von Abeokuta ist abgedruckt in: A.H.M. Kirk-Greene, America in the Niger Valley: A Colonization Centenary. In: Phylon 23 (1962): 235. Zur Vorgeschichte und zu den Einzelheiten der Expedition siehe Richard Blackett, Martin R. Delany and Robert Campbell: Black Americans in Search of an African Colony. In: Journal of Negro History 62 (1977) 1: 1-25; Victor Ullman, Martin R. Delany. The Beginnings of Black Nationalism. Boston 1971: 211-246. Siehe J.F.A. Ajayi/R.S. Smith, Yoruba Warfare in the Nineteenth Century. Cambridge/Ibadan 1964. M.B. Akpan, The Liberian Economy in the Nineteenth Century: The State of Agriculture and Commerce. In: Liberian Studies Journal 6 (1975) 1: 1-24. American Vs. European Trade on the West Coast of Africa. In: Report by Consul-General Smyth of Monrovia, Liberia. Consular Trade Reports, 1880-1910, No.55, August 1885: 559. Ebenda: 561. Washington setzte auf die Unterstützung von afroamerikanischen Händlern und Handwerkern, die sich vor Ort im amerikanischen Süden eine Existenz aufbauen wollten. Die Gründung der National Negro Business League 1900 ermöglichte im lokalen Rahmen bescheidene Gewinne. Louis R. Harlan, Booker T.Washington. The Making of a Black Leader, 1856-1901. London/Oxford/New York 1972: 266ff. Die Gründung weiterer Unternehmen folgte, die häufig nur wenige Jahre existierten wie z.B. die Liberian Development Association for Progressive Emigration of the American Negro, the Economic, Industrial and Social Improvement of Liberia, Die Angaben über Sams Herkunft sind widersprüchlich. Nach Berichten in der amerikanischen Presse gab Sam Appasu als seinen Geburtsort an. David Jenkins, der sich auf Interviews mit Bewohnern im Akim Distrikt beruft, bezeichnet Saltpond als Wohnsitz der Familie Sam. Nach einem der Standardwerke zur Geschichte Ghanas war Alfred C. Sam Afroamerikaner und stammte aus Oklahoma. David Kimble, A Political History of Ghana, 1850-1928. Oxford 1963: 541. J. Ayo Langley, Chief Sam's African Movement and Race Consciousness in West Africa. In: Phylon 32 (1971) 2: 165. Lyon zit. in: The Literary Digest, 21.3.1914: 649: Chief Sam and the Negro Exodus. Siehe David Jenkins, Black Zion. London 1975: 106. Es gibt eine Reihe von Untersuchungen zu Chief Sam, siehe u.a. William E. Bittie/Gilbert Geis, The Longest Way Home: Chief Alfred Sam's Back-To-Africa Movement. Detroit 1964; J.A. Langley, Chief Sam's Africa Movement and Race Consciousness in West Africa. In: Phylon (Summer 1971): 164-178 und Milfred C. Fierce, The Pan-African Idea in the United States, 1900-1919. New York/London 1993: 125-142. Siehe Fierce (1993): 148.
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„Going out into the world and spread the Gospel". Die amerikanische protestantische Missionsbewegung „The frontier pioneer ideal, backed by an entrepreneurial, problem-solving, businessoriented approach, was characteristic of American missions across the theological spectrum."1
Die internationale protestantische Missionierungsbewegung, die zwischen 1880 und 1920 ihren Höhepunkt erlebte, wurde konzeptionell wie personell entscheidend von den USA mit getragen. Der Anteil der Nordamerikaner an den Missionierungsbestrebungen in Asien, Lateinamerika, Afrika und Ozeanien ist seit dieser Zeit immer weiter gestiegen. Bereits 1911 stammten ein Drittel aller protestantischen Missionare aus den USA, 1925 war ihr Anteil bereits auf fünfzig Prozent angestiegen. In den späten achtziger Jahren kamen über achtzig Prozent aller Missionare, die für eine protestantische Kirche tätig waren, aus den USA.2 Obwohl bereits im 19. Jahrhundert Katholiken vereinzelt in Missionen im Ausland tätig waren, kann man erst seit dem First American Catholic Missionary Congress von 1909 von einer katholischen nordamerikanischen Missionsbewegung sprechen, die allerdings zahlenmäßig weit hinter der protestantischen zurückstand und auch politisch ohne großen Einfluß blieb. Andrew Walls und andere haben die Missionsbewegung als einen der Wendepunkte in der Kirchengeschichte beschrieben und auf die große Bedeutung Nordamerikas innerhalb der Bewegung verwiesen. Die Geschichte der Missionsbewegung und ihrer Missionen stand nie im Zentrum religionsgeschichtlicher Forschungen. Größere Abhandlungen zu diesem Thema liegen erst seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts vor.3 Anzumerken ist, daß es weniger Kirchenhistoriker waren, sondern Wissenschaftler, denen sich bei der Beschäftigung mit nicht-religiösen (säkularen) Forschungszusammenhängen die Bedeutung dieses vernachlässigten Bereichs zuerst auftat. Eine kritische Darstellung und Aufarbeitung der amerikanischen Missionsbewegung fehlt aber nach wie vor. Hierbei käme es darauf an, nicht nur die äußerst voluminösen offiziellen Quellenbestände auszuwerten, die u.a. in Form von teilweise sehr formeller Korrespondenz der Mission Boards vorliegen. Eine Rekonstruktion der Missionsgeschichte der USA müßte vielmehr schwerpunktmäßig die Alltagsgeschichte der Missionsstation und ihrer Missionare vor Ort einbeziehen. Pierce Beaver hat dazu kritisch angemerkt, daß man genau genommen nicht von einer Rekonstruktion sprechen könne, da eine „first interpretation" nicht stattgefunden habe.4 Seit den achtziger Jahren hat sich auch die Geschlechterfor-
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schung (Gender Studies) der Thematik angenommen. Ein besonderes Verdienst kommt dabei afroamerikanischen Historikerinnen zu.5 Eine Reihe von Einzelstudien zur Rolle der Missionarinnen und Missionshelferinnen sind entstanden, die aber nur selten eine Einordnung in den größeren Missionszusammenhang vornehmen, sondern in den meisten Fällen sehr spezifischen Fragestellungen nachgehen.
Anfänge amerikanischer Missionstätigkeit: n A moral equivalent for imperialism" Das 19. Jahrhundert ist immer wieder als das „Century of missions"" bezeichnet worden. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, daß die Christianisierung Nordamerikas den größten christlichen Missionierungserfolg des 19. Jahrhunderts darstelle.7 Die Amerikaner haben sich stets als chosen people and redeemer nation verstanden, denen die Aufgabe oblag, die Zivilisation und das Christentum in aller Welt zu verbreiten. Vertreter der Kirchen verwiesen als Erklärung für Amerikas besondere Verantwortung für die weltweite Verbreitung des Christentums immer wieder auf die von den Puritanern im späten 17. Jahrhundert geschaffene Formulierung des „errand into the wilderness". Hiermit ist der Auftrag der Übermittlung der Glaubensbotschaft in unbekannten, möglicherweise „gefährlichen" und „unzivilisierten" Orte gemeint.8 Die amerikanische Missionierungsbewegung ist verbunden mit der Expansion nach Westen und dem ,/ronfier-Gedanken.9 Die Verbreitung des Christentums war dadurch eng verknüpft mit der Erschließung neuer, angeblich unbewohnter Territorien. Die Religionsausübung an der frontier erforderte einerseits individuellen Einsatz und Entschlußfreudigkeit, stärkte aber gleichzeitig den Zusammenhalt in den neu gegründeten Gemeinden und bot Unterstützung bei allen Schwierigkeiten, die der Aufbau einer neuen Existenz mit sich brachte. Die Form der voluntary society10 ermöglichte relativ unproblematische Abspaltungen bzw. Neugründungen religiöser Gemeinschaften, die auch Scharlatanen, Exzentrikern und Fanatikern ein Betätigungsfeld boten. Die amerikanischen protestantischen Kirchen waren nicht einfach eine Erweiterung bzw. Ergänzung europäischer Religionsgemeinschaften, sondern sie entwickelten eigene Organisationsformen, wie z.B. die voluntary societies. Während in Europa im Zuge der industriellen Revolution der Einfluß der Kirchen kontinuierlich abnahm und bei großen Teilen der Bevölkerung eine praktische Religionsausübung nicht mehr stattfand, wuchsen in den USA die aktiven Kirchengemeinden, die oft einen informellen Charakter hatten und allen Teilen der Bevölkerung offen standen. Die lose Struktur der religiösen Organisationen, die stärker gesellschaftlich
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als kirchlich orientiert waren, ermöglichte es auch Laien, aktiv am Gemeindeleben teilzunehmen. Im amerikanischen Westen prägten die/rowft'er-Erfahrungen das religiöse Zusammenleben, das sich oft beträchtlich von dem der etablierten christlichen Gemeinden an der Ostküste unterschied. Die starke expansionistische Ausprägung des nordamerikanischen Christentums ist begründet in der Doktrin des manifest destiny, die verstanden wurde als „national mission assigned by Providence for extending the blessings of America to other people."11 Bis um 1880 beschränkte sich manifest destiny auf die territoriale Eroberung des nordamerikanischen Kontinents und die Verbreitung demokratischer und christlicher Grundsätze durch weiße Amerikaner europäischer Herkunft. Als die kontinentale Expansion an ihre Grenzen stieß, erweiterten die Amerikaner die frontier und erklärten Gebiete in Übersee zur neuen frontier. Die Doktrin des manifest destiny beeinflußte von Anfang an auch die Missionsbewegung. Es herrschte die Überzeugung, „... that the United States was a nation divinely chosen or predestined to be the .primary agent of God's meaningful activity in history'." 12 Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es zu einer immer stärkeren Verquickung von weltlicher und religiöser bzw. sogenannter göttlicher Mission. 1886 erklärte Austin Phelps „ A m e r ica's manifest destiny to be the great missionary nation."13 Im Kontext der Missionsbewegung erschien eine Reihe von Büchern, die über ihren theologischen Inhalt hinaus richtungsweisend für die Auseinandersetzung der amerikanischen Protestanten mit den neuen Grenzen des manifest destiny wurden. Einer der fuhrenden Autoren war Reverend Josiah Strong, der für die Congregational Home Missionary Society tätig war. Seine Publikationen Our Country: Its Pos-
sible Future and Its Present Crisis (1886) und The New Era; or, The Coming Kingdom (1893) beeinflußten die Debatte um Amerikas Rolle bei den weltweiten Zivilisierungs- und Christianisierungsaufgaben, zu denen sich die angelsächsische Welt verpflichtet fühlte. Austin Phelps verband in seinem Vorwort zu Our Country die politische Mission der USA mit ihrer christlichen: „...look on these United States as first and foremost the chosen seat of enterprise for the world's conversion. Forecasting the future of Christianity, as statesmen forcast the destiny of nations, we must believe that it will be what the future of this country is to be. As goes America, so goes the world, in all that is vital to its moral welfare."14 Neue Impulse und eine neue Ausrichtung erhielt die Missionsbewegung durch die Mount Hermon Conference, die 1886 stattfand und den Grundstein für die Student
Volunteer Movement for Foreign Missions (SVM) 1888 legte. An der Mount Hermon Conference nahmen 251 Studenten von fast neunzig Colleges teil. Der Leitspruch der Konferenz „The evangelization of the world in one generation" beflügelte nicht nur die Teilnehmer und veranlaßte 100 junge Männer, sich spontan für den
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ausländischen Missionsdienst zu bewerben, sondern gab den Anstoß für eine internationale Missionsbewegung über die Grenzen der USA hinaus: „Much of the moral fervor that had previously been channeled into continental Manifest Destiny or against southern slavery slackened with the subjugation and nominal Christianization of frontier Indians and the end of slavery. As Americans looked beyond their own continent for moral causes, the international missionary movement answered their need."15 Die von Studenten ausgehende Missionsbewegung war konfessionsübergreifend, sie basierte auf kleinen aktiven Gruppen von Theologiestudenten und engagierten Missionaren, die eine gemeinsame Politik verfolgten. Ihre große Flexibilität und ihre Kooperationsbereitschaft gegenüber anderen Kirchen förderte die Entstehung einer weltweit agierenden studentischen Missionsbewegung, die die internationale Missionsszene in den folgenden Jahrzehnten entscheidend prägte.16 Die Führungsriege, von der die Mehrheit gerade ihr Studium beendet hatte, scheute sich nicht, Finanzquellen außerhalb des kirchlichen Bereichs zu aktivieren. Die Charakterisierung der Mission als Geschäftsbetrieb setzte sich, im Gegensatz zu Europa, immer stärker durch. Im Zuge der industriellen Revolution und der Entwicklung der USA zur größten Industrienation erwiesen sich Merkmale des Geschäftslebens wie effiziente Organisation, unternehmerische Aktivitäten und finanzielle Gewinne auch für das amerikanische Christentum als richtungsweisend. Die Verbindung von Geschäft und Mission wurde Ende des 19. Jahrhunderts offen angestrebt und bot Vorteile für beide Seiten.17 Großzügige Sponsoren im Missionsbereich konnten mit Anerkennung für ihre finanzielle Unterstützung rechnen. 1870 benannte die American Missionary Association (AMA) eine ihrer Missionsstationen auf Sherbro Island, Sierra Leone, nach dem Drogisten Charles Aveiy. Avery stammte aus Pittsburgh und hatte die Mendi Mission der AMA über Jahre tatkräftig mit großen Geldsummen gefördert.18 Es bestand nicht nur die Möglichkeit, Anteile an einer Mission zu erwerben, sondern auch Patenschaften für potentielle Konvertiten zu übernehmen.19 Bei vielen Sponsoren entsprang das finanzielle Engagement dem Wunsch, sich zumindest indirekt an der „divine mission" zu beteiligen. Die Missionierungsbestrebungen in Nordamerika wurden bis in das 19. Jahrhundert hinein unter dem Begriff der home mission subsumiert. Hierzu zählten die Missionierung von Indianern, Sklaven und freedmen sowie die Verbreitung des Christentums im Zuge der Expansion nach Westen. Die amerikanische Missionsbewegung in Übersee stellte eine Fortsetzung und Erweiterung dieses Evangelisierungsprozesses in den USA dar/ 0 Parallel zur home mission entwickelte sich die foreign mission mit dem Ziel, die Christianisierung auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen weltweit voranzutreiben.21 „Going out into the world and spread the Gospel" avancierte zum gemeinsamen Motto aller etablierten Kirchen in den USA.
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Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Nordamerika vom „Missionierungsobjekt" und „Missionsfeld" zum neuen Christian heartland. Die expansionistische Unternehmung der Auslandsmission, die eine gewisse Offenheit und Aufgeschlossenheit nach außen demonstrierte, entwickelte sich vor dem Hintergrund eines isolationistischen und von kulturellem Nationalismus geprägten Amerika. Die Rolle des Missionars beschränkte sich deshalb nicht nur auf religiöse Aufgaben, sondern er Ubernahm u.a. auch außenpolitische Funktionen. Thomas Jesse Jones verwies auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Missionaren: „Frequently misunderstood, they (the missionaries) have been called sentimentalists. A few of them maybe deserving of this charge; without them neither Government nor trade could be carried on with any success. The missionaries are the pioneers in human improvement... they are the teachers of the element of civilization ...The propaganda of theological dogma is the least of their service."22 Missionsangehörige, die auch als Diplomaten z.B. in Afrika tätig waren, gab es häufiger, ihr Handlungsspielraum blieb jedoch eingeschränkt. Inwieweit die amerikanischen Kirchen außenpolitische Beschlüsse direkt beeinflußten, ist nicht immer deutlich erkennbar. Es gibt aber zumindest Beispiele für wechselseitig beeinflußte Entscheidungen. Hierzu gehörte die Gründung der American Presbyterian Congo Mission 1890, die auf die Initiative des Vorsitzenden des Foreign Relations Committee im Senat, John Tyler Morgan zurückging und in Abstimmung mit der Southern Presbyterian Church stattfand/ 3 Trotz des expansionistischen Missionscharakters spielte der hegemoniale Anspruch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein nur eine untergeordnete Rolle. Religiöse Ziele bestimmten die Missionsarbeit, nicht Kulturimperialismus. 24 Die Aufgaben der Missionare waren auf die Konversion zum Christentum ausgerichtet. Bestimmend für die Formulierung und Propagierung der Prinzipien der protestantischen Missionierungsbewegung war Rufus Anderson (1796-1880), der seit 1834 sowohl als Theoretiker wie auch als Organisator des American Board of Commissioners for Foreign Missions (ABCFM) mehr als vier Jahrzehnte (1832-1866) die Entwicklung in Nordamerika prägte. 25 Anderson warnte, die Missionsstation dürfe nicht zum Ausgangspunkt sozialer und politischer Reformen werden. Er arbeitete eng mit Henry Venn zusammen, dem Generalsekretär der anglikanischen Church Missionary Society (CMS) in London. Gemeinsam entwickelten sie eine Philosophie der weltweiten protestantischen Missionsarbeit. 26 Neben ihrer gemeinsamen Arbeit verband beide eine lange Freundschaft. Ihre gegenseitige Einflußnahme drückte sich auch in der Formulierung ähnlicher Missionsprinzipien aus, wenngleich sich Venn in seiner Arbeit stärker mit kirchlichen Organisationsstrukturen beschäftigte und für Anderson das Schwergewicht seiner Tätigkeit auf der Mission
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lag. Für beide stand die Idee der „indigenen Kirche" im Mittelpunkt der Missionierung. Die vorrangige Aufgabe der Missionare bestand in der Einrichtung von „indigenous churches", die sich in eigener Regie verwalten sollten (self-government). Langfristiges Ziel war die finanzielle Unabhängigkeit (self-support) der indigenen Kirchen sowie die eigenständige Verbreitung des christlichen Glaubens (selfpropagation) und die Schaffung weiterer lokaler Kirchen. Im Gegensatz zu Venn setzte Anderson andere Prioritäten bezüglich der Zielsetzungen für die zu schaffenden einheimischen Kirchen. Für ihn stand „seif propagation", während er „seif Support" eine geringere Bedeutung zumaß. In der praktischen Umsetzung ihrer Vorstellungen unterschieden sich Anderson und Venn jedoch kaum.27 Gemäß den Missionsgrundsätzen, die Anderson in seinem Buch Foreign Missions darlegte, das als „new rule-book for missions" bezeichnet wurde, bestand die wichtigste Aufgabe der Missionare im „letting go". Drei Schritte waren notwendig auf dem Weg dahin: 1. die christliche Konversion und die Ausbildung der lokalen Evangelisten durch die Missionare; 2. die Schaffung indigener Kirchen, die unabhängig von der Mission agieren sollten; 3. der Abzug der Missionare bzw. die Erschließung eines neuen „Missionsfeldes" („Missionary go home! or at least missionary move on").28 Inwieweit die Betonung der „Indigenisierung" als herausragender Aspekt der Missionsarbeit in die Praxis umgesetzt wurde, ist umstritten. Vielfache Ansätze waren vorhanden, aber zum letzten entscheidenden Schritt, nämlich dem eigenen Rückzug, konnten sich die Missionare nur sehr selten durchringen. Die Missionare waren bereit, Vertretern der indigenen Bevölkerung eine Ausbildung zu vermitteln und sie zu ordinieren, aber sie taten sich sehr schwer damit, den neuen Mitgliedern der Kirche auch volle Verantwortung in allen Entscheidungsbereichen zu übertragen. Auch der nächste Schritt, die Gründung eigenständiger, lokaler Kirchen, wurde häufig hintertrieben. So ernannten sich einzelne Missionare selbst zu Bischöfen, um die Oberhoheit und damit die Kontrolle über die lokalen Kirchen zu gewinnen.29 Führende Missionsvertreter in den USA forderten eine kritische Hinterfragung der Aufgaben und Zielsetzungen ihrer Arbeit im Ausland. Ihrer Meinung nach bestand die Aufgabe der Missionsarbeit darin, die auf dem „Missionsfeld" gewonnenen Erfahrungen für die Erneuerung und Veränderung der Heimatkirche einzusetzen. Das beinhaltete auch die Kritik an der westlichen bzw. nordamerikanischen Kultur. Kulturelle Selbstkritik war durchaus ein Bestandteil des Missionsdiskurses. In den „Christ-Culture debates", die bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts innerhalb der Missionsbewegung stattfanden, wurde diskutiert, inwieweit Missionare das Recht hätten, die eigene Kultur anderen Gesellschaften überzustülpen und damit womöglich lokale Kulturen zu zerstören. Hierbei ging es auch um praktische Fragen, ob z.B. Missionare säkulare Aufgaben wie die Einrichtung von Schulen
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übernehmen sollten. Dahinter stand nicht die Anerkennung der anderen Kultur, sondern die Überzeugung, daß die christliche Religion letztendlich triumphieren würde und keiner speziellen „Werbemaßnahmen" bedürfe. Die Politik Andersons und seiner Anhänger verlor in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung.30 Die im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung nach dem Bürgerkrieg entstandenen gesellschaftlichen Probleme und Fragestellungen spiegelten sich auch in der amerikanischen Missionsbewegung wider. Missionare beschränkten sich immer seltener ausschließlich auf die Verkündigung des Evangeliums, sondern setzten sich auch mit den gesellschaftlichen Problemen vor Ort auseinander. Zwischen den theoretischen Grundsätzen des Missionsstrategen Anderson und den praktischen Erfordernissen der Missionsarbeit klaffte ein immer größerer Gegensatz. Viele Missionare betrachteten es nun als Bestandteil ihrer Missionsarbeit, soziale Mißstände vor Ort anzuprangern. So starteten z.B. Missionare in China Angriffe gegen das Konkubinat und den Opiumgenuß. Eines der prägnantesten Beispiele für die Säkularisierung und Politisierung von Missionsarbeit stellt die Bekämpfung der Greueltaten an der Bevölkerung im so genannten „Kongo Freistaat" durch Vertreter der American Presbyterian Congo Mission (APCM) dar.31 Während einerseits die Beseitigung sozialer Ungerechtigkeiten immer mehr zu einem Bestandteil der Missionsarbeit wurde, trat andererseits die von Anderson geforderte kritische Reflexion der eigenen Kultur völlig in den Hintergrund. Die „God-given brilliance of Western civilization" stand außer Frage und fand in der Vermittlung westlicher Bildungsideale durch die Einrichtung von Schulen ihren Ausdruck. Hatte bislang der Schwerpunkt der Auslandsmission auf Asien und speziell China gelegen, so rückte Afrika gegen Ende des 19. Jahrhunderts stärker in das Blickfeld. Afrika hatte in der amerikanischen Öffentlichkeit nur eine untergeordnete Rolle eingenommen, aber das wachsende Interesse in Europa am afrikanischen Kontinent im Zuge der kolonialen Expansion war auch in den USA spürbar. Für die Amerikaner, die formal-juristisch über keine Kolonien in Afrika verfügten, übernahmen Missionen eine Ersatzfunktion als „moral equivalent for imperialism".32 Durch die Einrichtung von Missionsstationen konnten die USA am Prozeß der europäischen kolonialen Eroberung des afrikanischen Kontinents als teilnehmende Beobachter mitwirken, ohne dabei als imperiale Macht gegenüber den Afrikanern aufzutreten. Sie vermieden es, personelle und finanzielle Ressourcen durch den kostspieligen Unterhalt von Kolonien zu vergeuden, und vertrauten statt dessen auf die Kirchen, die dem säkularen europäischen Imperialismus einen „fine spiritual imperialism" entgegensetzten. „The nation's relatively casual involvement, even after 1898, in overseas imperialism of the usual sort not only reinforced American pretensions to a purer
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international altruism; it helped give substance to those pretensions. American energies really were not, on the whole, drawn off into the enormously taxing business of running colonies.... Americans were inordinately proud of themselves for avoiding colonial entanglement, and that the American churches poured enormous resources and leadership into the ,fine spiritual imperialism'."33 Die Teilnahme der Amerikaner an der Berliner Konferenz, Henry Morton Stanleys Berichte über ein angebliches „El Dorado" in Zentralafrika und die Veröffentlichungen des Missionars David Livingstone regten die Neugier auf den „dark continent" an, wie er in der Literatur gern genannt wurde. Durch Livingstones Tagebücher und Stanleys Reiseberichte, die zur Standardlektüre der Missionare und Missionsunterstützer zählte, richtete sich die Begeisterung auf die zentralafrikanische Region, das „Herz Afrikas". 34 Die Anti-Sklaverei Bewegung, die immer wieder die Sklavenhandelsaktivitäten der Araber in Zentralafrika anprangerte, verstärkte ebenfalls den Ruf nach christlicher Missionierung. Die Eindämmung des Sklavenhandels durch die Präsenz europäischer und amerikanischer Missionen wurde gleichzeitig als ein „Schlag gegen den Islam" interpretiert. Wirtschaftsfaktoren spielten hingegen keine vorrangige Rolle bei dem Ausbau der Missionsaktivitäten. Die geringen Handelsaktivitäten zwischen den USA und Afrika wirkten sich nicht hemmend auf das wachsende Engagement amerikanischer Missionsgesellschaften auf dem afrikanischen Kontinent aus.35 Die Missionsgesellschaften entwickelten nicht nur straffere Organisationsformen, sondern es wurde auch ein Katalog von Auswahlkriterien für die Rekrutierung von Missionaren erstellt. Die zuständigen Ausschüsse der Missionsgesellschaften (mission boards) erhielten größere Befugnisse und konnten ihre Einflußmöglichkeiten deutlich erweitern. Auch die Missionsinhalte wurden offiziell einer Revision unterzogen, die allerdings schon vor dem Tod Ruftis Andersons 1880 intern betrieben worden war. Die Idee der eigenständigen Entwicklung indigener Kirchen trat in den Hintergrund, und der Paternalismus bestimmte die Arbeit der Missionen. Ausgehend von der These, daß die Afrikaner nicht in der Lage seien, jemals die westlichen Standards zu erreichen, sei „väterlicher Schutz" vonnöten. Die Umkehrung der Missionsziele, die zuerst von der englischen Church Missionary Society (CMS) betrieben wurde36, beeinflußte auch die Politik der von weißen Amerikanern dominierten mission boards in den USA. Der Ausbildungsbereich - von Anderson, der allein auf die Kraft des Wortes vertraute, als unwichtig erachtet - wurde zu einem der zentralen Instrumente der Evangelisierung. Spätestens seit den neunziger Jahren dominierte das Konzept der civilizing mission den Missionsalltag. Die christliche Erziehung, die den Afrikanern aufoktroyiert wurde, konzentrierte sich auf die Vermittlung praktischer Fähigkeiten und die Vorbereitung auf ihre untergeordnete Position innerhalb des europäischen Kolonialsystems. Vorbild für dieses Ausbildungs-
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konzept war die Form von industrial education, wie sie am Hampton Institute entwickelt worden war. Die neue Ausrichtung der Missionsziele hing mit der Ausdifferenzierung der europäischen Kolonialpolitik zusammen. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich das Prinzip der Treuhänderschait (trusteeship) vor allem innerhalb der britischen Kolonialpolitik immer mehr durch. Koloniale Herrschaft wurde als trusteeship interpretiert, und die britischen Kolonialadministratoren betrachteten es als ihre moralische Verantwortung, wenn nicht sogar als Altruismus, innerhalb ihres Empires die koloniale Herrschaft zum „Wohle der kolonialen Subjekte" auszuüben. Der ehemalige Gouverneur von Nigeria, Lord Lugard, definierte in seinem 1922 erschienenen Buch The Dual Mandate in British Tropical Africa den Begriff „'dual mandate' as meaning that the colonial powers acted as trustees both in the interests and for the protection of the native population, and in the interests of the whole world."37 Bevor die Treuhänderschaft offiziell zum Leitbegriff der britischen Kolonialpolitik avancierte, hatte trusteeship bereits Einzug in die amerikanische Missionspolitik gehalten. Auch hier ging es um die moralische Verantwortung gegenüber der angeblich „von Natur aus minderwertigen" afrikanischen Bevölkerung.38 Aber im amerikanischen Kontext beschränkte sich die Degradierung nicht auf die Afrikaner, sondern schloß die African Americans ein. Die wachsende gesellschaftliche Diskriminierung der African Americans in den USA seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts beeinflußte die Haltung der amerikanischen Kirchen. Die Verdrängung von Afroamerikanern aus politischen Ämtern und Institutionen machte auch vor den kirchlichen Einrichtungen nicht Halt. Die Verschärfung der Rassentrennung in den USA hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Rekrutierung von afroamerikanischen Missionaren und deren Arbeit auf dem afrikanischen Kontinent. Viele Missionsgesellschaften stellten nicht länger African Americans ein oder lehnten eine Verlängerung bestehender Arbeitsverträge ab. Afroamerikanern wurde zunehmend die intellektuelle Befähigung für den Missionsdienst abgesprochen.39 In den Arbeiten zur amerikanischen protestantischen Missionsbewegung findet die Gruppe der afroamerikanischen Missionare nur selten Erwähnung. Sie werden weder als Teil der gesamten Bewegung bewußt wahrgenommen, noch gibt es Hinweise auf eigenständige Entwicklungen der block churches in bezug auf die Missionierung. A. F. Walls verweist im letzten Teil seines Artikels in wenigen Sätzen auf die „black American missionaiy movement", präsentiert sie aber als periphere Bewegung innerhalb des amerikanischen Christentums, die nur auf die Entstehung unabhängiger afrikanischer Kirchen Einfluß genommen hätte.40 Umgekehrt stellen jene Untersuchungen, die sich explizit mit afroamerikanischen Missionsbewegungen auseinandersetzen, kaum Verbindungen zu den weißen mainstream churches her. Die führenden großen Kirchen in den USA im 19. Jahrhundert werden unter
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den Begriffen mainstream churches, mainline churches oder dominant churches zusammengefaßt. Zu ihnen zählen Presbyterianer, Episkopale, Kongregationalisten, Methodisten und Baptisten. Der Terminus mainstream churches bezieht sich sowohl auf weiße wie schwarze Kirchen. Das folgende Unterkapitel konzentriert sich in einem knappen Überblick auf die wichtigsten Missionsgesellschaften innerhalb weißer Denominationen 4 ', da sie auch die Mehrheit der afroamerikanischen Missionare beschäftigten, zumindest im 19. Jahrhundert.
Die nordamerikanischen Missionsgesellschaften Seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts erlebten die USA einen „Missionierungsboom". Existierten im Jahr 1860 nur sechzehn Missionsgesellschaften in den USA, so waren es 1900 bereits neunzig. Analog dazu stieg auch die Zahl des Missionspersonals rasch an: 1890 waren 2716 Missionare in Übersee tätig, 1900 stieg ihre Zahl auf 4159, und zehn Jahre später betrug die Zahl 7219. Im Jahre 1915, als die Teilnahme an der Missionierung in Übersee ein wichtiges Merkmal der protestantischen mainstream churches war, arbeiteten weltweit über 9.000 amerikanische Missionare.42 Wie im Zusammenhang mit der studentischen Missionsbewegung bereits angedeutet, übernahmen die USA innerhalb der protestantischen Missionsbewegung eine fuhrende Rolle und beeinflußten weltweit den Missionsgedanken. Allerdings verhielten sich die europäischen Missionsgesellschaften gegenüber der als typisch amerikanisch apostrophierten Missionsphilosophie skeptisch und zurückhaltend. Für Andrew Walls verkörpern nordamerikanische Missionen: „...energetic expansionism, resourcefulness, adoption of contemporary technology and business methods, and uninhibited use of money ... the same mental seperation of the spiritual and civil realms combined with a conviction of the superlative excellence, if not the universal relevance, of the United States Constitution and American values; and the same approach to theology, church life, and mission activity in terms of addressing problems and finding solutions."^ Die ersten nordamerikanischen protestantischen Missionsgesellschaften begannen ihre Tätigkeit in der Mitte des 17. Jahrhunderts bei den Indianern. Seit dem frühen 18. Jahrhundert wurde in den kirchlichen Ausschüssen die Möglichkeit der Missionierungsarbeit auf dem afrikanischen Kontinent diskutiert, und um 1840 hatten die fünf wichtigsten protestantischen Kirchen in den USA - Kongregationalisten, Baptisten, Methodisten, Episkopale und Presbyterianer - foreign mission societies gegründet und ihre ersten Missionare nach Afrika entsandt. Das American Board of Commissioners for Foreign Missions (ABCFM) war schon 1812 von Kongregationalisten, Presbyterianern und Reformierten ins Leben gerufen worden. Weitere Aus-
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schüsse zur Missionierung im Ausland folgten, und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfügte jede Denomination über ihren eigenen Missionsrat (mission board). Die Zahl der in Afrika tätigen amerikanischen Missionare blieb trotz dieser frühen Aktivitäten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts deutlich geringer als etwa in Asien. Missionsstationen in China, Indien und später auch in Japan waren meist personell und finanziell besser ausgestattet als vergleichbare Einrichtungen auf dem afrikanischen Kontinent. Im Auftrag des ABCFM nahmen die ersten Missionare ihre Arbeit Anfang 1835 in Südafrika und wenig später im neu gegründeten Liberia auf.44 Bis zur Jahrhundertwende gelangte die Mehrheit der amerikanischen Missionare mit finanzieller Unterstützung des ABCFM nach Afrika. Bereits 1814 gründeten die Baptisten eine separate Missionsgesellschaft, die General Missionary Convention. In den Nordstaaten wurde wenig später eine zweite Gesellschaft, die American Baptist Foreign Mission Society (AMFMS) ins Leben gerufen, die auch Afroamerikaner nach Afrika entsandte. Anfang 1821 reisten Lott Cary und Colin Teague nach Liberia. Neben Liberia, Südafrika und Sierra Leone kamen nach dem Bürgerkrieg Nigeria und Zentralafrika (speziell Kongo und Angola) als Hauptzielgebiete amerikanischer Missionsbestrebungen hinzu.45 Wie die Baptisten gründeten auch die Methodisten und Presbyterianer jeweils zwei Missionsgesellschaften, die im Norden bzw. Süden der USA angesiedelt waren. Die Doppelung der Institutionen entsprach der Aufspaltung der Denominationen in eine Nordstaaten- und eine Südstaaten-Kirche. Die Debatte über die Abschaffung der Sklaverei hatte vor dem Bürgerkrieg zu Sezessionen der Südstaatenfraktionen innerhalb der drei großen Kongregationen geführt. Die ab-
gespaltenen Southern Presbyterians, die Southern Baptist Convention und die Methodist Episcopal Church, South befürworteten weiterhin die Sklaverei und praktizierten in ihren Kirchen die Rassentrennung. Ihre Missionsgesellschaften erschwerten African Americans den Zugang zum Missionsdienst. Der bereits erläuterte Wandel in der offiziellen Missionspolitik zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde von den Southerners teilweise bereits vorweggenommen. Allen Widerständen zum Trotz schafften es einige Afroamerikaner in den Südstaaten-Kirchen, als Missionare zu Ansehen zu gelangen. Neben dem Presbyterianer William Sheppard, der 1890 in den „Kongo Freistaat" reiste, konnte Alexander Camphor sechs Jahre später den Missionsausschuß der Methodist Episcopal Church, South überzeugen, ihn nach Liberia zu entsenden.46 Innerhalb des Spektrums der Missionsgesellschaften nahm die American Missionary Association (AM4) eine besondere Position ein. Viele Abolitionisten waren seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts unzufrieden mit der Politik des ABCFM. Während sich ihre Missionare vor Ort in Afrika für eine Beendigung des Sklavenhandels und der Sklaverei einsetzten, schwieg die Organisation zum Pro-
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blem der Sklaverei im amerikanischen Süden.47 Die Zuspitzung der Debatte um die Abschaffung der Sklaverei führte 1846 Vertreter verschiedener Anti-Sklaverei Gesellschaften, unter ihnen die American and Foreign Anti-Slavery Society in Syracuse, New York zusammen. Ergebnis dieses Treffens war die Gründung der American Missionary Association (AMA) als „non-sectarian anti-slavery missionary organization". Die Aufgabe der AMA bestand darin „to sustain missions for the propagation of pure and free Christianity, by instituting churches in heathen lands, from which the sins of caste, polygamy, slaveholding, and the like shall be excluded."48 Die AMA unterstand keiner spezifischen Denomination, aber da die Führungsmannschaft sich überwiegend aus Kongregationalisten zusammensetzte, wurde die Organisation schon bald der Congregational Church zugeordnet. Die AMA betrachtete sich als „color-blind" und sah es als ihre Aufgabe, vor allem Afroamerikaner fur den Missionsdienst zu gewinnen. Unter den fünf Vize-Präsidenten waren zwei African Americans, und dem zwölfköpfigen Exekutivkomitee gehörten vier Afroamerikaner an. Die 1842 gegründete Mendi Mission im heutigen Sierra Leone war das erste Missionsprojekt der AMA.49 Nach dem Bürgerkrieg legte die AMA ihren personellen und finanziellen Schwerpunkt auf die Ausbildung ehemaliger Sklaven in den Südstaaten. Die Gründung von Missionen und der Aufbau von Missionsstationen auf dem afrikanischen Kontinent wäre ohne das große afroamerikanische Engagement nicht möglich gewesen. Obwohl sie zahlenmäßig nur eine kleine Gruppe im Vergleich zum weißen Missionspersonal waren, prägten African Americans die protestantische Missionsbewegung der Amerikaner in Afrika nachhaltig und trugen entscheidend zur Verbreitung des Christentums auf dem afrikanischen Kontinent bei.
Afroamerikanische Kirchen und Missionsarbeit in Afrika Afroamerikaner, die sich zum Missionsdienst in Afrika entschlossen hatten, zogen es mehrheitlich vor, im Auftrag einer black church tätig zu werden. Die unabhängigen schwarzen Kirchen zählen zu den prägenden Elementen der afroamerikanischen Geschichte. Ihr Einfluß auf die Herausbildung von Selbstbewußtsein, Unabhängigkeit und einer black identity innerhalb der black community ist unbestreitbar.50 Viele afroamerikanische Historiker und Historikerinnen sehen heute die black churches als die Wiege des afroamerikanischen Protestes gegen die Unterdrückung, während Autoren wie E. Franklin Frazier eher ihre Passivität und Weitabgewandtheit betonten.51 Eine aktive Rolle übernahmen die black churches in Hinblick auf die Missionierung des afrikanischen Kontinents. Afroamerikanische Denominationen begannen,
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wie die weißen Kirchen auch, bereits vor dem Bürgerkrieg in Afrika eigene Missionsstationen aufzubauen. Trotz knapper finanzieller Ressourcen, einer geringen Anzahl von Gemeindemitgliedern mit Schulbildung und einem großen Bedarf an Lehrern und Lehrerinnen für die Ausbildung ehemaliger Sklaven in den USA war die African mission von zentraler Bedeutung innerhalb der black churches. Unter kirchlichen Führungspersönlichkeiten wie Henry McNeal Turner herrschte die Auffassung, African Americans dürften die Erlösung Afrikas nicht den Weißen überlassen. „Our church is better adapted to the redemption of Africa than any other organization", so die Address of the General Conference of the AME Church 1896.52 Es gab auch warnende Stimmen, die eine finanzielle und personelle Überlastung der AME Church voraussagten. Bischof Daniel Payne sah eine Tendenz zum „Ecclesiastical Imperialism" und warnte vor dem Versuch, jeden Menschen schwarzer Hautfarbe zum Christentum bekehren zu wollen. Er fürchtete um das Ansehen der African Americans durch die Einrichtung sogenannter ,j>aper missions", die auf Grund fehlender Finanzmittel nicht unterhalten werden könnten und lediglich auf dem Papier bestünden.53 Außerdem gab Payne zu bedenken, daß „thousands of our own churches are suffering for lack of money to support them. All of our schools are suffering for lack of endowment."54 Paynes Kritik blieb weitgehend ungehört, aber auch der einflußreiche Henry McNeal Turner scheiterte letztendlich mit seinen Plänen an der prekären Finanzlage der Kirche. Neben finanziellen Problemen lag der Hauptgrund für den nur schleppenden Ausbau der afroamerikanischen Missionspräsenz in Afrika darin, daß, abgesehen von Teilen der AME Church, die Mehrheit der afroamerikanischen Missionskirchen es doch als ihre vordringlichste Aufgabe betrachteten, an der sogenannten „Heimatfront" tätig zu sein und den Ex-Sklaven in den USA eine religiöse und schulische Erziehung zukommen zu lassen.55 Trotz zahlreicher Appelle zur aktiven Unterstützung der christlichen Missionierung Afrikas blieben im 19. Jahrhundert die Evangelisierungsbestrebungen weitgehend auf die engagierte Arbeit einzelner Missionare und Missionarinnen beschränkt. Bis in die achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein agierten die afroamerikanischen Kirchen, die durch Abspaltungen von den weißen Kirchen entstanden waren, als Abbilder ihrer ehemaligen Mutterkirchen. Erst in der Auseinandersetzung mit der zunehmend repressiven Haltung weißer Kirchenvertreter und gekoppelt mit den Erfahrungen im kolonialen Afrika, gewannen die black churches ein eigenes Profil und konnten auch unabhängige Missionierungsstrategien entwickeln. Lillie Johnson verweist auf den spezifischen Charakter afroamerikanischer Missionsarbeit: „While on the one hand black American mission work was an imitation of the white missionary movement, on the other hand, the missionary enterprise for black Americans was a product of their own oppression."56
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Auftrieb für eine Intensivierung ihres Engagements in Afrika erhielten die unabhängigen afroamerikanischen Missionskirchen um die Jahrhundertwende, als die großen weißen Kongregationen ihren afroamerikanischen Missionaren zusehends die Unterstützung entzogen und sich immer häufiger weigerten, African Americans einzustellen. Kirchen wie die African Methodist Episcopal Church (AME Church) wendeten sich gezielt der Christianisierung des afrikanischen Kontinents zu. Zur zahlenmäßig größten schwarzen Kirche entwickelte sich die National Baptist Convention, U.S.A., Incorporated (NBC), die 1895 gegründet wurde und 1906 bereits 2.261.607 Mitglieder hatte.57 Die Gründung der NBC stellte eine unmittelbare Reaktion auf den weitgehenden Ausschluß der African Americans aus wichtigen Bereichen des öffentlichen Lebens in den USA seit den achtziger Jahren dar. Die NBC bildete ein wichtiges Forum, auf dem Afroamerikaner nicht nur die Gelegenheit hatten, spirituelle Fragen zu artikulieren, sondern darüber hinaus auch soziale, wirtschaftliche und politische Belange zu diskutieren. Ihre ersten Missionen in Afrika errichtete die NBC 1883 in Liberia und vier Jahre später in Nigeria. Neben der NBC zählten die AME Church und die African Methodist Episcopal Zion Church (AMEZ Church) zu den erfolgreichsten und einflußreichsten afroamerikanischen Kirchen in den USA.58 Die AMEZ Church unterhielt seit 1876 Missionen in Liberia und seit 1896 an der Goldküste. Es waren die Mitglieder der AME Church, die sich schon frühzeitig intensiv mit dem afrikanischen Kontinent auseinandersetzten. Bereits 1820 schickte die AME Church Missionare nach Liberia, Missionen in Sierra Leone (1886) und Südafrika (1892) folgten. Kirchengründer war der Sklave Richard Allen aus Delaware, der in den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts zum christlichen Glauben konvertierte, sich freikaufen konnte und später in Pennsylvania Anschluß an eine Gemeinde ehemaliger Sklaven fand. Da die Methodisten auch 1792 weiter darauf bestanden, daß ihre afroamerikanischen Mitglieder auf den hinteren Kirchenbänken Platz zu nehmen hätten, beschloß Allen, eine unabhängige schwarze Methodisten-Gemeinde zu gründen. Aber erst 25 Jahre später vollzogen Allen und seine Mitstreiter59 den endgültigen Bruch mit der Mutterkirche und gründeten 1816 auf einem Treffen in Philadelphia die African Methodist Episcopal Church. Allens Wunsch nach religiöser Unabhängigkeit ging nicht mit einer Neuformulierung der Glaubensinhalte einher. Die Delegierten in Philadelphia sahen sich nicht als Schismatiker, die eine Kirchenspaltung herbeifuhren wollten, sondern als Bewahrer des einfachen Glaubens, weswegen sie die Doktrin der Methodisten ohne Modifizierungen beibehielten.60 Diese Übernahme der Doktrin sowie der Organisationsstrukturen der weißen Kirche war bis in das 20. Jahrhundert hinein kennzeichnend für die Mehrheit der unabhängigen schwarzen Kirchengründungen in Amerika und Afrika:
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„Despite their own distinctive modification of Christianity to make it more compatible with their African heritage, black people in nineteenth-centuiy America followed a religion that remained basically part of the European cultural tradition. They absorbed much of their religious interest, organization, and ritual from white churches,.... For example, most of the missionary songs in black churches compiled church hymnals were written by whites, and mission boards were modeled on those in white churches."61 Der nicht vollzogene Bruch mit der weißen Mutterkirche bedeutete allerdings nicht die Anerkennung der „weißen Überlegenheit", wie sie von der Methodist Episcopal Church postuliert wurde. Afroamerikanische Kirchen versuchten einen Spagat zwischen der gleichzeitigen Anerkennung von weißen Glaubensinhalten und Ablehnung der weißen, rassistisch geprägten Weltsicht, also „... the simultaneous embrace of white religious belief and the rejection of the white racialist world-view."62 Die Verbindung zu Afrika war für die Mitglieder der AME Church eine ambivalente Angelegenheit. Das Ringen um eine eigene Identität wurde durch den Austausch mit Afrika über die Missionsarbeit beeinflußt. In erster Linie war die AME Church jedoch eine Institution, die die Assimilierung an die amerikanische Gesellschaft vorantrieb, „...dedicated to bringing African Americans into the American mainstream and distancing them from their African heritage", wie James Campbell anmerkt. Die AME Church entwickelte sich vor dem Bürgerkrieg schnell zur fuhrenden unabhängigen religiösen Institution der African Americans in Amerika und spielte schon bald eine wichtige Rolle in der Anti-Sklaverei-Bewegung. Nach dem Bürgerkrieg verfugte sie über rund eine halbe Million Mitglieder und präsentierte „one of the central arenas within which African Americans addressed the fundamental questions of their identity, history and destiny."63 Henry McNeal Turner war Ende des 19. Jahrhunderts der bekannteste, aber auch umstrittenste Bischof der AME Church. Turner wurde 1833 als freier Schwarzer in South Carolina geboren und trat im Alter von 15 Jahren der AME Church bei, die zu diesem Zeitpunkt nur knapp 20 000 Mitglieder zählte, und arbeitete als „missionary to slaves and free negroes" in den Südstaaten. Als die Durchsetzung der Slave Codes die Tätigkeit der AME Church in den Sklavengebieten verbot, beschloß er, als Missionar nach Afrika zu gehen. Der Beginn des Bürgerkriegs veranlaßte Turner jedoch, im Süden zu bleiben. 1863 ernannte ihn die Armee zum ersten afroamerikanischen Kaplan der Truppen. Anschließend war Turner im Freedmen's Bureau in Georgia tätig. Nach dem Bürgerkrieg begann seine politische Karriere. Er saß im Vorstand verschiedener Komittees in Georgia und hatte zeitweise den Posten des Inspector of Customs in Savannah inne. Zwischen 1866 und 1876 sorgte er als einflußreiche afroamerikanische religiöse Führungspersönlichkeit in Georgia für die Verbreitung der AME Church im Süden. Von 1880 bis zu seinem Tod 1915 bekleidete er das Bischofsamt. Desillusioniert von dem Scheitern der Reconstruction, sah
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Turner iür die Afroamerikaner keine Zukunft mehr in den USA. Nach 1876 sprach er sich offen für die afroamerikanische Kolonisation Afrikas aus, und 1904 verkündete er: „The Negro race has as much a chance in the US ... of being a man ... as a frog has in a snake den... Emigrate and gradually return to the land of our ancestors..."64 Turner führte für seine Lösung des ,jace problem" durch die RückUbersiedlung von African Americans die folgenden vier Argumente an: Die Kolonisation ermögliche den afroamerikanischen Emigranten in Afrika erstens die Kontrolle über ihre eigenen politischen, ökonomischen und sozialen Institutionen. Sie bringe zweitens den Afrikanern die Errungenschaften der Zivilisation. Drittens trüge die Kolonisation zur Befriedung der durch die Rassenkonflikte gespaltenen amerikanischen Nation bei. Viertens könnten die afroamerikanischen Emigranten gemeinsam mit den Afrikanern unter dem Motto „Save Africa for the Africans" Widerstand gegen die imperialistischen Ziele der europäischen Mächte leisten, die die Teilung des Kontinents anstrebten. Turners Engagement für die Kolonisation blieb allerdings eine Ausnahme. Die meisten Afroamerikaner, die sich nach Afrika einschifften, gingen als Lehrer und Missionare mit dem Ziel dorthin, nach einigen Jahren wieder in die USA zurückzukehren. Sie strebten keine permanente Ansiedlung an, sondern betrachteten die USA als ihre Heimat, die sie nur auf Grund ihrer schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage vorübergehend verlassen mußten. Turner schloß sich der American Colonization Society an und wurde schließlich ihr Vize-Präsident. Anfangs konnte er Erfolge verbuchen: 1877 reisten 274 Kolonisten nach Liberia. Ein Jahr später emigrierten dreißig Mitglieder der AME Church von Charleston nach Monrovia, mit dem Ziel, dort eine Mission zu errichten. 1891 beauftragte die Kirche Turner, trotz knapper Finanzmittel nach Afrika zu reisen, um sich vor Ort einen Eindruck von den Verhältnissen auf dem afrikanischen Kontinent zu verschaffen. Turner besuchte in den folgenden Jahren mehrmals Liberia, Sierra Leone und Südafrika. Er organisierte Missionen und konnte persönlich insgesamt sechzig Afrikaner zum christlichen Glauben bekehren und für die Missionsarbeit gewinnen.65 In seinen African Letters beschrieb Turner mit großem Enthusiasmus seine Reiseeindrücke. Er war tief beindruckt von der Landschaft, der Freundlichkeit und Aufrichtigkeit der Menschen in Liberia und Sierra Leone. Turner war entschlossen, seine Vorurteile, die er trotz seiner Begeisterung für den afrikanischen Kontinent hegte, zu überwinden. Obwohl er in seinen Briefen auch die Unterschiede zwischen Afrika und Amerika, besonders in bezug auf die Kleidung und religiöse Rituale, beschrieb, ging es ihm vor allem darum, die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Kontinenten herauszustellen: „Yesterday afternoon, to my surprise, Dr. I. H. Gold [Turners Gastgeber in Freetown, Sierra Leone, K.F.-S.] called upon me (with horse and buggy). I did
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not know there was a horse in the city; he drove me away out in the country. It was a regular African horse, too, fat as a butter-ball. Such sights as I saw I will never forget. I went among some country natives and looked at their hatchcovered huts, and to my surprise, in some I found looking-glasses, chairs, clocks, furniture, etc. I saw some nearly naked men and women out on the road, but in the town they live nicely at home..."66 Neben der Gründung und Überwachung der afrikanischen Missionen versuchte Turner, seine Kirche in den USA für die Missionsaufgaben zu interessieren. Doch seiner Vision von der Gründung einer black nation in Afrika durch die Rückübersiedlung von drei Millionen Afroamerikanern standen selbst seine Anhänger skeptisch gegenüber. Die Gesamtzahl der African Americans, die seit dem Ende der Reconstruction bis 1910 tatsächlich nach Afrika gingen, betrug nicht mehr als 2000. Selbst zwischen 1890 und 1910 waren es nur rund 1000. Verglichen mit der großen Anzahl von Afroamerikanern, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts in die Zentren im Norden der USA migrierten, war dies eine geringe Größenordnung. Wenn Turners Wirken auch keine breite Migrationsbewegung in Gang setzen konnte, so war es dem Bischof der AME Church dennoch zu verdanken, daß Afrika nicht aus dem Gesichtskreis der African Americans verschwand. Die größten Erfolge verbuchte die AME Church in Südafrika, wo sie auf Wunsch der dortigen independent churches enge Verbindungen zwischen Afroamerikanern und Afrikanern knüpfte und durch die Einrichtung von Schulen das afroamerikanische Bildungsystem verbreitete.67 Persönlichkeiten wie Turner trugen zwischen 1890 und 1914 zum Anstieg der Zahl afroamerikanischer Missionare in Afrika bei. Gleichzeitig wurde aber auch seit 1883 von sehen afroamerikanischer Kirchenführer offene Kritik an Turners Bild von Afrika als „black man's paradise" geäußert, das wenig mit der tatsächlichen Situation dort zu tun hatte. Seiner Popularität taten die kritischen Stimmen jedoch keinen Abbruch. Turners regelmäßige Artikel in der Voice of Missions, der offiziellen Publikation der AME Church, und seit 1901 in seiner eigener Zeitung Voice of the People boten den interessierten Lesern aktuelle Informationen über den afrikanischen Kontinent und hielten die Kolonisationsidee lebendig.
Educational Colonialism-
Industrial Training für Afrika
Die Missionstätigkeit war grundsätzlich auch von wirtschaftlichen Erwägungen geleitet. Die Kirchengemeinden in den USA, die den Unterhalt der Missionen mit Spenden finanzierten, erwarteten von den Missionsangehörigen einen Beitrag zur Kostendeckung durch die eigenständige Erwirtschaftung von Gewinnen. Die bereits vor dem Bürgerkrieg von Afrikareisenenden wie Paul Cuffe und Martin Robison
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Delany anvisierte Rolle Afrikas als künftiger Rohstofflieferant und Markt für afroamerikanische Wirtschaftsaktivitäten wurde von Missionsseite unterstützt. Gleichzeitig verband auch die afrikanische Bevölkerung konkrete ökonomische Interessen mit der Einrichtung einer Missionsstation. Hierzu zählten beispielsweise der Verkauf lokal angebauter Produkte an die Missionare und der Ausbau der Verkehrswege, der den Zugang zu regionalen Märkten verbesserte. Der Aufgabenbereich der afroamerikanischen Missionare umfaßte ein breites Spektrum an Tätigkeiten. African Americans wurden nicht nur als Prediger und Evangelisten, sondern auch als Mediziner, Landwirte, vor allem aber als Lehrer innerhalb der Mission eingesetzt. Ende des 19. Jahrhunderts bestand großer Bedarf an Lehrpersonal für den Dienst in Afrika. John Nelson Murdock, Vorstandsmitglied und in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts Sekretär der ABMU, sprach sich dafür aus, in erster Linie junge, „fairly educated" Afroamerikanerinnen für diese Tätigkeit anzuwerben, da ein Großteil der in Frage kommenden Männer seiner Einschätzung nach eher eine Anstellung als Pastor einer block church in den USA anstrebten und deshalb als Missionsschullehrer nicht zur Verfügung standen.69 In diesem Zusammenhang muß angemerkt werden, daß die Abwanderung von engagierten, gut ausgebildeten, beharrlichen und durchsetzungsfähigen African Americans u.a. in den Missionsdienst für den ländlichen Süden der USA, aus dem die Mehrzahl von ihnen stammten, nicht folgenlos blieb. Der Weggang eines Teils der educated elite verursachte einen nicht zu unterschätzenden Brain-Drain, der zur weiteren Verarmung und zur schulischen und medizinischen Unterversorgung der afroamerikanischen Bevölkerung des Südens beitrug. Die Mehrheit der Afroamerikaner, die sich für den Missionsdienst bewarben, verfügte über eine höhere Schuldbildung. Fast alle hatten mehrere Jahre an einem College studiert, bevor sie sich an einem theologischen Seminar einschrieben. Sie verfügten über einen Bildungsstandard, der deutlich über dem der Mehrheit der African Americans lag. Im Gegensatz zu ihren weißen Kollegen lag der Schwerpunkt ihrer Ausbildung allerdings auf der Vermittlung von Kenntnissen im handwerklichen und landwirtschaftlichen Bereich. Das lag zum einen daran, daß das Curriculum von Einrichtungen wie der Hampton Industrial School einen deutlichen Schwerpunkt auf die Erlangung praktischer Fähigkeiten legte. Zum anderen mußte sich die Mehrzahl der Ausbildungsstätten für Afroamerikaner großenteils selbst finanzieren, so daß die Studenten häufig mehr als die Hälfte ihrer Studienzeit auf den institutseigenen Feldern oder in Handwerksbetrieben verbrachten. Bedingt durch diese Ausbildung, wurden African Americans vorwiegend als agricultural missionaries eingesetzt, die neben ihrer Evangelisierungstätigkeit vor allem praktische landwirtschaftliche Kenntnisse vermitteln sollten. Die Mehrheit ihrer weißen Kollegen verfügte hingegen über eine fundiertere akademische Ausbildung und war
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häufig in Lehrberufen tätig gewesen, bevor sie sich zur Missionstätigkeit entschloß. Nicht nur African Americans, die mit industrial training vertraut waren, sondern auch jene, die ein akademisches Studium, z.B. an der Fish oder Howard University, absolviert hatten, favorisierten die Einführung von industrial education auf dem afrikanischen Kontinent. Gemeinsam mit Vertretern philantropischer Einrichtungen aus dem Norden und Pädagogen aus dem Süden sprachen sich auch afroamerikanische Missionare grundsätzlich für das „Hampton-Tuskegee-Modell" aus. Dabei ging es ihnen nicht nur um die Vermittlung von notwendigem Wissen, sondern um die Durchsetzung von Arbeitsdisziplin und Ordnung. Sie verwendeten das Stereotyp vom Schwarzen, der über viele kreative Fähigkeiten verfüge, dem es aber an Disziplin mangele.70 Ähnlich wie am Hampton Institute mußten sich die Schüler der Missionsschulen ihren Unterhalt und die Schulgebühren selbst verdienen, da ihre Familien nur selten in der Lage waren, das nötige Geld aufzubringen bzw. in Naturalien zu bezahlen. Die Schüler lebten in der Regel auf der Station und erhielten Unterkunft, Verpflegung und Lehrmittel. Sie waren ständiger Beobachtung und Kontrolle unterzogen. Die Missionare interpretierten das Hampton-Tuskegee-Konzept der industrial education als Vermittlung von rudimentärem Basiswissen, das sich oft auf das Bibellesen und die Grundrechenarten beschränkte, in Verbindung mit praktischer Ausbildung im landwirtschaftlichen und handwerklichen Bereich, die dazu dienen sollte: „... to teach students steady work habits, practical knowledge, and good Christian morals."71 Booker T. Washington äußerte sich im Missionary Review of the World zur Adaptation des industrial training an afrikanische Verhältnisse und sprach sich für eine Verknüpfung von religiös-moralischer Unterweisung mit einer praktischen, berufsbezogenen Ausbildung aus: „In an advanced civilization, such as we have in the United States, where the influence of the church and the home and school mutually sustain each other, there is, perhaps, an advantage in separating the religious and moral training from the intellectual and technical education that fits for daily practical life. But among a primitive people, whose lives are simpler than ours, to tty to make this separation seems to me unwise, even if it were possible. The education that brings to a backward people the wants and ideals of higher and more complex civilization must some how or other give them also the courage, the moral force, and the material means to pursue them. Otherwise it seems inevitable that these people should be reduced to a position of helpless dependence upon their teachers, and therefore fail to develop into strong, self-supporting Christians."72 Formen von industrial education wurden bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts auf Missionsstationen in großen Teilen Afrikas praktiziert. Doch erst durch die Gründung der Institute in Hampton und Tuskegee sowie der beträchtlichen Verbrei-
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tung der Idee duch Booker T. Washington und schließlich in den zwanziger Jahren durch die Empfehlungen der Pkelps-Stokes Commissions entwickelte sich „America's beneficient gift to the Negro people"73 zu einem zentralen Bestandteil des kolonialen Erziehungssystems. Auf Missionsstationen in Afrika wurde bereits vor dem Bürgerkrieg die Bedeutung einer praktischen Ausbildung als Anreiz zur Konversion gesehen. Die Missionare der Mendt Mission auf Sherbro Island im heutigen Sierra Leone hofften, durch die Schaffung neuer Einkommensmögiichkeiten den Sklavenhandel eindämmen zu können. Die Abschaffung des Sklavenhandels diente ihnen auch zur Legitimierung ihrer Arbeit. Bisweilen beschleunigten sie den Abolitionsprozeß, indem sie den Sklavenhändlern versklavte Kinder abkauften, um sie auf der Station zu Christen zu erziehen. Die Vorgesetzten in den USA kritisierten dieses Verhalten scharf, da es als Mitwirkung am Sklavenhandel gewertet wurde. Den Missionaren war bewußt, daß sie die Beseitigung des Sklavenhandels nicht allein durch die Verkündigung der christlichen Lehre erreichen konnten. Wirtschaftlich lohnende Alternativen zum Menschenhandel mußten angeboten werden, wie z.B. die Produktion und vor allem die Vermarktung von lokalen Erzeugnissen wie Palmöl und Reis. Neben der Glaubensverkündigung auf der Station und in den umliegenden Dörfern zählten dazu die Einrichtung einer boarding school, die Schaffung einer Schulfarm sowie einer handwerklichen Ausbildungsstätte (mechanical department), die dazu dienen sollten, die Kinder dem Einfluß ihrer Eltern zu entziehen und sie frühzeitig zu „regelmäßiger, ehrbarer Arbeit anzuhalten."74 Die afrikanische Interpretation der industriell education unterschied sich nicht grundsätzlich von der amerikanischen, setzte aber andere Akzente und verfolgte in erster Linie materielle Ziele. Auf afrikanischer Seite bestand zunehmend der Wunsch nach qualifizierten Ausbildungsmöglichkeiten, die den sich verändernden ökonomischen und politischen Bedingungen in den europäischen Kolonien Rechnung trugen. Ein Großteil der lokalen Herrscher fürchtete, sie könnten nicht nur den Anschluß an die wirtschaftliche Entwicklung und den technischen Fortschritt verpassen. Die Erkenntnis, daß eine ausschließlich auf der Vermittlung von praktischen Kenntnissen beruhende Ausbildung keine Erziehung zur Selbstständigkeit und Unabhängigkeit bedeutete, sondern die völlige Einbindung der Afrikaner in das koloniale Herrschaftssystem zum Ziel hatte, setzte sich erst seit den zwanziger Jahren langsam durch.
Die Gründung des South African Native College at Fort Hare 1916 war ein früher Versuch, die praktische mit der geisteswissenschaftlichen Ausbildung zu verbinden. Sie ging zurück auf langjährige Bemühungen von Missionaren der Mission Lovedale in Alice (Eastern Cape), von ehemaligen Studenten des Lovedale Semina-
ry und von Vertretern des Educational Department. Lovedale, 1841 von der Glasgow Missionary Society gegründet, war ursprünglich als Ausbildungsstätte für Mis-
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sionarskinder geplant. Lovedale bot aber schon bald auch „first high school education for Africans" an.75 Fort Hare, wie es kurz genannt wird, war ein „inter-state and inter-denominational college for Africans"76, das neben zweijährigen Studiengängen in Pädagogik, Wirtschaft und Landwirtschaft einen speziellen Ausbildungsgang für die indigenen Autoritäten anbot: „A course for chiefs and chiefs' sons."77 Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich das South African Native College at Fort Hare zu einem „seminary uniting forces in South Africa, and, for the African, a place of higher learning in which he was able to contribute to management and development."78 Der Unterricht am College begann mit zwanzig Studenten und zwei Lehrpersonen: dem Direktor Alexander Kerr und D.D.T. Jabavu, dem Sohn des College-Mitbegründers J. Tengo Jabavu. D.D.T. Jabavu, der u.a. an der University of London studiert hatte, besuchte 1913 auf Einladung Booker T. Washingtons Tuskegee und war vom dortigen agricultural department besonders beeindruckt.79 Im Laufe der Jahre erwarb sich Fort Hare den Ruf einer „schwarzen Kaderschmiede", die u.a. Nelson Mandela und Robert Mugabe zu ihren Studenten zählte, und entwickelte sich zu einem Zentrum des black consiousness.80 Die beträchtliche Unterstützung, die der Gründung von Fort Hare seitens des Staates wie auch der Mission zuteil wurde, beruhte auf der Annahme, daß durch die Einrichtung eines College für die schwarze Bevölkerung Südafrikas der Exodus von Studenten nach Übersee (England und die USA) zu stoppen sei. Ein weiterer Beweggrund war die Sorge der weißen Missionen über den zunehmenden Einfluß der AME Church, die vielen der über 100 Südafrikaner, die zwischen 1898 und 1908 in den USA studierten, einen Collegeaufenthalt finanzierte. Rev. James Henderson, seit 1906 Leiter des Lovedale Seminary, äußerte sich 1908 negativ über ein Studium in den Südstaaten der USA: „The conditions of the Southern States are not those of South Africa and the relations between the two races in the two countries are widely different. The colleges of the Southern States are carried on under conditions which unfit the young men on their return home from settling happily among their own people, and what is worse they bring back with them the attitude of mind towards the Europeans which the former slavery of the States, and the present hostility towards the black race and the lynching, have inculcated."81 Wie seine weißen Missionskollegen in Zentral- und Westafrika, versuchte auch Henderson, die African Americans als Unruhestifter zu diffamieren, die angeblich die Afrikaner zum Widerstand gegen den kolonialen Staat animierten. Ein weiteres Argument gegen das Studium in den USA zielte auf die minderwertige Ausbildungsqualität vieler black colleges ab. The Christian Express berichtete im Oktober 1902:
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„It would be better that a solid, honest, higher education should be provided here when need arises, entitling the students to degrees which have a real value, than that our natives students go to the Southern States and return with highsounding letters after their names which represent a very superficial mental training."82 Gemessen am Ausbildungsniveau des Hampton Institutes, war diese Kritik nicht völlig von der Hand zu weisen, doch gab es 1902 auch in den USA nur wenige Ausbildungsmöglichkeiten für schwarze Südafrikaner, geschweige denn eine Alternative im eigenen Land. Nach der Gründung von Fort Hare wurden in den folgenden Jahren weitere Bildungsinstitute eingerichtet, wie beispielsweise das Booker T. Washington Agricultural and Industrial Institute in Kakata, Liberia, die aber kaum das Niveau einer höheren Ausbildungsstätte erreichten. Die Studenten, die hohe Erwartungen an ihr Studium am Booker T. Washington Institute geknüpft hatten, mußten erfahren, daß das Lehrangebot auf Grund fehlender Finanzmittel und unzureichend ausgebildeter Lehrer fast ausschließlich aus praktischen Ausbildungsgängen bestand. Samuel Coles, der Missionar aus Galangue, unterrichtete zwischen 1935 und 1936 für 18 Monate in Kakata und wurde gleich nach seiner Ankunft mit der Frustration der Studenten und Lehrer konfrontiert. Coles, der gemeinsam mit seiner Frau nach Liberia gereist war, berichtete über seine Ankunft in Kakata: „At the Booker T. Washington Institute we found them trying to provide education and guidance closely related to the daily needs of the African people, just as we had been doing at Galangue. Courses were given in such practical subjects as agriculture and carpentry, in furniture making and bricklaying and mechanics. However, things weren't going too well because many of the students and even some of the faculty doubted the value of such non-intellectual work."83 Samuel Coles, der fur seinen praktischen Unterricht Maschinen und Werkzeuge benötigte, stellte fest, daß die Utensilien entweder nicht vorhanden waren oder unbenutzt verrotteten: „In fact, most of the people working at the Institute were discouraging. One white missionary who seemed to be in the good graces of the Liberians said to me:,Coles, there's just one thing I'd like to do at Booker T. Washington Institute. That's to go there and lock the place up and throw the key away."84 Die Probleme in Liberia waren kennzeichnend für die prekäre Ausbildungslage in vielen Regionen Afrikas.85 Es war deswegen nicht verwunderlich, daß die Afrikaner an einem Studium in den USA interessiert waren. Neben einigen Colleges wie Oberlin studierten sie vor allem an den Bildungseinrichtungen für schwarze Amerikaner wie Hampton, Fisk und Tuskegee. Die Fisk University in Nashville war von
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der American Missionary Association (AMA) gegründet worden und unterhielt enge Kontakte zu den Missionen in Afrika. 1877 wurde ein spezieller missionary course eingerichtet, und bereits 1868 konstituierte sich die Young People's Missionary Society „with the special object of keeping alive the interest in African missions, ...86„ Für den Bau der Livingstone Missionary Hall wendete sich Fisk 1877 an alle „Freunde Afrikas" mit dem Spendenaufruf: „Correspondence is solicited from all such as are considered the question of consecrating themselves to that grand though self-denying work, which shall turn the wilds of Africa into the garden of the Lord." Eine Reihe der männlichen und auch weiblichen Absolventen in Fisk traten nach ihrem Studium in den Missionsdienst in Afrika ein. Zu ihnen gehörte Althea Maria Brown, die sich der American Presbyterian Congo Mission (APCM) anschloß und dort neben ihrer seelsorgerischen Tätigkeit und dem Aufbau einer neuen Missionsstation auch ein Wörterbuch und eine Grammatik der Kuba-Sprache verfaßte.87 Auch Afrikaner studierten in Fisk, wie z.B. Albert Jowett, dessen Vater George N. Jowett über 20 Jahre lang der Mendi Mission in Sierra Leone angehörte. Sein Sohn ging 1882 nach Nashville, um sich mit seinem Studium auf den Missionsdienst vorzubereiten. Der Jahresbericht der AMA schilderte Albert Jowett als vielversprechenden jungen Mann, „...who gives promise of making himself a useful man in his native land."88 Nicht wenige afrikanischen Studenten fanden durch die Vermittlung von African Americans einen Studienplatz in den USA. Das gemeinsame Studium sorgte für eine Annäherung zwischen dem afrikanischen Kontinent und Amerika. Viele Afroamerikaner erhielten durch die auswärtigen Studenten zum ersten Mal die Möglichkeit, aus erster Hand Informationen über Afrika zu erhalten. Während das Oberlin College die Gleichberechtigung aller Studenten anstrebte, unabhängig von ihrer Herkunft, demonstrierte das Hampton Institute nur nach außen hin die Integration aller ausländischen Studenten.89 Auf Institutsveranstaltungen in Hampton präsentierte man den „girdle round the world", der Studenten aus Asien, Afrika und Südamerika gemeinsam mit African Americans und amerikanischen Indianern in sogenannter „traditioneller" Kleidung für eine Musikvorstellung zusammenbrachte und fotografisch dokumentierte. 90 Ausländische Studenten wurden regelrecht zur Schau gestellt und mußten Stammestänze und Rituale zelebrieren, Geschichten und Lieder aus ihrer Heimat vortragen und in Theaterstücken die Rollen des „witch doctor" und des „uncivilized heathen" übernehmen.91 Afrikanische Studenten trugen dadurch, ob gewollt oder ungewollt, dazu bei, daß die Vorstellung vom „wilden, unzivilisierten afrikanischen Kontinent" nicht revidiert wurde. Paul Nwecka Revere, ein Kru, der fünf Jahre die Missionsschule des Board of Foreign Missions of the Methodist Episcopal Church in Krutown besuch-
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te, danach als Lehrer tätig war und nach vielen Zwischenstationen von 1912 bis 1919 in Hampton studierte, schilderte seine Pläne fur die Rückkehr nach Liberia: ,4 am veiy grateful to the Omnipotent Power for the great responsibilities that await me in dark Africa. But I am more than thankful to the Great Jehovah for the possibilities of learning that I have today by being in Hampton Institute. These will scatter away darkness and set a great light; also will build a city in the jungles of Africa for our blessed Savior Christ Jesus, so that those neglected boys and girls over there may come... Some years ago I was very superstitious, ignorant, negligent, unsanitary, as these boys and girls are today. Therefore, I know the remedies positively well that will cure these dreadful diseases - education and Christianity."92 Paul N. Reveres Eltern waren keine Christen, und der junge Mann bezeichnete sich als „African witch doctor's son". Er berichtete auf verschiedenen Veranstaltungen über „life in heathen Africa" und merkte stets an, daß alle männlichen Mitglieder der Familie seines Vaters Medizinmänner gewesen seien. Eine Hierarchisierung der Studenten nach ihrem Herkunftsland war üblich. An der Spitze standen die Afroamerikaner, denen noch am ehesten Lernerfolge zugetraut wurden. Ihnen folgten die afrikanischen und die wenigen asiatischen und lateinamerikanischen Studenten, die in der Regel bereits Uber eine mehijährige Ausbildung an einer Missionsschule verfügten, bevor sie nach Hampton kamen. Aber trotz der in der Heimat erworbenen Schulbildung war das weiße Lehrpersonal nur in Ausnahmefällen davon Uberzeugt, daß die ausländischen Studenten die intellektuellen Fähigkeiten mitbrächten, die für eine weiterführende Ausbildung nötig seien. Die meisten dieser Studenten mußten ein Handwerk erlernen, z.B. als Schmied oder Tischler. Sie erhielten darüber hinaus nur wenig Gelegenheit, ihre Kenntnisse zu erweitern. An unterster Position der Hierarchie standen die amerikanischen Indianer. Da die meisten von ihnen sich immer wieder dieser als Ausbildung getarnten rassistischen Segregation zu entziehen suchten und zu ihren Familien zurückkehrten, galten sie als „nicht erziehbar" und damit nicht „zivilisierbar".93 Die Studenten aus Afrika gingen mit der Hoffnung in ihre Heimat zurück, die erworbenen Kenntnisse ihren Landsleute zu vermitteln und als Lehrer oder Missionare eine einflußreiche, wirtschaftlich gesicherte Position innerhalb ihrer Gesellschaft zu erlangen. Nur sehr wenige schafften es, ihren Traum zu verwirklichen und eine eigene Schule zu griinden bzw. die Leitung einer Bildungseinrichtung zu übernehmen. Sie betrachteten sich als der Teil der educated elite und sahen sich in der Rolle des Erlösers, der Afrika von den Plagen des Heidentums und der Barbarei erretten könne. Viele von ihnen scheiterten an der Aufgabe, da sie ihre Entwurzelung nicht rückgängig machen und ihre Distanz zur lokalen Bevölkerung nicht überbrücken konnten, so daß ihre „Botschaft" folglich nicht verstanden wurde.
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Claudius A. Clements - Zwischen Hampton und Sierra Leone Viele Afrikaner empfanden ihre Heimat nach ihrer Rückkehr als „rückständig, unzivilisiert und fremd" und erlebten nach ihrem Aufenthalt in den USA einen zweiten Kulturschock: „What a world of difference between the two places - America and Africa both end with the four last letter alike but a mighty change and contrast exists. In America education, religion and civilization abound, but in Africa darkness, yes, intellectual darkness broods over Africa with her millions. May be hasten the time when intellectual light will be send to Africa and other unchristianized settlements that peace and piety, religion and justice may be established amongst us throughout all generations."94 Diese Zeilen stammen von Claudius A. Clements, der 1865 in Freetown, Sierra Leone, geboren wurde und 1883 durch Vermittlung eines Missionars nach Hampton kam. Clements Familie waren Sherbro, die ihren Sohn als kleinen Jungen in die Obhut der amerikanischen Mendi Mission gegeben hatten. Clements besuchte die Schule auf der Station Good Hope in Bonthe, einem Handelsstützpunkt auf Sherbro Island. Der Junge lebte auf der Station ohne näheren Kontakt zur SherbroGesellschaft, die das lokale Umfeld von Good Hope prägte. Seine Bezugspersonen waren Missionare und die übrigen Mitarbeiter der Station. Seiner Familie entzogen, betrachtete der aufgeweckte Junge die Missionare und Lehrer als seine Vorbilder, denen er im Lebensstil nachzueifern versuchte. Neben Amerikanern und einigen „native helpers", lebten auf Good Hope auch Afrikaner, die auf Erfahrungen in den USA zurückgreifen konnten. Zu ihnen zählte Barnabas Root, der als Übersetzer tätig war. Er hatte zwischen 1864 und 1873 in den USA studiert, mit einem B.A. of Divinity abgeschlossen und danach an mehreren Colleges unterrichtet, bevor er 1874 in seine Heimat zurückkehrte.95 Die Berichte über Nordamerika faszinierten den Jungen Claudius, und er äußerte schon früh den Wunsch, ebenfalls in Amerika studieren zu können. Ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelte Claudius zu seinem afroamerikanischen Lehrer Ackrel E. White. White erteilte landwirtschaftlichen Unterricht in der aus zwei Klassenräumen bestehenden Schule, die regelmäßig von zirka 80 Kindern besucht wurde. Er hatte sein Studium am Hampton Institute 1876 abgeschlossen und ein Jahr später bei der Mendi Mission eine Anstellung als Lehrer angenommen. White erkannte Claudius' Talente und war entschlossen, den Jungen zu fördern. Als White 1881 in die USA zurückkehrte, begleiteten ihn der neunzehnjährige Buell Tucker und Claudius A. Clements.96 White setzte große Hoffnungen in die Fähigkeiten der beiden jungen Sherbro. Es gelang ihm, beiden Studienplätze am Hampton Institute zu vermitteln.
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Claudius Clements kam mit großen Erwartungen nach Amerika. Er begriff den Aufenthalt in Hampton als seine große Chance und war von Anfang an entschlossen, die Möglichkeiten, die ihm die Schule bot, zu nutzen. Nach einem erfolgreichen Schulabschluß wollte er in seine Heimat zurückkehren. Clements erwarb Grundkenntnisse in Englisch, Geschichte, Literatur, Grundlagen der Mathematik und der Wirtschaftskunde sowie „moral science", die den Schülern die moralischen Prinzipien der „Hampton education" gezielt vermittelt sollte. Darüber hinaus absolvierte er eine einjährige Lehre in der Werkstatt des Blechschmieds (tinshop). Im späteren Briefwechsel mit ehemaligen Lehrerinnen nach seiner Rückkehr nach Sierra Leone schwärmte Clements von seiner Zeit in Hampton als „the most profitable and enjoyable part of my life." Er bezeichnete das Institut als „'my alma mater' to which I am greatly indebted for my spritual and intellectual aspirations."97 Die Briefe an die Lehrerin Miss Cleaveland, die Clements teilweise „your son Claudius A. Clements" unterschrieb, sind Ausdruck des patriarchalischen Verhältnisses zwischen Lehrpersonen und Schülern.98 Clements und viele andere Schüler brachen nie völlig den Kontakt zu Hampton ab und wandten sich mit ihren Problemen und Bitten um Unterstützung an die ehemaligen Lehrer und Lehrerinnen. Miss Cleaveland erinnerte sich später an Claudius Clements als „earnest good little fellow, ... though a little pompous in his way of expressing himself."99 Die Bezeichnung „good little fellow" war ein Indiz fur die herablassende Haltung, die das Lehrpersonal insbesondere den Studenten aus Afrika entgegenbrachte. Die Kommilitonen, die einerseits Clements offene freundliche Art schätzten, sparten andererseits nicht mit Häme, wie das folgende Gedicht anläßlich seiner Verabschiedung verdeutlicht: „Tis a Roman Emporer, who ruled in olden days, Was by his weakness often led to walk in evil ways. Perhaps at no far distant day, Our Claudius may rule The sons of Afric's sunny land In some little mud-walled school. Then may he show a braver heart Than Claudius of old, And never weakly yield to wrong, But right prize more than gold."100 Das Gedicht vermittelt auch ein Gefühl der Überlegenheit, das die Amerikaner gegenüber dem angeblich so rückständigen afrikanischen Kontinent und seinen Bewohnern empfanden. Clements und viele der afrikanischen Studenten stimmten einerseits dem negativen amerikanischen Afrikabild zu, andererseits waren sie auch bemüht, die ihrer Ansicht nach positiven Seiten afrikanischer Lebensweise zu betonen. Wenn General Armstrong in seiner Lehrveranstaltung Claudius Clements mit den Worten „Let's hear from Africa" zu einem Bericht aufforderte, sah Clements sich veranlaßt, nur gute Nachrichten aus seiner Heimat zu verkünden. ,„Let's hear from Africa' implies good news, it means to report good record."101
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Auch nach Abschluß der Ausbildung in Hampton 1886 fühlte sich Ackrel E. White für Clements verantwortlich und war bemüht, ihn mit einem Arbeitsvertrag auf die Missionsstation in Sherbro Island zurückzuschicken. White fürchtete, der junge Studienabsolvent könnte ohne Missionsbeistand auf die schiefe Bahn geraten, und wandte sich an Samuel Armstrong mit der Bitte um Unterstützung. 1884 kehrte Clements in seine Heimat zurück und arbeitete zunächst durch die Vermittlung von General Armstrong an einer Schule in Freetown und dann in Wilberforce in untergeordneter Position als Hilfslehrer. 1888 nahm er eine Stelle als Lehrer und Prediger in Mano Bagru bei der Impereh Mission an. Die Mission gehörte zu den United Brethren in Christ (UBC), die in der Zwischenzeit die Stationen der Mendt Mission übernommen hatten.102 Weitgehend auf sich allein gestellt, ohne Unterstützung von White, der nicht nach Afrika zurückkehrte, hatte Clements Probleme, sich wieder in seiner Heimat zurecht zu finden. Vergebens versuchte er nach Hampton zurückzukehren, um seine Ausbildung fortzusetzen: „At present I am a school teacher, but not satisfied with that station, feeling that nothing much will be accomplished in the way of helping my dear brethren. I want to come back and take a collegiate course, if kind friends will lend a helping hand, at the expiration of two years, after which I shall feel fully equipped to send the Gospel far and wide to those who have not the opportunities that we are enjoying."103 Aber die Lehrer in Hampton reagierten nicht auf seine Bitten und beschränkten die Unterstützung für ihren ehemaligen Zögling auf die Versendung der Institutszeitschrift Southern Workman. Trotzdem beklagte sich Clements nicht, sondern war überzeugt, daß seine „alma mater" sich um ihn kümmern würde. Er war in Hampton zu einem devoten Untertanen erzogen worden, der die Entscheidungen seiner Vorgesetzten nicht in Frage stellte. 1888 heiratete er „a very lovely and christianly native girl".104 Doch bereits ein Jahr später starb seine Frau bei der Geburt von Zwillingen, von denen einer den Tod der Mutter nur wenige Tage überlebte. Ab 1890 schien sich Clements Leben zum Besseren zu wenden. Er erhielt eine Anstellung als Tutor an der Rufus Clark and Wife Theological School in Shenge. Die Schule war 1887 eröffnet worden und entwickelte sich schon bald zu einer der herausragenden Bildungseinrichtungen der UBC.105 Die Mission in Shenge wurde von Joseph Gomer geleitet, einem Afroamerikaner, der seit zwanzig Jahren in Sierra Leone wirkte und nicht nur bei der UBC, sondern auch unter der indigenen Bevölkerung großes Ansehen genoß.106 Noch im selben Jahr verließ Clements Shenge jedoch wieder. Auffällig ist, daß er im Jahresbericht der Mission in Shenge für 1890 keine Erwähnung fand und auch in den Jahren zuvor in den Listen der UBC noch nicht einmal als native assistant verzeichnet war, was die Vermutung nahe legt, daß er nicht
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direkt bei der UBC angestellt war, sondern über spezielle Fonds einzelner Missionare finanziert wurde. Vier Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Clements ein zweites Mal. Durch die Ehe mit der verwitweten Tochter von Reverend Moses Taylor, einem Creole101, hoffte er auch, seine Position innerhalb der Mission zu stärken. Obwohl ihm die Heirat den Zugang zur christlich westlichen Elite Sierra Leones öffnete, gelang es Clements nicht, seinen beruflichen Status entscheidend zu verbessern. Die Lehrerstelle, die ihm sein Schwiegervater in York vermittelte, befand sich an einer schlecht ausgestatteten Schule, die nicht mit den Ausbildungseinrichtungen der UBC vergleichbar war. Immer mehr Creoles schlössen sich den UBC an und übernahmen Leitungsfiinktionen auf den Stationen. Aber auch gut ausgebildete Vertreter der indigenen Bevölkerung konnten innerhalb der Missionshiearchie aufsteigen. Das herausragende Beispiel für die Integration von Einheimischen war Daniel Flickinger Wilberforce, der wie Clements der Ethnie der Sherbro angehörte. Voller Bewunderung verfolgte Clements den beruflichen und sozialen Aufstieg von Daniel Wilberforce. Wilberforce hatte, dank der Unterstützung einiger Missionare, zwischen 1871 und 1878 die High School in Dayton, Ohio besucht und leitete seit Beginn der 1890er Jahre die Schule in Shenge. Er verfügte über Kontakte zu den Radical Brethren in Christ, einer Abspaltung der UBC, die eine Station in Danville (bei Mano Bargru), in der Imperreh Region nordöstlich von Sherbro Island gegründet hatten. 1896 übernahm der inzwischen einunddreißigjährige Clements durch Vermittlung von Wilberforce in Danville eine Stelle als Lehrer und Prediger. Ungebrochen verfolgte er weiterhin seine Pläne von der Gründung eines kleinen Hampton in Afrika. Nachdem seine Bittbriefe nach Amerika unbeantwortet blieben, verlieh sich der unbedeutende Lehrer wie zum Trotz den Titel Reverend Professor Claudius Clements. Der einstige Hampton-SchUler ging sogar so weit, seine ehemalige Lehrerin zu instruieren, ihre Briefe an „The Rev. Prof. C.A. Clements" zu adressieren.108 Daniel Wilberforce, der innerhalb der UBC zum Chefideologen avancierte, sowie andere Vertreter der Mission zogen eine scharfe Trennungslinie zwischen christlicher Zivilisation auf der einen und „heidnischer Götzenverehrung" auf der anderen Seite. Auch Clements beklagte die vielen Sünden, derer sich die Afrikaner schuldig machen würden: „One cannot do too much for Africa: there is so much to do to suppress the many evils - idolatiy, superstition, and other sins. I am trying all the best I can to make my life an example to the people."109 Die Mehrzahl der lokalen politischen und sozialen Praktiken wurden unter dem Begriff der „Barbarei" subsumiert. Geradezu feindselig standen die Kirchenvertreter den so genannten Geheimgesellschaften gegenüber, die große Teile des Alltags bestimmten und zu denen sie keinen Zugang hatten.110 Wilberforce versuchte mit Hilfe seiner lokalen Kontakte seine Mutter genoß hohes Ansehen in der Bevölkerung - im Interesse der britischen
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Kolonialherrschaft und der christlichen Missionierung Sierra Leones, politisch aktiv Einfluß zu nehmen. Durch seine Aktivitäten schürte er das Mißtrauen der lokalen Autoritäten gegenüber der Mission. Nachdem Großbritannien 1896 das Inland Sierra Leones zum Protektorat erklärte und militärische Präsenz zeigte, verstärkte sich die feindselige Stimmung und richtete sich nun gegen alle, die mit der Kolonialmacht zusammenarbeiteten. Die Situation eskalierte, als die Briten 1897 die Einführung einer Haus- bzw. Huttensteuer im gesamten Protektorat proklamierten. Viele Mitglieder der UBC, unter ihnen auch Clements, stellten sich auf die Seite der Briten und unterstützten die Entscheidung. Sie erklärten die Steuer für gottgewollt und forderten ihre Kirchenmitglieder auf, die hut tax zu entrichten. Die lokale Bevölkerung, vor allem die Mende, weigerte sich vehement und verwies darauf, daß sie bereits auf die Einnahmen aus dem Sklavenhandel verzichtet hätten und über keinerlei finanzielle Reserven verfügten. Im April 1898 kam es zur offenen Rebellion gegen die Besteuerung. An vielen Orten im Mendegebiet brachen Aufstände aus. Die UBC interpretierten den so genannten ,,Mende Tax War" als einen Angriff auf die westliche Zivilisation, der von den Geheimgesellschaften geplant und organisiert worden sei, wofür es jedoch keine Belege gibt.111 Der Zorn der Bevölkerung richtete sich gegen alle, die als Repräsentanten bzw. Befürworter der britischen Kolonialmacht angesehen wurden. Das Verhältnis der Creoles zu den lokalen Ethnien hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschlechtert, als die Nachkommen der Recaptives begannen, das Umland der Kolonie Sierra Leone zu verlassen, und ihre Handelsaktivitäten auf die schwerer zugänglichen Gebiete der Mende ausdehnten. Viele lokale Herrscher betrachteten die zunehmende Präsenz der neuen Händlergruppe auch in Zusammenhang mit der Ausweitung der Missionstätigkeit als sozial und politisch bedrohlich. Sie fürchteten nicht nur wirtschaftliche Konkurrenz, sondern auch die Untergrabung der Autorität der Ältesten, die Beeinflussung der Jugend und damit die Gefahr der Auflösung der Dorfgemeinschaft. Nicht zuletzt sahen sie mit Sorge, daß besonders die Frauen durch die Angebote auf der Missionsstation neue Ideen und Wertvorstellungen in die Dörfer und Familien trugen. Eines der Hauptangriffsziele der Aufständischen waren die Missionsstationen der UBC. Rotifunk, Mano Bargru, Shenge und Taiama wurden großenteils zerstört. Während sich die Bewohner von Shenge rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, wurden Missionare auf den anderen Stationen von den Rebellen mit Macheten attackiert und auf grausame Weise umgebracht. Die Mission bei Mano Bargru, bei der Clements tätig war, fiel den Aufständischen zum Opfer. Claudius Clements und sein Kollege Joseph Hughes, ebenfalls ein Sherbro, wurden ermordet und die Gebäude der Station niedergebrannt. Wie viele einheimische Missionsangehörige insgesamt umgebracht wurden, ist nicht bekannt. Fünf amerikanische Missionarinnen
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und zwei Missionare der UBC verloren ebenfalls ihr Leben. Wilberforce konnte entfliehen und die britischen Truppen alarmieren. Die Briten schlugen den Aufstand blutig nieder und setzten eine Royal Commission zur Untersuchung der Vorgänge ein. Die Kommission kam zu dem Schluß, daß die zwangsmäßige Eintreibung der Steuern der Auslöser fur die Rebellion gewesen sei.112 Geschockt verließen die überlebenden Missionare das Land und kehrten in die USA zurück, nahmen allerdings wenige Monate später ihre Arbeit in Sierra Leone wieder auf. Das weitere Schicksal von Claudius Clements' Familie ist ungewiß. Einer der Missionare berichtete, daß Mrs Clements gemeinsam mit ihrem Mann ermordet worden sei.113 Andere Quellen behaupten, Clements habe sich für seine Frau, die von den Rebellen umgebracht werden sollte, geopfert.114 Auch ein ehemaliger Kollege von Clements namens Thompson, der zur Zeit des Aufstandes in England war, bestätigte diese Version: „Mr. Thompson says that Mrs Clements, whose life her husband managed to save at the expense of his own, is still living in Freetown with her own relatives who are among the best of its native families. She is highly respected, and Mr. Clements' memory is still gratefully cherished by many of his former pupils and associates."115 Die Lebensgeschichte von Claudius Clements, die hier stellvertretend fiir viele afrikanische Missionsbiografien steht, zeigt, wie stark die ausländischen Missionen und Ausbildung in den USA auf die Afrikaner einwirkten, ohne jedoch die vielen Hoffnungen, die bei den afrikanischen Konvertiten geweckt wurden, zu erfüllen. Doch nicht nur Clements scheiterte mit seinem Wunsch, auf dem afrikanischen Kontinent ein Hampton zu errichten und dadurch Anerkennung und Prestige zu gewinnen. Auch unter den Afroamerikanern, die ihr Glück auf dem „Missionsfeld" in Afrika suchten, erreichten nur sehr wenige ihre hoch gesteckten Ziele. Kennzeichnend für sie alle war, daß sie zumindest nach außen hin einen unerschütterlichen Optimismus bewahrten und stets Zuversicht zu demonstrieren suchten. Dank eines großen Gottvertrauens haderten sie nicht mit dem Schicksal, sondern schienen davon überzeugt zu sein, mit göttlicher Hilfe alle Probleme meistern zu können. Vielleicht aber fugten sie sich auch nur in das Unvermeidliche. Schwierigkeiten mit Kollegen oder der häufige Wechsel der Wirkungsstätte, wie im Fall von Clements, sind jedoch Indizien für persönliche Probleme und Unzufriedenheit.
William Schofield - „A Hampton Pioneer in Liberia "116 William Schofield aus Virginia beendete 1886 im Alter von 20 Jahren ein dreijähriges Studium am Hampton Institute und reiste im darauf folgenden Jahr als „mecha-
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nie and missionary" nach Liberia. Neben einer praktischen Ausbildung als Schuhmacher, Zimmermann und Schmied hatte Schofield die „Pastor's Class for Bible Study" absolviert und war in der Third Colored Baptist Church in Hampton ordiniert worden. Ausschlaggebend filr William Schofields Entschluß, nach Afrika zu gehen, war der Besuch von Mary A. Scott 1886 in Hampton. Scott war 1876 als weiße Missionarin im Auftrag des Foreign Mission Board of the Episcopal Methodist Church (FMBEMC) in Monrovia tätig gewesen und hatte, nach ihrem Zerwürfnis mit dieser Organisation, eine eigene industrial and mission school in Krutown gegründet. Auf einer Goodwill-Tour versuchte sie, Geld für ihr Projekt zu sammeln und Lehrpersonal zu werben. Der Board of Trustees des Hampton Institute unterstützte sie mit einer Spende, und'der junge, unerfahrene William Schofield fühlte sich von Mary Scotts Angebot, in Liberia eine Stelle als Lehrer zu übernehmen, angesprochen: „To Schofield's mind and heart the call seemed clearly the call of God, and was accepted with full and joyful consecration."1'7 Schofield arbeitete zunächst in der Schule von Scott, doch offensichtlich geriet er mit seiner Vorgesetzten in Konflikt und entschloß sich schließlich, Krutown zu verlassen und auf eigenen Füßen zu stehen. In späteren Briefen beklagte er sich bitter über Miss Scott, die seiner Meinung nach die Spendengelder verschleuderte: „Miss Scott I am sorry to say has made a complete failure... If I had one tenth of what Miss Scott has wasted I could make one of the most flourishing missions on the coast", schrieb er an seine ehemalige Lehrerin Miss Cleaveland.118 Schofield ließ sich in Fortsville in der Provinz Grand Bassa nieder, schloß sich keiner Missionsgesellschaft an und war finanziell völlig auf sich allein gestellt. Er predigte, allerdings ohne großen Erfolg, errichtete eine kleine Schule, unterrichtete seine erlernten handwerklichen Fähigkeiten und begann, für seinen Lebensunterhalt Kaffee anzubauen und sich weitgehend selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Seine Briefe klingen nicht enthusiastisch, sondern eher melancholisch, aber sie zeugen von Schofields festem Willen, sich in „this far off countiy in Africa" eine Existenz zu schaffen. Er berichtete detailliert über Anbauprodukte, die üppige Vegetation, Preise und Handelsmöglichkeiten. In sehr sachlichem Ton schrieb er 1889 an Miss Cleaveland über seine Heirat mit der sechs Jahre älteren afroamerikanischen Witwe Lula Hunter: „I have changed from a single life to a married one... I am sure that my equals are hard to find in this country. But by taking a widow that was persecuted as I was for righteousness sake, I found one in whom I find pleasure. She is about 29 years old & has good qualities. She talks the native language almost as well as she can English."119 Schofield hatte jahrelang mit finanziellen Problemen zu kämpfen und wohnte sehr beengt bei der Familie seiner Frau. Als er schließlich mit seiner Kaffeefarm Gewin-
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ne erwirtschaftet hatte, rückte sein großes Ziel wieder in greifbare Nähe: „...to make a Hampton here in Liberia and a General Armstrong out of a black man in Africa." 1898 gründete Schofield gemeinsam mit seinem Schwager A.C. Reeves und seinem Schwiegervater das Reeves Institute. Die Einrichtung begann ihre Tätigkeit mit drei Lehrern (wahrscheinlich die drei Gründer) und 125 Schülern. In erster Linie bot das Institut eine handwerkliche Ausbildung an. Schofield bezeichnete das Reeves Institute als „training School on the Hampton plan" und bot selbst Kurse in der Landwirtschaft sowie eine Lehre in seiner Schmiede an. In seinen Briefen bat er inständig um personelle Unterstützung: „For if ever a country, a Nation or a tribe of people needs skilled workman it is here. My appeal for skilled workman is an earnest one & I feel that Hamptons sons are the best for this new Country for they are like cats if you throw them out of the window they will land on their feet. & that is what we need here." ... ,4 must again repeat my call for the Hampton Sons and Daughters to come to Liberia and help to make this a negro countiy. If I could reach into America and grab a thousand of the Hampton children and set them here Liberia would not know herself in five years time."120 Trotz eines verheißungsvollen Beginns hatte das Reeves Institute in den folgenden Jahren große finanzielle Probleme und stand ständig kurz vor der Schließung. Schofield wurde seit 1897 von schwerem Rheuma geplagt und konnte nur noch bedingt unterrichteten. Aber als Schofield 1900 das Angebot erhielt, für $3000 einen größeren Gebäudekomplex und eine Kaffeefarm zu erwerben, machte er Pläne für eine Ergänzung des Instituts durch eine Landwirtschaftschule. Voller Hoffnung wandte sich Schofield an den Direktor des Hampton Institute, Hollis Frissell, mit der Bitte, den Komplex für Hampton zu erwerben oder zumindest für ihn eine Bürgschaft zu übernehmen: ,4 hope you will remember that I wrote to Sen. Armstrong that when I had found a piece of Great value. I would secure it for Hampton. Now I pray that ... the Trustee will buy it for Hamptons work in Arifca. And if they can not buy it & pay for it please be my security and I will buy it & pay for it as a foresaid in statements by making the place pay for itself."121 Obgleich Schofield große Anstrengungen unternahm, kam kein Kaufvertrag zustande, da der Vorbesitzer Grundstück und Farm an eine Missionsgesellschaft veräußerte. Ob Rev. Frissell zum Kauf des Projekts oder zumindest zu einer Bürgschaft bereit gewesen wäre, läßt sich aus der Korrespondenz nicht eindeutig belegen. Sicher ist, daß das Hampton Institute weder finanziell noch personell William Schofields „Hampton in Afrika" unterstützte. Aber Schofield gab nicht auf und konnte schließlich das Lehrangebot am Reeves Institute beträchtlich erweitern. In einem Brief an den Southern Workman berichtete der ehemalige Hampton-Schüler stolz von der Schule:
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„Allow me to make a few statements concerning our school. It is undenominational in its religious principles. Its purpose is to train preachers, teacher and leaders for the Negro in Africa, which is Africas greatest need. Here the heathen boys and girls are trained to work with their own hands in every branch of Industry. Farming, carpentering, cooking, dressmaking, Photography, Housekeeping, & etc are taught in this School."122 Schofield schilderte die Schule als eine Oase inmitten eines „dark and wild land". Während es ihm gelang, um die Schul- und Wohnanlage herum die Natur im Zaum zu halten, tat er sich schwer, über den Unterricht hinaus engere Kontakte zur Bevölkerung aufzunehmen. Obwohl er die gemeinsame Herkunft nicht leugnete, hatte er doch auch Zweifel, jemals in der Lage zu sein, diesen Menschen die Errungenschaften der westlichen Zivilisation zu vermitteln: „Of course you know that these are wild naked people all around us... So you just can imagine how one feels who loves his race and the souls of men and his heart runs out to help them and his hands are short & he cant help them not even the best of them who can read by giving them a book or Bible or Testament."123 Seit 1904 verschlimmerte sich Schofields Krankheit zusehends, so daß er schließlich nicht mehr arbeiten konnte und zeitweise an das Bett gefesselt war. In den folgenden Jahren dokumentierten Schofields Briefe das Fortschreiten der Krankheit, gegen die er sich einerseits zu wehren versuchte, die er aber andererseits als göttliche Entscheidung akzeptierte. Im Januar 1907 wendete sich Schofield zum letzten Mal an Direktor Frissell und bat ihn um Geld, um im Sommer Liberia vorübergehend zu verlassen und seine Krankheit in den USA auszukurieren. Aber Schofields Entschluß, ärztliche Hilfe in seiner Heimat in Anspruch zu nehmen, kam zu spät. William Schofield verstarb am 4. April 1907 in Fortsville, Grand Bassa, Liberia. 124 Der Southern Workman schrieb in einem kurzen Nachruf auf Schofield: »His ambition was to start a young Hampton in that far off land, but lack of funds and poor health prevented him from fully carrying out his purpose, though his work was always in line with the ideas he had gained at Hampton, and he deserved credit for what he was able to accomplish."125 Trotz der unterschiedlichen Herkunft markierte der Aufenthalt am Hampton Institute einen Einschnitt in den Biographien von Claudius Clements und William Schofield und bestimmte entscheidend ihren weiteren Lebensweg. Beide kamen in jungen Jahren zum Studium nach Hampton und hielten, wie die Mehrzahl der Hampton-Absolventen, den Kontakt nach Amerika durch die Korrespondenz mit ihren ehemaligen Lehrern und Lehrerinnen aufrecht. Während Claudius Clements ein ungetrübt positives Amerikabild verinnerlichte und seine ehemaligen Lehrerinnen inständig um eine Fortsetzung seiner Ausbildung in den USA bat, kam für William
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Schofield eine Rückkehr nach Amerika nur unter bestimmten Bedingungen in Frage: „...I am not willing to return to America even on a visit, until some one comes from Hampton to take my place."126 Die Schmach, als Gescheiterter seinen Lehrern in Hampton wieder gegenüberzutreten, empfand Schofield als zu groß. Liberia blieb ihm sein Leben lang fremd. Er fand keine Zeit zum Reisen und erlebte das Land nicht in seiner Vielfalt. Wenn auch das Hampton Institute zwischen seinen afroamerikanischen und afrikanischen Studenten deutlich unterschied, verblaßten die angeblichen Unterschiede in dem Moment, als die ehemaligen Zöglinge sich Afrika zuwendeten. Trotz aufopfernder Tätigkeit erhielten Clements und Schofield keinerlei nennenswerte Unterstützung und Zuwendungen aus den USA, abgesehen von einigen aufmunternden Briefen, einem Abonnement des Southern Workman und der Möglichkeit, darin zu veröffentlichen. Auch Clements und Schofield verfaßten einen Teil ihrer Korrespondenz in der Hoffnung auf Veröffentlichung im Southern Workmant. Der Abdruck von Briefen bzw. Briefauszügen stärkte das Selbstvertrauen und vermittelte das Gefühl, daß die eigene Arbeit in den USA gewürdigt wurde. Im Gegensatz zum Lehrpersonal in Hampton, das den Wunsch nach Veröffentlichung unterstützte und voller Stolz die Hampton-Pioniere in Afrika präsentierte, äußerten Vertreter amerikanischer Missionsgesellschaften auch Kritik an dieser Form der Selbstdarstellung. Sie warfen besonders den afrikanischen Konvertiten Überheblichkeit und Geltungssucht vor: „They were filled with conceit upon reading their letters to America printed in the American Missionary along with descriptive and complimentary material. ... Reading about themselves in such light, they actually believed themselves to be ,patterns of godliness and perfection in morals'."127 Im Gegensatz zu Schofield und Clements war Paul Nyecka Revere in der Lage, die Chancen und Möglichkeiten der Publikationen für sich zu nutzen. Revere verfaßte nicht nur selbst eine kleine Autobiografie, sondern es existieren über ihn mehrere Berichte, die im Missionsumfeld Beachtung fanden.128 Revere, ein Kru aus Liberia, hatte konkrete Berufsvorstellungen, als er nach mehreren Anläufen und mit Unterstützung der Practical Bible Training School in Binghampton, NY, 1912 in Hampton eintraf. Er strebte eine Ausbildung zum Mechaniker an und erwarb darüber hinaus Kenntnisse in der Landwirtschaft und Buchhaltung. In den students work reports wurden ihm gutes Benehmen und guter Willen bescheinigt, aber seine fehlende Auffassungsgabe bemängelt: „Very slow to see into anything; will never make a good machinist."129 Paul Revere erwies sich jedoch als guter Manager und geschickt in der Requirierung von Finanzmitteln. Die Schiffspassage für seine Rückkehr 1920 nach Liberia bezahlte ihm die International Union Mission (IUM).
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In der Heimat erwartete ihn eine schwierige Situation. Die von Mary Sharp geleitete Schule, die er besucht hatte, und die Kirche waren nach dem Tod der Missionarin zerstört worden und die Gemeindemitglieder waren verschwunden. Paul Revere begann mit dem Neuaufbau der Gemeinde. Er errichtete eine Missionsstation, setzte als Leiter den Kru Robert W. Fulton ein und begann bald darauf, Außenstationen zu gründen. 1925 und 1932 unternahm er zwei Reisen in die USA, um für die Mary Sharp Memorial Mission Geld zu sammeln. 1925 hatte Revere mehrere Empfehlungsschreiben im Gepäck, die seine Verbundenheit mit seinem Volk, den Kru, demonstrierten. paramount cAz'e/Warkoh Nah und sein Stellvertreter Targbeh Nyeneh aus der Sinoe Provinz äußerten sich über Revere in einem Brief an die IUM: „Dear Friends Across the Sea: Many thanks to Almighty God to each and eveiy one of you who have participated in the education and training of our son and brother Yonor Nyechan, alias Paul N. Revere. He is a blessing to us. Long, long years we have been groping in darkness and superstition with hardly no knowledge of God, but now we are thankful to say that Paul has given us the light that we have been looking for... Dear Friends, do not hesitate in helping Paul in any way that you can. ...We cannot afford for Paul to be away from us very long, so please send him back as soon as you can... We remain, yours in dark Africa."130 Die IUM übernahm die von Revere gegründete Mary Sharp Memorial Mission und ernannte ihn zum Superintendenten. Nach der Konsolidierung der Mission verfolgte Revere seine Pläne für ein kleines Hampton in Liberia. In seiner Funktion als Superintendent wendete er sich direkt an F.K. Rogers, den Finanzverwalter des Hampton Institute, und bat um personeile Unterstützung für seinen Plan: ,4t is my sincere desire to start a small Hampton Institute out here in Liberia; that is, to establish an Institution based upon principles of ,01d Hampton'... I wish it were possible to secure the services of for efficient teachers to be employed in the service of the Mission. We want an expert Agriculturist, ... an efficient carpenter,... and one who is well versed in sewing timbers, etc. We would like a young lady who is well versed in Domestic Science and both vocal and instrumental music..."131 Revere verschickte Kopien seines Schreibens auch an Mitglieder der Fakultät, verbunden mit einer Informationsbroschüre zur Mary Sharp Memorial Mission und einem Spendenaufruf. Leider geben die Quellen keine Hinweise, ob Paul Revere mit seiner Aktion Erfolg hatte, da über sein weiteres Schicksal nichts bekannt ist.132 Paul Revere war in der Lage, finanzielle Unterstützung zu erlangen und seine Kontakte zu den USA durch mehrere Reisen zu festigen. Für die Lehrer in Hampton präsentierte er den Erfolg westlicher Bildung und Missionierung. Er verstand es, den Einfluß weißer Amerikaner, wie beispielsweise Mary A. Sharp, zu nutzen, ohne sich völlig in ihre Abhängigkeit zu begeben. Trotz seiner Konversion zum Christen-
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tum isolierte er sich nicht von seiner Heimatregion wie etwa Claudius Clements, sondern es gelang ihm, unter den Kru Anerkennung zu finden. Die Kru zählten allerdings zu den Ethnien, die schon frühzeitig regelmäßige Kontakte zu Amerikanern und Europäern unterhielten. Als Schiffsbesatzungen waren sie seit Beginn des 19. Jahrhunderts auf Handelsschiffen tätig. Es scheint, als ob sich Paul Revere stärker an den tatsächlichen Gegebenheiten in Liberia orientierte und deshalb erfolgreicher war als Claudius Clements oder William Schofield, deren zu hoch gesteckte Ziele sich nicht mit der afrikanischen Realität vereinbaren ließen. Hierbei darf nicht übersehen werden, daß Schofield und Clements zu den Pionieren zählten und größere Schwierigkeiten zu Uberwinden hatten als Revere 20 Jahre später. Die Gruppe der Afrikaner, die nach einer Ausbildung in den USA im Auftrag einer amerikanischen Missionsgesellschaft in ihrer Heimat eine Beschäftigung fanden, umfaßte nur eine sehr kleine Anzahl von Personen. Für die Zeit bis zirka 1920 liegen im Archiv der heutigen Hampton University biografische Angaben zu insgesamt zehn Afrikanern vor. Darüber hinaus gibt es in den Archiven weiterer block Colleges Material zu einer nicht genau erfaßten Anzahl ehemaliger afrikanischer Studenten
„Black Man's Bürden?" - Afroamerikanische Missionsarbeit in Afrika Die Gruppe der African Americans, die in Afrika als Missionare Dienst taten, blieb zahlenmäßig gering,133 aber sie beeinflußten dennoch in erheblichem Maße das afroamerikanische Verhältnis zu Afrika. Ihe Funktion als Multiplikatoren darf nicht unterschätzt werden. Die Missionare hatten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts den kontinuierlichsten Kontakt zum afrikanischen Kontinent. Bis zum Ersten Weltkrieg unterhielten Missionare die engsten und dauerhaftesten Kontakte zu Afrika und prägten das afroamerikanische Afrikabild am nachhaltigsten. Sie betrachteten sich als Repräsentanten des „zivilisierten und christianisierten" Amerika und sahen es als ihre moralische Verpflichtung an, Afrika von „Heidentum und Barbarei" zu „befreien". Allerdings erklärten sich nur wenige Afroamerikaner bereit, die Reise über den Atlantik auch anzutreten und ihrer „Obligation" nachzukommen. Die afroamerikanischen Missionsbestrebungen im 19. Jahrhundert wurden deshalb durch einzelne Persönlichkeiten, Frauen wie Männer, geprägt, die um eine Intensivierung des Verhältnisses zu Afrika bemüht waren und, vielfach in Eigeninitiative, die Evangelisierung auf dem Kontinent ihrer Vorfahren voranzutreiben suchten. Viele dieser selbst ernannten „redeemers of heathen Africa" gelangten zu großer Popularität innerhalb der black communities, und ihre Biografien sind bis heute ein wichtiger Bestandteil der afroamerikanischen Geschichtsschreibung: „The missionary movement
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to Africa provided a microcosm of the American blacks' complex world,... partaking of all its confusions and controversities, its struggles, disappointments, and accomplishments."134 Lott Cary zählt zu den ersten Afroamerikanern, die als Missionare nach Afrika gingen. Um 1780 als Sklave in Richmond, Virginia, geboren, schloß sich Caiy schon früh der Richmond Baptist Church an. 1813 konnte er sich freikaufen und arbeitete anschließend in einer Tabakfabrik. 1821 ging er im Auftrag der African Baptist Missionary Society in Richmond nach Westafrika.135 Nach einem kurzen Aufenthalt in Sierra Leone siedelte Cary nach Monrovia, Liberia, über. Cary fiihlte sich berufen, „to preach the way of life and salvation to the poor Africa."136 Er gründete eine Kirche und richtete eine Schule ein. Cary gehörte der kleinen ameriko-liberianischen Herrscheroligarchie Liberias an, war aber um eine Intensivierung der Beziehungen zur afrikanischen Bevölkerung bemüht. Mit dieser Haltung unterschied er sich nicht nur deutlich von der Mehrheit der amerikanischen Siedler, sondern er geriet auch zusehends in Konflikt mit der American Colonization Society (ACS). Während die ACS Carys Aufgaben im Bereich der religiösen und schulischen Betreuung der Ameriko-Liberianer und der neuen Siedlergruppen wie den recaptivesni sah, war Cary vor allem an der Christianisierung der indigenen Bevölkerung interessiert. Die Taufe eines Jungen aus Cape Mount, der sich auf den Weg nach Monrovia gemacht hatte, um Caiys Schule zu besuchen, erfüllte den amerikanischen Missionar mit Zufriedenheit und bestärkte ihn in seinem christlichen Auftrag.138 In den folgenden Jahren arrangierte sich Cary mit der ACS und kümmerte sich seit März 1828 als acting colonial agent um die Belange der kleinen Ansiedlung um das Zentrum Monrovia. Er widmete sich nun hauptsächlich weltlichen Angelegenheiten wie der Versorgung der Siedler, deren Pionierleben durch regelmäßige gewaltsame Angriffe der lokalen Ethnien erschwert wurde, da diese das Eindringen der Ameriko-Liberianer zu verhindern suchten. Der Missionar Eider Lott Cary, wie er inzwischen genannt wurde, verstarb im November 1828 durch eine Explosion bei der Einrichtung eines Waffenlagers. Der tragische Tod Lott Carys veranlaßte die Missionarskollegen in den USA zu Lobeshymnen auf das Lebenswerk Carys als „agent of Divine Providence and the architect of a prosporous and growing church in Africa. He was entitled to the unrestrained praise of his people."139 Die frühen afroamerikanischen Missionsaktivitäten konzentrierten sich auf Liberia. Im „Land of Liberty" übernahmen Missionare auch Verwaltungsaufgaben, engagierten sich als Händler und beteiligten sich an der Regierung. Die Missionsgesellschaften, die für eine Trennung zwischen religiösen und politischen Funktionen plädierten, konnten sich in der Praxis nicht durchsetzen. Wie Lott Cary sahen sich Missionare in Afrika mit vielfältigen Aufgaben konfrontiert, denen sie sich weder entziehen konnten noch wollten. Der Baptist Board of Foreign Missions hatte Cary
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vor seiner Abreise nach Liberia nahegelegt, „...to have as little to do as possible with what may be called the politics of the country. Be content with the silence so devinely exemplified in the Lord Jesus and his apostles, to render unto Caesar the things which are Caesar's ..."14° Cary hielt sich nicht an diese Anordnung, und William Poe merkt zurecht an: „The history of Liberia would have been infinitely less interesting had this injunction been followed."141 Bis zur Jahrhundertwende reiste die Mehrheit der afroamerikanischen Missionare und Missionarinnen im Auftrag weißer Missionsgesellschaften nach Afrika. Die weißen mainline churches dominierten die Missionsbewegung und boten auch African Americans die Chance zu einer Tätigkeit auf dem afrikanischen Kontinent. Die mission boards wendeten besonders bei Afroamerikanern striktere Auswahlverfahren an. Häufig waren sie dennoch auf afroamerikanische Freiwillige angewiesen, da weiße Amerikaner kein großes Interesse an Afrika zeigten und beispielsweise den Dienst in Asien vorzogen. Zwei Beweggründe waren ausschlaggegend für die Entsendung von Afroamerikanern in das subsaharische Afrika. Zum einen herrschte die irrige Auffassung, African Americans könnten sich auf Grund ihrer afrikanischen Wurzeln besser den klimatischen Bedingungen auf dem afrikanischen Kontinent anpassen als ihre weißen Kollegen. So wurden sie auch ausschließlich in den Regionen West- und Zentralafrikas eingesetzt, in denen die klimatischen Bedingungen ein hohes Gesundheitsrisiko bedeuteten. Das zentrale Hochland von Kenia und Südafrika blieb Weißen vorbehalten. Zum anderen wurde behauptet, da African Americans über eine starke Affinität zur afrikanischen Bevölkerung verfügten, wären sie geradezu prädestiniert fur die Arbeit in Afrika: „Because of the black American's racial kinship to Africans, it was argued that he had the quality of superior fitness for evangelizing work in Africa. Better adaptability to the African climatic conditions was claimed."142 Während die erste Behauptung trotz empirischer Gegenbeweise143 nur sehr allmählich ins Wanken geriet und auch Afroamerikaner diese Überzeugung vertraten144, wurden den Afroamerikanern seit der Durchsetzung der Jim Crow Laws in den USA die intellektuellen Fähigkeiten zur Lehr- und Missionstätigkeit von vornherein abgesprochen. Obwohl sich die Nord- und Südstaatenkongregationen in ihrem Verhalten gegenüber den afroamerikanischen Kirchenmitgliedern und Aspiranten für den Missionsdienst unterschieden, läßt sich seit der Jahrhundertwende der allgemeiner Trend zur Ausgrenzung von Afroamerikanern aus politischen Ämtern und Funktionen auch für den Missionsdienst belegen. Die foreign mission boards nahmen bei der Rekrutierung von Missionaren und Missionshelfern zunehmend eine restriktive Haltung gegenüber African Americans ein. Bei einer Befragung zur Einstellung von Afroamerikanern in den Missionsdienst Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts äußerten sich Schriftführer und Missionare verschiedenster Missionsgesellschaften skeptisch und häufig negativ
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über den Einsatz von Afroamerikanern auf dem „Missionsfeld".145 Eine Ausnahme war der Board of Foreign Missions, Reformed Church, dessen Vertreter zur Frage nach Problemen mit afroamerikanischen Missionsangehörigen kurz erklärte: „The problem has never arisen in this Board." Den Einsatz von African Americans in Missionen außerhalb des afrikanischen Kontinents schlössen die foreign mission boards von vornherein aus. Mr. H.H. Coleman von der North East India General Mission, Inc. bestätigte diese Haltung: „... permit me to say that our work is exclusively in India among the people of Northeast India, and we do not, therefore, have any dealings with Negroes."146 Foreign mission boards begründeten die geringe Anzahl von afroamerikanischen Missionare in erster Linie mit der fehlenden Qualifikation.147 Nur wenige der Befragten sprachen sich grundsätzlich gegen die Einstellung von Afroamerikanern aus, bezweifelten jedoch, daß die afrikanische Bevölkerung African Americans den nötigen Respekt entgegenbringen würde: „I can truthfully say that personally I would welcome American Negroes as associates or as executives over me in a Mission - if they were light enough in color to be considered white missionaries ... because I sincerely think that American Negroes as dark as our Nationals in Africa would not be considered by the Nationals as anything but their equal..."148 Vertreter einiger SUdstaatenkirchen sprachen sich offen gegen die Beschäftigung von African Americans aus. George Sadler von der Southern Baptist Convention erklärte seine ablehnende Haltung folgendermaßen: ,4t did not take me long to discover that the sending of Negroes by our Board would be a source of embarrassment to the missionaries who are already under appointment... there is still a great deal of race prejudice in the South. You can easily conclude that it would be not easy for southern Negroes and southern white persons to work together as intimately as the common task would require in Nigeria."149 F. B. Whisler von der Church of God (Holiness) empfand ähnlich wie Sadler: „We have been very impartial, and have no race discrimination whatsoever, as all are one in Christ Jesus, but in case of equal status with white missionaries just hasn't worked satisfactorily with us." Die zunehmende Weigerung der europäischen Kolonialmächte, afroamerikanischen Missionaren die Einreise zu gestatten, wurde ebenfalls als Grund für den Verzicht auf African Americans im afrikanischen Missionsdienst angeführt. Unter dem Eindruck von Marcus Garveys United Negro Improvement Association und seiner Forderung .Africa for the Africans" sowie aus Angst vor Unruhen erteilten die britische und die belgische Kolonialregierung in Nigeria und in Belgisch Kongo eine Zeitlang nur noch weißen Missionsangehörigen eine Aufenthaltsgenehmigung. Tat-
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sächlich leistet aber nur eine kleine Minderheit der Missionare offenen Widerstand gegen die Politik der Kolonialadministration.150 In den meisten Fällen beschränkten sich die Missionen auf verbale Appelle oder versuchten zu vermitteln, ohne deutlich für eine Seite Position zu beziehen. Die Regierung Liberias sprach sich ebenfalls gegen wachsende afroamerikanische Präsenz in ihrem Land aus. Ausschlaggebend für diese Haltung war die Kritik der African Americans an der ameriko-liberianischen Politik gegenüber der indigenen Bevölkerung. Insgesamt gesehen lieferten all die Restriktionen, die erst seit Anfang 1920 in Kraft traten, keine ausreichende Erklärung für die antiafroamerikanische Personalpolitik der foreign mission boards. Es ist hingegen offensichtlich, daß die soziale Stimmung in den USA, die sich zunehmend gegen die Afroamerikaner richtete, negative Implikationen für die Einstellungsmodi der Missionsausschüsse und das Zusammenleben zwischen Weißen und Schwarzen auf den Missionsstationen hatte. Nur wenige der Befragten besannen sich auf ihre christliche Verantwortung wie Charles L. Crane von der American Presbyterian Congo Mission: „Any missionary who would not be willing to work in cordial relations with a brother of another race or color is hardly fitted himself for foreign missionary service."1S1 Der Einfluß der Rassentrennung in den USA drückte sich auch in der Forderung nach getrennten Missionen für weiße Amerikaner und African Americans aus. Vielgepriesenes Beispiel für eine segregierte Mission war die ausschließlich von Afroamerikanern geführte Station Galangue in Angola, die 1919 von Reverend Henry Curtis McDowell und seiner Frau gegründet und 1924 von Reverend Samuel Coles und Frau übernommen worden war. Unter Coles, der wie McDowell der Negro Congregational Church angehörte, entwickelte sich Galangue zur sogenannten afroamerikanischen Mustermission. Coles verstand sich als agricultural missionary und sah neben der Glaubensverkündigung seine Hauptaufgabe in der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und in der Schaffung eines vielfältigen Angebots praktischer Ausbildungsmöglichkeiten für die indigene Bevölkerung. Coles beschrieb die Arbeit des Missionars folgendermaßen: ,4 am not saying that any missionaiy should give up Bible training to be an ox driver. These people need the word of God badly. They receive it eagerly. But at present they are thinking of a better life in terms of everyday things around them - food, clothing and better shelter. The missionary must see this and help them to meet these immediate demands."152 Die Galangue Mission prosperierte dank Coles' effizienter Führung und wurde zu einem christlichen Ausbildungszentrum „where American Negroes are serving Africa".153 Coles strebte als langfristiges Ziel seiner Arbeit die weitgehende Selbst-
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Versorgung der Mission in wirtschaftlicher wie in spiritueller Hinsicht und die Einrichtung weiterer unabhängiger indigener Kirchen an: „We of the Galangue want to ... develop the rural churches and communities that they will become self-supporting and independent. We are praying for the day to come when not only the churches of Galangue will become selfsupporting, but all the churches of Africa will take their places among the churches of the world and make their contribution to the advancement of Christianity. This is going to come about just in proportion as the people are taught fundamental principles of Christianity along with sanitaiy methods of living and scientific methods of agriculture."154 Samuel Coles war über 30 Jahre in Angola tätig und genoß als „preacher with a plow", wie er sich selbst bezeichnete, vor allem unter weißen Missionsvertretern großes Wohlwollen. Er entsprach der zugeordneten Rolle des praxisorientierten, zupackenden, loyalen und „friedfertigen" Afroamerikaners, der sich mit dem ihm zugewiesenen Platz in der weißen Gesellschaft zufrieden gab. Abgesehen von Galangue existierte nur eine kleine Anzahl „segregierter" Missionsstationen - abgesehen von Missionsstationen, die unter der Leitung afroamerikanischer Kirchen standen. Weiße Missionarsanwärter lehnten es von vornherein ab, etwa an Einrichtungen der A ME Church tätig zu werden.155 Die Beteiligung der Afroamerikaner an der African mission hing von einer Vielzahl persönlicher Beweggründe ab, aber auch von politischen und gesellschaftlichen Konstellationen und Entwicklungen innerhalb der USA. Offiziell stand der Wunsch „to take part" im Mittelpunkt, aber neben dem religiösen Auftrag bestimmten wirtschaftliche Aspekte wie der berufliche Aufstieg und ein gesichertes Einkommen, manchmal auch gepaart mit einem Schuß Abenteuerlust, die Entscheidung für den Missionsdienst. Allerdings äußerten sich die afroamerikanischen Missionare und Missionarinnen nur selten explizit zu den Beweggründen fUr ihre Hinwendung nach Afrika. Die Arbeit für eine afrikanische Mission entsprang dem starken Bedürfnis, einen eigenen Beitrag zu Christianisierung Afrikas zu leisten, konnte aber auch mit dem Versuch verbunden sein, sich den Repressionsmechanismen in den USA zu entziehen. Autoren wie Lillie Johnson interpretieren das Engagement für die African mission deshalb als Flucht in doppelter Hinsicht: „Missionary work was not an escape to a ,promised land' as much as it was an escape from a situation that held no promise."156 Die Missionsarbeit zählte zu den wenigen beruflichen Tätigkeiten, die von Weißen und Schwarzen gleichermaßen ausgeübt werden konnte, Anerkennung bedeutete, Sozialprestige schuf und wirtschaftliche Sicherheit ermöglichte. Die meisten Gesellschaften zahlten ihren Missionaren unabhängig von ihrer Hautfarbe einen einheitlichen Lohn und gewährten ihnen Mitbestimmung bei den Belangen der Mission vor Ort. Allerdings wurde der Gleichheitsgrundsatz nicht von allen Kongrega-
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tionen gleichermaßen befolgt. Innerhalb der Congo Mission der American Baptist Missionary Society war offensichtlich die Mehrheit der weißen Missionare nicht bereit, mit ihren afroamerikanischen Kollegen gleichberechtigt zusammenzuarbeiten. Sie betrachteten deren Gegenwart „as an intolerable interference in the Godgiven mission of the Anglo-Saxon race."157 Catherine Mabie sprach deutlich aus, was ihre weißen Kollegen und Kolleginnen dachten: „The American Negro is not in my humble judgement yet sufficiently toughened in the fiber of his character to be subject to the exigencies of African missionary life with all its perplexing problems, requiring the nicest moral distinctions and judgement of no mean order."15' Mission und Migration werden in der Literatur eng miteinander verknüpft. Die Biografíen der Missionare zeigen allerdings, daß viele von ihnen die Beteiligung an der African mission nicht mit einer permanenten Ansiedlung auf dem afrikanischen Kontinent gleichsetzten. Für sie war die Missionstätigkeit auf die Jahre aktiver Berufstätigkeit beschränkt. Das Alter hingegen wollte man im Kreise von Familie und Freunden in der Heimat USA verbringen.
Providential Design Neben der Befriedigung materieller Bedürfnisse und der Beteiligung an der „christlichen Erlösung" des afrikanischen Kontinents trug die Missionsbewegung zur afroamerikanischen Identitätsfindung bei. Denn bestimmend für die amerikanischen Missionsbewegungen in Afrika war seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Theorie des providential design. Sie besagte, Gott habe die Versklavung eines Teils der afrikanischen Bevölkerung zugelassen, um ihnen in den USA die „Christianisierung" und „Zivilisierung" zu ermöglichen. Nachdem das erreicht worden sei, wäre durch Gottes Willen die Sklaverei in den USA abgeschafft worden, so daß die Afroamerikaner nun zurückkehren konnten, um ihre Brüder und Schwestern vom „Joch der Unwissenheit, des Heidentums und der Barbarei" zu befreien und den afrikanischen Kontinent zu „erlösen". Das providential design wurde nachhaltig von den weißen Kirchenvertretern vertreten und ist Bestandteil vieler afroamerikanischer Missionsbiografien. In Schulen, Bibelstunden und Gottesdiensten erfuhren African Americans eine so starke Indoktrinierung, daß eine Reihe von ihnen die angebliche Verpflichtung gegenüber Afrika verinnerlichten und es als ihre Bestimmung ansahen, sich der African mission anzuschließen. Das Konzept des providential design war ursprünglich als theologische Rechtfertigung für die Kolonisationsbewegung geschaffen und dann gegen Ende des 19. Jahrhunderts von der Missionsbewegung adaptiert worden. Viele African Americans hatten sich diese Theorie
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zu eigen gemacht und interpretierten sie nicht nur als eine moralische Verpflichtung, sondern einen göttlichen Auftrag zur Christianisierung des afrikanischen Kontinents. Hemy McNeal Turner formulierte noch 1901: „The Negro was brought here in the providence of God to learn obedience, to work, to sing, to pray, to preach, acquire education, deal with mathematical abstractions and imbibe the principles of civilization as a whole, and then return to Africa, the land of his fathers, and bring her his millions..."159 Die afroamerikanische Deutung der Theorie des providential design erhob die African Americans zu Auserwählten, die Gott mit der Aufgabe der Erlösung beauftragt hatte. Die Theorie des providential design war auch Ausdruck der expansionistischen Ideologie der USA, die auch die Missionspolitik bestimmte: Demnach waren die Afrikaner als Sklaven nach Amerika gebracht worden, damit sie mit der christlichen Zivilisation in Kontakt kämen, „and by intercourse with the powerful white race they might fit themselves to go back to their own land [in Africa] and make ofthat land what the white man had made of Europe and of America." 160 Das Zitat stammt aus einer Rede von Bischof Henry McNeal Turner, die er 1884 an der Fisk University hielt. Turners Worte beinhalten auch eine Form von black manifest destiny, wie sie bereits bei Edward W. Blyden anklang. Blyden schrieb zur Theorie des providential design oder providence, wie er es nannte: „It cannot be denied ... that some very important advantages have accrued to the black man from his deportation to this land (USA, K.F.-S.), but it has been at the expense of his manhood." Blyden formulierte weiter, daß die African Americans nur durch die Rückkehr in ihr Heimatland ihre Würde zurückgewinnen könnten, die sie in der Vergangenheit besessen hätten. Durch die Rückkehr nach Afrika wären sie in der Lage, den göttlichen Plan ihrer Wiedereingliederung in die afrikanische Gesellschaft (rehabilitation) auszuführen. Zur Erfüllung der göttlichen Vorsehung seien die Afroamerikaner in die USA gebracht worden, um sich vorzubereiten: „for the work of civilizing and evangelizing the land". In den USA hätten sie eine Zeit der Not durchleiden müssen, aber Gott „had kept their fatherland in reserve for them in their absence". Blyden betrachtete Liberia als das eigentliche Vaterland der schwarzen Amerikaner, dessen Gründung ebenfalls ein Teil des providential designs gewesen sei.161 Die afroamerikanische Variante des manifest destiny, wie sie Turner vertrat, fand wenig Anhänger. Die überwiegende Mehrheit der African Americans betrachtete sich als Teil der amerikanischen Gesellschaft und strebte die volle Intergration und Assimilierung in diese Gesellschaft an. Sie verknüpften ihr Schicksal mit dem des nordamerikanischen Kontinents und fühlten sich dem manifest destiny verbunden. Überspitzt formuliert, versuchten sie, über den Umweg nach Afrika endgültig ihren Platz in der amerikanischen Gesellschaft einzunehmen. Die Partizipation an der
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African mission war eine Form der Bewährung: Durch das Engagement für die Erlösung Afrikas konnte man das Recht auf die uneingeschränkten Bürgerechte in den USA erwerben. Henry McNeal Turner versuchte, seinen African dream zu verwirklichen, die Mehrheit seiner afroamerikanischen Zeitgenossen hatte hingegen den American dream, die Integration in die weiße Gesellschaft der USA, vor Augen. Die vielfach geäußerte Ansicht, Afroamerikaner hätten sich für den Missionsdienst in Afrika besonders berufen gefühlt, läßt sich anhand des biografischen Quellenmaterials keineswegs eindeutig belegen. Auch in der neueren Literatur wird auf das „natürliche Gefühl der racial unity" zwischen African Americans und Afrikanern verwiesen.162 Zumindest im 19. Jahrhundert aber spielten die Unterschiede eine größere Rolle innerhalb der afroamerikanisch-afrikanischen Beziehungen als Verbindendes wie die gemeinsame Herkunft. Die starke Betonung der gemeinsamen Wurzeln ist ein Phänomen des 20. Jahrhunderts. Im Zuge der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre rückte die enge Verbindung zwischen dem schwarzen Amerika und Afrika erneut in unterschiedlichen Ausprägungen in das Blickfeld. Heute existiert eine Vielzahl von Kontakten, nicht nur im religiösen Bereich, sondern auch auf kultureller und wirtschaftlicher Grundlage, dies gilt insbesondere für Südafrika. In der wissenschaftlichen Forschung hat sich unter dem Begriff Afrozentrismus eine teilweise sehr polemisch geführte Debatte um die Frage nach einer gemeinsamen afrikanischen Kultur entwickelt.163 Trotz des Wunsches nach Akkulturation bestand auch im 19. Jahrhundert eine enge Verknüpfung der African Americans mit dem Kontinent ihrer Vorfahren und Interesse am Schicksal Afrikas. Afrikaner und Afroamerikaner hätten, so Sylvia Jacobs, die „Tatsache" akzeptiert, daß ihr Leben und ihre Geschichte untrennbar miteinander verbunden seien.164 Die afroamerikanische Literatur zur Missionsgeschichte betont diese Verbindung und interpretiert sie als einen Aspekt des Überlebenskampfes in den USA. Sozusagen als Beleg für diese These wird auf die aktive Rolle verwiesen, die die Missionare für die Entwicklung der US-amerikanischafrikanischen Beziehungen gespielt hätten. Das Interesse der Afroamerikaner, die Beziehungen zwischen den USA und Afrika konstruktiv mitzugestalten, steht außer Frage. Sie reagierten nicht nur auf Entscheidungen der Weißen, sondern entwickelten ihre eigenen Ideen und versuchten aktiv, ihre eigene Position und die der Afrikaner zu verändern. Sie waren entschlossen, „to show that black people were taking an active interest in determining United States-Africa relations. They were not merely acted upon by whites, but were developing their own ideas and actions to bring about changes in their own position as well as that of Africa."165 Aber, wie bereits im vorangegangenen Kapitel am Beispiel des diplomatischen Dienstes deutlich wurde, waren auch im Zusammenhang der Mission die Handlungsspielräume der African Americans begrenzt. Dort wo afroamerikanische Missionare Einfluß
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nehmen konnten, mischten sie sich unter dem Deckmantel der Verkündigung der christlichen Botschaft teilweise massiv in afrikanische Belange ein. Die Afrikaner reagierten nicht selten mit aktivem und passivem Widerstand auf diese Interventionen. Erstaunlicherweise räumt die afroamerikanische Missionsgeschichte dem indigenen Widerstand keinen großen Raum ein.
Afroamerikanische Missionare als kulturelle Mittler? „Missions were an attempt to identify with Africa while at the same time keeping it at arm's length until it conformed to Western standards of civilization."166 Sylvia Jacobs Einschätzung gibt die Einstellung vieler African Americans zur African mission wieder und macht einmal mehr die ambivalente Haltung gegenüber dem afrikanischen Kontinent deutlich. Die folgende Interpretation des vielfach kritisierten Harold Isaacs167, die in der Wortwahl drastisch ist, verdeutlicht anschaulich das zwiespältige Gefühl, daß die Afroamerikaner in bezug auf den afrikanischen Kontinent immer wieder befiel. „The Negro Christian hearing about Africans was having a much more complicated and less satisfactory experience. These grotesque and ignorant savages were his own kin. If he reached out to them with Christian succor, it was partly torescuehimselffromthe stigma of his continued relationship to them. If he felt superior, it was at the cost of accepting the white man's view of his own origins... To act with Christian charity toward his African cousins was a way of refuting the white man's constant inference that the black African's savageiy was but a mirror of the Negro's own."16* Isaacs Kommentar schließt ein unvoreingenommenes Aufeinanderzugehen von Afroamerikanern und Afrikanern aus. Walter Williams spricht von „two culturally distinct peoples who happened to have a common racial identity."169 Die Verwendung des Begriffes „peoples" für Afrikaner in ihrer Gesamtheit ist problematisch und wird der Vielzahl der verschiedenen Völker auf dem afrikanischen Kontinent nicht gerecht. Die Verallgemeinerungen in bezug auf „die Afrikaner" ist ein Phänomen, das bei Autoren außerhalb des Bereiches der Afrikawissenschaften häufig ist. Die Missionare wurden vor Ort zum ersten Mal mit den unterschiedlichen Facetten des afrikanischen Alltags konfrontiert, aber nur wenige waren in der Lage bzw. bereit, ihr eingeschränktes Afrikabild zu überdenken und zu revidieren. Viele konnten der Versuchung nicht widerstehen, ihre angebliche Überlegenheit zu demonstrieren: „The contrast between what they saw as inferior heathenism and their own superior culture understandably was a great psychological stimulus to Afro-
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Americans, who were accustomed to being on the losing end of contrasts with whites. The chance to see themselves as a black Elect coming to save a continent was, not surprisingly given their backgrounds, irresistable to the missionaries. Unfortunately, this elevated self-image was at the expense of understanding and appreciating African cultures."170 Weiße wie afroamerikanische Missionare und Missionarinnen reisten nach Afrika mit häufig nur rudimentären Kenntnissen über die jeweilige Region und ihre Bewohner. Dies war insbesondere der Fall, wenn sie einer Kirche angehörten, die über keine große Missionserfahrung verfugte und/oder wenn das anvisierte „Missionsfeld" noch nicht von anderen Missionen erschlossen worden war. Während in Teilen Westafrikas, vor allem in Liberia und Sierra Leone, sich zumindest in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschiedene Missionsgesellschaften niedergelassen und ein Netz von einzelnen Stationen errichtet hatten, gab es in Zentralafrika große Gebiete, in die christliche Missionare erst allmählich vordrangen. Infolgedessen differierte auch die „Zielgruppe der zu Missionierenden" beträchtlich. Alexander Camphor, ein Afroamerikaner, der im Auftrag der United States Methodist Episcopal Church nach Liberia ging, fand sich in einer ameriko-liberianischen Gemeinde in Monrovia wieder, wo er am College unterrichtete und die Zeitung der Mission herausgab.171 William Sheppard hingegen traf in der Kasai-Region in der heutigen Demokratischen Republik Kongo auf ethnische Gruppen, die noch nicht mit christlicher Missionierung in Berührung gekommen waren.172 Die Reaktion der indigenen Bevölkerung auf die fremden Missionare hing von vielfältigen Faktoren ab, wie dem Grad der kolonialen Durchdringung und der Stellung der ethnischen Gruppe innerhalb der politischen und sozialen Strukturen der Region. Missionare wurden einerseits als Eindringlinge wahrgenommen, die eine Bedrohung für die bestehende Gesellschaftsordnung darstellten, andererseits sah man in ihnen Verbündete im Kampf gegen feindliche Nachbarn oder die Kolonialherren. Die Missionsstationen präsentierten sich zum einen als künstliche Enklaven, die durch ihre fremden Rituale, den streng geregelten Tagesablauf und die Kleiderordnung Furcht einflößten, zum anderen bot die Missionsstation Handelsmöglichkeiten, Hilfe bei Krankheit und Unterschlupf für Verfolgte. Die Missionare wiederum waren, um sich in ihrem neuen Umfeld zurechtzufinden, auf die Unterstützung der indigenen Bevölkerung angewiesen. Eine Grundvoraussetzung für die gegenseitige Annäherung war das Erlernen der Landessprache. Hierbei mußten die Missionare die Hilfe der Afrikaner in Anspruch nehmen. Der Zugang zu den afrikanischen Sprachen, der Einblicke in die Lebensbedingungen der zu „Missionierenden" ermöglichte, förderte nicht nur das Verständnis für kulturelle und religiöse Traditionen, sondern verstärkte bzw. bestätigte die Vorurteile gegenüber den als wild und barbarisch erachteten Afrikanern. So wurden beispielsweise Polygamie und Brautpreis als Belege für Rückständigkeit und Unzivilisiertheit verurteilt. Während die
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Polygamie von allen Missionsvertretern mißbilligt wurde, stieß die Zahlung eines Brautpreises insbesondere bei Afroamerikanern auf Ablehnung, die diese weit verbreitete Praxis mit der Sklaverei assoziierten.173 Das Bild vom Missionar als cultural broker, als Mittler zwischen den Kulturen, traf auf afroamerikanische Missionare nur bedingt zu. Sie waren zu befangen in Vorurteilen und überzeugt von der Überlegenheit ihrer westlichen Kultur, daß sie sich nur allmählich an ihr neues Umfeld annäherten. Akzeptanz bzw. Verständnis für eine ihnen fremde nicht-christliche Kultur aufzubringen, fiel ihnen schwer und war nicht vereinbar mit ihrem Auftrag, dessen oberstes Ziel die Konversion zum Christentum war. Der Begriff der Konversion ist im Rahmen der Religionswissenschaften, aber auch von Anthropologen und Historikern unterschiedlich interpretiert worden. Eine der berühmtesten Debatten zur Konversion - in bezug auf Christentum und Islam wurde in der Zeitschrift Africa zwischen Robin Horton und Humphrey Fisher u.a. geführt.174 Horton stellt dort die These auf, daß die Hinwendung zu Christentum oder Islam nur erfolge im Zusammenhang mit Veränderungen innerhalb der jeweiligen indigenen Gesellschaft und ihres traditionellen religiösen Systems. Er sieht Christentum und Islam in der Rolle von Katalysatoren und „accelerators of changes which were in the air anyway."175 Die Konversion sei - so Horton - eine unabänderliche Konsequenz struktureller Veränderungen und Neuorientierungen in traditionellen Gesellschaften. Humphrey J. Fisher hingegen betont das innovative, revolutionäre Element bei der Annahme einer neuen Religion. Er beurteilt Konversion als einen kontinuierlichen Prozeß mit unterschiedlichen Stadien der Adaption. Auch der Oxford Dictionary of World Religions beschreibt Konversion als Prozeß: „Conversion is a process common to all religions in its preliminary sense of .conversion of manners' - i.e. the turning of one's life more deliberately toward the goals of the religion in question. But conversion also has a stronger sense, namely the transfer of a person (or group of people) from one religion to another, or from no religion to belief."176 Arthur D. Nock differenzierte in seiner klassischen Untersuchung Conversion zwischen „Konversion" und „ A d h ä s i o n " , wobei er erstere als bewußte Entscheidung interpretierte, die auf der Erkenntnis beruhe, daß „a great change was involved, that the old was wrong and the new was right." Adhäsion hingegen implizierte für Nock eine sinnvolle Ergänzung zur traditionellen Religion, aber keine völlige Abkehr von dieser.177 Bengt Sundkler und Christopher Steed sprechen in ihrer Arbeit zur History of the Church in Africa statt von Adhäsion von transition, also einem Übergangsprozeß, der gut die Phase der Distanzierung von den alten Glaubensinhalten bis hin zur Annahme der neuen, „modernen" Religion beschreibt.178 Die Missionarsberichte über frühe christliche Konversion beziehen sich fast ausschließlich nur auf die Variante des Übergangs (transition) und liefern kaum Beispiele für eine völ-
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lige Abkehr von der traditionellen Religion und eine „echte Bekehrung" zum christlichen Glauben. In diesen Fällen erweiterten die „Konvertierten" ihre bestehende Religion durch zusätzliche christliche Inhalte bzw. vermischten Christentum und Ahnenkult. Auch finden sich für die untersuchten Regionen in West- und Zentralafrika bis Anfang des 20. Jahrhunderts nur wenige Beispiele für Massenkonversionen.179 Protestantische Missionare aus den USA mußten sich in der Mehrheit der Fälle mit der Bekehrung einzelner Personen begnügen. Während die ersten Konvertiten meist zu den gesellschaftlichen Randgruppen zählten, wie z.B. Sklaven, Kranke oder kinderlose Frauen, waren die Missionare schon bald darum bemüht, insbesondere Mitgliedern der Herrscherfamilien den christlichen Glauben nahezubringen. Diese Bemühungen konnten auch fehlschlagen, wie William Henry Sheppards jahrelange erfolglose Versuche belegen, den Herrscher der Kuba in der Kasai Region vom Christentum zu überzeugen, um damit die gesamte Ethnie zu christianisie180 ren. Es war die erste Generation von Konvertiten, denen die christliche Bekehrung von Afrikanern in größerem Umfang gelang. Ganz im Sinne von Henry Venn und Rufus Anderson übernahmen indigene Missionare und Prediger den christlichen Auftrag bzw. unterstützten die Amerikaner in der Missionsarbeit. Die Missionen konkurrierten nicht selten untereinander um potenzielle Konvertiten, wobei zwischen Protestanten und Katholiken teilweise ein erbitterter Wettbewerb herrschte.181 Missionsschulen boten ein gutes Rekrutierungsfeld für zukünftige Christen. Die Vermittlung von westlichem Wissen und modernen Technologien, verbunden mit christlichen Moralvorstellungen, protestantischem Arbeitsethos und der Hoffnung, daß die Annahme der christlichen Religion auch materiellen Wohlstand bedeute, stieß zumindest bei einem Teil der Afrikaner auf großes Interesse. „Many missionaries attempted to portray this material and technological success of the West as part of the larger function of Christian revelation and Protestant ethic. This strategy had initial success in advancing the conversion and proselytisation of Africans because they held also that piety would be materially rewarding."182
Frauen als Missionarinnen: Lulu Cecilia Fleming und Althea Brown Edmiston In den vorangegangenen Ausfuhrungen bezog sich die überwiegende Mehrheit der Beispiele auf männliche Missionare. Doch bereits um 1830 machten Frauen 49 Prozent des amerikanischen protestantischen Missionspersonals außerhalb der USA aus. 1880 war ihr Anteil auf 57 Prozent angestiegen und betrug am Ende des Jahrhunderts 60 Prozent. Die Missionsbewegung war auf die finanzielle und personelle
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Mithilfe der Frauen angewiesen.183 Fast die Hälfte des gesamten afroamerikanischen Missionspersonals zwischen 1820 und 1860 waren Frauen. Andererseits erhielt, zumindest bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nur ein kleiner Teil der Frauen den Status von Missionarinnen. Die meisten von ihnen wurden als Missionshelferinnen eingesetzt oder firmierten unter dem Begriff der mitreisenden Ehefrau. Es gab aber auch, im Gegensatz zu den europäischen Missionsgesellschaften, bereits um 1830 eine Reihe alleinstehender Amerikanerinnen, die in Afrika und Asien zum Einsatz kamen. Obwohl die Frauen zahlreiche Aufgaben und Funktionen auf der Station übernahmen, zahlte ihnen die Missionsgesellschaft ein geringeres Gehalt als den Männern. Durch ihre meist untergeordnete Position erhielten weibliche Missionsangehörige seltener die Möglichkeit, offizielle Berichte zu verfassen und Artikel in den diversen Missionszeitschriften zu veröffentlichen. Infolgedessen exisistiert zu den Frauen weniger Quellenmaterial bzw. es befindet sich in Privatnachlässen und seltener in den Missionsarchiven. In den letzten Jahren sind trotz der ungünstigen Quellenlage eine Reihe von Arbeiten zu Missionarinnen, darunter auch Afroamerikanerinnen, erschienen.184 Die zwei im folgenden kurz porträtierten Frauen verfugten beide über eine für die damalige Zeit überdurchschnittlich gute Ausbildung. Beide strebten keine Karriere in den USA an, sondern entschieden sich für den Missionsdienst in Afrika. Lulu Fleming unternahm große Anstrengungen zur Erweiterung ihrer beruflichen Fachkenntnisse und absolvierte ein zusätzliches Medizinstudium, um der afrikanischen Bevölkerung umfassender helfen zu können. Lulu (Louise) Cecilia Fleming stammte aus Florida, studierte an der Shaw University in North Carolina und reiste 1887 im Alter von 21 Jahren als erste Frau im Dienst der Women's American Baptist Foreign Mission Society (WABFMS) in den Kongo. Auf der Station Mpalabala arbeitete sie als Lehrerin und leitete die dortige Mädchenschule. Vier Jahre später entschloß sich Lulu Fleming schweren Herzens, aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend in die USA zurückzukehren. Während ihres Heimataufenthaltes begann sie ein Medizinstudium am Women's Medical College in Pennsylvania, das sie im Herbst 1895 als Ärztin verließ. Lulu Fleming war sich ihrer guten medizinischen Ausbildung bewußt und hätte sicherlich in den USA eine Anstellung finden können. Aber sie sah ihr Betätigungsfeld in Afrika und bat den Missionssauschuß im Sommer 1895 um eine Anstellung auf der Station Irebu als Medical Missionary. „I offer myself to the executive committee for an appointment to that station (Irebo Station). I am veiy desirous of sailing this Fall. It is four years today since my arrival from Congo... The fact that I have completed a course in one of the best medical colleges of the world shows that my time has been well spent but the preparation time is over now and I feel restless to be about my Father's business among the suffering ones of the dark continent."185
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Der Ausschuß entsprach Flemings Wunsch, und sie kehrte im Herbst 1895 nach Afrika zurück. Sie arbeitete zunächst in Irebu und nach der Schließung der Station in Bolenge. Während ihrer Tätigkeit in Bolenge heiratete sie Reverend James von einer Nachbarstation. Kurz nach ihrer Heirat erkrankte Lulu Fleming und war gezwungen, 1899 Afrika wieder zu verlassen. Noch im selben Jahr verstarb sie an den Folgen der Schlafkrankheit. Lulu Fleming zählte zu der kleinen Gruppe afroamerikanischer Frauen, die trotz einer qualifizierten Ausbildung den USA den Rücken kehrten und ihre Bestimmung in Afrika sahen. Die Biografíen von Missionaren und Missionarinnen bestätigen die große Attraktivität des Missionsdienstes im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Abgesehen von den spirituellen, wirtschaftlichen und sozialen Beweggründen, die bereits erörtert wurden, finden sich in den Lebensläufen immer wieder Hinweise auf Gefühle der Verpflichtung gegenüber Lehrern und Pastoren, deren finanzielle und moralische Unterstützung eine berufliche Ausbildung erst ermöglichten. Offensichtlich wurden viele Afroamerikaner - Frauen wie Männer - während ihrer Lehrzeit oder ihres Studiums regelrecht genötigt, ihr erworbenes Wissen in den Dienst der A frican mission zu stellen. Lulu Fleming, die anfangs neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin auch eine Sonntagsschule und Bibelkreise leitete, beeindruckte Dr. Kellsey, einen weißen Pastor aus New York, durch ihr christliches Engagement. Kellsey unterstützte sie während ihrer weiterfuhrenden Studien an der Shaw University und weckte ihr Interesse an Afrika. Als die WABFMS sie auf Initiative von Kellsey bat, eine Stelle als Missionsschullehrerin im Kongo anzunehmen, stimmte Fleming zu. Sie war mehr und mehr davon überzeugt, daß sie in Afrika einen göttlichen Auftrag zu erfüllen hatte, und beschrieb ihre Gefühle folgendermaßen: „...the Lord had need of me in Africa, and the happiness I used to enjoy in the work at home was marred from time to time with the shadow of the darkness of the ,Dark Continent'."186 Althea Brown Edmiston war über 30 Jahre im Dienst der American Presbyterian Congo Mission (APCM) tätig. Als sie 1902 nach einer fast fünfzehnwöchigen Reise in Luebo, einem kleinen Handels- und Missionsstützpunkt in der Kasai-Region im Süden der heutigen Demokratischen Republik Kongo eintraf, war sie einerseits beeindruckt von der Schönheit der Natur, aber andererseits zutiefst schockiert von der Nacktheit der Afrikaner. Wie viele ihrer Kolleginnen, richtete Althea Edmiston nach diesem für sie schockierenden Erlebnis als erstes eine Nähschule ein, in der Hoffnung, zumindest die Frauen und Mädchen an das Tragen von europäischer, d.h. „schicklicher" Kleidung zu gewöhnen. Die überwiegende Mehrheit der Afroamerikanerinnen zeigte nur sehr zögerlich Interesse an der afrikanischen Lebenswelt. Auch Althea Edmiston blieb trotz ihres langen Afrikaaufenthaltes stets dem viktorianischen Gesellschaftsbild verhaftet. In kaum einem anderen Bereich ihrer Arbeit hatten Missionare einen so kontinuierlichen und engen Kontakt mit der afrikani-
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sehen Bevölkerung wie bei den Aktivitäten, die für Frauen und Kinder auf der Missionsstation organisiert wurden. Doch obwohl die Einrichtung von Nähschulen, Sing- und Bibelkreisen vielfältige Anknüpfungspunkte boten, brachten die Missionarinnen Unverständnis und höchstens Mitleid für ihre afrikanischen „Schwestern" auf. Althea Edmiston schrieb: „I need not to teil you that no condition in Africa is more pitiable than that of the women who are the beasts of bürden, the slaves of Service, and the victims of vice."187 Erklärtes Ziel der Missionsfrauen war deshalb, die Afrikanerinnen ihrem lokalen Umfeld zu entziehen, sie an die Mission zu binden und zum Christentum zu bekehren. Durch eine gezielte Unterrichtung im Lesen und Schreiben, in Hygiene, Kindererziehung und allgemeiner Haushaltsführung sollten die jungen Frauen und Mädchen auf ihre zukünftige Rolle als Ehefrauen der Evangelisten vorbereitet werden, die dann die Christianisierung Afrikas vorantreiben sollten. Die Beiträge der Missionsfrauen im Missionary und im Kassai Herald, der offiziellen Zeitschrift der APCM, handelten vornehmlich von der praktischen Unterrichtung der Frauen und Mädchen in hauswirtschaftlichen Belangen, oder sie beschrieben die Errettung der Kinder aus den Fängen indigener Geisterbeschwörer und Hexenmeister. Es fehlen hingegen weibliche Stellungnahmen zu den aktuellen politischen Ereignissen sowie Kommentare zur offiziellen Missionspolitik.188 Althea Edmiston und ihre Mitstreiterinnen lehnten eine bewußte Annäherung an das afrikanische Umfeld ab. Bei der Einrichtung ihres Hauses vermied sie jeglichen afrikanischen Einfluß und importierte, trotz hoher Kosten, den größten Teil ihres Haushaltes aus den USA. Sie war stolz darauf, daß ihr Heim in Luebo sich - zumindest in der Innenausstattung- kaum von einem amerikanischen unterschied. Ein deutscher Gast beschrieb nach einer Einladung in einem Dankesbrief die kultivierte Atmosphäre im Hause Edmiston und schloß: „What before all did give the impression of good living was the reeeption by the mistress of the house, a woman whose dark color I soon no longer saw because she was a perfect lady."189 In Afrika gelang es Althea Edmiston, ihren Traum von Anerkennung und Gleichberechtigung teilweise zu realisieren. Zumindest für den Besucher aus Europa unterschied sie sich trotz schwarzer Hautfarbe nicht von ihren weißen Kolleginnen. In ihrem Bemühen um gesellschaftliche Anerkennung im amerikanisch-europäischen Missionsumfeld wahrte sie Distanz zur lokalen Bevölkerung und erschwerte damit auch die Realisierung ihres christlichen Auftrages. Das Bemühen um die Bewahrung von Moral und Anstand im „tiefsten Afrika" war nicht den Afroamerikanerinnern vorbehalten, sondern galt für das Gros insbesondere der Angehörigen protestantischer Missionen. Afrikaner, die zum christlichen Glauben konvertierten und damit auch Missionierungserfolge repräsentierten, konnten in der Regel mit weitergehender Unterstützung rechnen. So engagierten sich Afroamerikaner vielfach für den Aufbau unabhängiger indigener Kirchen in
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Afrika. Aber die folgende, in mehreren Untersuchungen zur afroamerikanischen Missionsbewegung aufgestellte These, daß afroamerikanische Missionare im Gegensatz zu Weißen gegenüber afrikanischen Christen ihre Vorurteile ablegten, ist in dieser Absolutheit nicht haltbar: „Black missionaries may have been just as ethnocentric as white missionaries, but they did not share the racist sentiments that whites all too often exhibited against even ,civilized' Africans. The black missionaries lifted their prejudice once an African accepted Western norms, and they were more than happy to accept her or him as equal."190
„Jim Crow " erreicht die Mission Die Verdrängung von Afroamerikanern aus politischen Ämtern und Institutionen im Zuge der verschärften Rassentrennung machte auch vor den Kirchen nicht Halt. Die Missionsgesellschaften stellten nicht länger Afroamerikaner ein oder lehnten eine Verlängerung bestehender Arbeitsverträge ab und erklärten die African Americans nun als „intellektuell nicht befähigt" für den Missionsdienst. Die gesellschaftlichen Konflikte in den USA wirkten sich unmittelbar auf die Beziehungen zwischen weißen und schwarzen Missionaren in Afrika aus: „For those who might see black American missionary work as an attempt to escape the powerlessness, oppression, and lack of status in America, that missionary position in Africa was not a significant improvement."191 In welchem Umfang die gesellschaftlichen Bedingungen in den USA sich auch im Alltag der Missionsstationen fernab von der Metropole in Afrika widerspiegelten und die Jim CVow-Gesetzgebung auch in Afrika angewendet wurde, läßt sich beispielsweise an dem Schriftwechsel zwischen afroamerikanischen Missionaren in Afrika und den Korrespondenzsekretären (corresponding secretaries) ihrer Heimatkirchen und an anderen Schriftstücken veranschasulichen. Briefe, Tagebücher und Autobiografien der Betroffenen belegen zwar die wachsenden Spannungen zwischen weißen und schwarzen Missionaren, gehen aber nur selten detailliert auf die Probleme ein. Berichte über Nervenzusammenbrüche afroamerikanischer Missionare und das abrupte Verlassen der Mission sind Indizien fur die Diskriminierungen und Demütigungen, die sie erleiden mußten. Nancy Jones war die erste unverheiratete Frau, die im Auftrag des ABCFM von 1888 bis 1893 in Mosambik und in den folgenden vier Jahre in Südrhodesien (heutiges Zimbabwe) tätig war. Seit ihrer Jugend fühlte sie sich zum Missionsdienst bestimmt: „I believe He has given me the work of a missionary and He directs my mind and heart to Africa the land of my Forefathers. To those who are living in
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darkness and sin." 192 1897 gab Nancy Jones ihre Arbeit als Lehrerin an einer Missionsschule mit der offiziellen Begründung auf, ihre kranke Mutter benötige ihre Hilfe. Nach ihrer Rückkehr in die USA erklärte sie dem corresponding secretary des Missionsausschusses, daß die Vorurteile und das diskriminierende Verhalten mehrerer weißer Missionskollegen ihr das Leben auf der Station Mt. Silinda unerträglich gemacht hätten. Während die Mehrzahl der Frauen und Männer im afrikanischen Missionsdienst Konflikte mit ihren weißen Kollegen herunterspielten oder weiterhin in ihrer Korrespondenz eine „harmonische Arbeitsatmosphäre" suggerierten, äußerten sich die Männer der American Baptist Missionary Union (ABMU) konkret zu den Benachteiligungen und Anfeindungen, denen sie ausgesetzt waren und die mit ihrer Hautfarbe in Zusammenhang standen. Die Briefwechsel von George H. Jackson und James C. Dawes mit dem Korrespondenzsekretär der ABMU, Sam Duncan, zählen zu den wenigen Dokumenten, die Einblick in die Veränderungen des afroamerikanischen Missionslebens Ende des 19. Jahrhunderts geben. Rev. James Dawes erreichte im Dezember 1893 die Station Mpalabala im damaligen sogenannten KongoFreistaat, Rev. George Jackson war im September desselben Jahres auf der Station Lukanga, ebenfalls im „Kongo-Freistaat", eingetroffen. 193 Dawes stammte aus Jamaika und hatte u.a. am Atlanta Baptist Seminary in Georgia studiert. Sein Lehrer in Atlanta, Dr. S. Graves, beschrieb Dawes „...among the finest examples of a ruble, highminded, Christian manhood, ... gentle, bidable and devout. He was not only faith in his studies, but earnest and continuous in his efforts to bringing the unconverted to Christ." 194 Dawes geriet schon bald nach seiner Ankunft in Mpalabala mit Rev. Cadman, dem weißen Leiter der Station, in Konflikt. Voller Eifer war Dawes darauf bedacht, Neuerungen einzuführen und den gemächlichen Alltagstrott in Mpalabala zu beenden. Cadman versuchte, Dawes Engagement zu unterbinden, indem er die indigene Bevölkerung gegen ihn aufbrachte, um damit die Reputation des Afroamerikaners zu unterminieren. Als sich Dawes in seiner Korrespondenz mit Duncan über Cadman beschwerte, stellte sich dieser hinter den „verdienten, erfahrenen Missionar". George Jackson erging es ähnlich wie Dawes. Er war als medical missionary ebenfalls mit großem Enthusiasmus nach Lukunga gekommen und forderte eine bessere medizinische Ausstattung für die Station. Sein Vorgesetzter Rev. Hoste gehörte wie Rev. Cadman zu den Veteranen der ABMU und sprach dem Afroamerikaner Jackson jegliches Mitspracherecht in Missionsangelegenheiten ab. Jackson ließ sich von der Zurückweisung nicht beirren, unternahm Nachforschungen und stellte Unregelmäßigkeiten bei der Verwaltung der Finanzen fest. Wie schon im Fall von Dawes, wies der corresponding secretary die Beschuldigungen zurück. Auf der Station Mpalabala spitzte sich die Situation zu: Dawes war den Angriffen des Stati-
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onsleiters psychisch nicht gewachsen und wurde gegenüber Cadman handgreiflich. Völlig demotiviert und nervlich am Ende, bat er Duncan um seine Versetzung: „Dear Dr. Duncan, I am really anxious for a removal from this station, to some other station on the Congo, or back to the U.S.A. for Cadman and I cant agree. ...With anxiety I await my removal."195 Duncan sah sich in seiner Meinung bestätigt, daß Afroamerikaner nicht für den Missionsdienst geeignet seien, und schrieb an George Sale, den Präsidenten des Atlanta Seminary, der Dawes Anstellung vorgeschlagen, hatte: „This is the third experience of a similar kind that we have had with Colored brethren. ... The distrust of Colored workers on the Congo has become quite universal and I am sure that there is not one of the stations manned by a White man who would not regard with dread the advent of Mr. Dawes."196 Auch ein weißer Missionarskollege von Dawes, Charles Harvey, fand Bestätigung für seine Vorurteile gegenüber African Americans und äußerte sich zu dem Vorfall gegenüber Duncan: „I must say that I agree with you in reference to the colored brethren. Speaking of them generally they have no stamina to lead and no grace and humility to follow. Moreover, they are hyper-sensitive that it is very difficult to get along with even the best of them. The slightest difference of opinion or clash of judgement is liable to be attributed to color prejudice on the part of the white man."197 Dawes tätlicher Angriff auf Cadman führte schließlich zu seiner Entlassung wegen „alleged misconduct" im Februar 1895. Der selbstbewußtere Jackson ging in die Offensive und beschuldigte die Stationsleitung in Lukunga der Veruntreunug von Missionsgeldern. Die Angelegenheit erregte einiges Aufsehen und wurde in einem Artikel in der New York Sun erwähnt. George Jackson kam seiner Kündigung zuvor und quittierte am 1. Januar 1895 den Missionsdienst. Im Oktover 1894 legte er seine Beweggründe dar: „...how can I address congregations and appeal to them for money when I know that their hard earnings are wasted at Lukunga through mismanagement? Further do I not owe it to the people of the denomination to tell them just the condition of things? It would hurt foreign missions at first but it might help them eventually. I do not now see how I can be consistent with my offering my resignation, and do not insist upon justifying my action which may be called into question."198 Jackson kehrte nach der Kongo-Episode an die Yale University, an der er studiert hatte, als assistant instructor zurück. Zwei Jahre später übernahm er einen Konsulatsposten in Frankreich und war nach seinem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst 1914 als Geschäftsmann tätig.199 Über das weitere Schicksal von James Da-
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wes ist nichts bekannt. Angeblich finanzierte ihm die ABMU nach seiner Entlassung eine Schiffspassage an die Goldküste. Die Beispiele von George Jackson und James Dawes waren keine Ausnahmen. Um so erstaunlicher ist es, daß Afroamerikaner, obwohl in den USA unterdrückt, ihrer zentralen Bürgerrechte beraubt und von Missionskollegen nicht selten diskriminiert, noch um die Jahrhundertwende in Afrika als die Repräsentanten der westlichen Zivilisation auftraten. In den Missionspublikationen und den Berichten der Missionare wurde der afrikanischen „darkness" das „enlightenment" die amerikanische Zivilisation gegenübergestellt. Obwohl sie sich ihren afrikanischen ,prüdem und Schwestern" verbunden fühlten, wiesen die Afroamerikaner eine gemeinsame kulturelle Identität mit ihnen weit von sich. Erklärlich ist dieses Verhalten nur insofern, als daß afroamerikanische Missionare sich als African Americans - mit der Betonung auf Americans - fühlten und nicht als Africans. Die Mehrheit von ihnen betrachtete die USA, trotz aller Unterdrückung, als ihre Heimat, die sie langfristig nicht verlassen wollte. ,3lack missionaries went to Africa, but culturally and socially ... took America with them."200 Der afroamerikanische Missionar hatte auch Vorbildcharakter. Er verkörperte Männlichkeit, Führungskraft und Heroentum und war somit ein Symbol, „which portrayed the Afro-American as exercising leadership and independence, as having a definite identity (educated, Christian, chosen of God) and a definite vocation (to evangelize the ,darker races', especially in Africa)."201 Er definierte die Leiden der Sklaverei um und erklärte sie als notwendig zur Vorbereitung auf die Evangelisierungsarbeit. Die Person des afroamerikanischen Missionars zeigte aber auch, daß die African Americans erst Amerika verlassen mußten, bevor sie als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft angesehen werden konnten. Dieser Aspekt von „manhood and mission", der in der Missionsliteratur nur selten thematisiert wird, aber bei der Untersuchung des biografischen Quellenmaterials an Bedeutung gewinnt, ist von William Becker näher erörtert worden. Die Missionare avancierten zu den letzten afroamerikanischen Helden in einer Phase, die von Demütigungen geprägt war. Donald Roth und Walter Williams stellten ebenfalls in den siebziger Jahren ähnliche Überlegungen an und betonten insbesondere die Verbindung von Mission und Heroentum. Roth verwies darauf, „...that African missions offered an opportunity to reenact the heroism of an earlier generation."202 Williams führte dazu aus: „The generation of the late 19"1 centuiy, which was too young to have fought for their own freedom in the American Civil War, must have felt that they were reenacting the dedication of their fathers in the Union Army. They saw themselves as the new ,army of the Free', and their spirit of sacrifice matched the idealism of a military effort."203
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William Sheppard, der für einige Zeit völlig auf sich allein gestellt eine Mission im Kongo leitete, auf die Nilpferdjagd ging und im weißen Tropenanzug vor der Kamera posierte, ist ein Beispiel für die männliche Selbstverwirklichung eines Afroamerikaners durch die Mission. In den Briefen und Autobiografien von Sheppard und anderen Missionaren und Missionarinnen klingt der Traum von der Rückkehr zur ländlichen Idylle an. Missionare, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Afrika tätig waren, hatten oft ein ambivalentes Verhältnis zur modernen Zivilisation, die für sie mit Entrechtung und physischer Gewalt verbunden war. In Anlehnung an Booker T. Washingtons Bildungskonzept war ihr Bestreben, die semi-agrarischen Verhältnisse des „pure American South"204, wie er in ihrer Vorstellung angeblich vor dem Bürgerkrieg bestanden hatte, in Afrika neu zu schaffen.
Die „ Imperial Mission " Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Interesse der westlichen Welt an Afrika zunahm (Forschungsreisen, Handelsbeziehungen, koloniale Eroberungen und Missionierung) verstanden sich afroamerikanische Missionare als Teil der westlichen Expansion nach Afrika und bewerteten die Kolonisierung als notwendige Voraussetzung für den Anschluß Afrikas an die westliche Zivilisation. Bis zur Jahrhundertwende interpretierten weiße wie schwarze Amerikaner den Einfluß des europäischen Imperialismus auf Afrika durchaus positiv, da dadurch Christianisierung und Zivilisation verbreitet würden, die als Vorbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung des afrikanischen Kontinents galten. Insbesondere die britische Kolonialpolitik fand beträchtliche Zustimmung unter den African Americans und von Missionsseite auch aktive Unterstützung. Die seit langer Zeit bestehenden guten Beziehungen zu den Abolitionisten in Großbritannien, die sich intensiv für die Abschaffung der Sklaverei in den USA eingesetzt hatten, trugen zu dieser unkritschen Haltung gegenüber der britschen Kolonialherrschaft bei.205 1898 unterstützten Missionare der United Brethren in Christ (UBC') uneingeschränkt die Einführung einer Huttensteuer (hut tax) der britischen Kolonialadministration in Sierra Leone. Die hut tax brachte für die indigene Bevölkerung eine schwere finanzielle Belastung mit sich, was zu gewalttätigen Protesten und Unruhen führte, die viele Menschen das Leben kostete. Die Missionsangehörigen interpretierten den Aufstand als „...war of heathenism against civilization and Christianity, a war of extermination of all who did not properly pronounce the ,shibboleth' of heathenism."206 Zu den Befürwortern europäischer kolonialer Herrschaft in Afrika zählten u.a. Alexander Crummell und Booker T. Washington. Crummell verstand Imperialismus
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als Teil des göttlichen Plans zur Öffnung des afrikanischen Kontinents „for Westernization and enlightenment" und verband große Erwartungen mit der imperialen Eroberung: „I rejoice in this [imperialist] movement. I have the largest expectations of good and beneficence from its operations. I have the most through conviction of its need, its wisdom, and its practicality."207 Als jedoch das Ausmaß der kolonialen Unterdrückung deutlich wurde, distanzierten sich viele Afroamerikaner von ihrer ehemals pro-kolonialen Haltung: „(B)black Americans were no racists nor could they share in the imperialist drive of Europeans in Africa. They could work within racist imperialist structures without sharing the philosophy or rewards of those structures."208 Lillie Johnsons positives Bild der afroamerikanischen Abgrenzung von imperialen Tendenzen entspricht nicht den historischen Tatsachen. Ein Teil der Afroamerikaner arrangierte sich durchaus mit der imperialen Herrschaft. Die Missionare waren von der jeweiligen Kolonialmacht abhängig, wenn es um den Erwerb von Landbesitz, die Nutzung von Infrastruktur und die Sicherheit der Mission ging. Tunde Adelekes Behauptung, die African Americans hätten sich aktiv an der Kolonisation beteiligt und wären für die katastrophalen Folgen kolonialer Herrschaft in vollem Umfang mitverantwortlich, sind hingegen überzogen.209 Zweifellos befanden sich Missionen „...in the vanguard of European penetration", und vielerorts ermöglichte erst die „Pazifizierung" als Folge der kolonialen Eroberung großer Gebiete Afrikas die Einrichtung von Missionsstationen. Es ist jedoch zu einseitig, Missionen auf ihre Rolle als „agents of the transformation of Africa by Western capitalism and technology"210 zu reduzieren, wie das eine Zeit lang geschehen ist. Aber Missionare scheuten sich oft davor, auf kritische Distanz zu einem kolonialen Regime zu gehen, von dessen Wohlwollen die Existenz einer Mission abhängen konnte.211 Zwangsmaßnahmen der Kolonialmacht, wie etwa die hohe Besteuerung oder Bestrafung bei Verweigerung von Zwangsarbeit, die für die afrikanische Bevölkerung bis zur Bedrohung ihrer Existenz führen konnten, waren eine Möglichkeit für die afroamerikanischen Missionare, sich zu positionieren und Stellung zu beziehen. Als „people on the spot" konnten sie wichtige Mittlerdienste zwischen der Kolonialmacht und den Kolonisierten leisten. Der engagierte Beitrag afroamerikanischer Missionare bei der Aufdeckung und Bekämpfung der Greueltaten an der Kongo-Bevölkerung blieb jedoch eine Ausnahme. Da es an anderen Beispielen fehlt, werden stets die „Kongo-Greuel" als exemplarisch für den kritischen Umgang von Missionaren mit dem Kolonialismus zitiert. Verantwortlich für die Massaker, die zu den brutalsten Maßnahmen im Rahmen der europäischen Kolonialherrschaft in Afrika zählen, waren der belgische König Leopold II. und seine Agenten im sogenannten „Kongo-Freistaat". Die europäischen Mächte und die USA trugen aber nicht nur eine entscheidende Mitverantwortung für die Entstehung des „Kongo-Freistaates", sondern sie duldeten stillschweigend über Jahre hinweg un-
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menschliche Formen kolonialer Machtausübung. Das folgende Kapitel befaßt sich mit der Rolle der USA in der Geschichte des „Freistaates" und dem Beitrag der Amerikaner zur Beendigung des Regimes von Leopold II. im Kongo.
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Andrew F. Walls, World Christianity, the Missionary Movement and the Ugly American. In: Wade Clark Roof (Hg.), World Order and Religion. New York 1991: 163. Walls (1991): ISOf. Seit Beginn der 1980er Jahre läßt sich ein Rückgang der Missionstätigkeit bei sogenannten „mainline churches" wie Methodisten oder Baptisten erkennen. Im Gegenzug steigt das Engagement der „Pentecostals" und anderer Erweckungskirchen, die besonders in Afrika auf großes Interesse stoßen. Siehe Birgit Meyer, Commodities and the Power of Prayer. Pentecostalist Attitudes Towards Consumption in Contemporary Ghana. Working Paper 1, WOTRO Research Programme, Globalization and the Construction of Communual Identities, Universität Amsterdam 1997. Siehe dazu: William R. Hutchison, Errand to the World. American Protest Thought and Foreign Missions. Chicago/London 1987, sowie mehrere Beiträge in dem Sammelband von Wade Clark Roof (Hg ), World Order and Religion. New York 1991. Der amerikanische Religionswissenschaftler Pierce Beaver ist zitiert in Hutchison (1987): 3. Sylvia M. Jacobs, Black Americans and the Missionary Movement in Africa. Westport, CT 1982; Dies., Women Missionaries Confront the African Way of Life. In: Darlene Clark Hine (Hg ), Black Women in U.S. History, Vol. III. Berkeley 1990: 727-738; Dies., „Give a Thought to Africa". Black Women Missionaries in Southern Africa. In: Nupur Chauduri/Margret Strobel (Hg.), Western Women and Imperialism. Complicity and Resistance. Bloomington/Indianapolis 1992: 207-228; Jeannine DeLombard, Sisters, Servants, or Saviours? National Baptist Women Missionaries in Liberia in the 1920s. In: International Journal of African Historical Studies 23 (1991) 2: 323-347; Ann White, Counting the Cost of Faith: America's Early Female Missionaries. In: Church History 57 (March 1988) 1: 19-30. Siehe Kenneth S. Latourette, A History of the Expansion of Christianity. 7 Bde. New York 1937-45. A.F. Walls (1991): 150f. Hutchison (1987): 5. Die Expansion nach Westen umfaßt die Migration in die Gebiete westlich des Mississippi bis an die Pazifikküste. Mit dem Begriff der frontier ist die Siedlungsgrenze der europäischen Einwanderer gemeint. Die kontinuierliche Verschiebung der frontier-Linie nach Westen ging einher mit der gewaltsamen Zurückdrängung der indianischen Bevölkerung. Im Gegensatz zu Europa waren die Kirchen in den USA im 19. Jahrhundert sehr viel stärker dezentral organisiert und ließen viel Spielraum fiir freiwillige religiöse Gemeinschaften, die teilweise eine ganze konfessionelle Gruppe umfassen konnten. So sprach Rufus Anderson, einer der führenden Theoretiker der amerikanischen Missionsbewegung, auch nicht von der „Church of Jesus Christ" wie es in England der Fall gewesen wäre, sondern er wählte die Bezeichnung „evangelical churches of Christendom". Siehe Walls (1991): 155f. und Charles J. Mellis, Voluntary Societies as Communities: Insights from Rufus Anderson. In: Missiology: An International Review 6 (1978)1: 91-95. Gerald H. Anderson, American Protestants in Pursuit of Mission: 1886-1986. In: International Bulletin of Missionary Research 12 (1988) 2: 98. Ebd. Zur theologischen Herleitung des Manifest Destiny siehe Emest Lee Tuveson, Redeemer Nation. The Idea of America's Millennial Role. Chicago/London 1968: 91ff. Phelps, emeritierter Professor des angesehenen Andover Seminary, im Vorwort zu Josiah
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Strongs Our Country. G H. Anderson (1988): 98. Walter L. Williams, Black Americans and the Evangelization of Africa 1877-1900. Madison, Wis. 1982: 5. Zur SKM siehe Anderson (1988). Symptomatisch für diese Sichtweise war das Buch von Cornelius H. Patton, The Business of Missions, das 1924 in New York erschien. Patton schrieb in seinem Vorwort: „We are living in a business age, we believe as never before in business results. It is a working, rather than a fighting church to which we belong." Insgesamt handelte es sich um eine Summe von $200 000. Siehe AMA Annual Reports 1869, 1870. American Missionary Association Papers, Amistad Research Center, Tulane University, New Orleans. Hier genügte schon eine Spende von $35. Barnabas Root aus Connecticut schickte diesen Betrag an die AMA mit der Bitte, das Geld in die Ausbildung eines afrikanischen Jungen zu investieren. Bedingung war, daß der Junge den Namen des Spenders annehmen mußte. Der afrikanische Barnabas Root erwies sich als außergewöhnlicher Schaler, der als einer der ersten Afrikaner um 1860 in den USA studierte und danach als Missionar für die Mendi Mission in Sierra Leone tätig war. Siehe Clara Merritt DeBoer, Be Jubilant My Feet. African American Abolitionists in the American Missionary Association, 1839-1861. New York/London 1994: 130ff. Dazu Walls (1991): 150ff. Es waren in der Regel die voluntary societies, die die ersten Missionen nach Übersee initiierten. Andrew F. Walls, The Missionary Movement in Christian History. Studies in the Transmission of Faith. New York/Edinburgh 1996: 229. Thomas Jesse Jones Diary, 24.11.1920, Phelps-Stokes Collection. Schomburg Center for Research in Black Culture, The New York Public Library, New York. Siehe Kapitel 6. Siehe siehe Michael A Burdick/ Phillip E. Hammond, World Order and Mainline Religions: The Case of Protestant Foreign Missions. In: Wade Clark Roof (Hg ), World Order and Religion. New York 1991: 198. Zu Anderson siehe Paul William Harris, Nothing But Christ: Rufus Anderson and the Ideology of Protestant Foreign Missions. New York 1999 und Hutchison (1987): 77ff. Ein Auszug aus Andersons Schriften ist veröffentlicht in: Pierce R. Beaver (Hg.), To Advance the Gospel: Selections from the Writings of Rufus Anderson. Grand Rapids 1967. Zur Zusammenarbeit von Venn und Anderson siehe Jacobs (1981): 12ff. Pierce R. Beaver (Hg.), American Missions in Bicentennial Perspective. South Pasadena 1977. Rufus Anderson, Foreign Missions, Their Relations and Claims. New York 1869. Siehe auch ders., The Theory of Missions to the Heathen, 1845. Abgedruckt in Beaver(1967): 73-88. Eine Zusammenfassung der Richtlinien von Rufus Anderson in Hutchison (1987): 80f. Nur sehr wenige Afrikaner erlangten im 19. Jahrhundert die Bischofswürde. Als große Ausnahme und als Beispiel für die Indigenisierungsbestrebungen europäischer Missionen wird stets der Yoruba Samuel Ajayi Crowther erwähnt. Crowther war 1822 von den Briten von einem Sklavenschiff befreit und nach Sierra Leone gebracht worden. Dort erhielt er eine Ausbildung auf einer Station der anglikanischen Church Missionary Society (CMS) und 1843 die Ordinierung zum Pastor. Er kehrte in seine Heimat nach Abeokuta zurück und wurde 1864 als erster Afrikaner von der CMS zum Bischof ernannt. Dies war allerdings nur möglich durch die Fürsprache Henry Venns, da viele weiße Missionsangehöriger der Niger Mission einen afrikanischen Bischof ablehnten. Zu Crowther siehe J.F.A. Ajayi, Christian Missions and Nigeria: The Making of a New Elite. London 1965, E.A. Ayandele, The Missionary Impact on Modern Nigeria. London 1966 und John Loiello, Bishop in Two Worlds: Samuel Ajayi Crowther (c. 1806-1891). In: Elizabeth Isichei (Hg.), Varieties of Christian Experiences in Nigeria. London 1982: 34-61. Siehe auch Fußnote 36.
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Im Gegensatz hieizu Sylvia Jacobs, die behauptet, die amerikanischen Missionsgesellschaften und Missionare hätten zumindest bis in die vierziger Jahre des 20. Jahriiunderts Andersons Ziele nicht in Frage gestellt. Diese Aussage läßt sich durch Quellen nicht belegen. Siehe Jacobs (1981a): 15. Der Einfluß von William H. Sheppard und seinen Kollegen hinsichtlich einer Neuorientierung der amerikanischen Politik in bezug auf den „Kongo-Freistaat" wird in Kapitel 6 genauer untersucht. William R. Hutchison, A Moral Equivalent for Imperialism: Americans and the Promotion of „Christian Civilization" 1880-1910. In: Torben Christensen/William R. Hutchison (Hg.), Missionary Ideologies in the Imperialist Era: 1880-1920. Papers from the Durham Consultation, 1981. Aarhus 1982: 176. Hutchison (1982): 175-176. Der Begriff „spiritual imperialism" wurde u.a. 1911 von dem Missionstheoretiker W.O. Carver, der den Southern Baptists angehörte, verwendet. Siehe hierzu William R. Hutchison, Modernism and Missions: The Liberal Search for an Exportable Christianity, 1875-1935. In: John K. Fairbank (Hg.), The Missionary Enterprise in China and America. Cambridge, MA 1974: 110-131. Z.B. David Livingstone, Missionary Travels and Researches in South Africa. London 1857; David and Charles Livingstone, Narrative of an Expedition to the Zambesi. London 1866; Henry Morton Stanley, Through the Dark Continent. 2 Bde., London 1878; ders., The Congo and the Founding of Its Free State. 2 Bde. London 1885; ders., In Darkest Africa. 2 Bde. London 1890. „The heart of Africa" als Synonym ftlr Zentralafrika tauchte immer wieder in der Literatur auf und wurde auch von Missionaren verwendet, die allerdings die Formulierung „heart of darkness" bevorzugten. Schlesinger hat auf die fehlende Korrelation zwischen dem Umfang der Handelsbeziehungen und der Anzahl der Missionare verwiesen. 1900 betrug der Wert der amerikanischen Exporte nach Afrika $ 19 000 000, und die afrikanischen Importe machten $ 11 000 000 aus. Im Vergleich dazu betrugen die US-Exporte nach Lateinamerika $ 132 000 000 und nach Europa $ 104 000 000. Die Importe aus Lateinamerika hatten eine Größenordnung von $ 185 000 000 und die aus Europa $ 441 000 000. Arthur Schlesinger Jr., The Missionary Enterprise and Theories of Imperialism. In: John K. Fairbank (Hg.), The Missionary Enterprise in China and America. Cambridge, MA 1974: 346,421, Fußnote 23. Das bekannteste „Opfer" der britischen Neuinterpretation der Missionspolitik war Bischof Samuel A. Crowther von der Niger Mission. Siehe Fußnote 29. Seit Ende der 1880er Jahren bestimmte die Royal Niger Company (RNC), die auch enge Verbindungen zur CMS unterhielt, die Grundlinien der britischen Kolonialpolitik am Niger. Ihr Direktor Sir George Goldie erachtete einen afrikanischen Bischof als Anachronismus und betrieb in Abstimmung mit einer Gruppe junger britischer Missionare der CMS die Demontage des inzwischen betagten Bischof Crowther und eine „Säuberung" der Niger Mission. Zur „Niger purge" siehe Adrian Hastings, The Church in Africa 1450-1950. Oxford 1994: 388ff. Rudolf von Albertini, Decolonization. The Administration and Future of the Colonies, 19191960. New York/ London 1982 (1. Aufl. 1971): 80. Zur Herleitung der Begriffe trusteeship und trustees siehe ebd.: 78ff. Siehe Jacobs (1982): 16,20f. Die relativ großen Freiräume, die afroamerikanischen Missionaren bei ihrer Evangelisierungsarbeit gestattet worden waren, wurden massiv eingeschränkt. Siehe hierzu Kapitel 6. Walls (1991): 166. Denomination bezeichnet im religiösen Kontext der USA des 19. Jahrhunderts eine religiöse Gruppe innerhalb einer der großen, nicht-katholischen Kirchen. Zur weiteren Entwicklung der amerikanischen protestantischen Missionsbewegung seit den zwanziger Jahren siehe Burdick/Hammond. In: Roof (1991): 193-216. Walls (1991): 162-163. Die American Zulu Mission wurde 1835 von Kongregationalisten in Natal mit der Absicht gegründet, den Afrikanern im Verlauf einer Generation die Verantwortung zu übertragen.
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James T. Campbell, Songs of Zion. The African Methodist Episcopal Church in the United States and South Africa. New York/ Oxford 1995: 107. Zur Grtlndungsphase siehe J. Du Plessis A History of Christian Missions in South Africa. New York/Bombay/Calcutta 1911: 219fE Ostafrika wurde erst im 20. Jahrhundert Ziel von Missionaren aus den USA. Donald F. Roth, „Grace Not Race". Southern Negro Church Leaders, Black Identity, and Missions to West Africa, 1865-1919. Ph.D. Diss., University of Texas at Austin, Januar 1975: 297ff. Clifton Jackson Phillips, Protestant America and the Pagan World. The First Half Century of the American Board of Commissioners for Foreign Missions, 1810-1860. Ph.D. Thesis Harvard University 1969: 226ff. The Birth of the AMA. In: The Homelander. Special Issue (May 1996). Die AMA unterhielt darüber hinaus Missionen in Hawaii, Jamaika und Thailand und richtete Ausbildungsstätten für entflohene Sklaven in Kanada und bei den nordamerikanischen Indianern ein. Zur Gründungsphase der AMA siehe Benjamin Quartes, Black Abolitionists. New York 1969: 76ff. Zur AMA siehe De Boer (1994) und Clifton Herman Johnson, The American Missionary Association, 1846-1861: A Study of Christian Abolitionism. Ph.D. Thesis University of North Carolina, Chapel Hill 1958. William H. Becker, The Black Church. Manhood and Mission. In: Timothy E. Fulop/ Albert J. Raboteau (Hg.), African-American Religion. Interpretative Essays in History and Culture. New York/ London 1997: 179-199. Franklin E. Frazier, The Negro Church in America. Liverpool 1964. Zit. in: Becker (1997): 187. Daniel Payne, The Past, Present and Future of the A.M.E. Church. In: AME Church Review 1(1885)4:318. Payne zit. in: Becker: (1997): 186. Diese Gesellschaften verstanden sich in erster Linie als „home missions". Dies galt im Übrigen auch für weiße Missionsgesellschaften. Lillie M. Johnson, Black American Missionaries in Colonial Africa, 1900-1940: A Study of Missionary Government Relations. Ph.D.diss., University of Chicago 1991:40. Bureau of Census, Religious Bodies 1906. 61,4 Prozent aller afroamerikanischen Kirchgenmitglieder gehörten der NBC an. Zur NBC siehe Hans Baer/Merrill Singer, African-American Religion in the Twentieth Century. Varieties of Protest and Accomodation. Knoxville, Tenn. 1992 und Sandy Martin, Black Baptists and African Missions: The Origins of a Movement, 1880-1915. Macon, GA 1989. Auch die AME Church verzeichnete einen starken Zuwachs an Mitgliedern: Die Zahl stieg von 19.000 (1850) auf548.000 (1915). Zu Allens Weggefährten gehörte auch Daniel Coker, einer der Pioniere der afroamerikanischen Kolonisation Liberias. Campbell (1995): 13. Die Veränderungen beschränkten sich auf Äußerlichkeiten, wie z.B. der Verzicht auf das Tragen von speziellen Gewändern, das als katholisch abgetan wurde. Walter L. Williams (1982): 3. Alex Lichtenstein, Middle Passages. The Transatlantic History of Black Methodism (Review Article), Transition 72 (1996): 137-146. James Campbell zit. in: Lichtenstein (1996): 137. Henry McNeal Turner in: Voice of the People 1 (1904) 4:4. Zur Lebensgeschichte Turners siehe u.a. Edwin S. Redkey, Black Exodus: Black Nationalists and Back to Africa Movements, 1890-1910. New Haven, CT 1969, Minton J. Batten, Henry M. Turner, Negro Bishop Extraordinary. In: Church History VII (Sept.1938): 231-346, und Campbell (1995). Turner zit. in: Edwin S. Redkey (Hg.), Respect Black. The Writings and Speeches of Henry McNeal Turner. New York 1971: 112(Briefvom 18.11.1891). Zum Verhältnis von AME Church und Südafrika siehe James T. Campbell (1995). Zu den
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unabhängigen Kirchen in Südafrika siehe Gesine Krüger, Zwischen Gott und Staat. Die Unabhängigen Kirchen in Südafrika. Hamburg 1989. Zu dem Begriff siehe James M. McPherson, White Liberals and Black Power in Negro Education, 1865-1915. In: American Historical Review 85 (June 1970) 5: 1379. Siehe Ray Jennings, Lulu C. Fleming, M.D. o.O., o.D. Lulu Fleming File, ABHS. Zu Murdock, der zwischen 1866 und 1890 die Politik der ABMU entscheidend prägte, siehe Robert G. Torbet, Venture of Faith. The Story of the American Baptist Foreign Mission Society and the Woman's American Baptist Foreign Mission Society 1814-1954. Philadelphia 1955. Siehe Wilson Jeremiah Moses, The Golden Age of Black Nationalism, 1850-1925. New York/Oxford 1978: 75. Anderson (1988): 35. Booker T. Washington, Industrial Schools as an Aid to Missions, abgedruckt in: Kassai Herald (Juli 1906): 31. Der Artikel erschien ursprünglich im Missionary Review of the World. Godfrey N. Brown, British Educational Policy in West and Central Africa. In: Journal of Modern African Studies 2 (1964): 369. Clifton Herman Johnson, The A.M.A., 1846-1861: A Study of Christian Abolitionism. Ph D. Thesis, University of North Carolina at Chapel Hill 1958: 300f. D.E. Burchell, African Higher Education and the Establishment of the South African Native College, Fort Hare. In: South African Historical Journal 8 (Nov. 1976): 60. „.Higher' denotes ,more advanced' and does not necessarily mean .tertiary' or .university' education." Ebenda, Fußnote 1. Burchell (1976): 73. Die Ausbildung umfaßte neben lokalen Sprachen auch die Fächer Englisch und Holländisch, Geografie, Mathematik, Grundlagen der Physik und Chemie, Landwirtschaft, Grundlagen der Volkwirtschaft und Betriebswirtschaft. Siehe PR 4119 University of Fort Hare, Inter-State Native College, Letterbooks, c. 1905-1912. Cory Library for Historical Research., Rhodes University, Grahamstown, Eastern Cape, South Africa. Burchell (1976): 83. Jabavu zeigte sich dagegen weniger beeindruckt von B.T. Washington und von dessen Schrift Working with the Hands. Jabavu kritisierte an dieser Arbeit die starke Überbetonimg der Labor Education gegenüber der Higher Education. Zu Jabavu siehe Catherine Higgs, The Ghost of Equality. The Public Lives of D.D.T. Jabavu of South Africa, 1885-1959. Athens, OH/ Capetown/ Johannesburg 1997. Jabavus Aufenthalt in Tuskegee, siehe ebenda: 23ff. Siehe A. Kerr, Fort Hare 1915-1948: The Evolution of an African College. Pietermaritzburg 1968. Henderson zit. in: Burchell (1976): 67. Henderson erwähnte in seinen Ausfuhrungen nicht die große Zahl von Frauen, die an Bildungseinrichtungen in den USA studierten. Zit. in: Burchell (1976): 68. Siehe auch Report of the South African Native Affairs Commision 1903-1905, Section 329. Samuel B. Coles, Preacher with a Plow. Boston 1957: 122. Ebenda: 124. Coles und seine Frau waren vom American Board of Foreign Missions nach Liberia ausgeliehen worden, da ihre Station aus Finanzmangel im Zuge der wirtschaftlichen Depression vorübergehend geschlossen werden mußte. Im Zusammenhang mit Liberia soll das 1861 errichtete Liberia College nicht unerwähnt bleiben, dessen Gründung auf Initiativen von Missionen und der New York Colonization Society zurückging. Allerdings war ein Studium am Liberia College bis in die 1950er Jahre hinein ausschließlich der ameriko-liberianischen Elite vorbehalten. Zur Entwicklung von Collegeund Universitätsgründungen in Afrika siehe J.F. Ade Ajayi/ Lameck K.H. Goma/G. Ampah Johnson, The African Experience With Higher Education. London/Athens, OH 1996. Catalogue of Fisk University, Nashville, Tenn. 1887: 33. Fisk University Library, Special Collections, Nashville, Tennessee. Siehe Kapitel 6. American Missionary Association, Thirty-Sixth Annual Report for 1882: 45. Zu George
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Jowett siehe De Boer, Be Jubilant My Feet. African American Abolitionists in the American Missionary Association, 1839-1861. New York/London 1994: 113ff. Ende des 19. Jahrhunderts änderte sich die liberale Haltung am Oberlin College, die einst Martin R. Delany beeindruckt hatte. Delany beschrieb seinen Besuch in Oberlin im North Star vom 8. April 1848. Kopie in John H. Wise File, Oberlin College Archives, Oberlin, OH. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts gab es erste Proteste von weißen Studentinnen, die sich weigerten, die Mahlzeiten mit ihren schwarzen Kommilitoninnen einzunehmen. Siehe David Diepenbrock, Black Women and Oberlin College in the Age of Jim Crow. In: UCLA Historical Journal 13 (1993): 31. Eines der Photos, das 1890 anläßlich einer Jahresfeier entstand, hatte folgenden Untertitel: „Music performance: Hampton's Girdle Round the World. Students of eight nationalities or Races: Loo Ke Chung, Chinese; Grace Lyon, African; Hagop Dalkiranian, Armenian; Hubert Welsh (Cloud Bear), Indian American; Leonides Vicente, Cuba, of African race; Martha E. Cook, Afro-American; David Kanuha, Hawaiian; Seijiro Seito, Japanese." Grace Lyon File, Hampton University. Hampton Institue Archives, Hampton, Virginia. Siehe z.B. „For Unkulunkulu's Sake", ein Stück, das von christlicher Bekehrung im „afrikanischen Busch" handelte und alle gängigen Klischees präsentierte. Die Requisiten wurden von einem Missionar zur Verfügung gestellt. Die Rollen des witch doctor und des chief übernahmen Studenten aus Afrika. Paul N. Revere File Hampton University. Hampton Institue Archives, Hampton, Virginia (ab hier Hampton Archives). The Story of my Life. Paul Nyecka Revere. Krutown, Africa.O.O., o.J: 7-8. Paul Nyecka Revere File, Hampton Archives. Zu den indianischen Studenten in Hampton siehe Anderson (1988). Auch am Oberlin College wurden Indianer benachteiligt und diskriminiert. Man betrachtete sie nicht als Amerikaner, sondern sie wurden in den Immatrikulationslisten unter der Rubrik „Orientais" zusammen mit Studenten aus asiatischen Ländern aufgeführt. Siehe Oberlin College Archives, Oberlin, OH. Claudius A. Clements an Miss Cleaveland, 6.6.1888, Claudius A. Clements File, Hampton Archives. Barnabas Root verstarb 1877. Zu seiner Biografie siehe DeBoer: 130ff. Buell Tucker stammte aus Sherbro Island und arbeitete bereits als „native helper" in der Druckerei der Mission. 1884 schloß er seine Ausbildung in Hampton ab, fand eine Anstellung als Drucker in einem ArchitekturbQro in der Nähe von Boston und war dort über zwanzig Jahre tätig. Siehe A.M.A, Annual Reports, 1877,1879; Buell Tucker File, Hampton Archives. C.A. Clements an Miss Sherman, 3.3.1897, Claudius A. Clements File, Hampton Archives. C.A. Clements an A.E. Cleaveland, 6.6.1888, Claudius A. Clements File, Hampton Archives. Miss Cleaveland war Clements Lehrerin in Hampton. A.E. Cleaveland an H. Frissell, 28.5.1898, Claudius A. Clements File, Hampton Archives. „Items of Interest". Senior Supper 1884, Claudius Clements File, Hampton Archives. C.A. Clements an A.E. Cleaveland, 19.8.1897, Claudius Clements File, Hampton Archives. Die Kirche der UBC war 1800 in Dayton, Ohio aus einer konfessionsübergreifenden Emeuerungsbewegung hervorgegangen. Die Gemeinde setzte sich überwiegend aus deutschstämmigen Amerikanern zusammen. 1853 entschied sich die Home, Frontier, and Foreign Missionary Society der UBC für Sierra Leone als Schwerpunkt ihrer Missionsarbeit in Afrika. Siehe A.W. Druiy, Histoiy of the Church of the United Brethren in Christ. Dayton, OH 1924: 587. Brief von C.A. Clements vom Dezember 1886, veröffentlicht in: Southern Workman, Februar 1887. C.A. Clements an A.E. Cleaveland, 6.6.1888, Claudius A. Clements File, Hampton Archives. Rufus Clark war ein wohlhabender Geschäftsmann und unterstützte gemeinsam mit seiner Frau die UBC mit großzügigen Spenden. 1898 besuchten 130 Schüler die Einrichtung. Ein Jahr später unterhielt die UBC Zweidrittel der insgesamt 31 Schulen im Protektorat. C.Magbaily Fyle, The Histoiy of Sierra Leone. A Concise Introduction. London 1981: 112. Zu Gomer siehe Drury (1924): 591f und eine Würdigung Gomers in: The United Brethren Yearbook. United Brethren Publishing House, Dayton, OH 1998: 35.
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Als Creoles, zunehmend auch Krios, werden in Sierra Leone die direkten Nachkommen von 6000 Recaptives bezeichnet. Hierbei handelte es sich um Afrikaner, die zwischen 1808 und 1815 von Patrouillen der britischen Marine vor der westafrikanischen Küste von Sklavenschiffen aufgenommen und in Sierra Leone angesiedelt worden waren. Die Creoles verbanden afrikanische kulturelle Konzepte mit der westlich-europäisch geprägten Lebensweise an der Küste und schufen dadurch in Westafrika im 19. Jahrhundert ein spezifisches kulturelles Klima, das entscheidend Einfluß auf den Pan-Afrikanismus und die Entwicklung des Black Consciousness nahm. Siehe Leo Spitzer, The Creoles of Sierra Leone. Madison, Wise. 1974 und A.J.G. Wyse, The Krio of Sierra Leone: An Interpretative History. London 1989. C.A. Clements an Miss Sherman, 3.3.1897, Claudius A. Clements File, Hampton Archives. C.A. Clements an A.E. Cleaveland, 8.6.1891, Claudius A. Clements File, Hampton Archives. Die Mehrzahl der in Sierra Leone ansässigen Ethnien, wie die Temne, Mende und Sherbro, verfügte über die Institution der so genannten Geheimgesellschaft. Die Secret Societies waren in der Regel nach Geschlecht getrennt und hießen bei den Mende für die Männer poro und für die Frauen bundu. Sie hatten in erster Linie Sozialisations- und Ausbildungsfunktionen filr die jungen Leute innerhalb einer Gemeinde und vermittelten Wissen, das für den Eintritt in das Erwachsenenleben wichtig war. Neben dem Initiationsritus zählten rituelle Funktionen wie die Pflege des Wissens um den gemeinsamen Ursprung zu ihren Aufgaben. Der Poro übte gleichzeitig wichtige politische Funktionen aus und traf Entscheidungen über Kriegserklärungen, Friedensverhandlungen und die Schaffung von Allianzen. John Davidson, April 27, 1898: The „Mende War" Revisited. In: Peter K. Mitchell/ Adam Jones (Hg.), Sierra Leone Studies at Birmingham, Birmingham 1983: 86-102. Parliamentary Papers, 1899 Vol. LX, Pts.I + II: Royal Commission on Mende Rising or House Tax War 1898. W.M. Bell an A.E. Cleaveland, 24.6.1898, Claudius A. Clements File, Hampton Archives. Bei der Quelle handelt es sich um einen undatierten Bericht eines Reisenden in Sierra Leone, der schrieb: „He (Clements) would have been spared, but his wife was to be put to death. He plead to take her place and his request was granted... She now lives in Freetown with her parents or rather her mother. Her brother is the chief clerk in the Sherbro country." Der Bericht befindet sich im Claudius A. Clements File, Hampton Archives. Southern Workman, May 1908. William Schofields eigene Charakterisierung seiner Tätigkeit in Liberia. Der Herausgeber des Southern Workman beschrieb Schofields Missionsdienst als: „... heroic service in Africa...". Items of Interest In: Southern Workman, October 1904. William Schofield File, Hampton Archives. Items of Interest. In: Southern Workman, Juni 1888. William Schofield File, Hampton Archives. W. Schofield an A.E. Cleaveland, 9.1.1893. William Schofield File, Hampton Archives. Die Informationen zu Mary A. Scott sind spärlich. Paul Revere Nwecka, der ihre Schule filnf Jahre lang besuchte, schilderte sie in seiner Biografie als sehr entschlossene Frau, die alles für die Mission gegeben habe. Als sie 1914 nach 35 Jahren Dienst in Liberia starb, habe eine große Gemeinde um sie getrauert. The Story of my Life. Paul Nyecka Revere. Krutown, Africa.O.O., o.J: 13ff. Paul Nyecka Revere File, Hampton Archives. W. Schofield an A.E. Cleaveland, 12.9.1889. William Schofield File, Hampton Archives. Lula Hunter war 1868 nach Liberia gekommen. Sie war neun Jahre verheiratet, bis ihr Mann dem Wahnsinn verfiel und verstarb. W. Schofield an A.E. Cleaveland, 30.6.1897; Ders. an Rev. Dr. H. Frisseil, 25.2.1898, William Schofield File, Hampton Archives. W. Schofield an H. Frisseil, 3.3.1900. William Schofield File, Hampton Archives. W. Schofield an Southern Workman, 16.8.1904. William Schofield File, Hampton Archives. Der Beitrag erschien leicht überarbeitet mit dem Titel „A Hampton Missionary in Africa" in der Oktoberausgabe des Southern Workman. Schofields Position an der Schule war nicht eindeutig. Im Southern Workman wurde er als „associate manager of an industrial institution"
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bezeichnet. W. Schofield an M.J. Sherman, 21.2.1904. William Schofield File, Hampton Archives. Miss Sherman war eine Lehrerin von Schofield. Lula Schofield bat im darauffolgenden Jahr das Hampton Institute um eine Spende zum Kauf eines Grabsteins aus Marmor für ihren verstorbenen Mann. Siehe Lula Schofield an Hollis Frissell, 8.7.1908. William Schofield File, Hampton Archives. Es gibt keine Hinweise darauf, ob Hampton ihrer Bitte entsprach. Items of Interest. In: Southern Workman, Oktober 1908. Schofield an Frissell, 26.8.1893, William Schofield File, Hampton Archives. Zit. in: DeBoer, 1974: 126. Siehe u.a. Clemme Ellis White, Our New Missionary and Mission Field. In: The Messenger, o.J.: 2-3, und Our African Diamond, eine kleine Broschüre, die 1926 von der Practical Bible Training School in Binghampton, NY herausgegeben wurde und Reveres Lebensweg nachzeichnet. Students Work Report 1914, Paul Nyecka Revere File, Hampton Archives. Paul Nyecka Revere File, Hampton Archives. Es ist zu vermuten, daß Revere die Briefe selbst verfaßte. Aber zumindest waren die lokalen Autoritäten bereit, ihre Zustimmung mit drei Kreuzen als Unterschrift zu bekunden. P.N. Revere an F.K. Rogers, 22.5.1928. Paul Nyecka Revere File, Hampton Archives. Aus dem Jahr 1932 existiert ein Brief von einem Vertreter der Practical Bible Training School an den neuen Präsidenten des Hampton Institute, Arthur Howe, mit der Bitte, eine junge, gut ausgebildete Frau vorzuschlagen, die bereit wäre, ihr Leben mit Paul Revere in Liberia zu teilen. Hampton Institute sah sich jedoch außerstande, diesen Wunsch von Revere, der inzwischen 40 Jahre alt war, zu erfüllen. Siehe Paul Nyecka Revere File, Hampton Archives. Walter Williams ermittelte für die Jahre zwischen 1877 und 1900 ISO Missionare. Die Autorin erfaßte in den Archiven der American Baptist Historical Society, der Southern Baptist Convention, dem Department of History of the Presbyterian Church (U.S.A.) und der Hampton University für den Zeitraum zwischen 1840 und 1900 rund 120 African Americans, zu denen allerdings in den meisten Fällen nur wenige, unzureichende biografische Daten vorliegen. Siehe Walter L. Williams, Black Americans and the Evangelization of Africa, 1877-1900. Madison, Wise. 1982: Appendices d-f. Roth (1975): 8. Cary reiste gemeinsam mit Colin Teague an die westafrikanische Küste. Bereits 1820 traf Daniel Coker als Repräsentant der ACS in Liberia ein und gründete vor Ort eine Reihe von Niederlassungen der A ME Church. William A. Poe, Lott Cary: Man of Purchased Freedom. In: Church History 39 (1970): 52. Zu Cary siehe auch Miles Mark Fisher, Lott Caiy, the Colonizing Missionary. In: Journal of Negro History 7 (1922): 380-418, und Leroy Fitts, Lott Carey: First Black Missionaiy to Africa. Valley Forge, PA 1978. Die Schreibweise des Namens variiert in der Literatur zwischen Cary und Carey. Da Lott Caiy seine Briefe mit Cary unterschrieb, wurde diese Schreibweise hier verwendet. Siehe Lott Cary, Africa Correspondence, 1826-1826, American Baptist Historical Society, Valley Forge, Pennsylvania (ab hier: ABHS). Recaptives waren Afrikaner, die von Patrouillen der britischen Marine, die vor der westafrikanischen Küste kreuzten, von Sklavenschiffen aufgenommen und nach Sierra Leone gebracht wurden. Der genaue Name und die Ethnie des Jungen lassen sich nicht feststellen. In Carys Korrespondenz mit der Baptistenkirche in den USA wird der Junge nur als John erwähnt. Siehe Lott Cary, Africa Correspondence, 1826-1826, ABHS. Lamin Sanneh, Abolitionists Abroad. American Blacks and the Making of Modem West Africa. Cambridge, MA/ London 1999: 212. Heute unterhält die nach Cary benannte Lott Cary Baptist Foreign Mission Convention eine Kirche und eine Schule in Liberia.
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Abgedruckt im Seventh Annual Report of the Baptist Board for Foreign Missions, 1821. Siehe Poe (1970): 55 Fußnote 37. Ebenda. Josephus Roosevelt Coan, Flying Sparks. The Genesis of African Methodism. Nashville, Tenn. 1987: 236. Die Statistik der Todesraten widerspricht dieser Behauptung, aber die Vorstellung, daß Afroamerikaner das afrikanische Klima besser ertragen können, hielt sich bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. Alexander Crummell schrieb über die gute physische Anpassung der African Americans an die klimatischen Bedingungen Afrikas: „There is a tropical fitness, which inheres in our constitution, whereby we are enabled ... to sit down under an African sun; and soon, and with comparative ease, feel ourselves at home." Alexander Crummell, Africa and America. Addresses and Discourses. Springfield, MA 1891: 442. Zit. in: W.L. Williams (1982): 11. B.T. Russell führte die Befragung mit Hilfe eines Questionnaires im Rahmen seiner MA thesis durch. Er erhielt Antworten von 27 Vertretern von 12 Denominationen, die in West- und Zentralafrika sowie in Indien, China, Honduras und am Persischen Golf tätig waren. Vgl. Bodine Tenney Russell, What are the Policies, Practices, and Attitudes of the Foreign Mission Boards in North America with Reference to the Sending of American Negroes as Foreign Missionaries? MA thesis, Presbyterian College of Christian Education, o.O. 1945, ABHS. Russell (1945): 24. Ebenda. Stellungnahme von Gayle Beanland vom Foreign Mission Board of the Presbyterian Church, U.S.A., Russell (1945): 28. Der Begriff „Nationais" bezieht sich auf die indigene Bevölkerung. Russell (1945): 17. Die große Ausnahme ist der bereits erwähnte massive Protest der APCM gegen die Greueltaten an der indigenen Bevölkerung im Kongo durch die Verwaltung des „Kongo Freistaates" um die Jahrhundertwende. Siehe Kapitel 6. Russell (1945): 29. Samuel B. Coles, Preacher with a Plow. Boston 1957: 120. Titel einer kleinen bebilderten Broschüre, die Coles 1931 publizierte. TC/Afr.3/5/2/1, Savary Library, Talladega College, Talladega, Alabama. Samuel B. Coles, The History and Future Development of Galangue Station. In: The Talladegan 47 (November 1928): 9. Savary Library, Talladega College, Talladega, Alabama. Auf die Probleme und Konflikte innerhalb einer sogenannten mixed mission station oder integrated mission am Beispiel der APCM, noch näher eingegangen. Siehe Kapitel 6. L. Johnson (1981): 212. Kimpionga Mahaniah, The Presence of Black Americans in the Lower Congo, 1878-1921. In: Joseph Harris (Hg.), Global Dimensions of the African Diaspora. Washington, D.C. 1993: 409. Catherine Mabie to George Huntington, Mbanza Manteke, 26.4.1902, American Baptist Foreign Missionary Society, ABHS. Henry McNeal Turner, Voice of the People 1 (Mai 1904) 4:4. Voice of Missions (May 1894): 3. Edward Wilmot Blyden, Liberia's Offering. The Call of Providence to the Descendants of Africa in America. New York 1862. Siehe auch Wilson J. Moses, Alexander Crummell. A Study of Civilization and Discontent. Amherst, MA 1992: 141f. Adrian Hastings, The Church in Africa, 1450-1950. Oxford 1994:418. Aus der umfangreichen Literatur seien u.a. erwähnt: Molefi Kete Asante, Kernet, Afrocentricity, and Knowledge. Tienton, N.J. 1990; Kwame Anthony Appiah, In My Father's House. Africa in the Philosophy of Culture. New York 1992; Mary Lefkowitz, Not Out of Africa: How Afrocentricsm Became an Excuse to Teach Myth as History. New York 1996; siehe auch Mia Bay, The Historical Origins of Afrocentrism. In: Amerikastudien. American Studies. A Quar-
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terly 45 (2000) 4: 501-512; Stephen Howe, Mythical Pasts and Imagined Homes. London/New York 1998. 164 Jacobs (1981):xi. 165 W.L. Williams (1982): xiv. 166 Jacobs (1981): 10. 167 Siehe Kapitel 1. 168 Harold R. Isaacs, The New World of Negro Americans. New York 1963: 127. 169 W.L. Williams (1982): xiv. 170 Ebenda: 124. 171 Zu Camphor siehe Roth (1975) und Kapitel 6. 172 Siehe Kapitel 6. 173 Siehe Clinton Boone, Congo As I Saw It. New York 1927: 36. 174. Siehe Robin Horton, African Conversion. In: Africa 41 (1971) 2: 85-108; ders., On the Rationality of Conversion (Parts I and 2). In: Africa 45 (1975) 3: 219-235; 373-399, und Fishers kritische Entgegnung auf Hortons ersten Artikel: Humphrey Fisher, Conversion Reconsidered: Some Historical Aspects of Religious Conversion in Black Africa. In: Africa 43 (1973) 1. Siehe auch Terence Ranger/I. Kimambo, The Historical Study of African Religions. Berkeley, CA 19172 und Ikenga-Metuh, E., The Shattered Microcosm: A Critical Siurvey of Explanations of Conversion in Africa. In: K. Hoist Peterson (Hg.), Religion, Development, and African Identity. Uppsala: Scandinavian Institute of African Studies 1987: 11-27. 175 Horton (1971): 102. 176 Oxford Dictionary of World Religions, Hg. von John Bowker, Oxford/ New York 1997: 236. 177 Arthur Darby Nock, Conversion: The Old and New in Religion From Alexander the Great to Augustin of Hippo. Oxford 1933 (Nachdruck Lanham, MD 1988). Nock zit. in: Bengt Sundkler/Christopher Steed, A History of the Church in Africa. Cambridge 2000: 96. 178 Sundkler/Steed (2000): 96. 179 Einen Überblick zu den unterschiedlichen Bedingungen von Konversion in Afrika gibt Helmut Bley, Allgemeine historische Perspektiven: Sozialgeschichtliche Bedingungen von Konversion in Afrika, 1750-1980. In: Klaus Koschorke (Hg.), „Christen und Gewürze" - Konfrontation und Interaktion kolonialer und indigener Christentumsvarianten. Göttingen 1998: 274285. Siehe auch Kirsten Rüther, The Power Beyond. Mission Strategies, African Conversion and the Development of a Christian Culture in the Transvaal. Hamburg/Münster 2001. 180 Siehe Kapitel 6. 181 Siehe hierzu ebenfalls Kapitel 6. 182 Themba Sono, Rationality and Techniques of African Conversion by Christian Missionaries. African Perspectives. Selected Works No. 6. Pretoria 1993: 5. 183 Siehe hierzu Evelyn Brooks Higginbotham, Righteous Discontent. The Women's Movement in the Black Baptist Church, 1880-1920. Cambridge, MA/London 1993. 184 Siehe u.a. Sylvia M. Jacobs, Afro-American Women Missionaries Confront the African Way of Life. In: Darlene Clark Hine (Hg ), Black Women in U.S. History, Vol. III. Berkeley 1990 (4 vols.): 727-738. Dies., Give a Thought to Africa. Black Women Missionaries in Southern Africa. In: Nupur Chauduri/Margaret Strobel (Hg.), Western Women and Imperialism. Complicity and Resistance. Bloomington/Indianapolis 1992: 207-228. Jeannine DeLombard, Sisters, Servants, or Saviours? National Baptist Women Missionaries in Liberia in the 1920s. In: International Journal of African Historical Studies 23 (1991) 2: 323-347. Einen allgemeinen Überblick zur Problematik gibt der Sammelband von Fiona Bowie/Deborah Kirkwood/Shirley Ardener (Hg.), Women and Missions. Anthropological and Historical Perspectives. Providence/ Oxford 1993 (Cross-Cultural Perspectives on Women, Vol. II). 185 Lulu Fleming, 15.6.1895. Zit. in: Biographical Digest of Lulu Cecilia Fleming. Lulu Fleming File, ABMS. 186 Lulu Fleming zit. in: Ray Jennings, Lulu C. Fleming, M.D. o. O., o. D. Lulu Fleming File, ABHS. 187 Edmiston zit. in: Julia Lake Kellersberger, A Life for the Congo, the Story of Althea Brown
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Edmiston. New York 1947: 143. Im Archiv der Presbyterian Church (USA) gibt es keine spezielle Akte zu Althea Edmiston. Ihre biografischen Daten befinden sich in den Unterlagen ihres Mannes. Siehe Alonzo Luore Edmiston Papers, 1908-1956. Department of History of the Presbyterian Church (USA), Montreat, North Carolina (ab hier DHM). Neben Kellersberger (1947) geben Althea Edmistons zahlreichen Artikel im Kassai Herald Aufschluß über ihre Arbeit. Während im Missionary Berichte von Frauen nur vereinzelt veröffentlicht wurden, betrug der Anteil der von Frauen verfaßten Beitrage im Kassai Herald etwa ein Drittel aller Artikel. Siehe z.B. Lucy G. Sheppard, A Sewing Class at Ibanj. In: Kassai Herald 2 (April 1902) 2: 15, DHM. Zit. in: Kellersberger (1947): 58. W.L. Williams (1982): 143. L.M. Johnson (1991): 214. Jones zit. in: Sylvia M. Jacobs, Afro-American Women Missionaries and European Imperialism in Southern Africa, 1880-1920. In: Women's Studies International Forum, 1990: 384. Zu den biografischen Daten von Dawes und Jackson siehe American Baptist Missionary Register, American Baptist Missionary Society (ABMS), ABHS. S. Graves to S. Duncan, 16.7.1894, Africa Correspondence, Rev. J.C. Dawes, Congo Beige, 1895-1896, ABHS. J. Dawes to S. Duncan, 30.6.1894, ebenda. Dawes berichtete in seinen Briefen an Duncan auch ausführlich über seine Tätigkeiten auf der Station. S. Duncan to G. Sale, 11.7.1894, ebenda. C. Harvey to Duncan, 11.10.1895, ABHS. Vgl. auch Mahaniah (1993): 409. G. Jackson to S. Duncan, 20.10.94, ABHS. George Jackson starb im November 1943. L.M. Johnson (1991): 213. William H. Becker, The Black Church. Manhood and Mission. In: Timothy E. Fulop/Albert J. Raboteau (Hg.,), African-American Religion. Interpretive Essays in History and Culture. New York/London 1997: 188. Roth (1975): 95. W.L. Williams (1982): 107-108. Siehe Roth (1975):7. Zu den Verbindungen von britischen und afroamerikanischen Abolitionisten siehe R.J.M. Blackett, Building an Antislavery Wall. Black Americans in the Atlantic Abolitionist Movement, 1830-1860. Ithaca/London 1983. J.S. Mills, Africa and Mission Work in Sierra Leone, West Africa. Dayton, OH 1898: 123. Zu der wenig erforschten Steuerrevolte siehe Arthur Abraham, Nyagua, the British and the Hut Tax War. In: International Journal of African Historical Studies 5 (1972) 1: 94-98. John Davidson, April 27, 1898: The „Mende War" Revisited. In: Peter K.Mitchell/Adam Jones (Hg ), Sierra Leone Studies at Birmingham, Birmingham 1983: 86-102. Alexander Crummell, Africa and America. Addresses and Discourses. Springfield, MA 1891: 320-321. L.M. Johnson, 1991:214. Tunde Adeleke, UnAfrican Americans: Nineteenth-Century Black Nationalists and the Civilizing Mission. Louisville, KY 1998: 133ff Siehe Richard Gray, Black Christians and White Missionaries. New Haven/London 1990: 59. Kolonialregierungen vergaben z.B. Konzessionen zur Errichtung von Missionsstationen. Siehe Kapitel 6.
KAPITEL 5
Die USA und der „Kongo-Freistaat"
„Let the Congo Free State become a great central Negro state of the world, and let its prosperity be counted not simply in cash and commerce, but in the happiness and true advancement of its black people."1
Als Präsident Chester A. Arthur in seiner Jahresbotschaft vor dem amerikanischen Kongreß im Dezember 1883 „the rich and populous valley of the Kongo" erwähnte, besaßen die Amerikaner nur eine sehr vage Vorstellung von diesem Gebiet in Zentralafrika. In den Worten des Historikers David Pletcher war diese Region „...a place as remote as the moon from the ordinary concerns of all Americans but missionaries, geographers, and Henry Morton Stanley."2 Dieses Bild veränderte sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Region unter der Bezeichnung Congo Free State durch die an der indigenen Bevölkerung verübten Greueltaten traurige Berühmtheit erlangte und die amerikanische Öffentlichkeit sich mit den dortigen Zuständen zu beschäftigen begann. Das folgende Kapitel skizziert die Vorgeschichte der Beziehungen zwischen den USA und der Kongo-Region von ihren Anfängen um 1875 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Obwohl die Region in erster Linie fur einzelne Forschungsreisende, Geografen und Missionare von größerer Bedeutung war, setzten sich, zumindest vorübergehend, die Regierung der USA, Geschäftsleute und vor allem Philanthropen aus unterschiedlichen Motiven für die Erschließung des Kongo ein. Das betroffene Gebiet umfaßt eine Fläche von zirka 2,5 Millionen Quadratkilometern, was der 80-fachen Größe Belgiens entspricht. Um 1880 schwankten die geschätzten Bevölkerungszahlen zwischen 30 und 50 Millionen. Von 1885 bis 1908 firmierte die Region als völkerrechtlich anerkannter Freistaat (Etat Independent du Congo - EIC)? Nach der Annektierung durch den belgischen Staat wurde aus dem „Kongo-Freistaat" die Kolonie Belgisch-Kongo (Congo Beige).*
Belgien unter Leopold II. Der „Kongo-Freistaat" war die Schöpfung des belgischen Königs Leopold II., der damit gegen den Willen der belgischen Regierung und unter brutaler Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft in Zentralafrika seinen Traum von einem Kolonialreich verwirklichte. Durch die Initiative des Königs entwickelte sich eines der kleinsten
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Kapitel 5
Länder Europas, dessen Gründung nur rund SO Jahre zurücklag, zu einer der großen Kolonialmächte Europas in Afrika. Als Leopold II. 1865 den belgischen Thron bestieg, übernahm er das Amt von seinem Vater Leopold I., der als erster König des 1831 geschaffenen Staates Belgien in Brüssel residierte.5 Die Vorgeschichte der Gründung Belgiens begann auf dem Wiener Kongreß 1815, als die Region des späteren Belgien dem Königreich der Vereinigten Niederlande unter dem holländischen König Wilhelm I einverleibt wurde. Gekennzeichnet durch starke konfessionelle, politische, soziale und wirtschaftliche Gegensätze, blieb auch das spätere Belgien gespalten in einen holländischen, protestantischen Norden und einen katholischen Süden, wo französisch gesprochen wurde. Unter Wilhelm I. kam es zu einer forcierten industriellen Entwicklung des Südens auf Grundlage der reichen Kohle- und Eisenerzvorkommen, während der Norden agrarisch geprägt war. Die Abgrenzungspolitik von Wilhelm I. führte zu erheblichen Spannungen, die noch verstärkt wurden durch die Aufnahme politischer Exilanten aus Frankreich, die die Ideen der Französischen Revolution verbreiteten und alles Holländische ablehnten. Ein geplanter Besuch des holländischen Königs im Juli 1830 war Anlaß zu revolutionären Ausschreitungen in Brüssel, die eine Reihe von Aufständen in den übrigen Provinzen nach sich zogen. Die holländischen Truppen wurden in schweren Gefechten von den Aufständischen niedergeschlagen. Ergebnis dieser erfolgreichen Revolution war die Einsetzung einer vorläufigen Regierung, des Nationalkongresses, der vom November 1830 bis Juli 1831 tagte und eine Verfassung konzipierte, die zu den liberalsten im damaligen Europa zählte. Man entschied sich für eine konstitutionelle Monarchie und gegen eine Republik, die nicht die notwendige Unterstützung der Großmächte erhalten hätte. Die Suche nach einem geeigneten König für Belgien erwies sich als problematisch, da sowohl die Interessen Englands wie Frankreichs gewahrt werden mußten. Während England die Gründung der neuen Monarchie begrüßte, zeigte sich Frankreich abwartend und drohte mit Annexion. Letztendlich verständigte man sich auf Leopold von Sachsen-Coburg, der als Leopold I. von Belgien am 21. Juli 1831 in Brüssel die Königswürde erhielt. In den ersten zwei Jahrzehnten nach der Gründung Belgiens waren alle Kräfte darum bemüht, die bestehenden Differenzen auf ein Minimum zu reduzieren, um innenpolitische Spaltungen zu vermeiden, die der noch nicht gefestigten internationalen Position dieses neu geschaffenen Staates geschadet hätten. Aber der „Unionismus", wie die Einheitsbemühungen genannt wurden, ließ sich auf Dauer nicht durchhalten, und in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts kristallisierten sich zwei politische Parteien heraus. Die Liberalen stützten sich auf wallonische und Brüsseler Geschäftsleute und andere Gewerbetreibende, die den Freihandel propagierten und als Freidenker eine anti-klerikale Position einnahmen. Ihnen gegenüber
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stand die Katholische Partei, die die privilegierte Position der katholischen Kirche unterstützte. Ihre Anhänger waren konservativ und rekrutierten sich aus der Landbevölkerung, überwiegend in Flandern. Im Gegensatz zu seinem Vater versuchte Leopold II., die belgische Politik zu beeinflussen und zu kontrollieren. Er zwang Minister, die ihm nicht genehm waren, zum Rücktritt und schrieb Neuwahlen aus, nachdem sich die Regierungsverhandlungen infolge der Wahlen von 1870 als schwierig erwiesen hatten. Nach dem erneuten Sieg der Katholiken 1884 übernahm der Bankier Jules Malou die Regierungsgeschäfte. Als der König von Malou die Entlassung zweier Minister forderte, trat dieser zurück. Leopold II. beauftragte daraufhin Auguste Beernaert, den einzigen Mann in der Katholischen Partei, dem er vertraute, mit den Regierungsgeschäften. Die starke Einmischung des Königs wurde von vielen Katholiken mit Argwohn betrachtet. Leopold II. hatte die ihm laut Verfassung zustehenden Machtbefugnisse deutlich überschritten, als er zum zweiten Mal ein katholisches Kabinett, das im nicht genehm war, zum Rücktritt zwang. Dieses Vorgehen sollte ihm in Zukunft schaden, da die belgischen Politiker die politischen Einmischungen des Königs mit Mißtrauen und Skepsis betrachteten. Der Beginn der Herrschaft Leopolds II. fiel in eine Phase des wirtschaftliche Aufschwungs. Die belgische Industrie, vor allem die Schwerindustrie, und der Handel prosperierten. Die Periode war gekennzeichnet von der weltweit gestiegenen Goldproduktion und der Industrialisierung Frankreichs und Deutschlands, deren expandierende Volkswirtschaften einen wachsenden Bedarf an belgischen Kohleund Eisenexporten mit sich führten. Seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts war die belgische Infrastruktur, besonders das Eisenbahnnetz und der Hafen von Antwerpen, ausgebaut worden. Die starke Exportorientierung machte das Land aber auch sehr abhängig von weltwirtschaftlichen Depressionen, wie beispielsweise die von 1873, die, mitverursacht durch umfangreiche Weizenimporte aus Nordamerika und den baltischen Staaten, zum Preisverfall bei Getreide und zu einem weiteren Absinken der bereits niedrigen Löhne führte. Vor allem die städtische Bevölkerung war von diesen wirtschaftlichen Einbrüchen stark betroffen, was soziale Unruhen zur Folge hatte. Die Enttäuschung über die ausbleibenden Reaktionen der etablierten Parteien auf diese Krise führte 1877 zur Gründung der Flämischen Sozialistischen Partei, die sich zeitweilig mit einer wallonischen Schwesterpartei verbündete. Eine Reihe weiterer politischer Gruppen organisierte sich im ganzen Land. Da die marxistisch ausgerichteten, anti-religiösen Vereinigungen bei großen Teilen der Bevölkerung auf wenig Zustimmung stießen, kam es 1885 zur Gründung der Belgischen Arbeiter-Partei, in der sich die gemäßigten linken Kräfte zusammenschlössen. 1886 brachen erneut soziale Unruhen aus, und die Regierung Beernaert sah sich dazu veranlaßt, eine Reform-Kommission einzusetzen. Das Ergebnis war eine Reihe von Gesetzen, die beispielsweise die Arbeitsbedingungen regelten und die Arbeit
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für Kinder unter 12 Jahren verboten. Es folgte die Einrichtung einer Verfassungskommission, die das Wahlrecht neu regeln sollte. 1892 erhielten alle Männer über 25 Jahre das Stimmrecht.6 Die Ausweitung des Wahlrechts war im Interesse des belgischen Königs. Obwohl durch das Mehrstimmenwahlrecht die Anhänger von Liberalen und Katholiken insgesamt die Mehrheit behielten, schwächte die Präsenz von Sozialisten im Parlament die Hegemonie der künftigen Regierungen und ermöglichte Leopold II. einen größeren Handlungsspielraum. „They were obliged to be highly circumspect in the policies they adopted, thus shifting the balance of power in favour of the monarchy. No chief minister after Beernaert was able to stand up to Leopold II."7
Kolonienfür Belgien Leopold I. hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, für Belgien Kolonien zu erwerben.8 Sein Sohn verfolgte das Vorhaben des Vaters mit sehr viel mehr Nachdruck. Er nahm gezielt die weltweite Suche nach geeigneten Kolonisationsobjekten auf. In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts verfolgte er intensiv die Lage in China. 1866 äußerte sich Leopold II. zu seinen kolonialen Ambitionen in China folgendermaßen: „It is my dream to found a Belgian company for overseas development with its seat in Brussels, which could gradually do for China what the London East India Company did for the Indian Empire, what the former Company of the Indies did for Java."9 Da sich das China-Projekt nicht verwirklichen ließ, strebte er den Kauf der Insel Borneo an. Leopold II. informierte in den meisten Fällen seine Kusine in England, Königin Victoria, über seine kolonialen Pläne und bat um Zustimmung für seine jeweiligen Projekte. Doch Queen Victoria überließ die Entscheidung letztendlich dem Foreign Office. Auch wenn die britische Regierung zur damaligen Zeit keine weitere territoriale Expansion anstrebte, war sie doch daran interessiert, daß andere Staaten in ihrer Nachbarschaft keine Kolonien errichteten. Leopolds Wunsch, Borneo zu erwerben, wurde dann auch abgelehnt. Sehr ernsthaft befaßte sich der belgische König mit den Philippinen. Erste Versuche seines Vaters, das Gebiet 1841 Spanien abzukaufen, scheiterten am Widerstand der Spanier. Ende der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts sah die Situation für Leopold II. jedoch Erfolg versprechender aus. Nach dem Sturz Königin Isabellas 1868 befand sich Spanien in einer politischen Krise. Auf den Philippinen kam es zu ersten Aufständen gegen die spanische Herrschaft, die die lokale Bevölkerung unterdrückte. Die Kolonie stand vor dem finanziellen Ruin, und als im August 1869 in der britischen Zeitschrift Economist Spekulationen über den Verkauf der Philippinen angestellt wurden, witterte der belgische König seine Chance. Die spanische
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Regierung lehnte Leopolds Ansinnen nicht von vornherein ab, zögerte eine Entscheidung jedoch hinaus. Im Januar 1870 unterrichtete der belgische König seine Landsleute über seine Pläne in bezug auf die Philippinen. In diesem Zusammenhang erläuterte er auch die Idee von der Gründung einer privaten Gesellschaft, die gegen eine beträchtliche Summe, sozusagen eine Leihgebühr, die wirtschaftliche Entwicklung, aber auch administrative Aufgaben und die Verteidigung des Archipels Ubernehmen sollte. Neunzig Jahre später, so der Vorschlag, würde Spanien das geliehene Geld zurückerhalten und die Philippinen wieder in seinen Besitz nehmen können. Die Mehrheit der Politiker und auch beide Teile der belgischen Bevölkerung lehnten aber jede, auch temporäre Form des Erwerbs von Kolonien ab, obwohl der König versprach, auf jegliche finanzielle und diplomatische Hilfe zu verzichten. Eine kleine, aber einflußreiche Gruppe von Persönlichkeiten unterstützte jedoch die Interessen des Königs, zu ihr gehörten unter anderem Baron Lambermont und Emile Banning, die beide hohe Positionen im Außenministerium innehatten.10 Leopold II. ließ sich trotz der ablehnenden Haltung der Belgier nicht von seinen Kolonisationsplänen abbringen. Jules Greindl, seit 1873 belgischer Botschafter in Madrid und ein Vertrauter des Königs, erkundigte sich im Auftrag des belgischen Königs bei einer Londoner Bank nach Finanzierungsmöglichkeiten für das Projekt. Das Bankhaus lehnte die Kreditvergabe ohne Garantien von Seiten des belgischen Staates ab. Nachdem sich 1874 mit der Restauration der Bourbonenherrschaft unter König Alphons XII. die politische Lage in Spanien entspannt hatte, entschied die Regierung gegen die Abtretung der Philippinen an den belgischen König. Leopold II. gab den Plan endgültig im August 1875 auf." Er blieb dennoch davon überzeugt, daß es für einen Staat nützlich und wichtig sei, Kolonien zu erwerben. Seiner Ansicht nach galt dies besonders für kleine, aber wirtschaftlich hoch entwickelte Länder wie Belgien, die sich durch Kolonien Absatzmärkte für ihre Manufakturwaren sichern könnten. In Belgien teilten weder Geschäftsleute noch Politiker diesen Standpunkt. Sie fürchteten um ihre Neutralität und wollten internationale Konflikte vermeiden.12 Während Leopold I. jedoch in erster Linie die ökonomischen Vorteile kolonialer Besitzungen betont hatte, verband sein Sohn mit Kolonien nicht nur wirtschaftlichen Reichtum, sondern auch Macht. Durch den Aufstieg Belgiens in die Gruppe der Kolonialmächte glaubte er, seinem Land mehr Einfluß gegenüber den großen, mächtigen Nachbarn verschaffen zu können. Die geradezu obsessive Suche des belgischen Königs nach einer Kolonie hatte auch sehr persönliche Gründe, wie Barbara Emerson darlegt: Leopold II., der sich von klein an für fremde Länder interessierte und sich bereits als junger Mann intensiv mit Kolonialpolitik beschäftigte, richtete nach dem Tod seines einzigen Sohnes im Januar 1869 seine gesamte Energie auf die Schaffung eines Kolonialreiches: „The desire for territorial aggrandizement which he had cherished as a young man became, after 1869, his sole aim and ambition, his ob-
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session. He had failed to provide his country with a son; instead he would bequeath Belgium a colony."13 Das Scheitern des Philippinen-Projekts veranlaßte Leopold II. dazu, neue, diskretere Methoden bei der Realisierung seines Wunsches nach einer Kolonie anzuwenden. Er gestand gegenüber Lambermont ein: „The market is not encouraging, and I don't think it will help to insist. Neither the Spanish, nor the Portuguese, nor the Dutch are disposed to sell [a colony]. I plan to make discreet inquiries if there's any thing to be done in Africa." 14 Zu diesem Zweck lud er im September 1876 Forscher und Wissenschaftler zu einer Internationalen Geographischen Konferenz nach Brüssel ein. In seiner Eröffnungsrede verstand es der belgische König, seine privaten Motive in den Hintergrund zu stellen und sich als Philanthrop darzustellen, dem der Anschluß Afrikas an die westliche Zivilisation am Heizen lag: „To open to civilization the only part of our globe where it has yet to penetrate, to pierce the darkness which envelops whole populations, it is, I dare to say, a crusade worthy of this century of progress... Needless to say, in bringing you to Brussels I was in no way motivated by selfish designs. No, gentlemen, if Belgium is small, she is happy and satisfied with her lot. My only ambition is to serve her."15 Die Konferenz entsprach dem damaligen „humanitären" Interesse am afrikanischen Kontinent, das durch Forscher und Missionare wie David Livingstone geweckt worden war, und die Ansprache von Leopold II. traf auf rege Zustimmung. Im weiteren Verlauf der Konferenz wurde die Association International Africaine (A/A) gegründet. Die AI A war offiziell eine philanthropische Gesellschaft, die die wissenschaftliche Erkundung Afrikas, die Errichtung von Forschungsstationen vor Ort und die Abschaffung des Sklavenhandels förderte. Nach den Vorstellungen von Leopold II. sollte unter dem Deckmantel der AIA eine Handelsgesellschaft zur Erschließung Zentralafrikas gegründet werden, die gleichzeitig die Basis für die Errichtung der geplanten Kolonie des belgischen Königs bilden würde. Im Herbst 1877 kehrte der Forschungsreisende, Journalist und Abenteurer Henry Morton Stanley von einer dreijährigen Expeditionsreise aus Zentralafrika zurück, auf der er den Kongo-Strom in einer Länge von über 2000 Kilometern erkundet hatte. Für den belgischen König, der die Berichte Stanleys im englischen Daily Telegraph in den vorangegangenen Monaten gründlich gelesen hatte, war klar, daß er sein zukünftiges Kolonialreich in der Kongo-Region Zentralafrikas errichten würde. Das Gebiet versprach nicht nur riesige Rohstoffvorkommen, sondern verfügte durch das weit verzweigte Wasserlaufsystem des Kongo auch über Transportmöglichkeiten. Leopold II. sah auch, daß weitere Expeditionen nötig waren, um Stützpunkte zu errichten, den Umfang der natürlichen Ressourcen zu erkunden und um genauere Kenntnisse über die Völker, die in der Region lebten, zu erlangen. Im Juni 1878 lud
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Leopold II. Henry Morton Stanley nach Brüssel ein, in der Absicht, den Entdecker und Abenteurer in seine Dienste zu stellen. Stanley zögerte zunächst, doch als das britische Foreign Office keine Bereitschaft zeigte, sich in der Kongo-Region zu engagieren16, unterzeichnete er schließlich im Dezember 1878 einen Fünijahresvertrag mit dem Comité d'Etudes du Haut Congo (CEHC). Dieses Comité hatte der König gemeinsam mit belgischen, französischen, holländischen, deutschen und englischen Bankiers sowie Vertretern großer Handelshäuser zur Finanzierung der Expedition Stanleys und weiterer Projekte zur Erschließung der Kongo-Region Ende 1878 gegründet. Seine Aufgabe bestand darin, „to underwrite a study of the Congo region's trading prospects and to assess the possibilities for a railroad around the river's cataracts."17 Das Ausgangskapital der CEHC betrug eine Million belgischer Francs. Leopold II. hielt Anteile im Wert von 265 000 belgischer Francs.18 Wie bereits die AIA, stand auch das CEHC unter direkter Kontrolle des belgischen Königs. Colonel Maximilian Strauch, der Generalsekretär der AIA, wurde zum Präsidenten des CEHC ernannt, Leopold II. erhielt die Ehrenpräsidentschaft.19 Im Februar 1879 machte sich Stanley als Agent der CEHC erneut auf den Weg nach Afrika. Sein Vertrag sah die Errichtung von drei Stützpunkten zwischen dem Unterlauf des Kongo und dem nach ihm benannten Stanley Pool sowie die Erkundung der Handelsmöglichkeiten am oberen Flußlauf vor.20 Leopold II. war darauf bedacht, die Unternehmung Stanleys als Forschungsreise zu deklarieren, um einerseits die Kolonisationsgegner in Belgien nicht zu verärgern und andererseits die europäischen Nachbarn nicht dazu zu veranlassen, ihr Augenmerk ebenfalls auf den Kongo zu richten. Stanley, der sich gegenüber dem König zu Stillschweigen verpflichtet hatte, wußte sehr wohl zwischen „Philanthropenrhetorik" und den tatsächlichen Machtambitionen Leopolds II. zu unterscheiden. In seinem Tagebuch notierte er über den Monarchen: „He has not been so frank as to tell me outright what we are to strive for. Nevertheless it has been pretty evident that under the guise of an International Association he hopes to make a Belgian dependency of the Congo basin."21 Stanley, der die Politik des belgischen Königs durchaus billigte, sah sich aber nicht als willfähriges Instrument in den Händen des belgischen Königs und war sich auch bewußt, daß Leopold II. ohne seine Hilfe die bislang noch verdeckt gehaltenen Ziele nicht verwirklichen konnte. Der belgische König bemühte sich, der AIA internationale Anerkennung zu verschaffen, indem er die Einrichtung von nationalen Komitees zur Unterstützung der Gesellschaft anregte. Während die Royal Geographical Society in London eine offizielle Zusammenarbeit ablehnte, stieß der belgische König in den USA auf Zustimmung für sein Anliegen. Bei seinen Einladungen zur Internationalen Geographischen Konferenz hatte Leopold II. auch Richter Charles P. Daly, den Präsidenten der American Geographical Society und John H.B. Latrobe, den Präsidenten der
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American Colonization Society, eingeladen, die daran jedoch beide nicht teilnehmen konnten.22 Die Einbeziehung amerikanischer Philanthropen erschien dem belgischen König aus finanziellen Erwägungen, aber auch hinsichtlich der Legitimation seiner Projekte von Bedeutung. Geschickt wandte er sich in einem Brief mit der Bitte um Gründung eines nationalen Komitees der AIA in den USA an Daly.23 Daly kam der königlichen Bitte gern nach. Im Mai 1877 wurde die American Auxiliary Society of the AIA gegründet und Latrobe zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Für die Sitzung des Exekutivkomitees der AIA im darauf folgenden Juni in Brüssel nominierten die Amerikaner Henry M. Schieffelin und Henry Shelton Sanford. Schiefelin verfügte über beträchtliche Afrikaerfahrungen, er war u.a. von 1865 bis 1874 als Geschäftsträger der USA in Liberia tätig gewesen.24 Sanfords Kenntnisse über Afrika waren hingegen spärlich. Er hatte bis dahin keine direkten Verbindungen zur AIA, verfügte aber über persönliche Kontakte zum belgischen König und war gut über die erste Zusammenkunft in Brüssel 1876 informiert.25 In den folgenden Jahren verstand es Leopold II., die USA, die keine Kolonisationsansprüche in Afrika stellten, für seine Interessen einzubinden, ohne sie umfassend in seine wahren Pläne einzuweihen. Sanford fungierte als einflußreicher Vermittler zwischen dem belgischen König und Regierungsvertretern, Geschäftsleuten und Philanthropen in den USA.
Henry Shelton Sanford - ein Amerikaner im Auftrag von Leopold II. Henry Shelton Sanford, 1823 als Sohn wohlhabender Eltern in Connecticut geboren26, unternahm 1841 seine erste Reise nach Europa und sammelte schon in jungen Jahren Erfahrungen im diplomatischen Dienst, u.a. in St. Petersburg, in Frankfurt und 1853 in der Botschaft in Paris. 1860 übertrug ihm Präsident Lincoln den Gesandtschaftsposten in Belgien, von wo aus Sanford den amerikanischen Geheimdienst in Europa leitete. Dank seines Vermögens konnte Sanford ein aufwendiges gesellschaftliches Leben in Europa führen, und der diplomatische Dienst eröffnete ihm Zugang zu den Adelskreisen. In diesen Jahren knüpfte er auch Kontakte zu Leopold II., den er schon bald als einen Freund betrachtete. Während dieser Zeit kursierten Gerüchte, er habe versucht, der amerikanischen Regierung minderwertige europäische Tuche für Militäruniformen zu verkaufen. Die Anschuldigungen bestätigten sich nicht, aber der Vorfall fand große Aufmerksamkeit in der amerikanischen Presse und warfein negatives Licht auf den Diplomaten.27 Sanford kehrte 1870 in die USA zurück, behielt aber einen Wohnsitz in Belgien. Die Spekulationen über unsaubere Handelstransaktionen hatten seine Position in der Heimat geschwächt, und es gelang ihm nicht, den prestigeträchtigen Posten des
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amerikanischen Botschafters in Spanien zu übernehmen.28 Sanfords ehemalige Unterstützer der vergangenen Dekade waren zu diesem Zeitpunkt größtenteils nicht mehr in ihren Ämtern und damit ohne Entscheidungsgewalt. Sanford hatte die letzten 20 Jahre überwiegend in Europa verbracht und es dadurch versäumt, sich in Washington eine politische Basis zu schaffen. Es war daher nicht verwunderlich, daß er sich nach dem vorläufigen Ende seiner diplomatischen Karriere in den USA an den belgischen König wandte, den er aus seiner Zeit in Brüssel kannte. Sanfords Interesse am afrikanischen Kontinent war weniger von philanthropischen als von ökonomischen Erwägungen geprägt. Er sah in Afrika eine Chance, seine angespannte finanzielle Lage durch zukünftige Handelsgeschäfte zu verbessern. Auf Grund seines aufwendigen Lebensstils und durch Fehlspekulationen war Sanford in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.29 Der belgische König war also sowohl für Stanley, der seine Dienste vergeblich den Briten angeboten hatte, wie auch für Sanford, der noch immer von einem einflußreichen Botschafterposten in Europa träumte, als Dienstherr nur zweite Wahl. Aber während Stanley um Distanz bemüht war, ließ Sanford sich völlig von Leopold II. vereinnahmen und erwies sich als loyaler Gefolgsmann des belgischen Monarchen. Er übernahm die Funktion eines Lobbyisten des belgischen Königs in den USA, der Verbindungen zwischen dem König und den Amerikanern knüpfte und sich bis in die späten achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein sehr effektiv für dessen Unternehmungen in Zentralafrika einsetzte:30 „In doing so, he became the most influential person in the formation of American policy toward the Congo. His activities demonstrated both the central role which private individuals played in late-nineteenth centuiy American foreign policy and the country's economic expansionism."31 Joseph Frys Betonung der einflußreichen Rolle, die Sanford in der amerikanischen Außenpolitik zum Kongo einnahm, läßt einen wesentlichen Punkt außer acht: Sanford konnte nur so erfolgreich operieren, weil es innerhalb der Gesellschaft der USA eine Reihe von Einzelpersonen und Gruppen gab, die ihre unterschiedlichen Interessen mit Hilfe der Kongo-Pläne des belgischen Königs zu verwirklichen glaubten. Im Frühjahr 1877 machte sich Sanford erneut auf die Suche nach einflußreichen Kontaktpersonen in den USA. Gleichzeitig bemühte er sich darum, noch bestehende Beziehungen zum State Department und zum Kongreß zu reaktivieren.32 Sanford erwies sich als geeigneter Organisator für Leopolds Kongo-Kampagne in den USA. Er war in der Lage, zu wichtigen Interessengruppen in den USA Kontakte aufzunehmen und bestehende Verbindungen zu intensivieren. Der belgische König engagierte sich in einigen Fällen auch persönlich, wobei er sich Kenntnisse zunutze machen konnte, die zweifellos von Sanford stammten. Ein geschickter Schachzug war
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die Einbeziehung von Charles P. Daly, der sich nach die Gründung der American Auxiliary Society als Teil der AIA in den USA nachdrücklich für die Erforschung der Kongo-Region einsetzte.33
Von der „AIA " zur „Association Internationale du Congo " Das im November 1878 gegründete Comité d'Etudes du Haut Congo (CEHQ, das Sanford als „sub-organization of the AIA" bezeichnete, geriet schon bald in wirtschaftliche Schwierigkeiten, da einer der Teilhaber seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen konnte. Leopold II. nahm das zum Anlaß, ein Jahr nach Gründung des Komitees die Anteilseigner auszubezahlen und die CEHC stillschweigend aufzulösen. Ende 1882 rief der belgische König, wiederum ohne großes Aufsehen, die Association Internationale du Congo (AIC) ins Leben.34 Die A IC diente einzig und allein den Handelsinteressen des belgischen Königs und war weder eine internationale noch eine philanthropische Gesellschaft. Der König verstand es in den folgenden Jahren, Verwirrung mit den unterschiedlichen Bezeichnungen zu stiften. Gegenüber seinem Berater Strauch erklärte er, die Öffentlichkeit solle Uber die beiden Gesellschaften im Unklaren gelassen werden. Es war tatsächlich schwer, zwischen der vermeintlich philanthropischen, internationalen AIA und der imperialistischen AIC zu unterscheiden, die unter völliger Kontrolle des belgischen Königs stand. Die AIC verwendete ebenfalls die Flagge der AIA, ein goldener Stern auf blauem Grund. In offiziellen Schreiben wurden die beiden unterschiedlichen Gesellschaften nicht mehr deutlich voneinander getrennt. Während Sanford in seiner Korrespondenz den neuen Namen AIC übernahm oder nur von der Association sprach, verwendete z.B. der amerikanische Außenminister weiterhin die Bezeichnung^/^, obwohl diese Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte.35 Durch Sanfords Lobbytätigkeit wurden die USA immer stärker in Leopolds Machenschaften hineingezogen. Er erwies sich erneut als geschickter Taktierer und verstand es, mit Charme, Überzeugungskraft und Insiderwissen einflußreiche Persönlichkeiten für das Kongo-Projekt des belgischen Königs zu begeistern. Seine vielgerühmten verschwenderischen Dinnerparties, zu denen er hochrangige Regierungsvertreter, Geschäftsleute und Philanthropen einlud, trugen erheblich zum Erfolg seiner zweiten Karriere als Lobbyist bei.36 Wie viele seiner Zeitgenossen war Sanford nur allzu bereit, den Versprechungen des belgischen Königs Glauben zu schenken, der angeblich die wirtschaftliche Erschließung und wissenschaftliche Erforschung des Kongobeckens ausschließlich für humanitäre und zivilisatorische Zwecke verfolgte.
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Während Sanford in den USA um Verbündete für das Kongo-Projekt warb, schuf Stanley in Zentralafrika Tatsachen. Er schloß Verträge mit afrikanischen Chiefs ab, in denen die afrikanischen Herrscher auf Teile ihrer Territorien verzichteten und die Landrechte an die AIA bzw. an das CEHC abtraten.37 Leopold II. sah sein Kolonisationsprojekt gefährdet, als Stanleys Gegenspieler auf französischer Seite, Pierre Savorgnon de Brazza, im September 1880 mit Chief Makoko einen Vertrag abschloß, der den Franzosen strategische Gebiete am Nordufer von Stanley Pool (heute Malebo Pool) am Oberen Kongo-Fluß zusicherte. Im so genannten Makoko-Vertrag wurde auch die Gründung einer französischen Handelsstation in Ncuna (heutiges Brazzaville) vereinbart. Anfang 1881 ratifizierte das französische Parlament den Vertrag.38 Der Alleingang Frankreichs gefährdete nicht nur für die AIC den Zugang zum schiffbaren Kongo-Becken, sondern der belgische König sah dies als deutliches Anzeichen dafür, daß die Franzosen ein größeres Stück von der Kongo-Region für sich zu beanspruchen suchten. Leopold II. begegnete den zu erwartenden Besitzansprüchen Frankreichs, indem die AIA eigene Besitzansprüche stellte. „The only way to stopping the expansion of French sovereignty was to oppose it through prior rights of another sovereign Organization. He could only save himself by acquiring political rights and rights of sovereignty."39 Im Oktober 1882 instruierte Leopold II. Stanley, eine neue Form von Verträgen mit den afrikanischen chiefs abzuschließen, die auf die vollständige Übertragung ihrer gesamten Hoheitsrechte hinausliefen. Hunderte von afrikanischen Autoritäten willigten in die Verträge ein. Die langfristigen Konsequenzen ihrer Unterzeichnung waren ihnen nicht bewußt, da sie den Inhalt der Verträge nicht verstanden und von den Europäern auch keine Versuche unternommen wurden, ihnen Begriffe wie Souveränität zu erklären.40 In seinem nächsten Schritt bat der König, die Unabhängigkeit und die Neutralität der inzwischen geschaffenen Handelsstationen anzuerkennen. Schon bald verwendete er in seiner Korrespondenz die Begriffe „Freie Städte", ab Februar 1883 sprach er von den Etats libres (Free States), und Anfang 1884 ist zum ersten Mal die Rede von einem Etat indépendant.41 Der Makoko-Vertrag hatte auch Portugal und Großbritannien auf den Plan gerufen. Die Portugiesen sahen ihre Hoheitsrechte an der Kongomündung in Gefahr. Die Briten pochten auf das Freihandelsrecht in der Kongo-Region und fürchteten den französischen Protektionismus. Diese Furcht vor einem Alleingang Frankreichs führte im Februar 1884 zum Anglo-Portuguese Treaty, in dem Großbritannien die portugiesische Souveränität über die Kongomündung anerkannte und Portugal im Gegenzug den Briten den Freihandel und die freie Schiffahrt sowie den Meistbegünstigungsstatus in portugiesischen Territorien zusicherte.42 Der Vertrag, der nie von England ratifiziert wurde, alarmierte die europäischen Mächte und war mitver-
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antwortlich für die Einberufung der Berliner Afrika-Konferenz im November desselben Jahres. Leopold II. wähnte seine Ziele gefährdet und sah sich deswegen zum Handeln veranlaßt. Stanleys Vorgehen im Kongo hatte die Europäer mißtrauisch gemacht, obwohl die Rechtmäßigkeit der abgeschlossenen Verträge mit den chiefs öffentlich nie in Zweifel gezogen wurde. Großbritannien, Frankreich und Portugal erklärten, daß die territorialen Ansprüche der AIC von ihren Regierungen nicht anerkannt würden, da es rechtlich nicht möglich sei, die Oberhoheit einer Privatgesellschaft anzuerkennen. Vor diesem Hintergrund war eine formelle Anerkennung der „semi-private enterprise" AIC von europäischer Seite in weite Ferne gerückt und der belgische König war sich der Tatsache bewußt, daß er ohne internationale Zustimmung niemals in der Lage sein würde, sein Projekt zu verwirklichen. Daraufhin versuchte er, die USA zur formalen Anerkennung der AIC zu bewegen, in der Hoffnung, dadurch seine Position gegenüber den europäischen Mächten stärken zu können. Sanford erwies sich als der geeignete Mann, um diese sehr delikate Aufgabe zu meistern. Seine gezielten Bemühungen zum Aufbau neuer Kontakte bzw. zur Reaktivierung bestehender Verbindungen in den USA trugen erste Früchte. Es gelang ihm, die früheren freundschaftlichen Beziehungen zu James G. Blaine, der in den Regierungen von Garfield und Harrison als Außenminister fungierte, neu zu beleben. Blaine wie auch sein Nachfolger in der Regierung Arthur, Frelinghuysen, wurden von Sanford über die Rivalitäten der Europäer in Zentralafrika und gleichzeitig über die Arbeit der AIA unterrichtet. Er präsentierte die AIA als „...the greatest and most liberal individual philanthropic enterprise of modern times"43 und forderte das State Department auf, eine Aufteilung des Kongo unter den europäischen Handelsmächten zu verhindern und für die USA den freien Zugang zu den zentralafrikanischen Märkten sicherzustellen. Sanford erinnerte die Amerikaner an ihre zivilisatorische Aufgabe und ihrer Vorbildfunktion gegenüber den „gierigen" europäischen Kolonialmächten: „We have now an opportunity, while doing the greatest service to our commerce and manucaturing interests, to speak the first before the world in favor of civilization and equal rights for all peoples in that vast and fruitful region and lay down a basis for an international concert and policy that, I doubt not, will command adhesion of the European Powers, save only those whose greed and selfishness are seeking to secure for themselves what we would secure for and have with all the world."44 Sanford stellte die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich durch die Öffnung des Kongo und den Anschluß dieses riesigen Gebietes an den internationalen Handel ergaben, in den Mittelpunkt. Er präsentierte die Kongo-Region als Absatzmarkt für amerikanische Waren, deren Überproduktion die einheimische Wirtschaft gefährden würden.45 In einem zweiten Schritt begann er deshalb, einflußreiche Geschäfts-
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leute auf das ökonomische Potential Zentralafrikas aufmerksam zu machen, und behauptete, „that Leopold rather than his European competitors offered the United States the best trading opportunity in central Africa" 46 In einem Vortrag vor der New Yorker Handelskammer sprach Sanford von „Millionen unbekleideter Afrikaner, die sehnsüchtig auf amerikanische Baumwollstoffe warteten". Sanford warnte die Amerikaner eindringlich davor, den Reichtum Zentralafrikas an Elfenbein, Gold, Kupfer, Palmöl und Ebenholz und die Aktivierung der enormen Kaufkraft der afrikanischen Bevölkerung nicht den britischen Händlern zu Uberlassen. Sanford appellierte an die Mitglieder der Kammer: „...it seems to me that the time has come for our country, thro' this body, the representative of its greatest maritime port (New York, K.F.-S.), to take steps towards securing its share of trade destined to be of the greatest importance to commercial nations. At a recent meeting at Manchester to promote the opening of the interior of Africa to British trade, I observed that it is estimated to contain between 35,000,000 and 40,000,000 of people and, it was reckoned, should take at least as much cotton cloth as the twenty four hundred million yards annually sent from British looms to India... And the most practical and economical way for our people to reach this trade would appear to be to aid the International Association in establishing posts along the Congo which shall give assistance, information and protection to traders as well as to every other promoter of civilization and to this end the first step would appear to be the cooperation of the Chamber of Commerce with the American Branch of the International Association and the American Geographical Society upon a basis to be agreed upon."47 Zwei alte Freunde Sanfords, die Brüder Abiel A. und Seth Low, die der New Yorker Handelskammer angehörten, unterstützten ihn in seinen Bemühungen. Abiel Low, ein wohlhabender Händler, der in China Geschäfte machte, und sein Bruder Seth, Bürgermeister von Brooklyn, brachten eine Resolution ein, die den AngloPortuguese Treaty verurteilte, die offizielle Anerkennung der AIA befürwortete und den Präsidenten der Handelskammer aufforderte, mit der AIA in Verhandlungen zu treten, um für die USA den freien Handel im Kongo zu gewährleisten. Die Erklärung wurde einstimmig von der Handelskammer verabschiedet und an Präsident Arthur weitergeleitet. Während Sanfords Ausführungen unter den Handelsexpansionisten die Befürchtung verstärkte, die USA könnten auf den Weltmärkten von ihren europäischen Konkurrenten zurückgedrängt werden, verhielt sich die Mehrheit der Geschäftsleute jedoch eher zurückhaltend. Sie betrachteten den Kongo lediglich als einen Zukunftsmarkt und hielten sich mit Investitionen zurück, um erst einmal die Entwicklung vor Ort abzuwarten. Auf nahezu ungeteilt positive Resonanz traf Sanford bei seiner Werbung für die humanitären Aspekte der Kongo-Pläne des belgischen Königs. In John H.B. Latro-
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be sah er die geeignete Person für die Verbreitung der zivilisatorischen Ziele der AIA in den USA. Latrobe, seit Mai 1877 Vorsitzender der amerikanischen Zweiggesellschaft der AIA, hatte sich die „Re-emigration" von African Americans nach Afrika zur Aufgabe gemacht. In einem Brief an Latrobe legte Sanford ausführlich die Ziele der International Association48 dar und appellierte an das gemeinsame Interesse der USA und der Association bei der Förderung zivilisatorischer Maßnahmen in Zentralafrika. „With no aims of conquest or aggrandizement, with no special interests to promote others than those of civilization and humanity, I hope that the whole, united efforts on two sides of the Atlantic will be to further the international plan of action with the certainty that its results will redound to the common goal of all. There are, however, special reasons why we of the United States should promote actively and earnestly this great work of the International Association. Near 5,000,000 of our people are of African race, descendants of slaves; contact with the white races, lately emancipation and education and equality of political rights have made them by far the superiors of the parent race and will tend to excite a spirit of enterprise, ambitions and desires hitherto dormant and for which Central Africa opens a wide and particularly appropriate field... The idea of this people, by the aid of the descendants of those who held them as slaves, returning to colonize and regenerate their parent country, to extirpate the slave trade and introduce in that fertile region the cultures which they were told from their homes to toil at across the ocean, is utterly attractive and one worthy of earnest promotion in the United States."49 Latrobe zeigte sich angetan von Sanfords Ausführungen und dankte ihm in einem Antwortschreiben für seine bedeutende Arbeit. Der Präsident der ACS gab aber auch zu bedenken, daß ein derartiges Unternehmen beträchtliche finanzielle Unterstützung durch wohlhabende Privatpersonen und philanthropische Gesellschaften erfordere.50 Die berechtigte Frage nach der Finanzierbarkeit wurde erstaunlicherweise selten gestellt. Gemäß den Instruktionen des belgischen Königs lautete die Antwort darauf, die AIC sei finanziell gut ausgestattet, um die Anfangskosten zu tragen, bis der „neue Staat" sich selbst tragen könne. Im „Manifesto of the International Association" hieß es: „The Association possess a capital at their disposal of which the interest has sufficed hitherto to cover the expenses of their work. As soon as the State shall have been recognised by the civilised nations, and its political existence assured, this capital will be employed to endow the new State."51 Das Kapital der Gesellschaft stammte zum größten Teil aus dem Privatvermögen des belgischen Monarchen. Latrobe, der die Arbeit der AIC positiv bewertete, verfolgte über Jahre aufmerksam die Entwicklungen im Kongo. Er war von der Integrität des belgischen Königs überzeugt und interpretierte dessen Kongo-Projekt als eine philanthropische Unternehmung. In den USA war er mit dieser Einschätzung nicht allein: weder aus Re-
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gierungskreisen, noch von Geschäftsleuten und Philanthropen gab es Nachfragen zu den unterschiedlichen Gesellschaften, die auf Initiative von Leopold II. gegründet worden waren. Auch in Europa wurden bis Anfang der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts keine Zweifel an der Reputation von Leopold II. als Menschenfreund geäußert. Wie bereits bei seiner Eröffnungsrede vor der Internationalen Geographischen Konferenz in Brüssel 1876, präsentierte sich der belgische König als „generous and desinterested sovereign, who was taking civilization into Central Africa at his own cost." 52 Viele seiner Zeitgenossen betrachteten Leopold II. deshalb als einen Träumer, der eine Schimäre verfolgte, wie es Jules Ferry, französischer Ministerpräsident und Anhänger der kolonialen Expansion, ausdrückte. Andere empfanden Mitleid, eine Art „sympathie de la condoléance" 53 für den belgischen König, der sein Vermögen für ein großes „Zivilisationswerk" opfere. Die zahlreichen Sympathiebekundungen fur Leopold II., sowohl in öffentlichen Stellungnahmen wie in Privatkorrespondenzen von Politikern und Diplomaten aus den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts, sind ein Beleg dafür, daß es dem belgischen König lange Zeit gelang, seine wahren Interessen zu verschleiern. Gleichwohl äußerte er sich gegenüber seinen Vertrauten, wie beispielsweise dem belgischen Botschafter in London, Henry Solvyns, sehr offen, als er ihm erklärte, er könnte sich „une part de ce magnifique gateau africain" nicht entgehen lassen. 54 Seit Dezember 1882 hatte Sanford Außenminister Frelinghuysen in einer Reihe von Briefen und persönlichen Konsultationen kontinuierlich über die Entwicklung in Zentralafrika und die Ziele der AIC unterrichtet und jeweils um Weiterleitung der Informationen an den Präsidenten gebeten. In den Kontakten mit Frelinghuysen erinnerte Sanford an die große zivilisatorische Verantwortung der USA, die sie dazu verpflichte, in Zentralafrika aktiv zu werden: „I am writing on behalf of no one, only as an American citizen desirous to see his country participate its full share in the important results to follow from what is now going on in Africa and that the great influence of its Government may be extended for the protection, in so far as it properly can be, of this great work of civilization from which the United States is destined to reap the most benefits."55 Im November 1883 trat Sanford mit seiner Kampagne zur formalen Anerkennung der AIC durch die amerikanische Regierung in die entscheidende Phase. Er reiste von Brüssel aus nach Washington und überbrachte Präsident Arthur persönlich einen Brief des belgischen Königs. Der Brief des belgischen Königs an den amerikanischen Präsidenten war in erster Linie eine Bestandsaufnahme der von der AIC geleisteten Aufbauarbeit im Kongo. Leopold II. scheute sich nicht, voreilig zu behaupten, in der Region seien bereits im Namen der Association unabhängige Staaten geschaffen worden. Der belgische König bat Arthur um die offizielle Anerken-
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nung der Association und sicherte im Gegenzug den USA den freien Handel und die Zollfreiheit zu: „...I am encouraged to fürther inform you, Mr. President, that the work of the Association in Africa continues to be rapidly and pacifically developed. Entire territories ceded by Sovereign Chiefs have been constituted by us into independent States under the blue flag with the golden star of the Association and under its civilizing direction... I would be pleased by a Convention or Declaration of the International Association ... to assure to the United States freedom of custom dues upon all products of your countty and that the citizens of the United States shall have full liberty... We would be glad to accept from the United States ... by letter or by treaty, our proposal to your country; also official announcement that the Government of the United States has given to his agents on land and sea instructions to treat as afriendlyflag (and if possible as a neutral one) the blue standard with the golden star which now floats over 17 stations, many territories, 7 steamers engaged in civilizing work of the Association and over a population of several millions."56 Im weiteren Verlauf des Briefes verglich Leopold II. den Kongo mit Liberia, wo ebenfalls eine philanthropische Gesellschaft, die ACS, eine schwarze Republik gegründet habe. Der König behauptete, die Association würde so lange als Agentin für die unabhängigen Staaten fungieren, bis diese in der Lage seien, sich selbst zu verwalten. Schließlich erklärte er die Abschaffung des Sklavenhandels, ein Anliegen, das den amerikanischen Philanthropen besonders am Herzen lag, zur vordringlichen Aufgabe der Association. Präsident Arthur war offensichtlich beeindruckt von dem Schreiben des belgischen Königs und widmete dem Kongo einen Passus in seiner Jahresbotschaft an den Kongreß: „The rich and populous valley of the Kongo is being opened by a society called the International African Association, of which the King of the Belgians is the president and a citizen of the United States [Stanley, K.F.-S.] the chief executive officer. Large tracts of territory have been ceded to the Association by native chiefs,roadshave been opened, steamboats placed on the river and the nuclei of states established at twenty-two stations under one flag which offers freedom to commerce and prohibits the slave trade. The objects of the society are philanthropic. It does not aim at permanent political control, but seeks the neutrality of the valley. The United States can not be indifferent to this work nor to the interests of their citizens involved in it. It may become advisable for us to cooperate with other commercial powers in promoting the rights of trade and residence in the Kongo Valleyfreefromthe interference or political control of any one nation."57 Die positive Beschreibung des „philanthropischen" Projekts des belgischen Königs durch den Präsidenten der USA traf auf allgemeine Zustimmung und veranlaßte beide Häuser des Kongresses, die Anerkennung der Association zu diskutieren.58
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John Tyler Morgan war Vorsitzender des einflußreichen Senate Committee ort Foreign Relations und setzte sich für eine zügige Anerkennung der ominösen Association ein. Als überzeugter Expansionist und Befürworter der Re-emigration von Afroamerikanern nach Afrika betrachtete er den Kongo „as a potential dumping ground for both America's manufacturing surpluses and her unwanted blacks."59 Ende Februar 1884 brachte er im Namen des Foreign Relations Committee im Senat zwei Resolutionen ein, die sich direkt auf die Jahresansprache des Präsidenten bezogen und die Kongo-Region als die Free States of the Congo bezeichneten. Die Resolutionen forderten Freihandel ohne Zollbeschränkungen in der Region und freien Zugang für Händler und Missionare sowie Glaubensfreiheit und das Verbot des Sklavenhandels. Es scheint, das Foreign Relations Committee habe in die Zukunft sehen können, als es im letzten Satz ausdrücklich auf die Verhinderung der Deportation von Afrikanern zur Zwangsarbeit hinwies.60 Im März erschienen unter dem Titel Occupation of the Congo Country in Africa ein Bericht Morgans und Stellungnahmen von Geschäftsleuten, Forschungsreisenden und Diplomaten, in denen erstaunlicherweise keinerlei Überlegungen zur geographischen Eingrenzung der Region vorgenommen wurden.61 Mitte April verabschiedete der Senat nach intensiver Lobbyarbeit von Sanford und Morgan die Resolutionen, und am 22. April 1884 erkannten die USA formal die Ansprüche der AIC auf die Kongo-Region an.62 Im Namen des amerikanischen Präsidenten unterschrieb Außenminister Frelinghuysen die Anerkennungserklärung, in der es u.a. hieß: „...the Government of the United States announces its sympathy with, and approval of the humane and benevolent purposes of the International Association of the Congo, administering, as it does, the interests of the Free States there established, and will order the officers of the United States, both on land and sea, to recognize the flag of the International African Association as the flag of a friendly Government."63 Das offizielle Anerkennungsdokument, in dem die Bezeichnungen AIA und AIC synonym verwendet wurden, zeigte erneut, daß die amerikanische Regierung über die wahren Absichten des belgischen Königs keine Kenntnis hatte. Die Anerkennung durch die USA verliehen der AIC noch keinen echten diplomatischen Status, aber die Gesellschaft konnte dadurch ihre internationale Position stärken, und Leopold II. war der Errichtung seines Kolonialreiches damit einen entscheidenden Schritt näher gekommen. Auch Stanley war sich der Bedeutung der amerikanischen Unterstützung bewußt: „The recognition of the United States was the birth unto new life of the Association, seriously menaced as its existence was by opposing interests and am-
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bitions and the following of this example by the European Powers has affirmed and secured its place among Sovereign States."64 Die USA mischten sich mit ihrer Erklärung zum ersten Mal direkt in die europäische Aufteilung Afrikas ein. „While the American declaration did not recognize specific frontiers, it was clearly interference in the affairs of the Old World."65 In der amerikanischen Öffentlichkeit stieß das Engagement für den Kongo auf ein geteiltes Echo. Während der New York Herald, der Stanleys Reisen finanziert hatte, Sanfords Leistung hervorhob und von konstruktiver Diplomatie sprach, bezeichnete die New York Tribune das Vorgehen als übereilt und verurteilte die Entscheidung als Abkehr vom traditionellen Isolationismus und der Monroe-Doktrin.66 Innerhalb des Regierungsapparates stieß die Unterstützung der AIC auf Zurückhaltung bzw. Desinteresse. Marineminister William E. Chandler verhielt sich abwartend, als Sanford ihn bat, die Neutralität des Kongo durch die Entsendung von Marineoffizieren als Agenten oder Konsuln für die von der AIC eingerichteten Stationen zu gewährleisten.67 Robert W. Shufeldt, Leiter des Navy Advisory Board, hatte 1879 nach einer Inspektionstour in Westafrika und der Kongomündung erklärt, daß im Kongo Handel nur auf niedrigstem Niveau möglich sei.68 Frustriert von den katastrophalen Zuständen, die Shufeldt in Banana im Mündungsgebiet des Kongo vorfand, schrieb er an den damaligen Marineminister Richard W. Thompson: „'The opening of the Congo,'... with reference to its civilization is a mere deceit and delusion. The natives of the lower Congo, who have been in contact with whites for nearly four hundred years, have only had ingrafted upon their innate barbarism the lowest vices of civilization."69 Die Kritik an der offiziellen Anerkennung der AIC veranlaßte die Regierung Arthur nicht zu einer klaren Rückkehr zur isolationistischen Außenpolitik. Die amerikanische Kongo-Episode war noch nicht beendet. Im November 1884 entsandten Frelinghuysen und Arthur eine Delegation zur Berliner Afrika-Konferenz, auf der auch die Zukunft des Kongo zur Debatte stand.
Die Rolle der USA bei der Berliner Afrika-Konferenz Die Teilnahme der USA an der Berliner Afrika-Konferenz70 stellte eine Fortsetzung der von der Regierung Arthurs begonnenen amerikanischen Afrikapolitik dar. Für die USA bedeutete die Entsendung eines Vertreters nach Berlin, daß sie zum ersten Mal an einer Konferenz teilnahmen, auf der es um das Schicksal eines Territoriums außerhalb der westlichen Hemisphäre ging.71 Die Konferenz, die auf Initiative Frankreichs und Deutschlands vom deutschen Reichskanzler Bismarck einberufen worden war, begann am 15. November 1884 in
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Berlin. Die Gruppe der Teilnehmer umfaßte neben den USA 13 europäische Mächte. Der afrikanische Kontinent und auch die Republik Liberia waren nicht durch Abgesandte vertreten.72 Offiziell sollten durch die Konferenz die Streitigkeiten zwischen den europäischen Mächten, die u.a. durch de Brazzas Vertrag mit dem Herrscher der Bateke, Makoko, der die Franzosen begünstigte, und den AngloPortuguese Treaty ausgelöst worden waren, beigelegt werden. Leopold II. war es im April 1885 gelungen, Frankreich zur völkerrechtlichen Anerkennung der AIC zu bewegen, indem er den Franzosen ein Vorverkaufsrecht einräumte für den Fall, daß die Association ihre Einrichtungen im Kongo nicht mehr unterhalten könne. Diese Vereinbarungen belasteten das angespannte Verhältnis zwischen Frankreich und Großbritannien zusätzlich73, und Deutschland fürchtete, deutsche Händler könnten aus Zentralafrika verbannt werden. Das übergeordnete Ziel der Konferenz war jedoch - trotz aller Meinungsverschiedenheiten - das Verhältnis zwischen allen tatsächlichen und potentiellen Kolonialmächten grundsätzlich zu definieren. Frank Thomas Gatter geht noch einen Schritt weiter und schreibt der Konferenz eine historische Funktion zu: „Das Verhältnis der Kolonialgesellschaften insgesamt zu den kolonisierten Völkern (nicht nur Afrikas) bestimmen zu helfen und zum Teil neu zu formulieren, und dies in Abwesenheit von Vertretern der Betroffenen." Die Berliner Afrika-Konferenz stellte ein Forum dar, „auf dem sich ... die Repräsentanten der industriellen Zivilisation der nördlichen Hemisphäre vergewisserten und rückversicherten, daß man sich über die prinzipielle Unterwerfung der Völker des Südens einig sei."74 Die offizielle Tagesordnung sah folgende drei Punkte vor: Sicherung des Freihandels im Kongo; freie Schiffahrt auf den Flüssen Kongo und Niger und Verständigung über Maßnahmen für die Errichtung zukünftiger Kolonien in Afrika. Die konkrete Umsetzung der Diskussionspunkte, über die im Verlauf der Konferenz eine Einigung erzielt wurde, hatte weitreichende Konsequenzen für die afrikanischen Völker und schuf die Voraussetzungen dafür, daß die europäischen Mächte und die USA sich dadurch auf eine rechtliche Legitimationsgrundlage berufen konnten und damit der indigenen Bevölkerung Afrikas u.a. ihre Wirtschafts- und Produktionsformen aufzwangen, ein Steuer- und Abgabensystem einführten, Land okkupierten, ohne die lokalen Nutzungsrechte zu respektieren, Transportwege kontrollierten und die Reisefreiheit einschränkten. All dies geschah ohne die Einbeziehung der Afrikaner und unter Mißachtung der existierenden gesellschaftlichen Strukturen und wirtschaftlichen Netzwerke.75 Die Konferenz besaß kein Mandat für die Regelung territorialer Fragen, aber hinter den Kulissen verständigten sich die Teilnehmer über ihre Einflußsphären, und die Vertreter des belgischen Königs handelten Einzelverträge zwischen europäischen Staaten und der AIC aus.
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Angesichts der skeptischen und teilweise ablehnenden Haltung in den USA gegenüber der Anerkennung der A IC durch die amerikanische Regierung stimmte Außenminister Frelinghuysen der Einladung nach Berlin nicht vorbehaltlos zu, sondern betonte gegenüber Bismarck, die USA würden nur teilnehmen, wenn die vorgegebene Agenda strikt eingehalten und den Amerikanern ein Vetorecht eingeräumt werden würde. Nicht nur Frelinghuysen, sondern auch Präsident Arthur hätte es vorgezogen, sich nicht an der Konferenz zu beteiligen, um nicht in die Streitigkeiten der Europäer hineingezogen zu werden. Aber Senator Morgan und Sanford befürworteten eine Teilnahme und konnten den zögernden Außenminister von der Notwendigkeit amerikanischer Präsenz in Berlin überzeugen.
John A. Kasson - amerikanischer Delegierter Bevor Frelinghuysen sich endgültig für eine Teilnahme an der Konferenz aussprach, bat er John A. Kasson, den Botschafter der USA in Berlin, um eine Stellungnahme. Kasson, ein ehemaliger Senator aus Iowa, war ein persönlicher Freund Sanfords und wie dieser überzeugter Anhänger des Freihandels sowie Befürworter der amerikanischen Handelsexpansion. Nachdem Kasson sich positiv zu einer Partizipation der Amerikaner an der Berliner Konferenz geäußert hatte, gab das Außenministerium Mitte Oktober offiziell seine Zusage und ernannte den Botschafter zum Leiter der amerikanischen Delegation.76 Kasson verfügte über langjährige diplomatische Erfahrungen. Er hatte an internationalen Kongressen teilgenommen, war von 1877 bis 1881 Botschafter in Wien gewesen und seit September 1884 auf dem gleichen Posten in Berlin akkreditiert.77 In seinen Instruktionen verwies der Außenminister darauf, daß sich Kasson in den Diskussionen auf humanitäre und wirtschaftliche Fragen wie die Religionsfreiheit, die Abschaffung des Sklavenhandels und den Freihandel zu beschränken habe. Frelinghuysen bezog sich in seinen Anweisungen explizit auf den Kongo: „So far as the administration of the Congo Valley is concerned, this Government has shown its preference for a neutral control such as is promised by the Free States of the Congo, the nucleus of which has been already created through the organized efforts of the International Association." Frelinghuysen schloss seine Ausführungen mit den Worten: „...you will take care that no act of yours may seem to pledge the United States to any course or conclusions contrary to its well-known policy and that the fullest liberty of action upon the conclusions of the Conference will be reserved to this Government."78 Frelinghuysen war darum bemüht, jegliche Verantwortung der USA in bezug auf die zu fassenden Beschlüsse von vornherein auszuschließen. Kassons Spielraum
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war daher sehr begrenzt, und es stellte sich heraus, daß es für ihn nicht immer möglich war, etwa die heiklen territorialen Fragen in den Diskussionen völlig zu umgehen. Aber Kasson agierte nicht allein, sondern wurde von Stanley als ,»AfrikaExperten" und Sanford in der Funktion eines Mitarbeiters begleitet. Beide standen zur Verfügung, da die AIC, weil sie noch keinen internationalen Status besaß, nicht mit einem offiziellem Repräsentanten vertreten war und Baron Lambermont und Emile Banning79 als Vertreter Belgiens die Interessen von Leopold II. wahrnahmen. Für den belgischen König ergab sich das Problem, daß Stanley noch in seinen Diensten stand und es nun so aussehen konnte, als ob Leopold II. den Verlauf der Konferenz zu Gunsten der AIC beeinflussen wollte.80 Doch Bismarck akzeptierte Stanleys Teilnahme und Leopold II. gab seine Erlaubnis unter der Bedingung, daß Stanley sich strikt an die Weisungen Sanfords zu halten habe. Sanford und Stanley agierten damit als offizielle Vertreter der USA und gleichzeitig als inoffizielle Agenten des belgischen Königs und der AIC. Stanley pendelte während der Konferenz 81 zwischen Berlin und London, um durch die Aufnahme von Verbindungen zu britischen Geschäftsleuten den Handel zwischen England und dem Kongo zu intensivieren. Sanford hielt engen Kontakt zu Leopold II. Allein zwischen dem 20. November und dem 24. Dezember 1884 schickte er 22 Depeschen nach Brüssel82. Sanford kontrollierte zu einem beträchtlichen Teil die amerikanische Delegation und sorgte dafür, daß Kasson in Berlin als Befürworter der AIC auftrat. In seiner ersten Rede vor den Delegierten sprach Kasson von den Forschungsreisen des Amerikaners Henry Morton Stanley, der die Kongo-Region „entdeckt habe", die nun allen Handel treibenden Nationen offen stehen müsse. Kasson verwendete in seinen Ausführungen als erster auf der Konferenz den Begriff der International Association und vermittelte den Eindruck, die AIC hätte im Kongo bereits ein Verwaltungssystem etabliert, das sowohl die Rechte der indigenen Bevölkerung wie der Ausländer schütze: „If that country (Kongo, K.F.-S.) could be neutralized against aggression, with equal privileges for all, such an arrangement ought, in the opinion of my Government, to secure general satisfaction. An international association of Americans and Europeans was formed under high and philanthropic European patronage (Leopold II., K.F.-S.) to give reality to such a purpose. They obtained concessions and jurisdiction throughout the basin of the Congo, from the native sovereignties which were the sole authorities existing there and exercising dominion over the soil or the people. They immediately proceeded to establish a government de facto for the preservation of order, for the regulation of personal rights, and for the establishment of the principles of equality and liberty to be applied to immigrants, to commerce, and to all foreign interests. To attain these beneficient objects it might become necessary to maintain justice and order by the employment of force. Their organization was that dictated by the principles of civilization and humanity. Their acts must be recognized as
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lawful, or they must be regarded as pirates. In the latter case there would be neither law, order, nor justice in all that region... He (der Präsident der USA, K.F.-S.) believes that in thus recognizing the only dominant flag found in that countty he acted in the common interest of civilized nations. He regards this local government, or any successor ... as an assurance that the dangers of international violence will be averted: that the enormity of the slave traffic will be suppressed: that the blacks will learn from it that the civilization and the dominion of the white man means for them peace and freedom and the development of useful commerce, free to all the world. He therefore desires to see in the delimitation of the region which shall be subjected to this beneficient rule the widest expansion consistent with the just territorial rights of other Governments."83 Kasson setzte sich mit Nachdruck für die Neutralität des Kongobeckens und die Sicherung der völligen Handelsfreiheit für alle Nationen in der Region ein. Er unterschied zwischen den geographischen Grenzen des Kongobeckens (geographical basin), das nur den Fluß und die Uferstreifen bezeichnete, und dem Handelsraum Kongobecken (commercial basin), der das Kongo-Delta und alle Nebenflüsse im Landesinneren einschloß und ein riesiges Gebiet bis zu den großen Seen und dem Indischen Ozean umfaßte. Diese sehr breite Definition des Kongobeckens stieß auf große Zustimmung, nicht nur auf Seiten Stanleys, Sanfords und Leopold II., sondern wurde auch von Bismarck ausdrücklich begrüßt. Der amerikanische Gesandte nahm mit dieser Definition eine räumliche Festlegung voraus, die von den übrigen europäischen Mächten zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geplant war, da sie sich den Weg für mögliche Annexionen in dem Gebiet offen halten wollten.
Willard P. Tisdel - Handelsagent der USA für den Kongo Morgan und Sanford plädierten für die Entsendung eines Handelsagenten in den Kongo, um damit das Interesse der USA am Aufbau von Handelsbeziehungen mit der Region zu unterstützen. Auf Initiative von Morgan erhielt Willard P. Tisdel, ein Freund des Senators, den Posten. Sanford hatte sich für die Berufung eines Konsuls und die Schaffung einer wissenschaftlichen Kommission für den Kongo eingesetzt, was das State Department und das Repräsentantenhaus ablehnten. Schließlich erklärte sich das Außenministerium bereit, für einen Handelsagenten ein jährliches Gehalt von 4.000 Dollar zuzüglich Spesen bereitzustellen. Doch selbst diese Entscheidung war nicht nur im House of Representatives, sondern auch im Foreign Relations Committee auf beträchtliche Opposition gestoßen. Erst Morgans Intervention führte zur Genehmigung der finanziellen Mittel und zur Ernennung Tisdels als
commercial agent.84
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Tisdel hatte längere Zeit fiir die Pacific Mail Steamship Company gearbeitet und mehrere Reisen nach Lateinamerika unternommen. Frelinghuysens Instruktionen für Tisdel zeigten, daß die amerikanische Regierung nicht nur die Handelsaussichten prüfen wollte, sondern von ihren Agenten auch genauere Informationen zur politischen Situation im Kongo erwartete und über den Stand der europäischen Rivalitäten in der Region unterrichtet werden wollte: „While this country has not committed itself as to the conflicting political claims over the Lower Congo, it has recognized the flag of the International Society... You will therefore report upon the political situation of both the Upper and the Lower Congo Valley, explaining the Portuguese claims, those of France and the International Association, and anything else in this direction which you may deem of interest, especially as to any commercial or political agreements, should such exist, with native tribes or between the nations, or any of them, and the International Association."85 Frelinghuysen erwartete auch Informationen über die Form der Verwaltung, Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit, Steuern, Zölle sowie eine Marktanalyse, um interessierten Händlern und Produzenten einen genauen Eindruck des wirtschaftlichen Potentials des Kongo zu vermitteln: „Your report should not only show the actual political and commercial condition and geographical extent of the countiy occupied by the International Association of the Congo, but should also show the natural advantages ofthat region for agriculture and commerce, and what steps seem necessary in order to obtain our share of the commercial advantages offered."86 Auf Wunsch des Außenministers sollte Tisdel vor seiner Abreise nach Afrika an der Berliner Konferenz teilnehmen. Tisdel fuhr mit großen Erwartungen nach Europa. Bei seiner Ankunft in Brüssel Anfang Oktober 1884 stellte er enttäuscht fest, daß die von den USA anerkannten „Free States of the Congo" unter diesem Namen in Belgien unbekannt waren. „When I reached Brussels, I found that no such countiy was known and that I had been accredited to a countiy which did not really exist. Nor does it yet exist," schrieb Tisdel verwundert an Morgan.87 Nach Gesprächen mit Sanford und einer Audienz bei Leopold II. waren Tisdels Zweifel jedoch ausgeräumt und er reiste - versehen mit Instruktionen des belgischen Königs - weiter nach Berlin. Tisdels Anwesenheit bei der Konferenz entsprach nicht dem Wunsch Kassons, der versuchte, ihn vom Konferenzgeschehen fernzuhalten.88 Die Schwierigkeiten zwischen den beiden Amerikanern resultierten daraus, daß Tisdel Kasson vor Beginn der Konferenz beschworen hatte, eine Führungsrolle in den Verhandlungen einzunehmen und auf eine schnelle allgemeine Anerkennung der AIC zu drängen. Kasson empfand dies als direkte Einmischung, zumal ihm die Hände gebunden waren, da er strikte Anweisung aus Washington hatte, Zurückhaltung zu
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bewahren. Tisdel meinte, die Anerkennung der Free States sei verfrüht gewesen, und fürchtete, die USA könnten in eine peinliche Lage geraten, falls die übrigen Europäer der AIC die Zustimmung verweigerten. Tisdel reiste schließlich am 22. November ab, nachdem Deutschland die AIC anerkannt hatte. In der Zwischenzeit arbeitete er mit Sanford zusammen, von dessen Auftreten und Sachkenntnissen er sehr beeindruckt war: „...Mr. Sanford had arrived and he was master of the situation, of course always yielding the first place to Mr. Kasson, as he knows all about the Congo and he was looked upon as a very important person in this affair, which in fact he was. I remained with Mr. Sanford and Mr. Stanley until the 22nd inst. and only left when I saw that Germany had recognized the ,Free States' just as we had done and that act in my opinion settled the future of the ,Free States'."89 Tisdel sah seine bevorstehende Mission im Kongo nicht nur als die eines Handelsagenten, sondern er betrachtete sich durchaus auch als diplomatischen Vertreter der USA. Die Bezeichnung diplomatic agent wurde ebenfalls von Kasson in einem Schreiben an Frelinghuysen verwendet90 Das State Department reagierte verärgert auf die Bezeichnung diplomatic agent für Tisdels Posten, und Frelinghuysen wies Tisdel in einem ausfuhrlichen Brief in seine Schranken: „When you were designed as agent to the States of the Congo Association it was not intended either by Department or by Congress to actually accredit you to the Government of the States of the Congo Association, as it was well known here that those States, as a political entity did not exist. You were charged with introducing and extending the commerce of the United States in the Congo valley and in order to definitely fix the scope of your mission you were designated as Agent to the States of the Congo Association because it was believed here that the residents of the region adjoining the Congo valley seemed on the verge of establishing constitutional States by progressive movements in that direction. Your designation was geographical rather than political."91 Das Schreiben Frelinghuysens stammte vom 12. Dezember, und es ist deshalb unklar, wann Tisdel über seinen rechtmäßigen Status erfuhr. Tisdel hatte offensichtlich einen zusätzlichen Auftrag, der in den Instruktionen des Außenministeriums nicht ausdrücklich vorgesehen war. In Absprache mit Morgan beabsichtigte er, die Siedlungsmöglichkeiten für Afroamerikaner im Kongo näher zu erkunden und damit die „Herzensangelegenheit" des Senators aus Alabama, seine „Lösung des Rassenproblems in den Südstaaten" ein Stück voranzubringen. Tisdel äußerte sich darüber nicht offen, aber in seiner Korrespondenz mit Morgan finden sich Hinweise darauf: „I thank you for your kindness and I ask your support in the Senate that we may now make a record for our country and that you may realize your hopes and
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expectations in the matter of the American Negro Colonists, which I most heartily endorse."92
Ergebnisse der Konferenz Die Berliner Afrika-Konferenz wurde am 26. Februar 1885 beendet. Die AIC erklärte ihren Beitritt zur Generalakte, die von allen teilnehmenden Mächten unterschrieben wurde. Die amerikanische Delegation war mit den Ergebnissen der Konferenz zufrieden. Kasson unterrichtete im März Frelinghuysens Nachfolger Thomas F. Bayard in einer Zusammenfassung über die Ergebnisse der Konferenz in Berlin und nutzte seine Ausführungen auch dazu, die umstrittene Teilnahme der USA zu rechtfertigen. Trotz seines eingeschränkten Handlungsspielraums sah sich Kasson in seinen Zielsetzungen bestätigt. Seiner Ansicht nach sicherten die in den sieben Kapiteln der Generalakte festgelegten Vereinbarungen den USA die uneingeschränkte Handels- und Bewegungsfreiheit im Kongo zu. Ein Handelsmonopol sei ebenso ausgeschlossen wie spezielle Privilegien für einzelne Handelsmächte. In Artikel Fünf des ersten Kapitels der Generalakte hieß es dazu: „Keine der Mächte, welche in den ... bezeichneten Gebieten Souveränitätsrechte ausübt oder ausüben wird, kann daselbst Monopole oder Privilegien irgendeiner Art, die sich auf den Handel beziehen, verleihen." 93. Der sechste Artikel sicherte der einheimischen Bevölkerung, allen Missionaren und Reisenden Schutz, Gewissensfreiheit und freie Religionsausübung zu. Im zweiten Kapitel ging es um eine Erklärung zur Abschaffung des Sklavenhandels, der sich Kasson besonders verpflichtet fühlte: „Knowing and sharing the interest of Americans of both races in the extinction of slave commerce, I obtained the adoption of a resolution by which every power exercising sovereign rights there binds itself to employ all means in its power to put an end to this horrible commerce, and to punish the persons engaged in it."94 Mit dem Vorschlag zur Neutralität des Kongobeckens in Kriegszeiten konnte sich Kasson nur bedingt durchsetzen. In den Artikeln Zehn bis Zwölf des dritten Kapitels wurde es den einzelnen Mächten selbst überlassen, die Neutralität der ihrer Hoheit unterstehenden Territorien zu erklären. Die Unterzeichnermächte verpflichteten sich zur Anerkennung der Neutralität, vorausgesetzt, die betreffenden Mächte kämen den mit der Neutralität verbundenen Pflichten nach.95 Am Ende der Konferenz zeigte sich deutlich, daß eine Diskussion humanitärer Fragen kaum stattgefunden hatte und demzufolge auch in den Abschlußerklärungen keine Rolle spielte. Abgesehen von einer allgemeinen Verpflichtung zur Beendigung des Sklavenhandels gab es keinerlei Beschlüsse, in denen Menschenrechtsfra-
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gen geregelt wurden. Die Delegierten konnten sich noch nicht einmal zu einem generellen Verbot des Alkoholhandels entschließen. John Kassons Vorschlag in diese Richtung stieß auf größte Zurückhaltung.96 Es waren vor allem die Deutschen, die auf den lukrativen Schnapshandel nicht verzichten wollten. Kasson war der einzige, der die fehlende Anwesenheit und Partizipation von Afrikanern auf der Konferenz thematisierte. Hierbei ging es ihm jedoch in erster Linie um die Republik Liberia und ihre ameriko-liberianische Führungsschicht, die keine Einladung nach Berlin erhalten hatte. Der amerikanische Botschafter präsentierte sich auf der Konferenz jedoch durchaus als Sprecher für die Afrikaner, denen die Europäer jegliche Souveränitätsrechte verweigerten. Es war Kasson, der die Frage nach dem Schutz der Rechte der indigenen Bevölkerung stellte. Er führte in diesem Zusammenhang das moderne internationale Recht an, das der indigenen Bevölkerung das Selbstbestimmungsrecht zugestehe: „In conformity with this principle, my Government would gladly adhere to a more extended rule, to be based on a principle which should aim at the voluntary consent of the natives whose country is taken possession of, in all cases where they had not provoked the aggression."97 Die Delegierten lehnten eine Diskussion von Kassons Überlegungen ab, da sie weit reichende Konsequenzen hinsichtlich der Legitimation der Konferenz fürchteten. „They were quite aware that if Kasson's question and views were debated freely, the Conference would end up rendering itself illegitimate."98 Kasson erwähnte diesen Punkt auch in seinen abschließenden Ausfuhrungen zur Konferenz gegenüber dem State Department und erläuterte zu Kapitel Sechs der Generalakte: „Chapter VI is of less importance to us, as it concerns acquisitions of African territory; but it is just in itself? The power which shall hereafter acquire possessions on the coast must notify the other powers of the fact, and must maintain a sufficient authority there to secure the rights existing. I proposed the principle of native consent, but this was in advance of the prevailing ideas of African rights."99 John A. Kassons Rolle bei der Berliner Afrika-Konferenz ist von einzelnen Autoren sehr unterschiedlich bewertet worden. Während Emerson ein geradezu vernichtendes Urteil Uber Kasson abgab und sein Auftreten bei der Konferenz als „totally incompetent" bezeichnete100, stellen sein Biograf Edward Younger wie auch Elliott P. Skinner und George Shepperson stärker die positiven Aspekte der Arbeit des amerikanischen Gesandten in Berlin heraus und verweisen darauf, daß er durch die Instruktionen des State Department und die negative Stimmung in den USA gezwungen war, sich auf humanitäre und wirtschaftliche Fragen zu beschränken. „Restrained by attitudes at home and by his instructions, he had to confine his discussion to nonpolitical matters; since political and nonpolitical affairs were inextricably interwoven, he may have seemed shallow and naive in his relent-
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less advocacy of the widest application of every liberal principle that came up."101 Bei Kritikerinnen wie Sybil E. Crowe hinterließ Kasson den Eindruck, er sei nur eine Marionette des belgischen Königs. Dieser ziehe von Brüssel aus die Fäden und steure durch Sanford die Auftritte Kassons auf der Konferenz. Neuere Arbeiten zur Berliner Afrika-Konferenz zeichnen ein differenziertes Bild des amerikanischen Delegierten. George Shepperson sieht Kasson als unabhängigen Akteur, der, im Gegensatz zu Sanford und Stanley, keinerlei finanzielle Interessen mit den Unternehmungen des belgischen Königs im Kongo verband.102 Kassons Vorschläge zu einer Erweiterung des Handelsraums Kongo103 beruhten auf der Hofinung, dadurch nicht nur die kommerziellen Möglichkeiten für die USA zu erweitern, sondern auch attraktive Voraussetzungen für die Ansiedlung einer großen Gruppe von Afroamerikanern zu schaffen. „...there were in the United States 6,000,000 of citizens who were of African descent who were rapidly becoming civilized, and who were adapted by mental and physical constitution to carry back to the races from which they sprung the principles of their American civilization and religion. It might well be in the order of Providence that the excess of this rapidly growing population would in the future, under favorable auspices for their liberty and security, find a new and attractive field for their awakened energies by migration to many salubrious parts of their ancestral country, where they would introduce the practical arts, as well as become the agents of introducing enlightenment, order, and new industries."104 Kasson teilte die Vorstellungen vieler protestantischer Missionare, daß die afrikanische Bevölkerung der Verbreitung des Christentums insgesamt positiv gegenüber stünde und sie, wenn man ihnen ohne Zwang die Chance zur christlichen Konversion gäbe, dazu bereit wäre. Es stellt sich die Frage, ob Kasson bei seinen Ausführungen die afroamerikanischen Siedler in Liberia vor Augen hatte, deren unsensibles und ungeschicktes Verhalten gegenüber den Afrikanern zu schweren Konflikten und Auseinandersetzungen geführt hatte. Da keine Äußerungen Kassons zur Liberia-Problematik vorliegen, bleibt es unklar, ob er im Kongo eine zweite Chance für re-emigrationswillige Afroamerikaner sah. Sicher ist, daß John Kasson die African Americans als wichtige Akteure bei der Christianisierung Zentralafrikas betrachtete. Kassons Reden und Stellungnahmen waren zum großen Teil mit Sanford und auch Stanley abgesprochen, und die drei agierten häufig gemeinsam während der Konferenz105, so daß folgender Gesamteindruck entstand: „...the final general act... of the Berlin Conference bears the distinct imprint not only of Sanford, Stanley, and King Leopold but of the representative of the United States, Kasson."106 Sanfords Einfluß auf die Entscheidungen der Konferenz ist nicht von der Hand zu weisen. Ohne die unzähligen Beratungsgespräche, die er nicht nur mit den Delegier-
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ten, sondern auch mit vielen Geschäftsleuten am Rande der Konferenz führte, hätte der belgische König vermutlich bedeutend größere Schwierigkeiten bei der Schaffung „seines" Kongostaates überwinden müssen. Sanford betrachtete seine Tätigkeit „as in the best interests of all trading nations, including his own."107 Kasson vertrat dagegen auch seine eigenen Ansichten und war als Expansionist und Kritiker der Monroe-Doktrin darauf bedacht, die Interessen der USA gegenüber den Europäern mit Nachdruck zu vertreten. Edward Young, der Kassons Aufgabe in Berlin als eine schier unmögliche beschreibt, betont: „His task was a contradictory and impossible one, for American participation was intervention in the power politics of Europe pure and simple.108 Am stärksten profitierte Leopold II. von den Beschlüssen der Berliner AfrikaKonferenz. Im Laufe der Konferenz erkannten die Teilnehmermächte die Flagge der AIC als „flag of a friendly state" an, und die entsprechenden Erklärungen wurden der Generalakte beigefügt. Am 19. Juli 1885 wurde die AIC durch den KongoFreistaat {Etat Indépendent du Congo) abgelöst. Der „Kongo-Freistaat", nach Meinung der Amerikaner sowie vieler europäischer Regierungen als internationaler, kolonialer Staat geplant, sollte sich schon bald als Schimäre herausstellen. Die Bedeutung der Berliner Afrika-Konferenz wird in der Literatur unterschiedlich bewertet. Sybil E. Crowe, die Tochter eines der britischen Delegierten, verfaßte 1942 die erste größere Studie zur Konferenz. Sie beurteilte die Konferenz als „total failure", da alle getroffenen Beschlüsse nicht realisiert werden konnten. Während Crowe die Zusammenkunft in Berlin ausschließlich aus der Sicht der Diplomatiegeschichte analysierte, erschienen anläßlich des hundertsten Jahrestages 1984 eine Reihe von Aufsätzen und Sammelbänden, die die langfristigen Folgen der Berliner Afrika-Konferenz untersuchten. Der nigerianische Historiker G.N. Uzoigwe interpretiert die Berliner Afrika-Konferenz als „landmark in world history. Never before, in the history of mankind, had a concert of one continent gathered together to plan how to share out another continent without the knowledge of the latter's leaders."109 Barbara Emerson hingegen kommt zu einer eher pragmatischen und positiven Bewertung der Konferenz: „The Berlin Conference hasfrequentlybeen blamed for much that happened later in Africa. It is said that the frontiers agreed to were artificial and took no account of tribal boundaries. But such boundaries were unknown at this time and it was necessary to devise a settlement to prevent an international free-forall which would have led to incidents, if not to war... Thus the settlement reached at Berlin, in placing it in the hands of a neutral who was regarded as a sort of international trustee, was in the circumstances the wisest. Whatever happened subsequently in the Congo does not detract from the highly creditable work of the diplomats in Berlin."110
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Breiter Konsens besteht inzwischen darüber, daß die Berliner Afrika-Konferenz nicht als Ausgangspunkt für die koloniale Aufteilung Afrikas angesehen werden kann. Unter europäischen und afrikanischen Historikern und Historikerinnen herrscht weitgehend die Meinung: „The Berlin Conference was initiated by Germany and France, not to partition Africa but to legitimise the partition that had already taken place; they legalised the borders and made them .international'."111 Amerikanische Historiker haben die Konferenz weitgehend vernachlässigt. Das lag zum einen - wie bereits in Kapitel 3 erwähnt - am wissenschaftlichen Desinteresse an der Außenpolitik der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts, die als unspektakulär und langweilig eingestuft wurde. Zum anderen verstaubte die Generalakte von Berlin nach einigen heftigen Debatten bald in den Aktenschränken des State Department, nachdem Präsident Cleveland sich strikt geweigert hatte, der Ratifizierung der Konferenzbeschlüsse zuzustimmen. Die Generalakte verschwand aus dem Blickfeld der Politik und damit für lange Zeit auch aus den Köpfen der Historiker" 2 . Die Historiker Justus Doenecke und David Pletcher, die in ihren Arbeiten die Außenpolitik der Regierungen Garfield und Arthur untersuchen, kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen in bezug auf die Teilnahme der USA an der Konferenz von Berlin. Doenecke äußert sich geradezu empört über die amerikanische Diplomatie, die sich voller Naivität von einem der ruchlosesten Herrscher habe hinters Licht führen lassen. Doeneckes sehr emotionale Einlassungen bieten jedoch keine überzeugenden Erklärungen für das Verhalten der USA. Pletcher hingegen mißt der amerikanischen Partizipation an der Afrika-Konferenz keinen allzu großen Stellenwert bei. Da mit der Berliner Generalakte keine konkrete Verantwortung für die USA verbunden gewesen sei, hätte deren Ratifizierung auch keine grundlegenden Veränderungen bedeutet. Pletcher verweist jedoch auf die symbolische Bedeutung einer Zustimmung zu den Beschlüssen von Berlin 1885. Seit den 1980er Jahren ist das Interesse der Berliner Afrika-Konferenz im Zusammenhang mit den Arbeiten zum Verhältnis zwischen Afroamerika und Afrika gestiegen. In den bereits erwähnten Arbeiten von Sylvia Jacobs und Elliott P. Skinner wird den Ereignissen in Berlin 1884/85, vor allem im afrikanischen wie afroamerikanischen Kontext, ein größerer Stellenwert zugemessen.113 Skinner charakterisiert die Konferenz als Höhepunkt des „European imperialistic design upon Africa".114 Beide betonen, die Konferenz habe entscheidend zur Legitimierung der kolonialen Herrschaft in Afrika beigetragen. Die Regierung der USA sah nach der gescheiterten Ratifizierung der Generalakte keinen Handlungsbedarf in Zentralafrika. Die geplante Akkreditierung eines Konsuls wurde auf Jahre verschoben, und der jeweilige Handelsagent in Borna nahm auch konsularische Aufgaben wahr. In der Kongo-Region, wie auch in anderen Teilen Afrikas, traten Missionare, unter ihnen eine Reihe Afroamerikaner, als Repräsentanten amerikanischer Politik auf.
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Die Partizipation der USA an der Berliner Afrika-Konferenz in der Kritik Während die Beschlüsse und Absichtserklärungen von Berlin in den USA überwiegend positiv aufgenommen wurden, stieß die Teilnahme von Amerikanern auf deutliche Kritik. Es herrschte ein allgemeiner Konsens darüber, daß die Konferenz einen Beitrag zu Frieden und Fortschritt in Afrika leisten könne und infolgedessen für alle Seiten wirtschaftliche Möglichkeiten eröffne. Doch die Mehrheit der Demokraten um den Kongreßabgeordneten Percy Belmont fürchtete, die USA hätten sich mit der Entsendung einer Delegation nach Berlin zu stark in innereuropäische Angelegenheiten eingemischt und damit den Europäern einen Vorwand für die Einberufung einer Konferenz zu Lateinamerika geliefert, auf der die Politik der USA in ihrem „Hinterhof zur Diskussion stehen würde. Außenminister Frelinghuysen versuchte seine Politik zu verteidigen und widersprach der Behauptung, die Teilnahme der USA an der Konferenz bedrohe die Monroe-Doktrin, dennoch blieb der amerikanische Kongreß skeptisch. Auf republikanischer Seite schlössen sich immer mehr Abgeordnete den Demokraten an, die die Ansicht vertraten, daß allein die Aussicht auf gute Handelsmöglichkeiten im Kongo eine „entangling alliance" mit der alten Welt nicht rechtfertigen würde.115 In der amerikanischen Presse wurde bereits vor dem Ende der Konferenz das Für und Wider der Teilnahme der USA diskutiert. Auch hier herrschte die Meinung vor, die Amerikaner hätten sich in Berlin von den Europäern aus ihrer sicheren Isolation herauslocken lassen. Der New York Herald sagte voraus: „Some fine morning, we may wake up to find a Berlin, London, Paris or Madrid conference - to which we may or may not be invited as one among fifteen - sitting in solemn conclave and settling the internal affairs and local administration of Mexico, Panama, or Nicaragua.«116 Durch den Widerstand im Kongreß verzögerte sich die Ratifizierung der Generalakte und konnte nicht mehr während der Amtszeit Arthurs erfolgen. Der neue Präsident Cleveland warnte in seiner Antrittsrede vor der Einmischung in die Angelegenheiten fremder Länder. Er betonte, die USA könnten keinen Beitrag zur Sicherung der Neutralität im Kongo leisten, da dies Allianzen mit europäischen Mächten voraussetze. Die amerikanische Regierung würde aber eine freundliche Haltung gegenüber den Erklärungen der Berliner Afrika-Konferenz einnehmen.117 Kasson betrachtete die Nicht-Ratifizierung als Affront gegen seine Person und schweren politischen Fehler. Weiterhin blieb er Befürworter einer offensiven Außenpolitik und versuchte, Frelinghuysen und dessen Nachfolger Thomas F. Bayard mit einer Flut von Depeschen von der bedrohlichen Politik der europäischen Mächte, speziell Deutschlands und Frankreichs, in der Karibik und im Pazifik zu überzeugen. Wenn auch seine Argumente in bezug auf die Teilnahme der USA an der Berliner Konfe-
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renz durchaus überzeugend waren, so konnte er doch nicht leugnen, daß er und seine Kollegen sich an der europäischen Machtpolitik beteiligt hatten. „And that, in the middle of the eighteen eighties, was held by the American public to be a cardinal sin which no administration could transgress and stay in power for long."118 Kasson fügte prophetisch hinzu: ,4t is purely impossible that we remain in the future so completely isolated from foreign advances and aggressions as we have been in the past. It is the proper function of statesmanship to provide for this dangerous future, lest it shall become a ruinous past... Our naked American .Declaration' [Monroe Doctrine] unsupported by possessions or long-range guns is mere vapour in the presence of European self interest, backed by Krupp cannon and a purely materialistic diplomacy."119 Auch Morgan und das Foreign Relations Committee konnten Cleveland nicht umstimmen. Erschwerend kam für die kleine Gruppe der Ratifizierungsbefürworter hinzu, daß der Handelsagent Tisdel in der Zwischenzeit aus dem Kongo zurückgekehrt war und die großen Erwartungen, die viele Amerikaner mit der Region verbanden, dämpfte. Tisdel war Ende Januar 1885 in Banana an der Mündung des Kongo eingetroffen und hatte von dort aus eine Reise ins Landesinnere unternommen. Bei seiner Rückkehr Mitte März nach Banana war sein Enthusiasmus und die Begeisterung für den Kongo verflogen. Er konnte Stanleys Schilderungen von gigantischen Ressourcen nicht bestätigen und fand keinerlei Hinweise für die lukrativen Vermarktungsmöglichkeiten, die Sanford, der niemals zuvor dort gewesen war, in Aussicht gestellt hatte. In einer Reihe ausführlicher Berichte an Außenminister Bayard informierte Tisdel diesen über die Verhältnisse im Kongo, wobei er darlegte, daß es sich bei den „Free States of the Congo" um eine Erfindung aus Brüssel handele: „I have been unable to discover anything in the Upper Congo which will enable me to endorse the many published statements so favorable to that region. These reports have not found their origin in the Congo, but in Brussels and, as I regard the climate, fertility of soil, forest population and requirements of the natives, have been criminally exaggerated. This fact is well known now in Brussels. There are no ,Free States of the Congo' nor have there ever been, excepting on paper in Brussels. There is no Government there. There are a few white men at different points in the pay of the King of the Belgians but they can do nothing... I found want, misery, starvation, sickness and death in many quarters beyond Vivi. It was appalling." Besonders kritisch äußerte sich Tisdel in bezug auf Sanford: „The Hon.(?) Hemy S. Sanford leaves tomorrow for Washington. He is despaired because I cannot see the Congo as he sees it from Brussels point of view. He knows nothing about the Congo. I beg you to hear me and then judge
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between. I have no Railway or commercial company to float at the expense of others."120. Tisdel war nach seiner Erkundungsreise desillusioniert. Er fühlte sich vor allem von Sanford hintergegangen und machte ihn für die vielen Fehlinformationen, die Uber den Kongo kursierten, in einem Brief persönlich verantwortlich: „...Did it ever strike you that there is no food in the country for oxen and that every pound of corn (and they must have solid food) must be brought from Europe? Do you know that in the six years that the Association has been at work on the Congo, that they have never been able to raise one particle of food? Letters are published very little while telling about the fertility of the soil and about the things they can grow etc. etc. Yet they have never grown anything. Only in small patches in sheltered places are the natives able to grow * 121 pea-nuts and the mandioca upon which they live." Die Ergebnisse seiner Reise faßte Tisdel in mehreren Punkten zusammen. Er sprach dabei all die Probleme an, mit denen sich die in den folgenden Jahren Händler, Verwaltungsbeamte und Missionare aus Europa und den USA im Kongo konfrontiert sahen. Hierzu zählte beispielsweise die Rekrutierung von Arbeitskräften. Die indigene Bevölkerung zeige weder Interesse am Anbau von Produkten für den Export, noch sei sie bereit, feste Arbeitsbeziehungen mit den Ausländern einzugehen. „The question of labor will have much to do with the future of this country."122 Als ebenso schwierig und nahezu unlösbar erschienen Tisdel die Transportbedingungen im Kongo. Es gäbe keine Straßen, die Flüsse seien nur eingeschränkt schiffbar und der Bau einer Eisenbahn würde sich finanziell nicht rentieren, da der größte Teil des Baumaterials importiert werden müsse. Nach Tisdels Berechnungen waren die Kosten, die für den Abtransport von Waren veranschlagt werden mußten, so hoch, daß sich die Exportproduktion kaum rechnen würde. Umgekehrt seien die Bewohner zu arm, um amerikanische Waren kaufen zu können. Schließlich verwies Tisdel darauf, daß potentielle amerikanische Händler in den wenigen Gebieten, die lukrative Geschäfte versprachen, mit beträchtlicher europäischer Konkurrenz rechnen müßten. Amerikanischen Geschäftsleuten riet er von Investitionen im Kongo ab. Das Kongobecken sei für die Landwirtschaft ungeeignet, das Klima zu ungesund und die Haupthandelszentren bereits in den Händen europäischer Handelsgesellschaften. Allen denjenigen, die es trotzdem wagen wollten, empfahl er: „I recommend most earnestly that Americans who contemplate establishing themselves on the Lower Congo of Africa should do not so unless supplied with a large capital which will enable them to compete with the longestablished Dutch, English and German houses which control almost the entire trade of the West Coast."
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Tisdels Berichte riefen nicht nur den scharfen Protest Sanfords und Stanleys hervor, sondern auch der belgische König zeigte sich verstimmt. Tisdel reiste deshalb nach kurzem Aufenthalt in den USA nach Europa, um die positive Haltung der amerikanischen Regierung gegenüber der AIC zu demonstrieren. Aber in Brüssel bereitete man ihm einen kühlen Empfang. Colonel Strauch, der Präsident der AIC, bestritt den Wahrheitsgehalt von Tisdels Ausführungen.124 Doch Tisdel verteidigte seinen Standpunkt und ließ sich auch nicht von polemischen Äußerungen Stanleys beeindrucken, der die Kürze des Aufenthalts im Kongo kritisierte und dem amerikanischen Handelsagenten lächerliche Posen und eine übertriebene Wortwahl vorhielt.125 Gegenüber Sanford beschwerte sich Tisdel über die unfreundliche Behandlung: „I wish to have nothing further to do with the matter and certainly shall not, unless I am attacked from Brussels, where, 1 may say, I have been very badly treated because I dared to tell the truth about Congo as far as I saw it. I know all that has been said and done there against me and I regret that I could not have been received kindly by the Congo officials for I have none but the kindest feelings for His Majesty the King who has been and is still being duped by someone."126 Eine Reihe von Europäern, die sich längere Zeit im Kongo aufgehalten hatten, bestätigten größtenteils Tisdels Einschätzungen, so daß er auch gegenüber dem State Department seine kritische Position überzeugend vertreten konnte. Aber Tisdel befürchtete, sicher zu Recht, daß die ablehnende Haltung Brüssels ihm die Arbeit im Kongo sehr erschweren würde, und erklärte deshalb im Oktober 1885 seinen Rück127 tritt. Die neue Regierung von Grover Cleveland, der im März 1885 die Amtgeschäfte von Präsident Arthur übernahm, zeigte keine Bereitschaft, die Entwicklungen in Zentralafrika aktiv mitzugestalten. Cleaveland maß den Ereignissen im Kongo in den folgenden Jahren keine große Bedeutung bei. Aber trotz der kritischen Berichte von Tisdel und der Nichtratifizierung der Generalakte beschloß das State Department keinen völligen Rückzug aus dem Kongo. Der Posten eines Handelsagenten, der auch konsularische Funktionen übernehmen sollte, wurde in Borna eingerichtet, 50 Kilometer landeinwärts am Kongo-Fluß. Marine-Leutnant Emory H. Taunt trat die Nachfolge von Tisdel an. Taunt, seit über zwanzig Jahren im Dienst der Marine tätig, war der Schwiegersohn des bekannten Admirals George B. English.128 Taunt hatte bereits im Sommer 1885 im Auftrag des Marineministeriums eine sechsmonatige Erkundungsreise in den Kongo unternommen und dabei auch Gebiete um Stanley Falls besucht, zu denen Tisdel nicht vorgedrungen war. Taunt legte 2800 Meilen zurück und bestätigte für die Region zwischen Borna und Stanley Pool die Ein-
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Schätzung Tisdels, während er vom eigentlichen Congo Valley einen insgesamt positiven Eindruck gewann: ,J saw no misety... Life was the primitive kind ... but... far less serious than I expected to find in a country where white men had never set foot seven years ago... In my opinon the reported wealth of the Upper Congo Valley has not been exaggerated. I saw myself rubber, cam-wood, gum, copal, oil palms, ivory, iron and copper in great quantities... I see no reason why an energetic American firm should not be able to establish itself on the river and compete with good prospects of success with the old-established firms."129
African Americans, der Kongo und die „solution ofAmerica's race problem " Tisdels Kongo-Berichte, die im Gegensatz zu den Ausführungen von Taunt in Auszügen in amerikanischen Zeitungen erschienen, bestärkten die Gegner einer Ratifizierung der Verträge von Berlin in ihrer ablehnenden Haltung. Dies geschah aber weniger aus Sorge um die Zukunft des afrikanischen Kontinents als vielmehr aus Furcht vor einer Abkehr vom traditionellen außenpolitischen Kurs der USA. Eine grundsätzlich kritische Auseinandersetzung über die Beschlüsse der Berliner Afrika-Konferenz fand in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts nicht statt. Die afroamerikanische Führungsschicht, d.h. vor allem Geistliche, Journalisten und Lehrer, die die Ereignisse in Berlin verfolgten, schätzten die Auswirkungen der Konferenzbeschlüsse auf Afrika unterschiedlich ein und waren sich auch uneins über die Rolle, die African Americans nach der offiziellen Legitimierung der europäischen Kolonialherrschaft bei der Entwicklung des afrikanischen Kontinents übernehmen sollten. Nur wenige äußerten sich über den Konferenzverlauf in so deutlichen Worten wie James Theodore Holly, der als Berichterstatter nach Berlin gekommen war: „They (die Europäer, K.F.-S.) have come together to enact into law, national raping, robbery and murder."130 Holly, erster afroamerikanischer Bischof der Protestant Episcopal Church, hatte sich mit Delany, Crummell, Blyden und Garnet in der Emigrationsbewegung engagiert, aber nicht die Auswanderung von African Americans nach Afrika, sondern in die Karibik und nach Haiti propagiert.131 Auch Holly glaubte, daß der afrikanische Kontinent der civilizing mission bedürfe, mißtraute aber den Europäern, denen es nur um die Aneignung der afrikanischen Territorien ginge. Ähnlich wie Holly vertrat auch der Bischof der AME Church, Henry McNeal Turner, eine kritische Haltung gegenüber den europäischen Kolonisationsbestrebungen und nahm 1883 das folgende Szenario vorweg: „Wait till the whites go over and civilize Africa, and homestead all the land and take us along to black their boots and groom their horses. Wait till the
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French or English find some great mines of gold, diamonds, or some other precious metal or treasures, so we can raise a howl over it and charge the whites with endeavouring to take away our fathers' inheritance, and lift a wail for the sympathy of the world."132 Die AME Church nahm die Berliner Afrika-Konferenz zum Anlaß, im Sommer 1885 in ihrem Review eine Artikelserie zu veröffentlichen, in der Kirchenführer über die zukünftige wirtschaftliche und soziale Situation des afrikanischen Kontinents diskutierten. Die Teilnehmer waren sich einig, daß die Afroamerikaner die Pflicht hätten, die „Entwicklung" Afrikas voranzutreiben. Sie konstatierten aber auch die starke Präsenz der Europäer, die bereits weite Teile des Kontinents unter sich aufgeteilt hatten. Aber im Gegensatz zu Bischof Turner verband die Mehrheit der Kirchenmitglieder mit der europäischen Kolonisation auch die Hoffnung auf die christliche „Erlösung" Afrikas. Rufus Lewis Perry, Baptistenprediger und Journalist in New York, behauptete voller Optimismus, Gott habe Afrika den African Americans reserviert. Er war überzeugt: ,,[I]n the end, Africa would be a black man's continent."133 In den im AME Church Review veröffentlichten Beiträgen gab es nur wenige explizite Äußerungen zur Konferenz in Berlin und zum Kongo, was damit zusammenhing, daß die meisten Afroamerikaner nur unzureichend über die Geschehnisse in Afrika unterrichtet waren. Missionare und Lehrer, die auf dem afrikanischen Kontinent arbeiteten und zu den wenigen Informanten zählten, waren bis zur Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich in Westafrika, vornehmlich in Liberia, tätig. Die erste amerikanische Mission in der Kongo-Region wurde erst 1884 eingerichtet. Selbst die Studenten einer höheren Bildungseinrichtung wie der Atlanta University erfuhren, wie W.E.B. Du Bois sich erinnerte, wenig über Afrika und Ereignisse wie die Konferenz in Berlin: „There was no course in Negro History in the university and we did not listen to the Berlin Conference of 1884. We had, of course, heard of Stanley in Africa and of the Congo Free State, that great philanthropic enterprise."134 Nach Ansicht von Skinner fürchteten die African Americans nach dem Ende der Konferenz, der Senat würde die Berliner Generalakte ratifizieren.135 Obwohl die überwiegende Mehrheit von ihnen zu dieser Zeit noch die Republikaner wählte, setzten sie in dieser Frage auf den entschiedenen anti-imperialistischen Kurs Clevelands. Skinners Einschätzung, daß die Afroamerikaner die Beschlüsse von Berlin ablehnten, weil sie die imperialen Bestrebungen der Europäer in Afrika verhindern wollten, läßt sich nicht überzeugend belegen. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts unterstützten viele einflußreiche Afroamerikaner die europäische Kolonialherrschaft auf dem afrikanischen Kontinent. Dies galt beispielsweise für Pädagogen wie Booker T. Washington, der sich nicht scheute, gemeinsam mit den deutschen Be-
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hörden in Togo die koloniale Baumwollwirtschaft zu aktivieren136. Einige gingen so weit wie Alexander Crummell, der sich nach seiner Rückkehr aus Liberia (1872) von der Back-to-Africa-Bewegung distanzierte und die Ansicht vertrat, die afrikanische Bevölkerung hätte bessere Zukunftschancen mit Hilfe des europäischen Kolonialismus als durch repatriierte Afroamerikaner. In einem Vortrag vor der American Geographical Society (1877) mit dem Titel „The King of Belgium's Congo State" erläuterte er, Afrika benötige, um die Gefahr des Islam und andere Übel zu bannen, friedvollen Handel (im Gegensatz zum Sklavenhandel), christliche Missionen und eine „fortschrittliche Zivilisation": „Africa needs some grand master influences to correct all these evils... She needs an authoritative force that shall hold back in check the disturbing influence of blind, insensate greed, and at the same time, furnish the native with ordinary facilities for gratifying his strongest desires. Africa needs in a word, a grand police force all over the continent, restraining violence, keeping open grand avenues of commerce, affording protection to missionaries and travelers, protecting weak tribes and nations from powerful marauding chiefs."137 Crummell hoffte, daß es dem belgischen König und der AIA gelingen könnte, Afrika zur „Zivilisation" und zum Christentum zu fuhren: „The proposal of the King of the Belgians I regard as eminently practical, both with respect to the physical and the moral needs of the continent."138 Seine positive Einstellung zu den Plänen von Leopold II. wurde von vielen Afroamerikanern geteilt. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als bekannt wurde, daß der belgische König seine „hehren Ziele" nicht verwirklichte, sondern vielmehr ein Terrorregime im Kongo etablierte, begannen die Afroamerikaner, den europäischen Kolonialismus kritisch zu durchleuchten und sich davon zu distanzieren. Die Bereitschaft, das koloniale Abenteuer in Afrika zu unterstützen und vielleicht sogar daran teilzunehmen, läßt aber nicht den Schluß zu, die African Americans hätten als eifrige Unterstützer des europäischen Kolonialismus zur kolonialen Ausbeutung des afrikanischen Kontinents entscheidend beigetragen, wie der in den USA lebende nigerianische Historiker Tunde Adeleke behauptet.139 Vielmehr betrachteten die Afoamerikaner den neu gegründeten „KongoFreistaat" als eine Region, die dank der großzügigen Bemühungen von Leopold II. allen Nationen offen stand und vielfältige Arbeits- und Handelsmöglichkeiten bot. Die afroamerikanische Führungselite fühlte sich insbesondere angesprochen, als der belgische Monarch 1879 Stanley den Auftrag zur Errichtung einer unabhängigen „republican confederation of free negroes" erteilte, „(that) might grant concessions (with power to make good what they granted) to societies for the construction of works of public utility, or perhaps might be able to raise loans like Liberia ..., and construct their own public works....".140 Der König betonte, es ginge nicht um die Gründung einer belgischen Kolonie, sondern eines „powerful Negro State".141 Die
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Pläne wurden nicht umgesetzt, da Stanley sie als unrealisierbar erachtete, aber Begriffe wie „negro state" und der Hinweis auf Liberia weckten die Aufmerksamkeit in den USA.142 Leopold II. zog Ende desselben Jahr auch in Erwägung, für den Kongo Afroamerikaner als Arbeitskräfte anzuwerben, da diese über langjährige Erfahrungen mit den Arbeitsmethoden der Weißen verfügten. 143 Sanford wurde mit der Rekrutierung von fünfzehn jungen Männern beauftragt und erhielt von Stanley Informationen über das geplante Arbeitsverhältnis: „These men should be from 22 to 27 years old, with good characters, decent fellows, who should be engaged on the condition that they are willing to stop out on the Congo a term of three years, unless sooner be discharged, from the day they arrive on Congo. Their pay to begin from the date of enlistment at Doll. 20 per month, besides board and washing and living in such quarters as we can get... Half a dozen of the best men may bring their wifes... It will be well also that two or three of those may be superior men, to whom you might promise between Doll. 20 and 25 per month."144 Die Anwerbung kam nicht zustande. In den Quellen finden sich keine Hinweise, ob Sanford sich um die Rekrutierung von afroamerikanischen Arbeitskräften bemühte. Sechs Jahre später, vor Beginn der Konferenz in Berlin, unterbreitete der Afroamerikaner George Washington Williams dem belgischen König das Angebot, für den Kongo in den USA African Americans zu rekrutieren. Nach Konsultationen mit seinen Beratern lehnte der Monarch ab.145 Trotz der überwiegend wohlwollenden Haltung der Afroamerikaner gegenüber dem belgischen König und seinem Kongo-Projekt gab es bei den schwarzen Amerikanern keinen nennenswerten Zuspruch für eine massenhafte Emigration nach Zentralafrika. Unter weißen Amerikanern, vornehmlich Südstaatlern, fand die Idee der afroamerikanischen Rückkehr nach Afrika allerdings Zustimmung. Zu ihnen zählten neben John Latrobe, der versuchte, die ACS zu reaktivieren, vor allem der Senator von Alabama, John Tyler Morgan, der sich davon die „solution of America's race problem" versprach146. Morgan, ein Rechtsanwalt, gehörte seit 1877 dem USSenat an. Er befürwortete die strikte Rassentrennung, da seiner Meinung nach nur so ein friedliches Nebeneinander gewährleistet sei. Aufgewachsen im amerikanischen Süden, war er von der Überlegenheit der weißen Rasse überzeugt und forderte von den Afroamerikanern die völlige Akzeptanz der weißen Vorherrschaft.147 In der Ansiedlung schwarzer Amerikaner in Zentralafrika sah Morgan die Chance, in den USA sozialen Frieden zu schaffen und gleichzeitig in Afrika die Christianisierung und damit die „Zivilisation" vorantreiben. Der Senator führte diesen Gedanken weiter aus und machte seine Ansichten in Reden vor dem Kongreß, in Zeitschriftenartikeln und auf Vorträgen publik.148 Durch die Kontakte zu Sanford, den Morgan in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Senate Committee on Foreign Relations bei der Anerkennung der AIC unterstützt hatte, verfügte der Senator über
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Informationen zu Zentralafrika und war, wenn auch einseitig, über die Situation im Kongo unterrichtet. Es war daher nicht verwunderlich, daß Morgan für seine Emigrationsidee im Kongo das geeignete Gebiet sah. „It occurs to me that if there is a country in the world that is open to the enterprise of the negro race, it must be the great valley of the Congo... If these people can not attain to the highest reach and power and civil capacity of every kind in our midst, do we not owe them the duty, having brought them as slaves from that country, to open the gates of Africa to them, so that they may go back and traffic with their own people and promote commerce in the midst of the African population? Have they not a better natural right to reap the wealth of Africa than any other race of people in the world?"149 Wie bereits in Kapitel 1 erläutert, erlebte die afroamerikanische Back-to-AfricaBewegung in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts in erster Linie durch Henry McNeal Turner, den Bischof der A ME Church, eine Neubelebung. Doch die Befürworter des „African return" konzentrierten sich auf Liberia als Zielregion. Kaum bekannt ist, daß W.E.B. Du Bois im selben Zeitraum eigene Vorstellungen von einer gezielten Emigration nach Afrika entwickelte. In einem Brief an den belgischen Generalkonsul in Philadelphia, Paul Hagemans, legte er die Gründe für eine Emigration dar und bat um nähere Informationen zum Congo Free State. Du Bois lehnte eine Ansiedlung nach dem Vorbild Liberias ab: „The trouble with Liberia was that anybody and everybody was encouraged to go: there was no proper idea of the country and climate - simply an indiscriminate invitation to the lazy, vicious, and ignorant to go to a land of milk and honey; the result was an emigration of elements of the American Negro least fittet to be colonists..."150 Er schlug statt dessen vor, daß eine kleine Gruppe gut ausgebildeter und entsprechend vorbereiteter African Americans als Kolonisten in den „Kongo-Freistaat" gehen sollten und damit zur Entwicklung der Region einen Beitrag leisten könnten. Langfristig plädierte er für direkte Handelsbeziehungen zwischen den Bewohnern des „Kongo-Freistaats" und der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA und den westindischen Inseln. Obwohl die Antwort Hagemans nicht vorliegt, kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß auch dieser Vorschlag keine Zustimmung fand, da der belgische König entschlossen war, die Zahl der Ausländer im „Freistaat" klein zu halten. Du Bois hielt in den folgenden Jahren an seiner Idee fest. Auf der ersten Pan-African Conference in London 1900 sprach er sich in seiner Address to the Nations of the World für die Schaffung eines „great central Negro State of the World" in Afrika aus: „Let the Congo Free State become a great central Negro State of the world, and let its prosperity be counted not simply in cash and commerce, but in the happiness and true advancement of its black peo-
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ple."151 G.N. Uzoigwe betrachtet die pan-afrikanische Konferenz von 1900 als unmittelbares Ergebnis der Berliner Afrika-Konferenz: „What the Berlin Conference and the consequent furious scrambling for African lands and souls did was to persuade a few perceptive black intellectuals and revolutionaries of the African diaspora to come together and ponder about the fiiture of the black race."152 Die Hoffnungen, die einzelne Afroamerikaner mit dem „Kongo-Freistaat" verbanden, erfüllten sich nicht. Nach dem Ende der Berliner Afrika-Konferenz bildeten sich in dem neu geschaffenen Staat spezifische administrative und wirtschaftliche Strukturen heraus, die in nur wenigen Jahren zu einer brutalen Gewaltherrschaft und zur totalen Unterdrückung der afrikanischen Bevölkerung führten. „König Leopolds Kongo" Am 29. Mai 1885 wurde durch ein königliches Dekret offiziell die Gründung des Etat Independent du Congo (EIC) vollzogen. Zuvor hatte das belgische Parlament Leopold II. zum Souverän des neuen Staates ernannt. Die AIC, die dem König als Deckmantel gedient hatte, verschwand, ohne offiziell aufgelöst zu werden. Der belgische König betrachtete den „Kongo-Freistaat" als seinen Privatbesitz, über den er frei verfügen konnte. „He possessed the Congo just as Rockefeller possessed Standard Oil."153 Die rechtliche Grundlage für die königlichen Handlungen blieb allerdings ungeklärt. Da aber weder in Belgien noch im Ausland die Position des Königs, der als Philanthrop Anerkennung genoß, in Frage gestellt wurde, nahm Leopold II. für sich in Anspruch, die legislative und die exekutive Gewalt im Kongo auszuüben. Bis 1908 war der Kongo keine belgische Kolonie, sondern ein offiziell unabhängiger Staat, der sich jedoch mit Belgien den Herrscher teilte. Die von Ruth Slade und später auch von Jean Stengers und Jan Vansina verwendete Bezeichnung „König Leopolds Kongo"154 beschreibt die herrschenden Verhältnisse in der Region bis zur belgischen Annektierung 1908 sehr anschaulich. Leopold II. unterschied genau zwischen seiner Rolle als konstitutioneller Monarch der Belgier und als Souverän des „Kongo-Freistaates". Während er in seiner Heimat beispielsweise öffentliche Reden nur in Abstimmung mit den Ministern verlas, agierte er im Kongo völlig unabhängig als Alleinherrscher.1SS Die Zentralregierung des EIC befand sich in Brüssel und bestand aus einem Minister, drei Staatssekretären und einem Schatzmeister.156 Die lokale Verwaltung im Kongo hatte ihren Sitz in Borna und unterstand einem Gouverneur, der von einem Vize-Gouverneur, vier höheren Verwaltungsbeamten und dem Kommandeur der Kolonialarmee unterstützt wurde. Die Administration sowie das Offizierskorps setzten sich fast ausschließlich aus Belgiern zusammen, bei denen es sich größtenteils
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um ehemalige Offiziere der belgischen Armee handelte. Das riesige Gebiet war in 14 einzelne Distrikte unterteilt, die jeweils von einem Beamten als Vertreter des Gouverneurs verwaltet wurden. Die Distrikte waren weiter untergliedert in Zonen, Sektoren (secteurs) und Dienststellen (postes). Das Verwaltungssystem war hierarchisch aufgebaut mit dem König an der Spitze, der nicht nur die Arbeit der Zentrale in Brüssel überwachte, sondern auch regelmäßig Berichte aus den Distrikten anforderte und in vielen Fällen Entscheidungen persönlich traf.157 Wirtschaftliche Erwägungen hatten den Erwerb des Kongo vornehmlich bestimmt. Das Interesse von Leopold II. galt in erster Linie dem materiellen Nutzen, den das Mutterland aus der Kolonie ziehen konnte. „For Leopold, a colony existed for the sake of the material advantages which it could offer to the colonial power. He was not consciously insincere when he talked of suppressing the slave trade and bringing civilisation to the Congo, but the economic aspect of his African venture was far more important in his eyes."158 Die Haltung Leopold II. führte dazu, daß die auf der Berliner Afrika-Konferenz vereinbarte Festlegung des Kongo als Freihandelszone sukzessive vom belgischen König und seinen Beamten unterminiert wurde. Die Europäer und die USA hatten ihre Zustimmung zur Schaffung des „Kongo-Freistaates" unter der Prämisse gegeben, daß der freie Handel gewährleistet würde. Wie in anderen Kolonien kam dem Staat die Aufgabe zu, ein positives Investitionsklima für das Engagement privater Unternehmen zu schaffen. Innerhalb weniger Jahre wurde im „Kongo-Freistaat" jedoch eine Reihe wirtschaftlicher Maßnahmen durchgeführt, durch die zugunsten eines staatlichen Monopols für den Freihandel immer größere Barrieren entstanden. In keiner anderen Kolonie in Afrika bestand eine dermaßen enge Verflechtung zwischen Staat und Finanzkapital. Trotz seiner guten Kontakte zu Leopold II. war auch Sanford von der monopolistischen Wirtschaftspolitik im Kongo betroffen. Als Dank für seine Verdienste um die AIC hatte er vom belgischen König die Konzession zur Errichtung einer kleinen Handelsgesellschaft erhalten.159 Im Juli 1886 gründete er die Sanford Exploring Expedition (SEE), um die Elfenbein- und Kautschukvorkommen am oberen Lauf des Kongo auszubeuten. Nach einer Reihe geschäftlicher Fehlschläge erhoffte sich Sanford große Profite durch die SEK Er selbst übernahm das Management der Gesellschaft, deren Ausgangskapital in Höhe von 60 000 Dollar von belgischen und französischen Geschäftsleuten und Politikern stammte. Außerdem konnte er Emory Taunt, dessen positiver Bericht zu den Zukunftsaussichten im Kongo ihn zur Gründung der SEE animiert hatte, als Mitarbeiter gewinnen. Taunt ließ sich von der Marine vorübergehend beurlauben und erhielt im Juli 1886 den Posten des Direktors der SEE für einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren. Die Leitung der SEE erwies
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sich jedoch als sehr schwierig. Leopold II. hatte gegenüber Sanford der Gesellschaft die Bereitstellung afrikanischer Träger und belgischer Schiffe für den Abtransport der Waren sowie die Nutzung der Handelsstationen zugesichert. Diese Versprechungen des belgischen Königs wurden von seinen Verwaltungsbeamten vor Ort im Kongo jedoch nicht eingehalten. Taunt stieß im Gegenteil auf massive Konkurrenz durch belgische Händler. Die SEE mußte ihre Aktivitäten auf abgelegene Handelsstationen beschränken und lange Wartezeiten bei dem Abtransport der Produkte in Kauf nehmen, während die neu gegründete Société Anonyme Beige pour l 'Industrie et Commerce du Haut Congo große Unterstützung von Seiten des belgischen Königs erhielt.160 Emory Taunt war den Schwierigkeiten nicht gewachsen, er bekam Alkoholprobleme und verließ im März 1887 den Kongo. Auf Grund des Alkoholmißbrauchs mußte er auch seine Karriere bei der Marine beenden. Dank der Hilfe seines Schwiegervaters und befreundeter Senatoren konnte er nach einer Entziehungskur im November 1888 als amerikanischer Handelsagent in den Kongo zurückkehren. Die SEE war nicht in der Lage, die erhofften Profite zu erwirtschaften. Interne Streitigkeiten zwischen Sanford und den übrigen Anteilseignern über das weitere Vorgehen kamen hinzu. Als es Sanford nicht gelang, in den USA Investoren zu gewinnen, stand die Gesellschaft schließlich vor dem finanziellen Ruin. Auf Druck der belgischen Gesellschafter übernahm im Dezember 1888 die Société Anonyme Beige pour ¡'Industrie et Commerce du Haut Congo die SEE. Sanford machte die bittere Erfahrung, daß der Staat, zu dessen Entstehen er einen entscheidenden Beitrag geleistet hatte, ihm nicht freundlich gesonnen war. Trotz der jahrelangen treuen Dienste und seiner uneingeschränkten Loyalität für Leopold II. fühlte der belgische König keinerlei Verpflichtung gegenüber seinem wichtigsten Lobbyisten in den USA. „It seemed that, having no further need of him, the King had completely forgotten Sanford after 1886"'61, stellt Lysle Meyer fest. Die SEE war die erste Handelsgesellschaft am oberen Kongo. Sie scheiterte nicht nur an schlechtem Management und fehlender Unterstützung durch die belgischen Behörden, sondern vor allem an den überhöhten Erwartungen, die Sanford mit dem Kongo verband. Sanford war das Opfer seiner eigenen positiven Propaganda für den Kongo geworden, eine Region, über deren Situation er sich nie vor Ort persönlich informiert hatte. Das Scheitern der SEE dämpfte die kommerziellen Interessen der Amerikaner am Kongo. In den folgenden Jahren investierte keine Handelsgesellschaft aus den USA in der Region. Auch für den belgischen König erfüllten sich die ökonomischen Erwartungen, die er in den „Kongo-Freistaat" gesetzt hatte, in den ersten Jahren nicht. Er mußte große Summen aus seinem Privatvermögen in die militärische „Befriedung" des Territoriums, in die Errichtung eines Verwaltungsapparates und in den Aufbau einer
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Infrastruktur investieren. Die Ausstattung und Unterhaltung einer kolonialen Armee, der force publique, die sich größtenteils aus afrikanischen Söldnern rekrutierte, die unter dem Befehl belgischer Offiziere standen, mußte gesichert werden. Das belgische Parlament gewährte zwei Kredite in Höhe von 25 Millionen belgischen Francs (1890) und 7 Millionen belgischen Francs (1895), um den König vor dem wirtschaftlichen Ruin zu retten. 162 Die finanzielle Situation begann sich für Leopold II. seit 1892 zu verbessern, als Kautschuk das Elfenbein als wichtigste Exportware ablöste. In den folgenden zwei Jahrzehnten (bis 1910) bestimmte der Kautschukhandel nicht nur die Exportwirtschaft des Kongo, sondern „Red Rubber" drang weit in den Alltag der afrikanischen Bevölkerung ein und veränderte nachhaltig die sozialen Beziehungen in der Region. „Under King Leopold's tutelage, the State became a unique form of Company government, interlocked with commercial interests which pursued profit maximization by any means possible. 163 Der König hoffte nun endlich, mit der Gewinnung und Vermarktung von Kautschuk die lang erwarteten großen Profite machen zu können. 164 Veränderte Bedingungen auf dem Weltmarkt als Folge technischer Innovationen in Europa und den USA boten für Kautschuk immer größere Absatzmöglichkeiten. 165 Der große Durchbruch kam schließlich 1888, als John Dunlop einen Gummireifen entwickelte, der in der expandierenden Fahrrad- und der im Aufbau begriffenen Autoindustrie immer mehr Abnehmer fand. Die Weltmarktpreise für Kautschuk stiegen zwischen 1860 und 1880 und zwischen 1900 und 1906 jeweils um das Doppelte an. Obwohl in Südamerika die größte Menge an Kautschuk produziert wurde, stieg der Anteil Afrikas an den weltweiten Kautschukexporten im Zeitraum zwischen 1880 und 1900 von fünf auf dreißig Prozent an. Der „Kongo-Freistaat" produzierte 1890 135 Tonnen Gummi in einem Wert von einer halben Million belgischer Francs; 1904 umfaßte die Produktion 5500 Tonnen, die einen Wert von 48 Millionen belgischer Francs darstellten. 166 Die Aussichten auf große Gewinne aus der Kautschukproduktion veranlaßten den belgischen König, die Kontrolle der kolonialen Wirtschaft durch zwei Maßnahmen auszuweiten. Zum einen erklärte er zusätzliche große Landflächen zu Staatsbesitz und veranlaßte zum anderen die massive Mobilisierung afrikanischer Arbeitskräfte. Nachdem 1885 angeblich ungenutztes Land von der Verwaltung zu staatlichem Eigentum erklärt wurde 167 , erfolgte ab 1892 die Aufteilung des gesamten Territoriums in eine domaine privé und ein Gebiet, dessen Ressourcen von Konzessionsgesellschaften ausgebeutet wurden. Die Erträge der domaine privé standen ausschließlich dem König zur Verfügung. Die indigene Bevölkerung wurde de facto zwangsenteignet. Diese Praxis war durchaus üblich im kolonialen Afrika, aber im Fall des „Kongo-Freistaates" nahmen diese Formen der Ausbeutung extreme Proportionen an. Neben der domaine privé reservierte sich der belgische König
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noch eine zweite kommerzielle Zone zur späteren Nutzung. Dieses Gebiet wurde der domaine privé einverleibt. Eine dritte Zone stand privaten Unternehmen zur Verfügung, die jedoch Exportsteuern zahlen mußten. Leopold II. begründete die Einschränkungen für Privatunternehmen mit den hohen Kosten, die der Staat zur Aufrechterhaltung des Kongo-Freistaates aufzubringen habe. Zur Ausbeutung der privaten Zonen wurden Landkonzessionen vergeben. Nördlich des Kongoflusses erhielt die Société Anversoise du Commerce au Congo (Anversoise) den Zuschlag, und südlich des Kongoflusses die Anglo-Belgian India Rubber and Exploration Company (ABIR). Beide Gesellschaften unterhielten enge Beziehungen zur Verwaltung des Freistaates. Der Staat übernahm die Hälfte der Einlagen der ABIR und sicherte im Gegenzug der Gesellschaft das Monopol auf die Ausbeutung aller natürlichen Ressourcen in der Region zu. Die Interessen des Staates waren eng mit den Interessen des Wirtschaftsunternehmens verknüpft, wie Samuel Nelson anmerkt: „As shareholder and tax collector, the interests of the State became intertwined with the interests of business, causing Leopold to instruct his agents to take whatever steps are necessary on behalf of the company's interests."168 Schon bald stellte sich heraus, daß die wachsende Nachfrage nach Kautschuk die Mobilisierung afrikanischer Arbeitskräfte erforderte. Wie in anderen Regionen Afrikas unter europäischer Kolonialherrschaft, war auch die Bevölkerung im Kongo nicht bereit, widerstandslos zum Ausbau einer Exportproduktion beizutragen, die sich nicht an ihren eigenen Bedürfnissen orientierte. Die Verwaltung führte deshalb 1892 eine Steuer ein, die in Geld oder in Kautschuk beglichen werden mußte. Der Umfang der so genannten rubber tax (impôts en nature) war nicht genau festgelegt, sondern wurde nach Gutdünken des jeweiligen Verwaltungsbeamten erhoben. 1903 wurde das Besteuerungssystem vereinheitlicht. Um die Bezahlung der rubber tax sicherzustellen, erließ der Gouverneur ein Gesetz, daß alle erwachsenen Afrikaner Männer wie Frauen - zu maximal 40 Stunden Zwangsarbeit pro Monat für den Staat verpflichtete. Diese umfaßte neben der Gewinnung von Kautschuk und dem Abtransport des Gummis auch den Straßen- und Eisenbahnbau sowie verschiedenste Trägerdienste. Nicht nur die Verwaltungsbeamten, sondern auch die Agenten der Konzessionsgesellschaften waren berechtigt, diese Arbeitsverpflichtung mit Gewalt durchzusetzen. Das Gesetz sah eine „angemessene" Entlohnung für die Bevölkerung vor, die aber in der Praxis nicht im vorgesehenen Umfang gezahlt wurde, da die kontinuierliche Steigerung der Kautschukproduktionsquoten Priorität hatte. Eine Direktive des Vize-Gouverneurs an die Distriktbeamten verdeutlichte dies: „You should note well that the application of the law on work requirements should result, not only in maintaining the results of previous years, but also in recording a constant increase in the resources of the Treasury. The receipts of one year for a district must not be less than those of the previous year; on the contrary, an increase must be aimed at."169
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Es war deshalb nicht verwunderlich, daß die Verwaltung und die Handelsgesellschaften die Löhne extrem niedrig hielten und gleichzeitig versuchten, die maximale Stundenzahl zu überschreiten. Dies führte dazu, daß für die lokale Bevölkerung keinerlei Anreize bestanden, den Arbeitsforderungen nachzukommen, zumal die Gewinnung von Kautschuk eine anstrengende, lebensgefährliche Tätigkeit war. Der Handel mit Elfenbein hatte hingegen ein gewisses Maß der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Unterstützung zwischen ausländischen Händlern und Afrikanern voraus. Die Europäer waren beispielsweise auf die Kenntnisse lokaler Elefantenjäger beim Aufspüren der Tiere angewiesen. Für den Abtransport der Stoßzähne bediente man sich afrikanischer Zwischenhändler, da sich permanente Handelsstützpunkte kaum lohnten, weil die Elefantenherden ihre Standorte wechselten. Die Gewinnung von Kautschuk schien im Gegensatz zur Elefantenjagd keine besonderen Kenntnisse zu erfordern, so daß nach Meinung der Handelsgesellschaften jeder Afrikaner in der Lage war, die Gummibäume anzuzapfen und nach einigen Tagen die gesammelte Latexmasse zu den Abgabestellen zu transportieren. Aber während in Brasilien, dem Haupterzeugerland von Gummi, eine sehr ertragreiche, relativ anspruchslose Kautschukart auf Plantagen angebaut wurde, stellte sich der wilde Kautschuk, der im Kongo vorwiegend wuchs, als nicht sehr widerstandsfähig heraus. Die Bäume bedurften längerer Ruhepausen, bevor sie erneut angezapft werden konnten. Dies führte dazu, daß die indigene Bevölkerung auf der Suche nach frischen Gummibäumen gezwungen war, immer weiter in schwer zugängliche Gebiete vorzudringen, die beträchtliche Gefahren bargen. Unzureichende Nahrungsmittel, Mangel an Wasser, Krankheiten und der Angriff wilder Tiere machten die Kautschukgewinnung zu einer lebensgefährlichen Unternehmung, der sich die Betroffenen zu entziehen suchten. Je schwieriger und komplizierter sich die Kautschukproduktion gestaltete, desto mehr griffen Administration und Konzessionsgesellschaften zu Zwangsmaßnahmen, um afrikanische Arbeitskräfte zu mobilisieren. Die Durchsetzung von Zwangsarbeit galt bei den Kolonialherren in Afrika als probates Mittel, um einerseits von der afrikanischen Bevölkerung ihren finanziellen Anteil am Aufbau der kolonialen Strukturen wie beispielsweise die Schaffung einer Infrastruktur einzufordern. Zwangsarbeit wurde aber auch der erzieherische Effekt zugeschrieben, die Afrikaner in westliche Arbeitsdisziplin einzubinden.170 Es herrschte die Überzeugung, „...that Africans should contribute financially to their education and social advancement. In the eyes ofmost colonialists throughout Africa, a nation which endowed a new territory with its civilization, its energy, and its capital had the right to legitimate compensation... Forced labor was never perceived as an unjust bürden but rather as a justified and mutually beneficial Obligation."171
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Bereits 1890 gab es erste Berichte von Missionaren über die brutalen Methoden der Zwangsarbeit im „Kongo-Freistaat" als Folge der extensiven Ausbeutung der Kautschukvorkommen, die allerdings hauptsächlich innerhalb der Missionsgesellschaften zirkulierten und weder in Europa noch in den USA zu Protesten führten. Es herrschte unter den europäischen Kolonialmächten ein stillschweigendes Abkommen, sich nicht in die Belange der Nachbarkolonien einzumischen. Nur so war es für den belgischen König möglich, auf der Anti-Sklaverei-Konferenz in Brüssel (1889/90) Zustimmung für die Einführung einer Steuer von zehn Prozent auf alle Importe in den Kongo-Freistaat zu erwirken. Diese Importsteuer widersprach den Vereinbarungen zum Freihandel, die in der Generalakte von Berlin fixiert worden waren. Leopold II. begründete die Abgabe mit den hohen Kosten, die dem Kongostaat aus dem Aufbau eines Verwaltungsapparates und der Durchsetzung des Sklavenhandelsverbots entstünden.172 Die Zwangsrekrutierung von afrikanischen Arbeitskräften nahm in den folgenden Jahren immer größere Ausmaße an. Nicht nur Erwachsene, sondern auch Jugendliche und bereits Kinder im Alter von vier und fünf Jahren mußten in den verschiedenen Bereichen der Kolonialwirtschaft Zwangsarbeit leisten. Der Druck auf die indigene Bevölkerung verschärfte sich, nachdem der belgische König 1896 eine dritte Zone, die Kron-Domäne (Domaine de la Couronne), eingerichtet hatte, bei der es sich um angeblich ungenutztes Land in der Region um den Leopold Il.-See (heute Mai-Ndombe-See) und das Becken des Lukenia-Flusses handelte. Die Domaine de la Couronne, die durch ein geheimes Dekret 1901 noch erweitert wurde, schloß ein riesiges Gebiet ein, dessen Ausbeutung unter Kontrolle staatlicher Beamter stattfand. Die erzielten Gewinne aus der Plünderung der Kautschukressourcen wurden ausschließlich in Belgien investiert. Die Schaffung öffentlicher Einrichtungen, Gebäude und Parks sowie den Bau des Museums in Tervuren und die Restaurierung bzw. Neuerrichtung königlicher Schlösser finanzierte der belgische König durch die Zwangsarbeit der Kongo-Bevölkerung.173 Die Arbeitseinsätze hatten wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen in den Dörfern zur Folge. Während einerseits der kapitalistische Wirtschaftssektor expandierte, stagnierten die ländlichen Ökonomien.174 Es stand immer weniger Zeit für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung, und dörfliche Gemeinschaftsarbeiten mußten vernachlässigt werden. Die Kolonialverwaltung verpflichtete die lokalen Autoritäten wie die Dorfältesten, für die Rekrutierung von Arbeitskräften zu sorgen und die geforderten Mengen an Kautschuk bereitzustellen. Während die Mehrheit von ihnen versuchte, ihre Gemeindemitglieder zu schonen und so z.B. niedrigere Angaben über die Einwohnerzahl ihres Dorfes machten oder Leute versteckten, erwies sich eine Minderheit als willfährige Kollaborateure des kolonialen Systems. Sie arbeiteten mit der Kolonialbehörde und den Agenten der Kon-
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Zessionsgesellschaften zusammen und lieferten die geforderte Anzahl von Arbeitskräften. Unterstützt wurden sie dabei von der Armee des „Kongo-Freistaates", der force publique, die sich zum entscheidenden Instrument für die Durchführung der Zwangsverpflichtung der Arbeitskräfte entwickelte. Die force publique rekrutierte sich vor allem aus freigekauften Sklaven und Söldnern aus anderen Teilen Afrikas. Die Bewohner des Kongo weigerten sich anfangs, in der Kolonialarmee zu dienen. 1889 gab es nur 100 kongolesische Soldaten, 1895 stammten von den 6000 Afrikanern bereits 4.000 aus der Region. Mit dem Anstieg der Kautschukproduktion und der damit verbundenen Zwangsarbeit vergrößerte sich auch die Armee. 1906 umfaßte die force publique 16 000 Mann unter Führung von 360 weißen Offizieren. Es gab drei Trainingscamps und ein Reservekorps. Die Soldaten waren mit ihren Familien in eigens dafür errichteten Dörfern untergebracht. Bewaffnete Soldaten der force publique trieben die Arbeitskräfte zusammen und überwachten die Kautschukgewinnung. Wer sich der Zwangsarbeit zu entziehen suchte oder wessen Körbe nicht ausreichend mit Kautschuk gefüllt war, mußte mit drakonischen Strafen rechnen. Hiebe mit der Nilpferdpeitsche (chicotte), die auch zum Tode führen konnten, und das Abhacken der Hände waren Maßnahmen, die angeblich der Abschreckung dienen sollten. Die Bestrafung richtete sich nicht nur gegen Einzelpersonen, sondern auch ganze Dörfer, die die geforderten Quoten an Arbeitskräften und Kautschuk nicht aufbringen konnten, wurden besetzt, geplündert und in Brand gesteckt. Die Ernte wurde vernichtet, es gab Vergewaltigungen und Morde. Der Terror der afrikanischen Soldaten der force publique, der Ende des 19. Jahrhunderts an Brutalität noch zunahm, geschah mit Billigung der weißen Offiziere der force publique. Sie beteiligten sich nicht persönlich an den Greueltaten, aber sie waren über das Ausmaß der Aktionen informiert und unternahmen nichts, um die Soldaten zu stoppen. „The primary interest of the European officials lay not in securing a stable administration, but in collecting as much rubber as they could; in practice they were given almost unlimited power over the Africans in their neighbourhood and it was inevitable that many of them should abuse that power."175 Es steht außer Zweifel, daß dieses System der kolonialen Ausbeutung den Machtmißbrauch provozierte, die brutale Behandelung der afrikanischen Bevölkerung war damit aber nicht hinreichend zu erklären. Gegenüber einer Untersuchungskommission, die 1903 auf Initiative der europäischen Öffentlichkeit von Leopold II. eingesetzt wurde, verwiesen Kolonialbeamte vor Ort auf den immensen Erfolgsdruck, dem sie ausgeliefert seien. Die Greueltaten an der indigenen Bevölkerung lasteten sie allerdings stets den afrikanischen Soldaten an, die als „unzivilisierte Barbaren" 'dargestellt wurden. Es sei, so die offizielle Darstellung, nicht ungewöhnlich, daß ehemalige Sklaven, aus denen sich die force publique teilweise rekrutiere, Rache an
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denjenigen nähmen, die sie für ihr Schicksal verantwortlich hielten.176 Versuche von staatlicher Seite, dem „widespread system of local tyrannies"177 ein Ende zu bereiten, gab es nur wenige. Die spärlichen Berichte von Distriktbeamten, die Uber Gewalttaten informierten, gelangten immer seltener nach Brüssel. Wie Jean Stengers belegt, wurde der belgische König zu Anfang über die Mißhandlungen unterrichtet. Leopold II. zeigte sich schockiert und forderte die Verwaltung auf, die Bluttaten zu stoppen und die Verantwortlichen zu bestrafen. „I am weary of being stained with blood and mud", schrieb er an einen Freund.178 Doch der König lehnte gleichzeitig eine Verringerung der Einnahmen aus dem „Kongo-Freistaat" ab. Die Verwaltung sah sich deshalb veranlaßt, keinerlei Änderung an dem System der wirtschaftlichen und menschlichen Ausbeutung vorzunehmen. „In other words, the administration distinguished between the king's permanent and fundamental desire - to increase the output of the domain - and his occasional crises of conscience. It modelled its action on what was permanent and fundamental.179 Viele Menschen versuchten, vor dem Terror zu fliehen. Die Folge war, das ganze Dörfer verlassen wurden, und die traditionellen Funktionen der Dorfgemeinschaft, die auch Schutz und Unterstützung in Krisenzeiten beinhalteten, lösten sich in einigen Gebieten des Kongos auf bzw. verloren an Bedeutung. Protestantische Missionsstationen entwickelten sich zu Zufluchtsorten. Missionare sahen ihre Chance, den Schutz suchenden Afrikanern nicht nur Unterschlupf zu gewähren, sondern ihnen gleichzeitig den christlichen Glauben nahezubringen. Die American Presbyterian Congo Mission (APCM) zählte zu den wenigen Missionsgesellschaften, die sich im Rahmen ihrer civilizing mission auch intensiv für eine Beendigung der Greueltaten einsetzten. Es war u.a. auch den Vertretern der APCM zu verdanken, daß in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts eine breitere Öffentlichkeit in Europa und Amerika von den Greueltaten Kenntnis nahm, die von kolonialer Seite im Kongo verübt wurden. Bilder von Erwachsenen und sogar Kindern, denen eine Hand oder beide abgehackt worden waren, gingen um die ganze Welt und machten erstmals das Ausmaß des Terrors im Kongo deutlich. Der erste, der bereits 1890 auf die Geschehnisse im „Kongo-Freistaat" hingewiesen hatte, war der Afroamerikaner George Washington Williams.
George Washington Williams' „Open Letter to King Leopold" George Washington Williams, der sich mit seiner 1882 erschienenen Abhandlung zur Geschichte der Afroamerikaner in den USA einen Namen als Historiker gemacht hatte, entwickelte bereits als junger Mann ein Interesse für den afrikanischen Kontinent. 1849 in Bedford Springs, Pennsylvania, geboren, kämpfte Williams als
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Fünfzehnjähriger auf der Seite der Unionstruppen im Bürgerkrieg und trat nach Kriegsende in die Mexikanische Armee ein, die er im Rang eines Oberstleutnant (lieutenant colonel) 1867 verließ. Nach dem Abschluß einer theologischen Ausbildung (1874) war er als Pastor an einer Baptistenkirche in Boston tätig. Bald darauf begann Williams als Journalist zu arbeiten und siedelte nach Cincinnati über, wo er auch die juristische Fakultät besuchte und sich schließlich als Anwalt niederließ. Inzwischen hatte Williams sich der Republikanischen Partei angeschlossen und wurde 1879 in das Parlament von Ohio gewählt, wo er verschiedenen Ausschüssen angehörte. Seine Aktivitäten bei den Republikanern verschafften ihm Kontakte zu einflußreichen Politikern, und er hielt sich immer häufiger in Washington auf. Präsident Arthur nominierte Williams kurz vor dem Ende seiner Amtszeit als Botschafter in Haiti. Der Senat bestätigte die Nominierung, er wurde in seinem Amt vereidigt, aber Arthurs Nachfolger, der Demokrat Cleveland, verhinderte, daß Williams diesen für Afroamerikaner prestigeträchtigen Posten antreten konnte.180 Frustriert wandte sich Williams von dem politischen Geschehen in Washington ab und konzentrierte sich auf Afrika. Während der Recherchen fur die History of the Negro Race hatte er bereits vielfältiges Material zum afrikanischen Kontinent gesammelt, und wenn auch sein Bild der Afrikaner von negativen Stereotypen geprägt war, so sah er es doch als lohnende Aufgabe an, sich für die Entwicklung Afrikas einzuset181 zen. Williams verfolgte die Entwicklung im Kongo genau und zählte zu den Befürwortern der Anerkennung der A IC durch die USA. Bereits im Sommer 1884 reiste er zum ersten Mal nach Europa und erhielt, dank eines Empfehlungsschreibens von Außenminister Frelinghuysen, eine Audienz bei Leopold II. Williams war tief beeindruckt vom belgischen König, den er beschrieb als „one of the noblest sovereigns in the world; an emperor whose highest ambition is to serve the cause of Christian civilization, and to promote the best interests of his subjects, ruling in wisdom, mercy, and justice." 182 Williams legte dem König ausführlich seine Vorstellungen zum wirtschaftlichen Aufbau des Kongo dar, wobei er den Einsatz von African Americans anregte. Er bot an, in New Orleans Afroamerikaner als Arbeitskräfte für den Kongo zu rekrutieren und darüber hinaus an den black colleges in den USA gut ausgebildete Personen anzuwerben, die bereit wären, im Kongo langfristig Schlüsselpositionen in der Wirtschaft und der Politik zu übernehmen183. Die Vorschläge des Amerikaners, den man am Hof in Brüssel als „ami du Président Arthur" titulierte, fanden offensichtlich das Wohlwollen des Königs. Leopold II. diskutierte die Anregungen von Williams mit seinen Beratern Emile Banning und Baron Lambermont und ließ über seinen Vertrauten de Borchgrave bei Sanford, Stanley und Strauch anfragen, ob diese den Einsatz von Afroamerikanern im Kongo befürworten würden:
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„Le Roi m'a chargé de vous demander si vous croyez que ces nègres nous conviendraient bien au Congo comme travailleurs, laboureurs et porteurs... Sa Majesté vous serait très obligée de nous donner ... votre opinion sur le point capital de savoir si les nègres de la Nouvelle-Orléans nous conviendraient."184 Während Williams attraktive, verantwortungsvolle Positionen für African Americans im Kongo anvisierte, ging es dem belgischen König, wie die Anfrage verdeutlicht, nur um die Beschäftigung von schwarzen Amerikanern als einfache Arbeiter und Träger. Colonel Strauch äußerte sich skeptisch gegenüber den Plänen von Williams und verwies auf den höheren Lebensstandard der Afroamerikaner im Vergleich zu afrikanischen Arbeitskräften: „En outre, il faut tenir compte que les nègres américains sont trop civilisés, trop habitués à un certain confort... Leurs nourriture et leur entretien nous coûteront au moins un franc par jour; c'est le cinquième seulement de ce que nous coûte un Européen."185 Der belgische König verwarf schließlich die Vorschläge des Amerikaners, nicht nur wegen der zu erwartenden Kosten, sondern weil er fürchtete, eine afroamerikanische Präsenz im Kongo könnte die Durchsetzung seiner zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend geheimen Pläne erschweren, wie Williams Biograf Franklin andeutet: „Doubtless, it would be good for the Belgians to have the support of a Negro American in their plans for the exploitation of the Congo, so long as he did not inspect too closely just what was going on in the Congo." 186 George Washington Williams kehrte nach Aufenthalten in England und Belgien in die USA zurück. Er verfaßte eine Reihe von Artikeln, in denen er u.a. die Abschaffung der Sklaverei in Afrika forderte. Die Anti-Sklaverei Konferenz in Brüssel 1889 war für Williams ein gegebener Anlaß, erneut nach Europa zu reisen. Er finanzierte diesen und den vorangegangenen Aufenthalt, indem er Beiträge fur das Zeitungssyndikat Associated Literary Press of the U.S.A. verfaßte. Williams war als Journalist bei der Konferenz akkreditiert, unterhielt aber nur wenig Kontakte zu den beiden amerikanischen Delegierten Sanford und Edward H. Terrell, dem Botschafter der USA in Brüssel.187 Als er Ende 1890 in die USA zurückkehrte, war Williams entschlossen, in den Kongo zu reisen, um sich ein eigenes Bild von den dortigen Verhältnissen zu machen und seinen Plan von der Ansiedlung afroamerikanischer Arbeitskräfte in die Tat umzusetzen. Interesse für sein Vorhaben fand Williams bei Collis Potter Huntington, dem amerikanischen Eisenbahnmagnaten, den er in Brüssel kennengelernt hatte. Huntington, der auch philanthropische Ziele verfolgte und das Hampton Institute großzügig unterstützte, war einer der wenigen amerikanischen Geschäftsleute, die bereit waren, in den wirtschaftlichen Aufbau des „Kongo-Freistaates" zu investieren. Er hatte Anleihen im Wert von 10 000 Dollar für die geplante Eisenbahnlinie zwischen Matadi und Leopoldville erworben, war aber nach eigenen Angaben so stark mit anderen geschäftlichen Aktivitäten belastet, daß er keine Zeit fand, den Bau der Bahn näher zu
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er keine Zeit fand, den Bau der Bahn näher zu verfolgen.188 Huntington und Williams einigten sich darauf, daß der Afroamerikaner gegen eine finanzielle Unterstützung seiner Reise den Fortgang des Eisenbahnbaus im „Kongo-Freistaat" erkunden sollte. Williams hatte seine Zeit in Brüssel auch genutzt, um Albert Thys, der die belgischen Handelsfirmen im Kongo vertrat, seine Idee der Anwerbung afroamerikanischer Arbeitskräfte für den Kongo nahezubringen. Im Gegensatz zu Leopold II. und seinen Beratern hielten die belgischen Geschäftsleute den Einsatz von African Americans für sinnvoll. Williams erhielt den Auftrag, 12 Bürofachkräfte und 12 Techniker und qualifizierte Mechaniker in den USA anzuwerben. Die Belgier versprachen ihm ein monatliches Gehalt von 150 Dollar für die Rekrutierung und die Begleitung der Afroamerikaner in den Kongo. Im Januar 1890 begab sich Williams auf Anraten Huntingtons nach Hampton und präsentierte dort sein Anliegen. Die Resonanz war nur gering. Die wenigen Studenten, die Williams' Anforderungen entsprachen, zeigten keinerlei Bereitschaft, ihr Glück in Zentralafrika zu suchen. Die übrigen waren, so die Worte General Armstrongs, „not developed enough to stand the test in Africa."189 Auch Gespräche mit dem Sekretär der American Missionary Association (AMA), Michael E. Strieby, blieben erfolglos. Strieby war zwar überzeugt, unter den Absolventen der Colleges der AMA gut ausgebildete Interessenten rekrutieren zu können, erwartete aber feste Zusagen über Löhne, Unterkünfte, Verpflegung, etc. Da weder Williams noch Huntington in der Lage waren, derartige Versprechungen zu machen, kam es nicht zu Anwerbungen. Die enttäuschenden Erfahrungen überzeugten Williams, erst einmal persönlich vor Ort die Verhältnisse zu prüfen, um dann mit detaillierten Informationen einen erneuten Versuch der Rekrutierung von Afroamerikanern für Afrika zu unternehmen. Ausgestattet mit einer finanziellen Unterstützung von Huntington, einem neuerlichen Auftrag von Associated Literary Press of the U.S.A. und den guten Wünschen des amerikanischen Präsidenten Benjamin Harrison, der die Unternehmung befürwortete, begab sich George Washington Williams bereits Ende Januar 1890 allein auf die Reise nach Afrika. Obwohl die Anwerbungsversuche erfolglos geblieben waren, zeigte sich Albert Thys großzügig und zahlte Williams bei einem Zwischenstopp in Brüssel zwei Monatsgehälter für seine Bemühungen. In Brüssel mußte Williams feststellen, daß der König und seine Berater alles versuchten, um ihn von seinen Reiseplänen abzubringen. Leopold II. schlug Williams vor, den Aufenthalt im Kongo um mindestens fünf Jahre zu verschieben. Stattdessen versprach er, ihn mit allen in Brüssel verfügbaren Informationen zur Situation im „Kongo-Freistaat" auszustatten. Er verwies auf die schwierigen Transportbedingungen vor der Fertigstellung der Eisenbahn, auf das ungesunde Klima und die ungewohnte Nahrung. Als Williams trotz der königlichen Einwände unbeirrbar an seinen Plänen
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seinen Plänen festhielt, verweigerte der belgische König jede Unterstützung und untersagte ihm, die staatseigenen Dampfschiffe zu benutzen, um dadurch die Reise so unbequem wie möglich zu machen. Nachdem die Zusammenarbeit mit den belgischen Handelshäusern fehlgeschlagen war und der König jegliche Hilfe abgelehnt hatte, konnte Williams nur noch auf die Unterstützung von Collis Huntington rechnen. Huntington hatte mittlerweile 50 000 Dollar in das Kongo-Eisenbahnprojekt investiert, von dessen Erfolg er allerdings nicht überzeugt war. Aber er hatte die Genugtuung, etwas Gutes getan zu haben, „... he would obtain much satisfaction in aiding the opening of the country and thereby promoting civilization."190 Von Liverpool aus begann Williams seine Reise in den Kongo. Er benötigte für die Fahrt bis Borna 53 Tage. Auf seiner Reise entlang der westafrikanischen Küste nutzte Williams jede Gelegenheit, um von Bord zu gehen und mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu treten. Er besuchte Freetown in Sierra Leone, Sinoe in Liberia, mehrere Städte im heutigen Ghana, Benin und Nigeria. Er nahm an Gottesdiensten teil, wurde auf Missionsstationen und in Schulen empfangen. Sein negatives Bild von den Afrikanern, das er in seiner History of the Negro Race skizziert hatte, erfuhr keine grundlegende Revision, aber Williams sah immer deutlicher die wachsende Abhängigkeit der Afrikaner von den europäischen Kolonialherren. Er verurteilte den Handel skrupelloser Europäer mit Waffen und Alkohol scharf: „For the use in the childish and destructive hands of the natives, so that with an unrestricted trade in firearms and rum it will not be long ere the African will perish by his own hands."191 Nach seiner Ankunft in Borna wurde Williams schnell klar, warum der belgische König gegen seinen Besuch im Kongo opponiert hatte. Die afrikanische Bevölkerung lebte unter erbärmlichen Bedingungen. Die Menschen waren um ihr Land betrogen worden und mußten Zwangsarbeit leisten. Williams faßte seine ersten Eindrücke mit den Worten zusammen: „This seems to be the Siberia of the African Continent, a penal settlement."192 In seinen Briefen an Huntington berichtete Williams ausführlich über seine Reise in das Landesinnere, die ihn, begleitet von einer Karawane von 85 Afrikanern, innerhalb von vier Monaten über 3000 Meilen von Borna bis Stanley Falls und dann weiter nach Loanda (Angola) führte. Von Beginn seines Aufenthaltes im „Kongo-Freistaat" an fühlte sich Williams beobachtet und fürchtete, es könne ihm etwas zustoßen. Durch einen belgischen Freund erfuhr Williams, daß er die Hindernisse, die ihm in Brüssel in den Weg gelegt worden waren, Sanford zu verdanken hatte. Dem Informanten zu Folge, mißtraute Sanford Williams, da er ihn entweder für den Repräsentanten einer amerikanischen Firma hielt, die im Kongo Geschäfte machen wollte, oder ihn als bezahlten Agenten von Sanfords Widersachern in den USA ansah, der dessen positives Bild vom Kongo zu widerlegen suchte.193 Williams äußerte sich in einem Brief an Sanford zu den An-
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schuldigungen und machte deutlich, daß ihm als freier Bürger der USA das Recht zustünde, den „Kongo-Freistaat" zu bereisen. Er schloß seinen Brief mit einer Warnung an Sanford: „If the Congo is what you have claimed it to be, there need be no uneasiness about travellers visiting it on their own account.; I am now, as ever before, a true friend of the State of the Congo but I shall discharge my mission without fear or favor and if anything should happen to me, you will be held responsible."194 Unterstützung fand Williams bei den Agenten der Dutch Trading Company, die seine Briefe verschickte und ihm die Fahrt auf ihren Schiffen gewährte. Außerdem hielt Williams Kontakt zu der Mission der Baptist Missionary Society of London (.BMS) in Balobo und ihrem Leiter George Grenfell. Grenfell war bereits seit 1878 in der Region tätig und bestätigte viele von Williams Beobachtungen, war aber nicht bereit, offen gegen Leopold II. Stellung zu beziehen, da er von den philanthropischen Absichten des belgischen Königs überzeugt war.195 Er war auf das Wohlwollen der Administration angewiesen, um nicht die staatliche Genehmigung für die Missionstätigkeit zu verlieren. Grenfells Berichte an seine Kollegen in London über die Besuche des Amerikaners verdeutlichen, daß die englischen Baptisten über das Ausmaß der Repressionen gegen die afrikanische Bevölkerung von Seiten des Staates und der Konzessionsgesellschaften informiert waren und sogar ein gewisses Maß an Verständnis für die Administration aufbrachten: „I fancy he (Williams, K.F.-S.) is not at all favorably disposed towards the [Congo] State, and may possibly paint things pretty black... I wonder what he would say if he saw, as we did, nine slaves chained neck to neck in the State Station at Upoto and waiting for a steamer to carry them down to Bangala... The evolving of a great free people out of the present chaos I fear will be a bitter process under the present administration, but even the best of governments and the wisest of administration would need strong hands, and would often have to hit very hard."196 Williams hingegen sah es als seine Aufgabe, die Weltöffentlichkeit über die Mißstände im „Kongo-Freistaat" aufzuklären. Als er in Stanley Falls eintraf, war er zutiefst enttäuscht über „the deceit, obtusiveness, ignorance and cruelty of the State of the Congo."197 Noch in Stanley Falls verfaßte er einen offenen Brief an den belgischen König, in dem er in 12 Punkten Anschuldigungen gegen die Regierung des „Kongo-Freistaates" erhob. Nach einer freundlichen Einleitung, ging Williams in unmißverständlicher Sprache nicht nur gegen die Regierung vor, sondern griff auch den König persönlich an. Die zentralen Klagen, die Williams formulierte, bezogen sich auf die unzureichende militärische und finanzielle Ausstattung des Verwaltungsapparates und die mangelnde moralische Stärke der Bediensteten, die Errich-
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tung von 50 Militärstutzpunkten den Kongo-Fluß entlang, deren afrikanische Soldaten mit Zustimmung weißer Offiziere die lokale Bevölkerung tyrannisierten, die Unfähigkeit der Gerichte, angemessene Urteile zu fällen, und die unmenschliche Behandlung von Häftlingen durch das Gefängnispersonal, die Benachteiligung ausländischer Handelsfirmen gegenüber belgischen, die von Steuerzahlungen befreit seien, das grausame und brutale Vorgehen der Soldaten bei der Rekrutierung von Arbeitskräften und die Beteiligung der Regierung am Sklavenhandel. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen war Williams bereits im Sommer 1890 überzeugt, daß Leopold II. über die Mißstände informiert war und sie billigte. Am Ende seines Briefes forderte er den belgischen König zu einer Stellungnahme auf: „Against the deceit, robberies, arson, slave-raiding, and general policy of cruelty of your Majesty's Government to the natives, stands their record of unexampled patience, long-suffering and forgiving spirit, which put the boasted civilization and professed religion of your Majesty's Government to the blush... All the crime perpetrated in the Congo have been done in your name, and you must answer at the bar of Public Sentiment for the misgovemment of a people, whose lives and fortunes were entrusted to you by the august Conference of Berlin, 1884-1885."198 Williams appellierte an das belgische Volk und an Anti-Sklaverei Gesellschaften, Philanthropen, Christen, Staatsmänner und die Bevölkerung überall auf der Welt, der Tragödie im Kongo ein Ende zu bereiten. Für Collis Huntington schrieb Williams einen ausführlichen Bericht Uber den geplanten Eisenbahnbau und kam zu dem Ergebnis, daß die von Henry M. Stanley für die Bahnstrecke veranschlagten 17 Millionen Franc unrealistisch seien und mit deutlich höheren Kosten und auch einer längeren Bauzeit als den angegebenen drei Jahren zu rechnen sei.199 Im September 1890 erreichte er Loanda in Angola, wo er einen dritten Bericht verfaßte, der für den amerikanischen Präsidenten bestimmt war. In diesem Bericht gab Williams einen Oberblick zur Gründungsgeschichte des „Kongo-Freistaates", beschrieb das Verwaltungssystem und verwies auf die spezielle Verantwortung der USA, die, nachdem sie sich für die internationale Anerkennung des Kongo-Staates eingesetzt habe, nun auch der dortigen Bevölkerung zu einer humanen Regierung verhelfen müsse: „The people of the United States of America have a just right to know the truth, the whole truth and nothing but the truth, respecting the Independent State of Congo, an absolute monarchy, an oppressive and cruel Government, an exclusive Belgian colony, now tottering to its fall. I indulge the hope that when a new Government shall rise upon the ruins of the old, it will be simple, not complicated; local, not European; international, not national; just, not
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cruel; and, casting its shield alike over black and white, trader and missionary, endure for centuries."200 Williams setzte seine Afrika-Rundreise fort, die ihn auch an die Ostküste in das damalige British East Africa führte, wo er vom britischen Konsul sehr freundlich aufgenommen wurde. Im Frühjahr 1891 erreichte er Kairo, von Krankheit gezeichnet. Eine lebensbedrohliche Lungenentzündung hielt ihn in Ägypten fest, bis er schließlich, noch immer geschwächt, Ende April in England eintraf. George Washington Williams erholte sich nur vorübergehend und verstarb am 2. August 1891 an Tuberkulose. Bereits im Herbst 1890 zirkulierten der Open Letter to Leopold II. und der Railway Report als gedruckte Pamphlete in Europa und den USA. Hierbei handelte es sich um unkorrigierte Versionen, die angeblich ohne Williams' Kenntnis in Europa gedruckt worden waren.201 Der Open Letter machte Furore und wurde vor allem in Belgien, Frankreich und England diskutiert. Der Leiter der British East Africa Company, Sir William Mackinnon, ein Freund von Leopold II. und Huntington, war einer der ersten, der sich zu den Anschuldigungen gegen den belgischen König äußerte. Wie Huntington beklagte Mackinnon den scharfen Ton des Open Letter. Aber während der amerikanische Eisenbahnmagnat glaubte, daß Williams Vorwürfe nicht ganz unberechtigt waren, verteidigte der Brite öffentlich den König: „The King is the last man in the world to permit or to sanction any inhumanity on the part of his officers or servants."202 In den USA beschäftigte sich in erster Linie der New York Herald mit Williams' Angriff gegen die Regierung des „Freistaates". In mehreren Beiträgen wurde aus dem Open Letter zitiert und der Autor als vertrauenswürdige Person beschrieben. Ansonsten waren die Reaktionen in den USA eher verhalten. Präsident Harrison und das Außenministerium äußerten sich nicht zu Williams' Bericht.203 Hingegen sah sich Henry M. Stanley, dessen „Verträge" mit den afrikanischen Autoritäten von Williams scharf kritisiert worden waren, zu einer Stellungnahme veranlaßt. Stanley zog Williams' Integrität in Zweifel und beschuldigte ihn der Erpressung. Der belgische König war erzürnt, aber auch verstört über Williams' Attacken und fürchtete offensichtlich ernste Konsequenzen fur sein Unternehmen Kongo: „The king and his men were deeply embarrassed, to say the least. They knew that in the end they had to win. The Congo was a possible source of enormous wealth and was of unquestioned strategic importance. Consequently, even at the risk of dignifying Williams's attack, it had to be answered."204 Wie bereits Stanley, versuchte auch Leopold II., Williams zu diskreditieren. Eine Reihe königstreuer belgischer Zeitungen und Magazine stellte den Afroamerikaner als Schwindler dar, bezweifelte seinen Rang als Oberst, verwies auf seine gescheiterte Akkreditierung als Konsul in Haiti und behauptete, er habe dem belgischen
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König seine Dienste angeboten, sei aber abgelehnt worden. Das belgische Parlament sah sich bemüßigt, Stellung zu nehmen, und der Premierminister versuchte in einer Rede, den König zu entlasten. Die ranghöchsten Beamten des Kongo-Staates veröffentlichten einen 45 Seiten langen Bericht, in dem sie die Vorwürfe entweder von sich wiesen oder Verbesserungen ankündigten. Es gab innerhalb der belgischen Presse auch Stimmen, die Williams' Anschuldigungen ernst nahmen und zu einer Überprüfung der Verhältnisse aufriefen. Trotz des beträchtlichen Aufruhrs, den George Washington Williams' Open Letter zumindest in Europa auslöste, hatten die Anschuldigungen keine unmittelbaren Konsequenzen für das Verwaltungssystem des Kongostaates. Es gab weiterhin Berichte über Mißstände und Vergehen an der lokalen Bevölkerung, die aber keine größere Öffentlichkeit erreichten. Niemand wagte in den folgenden zehn Jahren eine erneute Attacke gegen den belgischen König und sein Regime im Kongo. Der frühe Tod von Williams „saved the Congo government what might have been an embarrassingly formidable opponent."205 Im Sommer 1890 hielten sich auch Roger Casement und Joseph Conrad im Kongo auf. Die beiden machten ähnliche Erfahrungen wie Williams, traten aber damit nicht an die Öffentlichkeit. Casement hatte seit 1884 immer wieder im Kongo gearbeitet, zuerst für die Sanford Exploring Expedition, dann als Landvermesser, Geschäftsführer einer Baptistenmission und 1890 als Manager beim Eisenbahnbau. Aber der Ire Casement begann erst 1903, nachdem er den Posten des britischen Konsuls in Borna angetreten hatte, sich aktiv für Reformen im Kongo einzusetzen. Conrad, als Schriftsteller noch nicht zu Weltruhm gelangt, befuhr sechs Monate lang für eine belgische Handelsgesellschaft den Kongo-Fluß und verarbeitete seine Erlebnisse in der Novelle Heart of Darkness?06 Er lehnte es auch später stets ab, öffentlich gegen den belgischen König und seine Helfershelfer aufzutreten, blieb aber freundschaftlich mit Casement verbunden, den er im Kongo kennengelernt hatte. Conrads Zurückhaltung war symptomatisch für viele seiner europäischen und amerikanischen Zeitgenossen, die trotz aller belastenden Hinweise aus dem „Herz der Dunkelheit" keine Anstrengungen unternahmen, um das Los der Bevölkerung des Kongo-Staates zu verbessern. Conrad beschrieb diese Haltung in einem Brief an Casement: „(It is) an extraordinary thing that the conscience of Europe, which seventy years ago had put down the slave trade on humanitarian grounds, tolerates the Congo State today. It is as if the moral clock had been put back many hours... But I suppose we are busy with other things - too much involved in great affairs to take up the cudgels for humanity, decency and justice."207 Auch unter den African Americans in den USA lösten Williams' erschütternde Berichte aus dem Kongo keine Welle des Protests aus. Dies lag teilweise daran, daß Williams als Person im afroamerikanischen Amerika umstritten war. Er galt als sehr
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ehrgeizig, aber unstet und ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Nach der Veröffentlichung seines Buches History of the Negro Race, das als bedeutende Arbeit gewürdigte wurde, dessen Kritiker aber viele Ungenauigkeiten bemängelten, erhielt Williams nicht die erhoffte wissenschaftliche Anerkennung. Er wandte sich daraufhin stärker der Politik zu, und seine Nominierung zum Konsul in Haiti erregte unter den African Americans Unverständnis, aber auch Neid und Mißgunst. Einige von ihnen waren der Ansicht, Williams habe nicht die Verdienste vorzuweisen, die ihn fiir einen derartigen Posten qualifizierten.208 Williams' Engagement für den Kongo, sein Bestreben, afroamerikanische Arbeitskräfte zu rekrutieren, vermittelte den Eindruck, es handele sich um einen erneuten Versuch, die gesellschaftliche Anerkennung und den materiellen Wohlstand zu erlangen, die ihm bis dahin versagt geblieben waren.209 Aber Williams fand, bedingt durch seinen frühen Tod, keine Gelegenheit mehr, in den USA Vertretern afroamerikanischer Institutionen wie z.B. den block churches seine tiefe Betroffenheit über die brutale Herrschaft und die Leiden der Bevölkerung im Kongo persönlich zu vermitteln und sich für gemeinsame Protestaktionen einzusetzen. George Washington Williams geriet nach seinem Tod in Vergessenheit. Erst in der Biographie von Franklin findet sein mutiges Vorgehen gegen das unmenschliche Regime im Kongo und gegen dessen Souverän, Leopold II., eine angemessene Berücksichtigung. Bis heute erscheint der Name Williams in den Arbeiten zur afroamerikanischen Geschichte fast ausschließlich nur in Zusammenhang mit seiner History ofthe Negro Race. Die Literatur zur amerikanischen Außenpolitik Ende des 19. Jahrhunderts ignoriert ihn völlig. Williams war seiner Zeit voraus. Seine Anschuldigungen gegen den als Philanthropen und Menschenfreund gefeierten belgischen König trübten auch das Bild von der civilizing mission, der sich viele Afroamerikaner verpflichtet fühlten. Es dauerte noch über zehn Jahre, bis der Glaube der African Americans an die positiven Impulse europäischer Kolonialherrschaft in Afrika allmählich ins Wanken geriet. Die Missionare der APCM, von denen einige mutig für die Belange der Bevölkerung des Kongo eintraten, hatten einen beträchtlichen Anteil an der kritischen Untersuchung der Kolonialpolitik auf dem afrikanischen Kontinent seit Anfang des 20. Jahrhunderts.
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W.E.B. Du Bois, Address to the Nations of the World. In: Philip S. Foner (Hg), W.E.B. Du Bois Speaks. Speeches and Addresses, 1890-1919. New York 1970: 127. Pletcher (1962):xi. Im englischen Sprachgebrauch setzte sich neben der direkten Übersetzung Independent State of the Congo auch Congo Free State durch. Deutschsprachige Autoren verwenden die Begriffe Kongo-Freistaat, Kongostaat und einfach Kongo. In den folgenden Ausführungen werden für die Phase zwischen 1885 und 1908 ebenfalls diese Bezeichnungen benutzt. „KongoFreistaat" wird nur in Anführungszeichen geschrieben, um die Ambivalenz des Begriffes zu verdeutlichen. Schließlich verlor die Bevölkerung des Kongo unter dem Regime des „Freistaates" ihre Freiheit. Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts erhielt der inzwischen offiziell unabhängige Staat den Namen Zaire, 1999 erfolgte eine Umbenennung in Demokratische Republik Kongo. Der zukünftige Leopold II. wurde 1835 geboren und bekam 1840 den Titel Herzog von Brabant. Zur Gründungsgeschichte Belgiens vgl. Barbara Emerson, Leopold II of the Belgians. King of Colonialism. London 1979. Für alle männlichen Steuerzahler kam eine weitere Stimme hinzu, und insgesamt drei Stimmen standen all denjenigen zu, die über eine mehijährige Schulausbildung verfügten sowie allen Staatsdienern. Siehe Emerson (1979): 138f. Emerson (1979): 140 Nach Emerson unternahm Leopold I. 51 Veisuche, um „irgendwo auf der Welt" eine Kolonie zu gründen. Emerson (1979): 25. Leopold II. zit. in englischer Übersetzung in: Ruth M. Slade, King Leopold's Congo. Aspects of the Development of Race Relations in the Congo Independent State. Oxford 1962: 36. Das Zitat stammt ursprünglich aus A. Roeykens, Les débuts de l'œuvre africaine de Léopold II Brussels 1955: 259. Siehe Jean Stengers, Leopold II. and the Association Internationale du Congo. In: Stig Förster/WoIfgang J. Mommsen/ Ronald Robinson (Hg ), Bismarck, Europe, and Africa. The Berlin Africa Conference 1884-1885 and the Onset of Partition. Oxford 1988: 232f. Zu den frühen Kolonialprojekten des zweiten belgischen Königs siehe Emerson (1979): 59ff. und Thomas Pakenham, The Scramble for Africa. White Man's Conquest of the Dark Continent From 1876 to 1912. New York 1992: 13-19. Siehe Stengers (1988): 229-230. Emerson (1979): 57. Zur Person von Leopold II. und seinen inneren Beweggründen zur Schaffung eines Kolonialreiches siehe neben Emerson auch Thomas Pakenham, The Scramble for Africa. White Man's Conquest of the Dark Continent From 1876 to 1912. New York 1992 und Neil Ascherson, The King Incorporated: Leopold II in the Age of Trusts. New York 1964. In englischer Übersetzung zitiert in: Pakenham (1992): 15. Ebenda: 21. Das britische Desinteresse an einer weiteren Kolonie in Afrika hing nach Pakenham mit dem stärkeren kolonialen Interesse in Südafrika zusammen. Im April 1877 hatte Großbritannien die Burenrepublik Transvaal annektiert. Siehe Pakenham (1992): 39. Joseph A. Fry, Henry S. Sanford: Diplomacy and Business in 19th Century America. Reno 1982: 139. Unter den Geschäftsleuten und Bankiers in Europa waren nur wenige bereit, in die Unternehmung des belgischen Königs zu investieren. Strauch war der Nachfolger von Greindl als Vorsitzender der AI A. Danach war die Gründung von zwei Gesellschaften geplant, eine zum Bau einer Straßenbzw. Eisenbahnverbindung zur Umgehung der Stromschnellen zwischen dem unteren und oberen Kongo, und die die andere zur Entwicklung der Schiffahrt und des Handels auf dem oberen Kongo. Stanley zit. in: Emerson (1979): 91. Siehe auch John Bierman, Dark Safari. The Life Behind
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the Legend of Henry Morton Stanley. Austin, Tex. 1990: 224. Latrobe hatte aber umfangreiches Dokumentenmaterial der American Colonization Society nach Brüssel geschickt, in der Annahme, die Erfahrungen aus Liberia könnten hilfreich sein. Siehe Lysle E. Meyer, Henry S. Sanford and the Congo: A Reassessment. In: African Historical Studies 4 (1971) 1: 22, Fußnote 17. Die American Geographical Society mit Sitz in New York zählte zu ihren Mitgliedern auch finanzkräftige Geschäftsleute. Schieffelin erhielt im Zusammenhang mit der Sitzung des Komitees in Brüssel auch eine Audienz bei Leopold II. Beeindruckt vom belgischen König, unterstützte er fortan die Afrikaunternehmungen des Monarchen. ,Jt is charming to see a King, whilst occupied with numerous important affairs of his own kingdom, so great a philanthropist." Schieffelin an Sanford, 4.10.1877. Zit. in: François Bontinck, Aux origines de l'Etat Indépendent du Congo. Documents tirés d'Archives Américaines. Louvain/Paris 1966: 4, Fußnote 11. Siehe Fry (1982): 138. Sanfords Mutter stammte aus einer der Gründerfamilien des Staates Connecticut. Siehe Fry (1982): 134ff. Präsident Grant schlug Sanford 1870 filr die Botschaft in Spanien. Sanford quittierte daraufhin den Dienst in Belgien. Als das Senate Committee ort Foreign Relations die Nominierung ablehnte, konnte Sanford nicht auf seinen alten Posten zurückkehren, da dieser inzwischen neu besetzt worden war. Siehe Fry (1982): 81ff. Sanford bewies kein großes Geschick bei seinen unternehmerischen Transaktionen. Sein beträchtliches Familienvermögen, das großenteils aus Aktien und Anleihen bestand, schmolz dahin. Darüber hinaus hatte er in obskure Patente investiert, die sich, ebenso wie seine Orangenplantage als Verlustgeschäfte erwiesen. Die Depression von 1873 hatte Sanfords finanzielle Probleme noch verschärft. Siehe dazu Lysle E. Meyer, Henry Shelton Sanford: A Yankee in the Colonial Opening of the Congo. In: Ders., The Farther Frontier: Six Case Studies of Americans and Africa, 18481936. Selingsgrove, PA 1992: 102-127. Fry (1982): 133. Barbara Emersons Behauptung, Sanford habe über erstklassige Kontakte zum State Department verfugt, sind so nicht haltbar. Vgl. Emerson, Leopold II of the Belgians. King of Colonialism. London 1979: 104. Anfang 1880 genoß er das Wohlwollen einer Reihe einflußreicher politischer Persönlichkeiten. Präsident Garfield schlug ihn 1881 als Botschafter in Italien vor. Garfields Ermordung beendete Sanfords Träume von der Fortsetzung seiner Botschafterkarriere. Siehe Harold E. Hammond, American Interest in the Exploration of the Dark Continent. In: The Historian 18 (Spring 1956): 218ff. Siehe Emerson (1979): 90-98 und Ruth M. Slade, King Leopold's Congo: Aspects of the Development of Race Relations in the Congo Independent State. Oxford 1962: 37-39. Henry S. Sanford, American Interests in Africa. In: The Forum 9 (June 1890) 4:411. Leopold II. löste die ALA offiziell nie auf. Lyle E. Meyer geht davon aus, daß die AIA bereits seit Gründung der CEHC (Nov. 1878) nicht mehr existent war. L.E. Meyer, Henry S. Sanford and the Congo: A Reassessment. In: African Historical Studies 4 (1971) 1: 24. Im Folgenden wird in den Passagen, die sich auf die Zeit vor der Gründung der AIC beziehen, die Bezeichnung^/^ verwendet, danach AIC Sanfords attraktive Frau Gertrude, die als charmante Gastgeberin allgemeine Bewunderung genoß, hatte beträchtlichen Anteil am Gelingen der Parties. Es ist umstritten, in wessen Namen Stanley die Verträge abschloß. In der Literatur werden sowohl die CEHC wie auch die AIA genannt. Vgl. u.a. Fry (1982): 141 und Slade (1962): 39. Zu de Brazza und dem Vertrag siehe Thomas Pakenham, The Scramble for Africa. White Man's Conquest of the Dark Continent From 1876 to 1912. New York 1991: 146ff. Jean Stengers, Leopold II. and the Association Internationale du Congo. In: Stig Förster/ Wolfgang J. Mommsen/Ronald Robinson (Hg.), Bismarck, Europe, and Africa. The Berlin Africa Conference 1884-1885 and the Onset of Partition.Oxford 1988: 239.
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Siehe Jean Stengers, King Leopold and Anglo-French Rivalry, 1882-1884. In: Presser Gifford/Wm. Roger Louis (Hg.), France and Britain in Africa: Imperial Rivalry and Colonial Rule. New Haven, CT 1971: 140f. Zur Entstehung des Begriffes „Kongo-Freistaat" siehe Stengers (1971). Stengers zeichnet die einzelnen Handlungsschritte von Leopold II. mit beträchtlichem Wohlwollen für den belgischen Herrscher nach. Im krassen Gegensatz dazu Hochschild (2000): 88ff. Fry (1982): 141. Sanford zit. in: Fry (1982): 142. Sanford an Frelinghuysen, 11.6.1883. Box 30 Africa. Sanford Papers, General Sanford Library, Sanford, Florida. Zit. in Justus D. Doenecke, The Presidencies of James A. Garfield and Chester A. Arthur. Lawrence, Kansas 1981: 158. Siehe auch William Appleman Williams, The Roots of the Modern American Empire, New York 1969:262. Fry (1982): 141. Rede Sanfords vor der Handelskammer in New York am 6. März 1879. Box 30 Africa Memos, Sanford Papers, General Sanford Library, Sanford, Florida. Sanford verwendete diesen allgemeinen Begriff, ohne die Gesellschaft näher zu spezifizieren. H S. Sanford an J.H.B. Latrobe, 30.7.1877, Box 24: Africa - Correspondence, Sanford Papers, General Sanford Library, Sanford, Florida. Siehe François Bontinck, Aux origines de l'Etat Indépendent du Congo. Documents tirés d'Archives Américaines. Louvain/Paris 1966: 125-126. Zit. in: Stengers 1971: 151, Fußnote 91. Stengers (1988): 236. Die Worte stammen von Sir Edward Malet, dem britischen Botschafter in Kairo. Zit. in: Stengers (1988): 237, Fußnote 43. Zit. in: Bontinck (1966): 115-116. Leopid II an C. Arthur, November 1883. In: Bontinck (1966): 135. 48th Congress, 1st Session. Miscellaneous Document No. 59: Chester Arthur's Annual Message to the Congress, 4.12.1883. Auf Bitten von Frelinghuysen verfaßte Sanford den Text des Absatzes für die Ansprache von Präsident Arthur. Fry (1982): 144. U.S. Congress, Senate Miscellanous Document No.59,48th Congress 1st Session. U.S. Congress, Senate Report, No. 393, 48th Congress 1st Session. Die „Experten" waren von Sanford und Morgan ausgesucht worden. Zum genauen Wortlaut der Deklaration siehe Frank Thomas Gatter (Hg ), Protokolle und Generalakte der Berliner Afrika-Konferenz, 1884-85. Veröffentlichungen aus dem Oberseemuseum, Reihe F, Bd.20. Bremen 1984: 476-478. Zit. in: Bontinck (1966): 201. Henry Morton Stanley, The Congo and the Founding of its Free State. Vol. II, London 1885 383. James L. Roark, American Expansion vs. European Imperialism: Henry S. Sanford and the Congo Episode, 1883-1885. In: Mid America 60 (1978): 31. Siehe Pletcher (1962): 314. Die Monroe-Doktrin (1823), die auf den amerikanischen Präsidenten James Monroe zurückging, regelte die außenpolitischen Beziehungen der USA zu Europa und der übrigen westlichen Hemisphäre. Die Monroe-Doktrin legte folgende vier Punkte fest: Die USA mischen sich nicht in interne Angelegenheiten der Europäer ein und erkennen die bestehenden europäischen Kolonien an. Im Gegenzug verzichten die Europäer sowohl auf die weitere Kolonisierung des amerikanischen Kontinents als auch auf die Einführung der Monarchie in bestehenden Kolonien. Sanford an Chandler, 20.4.1883. Zit. in: Bontinck (1966): 122-123. Siehe John William Rollins, Frederick Theodore Frelinghuysen, 1817-1885: The Politics and Diplomacy of Stewardship. Ph.D. Diss. University of Wisconsin at Madison 1974: 476. Zit. in: Kenneth J. Hagan, American Gunboat Diplomacy and the Old Navy, 1877-1889.
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Westport, CT 1973: 71. Als Sanford im Mai 1883 den Marinekomandeur bat, eine zweite Reise in das Kongo-Gebiet zu unternehmen, erklärte ihm Shufeldt, er lehne einen erneuten Besuch dieser „pestiferous and Godforsaken region" ab. Siehe Bontinck (1966): 123. In der englischsprachigen Literatur ist auch die Bezeichnung Berlin West African Conference oder einfach Berlin Conference verbreitet. Siehe z.B. Sylvia M. Jacobs, The African Nexus: Black American Perspectives on the European Partition of Africa, 1880-1920. Westport, CT 1981: 67f. In der alteren deutschen Literatur wird das Treffen als Kongo-Konferenz bezeichnet. Clarence Clendenen/Peter Duignan/Robert Collins, Americans in Africa 1855-1900. Palo Alto, CA 1966: 58. Die folgenden Mächte nahmen teil: Deutschland, USA, Großbritannien, Frankreich, Belgien,, die Niederlande, Portugal, Spanien, Italien, Österreich-Ungarn, Dänemark, SchwedenNorwegen, Rußland und das Osmanische Reich. Siehe Frank Thomas Gatter (Hg.), Protokolle und Generalakte der Berliner Afrika-Konferenz, 1884-85. Veröffentlichungen aus dem Überseemuseum, Reihe F, Bd. 20. Bremen 1984: 72. In dem Band von Gatter finden sich auch Einzelheiten zu den Teilnehmern und zum Konferenzverlauf einschließlich der Protokolle. Ausgelöst wurden die Spannungen durch die „ägyptische Krise": 1882 hatten sich Nationalisten in Ägypten gegen das englisch-französische Kondominium erhoben. Während Frankreich eine Intervention ablehnte, besetzte Großbritannien Ägypten. Siehe Gatter (1984): 24, Ronald Robinson/John Gallagher with Alice Denny, Africa and the Victorians. The Official Mind of Imperialism. Basingstoke/London 1985 (lAufl. 1961): 76ff. Gatter (1984): 64. Siehe ebenda: 49f. Zum Briefwechsel zwischen Frelinghuysen und Kasson siehe Bontinck (1966): 224f. Zu Kasson siehe die Biografie von Edward Younger, John A. Kasson: Politics and Diplomacy From Lincoln to McKinley. Iowa City 1955. Frelinghuysen an Kasson, 17.10.1884. In: Bontinck (1966): 226-227. Baron Lambermont, seit 1860 Generalsekretär des belgischen Außenministeriums, war der Leiter der belgischen Delegation. Emile Banning war ein Mitarbeiter von Leopold II. und agierte als technischer Berater Lambermonts. Siehe Gatter (1984): 53-56. Dies war natürlich die Absicht Leopolds, aber er tat alles, um seine geheimen Pläne vor den Konferenzteilnehmern zu verschleiern und trat in Berlin persönlich nicht in Erscheinung. Zwischen dem Beginn der Konferenz am 15.11.1884 bis zu ihrem Abschluß am 26.2.1885 tagte die Konferenz insgesamt zehn Mal im Plenum. Darüber hinaus fanden Sitzungen eines Ausschusses sowie eines Unterausschusses statt, in denen die Experten gehört wurden und beispielsweise Fragen der geografischen Ausdehnung des Kongobeckens festgelegt und die Entwürfe für die abschließende Generalakte modifiziert wurden. Siehe Gatter (1984): 80. Zur Korrespondenz zwischen Leopold II. und Sanford siehe Robert S. Thomson, Léopold II et la Conférence de Berlin. In: Le Congo, 12 (1931) 2: 325-352. „Independent State of the Congo": 34, 49th Congress 1st Session, Senate Executive Document No. 196. Die Konferenzsprache in Berlin war Französisch. Die Protokolle wurden in französischer Sprache erstellt und nach Abschluß der Verhandlungen an die Unterzeichnermächte der Generalakte verteilt. Bei den Protokollen handelt es sich nicht um Wortprotokolle, sondern oftmals um Zusammenfassungen des Diskussionsverlaufs, in denen die Protokollanten alles ihrer Ansicht nach Wichtige in wörtlicher Rede und das Übrige in verkürzter Form und indirekter Rede wiedergaben. Siehe Gatter (1984): 91. Der Auszug aus der Rede John Kassons stammt aus dem dem englischen Original. Siehe Bontinck (1966): 435, Fußnote 121. Frelinghuysen an Tisdel, 8.9.1884., „Independent State of the Congo": 347, 49th Congress, 1st Session, Senate Executive Document No. 196. Ebenda. Tisdel an Morgan, 28.11.1884. Zit. in: Bontinck (1966): 396. Tisdel an Sanford, 14.11.1884. Zit. in: Bontinck (1966): 393, Fußnote 26.
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Tisdel an Morgan, 28.11.1884. Zit. in: Bontinck(1966): 395. Kasson an Frelinghuysen, 3.11.1884. Zit. in: Bontinck (1966): 397, Fußnote 31. Frelinghuysen an Tisdel, 12.12.1884, „Independent State of the Congo": 357, 49th Congress, 1 st Session, Senate Executive Document No. 196. Bontinck 1966: 395/396. General-Akte der Berliner Konferenz, Kapitel Zwei, Artikel Fünf veröffentlicht im ReichsGesetzblatt No. 23: 224. Zum Wortlaut der einzelnen Kapitel und Artikel der Generalakte siehe Gatter (1984): 588-624. Bei den Vorverhandlungen zu Artikel Fünf hatte sich Kasson von den Vorstellungen Sanfords distanziert, der für den geplanten Eisenbahnbau im Kongo ein Monopol forderte. Hintergrund für Sanfords Vorstoß war, daß Leopold II. bereits mit einer belgischen Firma über den Bau einer Bahnlinie in Verhandlungen stand. Kasson an Bayard, 16.3.1885. „Independent State of the Congo": 192, 49th Congress, 1st Session, Senate Executive Document No. 196. Eine knappe Interpretation wichtiger Passagen der Generalakte in: Geoffrey de Courcel, The Berlin Act of February 1885. In: Förster/Mommsen/Robinson(1988): 247-261. Protestantische Missionsgesellschaften in den USA setzten sich seit langem für ein Exportverbot von Alkohol nach Afrika ein. Zit. in: Geoffrey Du Courcel, The Berlin Act of 26 February 1885. In: Förster/Mommsen/Robinson (1988): 256. G.N. Uzoigwe, The Results of the Berlin West Africa Conference: An Assessment. In: Förster/Mommsen/Robinson (1988): 542. In der deutschen Fassung des Protokolls hieß es: „Der Präsident weist daraufhin, daß der erste Teil der Erklärung von Herrn Kasson delikate Fragen berühre, über welche die Konferenz kaum eine Meinung zu äußern habe; es genüge, die von dem Bevollmächtigten der Vereinigten Staaten von Amerika entwickelten Überlegungen im Protokoll wiederzugeben. Zu Kassons Ausführungen siehe auch Elliott P. Skinner, African Americans and U.S.Policy Toward Africa, 1850-1924. In Defense of Black Nationality. Washington, D.C. 1992: 218, und de Courcel (1988): 255-256. Kasson an Bayard, 16.3.1885, „Independent State of the Congo": 192, 49th Congress, 1st Session, Senate Executive Document No. 196. Emerson (1979): 112. Ebenso bei John Bierman, Dark Safari. The Life Behind the Legend of Henry Morton Stanley. Austin, Tex. 1990. Younger (1955): 335, siehe auch Skinner (1992): 218. Siehe George Shepperson, Aspects of American Interest in the Berlin Conference. In: Förster/ Mommsen/Robinson (1988): 281-29. Siehe Kassons erste Rede vor den Delegierten der Konferenz: „Independent State of the Congo": 34,49th Congress, 1st Session, Senate Executive Document 196. Kasson an Bayard, 16.3.1885, „Independent State of the Congo": 188-189, 49th Congress, 1st Session, Senate, Executive Document No. 196. Zur Rolle von Kasson, Sanford und Stanley auf der Konferenz siehe Shepperson (1988). Clendenen/Collins/Duignan(1966): 58. Lysle E. Meyer, Henry S. Sanford and the Congo: A Reassessment. In: African Historical Studies 4 (1971) 1:32. Younger (1955): 331. G.N. Uzoigwe, The Results of the Berlin West Africa Conference: An Assessment. In: Förster/Mommsen/Robinson (1988): 541-552. Emerson (1979): 118. Stellungnahme der OUA auf ihrem Gipfel 1964 in Kairo. Zit. in Gatter (1984): 71, Fußnote 14. Zum Ablauf der Konferenz und den Ergebnissen im Einzelnen siehe Crowe (1942); Gatter (1984). Eine kritische Bestandsaufnahme der Konferenz auch in: Förster/Mommsen/ Robinson (Hg.), Bismarck, Eiurope, and Africa. The Berlin Africa Conference 1884-1885 and the Onset of Partition. Oxford 1988. Edward W. Chester, Clash of Titans: Africa and US Foreign Policy. New York 1974: 147. Jacobs (1981) und Skinner (1992). Siehe auch John Henrik Clarke, African Americans and the Berlin Conference. In: Transafrica Forum 3 (1985) 1: 61-69. Clarke bezieht sich in sei-
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nem Aufsatz aber zum großen Teil auf die Arbeiten von Jacobs und Skinner. Skinner (1992): 95. Doenecke (1981): 161. New York Herald, 10.12.1884. In: Pletcher(1962): 323-324. Siehe Younger (1955): 337. Younger (1966): 337/338. Zu Kassons Rechtfertigung und Darlegung seiner Politik siehe Ders. 38ff. Younger (1966): 340. Zit. in: Despatches and Protocols, No. 24,27. May 2, 1889. Bontinck (1966): 416. Tisdel an Sanford, 1.5.1885. Zit. in. Bontinck (1966): 413. Tisdel an Bayard, 25.4.1885 (eingegangen 18.5.1885), „Independent State of the Congo": 359,49th Congress, 1st, Session,:Senate, Executive Document No. 196: Tisdel an Bayard, 25.4.1885, ebenda. Siehe auch Tisdel an Bayard, 29.6.1885, ebenda: 364375. Strauch bezog sich bei seiner Kritik auch auf einen Artikel aus dem New York Herald, der Mißstände im Kongo anprangerte und die Sicherheit der Weißen in Frage stellte. Der Beitrag bezog sich auf den Engländer John Stanhope, der im Dienst der AIC auf einer kleinen Handelsstation im Landesinneren des Kongo arbeitete und von zirka 400 Einheimischen angegriffen wurde. Nachdem ein Hurrikan die Station verwüstet hatte, war Stanhope diesem Angriff schutzlos ausgeliefert. Tisdel, der sich zufällig in der Nähe auffhielt, rettete ihm das Leben. Stanley in: New York Herald, 29.11.1885. Zit. in: Bontinck (1966): 421. Tisdel an Sanford, 19.11.1885. Zit. in: Bontinck (1966): 420. Außenminister Bayard dankte Tisdel für seine guten und umfassenden Berichte, die dem State Department wichtige Informationen geliefert hätten. Zu English siehe Clendenen/Duignan/Collins (1966): 75, Fußnote 16. Report of Lieutenant Taunt of a Journey on the River Congo, 26.2.1886,49th Congress, 2nd Session, Senate Executive Document No. 77. Taunts über 40 Seiten umfassender Bericht an den Marineminister W.C. Whitney war detaillierter als die Ausführungen Tisdels. Zit. in: Jacobs (1981): 71. Siehe Howard H. Bell, The Negro Emigration Movement, 1849-1854: A Phase of Negro Nationalism. In: Phylon 20 (1959) 2: 132-142 und Wilson J.Moses, The Golden Age of Black Nationalism, 1850-1925. New York/Oxford 1978:44. Edwin S. Redkey (Hg.), Respect Black! The Writings and Speeches of Henry McNeal Turner. New York Press 1971: 55. Jacobs (1981): 71. Du Bois in: Phylon 3 (1942) 2. Zit. in: Herbert Aptheker (Hg.); Writings and Periodicals Edited by W.E.B. Du Bois. Selections from Phylon. Millwood, NY 1980. 368. In späteren Jahren setzte sich Du Bois kritisch mit der Berliner Afrika-Konferenz auseinander.Vgl. Du Bois, The African Roots of War. In: Atlantic Monthly CXV (May 1915): 707-714, abgedruckt in: Philip S. Foner (Hg ); W.E.B. Du Bois Speaks. Speeches and Addresses, 18901919 New York 1970:244-257. Skinner (1992): 219. Skinner führt als Quelle für seine Behauptung die Arbeit von Edward Younger zu John Kasson an (Younger, 1955: 336-339). Hierzu ist anzumerken, daß Younger keinerlei Bezug auf die afroamerikanischen Haltung gegenüber der Konferenz und ihrer Generalakte nimmt, sondern nur allgemein von „Amerikanern" spricht. Siehe Kapitel 3. The Plan of the King of Belgium for the Civilization of Central Africa, and the Suppression of the Slave-Trade, Meeting of the American Geographical Society, May 22, 1877, Annual Report for 1877. In: Journal of the American Geographical Society 9 (1877): 98-99. Ebenda. Siehe Tunde Adeleke, UnAfhcan Americans: Nineteenth-Century Black Nationalists and the Civilizing Mission. Louisville, KY 1998. Adeleke nimmt es allerdings zur Bekräftigung seiner These mit den historischen Fakten nicht immer ganz genau. Er unterstellt, Crummell habe in seiner Rede Greueltaten der Belgier an der Kongo-Bevölkerung als wichtige praktische
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Maßnahmen bezeichnet, „that would provide the discipline needed to advance the course of civilization". Adeleke (1998): 83. Die Rede Crummells, auf die sich Adeleke bezieht, fand bereits 1877 statt, Jahre bevor die Greueltaten an der Bevölkerung des Kongo verübt wurden. Adeleke verweist als Quelle nicht auf das Original, sondern auf einen 1969 erschienenen Nachdruck der Reden Crummells. Siehe Alexander Crummell, Africa and America. Addresses and Discourses. Springfield, MA 1891 (Nachdruck New York 1969): 307-323. Siehe auch Alexander Crummell, The Plan of the King of Belgium for the Civilization of Central Africa, and the Suppression of the Slave-Trade. In: Journal of the American Geographical Society 9 (1877): 94-102. Henry Morton Stanley, The Congo and the Founding of Its Free State. Vol. I. London 1885: 52-53. Siehe auch Slade (1962): 25,38. Stanley (1885): 54. Leopold II. verwies in seiner Korrespondenz mit Präsident Arthur 1883 ebenfalls auf Liberia. Siehe George Shepperson, Notes on Negro American Influences on the Emergence of African Nationalism. In: Journal of African History 1 (1960): 305. Stanley an Sanford, 20.12.1878. Zit. in: Bontinck(1966). Siehe unten. Zu Morgan siehe die Biografie von Joseph A. Fry, John Tyler Morgan and the Search for Southern Autonomy. Knoxville, Tenn. 1992. J.T. Morgan, The Race Question. In: Arena 9 (Sept. 1890): 385-398. Siehe auch O. Lawrence Burnette, John T. Morgan and Expansionist Sentiment in the New South. In: Alabama Review 18 (1965): 174ff. Morgan erhoffte sich im Kongo auch einen Absatzmarkt Air die Baumwollüberschüsse der Südstaaten, gab diese Idee aber einige Jahre später wieder au£ während er an dem Emigrationsgedanken auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts festhielt Siehe Fry (1992): 77-79. 50th Congress, 1st Session, 28.6.1888: 5671. W.E.B. Du Bois, On Migration to Africa, 1897. In: Herbert Aptheker (Hg ), W.E.B. Du Bois: Against Racism. Unpublished Essays, Papers and Addresses. Amherst 1985: 47. W.E.B. Du Bois, Address to the Nations of the World. In: Philip S. Foner (Hg.), W.E.B. Du Bois Speaks. Speeches and Addresses, 1890-1919. New York 1970: 1917 nahm Du Bois die Idee wieder auf and sprach vom „great free central African State". Er dachte dabei an einen Zusammenschluß des heutigen Tansania und der Republik Kongo. Ein Jahr später dachte er über eine Ausweitung dieses Staates auf Uganda, Französisch-Äquatorial Guinea, Namibia, Angola und Mosambik nach. Uzoigwe (1988): 5 47. Ruth M. Slade, King Leopold's Congo: Aspects of the Development of Race Relations in the Congo Independent State. Oxford 1962: 175/176. Siehe Slade (1962) und Jean Stengers/Jan Vansina, King Leopold's Congo, 1806-1908. In: R. Oliver/G.N. Sanderson (Hg.), The Cambridge History of Africa, Vol. 6 (1876-1905). Cambridge 1985: 315-358. Siehe Jean Stengers, The Congo Free State and the Belgian Congo Before 1914. In: L.H. Gann/Peter Duignan (Hg.), The History and Politics of Colonialism, 1870-1914. Cambridge 1969: 262ff. Das Ministeramt hatte bis 1901 Baron van Eetvelde inne, ein enger Vertrauter des Königs. Zu den Verwaltungsstrukturen siehe Slade (1962): 171 ff. Slade (1962): 176. Sanford war ursprünglich davon ausgegangen, einen hohen Verwaltungsposten im neuen „Kongo-Freistaat" übernehmen zu können. Es stellte sich jedoch schon bald heraus, daß Leopold II. die Schlüsselpositionen der Administration nur mit ihm treu ergebenen Belgiern besetzte. Siehe Fry (1982): 156. Zur SEE siehe Henry Shelton Sanford Papers, Boxes 21-32: „Special Projects - Africa, 18701891", Sanford Museum, Sanford, Florida und James P. White, The Sanford Exploring Expedition. In: Journal of African History 8 (1967): 291-302 sowie Fry (1982): 156-163. Lysle E. Meyer, Henry S. Sanford and the Congo: A Reassessment. In: African Historical
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Studies 4 (1971)1: 33. Stengers (1969): 272. Außerdem wurde in Belgien eine Lotterie ins Leben gerufen, deren Überschüsse dem Kongo-Freistaat zu Gute kommen sollten. Samuel H. Nelson, Colonialism in the Congo Basin, 1880-1914. Athens, OH 1994: 81. Das große Vorbild fllr die Kolonialträume des belgischen Königs war die Insel Java, wo die Holländer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch Zwangsanbau ein Vermögen zusammengerafft hatten. 1839 entwickelte Charles Goodyear das Vulkanisierungsverfahren, das die Beschaffenheit von Gummi deutlich verbesserte. Bis dahin existierten kaum Produkte aus Gummi, da das Material bei Hitze schmolz und bei Kälte brüchig wurde. Diese Zunahme bedeutete, daß der Wert der Kautschukexporte innerhalb von 14 Jahren um das sechsundneunzigfache gestiegen war. Siehe Nelson (1994): 82,95. Dies war gängige Praxis in den Kolonien Afrikas. Darunter fiel auch Land, das von der indigenen Bevölkerung vorübergehend nicht kultiviert wurde, um die Regenerierung des Bodens zu gewährleisten. Nelson (1994): 87. Zit. in: David Northrup, Beyond the Bend in the River. African Labor in Eastern Zaire, 18651940. Athens, Ohio 1988: 55. Siehe Jan Breman, Primitive Racism in a Colonial Setting. In: Ders. (Hg.), Imperial Monkey Business: Racial Supremacy in Social Darwinist Theory and Colonial Practice. Amsterdam 1990.91. Nelson (1994): 90/91. Die USA waren mit zwei Delegierten, einer von ihnen Henry S. Sanford, in Brüssel vertreten. Auf der Konferenz ging es zum einen um ein internationales Abkommen zur Beendigung des Sklavenhandels und zum anderen um eine Kontrolle des Alkoholhandels in Afrika. Die AntiSklaverei Konferenz endete mit einem Triumph für Leopold II. Indem er das Interesse der Europäer und der USA auf das Problem des Sklavenhandels im Kongo lenkte, konnte er die Einführung einer Importsteuer durchsetzen, Das geschickte Taktieren des belgischen Königs zu Gunsten seiner eigenen Interessen wurde von Sanford zuerst voller Verwunderung und dann mit Empörung wahrgenommen. Sanford, der sich in Berlin entschieden für den Freihandel im Kongobecken eingesetzt hatte, fühlte sich von Leopold II., hintergangen und betrogen. Siehe Fry (1982): 167ff. Zur Brüsseler Konferenz siehe Suzanne Miers, The Brüssels Conference of 1889-1890: The Place of the Slave Trade in the Policies of Great Britain and Germany. In: Prasser Gifford/Wm. Roger Louis (Hg.), Britain and Germany in Africa. Imperial Rivalry and Colonial Rule. New Haven 1967: 83-118 und dies., Britain and the Ending of the Slave Trade. London 1975: 236-314. Leopold II. zählte zu Beginn seiner Herrschaft zu den reichsten Männern Europas. Er steckte den größten Teil seines Privatvermögen in das Kongo-Unternehmen. Die Forschungsexpeditionen, der Eisenbahnbau und die Errichtung von Handelsstationen wurden größtenteils von ihm finanziert. Der belgische König betrachtete es von daher als sein Recht, über die Gewinne aus dem Kongo-Staat frei verfügen zu können. Siehe Albert Wirz, Kongo: Das geplünderte Paradies. In: Ders., Krieg in Afrika. Die nachkolonialen Konflikte in Nigeria, Sudan, Tschad und Kongo. Wiesbaden 1982: 427. Slade (1962): 178. Siehe Breman (1990): 95. Slade (1962): 178. Zit. in: Stengers (1969): 281. Stengers (1969): 281. Jean Stengers Verweis auf die Gewissensbisse des belgischen Königs ist von einigen Autoren als Verteidigung von Leopold II. interpretiert worden. Siehe u.a. Breman (1990). Zu Gunsten von Stengers muß aber angeführt werden, daß er die Person des Königs insgesamt kritisch darstellt. Die biographischen Angaben stammen überwiegend aus der Williams Biographie von J.H. Franklin, sowie aus einem Aufsatz desselben Autors: John Hope Franklin, George Washington Williams: A Biography. Chicago 1985 und Ders., George Washington Williams and Af-
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rica. In: Lorraine A.Williams (HgJ, Afro-American Experience. Eight Essays. Washington, D.C. 1971: 59-76. Siehe auch Adam Hochschild, Schatten über dem Kongo. Die Geschichte eines der großen, fast vergessenen Menschheitsverbrechen. Stuttgart 2000: 145ff. und Elliott P. Skinner, African Americans and U.S. Policy Toward Africa, 1850-1924. Washington, D.C. 1992: 2201T. Hochschild und Skinner beziehen sich bei ihren Ausführungen fast ausschließlich auf John Hope Franklin. Zu Williams negativen Afrikabild siehe Kapitel 1. Zit. in: J.H.Franklin (1985): 182. Bontinck (1966): 442. De Borchgrave an Sanford, 2.9.1884. Zit. in: Bontinck (1966): 221, Fußnote 22. Strauch an Leopold II.., 4.9.1884. Zit. in: Bontinck (1966): 442. J.H. Franklin (1977): 68. Trotz seiner Kontakte zur amerikanischen Regierung war es Williams nicht gelungen, als Abgesandter der USA an der Brüsseler Konferenz teilzunehmen. Die Bahnlinie sollte dazu dienen, durch die Umgehung der Stromschnellen bei Stanley Falls eine Transportverbindung vom oberen schiffbaren Flußteil des Kongo zu dessen Mündung zu schaffen. Die 398 Kilometer lange Strecke wurde 1898 nach achtjähriger Bauzeit unter hohen menschlichen Verlusten fertiggestellt Ein belgisches Finanzsyndikat deckte den enormen Kapitalbedarf und gründete zu diesem Zweck die Compagnie du Chemin de Fer du Congo, die Anleihen an Geschäftsleute verkaufte. J.H. Franklin (1985): 186. Ebenda: 188. Ebenda: 189. Ebenda: 191. Williams beschrieb seinen Empfang in Brüssel in seinem Bericht an den Präsidenten der U.S.A., den er nach seinem Aufenthalt im Kongo verfaßt hatte, siehe: „A Report upon the Congo-State and Country to the President of the Republic of the United States of America, by Colonel the Honorable Geo. W. Williams." St. Paul de Loanda, Province of Angola, 14.10.1890. Abgedruckt in J.H. Franklin (1985), Appendix 3: 265. Williams an Sanford, 12.2.1890. Zit. in: Bontinck (1966): 445. Harry H. Johnston, George Grenfell and the Congo. A History and Description of the Congo Independent State and Adjoining Districts of Congoland. Vol. I. London 1908. (Reprint New York 1969): 467. Grenfell an A.H. Baynes, 23.6.1890. Zit. in: Franklin (1985): 194. Williams an Huntington, 16.7.1890. Ebenda: 195. „An Open Letter to His Serene Majesty Leopold II.., King of the Belgians and Sovereign of the Independent State of Congo, by Colonel the Honorable Geo.W.Williams, of the United States of America." Stanley Falls, Central Africa, July 18th, 1890. In: J.H. Franklin (1985), Appendix 1: 243-254. „A Report on the Proposed Congo Railway, by Colonel the Honorable Geo. W. Williams, of the United States of America", Stanley Falls, 16.7.1890. In: J.H. Franklin (1985), Appendix 2: 255-263. Williams übermittelte Huntington nicht nur den Railway Report, sondern auch eine Kopie des Briefes an Leopold II. „A Report upon the Congo-State and Country to the President of the Republic of the United States of America, by Colonel the Honorable Geo. W. Williams", St. Paul de Loanda, Province of Angola, 14.10.1890. In: J.H. Franklin (1985), Appendix 3: 279. Siehe Franklin (1985): 207. Nach Hochschild besorgte eine holländische Handelsfirma mit Niederlassungen im Kongo den Vertrieb der Pamphlete, deren Schiff Williams benutzt hatte. Die Gesellschaft fühlte sich in ihren Geschäften benachteiligt. Siehe Hochschild (2000): 160. Zit. in: Franklin (1985): 208. Auch in den wenigen Biografien zu Harrison finden weder Williams noch die Lage im Kongo um 1890 Beachtung. Siehe Homer E. Socolofsky/Allan B. Spetter, The Presidency of Benjamin Harrison. Lawrence, Kan. 1987. J.H. Franklin (1985): 215.
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S.J.S. Cookey, Britain and the Congo Question, 1885-1913. London 1968: 36. Joseph Conrad, Heart of Darkness. New York 1981 (1. Aufl. 1902). Zit. in: Franklin ( 1985): 220. Präsident Cleveland ernannte Frederick Douglass zum amerikanischen Konsul in Haiti. John Hope Franklin vermittelt in seiner Williams-Biographie das Bild eines sehr mutigen und ehrgeizigen, aber nicht besonders sympathischen Menschen.
KAPITEL 6
William Henry Sheppard und die American Presbyterian Congo Mission
„So my friends, I have told you the condition of my people in far-off Africa. Think of the Bakuba, the greatest of all the tribes on the Congo, and not one missionary in all that vast, densely populated region! Never before had they ever even heard of Christ. Do you say they live up to what light they have? Do we? Do they? No! No! Oh, for the time when this people will call the Lord their God! The appeal comes to you. Will you lend a helping hand to carry the light of the gospel to Africa?" 1
Die Diskussion über die miteinander eng verknüpften Fragen einer wirtschaftlichen Erschließung des Kongobeckens im Sinne kolonialer Handelsinteressen, der Abschaffimg des Sklavenhandels sowie des Rechts auf Religionsfreiheit wurde auch von den nordamerikanischen protestantischen Missionsgesellschaften mit großem Interesse verfolgt. Sie sahen darin gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verbindung von commerce, Christianity und civilizing mission. Während Geschäftsleute und Handelsgesellschaften in den USA sich nur zögerlich im Kongo engagierten, begannen einzelne Missionsgesellschaften die Region in den letzten beiden Dekaden des 19. Jahrhunderts als neues „Missionsfeld" zu erschließen. Die Beschlüsse der Berliner Afrika-Konferenz bestärkten die Vertreter der US-amerikanischen Missionen in ihren Expansionsbestrebungen. Im Jahresbericht der American Baptist Foreign Missionary Society (ABFMS) von 1885 hieß es dazu: „Africa is no longer the Dark Continent with vast unexplored regions and inpenetrable fortresses, a legendary land of myths and mysteries, in which the most adventurous kept within safe proximity to the coast. That unprecedented political autocracy, the .Conference of Berlin', has made central Africa the land of the free. Its ports are to be opened to the commerce of the world. No restrictions are to be laid upon the incoming and the voluntary acceptance by the people of the religious institutions and enterprises, scientific and charitable schemes which a land so rich in resources will inevitable invite."2 Die Gründung der American Presbyterian Congo Mission (APCM) 1891 in der Kasai-Region im Süden des „Kongo-Freistaates" war nicht nur ein Beitrag zur „Erlösung" des afrikanischen Kontinents durch commerce, Christianity and civilization, sondern sie war auch ein Ausdruck der Bemühungen von John Tyler Morgan und anderen Südstaatlern, die Afroamerikaner zur Rückkehr nach Afrika zu bewegen.
Kapitel 6
260 Die PCUS und die Missionierung des afrikanischen Kontinents
Die Presbyterianer zählten neben Baptisten und Methodisten zu den großen amerikanischen Kongregationen, die sich vor dem Bürgerkrieg über die Frage der Sklaverei spalteten. Bei den Presbyterianern trennten sich die Südstaatler am Vorabend des Krieges 1861 von der Mutterkirche und gründeten die Presbyterian Church in the U.S.A. (PCUS).3 Seit dem Ende des Bürgerkriegs diskutierten die Southern Presbyterians, wie sie sich auch nannten, über den Aufbau eines Netzwerks von Missionsstationen in Verbindung mit der Emigration von Afroamerikanern nach Afrika. Bereits 1865 erhielt das Executive Committee of Foreign Missions von der General Assemby4 den Auftrag: „...to direct their attention to Africa as a field of missionary labor ... with this view, to secure as soon as practicable, missionaries from among the African race on this continent who may bear the Gospel of the grace of God to the homes of their ancestors."5 Federführend war hierbei John Leighton Wilson, der von 1834 bis 1853 als Missionar in Liberia und Gabun tätig gewesen war. Nach seiner Rückkehr aus Afrika gelang es ihm, einflußreiche Positionen innerhalb der kirchlichen Administration zu übernehmen. Als Sekretär des Presbyterian Board of Foreign Missions (1853-1860) und dann des Executive Committee6 (1861-1886) sowie als Mitbegründer der Monatszeitschrift The Missionary1 setzte sich Wilson nachdrücklich für ein verstärktes Engagement der Presbyterianer in Afrika ein.8 Wilson favorisierte die Gebiete im Inneren Zentralafrikas im Gegensatz zu den Küstenregionen Westafrikas, da er das dortige Klima für erträglicher hielt. Darüber hinaus bildeten die schiffbaren Flüsse ein wichtiges Kommunikationsnetz, das seiner Ansicht nach nicht nur einen regelmäßigen Gütertransport, sondern auch die Verbreitung des christlichen Glaubens gewährleisten würde.9 Er war davon überzeugt, daß die Southern Presbyterians eine besondere Verpflichtung zur Evangelisierung des afrikanischen Kontinents hätten. Die Vorsehung - so Wilson - hätte dem Süden der USA eine Kultur und Gesellschaft geschenkt, in der Weiße und Schwarze eine gemeinsame, wenn auch unterschiedliche Existenz teilten. Durch dieses gemeinsame Erbe wäre die presbyterianische Kirche am besten geeignet, die Mission in Afrika voranzutreiben. Er rief dazu auf, auch die African Americans durch eine entsprechende Ausbildung an der Missionsarbeit zu beteiligen. Vor der Generalversammlung der Southern Presbyterian Church forderte er die Mitglieder zur Gründung einer Mission in Afrika auf: ,4f there is nothing in the character of the people themselves [die Afrikaner, K.F.-S.] to draw our hearts towards them (which no heathen people have), ought we not at least to be moved by considerations of sorrow and pity, and should we not hearken to the voice of the Great Captain when he bids us enter the door which He Himself has opened to us? In being surrounded with the representatives of this people whom we can easily train to be helpers in the
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work, we have greater advantages than almost any other Christian church for carrying on the missionary work in Africa."10 Inwieweit Wilsons rassistische Bemerkungen in bezug auf Afrikaner tatsächlich seiner eigenen Meinung entsprachen, ist schwer einzuschätzen. Es könnte auch sein, daß er damit die dringende Notwendigkeit der Missionierung betonen wollte.11 Denn obwohl die Mehrheit der weißen Presbyterianer die Schaffung von Missionen befürwortete, waren nur sehr wenige bereit, dem Aufruf Wilsons zu folgen und Missionsdienst in Afrika zu leisten. Das Gros der Southern Presbyterians tat sich jedoch auch schwer mit Wilsons Forderung nach einem Einsatz von African Americans bei der afrikanischen Missionierung, da sie diesen die intellektuellen Fähigkeiten und die „sittliche Reife" absprachen, um den Missionierungsauftrag ausfuhren zu können: „...aside from their reputed physical advantages, few blacks were thought to have the necessary spiritual groundings to civilize and to Christianize their kinsmen."12 Auf afroamerikanischer Seite bestand kein großes Interesse daran, im Auftrag der PCUS nach Afrika zu gehen. Die strenge Segregation innerhalb der Kirche, die den afroamerikanischen Mitgliedern während der Gottesdienste die hintersten Bankreihen zuwies bzw. nach Hautfarbe getrennte Gottesdienste durchführte, hatte zur Folge, daß die Zahl der afroamerikanischen Kirchenangehörigen kontinuierlich zurückging. Allerdings hatten die Presbyterianer in den Südstaaten auch vor dem Bürgerkrieg nie großen Zulauf unter den African Americans gefunden. Dies lag zum einen an der unflexiblen Haltung ihrer weißen Mitglieder gegenüber der Abolitionsbewegung, zum anderen erschwerten die hohen Bildungsansprüche, die an die Kirchenamtsinhaber gestellt wurden, den Afroamerikanern den Aufstieg innerhalb der Kirchenhierarchie.13 Baptisten und Methodisten, bei denen das Spirituelle einen höheren Stellenwert hatte, waren die bevorzugten weißen Kongregationen, denen sich African Americans anschlössen, wenngleich ihnen auch dort der Zugang zu einflußreichen Ämtern versperrt blieb. Zwischen 1861 und 1892 sank die Zahl afroamerikanischer Southern Presbyterians von 14 000 auf 1300.14 Im Vergleich dazu gab es bereits 1861 bei den Methodisten im Süden rund 200 000 afroamerikanische Mitglieder; bei den Baptisten waren es zur selben Zeit eine Million.15 Eine Umkehrung des Negativtrends ihrer afroamerikanischen Mitgliederzahlen ohne Aufhebung der Rassentrennung versprach sich die presbyterianische Kirchenleitung von der Schaffung einer unabhängigen afroamerikanischen presbyterianischen Kirche, die von eigens dafür ausgebildeten schwarzen Pastoren geleitet werden sollte. Aber die 1894 gegründete AfroAmerican Presbyterian Church fand nur sehr wenig Zustimmung und wurde schließlich 18 Jahre später mangels Interesses wieder aufgelöst.
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Um den Aufbau einer Afro-American Presbyterian Church voranzutreiben, wurde 1877 das Tuscaloosa Training Institute in dem gleichnamigen Ort in Alabama eingerichtet. Es sollte der Ausbildung afroamerikanischer Pastoren dienen, die dann die separate Kirche leiten und organisieren sollten.16 Die Studenten in Tuscaloosa sahen jedoch ihren Platz innerhalb der Southern Presbyterian Church und hofften, durch ihre Ausbildung der Assimilierung in die weiße amerikanische Gesellschaft einen Schritt näher zu kommen.17 Das Tuscaloosa Training Institute, das später nach seinem Gründer Charles A. Stillman18 in Stillman Institute umbenannt wurde, bestand anfangs nur aus zwei Lehrpersonen. Ähnlich wie in Hampton diente ein großer Teil des Unterrichts in Tuscaloosa der Vermittlung praktischer Kenntnisse. Das Stillman Institute erhielt nur geringe Zuschüsse und war auf die Mitarbeit seiner Studenten angewiesen, die damit ihre Studiengebühren, Unterkunft, Verpflegung u.a. finanzierten. Nur eine kleine Gruppe von Studenten, die bereits über einige Jahre Schulbildung verfugte, erhielt eine theologische Ausbildung, die u.a. aus Kursen zur Bibelexegese und Kirchengeschichte bestand.19 Das Stillman Institute entwickelte sich in den folgenden Jahren zur wichtigsten Ausbildungsinstitution der Southern Presbyterian Church für afroamerikanische Anwärter für den Missionsdienst. Mit der Einrichtung des Stillman Institute und dem Bemühen, eine separate Kirche aufzubauen, sahen die weißen Südstaaten-Presbyterianer ihre Verpflichtungen gegenüber ihren wenigen afroamerikanischen Mitgliedern erfüllt. Die Kirchenführung hielt strikt an der Rassentrennung und der massiven Benachteiligung der African Americans fest und war zu keinerlei Zugeständnissen bereit. Bestrebungen von Nordstaaten-Presbyterianern, die Bildungschancen der Ex-Sklaven zu verbessern und ihre Bürgerrechte politisch durchzusetzen, wurden von den weißen Southern Presbyterians mit Argwohn betrachtet. Sie fürchteten, daß besser ausgebildete, politisch aktive Afroamerikaner mehr Mitsprache und Gleichberechtigung fordern würden. Die Idee einer „Rückführung" von African Americans nach Afrika fand deshalb auch unter weißen Südstaaten-Presbyterianern gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr Zustimmung. John Tyler Morgan, Mitglied der Southern Presbyterian Church, sah nun die Möglichkeit, sich nicht nur eines Teils der seiner Ansicht nach unerwünschten African Americans zu entledigen, sondern gleichzeitig einen Beitrag zur Christianisierung des afrikanischen Kontinents zu leisten. Der afroamerikanische Missionar würde, so Morgans Hoffnung, „act as a magnat to draw black multitudes after them."20 Wie Wilson plädierte auch er für die KongoRegion als Ziel der geplanten Rückführung. Er behauptete, die Emigration wäre für den ,American negro and his Congolese kinsmen" gleichermaßen ein „Segen": „...(he) could become rich and powerful while elevating his race ... in the paths of civilization." Morgan führte weiter aus: „I look forward to the establishment of a
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free government [in the Congo] as a task that the American negro [can] accomplish with certainty." Die schwarzen Amerikaner, so Morgan, wären nicht länger „...the physical, or political slaves of any other race of men ... And we in the United States will be freed from the necessity of general amalgamation of the races."21 Vier Jahre nach Wilsons Tod machten sich der Afroamerikaner William Henry Sheppard und der weiße Amerikaner Samuel Norman Lapsley 1890 gemeinsam auf den Weg in den „Kongo-Freistaat", um die American Presbyterian Congo Mission zu gründen. Ein Jahr später errichteten sie die erste Missionsstation der PCUS in Afrika. Ausschlaggebend für die Hinwendung der Presbyterianer nach Zentralafrika waren in erster Linie zwei Gründe: Zum einen mehrten sich die Stimmen, die davor warnten, dieses erfolgversprechende Missionierungsfeld, das gerade wirtschaftlich erschlossen wurde, der Konkurrenz der Baptisten zu überlassen. Zum anderen fand die Idee der afroamerikanischen „Rückführung" nach Afrika immer mehr Zustimmung unter der weißen Südstaatenbevölkerung. Eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung des presbyterianischen Expansionskurses spielten die persönlichen Verflechtungen zwischen Kirchenmitgliedern und Politikern. John Tyler Morgan war ein langjähriger Freund von James Lapsley, dem Vater von Samuel. Die Familie Lapsley, die vor dem Bürgerkrieg Sklaven besessen hatte, zählte zu den einflußreichsten in Alabama. Morgan hatte vor Beginn seiner politischen Karriere in Washington gemeinsam mit Lapsley Sr. eine Anwaltskanzlei in Anniston, Alabama, geführt. Lapsley, der nach seiner Anwaltstätigkeit ein Richteramt bekleidete, gehörte dem Vorstand des Stillman Institutes an und saß als einflußreiches Gemeindemitglied auch in der Generalversammlung der presbyterianischen Kirche, die dem Missionsrat geeignete Kandidaten für den Missionsdienst vorschlug. Die Entscheidung des Foreign Mission Board of the Presbyterian Church, eine multiracial mission in Zentralafrika zu schaffen, die vor dem Hintergrund einer praktizierten Rassentrennung innerhalb der Kirche zu sehen ist, hatte vor allem pragmatische Gründe: Es fehlte an weißen Bewerbern für die Missionsaufgabe in Afrika. Schließlich erklärten sich die Mitglieder im Foreign Mission Board bereit, Afroamerikaner bei der Bewerberauswahl zu berücksichtigen und „...to test the capacity of the American Negro to elevate his brothers in Africa."22 Die wenigen afroamerikanischen Bewerber waren rassistischen Vorurteilen ausgesetzt. Die Vorstellung vom „unbeherrschten, animalischen Schwarzen", der seine Triebe nicht unter Kontrolle habe, bestimmte die Diskussion im Mission Board. Es wurde Sheppard beispielsweise unterstellt,."...that the sight of half-naked African women would subject Sheppard to irresistable attacks of lust", und man war sich einig, „...that only under the supervision of a white man could a black missionary go to Africa."23 Erst als Samuel Lapsley sich bereit fand, Sheppard zu begleiten, durfte dieser, sozusagen in der Obhut eines Weißen, die Missionarstätigkeit aufnehmen.
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Samuel Norvell Lapsley hatte nach mehreren Semestern an der University of Alabama ein theologisches Studium am Union Theologica/ Seminary in Virginia und am Mc Cormick Seminary in Chicago absolviert und 1889 mit einem B.A. abgeschlossen. Seit langem hatte er sich zum Missionar berufen gefühlt.24 Während Lapsley über seine weitere Zukunft nachdachte, bewarb sich Sheppard, der in Tuscaloosa seine theologische Ausbildung erhalten hatte, beim Foreign Mission Board um einen Missionarsposten in Afrika. Durch seinen Vater erfuhr Lapsley Jr. von Sheppards Bewerbung, und der Nachkomme einer alten Sklavenhalterfamilie faßte den Entschluß, gemeinsam mit einem Afroamerikaner nach Afrika zu gehen. Lapsley, der während seiner Studien vor afroamerikanischen Kirchengemeinden gepredigt hatte, fühlte sich allem Anschein nach dem Schicksal der African Americans verbunden. Seinem Bruder James erklärte er: „I like the black folks very much."25 Daß Sheppard letztendlich doch im Auftrag der PCUS nach Afrika ausreisen durfte, hatte zwei Gründe. Zum einen hatten die Vertreter des Stillman Institutes die Mehrheit der Generalversammlung der presbyterianischen Kirche von Sheppards untadeligem Charakter und damit seiner Eignung als Missionar überzeugen können26, zum anderen war schließlich Samuel N. Lapsley, dem auf Grund seiner weißen Hautfarbe die sittliche und intellektuelle Reife von vornherein zuerkannt wurde, bereit, gemeinsam mit einem Afroamerikaner eine Mission auf dem afrikanischen Kontinent aufzubauen. Sheppard erhielt nun die Chance, so die Kirchenvertreter, sich auf dem Kontinent seiner Vorfahren zu beweisen.
William Henry Sheppard - von Virginia nach Zentralafrika William Henry Sheppard, den die afroamerikanische Geschichtsschreibung zu den einflußreichsten Missionaren der USA um die Jahrhundertwende rechnet, wurde am 28. März 1865 in Waynesboro, Virginia, geboren. Seine Eltern waren Presbyterianer, und der Vater arbeitete zeitweise als Küster der First Presbyterian Church, bis die Familie in das nahegelegene Staunton übersiedelte. Dort war der Vater als Barbier tätig, während Sheppards Mutter Fannie in dem kleinen Kurort Warm Springs Arbeit als Badefrau fand. Beide Elternteile hatten den Bürgerkrieg als freie Schwarze miterlebt. Barbier und Badefrau zählten zu den häufigsten Tätigkeiten, die von free Blacks ausgeübt wurden.27 Diese Beschäftigungen waren Dienstleistungen für Weiße, die vor allem serviles Verhalten voraussetzten und deren Erfolg davon abhing, inwieweit es gelang, das Wohlwollen der weißen Klientel zu erlangen. Durch die Arbeit seiner Eltern hatte Sheppard schon als kleiner Junge Kontakt zur weißen
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Bevölkerung. Er hegte Bewunderung und Hochachtung gegenüber Weißen und akzeptierte ihre Demütigungen klaglos. Im Alter von zehn Jahren trat Sheppard als houseboy in den Dienst des weißen Zahnarztes S.C. Henkel ein, wo er verschiedenste Tätigkeiten ausführte.28 Der junge Sheppard erhielt für seine Arbeit ein geringes Entgelt von 50 Cents pro Woche, freie Unterkunft, Kleidung und Verpflegung. Außerdem unterrichtete ihn die Frau des Zahnarztes im Lesen, Schreiben und Rechnen. William Sheppard kehrte nicht zu seiner Familie zurück, sondern verdingte sich zwei Jahre später als Kellner im nahe gelegenen Clifton Forge, einem kleinen Touristenort. Ähnlich wie seine Eltern arbeitete er Zeit seines Lebens im Dienst weißer Arbeitgeber und Institutionen. Schon in jungen Jahren auf sich selbst gestellt, wurde self-support ein wichtiger Bestandteil seines Lebens und eine Maxime, die er später auch als Missionar der zentralafrikanischen Bevölkerung predigte. Durch einen Gast erfuhr Sheppard von den Ausbildungsmöglichkeiten am Hampton Normal and Industrial Institute und sah dort eine Chance, seinen lang gehegten Wunsch nach Bildung zu verwirklichen. Nachdem er etwas Geld gespart hatte, machte er sich 1880 als Fünfzehnjähriger auf die Reise in das dreihundert Kilometer entfernte Hampton. Ebenso wie Booker T. Washington acht Jahre (1872) vor ihm, mußte Sheppard, der keine Zeugnisse vorzuweisen hatte, in Hampton eine praktische „Aufnahmeprüfung" bestehen, die in der Reinigung der Klassenräume bestand.29 Sheppard absolvierte diesen „Eignungstest" ohne Probleme und durfte sein Studium aufnehmen. Seine geringen Ersparnisse reichten nur zur Bezahlung der Studiengebühren, so daß er gezwungen war, tagsüber auf den institutseigenen Feldern und in der Backstube zu arbeiten. In der Abendschule absolvierte er seine eigentliche Ausbildung. An den Wochenenden half Sheppard einem seiner Lehrer, Kaplan Hollis B. Frisseil, der nach dem Tod Samuel Armstrongs 1893 die Leitung des Hampton Institute übernahm. Sheppard war Armstrongs Paternalismus ebenso zugetan wie Booker T. Washington und hegte eine große Bewunderung für seine Person. 30 Beide betrachteten Armstrong als ihren Mentor, der ihnen den Weg zu ihrer Ausbildung gewiesen und damit ihre beruflichen Karrieren ermöglicht hatte. Ähnlich wie Booker T. Washington, der Armstrong als „the rarest, strengest, and most beautiful character"31 beschrieb, sah auch Sheppard in ihm den warmherzigen Menschenfreund: „He was a great and powerful dynamo, and into those lives gathered about him he sent life, light, and a holy inspiration."32 Nach einem Jahr mußte Sheppard das Institut aus finanziellen Gründen vorübergehend verlassen. Er kehrte dann für das Studienjahr 1882-1883 zurück.33 Sheppards nur knapp zweijähriger Aufenthalt in Hampton prägte sein weiteres Leben nachhaltig. Besonders Frissell wurde fiir ihn zu einer wichtigen Bezugsperson, und er pflegte den Kontakt zu ihm auch in den folgenden Jahren.34 Es war auch Frissell,
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der Sheppards Wunsch nach einer theologischen Ausbildung unterstützte und ihn für ein Studium am Stillman Institute vorschlug. Auch dort beeindruckte der inzwischen achtzehnjährige Sheppard durch seinen Fleiß, seine Hilfsbereitschaft und seine Loyalität gegenüber Lehrern und Kommilitonen. Nach einem erfolgreichen Abschluß seiner Studien in Tuscaloosa drei Jahre später (1886) erfüllte Sheppard die Voraussetzungen, um als Pastor tätig zu werden. Das Stillman Institute schmückte sich später mit Sheppard als seinem berühmtesten Studenten. In einer Beschreibung des Instituts hieß es: „...a training school had been opened in Tuscaloosa, Ala., and the students in this institution had their attention directed to AfHca in the regular missionary instruction given by the faculty. Amongst these students was William H. Sheppard, of Virginia, whose heart was irresistably drawn to the land of his forefathers. Soon after his graduation he went to Baltimore, and in person offered his services to the Executive Committee. But it was not deemed advisable to send him alone."35 Sheppard trat nach seinem Studium zuerst eine Stelle in Montgomery, Alabama, an und wechselte dann drei Jahre später nach Atlanta, Georgia, wo er eine bessere Bezahlung erhielt. Aber der junge Mann aus dem ländlichen Virginia konnte sich nur schwer auf das Leben in strikter Segregation in den schnell wachsenden afroamerikanischen Stadtbezirken Atlantas einstellen und begann sich schon bald nach neuen Arbeits- und Lebensbedingungen umzusehen. Sheppards Wunsch nach einer neuen Tätigkeit hing aber offensichtlich auch mit Problemen zwischen ihm und der Kirchenleitung in Atlanta zusammen, die jedoch nicht näher thematisiert wurden. „For the first time in his life, Sheppard had difficulty working smoothly with his white overseers; the Atlanta Presbyterians in charge of Sheppard's work showed dissatisfaction with his accomplishments."36 Sheppard äußerte sich selbst nicht zu diesen Schwierigkeiten, und auch in den offiziellen Quellen der presbyterianischen Kirche finden sich keine Hinweise auf Unstimmigkeiten zwischen dem jungen Pastor und seiner Kirche. Offensichtlich - so Donald Roth - begann Sheppard während seiner Zeit in Atlanta, eine Missionarstätigkeit in Afrika ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Gerade in Atlanta, wo Bischof Henry Mc Neal Turner für längere Zeit gewirkt hatte, wurde intensiv über die Chancen einer afroamerikanischen „Re-emigration" nach Afrika diskutiert. Sheppard war kein vehementer Befürworter der back-toAfrica Bewegung,37 aber einerseits der frustrierenden Situation in Atlanta zu entfliehen und andererseits aktiv auf dem afrikanischen Kontinent die Christianisierung zu unterstützen, erschien ihm zunehmend als vielversprechende Perspektive. Sheppard hatte während seiner Ausbildungszeit kein spezifisches Interesse am Land seiner Vorfahren geäußert. Allerdings begannen sich die Beziehungen zu Afrika während seines Studiums in Hampton gerade erst zu entwickeln. Bis dahin
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existierte unter den Studenten nur geringes Interesse am afrikanischen Kontinent. Ende 1877 war Ackrel White als erster Hampton-Absolvent nach Sierra Leone gegangen und berichtete in seinen Briefen, die teilweise im Southern Workman abgedruckt wurden, über seine Tätigkeit als Lehrer auf Sherbro Island. Als er Ende 1881 mit den beiden Afrikanern Tucker und Clements zurückkehrte, hatten die Studenten in Hampton zum ersten Mal die Möglichkeit, sich im Gespräch mit Zeitgenossen Uber den afrikanischen Kontinent zu informieren.38 Verstärkt wurde das Interesse für Afrika bei Lehrenden und Studierenden durch den Besuch Edward W. Blydens in Hampton Ende 1882. Der Direktor des Liberia Institute in Monrovia forderte die Studentenschaft in einer eindrucksvollen Rede auf, das Land der Vorfahren aufzusuchen und die Entwicklung Afrikas aktiv zu unterstützen.39 Sowohl in seinen späteren Vorträgen als auch in seiner Autobiographie, die sich auf seine frühen Jahre im Kongo bezieht40, stellte Sheppard seine Missionsarbeit als ihm vorbestimmt dar. In einer Rede vor Studenten in Hampton äußerte er sich dazu folgendermaßen: „In the providence of the Master ... I came here to this school.... one Sabath afternoon, in Academic Hall, Dr. Frissell said to me, ,Sheppard wouldn't you like to go with me to Slabtown. We've got a little mission work out there...' He gave me a Bible and I went, and ever since that day I felt the purpose of doing missionary work for Christ."41 Sheppards Ausfuhrungen verdeutlichen auch den besonderen Einfluß, den weiße Lehrpersonen auf seine Entscheidung nahmen, und bestätigen damit die bereits in Kapitel 4 formulierte These, daß bei vielen Afroamerikanern die Hinwendung zur afrikanischen Mission durch ihr weißes Umfeld entscheidend mitbestimmt wurde. Nach Sheppards Darstellung „prophezeite" ihm bereits in seiner Kindheit eine weiße Lady seine spätere Tätigkeit als Missionar in Afrika: ,4 was quite a small boy when, in the streets of Waynesboro, Va., a good lady called me into her house and said to me , William, I have been praying for you.' I was very much surprised to hear that. ,Yes,' she said - ,1 have been praying that you may grow up to be a good man, and that you may go some day to Africa to preach the Gospel of Christ.'"42 Sheppard hat diese Episode in verschiedenen Varianten häufig an den Anfang der Berichte Uber sein Leben in Afrika gestellt. Die „good lady" hatte einige Male auch einen Namen. Es handelte sich allem Anschein nach um Mrs. Anne Bruce, ein Mitglied der Southern Presbyterian Church in Sheppards Heimatstadt.43 Nachdem sein Entschluß, die Missionarslaufbahn einzuschlagen und nach Afrika zu gehen, fest stand, unternahm Sheppard alle Anstrengungen, um diesen Plan zu verwirklichen. Er unterrichtete seine Lehrer in Tuscaloosa von seinem "Wunsch und bat sie und seine Freunde, sich für ihn beim Executive Committee on Foreign Mis-
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sions of the Presbyterian Church zu verwenden. Aber der Vorstand legte Sheppards Bewerbung erst einmal auf Eis. Sie zögerten, einen Afroamerikaner ohne „weiße Aufsicht" in den Missionsdienst zu schicken. Obwohl die PC US inzwischen entschlossen waren, sich an der Missionierung Afrikas aktiv zu beteiligen, entsprach Sheppard als African American nicht ihren Vorstellungen vom Leiter einer Missionsstation im Dienst der presbyterianischen Kirche. Man traute ihm nicht zu, auf sich allein gestellt in einer fremden Umgebung zurechtzukommen, und sprach Sheppard beispielsweise die intellektuelle Fähigkeit ab, afrikanische Sprachen zu lernen.44 Das fehlende Vertrauen in die intellektuellen und moralischen Fähigkeiten der afroamerikanischen Aspiranten für den Missionsdienst war nicht auf die sogenannten Sttdstaaten-Kirchen beschränkt. Sheppards Fall ist exemplarisch für die Strukturen, Hierarchien, subtilen und weniger subtilen Diskriminierungspraktiken und rassistischen Behandlungen afroamerikanischer Missionare in den nordamerikanischen Kirchen generell. Auch Alexander Priestley Camphor, der u.a. am angesehenen Gammon Theological Seminary in Atlanta studiert hatte, durfte nur unter weißer „Aufsicht" im Auftrag der Northern Methodist Episcopal Church als Missionar nach Liberia ausreisen. Erst als der Weiße Joseph Hartzell, ein ehemaliger Lehrer Camphors, zum Methodist Bishop of Africa ernannt wurde, konnte er seinen früheren Schüler nach Westafrika mitnehmen 45 Trotz aller Demütigungen blieb William Sheppard ein loyales Mitglied der Southern Presbyterians und war fest entschlossen, nur im Auftrag „seiner Kirche" nach Afrika zu gehen. Er lehnte sowohl Angebote der Northern Presbyterians wie auch der von britischen Baptisten geleiteten Congo Balolo Mission ab. Über den Grund für Sheppards Loyalität läßt sich nur spekulieren. Stanley Shaloff vermutet, Sheppard habe seinem Vater nacheifern wollen, der sich in seiner zeitweiligen Position als Küster den Presbyterianern eng verbunden fühlte.46 Aber auch Sheppard selbst empfand große Dankbarkeit für die presbyterianische Kirche, wie die Widmung in seiner 1917 erschienenen Autobiografie vermuten lässt: „To the Southern Presbyterian Church which took me as a half-clad, barefoot boy and trained me for the ministry of Christ, and to which I owe all I am or ever hope to be."47
William Henry Sheppard - „Presbyterian Pioneer in Congo" Am 26. Februar 1890 machten sich der 25-jährige Samuel Norvell Lapsley und der 26-jährige William Henry Sheppard von New York aus auf ihre lange Reise in den Kongo. Bei der Auswahl ihres Missionsstandortes hatte ihnen das Exekutivkomitee weitgehend freie Hand gelassen. In seinen Instruktionen hieß es:
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„In selecting the mission, preference should be given to the Congo Free State, yet if it should appear that the conditions now mentioned can be more fully reached in some district contiguous to the Congo Free State, the brethren who go as pioneers are at liberty to take this outside territory with the scope of the exploration."48 Da die beiden jungen Männer weder über Missionserfahrungen verfügten noch mit der Region vertraut waren, konsultierten sie vor ihrer Abreise Vertreter verschiedener Kongregationen, die bereits Missionsarbeit in Afrika geleistet hatten, wie beispielsweise den Sekretär der American Baptist Missionary Union, John N. Murdock. Lapsleys Vater verschaffte ihnen mit Hilfe von John Tyler Morgan Kontakte zu wichtigen einflußreichen Persönlichkeiten, die diesem Projekt positiv gegenüberstanden. Hierzu zählten auch ein Besuch bei Präsident Harrison und eine Unterredung mit Außenminister Blaine, der für Empfehlungsschreiben sorgte. Bei der Verabschiedung von Sheppard und Lapsley im Hafen von New York kam es zu einer bewegenden Szene, als Lapsleys Mutter Sheppard ihren Sohn mit den Worten anvertraute: „Sheppard, take care of Sam". Sheppard war tief gerührt von Mrs. Lapsleys Vertrauensbeweis und fühlte eine starke Verpflichtung, sich um den ein Jahr jüngeren Lapsley zu kümmern. Während eines Zwischenstopps in England hatten die beiden u.a. Gelegenheit, Henry Gratton Guiness kennenzulernen, den erfahrenen Missionar und Gründer der Congo Balolo Mission, die Sheppard zwei Jahre zuvor einen Posten angeboten hatte. Danach ging es weiter nach Belgien, wo ein Besuch bei Henry S. Sanford eingeplant war. Morgan hatte diese Unterredung arrangiert, und Sanford sicherte ihnen Schutz und Unterstützung im Kongo zu. Abschluß der Belgienvisite war eine Audienz bei Leopold II., die allerdings nur Lapsley zuteil wurde. Der belgische König machte offensichtlich großen Eindruck auf den jungen Evangelisten, der ihn als gutherzigen, großen Mann beschrieb.49 Von Rotterdam aus verließen Sheppard und Lapsley Europa und erreichten am 10. Mai 1890 Banana (Point) nahe der Mündung des Kongo.50 Schon bald nach ihrer Ankunft machten sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Ort für ihre Missionsstation. Die Küstenregion schied als Standort aus, da sich dort bereits verschiedene amerikanische und europäische Missionen niedergelassen hatten und folglich eine „clerical congestion"51 herrschte. Die britische Baptist Missionary Society (BMS) hatte 1878 als erste protestantische Mission im Kongo ihre Arbeit aufgenommen. Ihr folgten wenige Monate später die Livingstone Inland Mission
CLIM) und dann 1884 die American Baptist Foreign Missionary Society (ABFMS), die die Stationen der LIM übernahm, sowie 1884 der Svenska Missionsforbundet und 1889 die Congo Balolo Mission?2 Weitere kleinere Missionen ließen sich im Kongo nieder, und bis 1918 waren 14 protestantische Missionsgesellschaften in der Region vertreten.
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Die ersten christlichen Missionierungsbestrebungen begannen ursprünglich nach dem Eintreffen der Portugiesen an der Mündung des Kongoflusses 1482. Aber erst Mitte des 17. Jahrhunderts versuchten Jesuiten, Kapuziner und Augustiner verstärkt, das Christentum im Kongo zu etablieren. Die Präsenz der Katholiken beschränkte sich nur auf einen schmalen Küstenstreifen, und erst die Missionare der BMS und der LIM drangen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in das Landesinnere vor, wo sie eine Reihe von Missionsstationen errichteten.53 König Leopold hatte seit der Gründung der AIA versucht, vornehmlich belgische Missionare in den Kongo zu schicken, und gab belgischen Jesuiten und der neu gegründeten Gesellschaft der Scheutisten den Vorzug vor katholischen Missionsgesellschaften aus Frankreich. Die Congrégation de Scheut, die ursprünglich den Namen La Congrégation du Cour Immaculé de Marie trug, war 1862 in dem Ort Scheut-les-Bruxelles gegründet worden. Während die Scheutisten sich anfangs auf Missionsaufgaben in China und Indien konzentrierten, begannen sie auf Drängen von Leopold II. seit 1889 im Kongo tätig zu werden. Der französische Kardinal Charles Lavigerie, der für ein schnelles Vordringen der Katholiken in das Landesinnere des Kongo plädierte, um den Protestanten Einhalt zu gebieten, mußte dem belgischen König versprechen, für die Mission der Pères Blancs in erster Linie Belgier zu verpflichten. Die Gesellschaft der Pères Blancs, der „Missionare von Afrika", war 1868 von Lavigerie gegründet worden und widmeten sich ganz der Afrika-Mission. Ihr Ziel war die Heranbildung afrikanischer Priester, Katecheten und Lehrer zur Bekehrung der eigenen Landsleute.54 Die belgische Bevölkerung, die sich fast ausschließlich zum Katholizismus bekannte, zeigte nur geringes Interesse an der Missionstätigkeit in Afrika. Infolgedessen waren die britischen und nordamerikanischen protestantischen Missionsgesellschaften im Kongo schon bald gegenüber den Katholiken in der Überzahl. Der belgische König gab persönlich keiner speziellen Religionsrichtung den Vorzug und war anfänglich durchaus bereit, mit den Protestanten zusammenzuarbeiten. Hinzu kam, daß er zumindest in der Anfangsphase darauf bedacht war, die Religionsfreiheit im Kongo gemäß der Akte der Berliner Konferenz zu gewährleisten. Erst zu Beginn der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts, als die Missionsgesellschaften die koloniale Verwaltung und die Praktiken der Handelsfirmen verstärkt kritisierten, versuchte Leopold II., diese Missionen in ihrem Handlungsspielraum zu begrenzen, beispielsweise durch die Einschränkung von Landnutzungsrechten zum Ausbau der Stationen. Sheppard und Lapsley fanden nach ihrer Ankunft bei den bereits etablierten Missionsgesellschaften Hilfe und Unterstützung. Bei ihren Besuchen zweier Missionsstationen der ABMU in der Nähe von Matadi gewannen sie einen ersten Eindruck der geographischen und klimatischen Bedingungen. In Mpalabala, wo u.a. die Afroamerikaner William Hall und Lulu Fleming arbeiteten, sowie in Banza Manteke hatten die beiden
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Neuankömmlinge Gelegenheit, den Missionsalltag mitzuerleben.55 Von dort aus reisten sie weiter nach Leopoldville (heutiges Kinshasa) auf der Suche nach einem geeigneten Standort für ihre Mission. Die Richtlinien hinsichtlich der genauen Lage der Station waren nur vage: „In making the selection, they should be guided as far as possible, by the following considerations: the site of the new station should be in healthful locality, probably on the highlands removed from the coast, and yet not too distant from the bade of supplies. It should be so far separated from other missions as to give it a thoroughly independent work. It should be among a population large enough to constitute a good mission field, accessible to mission work, and using a language which is widely current."56 Die Standortwahl hing also einerseits von geographischen Gegebenheiten wie Klima und der vorhandenen Infrastruktur ab, andererseits war es auch wichtig, sich dort niederzulassen, wo viele Menschen lebten, die - so die Hoffnung der Missionare - dem christlichen Anliegen nicht feindlich gegenüberstanden. Erfahrene Missionare wie George Grenfell57 rieten ihnen, sich in Flußnähe, entweder am Kwango oder am Kasai, niederzulassen. Lapsley und Sheppard entschieden sich für die Kasai-Region, weit im Inneren des Landes gelegen.58 Nach Konsultationen mit den Verwaltungsstellen, die ihnen die Reiseerlaubnis in das Landesinnere erteilten, verließen die beiden Leopoldville. Da das Straßennetz unzureichend war und der Bau von Eisenbahnen sich im Anfangsstadium befand, mußten sie sich größtenteils per Schiff oder Kanu auf dem Wasserweg fortbewegen. Auf einer sechswöchigen Erkundungstour tauchten Sheppard und Lapsley in eine für sie fremde Lebenswelt ein, die sie mit Interesse an der indigenen Bevölkerung, aber auch nicht vorurteilsfrei gegenüber Sitten und Gebräuchen beschrieben. In der folgenden Tagebuchnotiz wird Sheppards ambivalente Haltung gegenüber der afrikanischen Bevölkerung deutlich, deren Aberglauben er mißbilligte, sie aber gleichzeitig als „my people" bezeichnete: „At 6 a.m. with a bright sun we were off... At many little hamlets along the beach the people brought chickens, eggs, fish, corn, etc. for sale. The little children would run along the beach and greet us with a pleasant good morning. They were as happy and fat as could be... The people appeared to be healthy...; yet a doctor was kept busy all day working roots. His laboratory was a small hut. I tried to get an entrance, but he said, ,Not to-day, please.' The doctor and his patients spent all the afternoon drinking palm wine. Oh! how deeply in superstition and vice have my people fallen! Strong drink is a great agent of evil among them."59 Als sie schließlich am 18. April 1891, fast ein Jahr nach ihrer Ankunft, den kleinen Handelsstützpunkt Luebo erreichten, waren die beiden jungen Männer überzeugt, den geeigneten Platz für ihre Station gefunden zu haben. Der Ort Luebo, nahe dem
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Zusammenfluß von Lulua und Luebo gelegen, war „a site well removed from other missions, in a healthy highland, the centre of a dense population ...."60 Obwohl die Kasai-Region insgesamt zu den am wenigsten erschlossenen bzw. kolonial durchdrungenen Gebieten des „Kongo-Freistaates" zählte, konnten die Missionare doch auf die notwendigste Infrastruktur zurückgreifen, die zur Aufrechterhaltung der Missionsstation erforderlich war. In Luebo hatte die Société Anonyme Belge pour le Commerce du Haut-Congo (SAB) eine Handelsstation errichtet; drei weitere sollten schon bald entlang des Kasai-Flusses folgen.61 Wenn auch unregelmäßig, so wurde durch den Schiffsverkehr auf dem Kasai doch zumindest eine Grundversorgung mit zusätzlichen Nahrungsmitteln und anderen benötigten Gütern gewährleistet. Außerdem bestand damit eine Schiffsverbindung zur Küste. Die Nutzung der Infrastruktur setzte aber einvernehmliche Beziehungen zur SAB und den belgischen Behörden voraus. Lapsley war sich dieser Abhängigkeit bewußt gewesen und hatte vor der Abreise aus Leopoldville bereits mit der SAB, die auch für die Anlieferung des Gepäcks sorgen sollte, Kontakte geknüpft. Luebo, am linken Ufer des Lulua nahe der Flußmündung gelegen, war erst 1885 von Ludwig Wolf, einem Mitglied der Hermann-Wissmann-Expedition (1889) gegründet worden. Das Gebiet um Luebo war jedoch schon seit langer Zeit ein Zentrum afrikanischer Händler gewesen, bevor sich auch europäische Handelsgesellschaften dort niederließen. Luebo bot aber nicht nur in geographischer und wirtschaftlicher Hinsicht günstige Voraussetzungen, sondern erschien den beiden jungen Missionaren auch im Hinblick auf ihre vorrangige Aufgabe der Verbreitung des Christentums als vielversprechender Ausgangspunkt. Fünf Ethnien lebten in der näheren Umgebung Luebos: in nächster Nähe die Kete, die Luba am Westufer des Lulua, die Bena Lulua mit ihrem Zentrum Luluabourg (heutiges Kananga), die Kuba zwischen den Flüssen Kasai und Sankuru und am östlichen Rand der Region die Songye, die im Ruf standen, „Kannibalen" zu sein. Die Ethnien in der KasaiRegion, die einen der 12 Distrikte des „Kongo Freistaates" umfaßte, verfügten über kulturelle Gemeinsamkeiten, unterschieden sich aber in ihrer Sprache und Herkunftsgeschichte zum Teil erheblich voneinander.62 Auf Anraten des belgischen Commissaire de District gründeten die beiden jungen Missionare schließlich ihre Mission etwas außerhalb von Luebo in der Nähe des kleinen Kete-Dorfes Bena Kasenga.63 Die American Presbyterian Congo Mission entwickelte sich in den folgenden dreißig Jahren zur größten protestantischen Mission im Kongo. Die Gründungsphase der APCM wurde von Sheppard und Lapsley ausführlich dokumentiert. Der Missionary druckte Auszüge ihrer Tagebücher ab. Darüber hinaus verfaßte Sheppard eine Reihe von Artikeln, die u.a. im Southern Workman erschienen und dadurch einem breiteren Publikum die Geschichte der Congo Mission nahebrachten. Spätere Missionare der APCM haben Arbeiten
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zur Geschichte der Mission und Einzelporträts von Missionaren und Missionarinnen verfaßt. Aber diese Missionsliteratur ist großenteils sehr unkritisch und idealisiert stark die Mission und ihr Personal.64 Eine umfassende Geschichte der APCM gibt es bislang nicht. Die Arbeit von Stanley Shaloff betrachtet die Mission kritisch, ist jedoch auf die Anfangsphase bis zirka 1920 begrenzt.65 Inzwischen liegt eine Sammlung und Edition von Dokumenten zur APCM \or. Robert Benedetto, Archivar und stellvertretender Direktor des Archivs der Southern Presbyterians, hat das umfängliche Material im Department of History, Presbyterian Church (U.S.A.) in Montreal, North Carolina, gesichtet und dokumentiert aus der Sicht der Missionare der APCM und der offiziellen Kirchenvertreter den - wie er es nennt - Human Rights Struggle in the Congo, 1890-1918. Hierbei handelt es sich um einen Teil des offiziellen Briefwechsels zwischen Missionaren und Kirchenleitung, Auszüge aus der Privatkorrespondenz einzelner Missionsangehöriger sowie Zeitschriftenartikel.66 Nachdem Sheppard und Lapsley endlich einen geeigneten Standort für ihre Congo Mission gefunden hatten, konzentrierten sie sich auf die Errichtung ihrer Unterkunft und versuchten, durch Besuche Kontakt zu ihren neuen Nachbarn aufzunehmen. Lapsleys, der ursprünglich die Idee hatte, eine ganze Kette von Stationen zu errichten, mußte einsehen, daß bereits der Aufbau einer einzigen Mission zeitaufwendig und voller unerwarteter Schwierigkeiten war. Anfangs wirkte sich die Unerfahrenheit der beiden offenbar eher positiv auf ihr Verhältnis zur Bevölkerung in der näheren Umgebung aus. Sie traten den Kete mit Neugier gegenüber und sammelten Informationen über die Lebensweise ihrer unmittelbaren Nachbarn. Die Zusammenarbeit zwischen Sheppard und Lapsley gestaltete sich allem Anschein nach problemlos. Die beiden vertrauten einander und waren sich über die weiteren Schritte in Bezug auf ihre Missionsarbeit einig. Ihr gutes Einvernehmen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es im Verhältnis der beiden eine klare Hierarchie gab. Lapsley war der Leiter der Mission und damit gegenüber dem Presbyterian Board of Foreign Missions verantwortlich für alle Entscheidungen. Sheppard hingegen befand sich nach wie vor in der Rolle des loyalen Untergebenen, mit der er aufgewachsen war und die er zumindest nach außen hin akzeptierte: „Sheppard's experiences with the young Alabaman reinforced his faith in the white America's ability to work constructively with his black brother."67 Abgesehen von ihrer Hauptaufgabe, der Verkündigung der christlichen Botschaft, teilten sie die übrigen Tätigkeitsbereiche untereinander auf. Lapsley, der Französisch sprach, pflegte die Kontakte zur belgischen Verwaltung und kümmerte sich insbesondere um das wirtschaftliche und finanzielle Wohlergehen der Mission. Sheppard war hingegen stärker für den Missionsalltag zuständig und versuchte durch gemeinsame Aktivitäten mit der lokalen Bevölkerung deren Vertrauen zu gewinnen.
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Lapsleys ökonomische Interessen und seine Überlegungen hinsichtlich einer wirtschaftlichen Erschließung der Region gingen über den üblichen Aufgabenbereich eines Missionars hinaus. Als man on the spot informierte er John Tyler Morgan über die wirtschaftlichen Aktivitäten in der Region. Er berichtete von der Gründung der Katanga Company, der Errichtung weiterer Handelshäuser und dem Ausbau der verschiedenen kleinen Handelsstützpunkte im Kasai-Gebiet. Im Vergleich zu vielen anderen Darstellungen war die Beschreibung der Bewohner des Kasai durchaus wohlwollend, aber mit einem arroganten Unterton, in dem die Überheblichkeit gegenüber den Afrikanern zum Ausdruck kam: „We have a fine race of people here, comparing without disadvantage with the best in Africa... I find the wild African a very agreeable fellow. He is charmingly unsophisticated, fresh, and natural and is genial, eager to please and be pleased. When points demanding practical sense arise, you find your companion has some knowledge of men and things, while in trade, ,c'est un Juif, says my Belgian neighbor."68 Lapsleys Einschätzung bezüglich der Sklaverei, eines zentralen Themas für die Missionare, fiel milde aus: „Slavery is not very bitter here."69 Allerdings verwies er auf die harten Bedingungen, unter denen die Sklaven zusammengetrieben und unter den Schutz des Staates gestellt wurden, und fuhr fort: „.. .these (die Sklaven, K.F.-S.) are taken under its (der Staat, K.F.-S.) guardianship working or serving as soldiers during seven years, during which they get regular pay and rations, and at the expiration of which they are fiee to goAll white men are at liberty to ransom slaves on the same seven years plan." Entschuldigend fügte Lapsley hinzu: „I forgot to say that the slaves are recruited from the darker colored tribes... I believe that no member of the Bakuba, Bakete, or Zappo Zappo tribe is ever made a slave except for some crime of himself or his friends."70 Lapsleys Herkunft aus den Südstaaten der USA ist in der letzten Aussage unüberhörbar. William Sheppards Beziehungen zur lokalen Bevölkerung entwickelten sich vielversprechend. Mit Hilfe seiner neuen Nachbarn baute er ein komfortables Haus mit zwei Zimmern und einer großen Veranda. Seine Erfolge als Nilpferdjäger verschafften ihm rasch beträchtliches Ansehen. Er versorgte die angrenzenden Dörfer mit Fleisch, das er gegen andere Nahrungsmittel tauschte. Nach kurzer Zeit konnte er sich ohne Übersetzer verständigen, und gemeinsame Aktivitäten wie die Jagd und Hilfe beim Hausbau intensivierten seine Kontakte zu den Kete, die ihn ngele („Jäger") nannten71. Ein Photo zeigt ihn in weißer Tropenkleidung, einem Kolonialbeamten nicht unähnlich, auf sein Gewehr gestützt, umgeben von Afrikanern. Sheppard entdeckte an sich neue Talente: Nach der Errichtung des eigenen Hauses
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plante er den Bau einer kleinen Kirche und beschäftigte sich mit dem Anbau von Nahrungsmitteln. Seine Briefe aus dieser Anfangszeit vermitteln den Eindruck, daß er im Kongo sehr zufrieden war: „We have on the whole been treated very kindly by all the people. We have received many nice and useful presents from different kings, such as a bull, a cow, many goats, pigs, ducks, chickens, cloth, etc. We genuinely recognize their kindness by giving them in return, cloth, brassiere, beads, etc.... I generally give them plenty beef-steak when I kill a Hippo... I have built a very comfortable house ... and Bro. Lapsley and I are as snug as possible. I am now clearing the ground and burning the bush to put a large roomy chapel for God's worship. I speak two languages so as to be understood without an interpretation."72 Sheppards sehr positive Darstellungen des Alltags im Kasai täuschten über das entbehrungsreiche und von Rückschlägen gekennzeichnete Leben der beiden jungen Männer hinweg. Als besonders tückisch erwiesen sich immer wieder auftretende Anfälle von Fieber, meist verursacht durch Malaria, die die Konstitution der Missionare schwächten und sie zu längeren Ruhepausen zwangen. Im Gegensatz zu Lapsley verfügte Sheppard offensichtlich über eine sehr gute physische Konstitution. Er überstand die Fieberanfälle glimpflich und entsprach somit dem Bild des Afroamerikaners, der besser für die klimatischen Unbilden des afrikanischen Kontinents gerüstet zu sein schien als die Weißen. Mit Enttäuschung mußten Sheppard und Lapsley schon bald feststellen, daß die Kete, zu denen sie freundliche Kontakte pflegten und die ihnen bei Problemen hilfreich zu Seite standen, keinerlei Interesse an der christlichen Religion zeigten. Die Missionierungsversuche stießen auf deutliche, wenn auch höflich formulierte Ablehnung. Die Kete waren vor allem an Handelsbeziehungen zur Mission interessiert: „...they like to have the missionary here for about the same reason that they like the trader - we buy chickens, eggs and goats."73 Die ersten Mitbewohner auf der Missionsstation waren ehemalige Sklaven, die von den Missionaren freigekauft worden waren. Ein Gesetz des „Kongo-Freistaates" ermöglichte es Europäern (und Amerikanern), Sklaven auszulösen und diese über einen Zeitraum von sieben Jahren für sich arbeiten zu lassen. Sheppard und Lapsley machten von dieser Regelung Gebrauch, um Menschen auf ihrer Station anzusiedeln und ihre Hilfe beim Aufbau der Mission in Anspruch zu nehmen. Sie achteten jedoch genau darauf - so Lapsley daß die Ex-Sklaven für ihrer Arbeit angemessen entlohnt und gut versorgt wurden.74 Die Erlangung einer Konzession zur Errichtung der Missionsstation erwies sich als schwieriger, als ursprünglich angenommen. Der Generalgouverneur verweigerte die Konzession, da das vorgesehene Gebiet angeblich bereits anderweitig vergeben war. Trotz seiner angegriffenen Gesundheit entschloß sich Lapsley zu einer Reise
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nach Matadi, um die administrativen Hindernisse für die offizielle Anerkennung der APCM aus dem Weg zu räumen. 75 Sheppard blieb in Luebo zurück. Nachdem Lapsley schließlich von den Behörden die Genehmigung für die Mission erhalten hatte, wurde er erneut krank und konnte die Rückreise nicht antreten. Er verstarb am 26. März 1892 in Matadi. Sheppard erfuhr von dem Tod seines Mitstreiters und Vorgesetzten im darauf folgenden Mai, als ein Versorgungsschiff in Luebo Station machte. Er war tief betroffen und glaubte sich gegenüber Lapsleys Mutter, die ihm ihren Sohn anvertraut hatte, rechtfertigen zu müssen. Sein Brief an die Mutter seines Gefährten spiegelte auch Sheppards Verbundenheit mit Lapsley wider: „We have never been separated for any length of time since we left America. I can place my hand on my heart and look straight up to God and say conscientiously I have kept the charge you gave me. I have loved and cared for him as if he were my brother."76 Sheppard war nun weitgehend auf sich allein gestellt. Ende April 1892 hatte er Unterstützung von dem schottischen Ehepaar Adamson bekommen, die allerdings Uber keine Erfahrung in der Missionsarbeit verfügten und sich als wenig geeignet für die ihnen gestellten Aufgaben erwiesen. Trotz seines Schmerzes über den Verlust von Lapsley war Sheppard entschlossen, seinen Auftrag zu erfüllen und die Evangelisierung des Kasai voranzutreiben. Sheppard, der nun de facto die Leitung der Mission innehatte, stand unter enormem Druck. Falls die Missionierungserfolge ausblieben, mußte er damit rechnen, von seiner Heimatkirche, deren Mitglieder einen afroamerikanischen Repräsentanten ablehnten, zurück in die USA beordert zu werden. Er ergriff die Initiative und beschloß die bereits gemeinsam mit Lapsley geplante Reise in das Königreich der Kuba allein zu unternehmen. Einige Kuba, die nach Luebo gekommen waren, um Elfenbein und Kautschuk zu verkaufen, hatten Sheppard sehr beeindruckt. In ihrer aufrechten Haltung, ihrem selbstbewußten Auftreten und ihrem Charme unterschieden sie sich seiner Ansicht nach deutlich von den übrigen ethnischen Gruppen. Sheppard war überzeugt, daß ihm die gesamte Region zur Missionierung offenstünde, wenn es ihm gelänge, die Kuba zum christlichen Glauben zu bekehren.
Der Missionar als Abenteurer: Sheppard bei den Kuba Sheppards Entscheidung, die Kuba in den Mittelpunkt seiner Evangelisierungsbemühungen zu stellen, sollte seine weitere Karriere in Afrika nachhaltig prägen. „Over the period of the next two decades, practically every triumph he enjoyed and every setback he experienced was connected in some manner to his commitment to evangelize the Kuba." 77 Bis zu Sheppards Reise hatten weder Europäer noch Arne-
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rikaner das Reich der Kuba betreten. Dem deutschen Forschungsreisenden Ludwig Wolf war es 1885 gelungen, Kontakt mit dem Sohn des Herrschers Mbop Mabiinc maMbul aufzunehmen. Allerdings fand das Treffen in einem Grenzdorf am Rande des Territoriums der Kuba statt. Bei der Zusammenkunft schloß Wolf mit dem Sohn des Königs einen „Vertrag", in dem die Kuba ihre Souveränitätsrechte an den „Kongo-FreiStaat" abtraten. Auf der Grundlage des vermeintlichen Vertrages drangen 1899 Regierungstruppen in das Kuba-Reich vor und besetzten es. In der Literatur wird von dem Kuba-Königreich und den Kuba gesprochen, genau genommen handelte es sich aber um eine Konföderation kleinerer ethnischer Gruppen wie der Bushoong, Pyaang und Ngeende, die wiederum aus mehreren Häuptlingstümern (chiefdoms) bestanden. Sie alle hatten einen gemeinsamen Herrscher, den Lukengu, dem sie tributpflichtig waren. Der Lukengu, dessen Familie zu den Bushoong gehörte, übte keine strenge Herrschaft über die übrigen ethnischen Gruppen aus, sondern gewährte ihnen weitgehende Unabhängigkeit. Die Herrschaft wurde matrilinear vererbt, was bedeutete, daß jeweils ein Neffe die Nachfolge antrat. Die Bezeichnung Kuba stammte von dem südlichen Nachbarvolk, den Luba. Die Europäer hatten den Namen übernommen, die Kuba selbst bezeichneten sich als „the people of the king".78 Das Kuba-Reich war klein und umfaßte eine Fläche, die zwei Dritteln der Fläche Belgiens entsprach. Um 1880 lebten zwischen 120.000 und 160.000 Menschen in dem Gebiet.79 Sheppards Vordringen in das Machtzentrum der Kuba zeugte von beträchtlicher Sensibilität im Umgang mit der afrikanischen Bevölkerung und großem Geschick bei der Bewältigung schier unüberwindlicher Hindernisse. Er hat seine Reise zu den Kuba detailliert in einer Reihe von Zeitschriftenaufsätzen und in seiner Autobiographie Presbyterian Pioneers in Congo dokumentiert und sie immer wieder mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung in Vorträgen in seiner Heimat dargestellt. Er beschrieb den Alltag der Kuba und berichtete u.a. über Anbaumethoden, Handelspraktiken, Kunsthandwerk, Hausbau, Hochzeits- und Begräbniszeremonien, Gerichtsverhandlungen und vieles mehr. Sie zählen zu Sheppards anschaulichsten und eindruckvollsten Arbeiten. Sheppard entwickelte literarisches Talent und schilderte seine Erlebnisse auch mit Humor und Selbstironie, zwei Eigenschaften, die in missionarischem Quellenmaterial nur sehr selten zu finden sind. Dem Leser und Zuhörer eröffnete sich eine unbekannte Welt voller gefahrvoller Abenteuer, die Sheppard als Held der Geschichte unbeschadet überstand. Sheppards Berichte sind bis heute eine wichtige Quelle für Historiker und Anthropologen, da er unterschiedliche Lebensbereiche der Kuba mit dem Blick eines genauen Beobachters ausführlich schilderte.80 Das Königreich der Kuba galt als tabu für alle Fremden. Auch belgische Verwaltungsbeamte und Händler, die mit Bestechungsgeschenken versucht hatten, in das
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Zentrum des Kuba-Reiches vorzudringen, waren abgewiesen worden. Der Lukengu81 warnte seine Untertanen, daß jeder, der einem Fremden den Weg weisen würde, mit der Todesstrafe zu rechnen habe. Sheppard aber war überzeugt, auch ohne einheimischen Führer sein Ziel zu erreichen. Ohne genaue Angaben über die geographische Lage von Mushenge, dem Zentrum der Kuba, machte er sich gemeinsam mit neun Kete zu Fuß auf den Weg in das abgeschottete Gebiet. Als die Gruppe das erste Kuba-Dorf erreichte, wurde sie freundlich aufgenommen und bewirtet, jedoch war keiner der Bewohner bereit, ihnen die Richtung nach Mushenge oder auch nur in das nächste Dorf zu weisen. Sheppard besann sich schließlich auf eine List: „I had an idea that my route lay north-east, and naturally, on the line of the big markets. The day after the people refused to show me the road happened to be their market day to go to a market about ten miles away. I asked them if I might send one of my men with them to buy eggs and bring them back to me. ,Oh yes, that would be all right.' The marketers and my man returned the next day: so then we knew the road to that market place, and the following day we moved off. So day after day we moved along in this way. For three months we did nothing but buy and eat eggs. At one village, when I made my usual request, the chief said I need not go away for eggs, they had plenty there, and his wife brought a large basket full. So I had to wait till we finished all the eggs they could bring us." Nicht immer funktionierte der „Eier-Trick" problemlos, und einige Dorfälteste und chiefs durchschauten Sheppards Strategie und versuchten ihn aufzuhalten. Aber der Missionar tastete sich allmählich an das Zentrum der Kuba heran. Nach mehr als drei Monaten betrat Sheppard Mushenge, eskortiert von einem Sohn des Königs und mehreren Kuba-Kriegern, die ihn im Auftrag des Herrschers auf der letzten Wegstrecke begleiteten. Obwohl er nicht wußte, was ihn erwartete, und nicht einschätzen konnte, wie der Lukengu auf sein unerlaubtes Vordringen reagieren würde, genoß Sheppard den Empfang, den ihm die Kuba bereiteten: „...I had seen nothing like it in Africa - I-fuka, Lukenga's capital. The streets were thronged, even out into the country, with people coming out to meet us with rejoicing. The people all wore clothes, even the children. They brought me to a house, prepared for me. It had four rooms, cleanly swept, with fresh mats on the floor, a bedstead of carved wood, with a quilted covering, a sort of chair adorned with tusks of ivoiy and a rack on which to hang my clothes."82 Sheppard mußte nach kurzer Zeit feststellen, daß der freundliche Empfang der Bevölkerung und die ihm gewährte Audienz bei Lukengu Kot aMbweeky II. mit seiner angeblichen Verwandtschaft mit dem Herrscherhaus der Kuba zusammenhingen. Da er Boshongo, die Sprache der Kuba, fließend beherrschte und den Weg nach Mushenge gefunden hatte, erklärte ihn der König zur Reinkarnation von Bo-pe Mekabe, einem Vorfahren des Lukengu. Anfangs bestritt Sheppard diese Verwandt-
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schaftsbeziehung, doch als er feststellte, daß seine enge Verbindung zur Königsfamilie ihm mehr Bewegungsfreiheit im Kuba-Reich ermöglichte, ließ er die Angelegenheit auf sich beruhen. Es bestehen differierende Ansichten über Sheppards angebliche Beziehung zum Herrscherhaus der Kuba. Sheppard selbst berichtete, der Lukengu habe, als er das Machtzentrum fast erreicht hatte, den Ältestenrat zusammengerufen. Dieser habe erklärt, Sheppard sei Bo-pe Mekabö, ein Vorfahre des Königs, der zurückgekehrt sei.83 Ob Kot aMbweeky II. und der Ältestenrat tatsächlich an die Rückkehr Bo-pe Mekabös in Gestalt von Sheppard glaubten, läßt sich anhand der Quellen nicht genau überprüfen. Jan Vansina hat die Vermutung geäußert, der König habe sehr wohl gewußt, wer Sheppard war. Aber um dem amerikanischen Missionar zu schmeicheln und dadurch Informationen über die Europäer, die das Kuba-Reich erobern wollten, zu erhalten, habe der Lukengu diesen „Trick" angewendet. Vansina untermauert seine These mit dem Hinweis, daß der Name Bo-pe Mekabö nicht in der Ahnenliste der Kuba-Herrscher verzeichnet ist.84 In den folgenden Monaten erkundete Sheppard Mushenge und die Umgebung. Er gewann Einblicke in das Leben der Bevölkerung und war begeistert: ,4 grew very fond of the Bakuba and it was reciprocated. They were the finest looking race I had seen in Africa, dignified, graceful, courageous, honest, with an open, smiling countenance and really hospitable. Their knowledge of weaving, embroidering, woodcarving and smelting was the highest in equatorial Africa."85 Er bewunderte insbesondere die Kunstfertigkeit der Kuba und die Vielfalt der dekorativen Muster, mit denen sie die Gegenstände schmückten. Ausfuhrlich beschrieb er die Herstellung und Verzierung von Stoffen: „The veiy remarkable cloth made by the Bakuba people has as its foundation the fibre of a palm tree. The long leaves are combed into shreds or strings and woven into form by a handloom. This foundation is than worked in designs with a needle and palm thread, a small, sharp knife being used to clip off the tufts. They do not make the design but keep the pattern in their heads... Their designs and ideas are many. There is one they call N'jessent (lightning) another tooln (a snake), which looks like a rattlesnake... Still another they call N'co (leopard's skin) ... they always took their designs and ideas from something around them."86 Sheppard war beeindruckt von der Bevölkerung Mushenges, die Kleidung trug und in sauberen Wohnungen lebte. Es gab große Märkte mit einem sehr vielfältigen Angebot, aber keinen Sklavenhandel. Das gepflegte Stadtbild, die Präsenz von Polizei, die für Ordnung sorgte, und ein Rechtssystem mit Gerichten, Richtern und Anwälten waren für Sheppard ein Indiz, daß die Kuba im Vergleich zu ihren Nachbarn bereits eine höhere Zivilisationsstufe erreicht hatten. Seine Beobachtungen in Mushenge und Umgebung veranlaßten den jungen Missionar zu der enthusiastischen
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Äußerung: „I had seen nothing like it in Africa... (They) make one feel that he has entered a land of civilization... Perhaps they got their civilization from the Egyptians - or the Egyptians theirs from the Bakuba!"87 Das differenzierte Gesellschaftssystem der Kuba weckte nicht nur bei Sheppard die Vermutung, es hätten in der Vergangenheit Kontakte zwischen Ägypten und den Kuba bestanden. Auch andere Missionare wie Conway T. Wharton, der später zur APCM stieß, berichteten über angebliche Gemeinsamkeiten beider Kulturen. Wharton verwies auf das ägyptische Skarabäusmotiv bei den Holzschnitzereien der Kuba sowie auf Übereinstimmungen in der Mythologie beider Völker.88 Samuel P. Verner hingegen vertrat die Ansicht, daß die Bewunderung für die Kuba in erster Linie davon herrührte, daß sie über gesellschaftliche Strukturen verfügten, die für Amerikaner und Europäer nachvollziehbar waren: „... here was a royal court with fixed ceremonials; a throne; a distinct system of etiquette; a people nevertheless blessed with laws and lawyers; with arms and armies; with arts and industries which had developed without any presumptive contact with higher civilization."89 Trotz der vielen neuen Eindrücke verlor Sheppard seinen Missionierungsauftrags nicht aus den Augen. Die Kuba-Gesellschaft, die seiner Ansicht nach auf einer höheren zivilisatorischen Stufe stand als viele ihrer Nachbarn, hatte auch eine „dunkle Seite". Sheppard beklagte den Aberglauben und verwies auf Fälle von Hexerei, in denen die Beschuldigten oftmals getötet wurden: „There is also a very dark side. The Bakuba are very superstitious, like other native tribes. They believe in witchcraft. A child suddenly died in the town. The wise man said, it is bewitched. So they rushed through the streets ciying out, where is the witch? They saw an old woman sitting alone in a house. Some cried out 'There is the witch'.... She said ,No, I am no witch. I did not kill any child.'... Will you drink the poison to prove your innocence?' ,Yes' it was her only chance. They dragged her to the poison house, gave her the poison, she drank it and in a little while was seized with pain, but could not 90 throw off the poison, fell down and died in agony." Sheppard versuchte in obigem und anderen Fällen zu intervenieren, mußte aber eingestehen, daß die Kuba seine Einwände in den meisten Fällen ignorierten. Sheppards Predigten von einem König, der noch größer sei als der Lukengu, beeindruckten die Kuba nicht. In Gesprächen mit dem Lukengu legte Sheppard seinen christlichen Standpunkt dar und machte mit Hilfe anschaulicher Geschichten aus der Bibel Werbung für das Evangelium: „I told him (Kot aMbweeky, K.F.-S.) my object in seeking his countiy to preach the gospel, to tell him and his people about God and what He has done for all men. He told me he believed in a Supreme Being, who sends thunder and cyclones. He had no idols. The Bakuba are no idolaters."91
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Der Lukengu, den Sheppard als intelligenten und führungsstarken Mann beschrieb, lehnte den Wunsch, eine Missionsstation zu errichten und zu predigen, nicht ab, sondern stellte ein Landstück für zwei Häuser zur Verfügung. Sheppard glaubte durch das Entgegenkommen des Königs seinem Ziel, die Kuba zum christlichen Glauben zu bekehren, ein großes Stück näher gekommen zu sein.92 Mit dem Versprechen, bald zurückzukehren, verließ er nach vier Monaten Mushenge und machte sich auf den Rückweg nach Luebo. Doch erst im Juni 1895 stattete Sheppard dem Lukengu kurz vor dessen Tod einen zweiten Besuch ab. Der Wagemut Sheppards, der sich über die Verbote des mächtigen und gefürchteten Kuba-Herrschers hinweggesetzt hatte, stärkte seine Position bei den Kete. Man behandelte ihn mit Respekt, und er wurde auch als unparteiische Instanz in Konfliktsituationen um Rat gebeten. Aber es gelang Sheppard nicht, bei ihnen Interesse für die Mission zu wecken und ihnen das Wort Gottes nahezubringen. Die folgende Klage über das Desinteresse der Kete stammt von De Witt Clinton Snyder, der gemeinsam mit seiner Frau Mary im Sommer 1893 nach Luebo gekommen war: „Missionaiy work is not all we thought it was, and it is much more. We had hoped to find a people glad to receive our message, that we would have only to learn the language and tell them the wonderful story, and then see them coming into the church. We were not prepared for the utter indifference. They are not exactly idol worshippers but they have ,Bakishi' or charms or fetishes, and these they allow to go into decay through indifference,"93 Sheppard versuchte das Problem zu lösen, in dem er am Alltag der Kete teilnahm, um durch Gespräche und gemeinsame Unternehmungen, wie die Jagd, einen Eindruck von ihren Vorstellungen und ihrer Denkweise zu bekommen und allmählich das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Sheppards Streben nach harmonischen Beziehungen mit seinen Nachbarn und seine häufig enthusiastischen Schilderungen gemeinsamer Aktivitäten können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Mann aus Virginia als Repräsentant des „zivilisierten" und christianisierten Amerika nach Zentralafrika gekommen war. Er sah seine Aufgabe darin, die im „spirituellen Dunkel" lebenden Afrikaner, denen er sich auch verbunden fühlte, zu christianisieren und, wie er es ausdrückte, „to bring Christ to my People". Aber Sheppard stilisierte sich nicht zum Heroen im „Kampf gegen die Mächte der Finsternis". Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen war er in der Lage, einen Teil seiner Vorurteile zu revidieren, eigene Fehler einzugestehen und aktiv am Leben der afrikanischen Bevölkerung teilzunehmen. Sheppards intensives Bemühen um die Afrikaner hing zweifellos auch mit seiner isolierten Situation nach dem Tod Lapsleys zusammen. Er war zeitweise völlig auf sich allein gestellt und deshalb um so mehr auf ein konfliktfreies Verhältnis zur lokalen Bevölkerung angewiesen. Die-
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se intensive persönliche Beziehung zu dem Kontinent seiner Vorfahren war aber offensichtlich auch ein Herzenswunsch Sheppards. So schrieb er in einem Brief an Dr. Henkel: „I always wanted to live in Africa. I feit that I would be happy, and so I am."94 Trotz Sheppards großen Bemühungen blieben die Missionierungserfolge aus, die von den Presbyterianern in den USA erwartet wurden. Sheppard war bewußt, daß er die vor ihm liegenden Aufgaben nicht allein bewältigen konnte und daß die APCM dringend zusätzliche Missionare benötigte. Das Foreign Mission Board war bei seinem Bemühen, dem Afroamerikaner weiße Missionare zur Seite zu stellen, nicht sehr erfolgreich und zog die Schließung der Station in Erwägung.95 Sheppard kehrte daraufhin zur Klärung der Situation im Sommer 1893 in die USA zurück. Auf seiner Rückreise legte er einen Zwischenstopp in London ein. Sein Aufenthalt bei den Kuba hatte bei der britischen Royal Geographical Society für so großes Aufsehen gesorgt, daß sie Sheppard zu ihrem Mitglied ernannte.96 Die Mitgliedschaft in der Royal Geographical Society, die noch nie einem Afroamerikaner zuteil geworden war, stärkte Sheppards Ansehen in den USA und wies ihn als Afrikaexperten aus. Als nun berühmter Missionar nutzte er seinen Heimataufenthalt für eine Vortragstour in den Kirchengemeinden der Südstaaten, um Geld zu sammeln und Freiwillige für den Missionsdienst in Zentralafrika zu werben. In seinen mitreißenden Darstellungen ging es Sheppard nicht nur darum, seinen Zuhörern den Missionsalltag nahe zu bringen, sondern er war vor allem darum bemüht, den Amerikanern Einblicke in die afrikanische Lebensweise zu vermitteln und die Kuba als zivilisierte Menschen darzustellen. Sheppard erwies sich als erfolgreicher Botschafter für die Belange der APCM. Zum Abschluß seiner „Goodwill-Tour" waren vier Afroamerikaner, darunter drei Frauen, bereit, mit ihm nach Afrika zu gehen. Dasforeign mission board finanzierte jedoch nur die Gehälter und Reisekosten für drei Interessenten. Eine der Frauen, Maria Fearing, verkaufte daraufhin ihr Hab und Gut und konnte sich mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung von Freunden den Reisenden anschließen.97
Von der „schwarzen" Mission zur „weißen" Mission Im Mai 1894 trat William Sheppard gemeinsam mit Henry P. Hawkins, Maria Fearing, Lilian Thomas und Lucy Gantt Sheppard die Reise nach Luebo an. Sheppard hatte Lucy Gantt bereits während seiner Ausbildung am Stillman Institute kennengelernt. Hinweise auf seine Beziehung zu der Lehrerin sind nur spärlich vorhanden. In einem Brief vom Januar 1892 an seinen ehemaligen Mentor Dr. Henkel erwähnte er allerdings die geplante Heirat: „I expect to return this summer and clear account
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of all things, and also (now this between you and me) to marry a very sweet Christian woman, who is now teaching in Birmingham, Ala. Her name is Lucy J. Gantt. She will return with me." 98 Lucy Gantt und Lilian Thomas hatten am Talladega College in Alabama studiert. Diese von der American Missionary Association (AMA) nach dem Bürgerkrieg gegründete Ausbildungsstätte für African Americans brachte eine Reihe von Missionaren hervor. Der berühmteste von ihnen war Samuel B. Coles, der in den 1920er Jahren in Angola eine Mission aufbaute, die als vorbildlich galt und von den Missiohsgesellschaften viel Anerkennung erhielt." Die beiden Frauen arbeiteten nach ihrem Coollegeabschluß als Lehrerinnen. Die dritte von ihnen, Maria Fearing, hatte erst im Erwachsenenalter Lesen und Schreiben gelernt und war ohne Coollegeabschluß in Talladega als assistant matron der boarding school tätig gewesen. Zu den drei Frauen existieren nur spärliche biographische Angaben. Lucy Gantt wurde 1867 in Tuscaloosa geboren, die fünf Jahre jüngere Lilian Thomas stammte aus Mobile, Alabama. Maria Fearing war als Kind von Sklaven auf einer Plantage bei Gainesville, Florida, groß geworden.100 Die Biographie von Henry Hawkins ist überhaupt nicht rekonstruierbar. Er war bis 1910 im Kongo fur die APCM tätig. Hawkins stammte wahrscheinlich aus Mississippi und absolvierte wie Sheppard eine Ausbildung am Stillman Institute. Sein Name erscheint fur das Studienjahr 1887/88 im Jahrbuch des Stillman Institutes.101 In den kommenden zwei Jahren unterstand die Mission zwar formal immer einem weißen Missionar, doch tatsächlich bestimmten Sheppard und die vier Afroamerikaner die Geschicke der APCM. Sie erhielten immer wieder Unterstützung von weißen Missionaren, die jedoch mehrheitlich verstarben bzw. aus gesundheitlichen Gründen die Heimreise antreten mußten. Die personelle Ausstattung war weiterhin ziemlich prekär, zumal die Neuzugänge sich erst mit der Sprache und den Lebensgewohnheiten vertraut machen mußten. Trotz aller Schwierigkeiten waren diese Jahre für William Sheppard die glücklichsten seiner Missionarslaufbahn102. Gemeinsam mit seiner Frau unternahm er einen zweiten Besuch bei Lukengu Kot aMbweeky II. Bei ihrer Ankunft in Mushenge wurde den beiden ein großer Empfang bereitet, und Sheppard war überzeugt, den Kuba nun endlich das Christentum nahebringen zu können. Er berichtete in Tagebuchform für den Missionary: „There are certainly five hundred people outside to say good morning to us. The text of my calendar for to-day is Malachi, iii.17: ,And they shall be mine, saith the Lord of hosts'... From this Friday morning, by the help of the Holy Spirit, I will preach the Word to these lost souls in this village."103 Während der Audienz bei Kot aMbweeky II. nutzte Sheppard die Gelegenheit zum Predigen, ohne zu wissen, wie dies vom König und seinem Gefolge aufgenommen würde:
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„The villagers waited for our response to their king's greetings. I leaned forward and said: ,The highest honor which I can do you and your people is to command you in prayer to the King of kings.' He did not hear me distinctly, and asked me to repeat. The eyes of the assembled hosts are eagerly turned upon us. The devil whispers in my ear, ,This is the honor which the king would put upon you, why mar the evening with a gospel service?' I glance my eyes heavenward, and the thought rushes upon me, shall I make my speaking for Jesus depend upon times and seasons, or persons and places? No, I will stand for Jesus now. I repeated, and even added more. He bowed, saying, ,Yes, good.'"104 Als er im Sommer 1895 Mushenge nach einem mehrwöchigen Aufenthalt wieder verließ, war Sheppard noch voller Zuversicht. Auch diese zweite Reise in das Reich der Kuba wurde von ihm detailliert dokumentiert. Er berichtete über Flora und Fauna, über Anbauprodukte, Vermarktungsformen und Preise, über die Kleidung und das Verhalten der Bevölkerung und listete die zahlreichen Geschenke auf, die er dem Lukengu überreicht hatte.105 Die Zustimmung des Lukengu zur christlichen Missionierung der Kuba, die Sheppard aus der positiven Reaktion des König ableitete, erwies sich längerfristig als wenig nützlich. Kot aMwbeeky II. war krank, stark geschwächt und bereits vom Tode gezeichnet. Er verstarb Ende 1895, und der Nachfolger, sein Neffe Mishaape, lehnte jegliche Einmischung von außen, sei es von kirchlicher oder von staatlicher Seite, strikt ab. Für Sheppard kam erschwerend hinzu, daß er als „Mitglied der königlichen Familie" einen Konkurrenten um den Thron darstellte.106 Mishaape erklärte Sheppard zur persona non grata und verbot ihm sowie allen Mitgliedern der APCM die Einreise in das Kuba-Reich. Die Congo Mission hatte ihre Station inzwischen vergrößert. Es gab eine kleine Schule, einen Bibelkreis und regelmäßige Gottesdienste fanden statt. Allerdings betrug die Zahl der Konvertiten nur rund 100. Bei ihnen handelte es sich weder um Kete noch um Kuba, sondern es waren Luba, die sich von der APCM angezogen fühlten. Ihr Siedlungsgebiet lag südlich des Kasai in der Provinz Katanga. Ein Teil der Luba war infolge des Sklavenhandels geflohen und hatte dann u.a. in Luebo, das sich zusehends zu einem Handelsknotenpunkt entwickelte, Arbeit gefunden. 107 Die nahe gelegene Congo Mission bot Ausbildungsmöglichkeiten, war aber auch eine Zufluchtsstätte für diese „undesirable aliens",108 von denen sich einige in nächster Nähe zur Mission niedergelassen hatten und auf der Station Arbeit fanden. Sie waren die ersten afrikanischen Konvertiten der Southern Presbyterians. Die LubaFlüchtlinge, die auch als Lulua oder Luba-Kasai bezeichnet werden 109 , gehörten also genau zu der Gruppe von Ausgestoßenen oder Fremden, die häufig zu den ersten zählten, die sich dem neuen Glauben anschlössen. Es wurden aber auch Luba, die sich noch in der Sklaverei befanden, von den Missionaren freigekauft. Unter
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ihnen waren viele Kinder, die auf der Missionsstation versorgt und ausgebildet wurden. Sheppard hielt an seiner Idee fest, die Kuba zu christianisieren, obwohl er dafür zumindest unter den weißen Missionarskollegen wenig Zustimmung fand. De Witt Clinton Snyder und auch die Adamsons, die das Kuba-Reich nach Sheppard besuchten, fanden dessen Begeisterung für die Kuba nicht gerechtfertigt. Snyder schrieb an Arthur Robotham, der aus gesundheitlichen Gründen wieder in die USA zurückgekehrt war: „A short time ago Mr. and Mrs. A[damson] went into the Bakuba country and were gone about three weeks. Their report differs very much from Mr. S[heppard] and I am afraid Mr. S[heppard] is drawing much on his imagination." 110 Benedetto merkt dazu an: „From a cultural and political standpoint the Kuba may have been the most interesting people in the Kasai region. However, as the object of mission work, the Luba proved to be more receptive ..." 1U Aber Sheppard blieb unbeirrbar und konnte schließlich durchsetzen, daß er 1897 in dem Dorf Ibaanc die gleichnamige Missionsstation gründen konnte. Ibaanc bzw. Ibanji lag am Rande des Kuba-Gebietes, rund 70 Kilometer nördlich von Mushenge und 45 Kilometer nordöstlich von Luebo.112 Sheppard arbeitete dort die folgenden Jahre gemeinsam mit seiner Frau und wurde später von Althea Brown Edmiston und Alonzo Edmiston unterstützt, zwei afroamerikanischen Missionaren, die 1902 bzw. 1903 in den Kongo kamen. Die Genehmigung für diese zweite Station der A PCM war auch der Beharrlichkeit William Morrisons zu verdanken, der in zähen Verhandlungen mit den belgischen Behörden schließlich die Genehmigung zur Errichtung der Mission in Ibaanc erhielt. Der dreißigjährige William McCutchan Morrison war im Mai 1897 mit dem Auftrag in Luebo eingetroffen, die offizielle Leitung der APCMza übernehmen. Er stammte aus einer angesehenen weißen Familie in Virginia, die innerhalb der presbyterianischen Kirche über einigen Einfluß verfügte. 113 Mit Morrison als Missionsleiter änderte sich das Leben auf der Station beträchtlich. Für Sheppard bedeutete das den Verlust seiner Führungspositiön. Allerdings war Morrison darauf bedacht, den Mitbegründer der Mission, der sich um die Congo Mission verdient gemacht hatte und aufgrund seiner zahlreichen Veröffentlichungen in den USA und in Großbritannien beträchtliches Ansehen genoß, nicht völlig zu verdrängen. Er respektierte Sheppards Wunsch, den Ausbau der Station in Ibaanc voranzutreiben und sich ganz der Christianisierung der Kuba zu widmen. Morrison wußte Sheppards enge Kontakte zur lokalen Bevölkerung und seine sehr guten Sprachkenntnisse zu schätzen, die sich in den folgenden Jahren als überaus wichtig für die Mission erwiesen. Morrison, der von den Luba Kuonyi Nshila („Don't let the path get closed again")114 genannt wurde, bemühte sich um eine gleichberechtigte Behandlung aller Missionare, unabhängig von ihrer Hautfarbe.
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Gleichwohl war die APCM keine integrierte Mission. Afroamerikaner erhielten zwar die gleiche Bezahlung und nahmen an allen Sitzungen teil, auf denen die Belange der Mission diskutiert wurden, aber die letzte Entscheidung fällte die weiße Missionsleitung.115 Deutlich schlechter gestellt waren Afroamerikaner in Bezug auf die Urlaubsregelungen. Sie mußten im Durchschnitt sehr viel länger auf einen Heimataufenthalt warten als ihre weißen Kollegen. Beispielsweise verbrachte Henry Hawkins zwölf Jahre ohne Unterbrechung im Kongo.116 Die Leitung der Mission oblag stets einem Mann. Frauen konnten offiziell keinerlei Leitungsfunktionen übernehmen und hatten auch kein Stimmrecht. Morrison widersetzte sich dieser gängigen Praxis und ermöglichte den Frauen in der APCM das Mitspracherecht. Dies geschah ohne Zustimmung des Exekutivkomitees, das diese Entscheidung nicht gebilligt hätte. In den USA durften z.B. die Frauen in der Generalversammlung der Southern Presbyterian Church erst ab 1923 öffentliche Reden halten. Samuel Chester, Sekretär des Executive Committee of Foreign Missions, erklärte 1898 die offizielle Politik der Southern Presbyterian Church in Bezug auf die Beschäftigung von afroamerikanischen Missionaren. Der Rassismus der SüdstaatenPresbyterianer sprach deutlich aus Chesters Erläuterungen: „...the Committee concurs with the Presbytery in its view as to the desirableness of sending colored missionaries, as far as possible, to carry on the African work, but that in view of the many delicate and complicated matters connected with our relations to the Congo Free State, and difficult business arrangements that have to be provided for, it is also necessary to have a certain proportion of white men connected with the Mission. The Committee's policy is to have one white man with each station until it opened up, in the present state of the Mission's development, and to reinforce the work with colored men fast as the means are furnished us to do so."117 Einige Monate vor Morrisons Eintreffen hatte Sheppard die Presbyterianer in den USA um Geduld und Verständnis für die schwierige Aufgabe im Kongo gebeten: „Please do not be discouraged about the work at Luebo, for the Lord is certainly here and in the hearts of this people. I am proud of our Southern Church, which is doing so much for the evangelization of the negro in America and Africa. I owe all that I am, or ever expect to be, to that Church. When you tum your back upon us, to whom shall we go? No, stand by us, and we will prove your trust!"118 Sheppards Appell zeigt deutlich seine Verbundenheit mit und auch seine Abhängigkeit von der presbyterianischen Kirche. Man kann darüber spekulieren, ob er die Amtsübernahme durch Morrison nicht in erster Linie als Unterstützung für seine Arbeit empfand und aufgrund der Erfahrungen in den USA gar nicht damit rechnete, offiziell die Leitung der APCM übertragen zu bekommen. Sheppard äußerte sich dazu ebensowenig wie zu anderen internen Konflikten zwischen Missionarinnen
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und Missionaren. Er beklagte sich nicht über seine Zurücksetzung, sondern akzeptierte den neuen Missionsleiter und sicherte ihm seine Mitarbeit zu. Morrison dankte Sheppard für seine Loyalität, indem er ihn in Ibaanc gewähren ließ, obwohl diese Entscheidung auf viel Kritik bei den weißen Missionaren stieß.119 Die widerspruchslose Unterordnung Sheppards sowie der übrigen African Americans, die Ende des 19. Jahrhunderts fiir die Congo Mission tätig waren120, trug zweifellos zu dem „guten Arbeitsklima" bei, das zumindest nach außen hin die APCM prägte und das in späterer Zeit zu dem verklärten Bild einer integrated mission, in der alle gleichberechtigt fiir die „gemeinsame Sache" kämpften, beitrug. Robert Bedinger, selbst Missionar in Luebo von 1911-1929, beschrieb die Mission in rosaroten Farben: „Since its romantic founding our African Mission has had eleven Negro missionaries from our Southland. They have received the same salary and have had the same voice in all the affairs of the Mission as the white missionaries. The most cordial and harmonious relations exist between the two races, united in a common cause for the salvation of the lost, and undoubtedly this close cooperation has been a strong factor in the remarkable success of the Mission."121 Wenngleich Bedingers Darstellung überzogen ist, so herrschte zumindest gegenseitiger Respekt zwischen schwarzen und weißen Missionaren. Dieses Verhalten war beachtlich in einer Zeit, in der in den Südstaaten der USA Afroamerikanern jegliche Gleichberechtigung abgesprochen wurde. Walter Williams merkt dazu an: „Sheppard and his colleagues might be open to charges of,Uncle Tom-ism,' but as missionaries entirely dependent on white church support they had little choice but accommodation. Since the Americans of both races recognized they had more in common with each other than with either the Belgians or the Congolese, the status of the black missionaries was probably far better than it would have been among whites in the United States."122 Bis 1906 traten sechs weitere Afroamerikaner, darunter zwei Frauen, in den Dienst der APCM.123 Danach wurden African Americans nicht mehr für das „Missionsfeld" in Afrika rekrutiert. Das Exekutivkomitee der PC US gab allmählich den Grundsatz auf, die Arbeit der Mission weitgehend in die Hände afroamerikanischer Missionare zu legen. Mit dieser Entscheidung, die Chester 1910 in einem Brief an einen der Missionare der APCM darlegte, wurde auch John Tyler Morgans Plan, die Congo Mission als Ausgangspunkt für die afroamerikanische „Re-emigration" nach Afrika zu nutzen, endgültig ad acta gelegt. Chester schrieb: „In view of all the experiences of the past few years, I am confident that our Committee will deem it wise to send out only white reinforcements to Africa for the present."' 24 Hintergrund für den Beschluß waren u.a. Berichte über sexuelle Beziehungen zwischen afroamerikani-
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sehen Missionaren und afrikanischen Frauen. Missionaren war jeglicher sexueller Kontakt zu Afrikanerinnen strengstens untersagt, und Verstöße wurden mit Suspendierung geahndet.125 Allerdings fragt sich, ob dies nicht nur ein willkommener Vorwand war, um die Richtlinien hinsichtlich der afroamerikanischen Missionsarbeit zu ändern. Denn wenn die Kirchenleitung auch dem afroamerikanischen Missionspersonal die Führungspositionen verweigerte, so war sie doch voll des Lobes für die Arbeit der schwarzen Missionarinnen, deren Engagement als vorbildlich galt.126 Offiziell begründeten die Presbyterianer den Ausschluß der Afroamerikaner aus der Mission mit der zunehmend restriktiven Politik der belgischen Kolonialbehörden, die den African Americans immer häufiger die notwendigen Visa verweigerten. Afroamerikaner wurden zusehends als Unruhestifter betrachtet, die die afrikanische Bevölkerung zum Widerstand gegen die koloniale Herrschaft anstacheln würden. Die Restriktionen der belgischen Administration begannen allerdings erst um 1920 im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Ideen Marcus Garveys127 und dem Kimbanguismus, während die PCUS schon mehr als zehn Jahre zuvor Afroamerikaner von der Missionsarbeit auszuschließen versucht hatte. Der Kimbanguismus oder die Kimbanguist Church, eine religiöse Bewegung, ging zurück auf Simon Kimbangu, einen Evangelisten und Lehrer der American Baptist Foreign Missionary Society (ABFMS) im Lower Congo. 1921, nach der Heilung einer kranken Frau, hatte Kimbangu eine göttliche Vision, trennte sich von der Mission und widmete sich ganz dem Heilen. Er scharte eine große Anhängerschaft um sich, darunter auch lokale Evangelisten der ABFMS, die ihn als Propheten (ngunza) betrachteten. Die Baptisten akzeptierten Kimbangus Entscheidung, da er sich in seinen Predigten nicht gegen sie richtete. Aber die belgischen Kolonialbehörden fürchteten Kimbangus Popularität und gaben vor, seine Versammlungen dienten der Vorbereitung von Aufständen. Angeblich, so die Verwaltungsbeamten, unterstützten die Anhänger Kimbangus die Ideen Garveys und planten die Errichtung einer Pan-African nation. Obwohl keine Beweise für derartige Behauptungen vorlagen, nahm man Kimbangu im Herbst 1921 fest und verurteilte ihn wegen Verfuhrung zum Tode. Nach Protesten der Baptisten wurde die Strafe in lebenslänglich umgewandelt, und Kimbangu verbrachte den Rest seines Lebens im Gefängnis.128 Stanley Shaloff äußert die Vermutung, daß der ursprünglich als Experiment gedachte Einsatz der Afroamerikaner im Missionsdienst „to test the ability of intelligent ambitious Negroes to convert their brethren in Africa" sich als zu erfolgreich herausgestellt habe und deshalb beendet werden mußte: „Perhaps it was too successful, as far as some people were concerned, for the black evangelists had given evidence that self-reliance, initiative, and dedication were not peculiarly white traits... The lesson, which was lost on some, was that if they were able to succeed abroad then they most certainly were capable of comparable attainments at home, if only they were given the chance."129
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Nicht nur der Foreign Mission Board der Presbyterianer, sondern auch andere amerikanische Missionsgesellschaften verzichteten seit Beginn des 20. Jahrhunderts immer häufiger auf afroamerikanische Missionare. Die American Baptist Missionary Society (ABMS) verhielt sich besonders diskriminierend gegenüber ihrem afroamerikanischen Missionspersonal und stellte bereits seit 1897 keine Africa» Americans mehr ein, bzw. zwang die noch verbliebenen schwarzen Missionare zur vorzeitigen Rückkehr in die USA.130 Die ABMS mischte sich auch direkt in die Personalpolitik der APCM ein und versuchte, 1895 die Ernennung des afroamerikanischen Missionars Hawkins zum transport agent der Congo Mission auf Grund seiner Hautfarbe zu verhindern. Die Presbyterianer, die für ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln, Werkzeugen, Medikamenten etc. die Transportmöglichkeiten der Baptisten in Anspruch nahmen, zögerten. Da aber kein Weißer zur Verfügung stand, übernahm Hawkins schließlich die Aufgabe.131 1918 waren nur noch drei Afroamerikaner bei der APCM beschäftigt bei einer Gesamtzahl von über zwanzig Missionaren. 1941 verließ Alonzo Edmiston als letzter African American die Mission, und von diesem Zeitpunkt an blieb die APCM bis 1958 eine „weiße" Mission.
„Industriaieducation" im Kongo William Morrison begann nach seiner Ankunft 1897 mit dem zügigen Ausbau der Congo Mission. Eine bessere personelle wie finanzielle Ausstattung war ihm vom Exekutivkomitee der presbyterianischen Kirche zugesichert worden. Doch obwohl in den folgenden Jahren die Zahl der Missionare kontinuierlich anstieg, konnte die APCM kaum die Aufgaben bewältigen, die auf sie zukamen. Morrison entschied, alle Energie auf die Christianisierung der Luba zu konzentrieren. Die Hinwendung zu den Luba erwies sich als richtige Entscheidung. Sie stellten zahlenmäßig zusammen mit den Lulua eine Gruppe von weit über einer Million Menschen, die eine gemeinsame Sprache, das Tshiluba, verband. Die Luba-Lulua verhalfen der APCM zu großen Christianisierungserfolgen und damit zu beträchtlichem Ansehen innerhalb des protestantischen Missionsspektrums über die Grenzen des Kongo hinaus. 1917 war die APCM die größte protestantische Mission im Kongo und zählte zu den größten in ganz Afrika.132 Voraussetzung für die christliche Konversion war nach Ansicht der Presbyterianer, daß die zukünftigen Christen Lesen und Schreiben erlernten, um die Bibel lesen und verstehen zu können.133 Die Congo Mission druckte umfangreiches Schriftmaterial, vornehmlich in Tshiluba, und Morrison stellte 1906 ein detailliertes Wörterbuch und eine Grammatik des Tshiluba fertig.134 Gleichzeitig wurde die vorhandene kleine Schule erweitert, um für eine große Anzahl von Schülern eine rudi-
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mentäre Grundschulausbildung zu gewährleisten. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Erziehung der Kinder gelegt. Pantops Home in Luebo, das von Maria Fearing geleitet wurde, war ein Waisenhaus für Mädchen, deren Eltern versklavt bzw. von der kolonialen Verwaltung zur Zwangsarbeit rekrutiert worden waren.135 Die APCM verfolgte damit aber auch den Zweck, diese Kinder von den katholischen Missionen fernzuhalten, wie Morrison formulierte: „The strong men and women thus caught are forced into labor service for the government, while the children are either turned over ,en masse' to the Roman Catholic missions, or are left in the hands of the raiders as spoil to be sold through the country as one would peddle chickens."136 Das primäre Ziel der APCM war die Ausbildung von indigenen Pastoren und Katecheten.137 Da die Mission weder über ausreichendes Personal noch über die nötigen finanziellen Mittel verfugte, um das Wort Gottes hauptsächlich durch amerikanische Missionare in die entlegenen Winkel des Kasai zu bringen, mußte sie diese Aufgabe an Afrikaner delegieren. Die Congo Mission war deshalb auf die lokalen Katecheten und Evangelisten angewiesen, um die Christianisierung der afrikanischen Bevölkerung zu verwirklichen. Im Monatsbericht der Mission schrieb Morrison zu dem Problem: „Since our missionary force is so small we have decided to use the native Christian as far as possible in all kinds of evangelistic and teaching work."138 Die Ausbildung der zukünftigen Missionsarbeiter orientierte sich an dem Modell der industrial education. Mit dieser Ausbildungsform verfolgten die Missionare der APCM verschiedene Ziele. Ganz im Sinne von Samuel Armstrong, dem Direktor des Hampton Institute, ging es auch ihnen darum, nicht nur Bücherwissen zu vermitteln, sondern die praktische Arbeit sollte die Schüler zu Disziplin, Sauberkeit, Pünktlichkeit etc. anhalten, um dadurch den „christlichen Charakter" herauszubilden.139 Industrial training entsprach aber auch den direkten Bedürfnissen der Mission, die vor allem in der Anfangsphase auf billige qualifizierte Arbeitskräfte für den Aufbau der Station angewiesen war. Industrial education schloß sowohl die Handwerksarbeit als auch Tätigkeiten in der Landwirtschaft ein. Es wurden beispielsweise Ausbildungsgänge für Tischler, Maurer, Zimmerleute, aber auch für landwirtschaftliche Fachkräfte angeboten. Barbara Yates, die sich in ihren Arbeiten mit dem Thema Bildung und Mission in Zentralafrika auseinandergesetzt hat, unterscheidet zwischen einer frühen (1878-1898) und einer späteren Phase (1898-1908) von industrial education innerhalb der Missionserziehung im Kongo. Während anfangs die praktische Aufbauarbeit im Vordergrund gestanden habe, sei es später vornehmlich um die „christliche Charakterbildung" gegangen.140 Die von Yates vorgenommene Unterteilung läßt sich zumindest in Bezug auf die APCM nicht aufrecht erhalten. Die Missionare betrachteten industrial education nicht ausschließlich als Berufsausbildung, sondern immer auch als civilizing task. „The objective of in-
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dustrial education ... was not to make good craftsmen, but good Christians."141 Die praktische Berufsausbildung diente auch dazu, den zukünftigen afrikanischen Kirchenfiihrern eine finanzielle Grundlage zu schaffen, so daß sie nicht das knappe Budget der Mission belasteten. Allerdings war industrial education als Teil der Missionsschulausbildung nicht unumstritten. So mußten die Missionare feststellen, daß ein Teil der jungen Männer, die die Missionsschule durchlaufen hatten, sich nicht zum Evangelisten berufen fühlten. Einige kehrten in ihre Dörfer zurück, andere blieben auf der Station und arbeiteten als Handwerker oder waren auf andere Weise (z.B. als Boten oder Landarbeiter) für die Mission tätig. Ein Teil nutzte die Ausbildung und ging in die größeren Städten wie Matadi und Leopoldville, um dort eine Anstellung in der Kolonialverwaltung, bei der Eisenbahn oder bei einer der Handelsgesellschaften zu finden. Mit Sorge registrierten die Missionare die Abwanderung der jungen Schulabsolventen in die Städte, die durch einen „unmoralischen Lebenswandel" geprägt waren. Barbara Yates beschreibt die Vorstellungen der Mission über das Leben afrikanischer Christen folgendermaßen: „Missionaries in the Congo wished to change moral behavior as the prelude to religious conversion, but not to remove the African from his traditional rural environment. It was not wage employment, but the establishment of the monogamous Christian family, the »calculation of sustained work habits, and religious instruction that were foremost in missionary thinking."142 Kritik an der starken Betonung der beruflichen Ausbildung innerhalb des Curriculums der Missionsschule in Luebo wurde von Seiten der Kirchenleitung und der übrigen Unterstützer der APCM in den USA geäußert. Es wurde bemängelt, die Missionare müßten zuviel Zeit mit „weltlichen" Dingen vergeuden, anstatt sich auf ihre religiösen Aufgaben konzentrieren zu können. Viele der Betroffenen teilten diese Ansicht. William Morrison beschrieb den Missionar als all-rounder, dem wenig Zeit für seine eigentliche Berufung, die Verkündigung des christlichen Glaubens, blieb: „Unfortunately, in Africa the missionary must be everything and do everything at once - lexicographer, publisher, printer, book-keeper, storekeeper, trader, physician, mechanic, farmer, gardener, theologian, teacher, singer and, if he is so unfortunate as not to have a wife, he must be cook and housekeeper. And all this is more or less to the neglect of his high office, which he came to fill that of a preacher."143 Abgesehen von den Erziehungs-und Ausbildungsaufgaben oblagen den Missionaren auch zahlreiche andere Aufgaben, die im weitesten Sinne mit der Verwaltung und der Instandhaltung der Station zu tun hatten. Aber angesichts ihres knappen Finanzbudgets konnte die APCM sich nicht die Einstellung zusätzlicher Lehrer, Handwer-
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ker oder Verwaltungsfachkräfte leisten.144 Es war deshalb nicht verwunderlich, daß vor allem afroamerikanische Missionare, die fast alle auch über eine handwerkliche Ausbildung verfügten, einen Großteil ihrer Arbeitskraft auf praktische Aufgaben verwenden mußten. Zu ihnen zählte auch Lucius DeYampert, der im folgenden den Werdegang eines Jungen zum Evangelisten beschrieb: „For instance, a boy or several boys, come from some near-by or distant villages. Perhaps the chief or one of our evangelists have sent these boys in for more work and instruction. The smaller boys are put in the homes of the missionaries and become a part of their household. They are sent to school and cared for until they become good helpers in general... The larger boys are put to work at the station and assist in carpentry, printing, brick-making, and the general work about the station, out of our school hours. In this way they earn their board and clothing... In the schools the boys are taught reading, writing, spelling and counting. If they show an aptitude to learn, and are aspiring, they are encouraged toward preparation for the ministry."145 In einem zweiten Ausbildungsschritt wurden die Aspiranten einem Evangelisten unterstellt, der sie mit auf seine Dorfbesuche nahm. Sie begannen dann an einer Dorfschule zu unterrichten und erhielten dafür Kost und Logis sowie einen kleinen Betrag für ihre übrigen Aufwendungen. Nach einigen Monaten wurden sie zu Lehrern ernannt und verbrachten im Durchschnitt zwei Jahre an einer oft fern abgelegenen Dorfschule. „When they go to such places the men are made regular evangelists and take with them to the distant villages their wives and families."146 Einige von ihnen kehrten dann nach Luebo zurück und absolvierten eine zusätzliche zweijährige Ausbildung, für die 1913 eine spezielle training school eingerichtet wurde, um als Gemeindevorsteher (eider) oder Diakon (deacon) Aufgaben innerhalb der christlichen Gemeinden zu übernehmen.147 Für die Mädchen und jungen Frauen gab es eine spezielle Ausbildung, die in Händen der weiblichen Missionare lag und darauf abzielte, die zukünftigen Ehefrauen der Evangelisten und Katecheten heranzubilden. Hierbei ging es neben einer einfachen Grundschulausbildung um die Vermittlung von Fähigkeiten, die dem Ideal der bürgerlichen Ehefrau entsprachen, das im 19. Jahrhundert nicht nur in Europa, sondern auch in den USA vorherrschte.148 Die Mädchen und jungen Frauen wurden u.a. unterrichtet in Kindererziehung, allgemeinen Problemen der Haushaltsführung und Hygiene: „These African women, future leaders of other women, are receiving instruction in cooking, hygiene, in the care of children, in methods of teaching, and in various phases of Christian service. They are being trained as real helpmates as they go out to do work in far-distant villages."149 Aus der Gruppe der Absolventen der training school rekrutierten sich die Pastoren und Katecheten, die schließlich das langfristige Ziel der Presbyterianer, die Schaf-
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fling einer indigenen Kirche, verwirklichen sollten. Die APCM strebte, ganz im Sinne von Rufus Anderson, den Aufbau eigenständiger afrikanischer Kirchen an. Diese Politik entsprach einerseits dem Missionsverständnis der Presbyterianer, sie ergab sich andererseits aber auch aus der spezifischen Situation im Kongo, wo nicht-belgische Missionsgesellschaften nur unter großen Schwierigkeiten staatliche Konzessionen für die Errichtung zusätzlicher Stationen erhielten und der Aufenthalt ausländischer Missionare in einem afrikanischen Dorf per Gesetz auf fünfzehn Tage begrenzt war. 1915 machten die ersten zwölf Luba ihren Abschluß an der training school in Luebo und wurden zu Diakonen ernannt. Ein Jahr später wurden drei von ihnen als reguläre Pastoren der presbyterianischen Kirche ordiniert. Dies war der Beginn einer indigenen presbyterianischen Kirche im Kongo. 150 Trotz aller Bemühungen verfügte das Gros der Katecheten nach Ansicht der Mission nur über eine unzureichende Ausbildung. Obwohl alle von ihnen das Lesen und Schreiben erlernt hatten und Teile aus der Bibel und dem Katechismus vortragen konnten, blieb vielen die Bedeutung der Inhalte unklar. Benedetto merkt zu dem Problem an: „Under these circumstances the full gospel could not be taught, because it was not fully understood by its messengers." 151 Die Missionare standen einerseits unter dem Druck, ihrer Kirchenleitung regelmäßig eine positive Konversionsstatistik zu präsentieren. Andererseits war die überwiegende Mehrheit von ihnen nicht bereit bzw. nicht in der Lage, sich mit der Gedankenwelt der Afrikaner auseinanderzusetzen. Ihr negatives Bild von afrikanischen Traditionen und ihre Ignoranz gegenüber nicht-christlichen religiösen Systemen hinderten sie daran, in einen echten Dialog zu treten. Anstatt Gemeinsamkeiten oder zumindest Anknüpfungspunkte zwischen afrikanischer Religion und Christentum aufzuspüren, beharrten die Missionare auf den Gegensätzen zwischen „guten Christen" und „schlechten Nicht-Christen". Morrison stellte vereinfachend fest: „We preach against child marriage, adultery in all its forms, polygamy, slavery, sorcery, drunkenness, and other evil customs. At the same time we try to teach honesty, purity, truthfulness, temperance and industry." 152 Die Katecheten, die nach außen hin ihren neuen Glauben beispielsweise durch das Tragen westlicher Kleidung und den Verzicht auf die Polygamie demonstrierten, hatten große Probleme, die Glaubensinhalte, die ihnen selbst fremd geblieben waren, ihrer Zuhörerschaft verständlich zu machen. Sie beriefen sich stets auf die Bibel und erklärten „Gottes Buch", wie sie es nannten, zur obersten Autorität. So las ein Evangelist aus der Heiligen Schrift über die Prophezeiungen in der Offenbarung. Sein Publikum lauschte ungläubig. Er wiederholte den Text und kommentierte die Bibelstelle mit den Worten: „Brethren, this is what the Book of God says. I wasn't there!" 153 Durch Besuche in den umliegenden Dörfern versuchten die Missionare, die Arbeit der Evangelisten zu überprüfen, um sicherzustellen, daß das Wort Gottes im
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Sinne der presbyterianischen Kirche gepredigt wurde. Eine effektive Kontrolle von Missionsseite war jedoch nicht möglich aufgrund der bereits erwähnten personellen und finanziellen Engpässe der APCM. Zusammenkünfte in Luebo zwischen Evangelisten und den Missionaren zum gegenseitigen Austausch und zur Klärung von Problemen kamen nur unregelmäßig zustande, vor allem wegen der teilweise beträchtlichen Entferungen zwischen der Station und den entstehenden christlichen Gemeinden bzw. den evangelistic centers, wie sie genannt wurden. Die lokalen Evangelisten versuchten, die christlichen Glaubensinhalte den kulturellen Gegebenheiten innerhalb der Kasai-Region und den spirituellen Bedürfnissen der dortigen Bevölkerung anzupassen. Dadurch entwickelten sie sich zu Vertretern eines afrikanischen Christentums, das Aspekte der christlichen Lehre aufnahm und transformierte. „Christianity in Africa was never synonymous with the missionaries' understanding of the faith; the encounter with Africa involved a process of interaction in which Africa's distinctive characteristics and contributions have become ever increasingly prominent."154 Um die Jahrhundertwende stieg die Zahl der Konvertiten beträchtlich an, und das Interesse an Bildung nahm stark zu. Die APCM berichtete über die großen Mühen, die die Menschen auf sich nahmen, um eine Schule besuchen zu können. Ein Missionar berichtete: „...some of the pupils walk one and two hundred miles to attend school, and that for the - to us - inconsiderable time of two or three weeks; and that they return again and yet again with a persistency that is not more commendable than surprising, until they know."155 Die regelrechte Begeisterung für Bildung156 hing zusammen mit den sich verändernden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen im Kongo. Das Vordringen des kolonialen Staates und ausländischer Handelsfirmen in die lange Zeit weitgehend abgeschottete Kasai-Region trug zur Verbreitung der westlichen Kultur bei und eröffnete gerade auch denjenigen neue Einkommensmöglichkeiten, die über eine rudimentäre Schulbildung verfügten. Der Bau der Eisenbahn vereinfachte die Transportmöglichkeiten. Gleichzeitig führte die Ausbreitung der Kautschukgewinnung und die damit verbundene Rekrutierung großer Teile der Bevölkerung zur Zwangsarbeit auch zu Verunsicherung und zu massiven Veränderungen innerhalb der dörflichen Strukturen.157 In diesen Zeiten der Unsicherheit und der Orientierungslosigkeit bot die Mission Schutz und Unterstützung. Die Stationen in Luebo und Ibaanc wurden zu Zufluchtsorten der vor den Repressionen der Kolonialadministration und ihrer Agenten flüchtenden Bevölkerung.
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Die Konfrontation mit dem kolonialen Regime Nachdem Morrison die Missionsleitung übernommen hatte, zog sich Sheppard nach Ibaanc zurück und baute dort gemeinsam mit seiner Frau und seit 1902 mit Unterstützung der beiden Afroamerikaner Althea Brown Edmiston und Alonzo Edmiston seine eigene Station auf. Ibaanc war nicht unabhängig von den Entscheidungen, die in Luebo getroffen wurden, aber Morrison ließ Sheppard bei der Führung der Mission weitgehend freie Hand. Während die Arbeit in Luebo beträchtliche Erfolge zeigte, gab es in Ibaanc jedoch nur wenige Konvertiten. Die weißen Missionare übten immer wieder Kritik an Sheppards Beharren auf der Christianisierung der Kuba, und die Station in Ibaanc stand mehrfach kurz vor ihrer Schließung. Doch Sheppards Verdienste und sein „almost mythic status"158, der der APCM in den USA große Unterstützung sicherte, veranlaßten Morrison, die Ibaanc-Mission aufrechtzuerhalten. Die Probleme um Sheppard und Ibaanc gelangten nicht an die Öffentlichkeit, und selbst gegenüber dem Exekutivkomitee wurden kaum kritische Stellungnahmen zu dieser Problematik geäußert. Sheppard, eines der Aushängeschilder der APCM, war die charismatische Persönlichkeit, die ihre Zuhörer mit spannenden, anschaulichen Geschichten aus Afrika in den Bann zog. Die Sheppards und die Edmistons sorgten dafür, daß Ibaanc trotz aller internen Kritik in den Medien der Presbyterianer positiv dargestellt wurde. In den Schilderungen von Althea Edmiston über die Situation in Ibaanc vermischten sich idyllisch anmutende Naturbeschreibungen mit empirischen Berichten über Schülerzahlen, Beteiligung an den Bibelstunden und Teilnahme an den Gottesdiensten. Lucy Sheppards Artikel im Missionary zielten darauf ab, die vielfältigen Aktivitäten der Missionare darzustellen. Alonzo Edmistion verfaßte Berichte über die Fortschritte im Bereich der industriell education, und Sheppards Reise-Impressionen aus den umliegenden Dörfern ermöglichten Einblicke in das Leben der afrikanischen Bevölkerung am Rande des Kuba-Reiches. Durch die Schreibfreudigkeit der vier Afroamerikaner nahmen die Informationen über Ibaanc breiten Raum in den Publikationen der Presbyterianer ein. Den Lesern in den USA wurde Ibaanc somit als eine sehr lebendige Station vermittelt, die zwar noch im Aufbau begriffen war, aber dennoch über ein großes Potential verfügte. Trotz unterschiedlicher Sichtweisen und Arbeitsmethoden gelang es den vier Missionaren, gut zusammenzuarbeiten und nach außen hin Einigkeit zu demonstrieren. Die Edmistons teilten Sheppards Enthusiasmus für die Kuba zwar nicht, waren aber entschlossen, ihren christlichen Auftrag zu erfüllen. Beiden fiel es schwer, den Afrikanern, die sie als in der Entwicklung zurückgebliebene Wesen betrachteten, ohne große Vorurteile entgegenzutreten. Alonzo Edmiston notierte noch 1917 in seinem Tagebuch: „...the largest man among them is as simple as a five year old
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child."159 Lucy Sheppard war zu Beginn ihrer Missionstätigkeit im Kongo über die „Rückständigkeit" und das „sündhafte Leben" der afrikanischen Frauen schockiert: „Ten years ago when we reached the Kasai and saw the native woman in her strip of cloth, her hair daubed with paint and grease, her body smeared with the same mixture and her mind filled with sin and superstition, we could not help but think within ourselves, can she be changed? Will it be possible to make it all plain to her and let her see that there is something better in store for her?"160 Lucy Sheppard richtete in Ibaanc als erstes eine Nähschule ein, um den Frauen und Mädchen „anständige" Kleidung zu verschaffen. Sie versuchte, die Frauen aus den umliegenden Dörfern durch regelmäßige Treffen, bei denen genäht, gesungen und aus der Bibel erzählt wurden, enger an die Mission zu binden. Höhepunkt war die Gründung einer Woman 's Missionary Society, der Sunshine Band, wo sich die afrikanischen Frauen zu gemeinsamen Gebeten trafen und durch gegenseitige Hilfeleistungen ihre Solidarität stärken sollten.161 Jahre später schrieb Lucy Sheppard über erste vielversprechende Ergebnisse ihrer Tätigkeit: „One dear mother who had been attending school just ten months, was asked to lead the women's prayer meeting; and she greatly surprised us by reading, with acuracy and clearness, from Paul's Epistle to the Romans and gave, in her comments, a beautiful lesson on Christian living."162 Auch Althea Edmiston engagierte sich in der Frauenarbeit, gab Schuluntericht und kümmerte sich gemeinsam mit Lucy Sheppard um die Kinder163. Darüber hinaus begann sie ein Wörterbuch und eine Grammatik der Kuba-Sprache (Bushong) zu verfassen.164 Wegen ihres korrekten Auftretens und ihres Beharrens auf der genauen Durchführung einzelner Arbeiten erhielt sie von den Frauen den Namen Mama Tsitolo („Careful Plucking").165 Alonzo Edmiston übernahm als Hauptaufgabe die Ausbildung der Jungen, wobei er das Schwergewicht auf die Landwirtschaft legte. Die einheimische Bevölkerung gab ihm deshalb den Namen Lungonzo („Banana Plant Blossom"). Er experimentierte auch mit neuen Produkten und Anbaumethoden, wodurch er die Erträge zu steigern suchte. Sheppard erteilte ebenfalls Schulunterricht, leitete Bibelkreise, bildete später die Evangelisten aus und predigte vor allem regelmäßig in den Nachbardörfern. In den 1890er Jahren war Sheppard für viele Menschen im Kasai der erste Schwarze, den sie zu Gesicht bekamen, der nicht aus Afrika, sondern aus dem „Land der Weißen" kam. Neben dem bereits erwähnten Namen gaben sie ihm deshalb den Namen Mundete Ndombe („White Black Man"). Mit wachsendem Bekanntheitsgrad nannte man ihn schließlich Shapete Munene („The Great Sheppard") oder einfach Shapete. Trotz aller Bemühungen und dem großen Engagement der vier African Americans ließen die Christianisierungserfolge in Ibaanc auf sich warten. Hinzu kamen
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Schwierigkeiten wie die unregelmäßige Versorgung mit Nahrungsmitteln und die wenigen Außenkontakte zu Kollegen aufgrund der isolierten Lage der Station. Sheppard hingegen, der die entbehrungsreiche Anfangszeit der Mission hautnah miterlebt hatte, hob die zahlreichen Annehmlichkeiten hervor, auf die die Missionare nun nicht mehr verzichten mußten: „Eleven years ago your missionaries wore shoes of goat skins, their full dress was a pair of pyjamas, their food was plaintains, fried manioc and boiled fowl; their home a hut bought from the natives,... But now they wear canvas shoes immaculately white, and double breasted coats. They have ,poule a la mode' with rice, tea with sugar and dear wives to prepare it all. Their houses are large, clean and airy."166 Obwohl Sheppard nach elf Jahren Aufenthalt (1902) eine positive Bilanz hinsichtlich der Lebensbedingungen der Missionare zog, konnte er gleichwohl nicht übersehen, daß sich die Situation der Kete, Kuba, Luba und der übrigen ethnischen Gruppen zunehmend verschlechtert hatte. 1898 führte die Verwaltung des „KongoFreistaates" auch im Kasai die Besteuerung ein. Die Bevölkerung sollte nun zur Bezahlung ihrer Steuern Elfenbein, Kautschuk und andere Produkte direkt an den Staat abliefern und nicht an eine der vierzehn Handelsgesellschaften verkaufen, die sich in der Region niedergelassen hatten. Nach 1901 wurden die bis dahin unabhängigen Firmen in der Compagnie du Kasai (CK) zusammengeschlossen. Die CK, deren Agenten in vielen Dörfer die Steuereintreibung kontrollierten, nutzte ihre Monopolstellung aus und reduzierte als erstes die Preise für Kautschuk um die Hälfte. 167 Als infolge des Preisverfalls immer weniger Kautschuk abgeliefert wurde, griffen die Agenten der CK zu Zwangsmaßnahmen. Lachlan Vass, der als Kapitän des missionseigenen Schiffs für den Transport der APCM verantwortlich war, beschrieb die Situation im Kasai wie folgt: „Here at Luebo, when there was 5 independent trading companies, just before the CK was formed, in one month there was 40 tons of rubber bought. After the CK was formed and the price cut scarcely, a ton was bought. This would not work and so, veiy gradually, the system of force was introduced until within the last year (1907, K.F.-S.) in our district it has developed into a worldly hell for the natives, and a big dividend getter for the inhuman beasts that are wallowing in their bloody luxury thousands of miles from the crying pitiful creatures for whom they have no pity."168 Wie auch aus dem Bericht von Vass deutlich wird, waren die Missionare von Beginn an Uber die zunehmenden massiven Repressalien der Kolonialmacht gegenüber der Bevölkerung informiert. Es stellte sich heraus, daß einzelne ethnische Gruppen von der Verwaltung instrumentalisiert wurden und als verlängerter Arm des „Kongo-Freistaates" auftraten. Zu ihnen zählten im Kasai die „Zappo Zaps" wie sie im allgemeinen Sprachgebrauch hießen. Sie gehörten zur ethnischen Gruppe der Son-
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gye und waren Mitte der 1880er Jahren durch Sklavenhändler aus ihrem angestammten Gebiet vertrieben worden. Distriktkommissar Paul Le Marmel gestattete ihnen schließlich, sich gemeinsam mit ihrem chief Zappo Zap außerhalb von Luluaburg, dem Verwaltungszentrum südöstlich von Luebo, anzusiedeln.169 Die zirka 3000 „Zappo Zaps" übernahmen als Söldner im Dienst der Kolonial Verwaltung die Eintreibung der Steuern in Form von Elfenbein und Kautschuk. Wer die hohen Steuersummen nicht aufbringen konnte, wurde misshandelt. Die „Zappo Zaps" brannten ganze Dörfer nieder, ermordeten die Bewohner und hackten ihnen die rechte Hand ab. Über den Umfang der Gewalttaten und das Ausmaß der Brutalität gab es unterschiedliche Aussagen. Der Missionary berichtete vom Herbst 1899: „At that time the Congo Free State authorities sent out native soldiers, chiefly of the Zappo Zap tribe, which is largely cannibal, to collect tribute of ivory and rubber. Their demands were so exorbitant the people could not meet them; consequently a reign of terror followed through all the Bakuba and Bakete country, in which the Mission has its field of operations. Many villagers were burnt and scores of people were slain, some of them eaten by the cannibals."170 Die obige Zitat soll nicht unkommentiert stehen bleiben, sondern durch einige kurze Anmerkungen zum Umgang mit dem Begriff des „Kannibalen" ergänzt werden. Die Charakterisierung der Songye als Kannibalen zieht sich nicht nur durch die gesamte zeitgenössische Missions- und Reiseliteratur zur Kongo-Region, sondern ist auch in neueren anthropologischen Studien zu finden. So stellt Alan Merriam in seiner Untersuchung von 1974 über das Songye-Dorf Lupupa Ngye fest: „Lupupans state unequivocally that human beings were eaten, first" - so die Dorfbewohner - ,„because the meat is veiy, very, very good. You like it so much that you dont't talk while eating.' And second, it was eaten in order to ,punish someone who has done something to you,' and adulteiy and warfare are most often mentioned in this connection."171 Auch William Sheppard beschrieb - achtzig Jahre vor Merriam - die Songye als Kannibalen. Er gab an, die Bezeichnung von der einheimischen Bevölkerung, in deren Erzählungen immer wieder von den kannibalischen „Zappo Zaps" die Rede war, übernommen zu haben. Als wesentliches äußeres Merkmal des „Menschenfressers" galten spitz gefeilte Zähne, wie sie auch bei den Songye üblich waren. Sheppards Kollege Clinton Boone, der Anfang des 20. Jahrhunderts für die Lott Carey Baptist Foreign Mission Convention (LCC) zuerst im Kongo und dann in Liberia tätig war, gestand zwar ein, er sei nicht sicher, ob Kannibalismus wirklich existiere, berichtete jedoch über Liberia: „The native men tell us that the tribes that have sharp teeth like a dog are cannibals. As soon as the permanent teeth are grown, they are filed to a point, the
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enamel grows over them, and they look like the teeth of lower animals. It is said that these teeth are used to tear the flesh instead of biting, as we do. Some of the sharp-teeth people are found in Liberia, French and Belgian Congo."172 Weder Merriam noch Sheppard und Boone hinterfragten, warum bestimmte ethnische Gruppen oder Subgruppierungen von ihren Nachbarn des Kannibalismus bezichtigt wurden. Missionare wie auch Kolonialbeamte bedienten sich stattdessen des Kannibalismus „as an accusation against colonised peoples which would justify anything from their conversion to their eradiction at the hands of European imperial expansion."173 So benutzte die koloniale Verwaltung im „Kongo-Freistaat", die großenteils „Zappo Zaps" für ihre force publique rekrutierten, deren „KannibalenImage", um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und sie gefügig zu machen. Kannibalismus diente als Vorwand filr und zur Rechtfertigung von Kolonialherrschaft und christlicher Missionierung. Die immer wiederkehrenden Hinweise der Missionare auf kannibalische Akte, die keiner von ihnen tatsächlich mit eigenen Augen gesehen hatte174, zeigten, wie sehr der Kannibalismus das Bild der Europäer und Amerikaner vom Afrikaner als,¿avage beast prägte. Sheppards Story of a Girl Who Ate her Mother sollte, wie zahlreiche andere Geschichten von christlicher Bekehrung, die positive Kraft des Christentums bei der Überwindung des Bösen, welches in diesem Fall der Kannibalismus symbolisierte, demonstrieren und damit auch die strikte Trennung zwischen „Zivilisation" und Barbarei" markieren. Sheppards Erzählung ist aber auch ein Beispiel für die Faszination und den Horror, mit denen die Vorstellung vom Kannibalen verbunden war. Sheppard erzählt fur amerikanische Kinder die Geschichte des kleinen Mädchens Ntumba, deren Mutter von Kannibalen getötet worden sei. Diese hätten dann dem Kind vom Fleisch der toten Mutter zu essen gegeben. Als die Missionare davon erfuhren, tauschten sie das Kind gegen Stoffe ein und zogen es auf der Missionsstation groß. Aber die schrecklichen Erfahrungen hätten Ntumba so negativ beeinflusst, daß sie zu stehlen und zu lügen begonnen hätte. Schließlich jedoch sei Ntumba durch die Liebe des Herrn errettet worden und: „...she who had been a naked little savage, even took care of her teeth, the teeth which had eaten human flesh... Many times she would tell the people how the devil had filled her heart and taught her tongue to lie, her hands to steal, and her voice to sing evil songs, but that God had delivered her out of his power."175 1979 veröffentlichte der Anthropologe William Arens seine Studie The ManEating Myth, die eine bis heute kontroverse wissenschaftliche Debatte in Gang setzte. Dabei geht es primär um die Frage, ob Kannibalismus als eine weitverbreitete soziale Praktik in bestimmten Weltregionen betrachtet werden kann oder ob Arens zuzustimmen sei, der die schlüssige Beweisbarkeit einiger Fälle von Kannibalismus bezweifelt und dem es bedeutsamer erscheint, den Zusammenhang von Anthropha-
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gie und Anthropologie zu untersuchen wie auch der Verbindung von Kannibalismus und westlichem Imperialismus nachzugehen:176 „...the question of whether or not people eat each other is taken as interesting but moot. But if the idea that they do is commonly accepted without adequate documentation, then the reason for this state of affairs is an even more intriguing problem... I am dubious about the actual existence of this act (Kannibalismus, K.F.-S.) as an accepted practice for any time or place. Recourse to cannibalism under survival conditions or as a rare instance of antisocial behavior is not denied for any culture. But whenever it occurs this is considered a regrettable act rather than custom."177 Arens Einschätzung trifft auch für den „Kongo-Freistaat" zu, wo es im Zuge kolonialer Zwangsmaßnahmen zu Greueltaten an der Bevölkerung kam, wie die Bilder von Kindern wie Erwachsenen mit abgehackten Gliedmaßen dokumentieren. Die Verstümmelungen geschahen mit Duldung bzw. sogar mit Zustimmung der Kolonialbürokratie und der Agenten der Handelsgesellschaften wie beispielsweise der CK. In einigen Fällen soll es in diesem Zusammenhang auch zu Kannibalismus gekommen sein, der dann von Seiten des kolonialen Regimes als Beweis für das angeblich „niedere Stadium sozialer Entwicklung" der Afrikaner herhalten mußte178. Auch in den nachfolgenden Schilderungen von Sheppard über seinen Besuch im Dorf Chinyama, das von Soldaten der force publique verwüstet worden war, berichtete er, menschliche Überreste vorgefunden zu haben, die auf kannibalische Akte zurückzuführen seien. Auch hier hätte es sich bei den Soldaten um „Zappo Zaps" gehandelt. Die Missionsstationen in Luebo und Ibaanc wurden zu Orten der Zuflucht für die verängstigte Bevölkerung, die bei der APCM Unterschlupf suchten. Es gab Berichte, daß sich 50 000 Menschen aus Furcht vor den Söldnern auf der Flucht befänden. Die Missionare waren skeptisch in bezug auf den Wahrheitsgehalt der kursierenden Horrorgeschichten. Aber da sie die wachsende Zahl von Flüchtlingen nicht aufnehmen konnten, sahen sie sich veranlaßt, den Berichten auf den Grund zu gehen. Die APCM, deren Devise lautete, sich nicht in die politischen Angelegenheiten des „Kongo-Freistaates" einzumischen, sondern sich voll und ganz auf ihren christlichen Auftrag zu konzentrieren, verhielten sich weiterhin zögerlich. Erst als im Spätsommer eine Gruppe Pyaang in Ibaanc eintraf, über Greueltaten von 700 „Zappo Zaps" im Dorf Chinyama berichtete und Sheppard um Unterstützung bat, handelte Morrison. Er beauftragte Sheppard, das Dorf aufzusuchen, den Anschuldigungen nachzugehen und mit M'lumba N'kusa, einem Songye chief, der als verantwortlich für die Verwüstung des Dorfes galt, zu sprechen. Sheppard wollte diese nicht ungefährliche Untersuchung ablehnen, doch Morrison bestand auf seiner Entscheidung. Er wußte, daß er diese Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl erforderte, nur Sheppard übertragen konnte. Sheppard hatte schließlich mehr als einmal sein Geschick im Umgang mit der afrikanischen Bevölkerung bewiesen. Morrison war überzeugt:
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„There is no man in all this country who has the influence over this people that Sheppard has... God has used Mr. Sheppard as the human means with his unusual tact and wisdom, in the management of the natives..."179 Sheppard fügte sich: „These were orders. I had to go; there was nothing else to do." 180 Im September 1899 machte er sich mit einer kleinen Gruppe von Einheimischen auf den Weg nach Chinyama. Die Situation in dem Pyaanga-Dorf übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. M'lumba N'kusa befand sich in einem nahe gelegenen Lager und gab Sheppard, den er für einen Vertreter der Verwaltung hielt, bereitwillig Auskunft. Er war nach Chinyama im Auftrag des „Kongo-Freistaates" gekommen, um die Steuern einzutreiben. Nachdem viele Dorfbewohner sich geweigert hatten, die hohen Abgaben zu bezahlen, ließ M'lumba N'kusa sie zusammentreiben, das Dorf verwüsten und 80 bis 90 von ihnen hinrichten. Bei einem Rundgang durch das Dorf zählte Sheppard 41 Leichen und 81 abgehackte Hände. Nach Darstellung von M'lumba N'kusa mußten die Hände an den Staat abgeliefert werden als Beweis für die Durchführung des Auftrags. Das Interview mit M'lumba N'kusa fand am 14. September 1899 statt. Die folgenden Auszüge bestätigen Sheppards Verhandlungsgeschick: ,„To what villages did the state send you?' I asked. ,To the Bekete, Bena Pianga and Bakuba, and especially Lukengu's (Mushenge, K.F.-S.).' ... ,You really killed some people?' I asked in an inquiring tone, as though I simply wanted to know for myself. One long legged brute (excuse me) pointed to a big stain on the ground where were hundreds of flies swarming... ,How did the fight come up?' I asked, as if curious that the Pianga people, so good and quiet, should attack them. ,1 sent for all the chiefs, sub-chiefs, men and women, to come on a certain day, saying that I was going to finish all the palaver. When they entered these small gates..., I demanded all my pay or I would kill them, so they refused to pay, and I ordered the fence to be closed so they couldn't run away. Then we killed them here inside the fence...' Oh! my heart burned, but I hid it as well as possible... He said, ,1 think we killed between 80 and 90, and those in the other villages I don't know...' The chief and I walked out on the plain just near the camp. There were three people with the flesh carved off from the waist down. ,Why are the people carved so, only having the bones.' I asked. ,My people ate them,' he answered promptly... On the left was a great big man, shot in the back and without a head. (All these people were nude.),Where is the man's head?' I asked. ,Oh, they made a bowl of the forehead to rub up tobacco...' ...On returning to the camp, we crossed a young woman, shot in the back of the head, one hand was cut away. I asked why, and M'lumba N'Cusa explained that they always cut off the right hand to give to the state on their return... We all (Sheppard und seine Begleiter, K.F.S.) say that they have as fully as possible investigated the whole outrage, and find it was a plan previously made to get all the stuff possible, and to catch and kill the poor people in the ,Death Trap'."181
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Sheppards drastische Schilderungen schockierten seine Kollegen. Sie mußten feststellen, daß die brutalen Vergehen an der Bevölkerung, von denen sie aus anderen Gebieten des „Kongo-Freistaates" gehört hatten, auch in ihrer unmittelbaren Nähe verübt wurden. Erste Berichte über Greueltaten im Zusammenhang mit der Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften und der Steuereintreibung kursierten seit 1890 aus den Distrikten nördlich und westlich der Kasai Region.182 Die galt vor allem für den District de PEquateur, einen der ersten, in denen Kautschuk gewonnen wurde. Insgesamt wurden jedoch nur wenige Beschwerden und kritische Berichte aus den Reihen der Missionsgesellschaften laut.183 Der belgische König nahm jedoch diese frühe Kritik am „Kongo-Freistaat", zu der auch einige Zeitungsartikel erschienen, ernst und richtete, um einer weiteren negativen Presse zuvorzukommen, im Herbst 1896 eine „Kommision zum Schutz der Eingeborenen" ein, der je drei protestantische und katholische Missionare angehörten.184 In den folgenden Jahren gab es kaum Interventionen von Missionsseite. Auch Sheppards Bericht über das Massaker von Chinyama führte noch nicht zu einer insgesamt kritischeren Haltung der Missionen gegenüber dem „Kongo-Freistaat". 185 Als die APCMzmc Untersuchung der Vorfalle forderte, führten die Behörden eine halbherzige Untersuchung durch, ohne M'lumba N'kusa zu verhaften, da sie Unruhen befürchteten. Der zuständige Distriktbeamte (chef de zone) DuFour wurde nicht zur Rechenschaft gezogen. Es war Morrison, der daraufhin in die Offensive ging, den belgischen König um eine Stellungnahme bat und die Kirchengemeinden in den USA im Missionary über die Vorfälle informierte.186 Auch in der amerikanischen und britischen Presse erschienen Artikel über die Ereignisse in dem kleinen Pianga-Dorf. Doch Morrisons Intervention blieb ohne direkte positive Konsequenzen für die Bevölkerung. Erst als er 1903 zu einem Heimataufenthalt in die USA reiste und bei einem Zwischenstopp in Großbritannien mit den Vertretern der Aborigines Protection Society zusammenkam, begannen allmählich in England und in den USA die Rufe nach einer öffentlichen Untersuchung der Zustände im Kongo lauter zu werden.
Die Zerstörung von Ibaanc William Sheppard zog sich nach seinem Besuch bei M'lumba N'kusa wieder nach Ibaanc zurück, überließ Morrison die weitere Öffentlichkeitsarbeit und widmete sich vor allem der Bekehrung der Kuba. Die Bemühungen der Missionare in Ibaanc trugen schließlich Früchte, und sie konnten Anfang 1904 mitteilen: „The Bakuba people are taking great interest going regularly to the catechumen class and church. Last month 150 were received into the church, 120 on one Sabbath, besides baptizing thirty children. Of the 120, many of them were elderly men and women" 187 . Kot
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aPe, der neue Lukengu, der 1902 die Macht übernommen hatte, zeigte zwar keinerlei Interesse an der Mission, verbot aber nicht grundsätzlich Kontakte zu den Missionaren in Ibaanc. Im Oktober 1903 stattete Sheppard ihm einen kurzen Besuch ab und Kot aPe versprach, drei afrikanische Evangelisten in Mushenge zuzulassen. Die Freude über das Interesse der Kuba an der Mission hielt nicht lange an. Nur wenige Monate später im November 1904 überfiel eine Gruppe von ihnen auf Befehl des Lukengu die Station und brannte Ibaanc nieder. Die Missionare konnten rechtzeitig mit einer Gruppe von Getreuen entkommen und flohen nach Luebo.188 Der überraschende Angriff hing einerseits mit den politischen Repressionen im Kasai zusammen, andererseits trugen auch die Missionare Mitverantwortung für die Zerstörung ihrer Station. Kot aPe war mit den Steuerzahlungen im Rückstand. De Cock, der chef de zone, beorderte ihn daraufhin im April 1904 nach Luebo. Als Kot aPe nicht zum geforderten Termin, sondern verspätet in Luebo eintraf, wurde ihm eine Strafe in Höhe von 100 000 Kaurimuscheln auferlegt, die in etwa 75 Dollar entsprachen. Hintergrund für die Zahlungsunfähigkeit des Lukengu waren ausgebliebene Steuerzahlungen aus einigen Dörfern des Kuba-Reiches, die dem Lukengu tributpflichtig waren. Die Situation innerhalb des Reiches war seit 1900 instabil, da es immer wieder Streitigkeiten um die Herrschernachfolge gab.189 In vielen Teilen des Kuba-Reiches nutzten die Dorfältesten deshalb die Gelegenheit und verweigerten jegliche Zahlungen an den Lukengu. Da Kot aPe nicht zahlen konnte, wurde er inhaftiert. Die APCM bezahlte schließlich seine Strafe, und er wurde kurz darauf wieder freigelassen. Trotz ihrer Unterstützung sah Kot aPe die Missionare nicht als Verbündete im Kampf gegen den kolonialen Staat, sondern gab ihnen die Mitschuld an seinen Problemen. Auch nachdem Kot aPe die Thronfolge angetreten hatte, dauerten die internen Machtkämpfe an. Kot aPe beschuldigte die APCM, seinen potentiellen Rivalen Mishamilyeeng zu schützen. Der Lukengu war überzeugt, daß Mishamilyeeng, ein Sohn Kot aMbweekys, ihm nach dem Leben trachtete, und gab deshalb den Befehl, ihn zu ermorden.190 Mishamilyeeng floh nach Ibaanc, und Sheppard gewährte ihm Unterschlupf in der Hoffnung, den Nachkommen des Old Lukengu an die Mission zu binden.191 Es wurde für den Lukengu immer schwieriger, die verschiedenen ethnischen Gruppen, die die Kuba-Konföderation bildeten, zusammenzuhalten. Es gab weder gemeinsame Rituale, die von allen geteilt wurden, noch übergreifende Institutionen, in denen sich alle Kuba repräsentiert sahen. Der Lukengu wurde nur von den Bushoong, zu denen die Familie des Herrschers gehörte, uneingeschränkt anerkannt. Gegenüber allen anderen Gruppen mußte er seinen Herrschaftsanspruch immer wieder neu legitimieren. In der Regel verfügte der Lukengu über eine loyale Armee, aber als Kot aPe an die Macht kam, opponierte der Kommandant gegen den neuen Herrscher und verweigerte ihm in mehreren Fällen die Gefolgschaft. Die fehlende
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Loyalität im Inneren und die Bedrohung von außen durch das Eindringen der Europäer, verbunden mit brutalen Formen der Zwangsarbeit, Zwangsbesteuerung sowie die Etablierung von Missionsstationen, deren Missionare direkt in das Leben der Kuba einzugreifen versuchten, führten zu einer Destabilisierung der Machtposition des Lukengu. Die Inhaftierung Kot aPes vor den Augen seines Volkes durch die Kolonialverwaltung trug zu einer weiteren Schwächung seiner politischen Stellung bei. Er reagierte auf diese Bedrohungen mit einer Reihe gleichzeitiger Angriffe auf die Missionsstation von Ibaanc, auf eine nahe gelegene Kautschuk-Sammelstelle, auf die katholische Mission und auf eine weitere Kautschuk-Sammelstelle in Bena Makima sowie auf drei kleine Dörfer.192 Während die Überfälle auf Bena Makima und zwei der Dörfer misslangen, wurden die übrigen Ziele niedergebrannt. Als die Soldaten dann nach Luebo marschierten, wurden sie von der force publique, unterstützt von „Zappo Zap"-Söldnern, zurückgeschlagen. Kot aPe floh, die force publique besetzte vorübergehend Mushenge, bis der Lukengu nach einigen Monaten zurückkehrte und ohne Bestrafung durch die Kolonialverwaltung wieder die Herrschaft des Kuba-Reiches übernahm.193 Die Zerstörung von Ibaanc war ein schwerer Schock für die Missionare. Sie hatten nicht nur beträchtliche finanzielle Opfer zu beklagen, sondern auch einen ihrer Helfer verloren. Gleichwohl war die Gruppe fest entschlossen, so schnell wie möglich die Station wieder aufzubauen. Die Kolonialbehörden verweigerten jegliche Form der Entschädigung, da sie die Ansicht vertraten, die APCM sei ganz allein für den Verlust ihrer Station verantwortlich.194 Die Missionare stritten eine Mitverantwortung an dem Überfall von Ibaanc nicht völlig ab. Ihnen war bewußt, daß sie sich mit der Aufnahme von Mishamilyeeng in die internen Angelegenheiten der Kuba eingemischt hatten, waren aber von der Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit ihres Handenis überzeugt Jan Vansina vertritt die Ansicht, die APCM hätte Mishamilyeeng nur Zuflucht gewährt, um einen Christen auf dem Kuba-Thron zu sehen. Sie hätten keine Kenntnisse über die matrilineare Erbfolge bei den Kuba gehabt, die es dem Sohn unmöglich machte, die Herrschaft des Vaters zu übernehmen.195 Dies trifft so nicht zu, da zumindest Sheppard und Morrison wussten, daß Kot aPe als Neffe des Vorgängers Anspruch auf den Thron hatte und nicht Mishamilyeeng. Einige Herrscher machten von ihrem Recht Gebrauch, alle oder einige Söhne ihres Voigängers ermorden zu lassen, um sich vor Intrigen zu schützen.196 Die Missionare kehrten vier Monate später nach Ibaanc zurück und begannen mit Hilfe von Spendengeldern, die Mission wieder aufzubauen bzw. ein „neues" Ibaanc zu schaffen. Sie wurden von der Bevölkerung mehrheitlich freundlich aufgenommen, und nach sechs Monaten harter Arbeit waren die zerstörten Dörfer und die Station wieder weitgehend funktionsfähig. Althea Edmiston schrieb über ihre Rückkehr und den Aufbau des New Ibanji:
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„The natives were filled with happiness. There were smiles, good cheer and gladness everywhere... The Bakuba and the Baluba have about finished rebuilding their villages which are quite large and thickly populated. Could you walk through our carpenters' shed and hear the sound of the large saw, planes and etc, you would quickly forget that you were in Central Africa. The traders have alsoreturnedto their post here and much rubber is now coming in."197 Althea Edmistons Bericht vermittelt den Eindruck, als wären mit dem Wiederaufbau von Ibaanc auch alle Probleme der Vergangenheit gelöst worden. Doch das Verhältnis zwischen Lukengu und Mission blieb gespannt. Kot aPe war überzeugt, daß die Missionare auch weiterhin versuchen würden, ihn vom Thron zu vertreiben, um Mishamilyeeng die Herrschaft zu übertragen. Die Gruppe der Konvertiten unter den Kuba, wobei es sich um 200 bis 300 Personen handelte, begann die Autorität des Lukengu in Frage zu stellen. Sie gründeten kleine christliche Gemeinden, und nicht wenige von ihnen betrachteten die Mission als oberste Autorität, die ihnen Hilfe und Beistand gewährte. Dies hatte zur Folge, daß sie beispielsweise die Tributzahlungen an den Lukengu verweigerten. Kot aPe war mehr denn je auf diese Abgaben angewiesen. Der „Kongo-Freistaat", der ihm eine Bestrafung erlassen hatte, forderte als Gegenleistung seine Loyalität. Nach seiner Rückehr nach Mushenge war der Lukengu gezwungen, mit den Behörden und der Compagnie du Kasai (CK) bei der Bereitstellung von Arbeitskräften und der Kautschukgewinnung zusammenzuarbeiten. Sheppards Vision von einem christlichen Kuba-Reich war in weite Ferne gerückt. Kot aPe, der nach dem Überfall auf Ibaanc die zeitweilige Anwesenheit von Agenten der CK und Regierungstruppen in Mushenge dulden mußte, zeigte keinerlei Neigung, auch noch den Missionaren der APCM Zutritt in sein Herrschaftsgebiet zu gestatten. Auch Sheppard gelang es nicht mehr, einen engeren freundschaftlichen Kontakt zum Lukengu aufzubauen.198
DitAPCM und das Engagement für Reformen im Kongo Die Ereignisse von Ibaanc bzw. die Bakuba Revolt, wie sie im offiziellen Sprachgebrauch der Southern Presbyterians genannt wurde, beeinträchtigte nachhaltig das Verhältnis zwischen dem „Kongo-Freistaat" und der APCM. Die Missionare waren empört darüber, daß die Kolonialverwaltung von einer Bestrafung Kot aPes absah und die gesamte Verantwortung für den Überfall der Mission anlastete. Motte Martin199, der während der Abwesenheit Morrisons die Leitung der APCM innehatte, informierte den Sekretär des Executive Committee of Foreign Missions der PC US, Samuel Chester, über die Geschehnisse. Chester unterrichtete den amerikanischen Außenminister John Hay und schlug zur Erörterung der Situation im Kongo die Einberufung einer Konferenz aller Staaten vor, die an der Schaffung des „Kongo-
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Freistaates" beteiligt gewesen waren. 200 Noch wenige Jahre zuvor, 1900, als Morrison Berichte über Sheppards Besuch in Chinyama an den Vorstand übermittelt hatte, war die presbyterianische Kirche zögerlich gewesen und hatte die APCM angewiesen, Zurückhaltung zu bewahren: „We can hardly think it necessary to remind the Mission as to the necessity of the utmost caution, in making representations regarding these matters to those in authority, or in publishing them to the world, to observe all proper deference to ,the powers that be,' and to avoid anything that might give any color to a charge of doing or saying things inconsistent with its purely spiritual and non-political character."201 Doch 1904 hatte sich die Situation verändert. Es war nicht länger „nur" die indigene Bevölkerung, die unter der brutalen Kolonialherrschaft von Leopold II. zu leiden hatte, sondern erstmals fühlten sich auch Amerikaner direkt betroffen und fürchteten um ihr Leben. Präsident Theodore Roosevelt machte in einem Treffen mit Chester deutlich, daß sich die amerikanische Regierung nur auf Grund der schlechten Behandlung von US-amerikanischen Bürgern veranlaßt sähe, sich mit der Situation im „Kongo-Freistaat" näher zu befassen. Darüber hinaus behauptete Roosevelt, seine Regierung habe keine Möglichkeiten, sich direkt in die Angelegenheiten des „Freistaates" einzumischen, da die USA die Berliner Generalakte nicht ratifiziert hätten.202 Trotz Zurückhaltung von Regierungsseite wurden in der amerikanischen Öffentlichkeit allmählich Proteste gegen die Greueltaten an der Bevölkerung im Kongo laut. Der 13. International Peace Congress tagte im Oktober 1904 in Boston und beschäftigte sich u.a. mit der Frage, ob „... the government of the Congo Free State still to be regarded as the trustee of the Powers which recognized the flag of the International Association?"203 Anfang desselben Jahres hatte sich in England die Congo Reform Association (CRA) unter Leitung von Edmund Dene Morel formiert. In den USA wurde daraufhin eine Zweigorganisation der CRA, die American Congo Reform Association (ACRA) ins Leben gerufen. Morrison nahm in Boston teil und hatte ebenfalls entscheidenen Anteil an der Gründung der ACRA.20* Die Anfänge der Kongo-Reformbewegung gehen zurück auf das Jahr 1895, als in Großbritannien die sogenannte Stokes Affair für Schlagzeilen sorgte. Charles Henry Stokes, ein englischer205 Elfenbeinhändler im Dienst der deutschen Kolonialmacht im damaligen Deutsch-Ostafrika, wurde an der Spitze einer Handelskarawane im Januar 1905 im Osten des „Kongo-Freistaates" von dem belgischen Kommandanten Lothaire festgenommen. Man beschuldigte ihn, arabische Sklavenhändler mit Waffen beliefert zu haben, verurteilte ihn ohne ordentliches Gerichtsverfahren zum Tode und hängte ihn auf. In der britischen Presse brach ein Sturm der Entrüstung darüber los, „daß es eine andere europäische Macht gewagt hatte, einen britischen Staatsbürger ohne rechtmäßigen Prozeß zu exekutieren."206 Die Belgier
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gaben die Unrechtmäßigkeit des Verfahrens zu, zahlten große Entschädigungssummen und stellten Lothaire vor ein Gericht.207 Die Hinrichtung von Stokes war vor allem in Großbritannien Anlaß, die koloniale Verwaltung im Kongo genauer unter die Lupe zu nehmen. Außerdem gab es aus dem britischen Konsulat in Lagos Gerüchte über Mißhandlungen von afrikanischen Arbeitskräften aus Britisch-Westafrika durch die Behörden im „Kongo-Freistaat." Doch obwohl bereits in den Jahren zuvor Berichte von Missionaren über Willkürakte gegenüber der KongoBevölkerung zirkulierten, kam es noch nicht zu einer breit angelegten Anti-Congo Campaign. Das lag auch an der vorherrschenden Ansicht, der belgische König würde schon dafür sorgen, daß die Übergriffe der belgischen Beamten gestoppt würden. Die Glaubwürdigkeit von Leopold II. stand Mitte der 1890er Jahre noch außer Frage, und bereits mit der Einsetzung der erwähnten „Kommision zum Schutz der Eingeborenen" konnte der belgische Monarch fürs erste die Kritiker beruhigen. Erst nach 1900 begann sich unter Federführung von Morel die KongoReformbewegung zu formieren. Für Morel, einen ehemaligen Angestellten der Elder-Dempster Steamship Line20s, ging es nicht nur darum, das brutale Vorgehen des kolonialen Staates gegen die afrikanische Bevölkerung durch eine Reform der Kolonialverwaltung zu unterbinden, sondern auch um die Einhaltung des Freihandelsprinzips im Kongo, wie es gemäß der Berliner Generalakte festgelegt worden war. Die personelle Zusammensetzung der von ihm 1904 in Liverpool gegründeten CRA spiegelte diese Interessenlage wider. Morel gelang es, die verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen, die über die Zustände im „Kongo-Freistaat" besorgt waren, in der gut organisierten CRA zusammenzubringen. Zu ihnen zählten so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Richard H. Fox-Bourne, der als Sekretär der Aborigines' Protection Society (APS) der britischen Anti-Skaverei Tradition angehörte, John Holt, Gründer der gleichnamigen Handelsgesellschaft und Vize-Präsident der einflußreichen Handelskammer von Liverpool, William A. Cadbury, Schokoladenfabrikant und Quäker, eine Reihe von Parlamentsmitgliedern und Grattan Guiness, der Leiter der Congo Balolo Mission?™ Morel, der sich regelmäßig im Auftrag der Elder-Dempster Steamship Line, die beispielsweise auch eine DampfschiffVerbindung zwischen Antwerpen und dem Kongo unterhielt, in Belgien aufgehalten hatte und in Kontakt mit den dortigen Beamten stand, war skeptisch gegenüber Berichten von Greueltaten im Kongo, die u.a. von dem britischen Handelsagenten und Forschungsreisenden Edward Glave210 und protestantischen Missionaren wie Sjöblom und Morrison stammten. Er änderte jedoch seine Meinung, nachdem er sich näher mit den Handelsstatistiken des Kongo befasst und darin Unregelmäßigkeiten feststellt hatte: Die Exportmengen an Kautschuk und Elfenbein lagen beträchtlich über den vom „Kongo-Freistaat" ausgewiesenen Gewinnen. Ein Großteil der Importe, deren Gesamtwert deutlich geringer war als der Wert der Exporte, be-
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stand aus Waffen und Munition. Morel kam zu dem Schluß, daß die Afrikaner Uber ihr Land nicht mehr frei verfügen konnten, sondern von den Beamten des Freistaates mit Gewalt zum Sammeln des Kautschuks gezwungen wurden, ohne dafür eine angemessene Entlohnung zu erhalten. Morel sah in der Zwangsarbeit die Ursache für die Greueltaten. was giddy and appalled at the cumulative significance of my discoveries. It must be bad enough to stumble upon a murder. I had stumbled upon a secret society of murderers with a King for croniman. After fifteen years previously this self same King had been acclaimed by Europe as a great philanthropist, invested with a momentous trust, hailed as the champion of Christendom against the Arab slaver!"211 Bereits vor der Gründung der CRA hatte die britische Regierung im Sommer 1903 ihren Konsul in Borna, Roger Casement, beauftragt, die immer zahlreicheren Vorwürfe gegen das Kolonialregime von Leopold II. zu untersuchen. Schockiert über das Erlebte, kehrte Casement vorzeitig von der Inspektionsreise zurück. Sein Bericht, der Anfang 1904 veröffentlicht wurde, bestätigte die Aussagen der Missionare in vollem Umfang. 212 Der belgische König reagierte auf den Casement Report, indem er eine Commission d'Enquête einsetzte, deren Ergebnisse für den „Freistaat" aber so niederschmetternd waren, daß der Kommissionsbericht erst Ende 1905 in einer „gereinigten" Fassung veröffentlicht wurde.213 Doch auch diese Fassung bestätigte im großen und ganzen die Ergebnisse des Casement Reports. Die Kritik richtete sich vor allem gegen die praktizierte Form der Vergabe von Landkonzessionen durch den Staat und die absolute Machtstellung der Handelsgesellschaften. Die Mitglieder der Commission forderten u.a. die Wiedereinführung des Freihandels im Kongo sowie eine gesetzlich festgeschriebene Kontrolle der dortigen Verwaltung. 1904 erschien Morels erste Bestandsaufnahme zur Situation im Kongo unter dem Titel King Leopold's Rule in Africa.21* In diesem Buch wie in den zahlreichen Zeitungsartikeln, Broschüren und Pamphleten der CRA, in denen die unmenschlichen Methoden der kolonialen Verwaltung im Kongo angeprangert wurden, griff Morel überwiegend auf Berichte und Veröffentlichungen der protestantischen Missionare zurück.215 Auch Morels zweite umfangreiche Arbeit Red Rubber, deren Veröffentlichung 1906 weltweit für großes Aufsehen sorgte und deren Titel zum Inbegriff der wirtschaftlichen Ausbeutung unter dem Kolonialregime von Leopold II. wurde, war nur möglich durch die Mithilfe protestantischer Missionsgesellschaften. Aber Morels Verhältnis zu den Missionen war nicht ungetrübt. Obwohl er zugeben mußte, daß zumindest einige Missionare wie John H. Weeks (BMS), John und Alice Harris (APS)216 und Morrison tatkräftig die Ziele der CRA unterstützen, betrachtete Morel die Missionare insgesamt als zu vorsichtig in ihrem Verhalten gegenüber der Ver-
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waltung des „Kongo-Freistaates" und warf ihnen vor, die CRA für ihre eigenen Zwecke nutzen zu wollen. Er bezichtigte insbesondere die britischen Baptisten, zu lange geschwiegen zu haben angesichts der vielen Informationen über Greueltaten, die ihnen vorlagen. „I feel extremely tired by these dear fearful missionaries, ... [their] attitude... is disgraceful."217 Tief beeindruckt war Morel allerdings von Morrison und seinem Auftritt in London anläßlich einer Parlamentsdebatte zur Situation im „Kongo-Freistaat". „The gallant Virginian, William Morrison, turned up unexpectedly from the Congo, and in the nick of time. No one could look into his straight blue eyes or take stock of his erect and vigorous carriage without an instinctive feeling of confidence. Isolated save for one or two companions, at far-away Luebo in the heart of the Kasai country, over a thousand miles from the coast, he had faced four years the anger and the threats of the Congo Free State's officials with imperturbable courage. With true American independence he had not only boldly tackled the local officials, but had denounced the crimes of the rubber system to the Governor-General... He had sent an eloquent epistle to the King, and communications burning with indignation to the European newspapers... He was merely a capable, honest, strong, fearless man and he told his story with a moral force which thrilled all who heard it."218 Morel ignorierte in seiner überschwenglichen Würdigung von Morrison, daß dessen Mitstreiter in der APCM, allen voran Sheppard, den Leiter der Mission mit Informationen versorgten. Morrison lebte nicht einsam und zurückgezogen in Luebo. Im Gegensatz zum abgelegenen Ibaanc war in der Zentrale der APCM eine größere Anzahl von Missionaren anwesend, so daß Morrison nie völlig auf sich allein gestellt war.219 Morrison war sich bewußt, daß seine Berichte größtenteils auf den Informationen seiner Kollegen - in erster Linie Sheppard - basierten. Er unterschlug auch nicht Sheppards Anteil an der Aufdeckung der so genannten „Kongo Greuel". Gleichwohl gelangte Morrison als „pioneer of missionary agitation"220 in die Schlagzeilen, und es war sein Name, der in den folgenden Jahren in England und in den USA im Zusamnmenhang mit der Kongo-Reformbewegung an erster Stelle genannt wurde. Sheppard kam die Rolle des Berichterstatters zu, der bei seinen Vorträgen in den Kirchengemeinden die Folgen des menschenverachtenden Regimes im Kongo eindrucksvoll schilderte, aber keine offizielle Funktion in der von Weißen dominierten Congo Reform Association innehatte. Morrison nutzte seinen mehljährigen Heimataufenthalt, um unter den Presbyterianern, bei der ABMU und bei anderen Missionsgesellschaften in den USA, aber auch im Außenministerium auf die unhaltbaren Zustände im Kongo aufmerksam zu machen und die Dringlichkeit von Wirtschafts- und Verwaltungsreformen anzumahnen. „After two years of letter writing, interviews, and other public denunciations, Morrison's campaign against the Leopold government had made him a
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marked man." 221 Als Sheppard und er 1906 in den Kongo zurückkehrten, zeigten sich die Kolonialbehörden fest entschlossen, die APCM aus dem Land zu drängen, um damit ein Exempel zu statuieren und andere protestantische Missionsgesellschaften gefügig zu machen. Doch die Missionare der APCM ließen sich nicht einschüchtern. Sie versuchten vielmehr, die übrigen protestantischen Missionen, die sich weiterhin zurückhaltend verhielten, zu agitieren und unter ihnen Mitstreiter für ihren Kampf gegen die Menschenrechtsverletzungen zu gewinnen. 222 Trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse wagte nur die APCM, sich direkt vor Ort mit den Kolonialbehörden auseinanderzusetzen. Hier war es in erster Linie Morrison, der das Kolonialsystem in seiner Funktion als Leiter der Mission in zahlreichen Briefen an den Gouverneur, an die Distriktbeamten und an die CK anprangerte.223 Die offene Kritik der Vertreter der APCM am „Kongo-Freistaat" hatte negative Konsequenzen in Bezug auf die Vergabe von Land zur Errichtung weiterer Stationen im Kasai. So erhielten die Presbyterianer trotz zäher Verhandlungen in den folgenden Jahren keine Landkonzessionen zum Ausbau der Mission im Umkreis von Luebo. Die abweisende Haltung der Kolonialbehörden verstärkte Morrisons Vorurteile gegenüber den Belgiern. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick in Morrisons Privatkorrepondenz. Wie viele Südstaatler zu jener Zeit war er von der Überlegenheit der Anglo-Saxon race überzeugt. In einem Brief, den Morrison kurz nach seiner Ankunft im „Kongo-Freistaat" Anfang 1897 verfaßte, beschrieb er die Belgier folgendermaßen: „...a nasty piggish lot of fellows who would make a decent man sick without a storm. And right here I will say that the Anglo-Saxon race is the cream of the earth. You will not be surprised that this race is leading the world today when you compare them with the Belgians, or French, or Germans, or Danes, or Scandinavians, or any others whom I have been brought into contact with."224 Wenn sich Morrison auch niemals öffentlich in einer derart rassistischen Art und Weise äußerte, so beeinflussten seine Vorurteile gegenüber den Belgiern doch insgesamt sein Verhalten zu den Agenten von Leopold II. sowie den katholischen Missionen. Die Konfrontation zwischen Morrison und dem Leiter der Mission der Scheutisten Père Eméri Cambier war Ausdruck der interkonfessionellen Rivalität zwischen Protestanten und Katholiken im Kongo. Cambier hatte sieben Monate nach Gründung der APCM in Luebo im rund 150 Kilometer entfernten Luluaburg ebenfalls eine Missionsstation errichtet. In den folgenden Jahren stritten beide Seiten um die religiöse Vorherrschaft in der Kasai-Region. Allerdings befanden sich die Presbyterianer von Beginn an im Nachteil, da die Behörden den Ausbau ihrer Mission blockierten, während den Scheutisten nicht nur alle Anträge auf Landkonzessionen bewilligte wurden, sondern sie darüber hinaus weitere Vergünstigungen erhielten wie beispielsweise die kostenlose Benutzung der staatlichen Transportant-
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tel. Diese offensichtliche Bevorzugung der Katholiken war Presbyterianern wie Althea Edmiston ein Dorn im Auge: „The „State" seems bitterly opposed to our being here. The Catholics are surrounding us ... most depressing news have come to us concerning the Catholics, who are not satisfied with having built a mission station at Bena Makima, ... but have also begun to build a station just on the other side of the Lulua River,... right between us and our out-stations, among the Lulua people, who are so eager for the gospel. We hear also, and it is a fact, that they have obtained a concession at Lukenga's village, the capital of our Bakuba work. They boast of being able to get a concession anywhere they wish. They are now on the aggressive against the Protestant mission."225 Morrison versuchte, mit dem Hinweis auf die in der Berliner Generalakte zugesicherte Religionsfreiheit die Arbeitsmöglichkeiten für die APCM zu verbessern. Doch erst nach der Annektierung des „Kongo-Freistaates" durch Belgien im Oktober 1908 erhielten die Presbyterianer die erforderlichen Konzession für eine Reihe zusätzlicher Stationen. Gleichwohl änderte sich auch in der belgischen Kolonie Kongo grundsätzlich nichts an der allgemeinen Benachteilung der protestantischen Missionsgesellschaften im Vergleich zu den Katholiken.226
Sheppard als Zeuge der „ Congo atrocities " Als Sheppard 1906 in den Kongo zurückkehrte, mußte er feststellen, daß sich trotz aller Kampagnen von Seiten der CRA und AC RA sowie zahlloser Appelle von Vertretern verschiedenster protestantischer Missionsgesellschaften aus Großbritannien und den USA an der Situation im Kasai nichts geändert hatte bzw. die Leiden der Bevölkerung noch zugenommen hatten. In der Umgebung von Luebo und Ibaanc wurden im Zuge der Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften Deportationen durchgeführt. Die Missionare sprachen von einer „Twentieth Century slavery".227 Das Verhältnis der APCM zu den Handelsgesellschaften war nicht frei von Spannungen, aber trotz ihrer unterschiedlichen Lebensstile und Weltanschauungen gab es in den ersten Jahren kaum Probleme zwischen Missionaren und Geschäftsleuten. Dies änderte sich nach 1901, als mit dem Zusammenschluss aller Handelsfirmen in der Kasai-Region die Compagnie du Kasai (CK) de facto die Regierung in der Region und u.a. auch die Eintreibung der Steuern übernahm.228 Die Steuern mußten in Kupfermünzen, den croisettes, bezahlt werden, die wiederum nur von der CK gegen Kautschuk erworben werden konnten. Die eingesammelten croisettes wurden zwischen den Kolonialbehörden und der CK, der die Festsetzung des Steuersatzes oblag, ausgetauscht.229 Obwohl diese Praxis der Steuereintreibung bereits im Bericht
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der Commission d'Enquête kritisiert worden war, änderte sich in den folgenden Jahren nichts daran. Die CK ging besonders skrupellos gegen die Kuba vor, die immer wieder das Sammeln und die Ablieferung von Kautschuk verweigerten. Die CK verzichtete schließlich auf das „croweMe-System" und erlegte den Kuba statt dessen eine Steuer in Form von vierzig Arbeitsstunden pro Monat auf. Dies bedeutete, daß jedes Dorf eine bestimmte Menge an Kautschuk abliefern mußte, die angeblich den vierzig Stunden Zwangsarbeit jedes Dorfbewohners entsprach. Dort wo die Kautschukquote nicht erreicht wurde, wurden Prügelstrafen und Inhaftierungen verhängt, teilweise wurden auch Menschen ermordet. Vass berichtete: „The State has practically relegated the gatherings of taxes to the Kassai Company, and they have degenerated into a low unprincipaled tax forcer, rather than a tax gatherer. The agent of a C.K. post is given a certain district, and he is to collect rubber in all of the villages. He places a sentry in the villages presumably to buy the rubber but in reality to force the people to make it. The sentry is the agent's mouthpiece and reports to him fully of all that goes on in the village... The people aie being oppressed and killed, the resources of the country aie being destroyed and all for a few unprincipaled dogs led by a dissolute whoremonger."230 Vass und seine Kollegen waren schockiert über die Mißhandlungen durch die CK und ihre Agenten an der Kuba-Bevölkerung. Sie hatten die Zerstörung von Ibaanc durch die Kuba nicht vergessen, zeigten jedoch Verständnis für das Verhalten des Lukengu gegenüber der APCM. Eine Entschädigung lehnten sie ab, um dem „Kongo-Freistaat" keinen Vorwand zu liefern, den Kuba noch höhere Steuern zur Bezahlung der Entschädigung abzuverlangen: „...the world should understand that they (die Kuba, K.F.-S.) were almost forced to their course by abominable treatment by the State. Let us show the people that we have no resentment towards them for what they have done, and if the truth were known I expect that a few hot heads were responsible for the whole affair and when the savage in them got stirred up they felt their power and were hardly to blame."231 Sheppard, dessen Anteilnahme für die Kuba unverändert groß war, fühlte sich ganz besonders betroffen von der Besorgnis erregenden Entwicklung im Kuba-Reich. Ende 1907 entschloß er sich zu einer weiteren Reise nach Mushenge, das er zuletzt im November 1904 gemeinsam mit Morrison besucht hatte und dessen relativer Wohlstand die beiden Missionare damals beeindruckt hatte. 232 Bei seiner Ankunft fand er ein völlig verändertes Mushenge vor. Stark berührt von dem Niedergang der Kuba beschrieb Sheppard seine Eindrücke: „These great stalwart men and women, who have from time immemorial been fiee,... who have always had their own king and a government not to be de-
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spised ...; these magnificent people ... have entered a new chapter in the history of their tribe. Only a few years since travelers through this country found them living in large homes ... happily with their wives and children, one of the most prosperous and intelligent of all the African tribes... But within these last three years how changed they are! Their farms are growing up in weeds and jungle, their king is practically a slave... The streets of their towns are not clean and well-swept, as they once were. Even their children cry for bread. Why this change? You have it in a few words. There are armed sentries of chartered trading companies, who force the men and women to spend most of their days and nights in the forests making rubber, and the price theyreceiveis so meager that they cannot live upon it... Looking upon the changed scene now, you can only join with them in their groans as they must say: ,Our burdens are greater than we can bear'."233 Die Vertreter der CK reagierten äußerst empört auf Sheppards Artikel, der im Januar 1908 im Kassai Herald erschien. Während die Gesellschaft zuvor kritische Stimmen ignorierte, fürchtete sie nun, ihr Schweigen könne als Schuldeingeständnis interpretiert werden. Obwohl Sheppard in seinem Bericht die CK mit keinem Wort erwähnt hatte, strengte die Compagnie ein Verfahren gegen ihn wegen Verleumdung an. Sheppard versuchte stets, im Gegensatz zu Morrison, eine offene Konfrontation mit den Vertretern des „Kongo-Freistaates" und der CK zu vermeiden, sondern er strebte immer eine gütliche Einigung an. Erst auf Morrisons Drängen hin erklärte er sich bereit, den Bericht über seinen Aufenthalt in Mushenge im Kassai Herald zu veröffentlichen. Im Verlauf seines zweijährigen Aufenthaltes in den USA trug Sheppard durch unzählige Zeitungsberichte und Vorträge dazu bei, daß die menschenverachtenden Zustände im „Kongo-Freistaat" einem größeren, überwiegend afroamerikanischen Publikum nahe gebracht wurden.234 Sheppards Auftritte hinterließen bei vielen Zuhörern einen tiefen Eindruck. Noch rund fünfzig Jahre später erinnerten sich einige an Sheppards Schilderungen der Congo atrocities: ,4 heard old Rev. Sheppard talk about the Congo, Leopold cutting peoples' hands off... The conduct of the Belgian King Leopold, the mutilation of people in the Congo." „...We had a negro missionary named Sheppard who came to Morehouse, or to the church in my home town, I forget which, and described all this. It made an indelible impression on me..."235 Das zentrale Thema von Sheppards Ausfuhrungen war die Zerstörung Afrikas durch die brutalen Ausbeutungsmethoden des Kolonialregimes von Leopold II. Es war ihm aber auch ein besonderes Anliegen, seiner Leser- und Zuhörerschaft ein positives Afrikabild zu vermitteln und einen Einblick in das afrikanische Alltagsleben, wie er es in den ersten Jahren nach seiner Ankunft im Kasai erlebt hatte, zu
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ermöglichen. Aber auch Abenteuerberichte wie seine erste Reise zu dem KubaHerrscher Kot aMbweeky II. hatten ihren festen Platz in seinen Vorträgen.236 Ein Teil seiner Zeitgenossen warf Sheppard vor, er setze sich nicht nachdrücklich für die Durchsetzung von Reformen im Kongo ein, und bezeichnete seine Ausführungen als unkritisch. Einige bezweifelten, daß er die Greueltaten mit eigenen Augen gesehen habe. Sheppard selbst verhielt sich zu diesem Punkt sehr vorsichtig und sprach von Informanten, die als Augenzeugen den Terror miterlebt hatten. Innerhalb der Mission herrschte Uneinigkeit über Sheppards Möglichkeiten, im Rahmen seiner öffentlichen Auftritte die Kolonialherrschaft des belgischen Königs im Kongo direkt für die Missstände verantwortlich zu machen. Einige seiner Kollegen übten massive Kritik an der angeblich zu großen Zurückhaltung Sheppards, der bei den zahlreichen Veranstaltungen der Kongo-Reformbewegung ein gefragter Redner war: „We all looked forward to Mr. Sheppard coining as a great thing for the cause, his being a colored man laboring amongst his own race, his wonderful experience with the already famous Zapo-Zap affair and above all things his happy and effective way of presenting a subject made us expect much aid from him. Dr. Barbour and Mr. Parks were very anxious to have him speak in Boston, and other centers. Mr. Sheppard however hung back, claiming that he wished to speak of the gospel work, and that he being a colored man would not be un