Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches [6., verm. und verbes. Aufl. Reprint 2020] 9783112364642, 9783112364635


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German Pages 400 [403] Year 1949

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Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches [6., verm. und verbes. Aufl. Reprint 2020]
 9783112364642, 9783112364635

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Lehrbücher und Grundrisse der

Rechtswissenschaft Erster Band

Berlin 1949 Walter de Gruyter & Co. v o n n s l j G. J. Göschen'sche Verlagahandtuag - J. Guttentag, Verlag«Du«bhand!ung - Georg B e t a e r - K»r! J. Trübner • Vett & Comp.

Allgemeiner Teil des

Bürgerlichen Gesetzbuches Von

Professor

Dr.

iuris

Heinrich Lehmann in JCöln

Sechste, vennehrte und verbesserte Auflage

Berlin 1949 Walter de Gruyter & Co. vonnait G. J . Göscbeu'tche Verlagshandlung J . Guttentag, Verlagsbvcbbandiujig - Georg Reimet - Kail J . TrObr.er — Val» & Comp.

Copyright by W a l t e r d e G r u y t e r S i Berlin 1947

Archiv Druck

von

Co.

Nr. 23 05 49 / 1

W. G i r a r d e t ,

Wuppertal

Dem

Andenken an

Ernst

Zitelmann

geboren am 7. August 1852 zu Stettin gestorben am 25. November 1923 zu Bonn

Vorwort zur fünften Auflage Der Allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches ist wieder in seine alten Rechte eingesetzt worden. Damit werden die Wünsche aller derer erfüllt, die das Bedürfnis empfinden, die Fülle des privatrechtlichen Stoßes von einem höheren Blickpunkt aus zu übersehen, die leitenden Grundgedanken herauszuarbeiten und zu einem einheitlichen Bau zu ordnen — also namentlich die Wünsche der Studenten, die bei dem Rechtsstudium nach der aufgehobenen nazistischen Studienordnung über mangelnden Überblick klagten, aber auch die Wünsche der fertigen Juristen, denen die Rechtsanwendung mehr als eine handwerksmäßige Fertigkeit in der Handhabe der einzelnen Gesetzesbestimmungen bedeutet. Die Bedenken, die man in dem letzten Jahrzwölft gegen den Allgemeinen Teil geltend gemacht hat, lassen sich keinonfalls gegen die w i s s e n s c h a f t l i c h e Herausarbeitung der Grundsätze erheben, die ein Rechtsgebiet beherrschen, sondern allenfalls gegen die g e s e t z l i c h e F e s t l e g u n g solcher Grundsätze durch v o r z e i t i g v e r a l l g e m e i n e r t e B e g r i f f e , also ehe das gesamte Tatsachenmaterial, für das sie in Betracht kommen, klar angeschaut und abgegrenzt i s t Das ist allerdings im Kernstück des Allgemeinen Teils, dem Abschnitt über Rechtsgeschäfte (§§ 104—185 BGB.), nicht überall hinreichend beachtet worden Es ist eine Schwäche des Allgemeinen Teils, daß seine Vorschriften über die Rechtsgeschäfte, obwohl sie z. T. nur Abstraktionen aus den angeschauten Tatbeständen des individualrechtlichen Verkehrs unter Einzelpersonen sind, gleichwohl ihrem W o r t laut nach allgemeine Anforderungen für alle Rechtsgeschäfte enthalten. So hat sich in den verflossenen Jahrzehnten immer mehr herausgestellt, daß diese Vorschriften der Eigenart der s o z i a l r e c h t l i c h e n Geschäfte, wie z. B. der des Verlöbnisses, der Gesellschaftsgründung, der Beitrittserklärung zur Gesellschaft, Beschluß und Abstimmung usw. nicht hinreichend gerecht werden. Das hat den Nachteil mit sich gebracht, daß ein vom Gesetzgeber in seiner Wesensart noch nicht richtig gewerteter sozialrechtlicher Tatbestand unter eine nicht passende Vorschrift gebracht wurde. Das wurde besonders bei der Einkleidung des Verlöbnisses in die Form eines „ V e r t r a g e s " im Sinne des Allgemeinen Teiles durch das Reichsgericht (RG. 61, 270 u. 80, 89) klar. Der Recht-

Vili

V o r w o r t zur f ü n f t e n Auflage.

sprechung fällt es erfahrungsgemäß viel schwerer, R e s t r i k t i o n zu treiben als sich zur A n a l o g i e zu entschließen, obwohl jene als ein E n g e r d e n k e n der Norm aus dem vernünftigen Gesetzeszweck heraus genau so berechtigt und notwendig ist als diese, die den im Gesetz niedergelegten Grundgedanken für die nicht geregelten, aber gleich zu behandelnden Tatbestände zu E n d e d e n k t . Die mit den Abstraktionen des Allgemeinen Teils verbundene Gefahr läßt sich durch eine richtige G e s e t z e s a n w e n d u n g mit diesen beiden Mitteln durchaus bannen, wenn die Rechtsprechung der Aufgabe gerecht wird, jeder Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift eine sorgfältige Untersuchung der durch sie getroffenen Tatsachen und Lebensverhältnisse sowie des vernünftig begrenzten oder erstrebten Gesetzeszweckes vorangehen zu lassen. Das Gesetz will i. Zw. die vernünftige und gerechte Ordnung der Lebensverhältnisse evident machen, nicht aber diese unpassend zurechtstutzen. In diesem Sinne verstanden und gehandhabt, verlieren die Vorschriften des Allgemeinen Teils das Bedenkliche zu weit getriebener Abstraktion. Statt ein Prokrustesbett der Lebenstatbestände werden sie ein unvergleichliches Mittel zur Beherrschung, systematischen Ordnung und gerechten Handhabung der positiven Rechtsnormen. K ö l n , Weihnachten 1946.

Heinrich Lehmann

Vorwort zur ersten Auflage Der „ A l l g e m e i n e T e i l " des Bürgerlichen Gesetzbuches gibt k e i n e i n h a l t l i c h e Regelung der einzelnen Lebens- und Rechtsverhältnisse. Er enthält nichts darüber, wie z. B. Käufe oder Mietverträge abgeschlossen werden und wirken, wie man Eigentum erwirbt, die Ehe eingeht oder ein Testament macht usw. Aber alle diese einzelnen Rechtsvorgänge und die dadurch begründeten Rechtsverhältnisse haben g e m e i n s a m e Bestandteile. Großen Einfluß hat beim Rechtserwerb und -verlust z. B. die W i l l e n s e r k l ä r u n g : Käufer und Mieter wird man grundsätzlich nur, wenn man eine darauf gerichtete Willenserklärung abgibt, ebenso ist's grundsätzlich bei Eigentumserwerb, Schließung der Ehe, Ernennung des Erben. Wichtigster Gegenstand rechtlicher Herrschaft sind die S a c h g ü t e r , überall ist die Frage bedeutsam, w e m die Rechte zustehen können: nur natürlichen Personen oder auch sonstigen menschlichen Einrichtungen wie Vereinen oder Stiftungen? Zudem eignet sämtlichen Rechten ein gleichmäßiges Grundgefüge. So liegt es nahe, diese gemeinsamen Bestandteile auszuscheiden und der inhaltlichen Regelung der einzelnen Rechtsverhältnisse in einem allgemeinen Teil voranzustellen. Dadurch werden nicht bloß Wiederholungen vermieden, sondern es wird auch erst die geistige Beherrschung des Rechtsstoffs gewonnen. Selbst wenn das G e s e t z unterlassen hätte, die Bildung solcher Grundbegriffe und Obersätze vorzunehmen, so müßte die W i s s e n s c h a f t diese Arbeit leisten. Denn sie hat die Aufgabe, die Fülle des Rechtsstoffs unter letzte einheitliche Oberbegriffe zu bringen und das geistige Band zu knüpfen, das die Teile zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfaßt. So haben auch schon die Lehrbücher des Gemeinen Rechts den einzelnen Rechtsgebieten einen allgemeinen Teil vorausgeschickt. Demgegenüber ist beim Bürgerlichen Gesetzbuch das Neue nur, daß das G e s e t z dieses Verfahren angenommen hat und s e l b e r in einem ersten Buche, dem sogen. „Allgemeinen Teil" seine Oberbegriffe und Leitsätze formt. Der „Allgemeine Teil" bringt danach k e i n e v ö l l i g e n N e u w e r t e , sondern enthält zum größten Teil a l t e s G e d a n k e n g u t , das Ergebnis

X

Votwort zur ersten Auflage.

jahrhundertelanger Gelehrtenarbeit. Abhängig ist er von der Vergangenheit schon in seinem Aufbau, der an die alte römische Dreiteilung erinnert in das ius quod pertinet ad personas, ad res und ad actiones. D i e s e r Grundriß gliedert sich teilweise anders als das Gesetz, namentlich wo es galt, das Verständnis des Anfängers nicht allzusehr zu erschweren; so ist z. B. das Personenrecht an den Schluß gestellt, wo es m. E. auch in der Vorlesung behandelt werden muß: es setzt die Kenntnis der Lehre vom Rechtsgeschäft voraus. Im Gesetzbuch fehlen Grundsätze über die Rechtsvorschriften selbst: sie sind in einer Einleitung, als „Lehre vom objektiven Recht" kurz zusammengestellt. Auf der andern Seite schien mir nicht ratsam, einen völligen Neubau im Gefüge des Allgemeinen Teils zu versuchen, so sehr auch die Aufgabe lockt und dereinst erfüllt werden muß. Aber jetzt ist die Zeit dafür noch nicht reif und dann warnt auch vor allzu eingreifenden Neuerungen der Zweck des Grundrisses. Immerhin mögen die von mir beliebten Abweichungen sowie die gelegentlichen abwertenden Betrachtungen den Leser davor bewahren, Begriffsgebilde und gedanklichen Aufbau des „Allgemeinen Teils" zu überschätzen. Seine Begriffe sind keine allgemeingültigen "Werte, keine unveränderlichen, bloß rechnerischen Größen, die man einfach auf die einzelnen Lebens- und Rechtsverhältnisse anzuwenden brauchte, um ihre Regelung als eine logisch-mathematische Lösung wie von einem Zähler abzulesen, sie sind selber erst a u s d e n E i n z e l s ä t z e n d e s g e l t e n d e n Rechts a b g e l e i t e t und bedürfen deshalb steter Ü b e r p r ü f u n g nach ihrer Wirkung im Leben. Schon der Anfänge; muß sich recht frühzeitig darüber klar werden: Die Kunst des Juristen besteht nicht darin, die Rechtssätze von a u ß e n an die Dinge h e r a n z u b r i n g e n und ihren gesunden Lebenswuchs zurechtzustutzen, sondern das Recht a u s den a n g e s c h a u t e n Dingen, aus der greifbaren Wirklichkeit des frischen Lebens h e r a u s z u h o l e n ; jeder Begriff ist so auszulegen, daß er einen möglichst hohen Lebenswert hat, die Gerichtigkeit darbietet, die menschlichem Können erreichbar ist. M ö g l i c h s t g e r e c h t den Fall entscheiden, das ist in allem das Leitziel.

Heinrich Lehmann

Inhaltsverzeichnis Der Allgemeine Teil (Buch 1) des Bürgerlichen Gesetzbuchs E 1 n 1 e i t u n g.

Das deutsche bürgerliche Recht — Die Lehre von den Rechtsvorschriften (vom objektiven Recht). Salt« §1.

I. A b s c h n i t t .

§2.

II. A b s c h n i t t .

J 3.

III. A b s c h n i t t

5 4.

IV. A b s c h n i t t .

V.

Abschnitt.

Begriff Rechts

des

d e u t s c h e n

b ü r g e r l i c h e n 1

Die V o r g e s c h i c h t e G e s e t z b u c h s , seine W e i t e r e n t w i c k l u n g

des B ü r g e r l i c h e n E n t s t e h u n g und 4

Die Quellen und E r s c h e i n u n g s f o des d e u t s c h e n b ü r g e r l i c h e n Recht A l l g e m e i n e Kennzeichen des bü lichen Rechts. — Arten setner s c h r i f t e n Oer H e r r s c h a f t s b e r e i c h b ü r g e r l i c h e n R e c h t s

20 20

I. Kapitel.

Einwirkung d e s BGB. cuf Landesrecht

§ 6.

2. Kapitel.

V e r h S l t s i s des b ü r g e r l i c h e n Rechts zum n e b e n ihm geltend e n P r i v a t r e c h t . — I n t e r n a t i o n a l e s P r i v a t r e c h t (Zwiscbenprivatrecht)

} 7

3. Kapitel.

V e r h ä l t n i s des b ü r g e r l i c h e n Rechts zum f r ü h e r e n Privatrecht

VI. A b s c h n i t t

5 9.

VII. A b s c h n i t t .

— Übergangsrecht

Ermittlung und liehen Rechts

10

d e u t s c h e n

9 5.

5 8.

das

des

r m e n s . . rgerVor-

v o r h a n d e n e Reichs-

und 26

(Intertemporales

A n w e n d u n g

R e c h t s w i s s e n s c h a f t

Privatrecht)

des

28 34

bürget 36

und

Schrifttum

47

Xll

Inhaltsverzeichnis.

I. B u c h

des

Bürgerlichen

Gesetzbuches

Allgemeine Lehren I.

Teil.

Die Lehre vom subjektiven Recht und seiner Ausübung. Seite I. A b s c h n i t t .

§ § § § §

10. 11. 12. 13. 14.

§ 15.

§ § § §

16. 17. 18. 19.

Begriff und Inhalt des subjektiven Rechts 1. Kapitel. Rechtsverhältnis and s u b j e k t i v e s Recht 2. Kapitel. Rechtssubjekt und Rechtsfähigkeit 3. Kapitel. Die Arten des subjektiven Rechts 4. Kapitel. Subjektives Recht und Anspruch 5. Kapitel. Subjektives Recht und Einrede II. A b s c h n i t t . A u s ü b u n g u n d S c h u t z d e r R e c h t e . . . . 1. Kapitel. Inhaltliche Ausübung . . I. Ausübung durch GenuB II. Ausübung durch Verfügung über das Recht . . . . 2. Kapitel. Schutz der Rechte A. Allgemeines über den Rechtsschutz B. Selbsttätiger Rechtsschutz C. Befugnis zum Selbstschutz D. Recht auf Staatshilfe

SC 50 54 5G 63 68 75 75 75 78 81 81 82 83 90

II. T e i 1.

Die Lehre von der Entstehung, dem Untergang und der Veränderung der Rechte. — Lehre vom Tatbestand. § 20.

I. A b s c h n i t t . 1. Kapitel.

$21. § 22. § 23.

2. Kapitel. 3. Kapitel. 4. Kapitel. II. A b s c h n i t t .

9 24.

1. Kapitel.

§ 25. 5 26. § 27.

2. 3. 4. 5.

5 28. § 29.

Kapitel. Kapitel. Kapitel. Kapitel.

Allgemeines 93 Der juristische Tatbestand und seine Bestandteile Im allgemeinen 93 Der Rechtserwerb insbesondere 95 Rechtsverlust 97 Der Schutz des redlichen V e r k e h r s 97 Rechtmäßiges Verhalten rechtsg e s c h ä f t l i c h e r Art 101 Rechtsgeschäft und Willenserklärung. — Das W e s e n der Willenserklärung und die Privatautonomie 101 Die Arten der Rechtsgeschäfte 109 Bestandteile des Rechtsgeschäfts 119 Unwirksamkeit der Rechtsgeschäfte 121 Die Erfordernisse des Rechtsgeschäfts 135 1. Geschäftsfähigkeit und Verfügungsbefugnis 135 2. Zulässiger Inhalt des Geschäfts 141 3. Gehörige Erklärung 151

Inhaltsverzeichnis. } 30.

§ 31. § 32. 5 33. § 34. § 35. § 36. $ 37. §38.

§ § i §

39. 40. 41. 42.

§ § § § §

43. 44. 45. 46. 47.

6. Kapitel. 7. Kapitel. 8. Kapitel. III. A b s c h n i 11.

IV. A b s c h n i t t . 1. Kapitel. 2. Kapitel. 3. Kapitel. 4. Kapitel. V.Abschnitt. 1. Kapitel. 2. Kapitel. 3. Kapitel. 4. Kapitel. 5. Kapitel.

XIII

A. Die Erklärung überhaupt. — Auslegung und Vertragsergänzung sowie richterliche Vertraygsumgestaltung B. Form der Erklärung C. Vollendung und Empfang D. Der Vertrag 4. Wille und Willensmängel Bedingung, Voraussetzung und Zeitbestimmung . . . . Die Stellvertretung Die Zustimmung Rechtmäßiges Verhalten nicht rechtsg e s c h ä f t l i c h e r Art. — Die s o g e n a n n t e n R e c h t s h a n d l u n g e n im e n g e r e n S i n n e Rechtswidriges Verhalten Begriff und Rechtsfolgen Ausschlufl der Rechtswidrigkeit Verschulden und Verantwortlichkeit Zufall und höhere Gewalt Die Zeit Allgemeines Auslegung und Berechnung der Zeitbestimmungen . . . Die Anspruchs Verjährung Befristung Die Verwirkung III.

Seite

164 170 173 185 209 225 248

254 256 256 260 261 266 267 267 268 269 275 275

Teil.

Die Lehre von den Kechtsobjekten (Gegenständen). $48. § 49. § 50. § § } §

51. 52. 53. 54.

I. A b s c h n i t t . II. A b s c h n i 11. 1. Kapitel. 2. Kapitel. 3. 4. 5. 6.

Kapitel. Kapitel. Kapitel. Kapitel.

Allgemeines 277 Die Sachen 278 Begriff der Sache 278 Einfache und zusammengesetzte Sachen. — Sachbestandteile 282 Arten der Sachen 289 Zubehör 291 Früchte 294 Rechts- und verkehrsunfahige Sachen 297 IV. T e i l .

Die Lehre von den Rechtssubjekten (Personen). § 55.

§ 56. § 57. i 58.

Die Bedeutung der rechtlichen Neuordnung seit ersten Weltkrieg für das Personenrecht. — Neue bandsformen ". . I. A b s c h n i t t . N a t ü r l i c h e P e r s o n e n 1. Kapitel. Anfang und Ende der Rechtspersönlichkeit 2. Kapitel. Rechtlich erhebliche Eigenschaften und Zustände . Kapitel. Namenrecht und sonstige Persönlichkeitsrechte . .

dem Ver. • 300 304 304 . . 309 . . 318

XIV

I 59.

5 60.

1 St.

Inhaltsverzeichnis.

II. A b s c h n i t t . J u r i s t i s c h e P e r s o n e n t, Kapitel. Allgemeines I. Das Wesen der juristischen Person . . . . . . . II. Die Arten der Juristischen Personen III. Die Rechts- und Handlungsfähigkeit der Juristischen Personen 2. Kapitel. Vereine I. Begriff und Arten det Vereine — Stellung des Staates zum Vereinswesen II. Die Erlangung der Rechtsfähigkeit III. Die Verfassung des Vereins IV. Die Rechtsstellung der Mitglieder V. Ende der Rechtsfähigkeit VI. Die Schicksale des Vereinsvermögens VII. Nicht rechtsfähige Vereine 3. Kapitel. Stiftungen

Sachregister

Seite 325 325 325 327 329 331 331 33S 33} 344 349 350 352 358 364

Verzeichnis der Abkürzungen 1. Die } } des BGB. sind nur mit der Zahl zitiert. Bei allen Qbrigen Gesetzen erfolgt das Zitat unter abgekürzter Angabe der Gesetzesstelle, etwa: EG. 2 — Einführunqsgesetz zum BGB. Art. 2. 2. Aul andere Stellen .unten" hingewiesen.

dieses

Buches

wird

durch

den

Vorsatz

„eben"

oder

3. Einzelne Abkürzungen AG. Akte. ALR. ArehöflK AV. BGB. BelZG. Bensb.

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Ausfübrungsgesetz zum BGB. Aktlengesetz vom 30. Januar 193?. Preußisches Allgemeines Landrecht. Archiv für öffentliches Recht. Ausführungsverordnung. Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich. Preußisches Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juui 1 tiSi. Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeltsgerichte, Verlag Bensheimer. Bundesratsverordnung. Archiv für bürgerliches Recht. Denkschrift zum BGB. Deutsche Juristenzeitung Deutsche Rechts-Zeitschrift. Herausgegeben von Karl S. Bader. Freiburg 1. Br. Verlag J . C. B Mohr, Tübingen. Deutsches Recht, an Stelle der Juristischen Wochenschrift getreten. Iherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, jetzt des bürgerlichen Rechts. Einführungsgesetz Binführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. Mtrz 1898. Reichsgesetz über die Angelegenhelten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mal 1898. Gesetz. Grundbuchordnung. Gewerbeordnung für das Deutsche Reich. Beitr zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von J . Gruchot. Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht von Grünhut. Gerichtsverfassungsgesetz für das Deutsche Reich vom 27. Januar 1877, 22. Marz 1924. Gesetz betr. die Verbindlichkeit zum Schadenersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken usw. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen vom 7. Juni 1871. Handwörterbuch der Rechtswissenschaft. Handelsgesetzbuch vom 10. Mal 1897. Jurtstische Rundschau, seit 1925. Juristische Wochenschrift Konkursordnung. Kraftfahrzeuggesetz. , Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 190?.

XVI LitUrhG

Verzeichnis der Abkürzungen. =

Gesetz betr. das Urheberrecht an W e r k e n der Literatur und der Tonkunst vom 19. J u n i 1901. LZ. =» Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht. s Mot. Motive zum Entwurf eines BGB. (amtliche Ausgabe). OLG. «» Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, herausgegeben von Mugdan und Falkmann. PStG. = Personenstandsgesetz vom 3. November 193?. PostG = Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reiches vom 28. Oktober 1871/20. Dezember 1899/5. Februar 1925/13. 12. 1933. PrV. = Preußische V e r f a s s u n g s u r k u n d e vom 30. November 1920. Prot. = Protokolle der Kommission für die II. Lesung des Entwurfs des BGB., bearbeitet von Achilles u. a. Recht= Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenstand. RG. — Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. RGKomra. = Kommentar von Reichsgerichtsräten zam BGB. RGStr. =° Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. 01 RGWarn. W a r n e y e r , Rechtsprechung des Reichsgerichts. RV. = Gesetz betr. Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871. RVerf. oder WeimV. = V e r f a s s u n g des Deutschen Reiches vom 11. August 1919. RvglHdwb. Rechtsvergleichendes Handwörterbuch f ü r das Zivil« und Handelsrecht des In* und Auslandes. RVerG. =* Reichsvereinsgesetz vom 19. April 1908. RVO. Reichsversicherungsordnung. 53 SeuffA. Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte. 93 SeuffBl. Seufferts Blätter für Rechtsanwendung. StGB. = Strafgesetzbuch f ü r das Deutsche Reich vom 15 Mai 1871. SüddJZ. = Süddeutsche Juristen-Zeitung. Herausgegeben von G e i l e r u. a. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg. UnlWG. Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren W e t t b e w e r b s vom 27. Mai 1896, 7. J u n i 1909. VO. — Verordnung. WarenzelchenG. = Gesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen vom 5. Mai 1936. Warn. = W a r n e y e r , J a h r b u c h der Entscheidungen. WG. = Wechselgesetz vom 21. J u n i 1933. ZfHR. = Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht. ZentrBlfHR. Zentralblatt für Handelsrecht. ZivA. = Archiv für zivilistische Praxis. ZPO. = Zivilprozeßordnung. ZVG. = Ges. über die Zwangsversteigerung u Zwangs Verwaltung v. 24. 3. 1897.

Einleitung Das deutsche bürgerliche Recht. Die Lehre von den Rechtsvorschriften (vom objektiven Recht). I.

Abschnitt.

Begriff des deutschen bürgerlichen Rechts. I. Das b ü r g e r l i c h e R e c h t ist P r i v a t r e c h t . Die Rechtsnormen, die das g e s e l l s c h a f t l i c h e Z u s a m m e n l e b e n der M e n s c h e n regeln, teilen wir h e r k ö m m l i c h e r w e i s e ein in ö f f e n t l i c h e s Recht und in P r i v a t r e c h t (,,Bürgerliches" oder „Zivilrecht"). Das ö f f e n t l i c h e Recht regelt die Beziehungen des Einzelnen zu S t a a t und ö f f e n t l i c h e n V e r b ä n d e n (Provinz. Kreis, Stadt- und Landgemeinde) und die Beziehungen dieser V e r b ä n d e zueinander; es regelt s i e unter dem G e s i c h t s p u n k t grundsätzlicher ü b e r - und U n t e r o r d n u n g Kurz g e s a g t : das öffentliche Recht ist das Recht der ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n V e r b ä n d e , d. h. der mit H e r r s c h a f t s g e w a l t a u s g e s t a t teten G e m e i n w e s e n , es ist das Recht der g e m e i n n ü t z i g e n Machtverhältnisse. Das P r i v a t r e c h t d a g e g e n regelt die V e r h ä l t n i s s e der einzelnen R e c h t s genossen a l s E i n z e l n e r unter dem G e s i c h t s p u n k t grundsätzlicher G l e i c h b e r e c h t i g u n g . Privatrecht ist Recht für b e l i e b i g e Einz e l n e , es ist das Recht der e i g e n n ü t z i g e n M a c h t v e r h ä l t n i s s e . Dem öffentlichen Recht gehören z. B an die Vorschriften über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit, über W a h l r e c h t , Steuerpflicht, Mitwirkung bei der Gerichtsbarkeit — Dem Privatrecht gehören an die Vorschriften über das Eigentum und die dringlichen Rechte, über Kauf, Miete, Darlehn, über die familien- und erbrechthchen Beziehungen usw Entscheidend für den Rechtscharakter einer Vorschrift ist im Zweifel ihr Z w e c k . Ist für die Zumessung der Rechte und Pflichten das Interesse der G e s a m t h e i t ausschlaggebend, so liegt ein Satz des Ö f f e n t l i c h e n Rechts vor. Beim P r i v a t recht sind dagegen die Interessen des E i n z e l n e n das z u n ä c h s t Bes t i m m e n d e Freilich sind auch die Normen des bürgerlichen Rechts in letzter Linie dazu bestimmt, die Lebensbedingungen der Gemeinschaft zu sichern, gerade wie umgekehrt die Normen des öffentlichen Rechts auch das Wohl des Einzelnen fördern wollen Entscheidend ist die R e i h e n f o l g e der Zwecke. Beim öffentlichen Recht ist der nächste Zweck die Wahrung der Gesamt belange, während das beim bürgerlichen Recht der entferntere Zweck ist Seine Vorschrilten suchen dem Wohl der Gesamtheit zu dienen, i n d e m sie dem E i n z e l n e n einen geschützten Macht kreis zuweisen, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann. A u s b i l d u n g und Entfaltung der freien E i n z e l p e r s ö n l i c h k e i t zu g e w ä h r l e i s t e n das ist Aufgabe und Leistung des P r i v a t rechts. Der kritische Blick sieht freilich bald, daß sich die Scheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht zwar theoretisch unschwer vornehmen läßt, daß aber tra einzelnen Rechtsverhältnis oft öffentlichrechtliche und privatrechtliche Bestandteile verschmelzen. Die Ordnung der Famiiienbeziehungen ist nicht ohne eine g e w i s s e Uber- und Unterordnunq denkbar. Auch die Einzelnen können sich zu Verbänden (Vereinen odei Gesellschaften) zusammenschließen, die als n i e d e r e oder p r i v a t rechtliche Verbände zwar zu dem Staat und den öffentlichrechthchen Verbänden im Gegensatz stehen, aber doch überindividuelle, soziale Zwecke verfolgen Die ,, S o z i a l i s i e r u n g " führt zur Umformung rein privatrechtlicher Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Gemeininteresses. So wird beim Privateigentum im Art. 153 Weimar RV und in den neuen Verfassungsentwürfen betont, daß es auch dem Lehmann,

Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil

1

5 1 1. U n t e r s c h i e d

z w i s c h e n öffentlichem Recht uud

Privatrecht.

G e m e i n w o h l zu d i e n e n h a b e . D e m e n t s p r e c h e n d s i n d im G r u n d s t ü c k s r e c h t e i n e A n z a h l n e u e r B i n d u n g e n e n t s t a n d e n , d i e z u m Teil ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n C h a r a k t e r h a b e n . Di« V e i I r a g s f r e i b e i t ist in d e r Z e i t n a c h d e m e r s t e n W e l t k r i e g s t a r k b e s c h n i t t e n w o r d e n , i n d e m R e c h t s v e r h ä l t n i s s e u n t e r P r i v a t e n in g e w i s s e n F ä l l e n d u r c h Verw a l t u n g s a k t b e g r ü n d e t o d e r v e r ä n d e r t w e r d e n k ö n n e n ( m a n d e n k e an M i e t - , P a c h t - u n d A r b e i t s r e c h t ) . V o n d e r F a m i l i e w u r d e in A r t . 119 II RV. g e s a g t : D i e R e i n e r h a l t u n g . G e s u n d u n g u n d s o z i a l e F ö r d e r u n g d e r F a m i l i e ist A u f g a b e d e s S t a a t e s und der G e m e i n d e n . Mit fortschreitender Durchdringung d e s Privatrechtes mit ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n « B e s t a n d t e i l e n , d. h. m i t d e m f o r t s c h r e i t e n d e n A u s g l e i c h d e s G e g e n s a t z e s , z w i s c h e n E-.nzelperson u n d G e s a m t h e i t w i r d d e s h a l b d e r W e r t der Scheidung immer fraglicher. F o l g l i c h darf e s n i c h t w u n d e r n e h m e n , d a ß J e d e r U n t e r s c h i e d z w i s c h e n p r i v a t e m u n d ö f f e n t l i c h e m R e c h t g e l e u g n e t w o r d e n Isti s o n a m e n t l i c h v o n H a n s K e l s e n u n d s e i n e r S c h u l e . K e l s e n will d a s R e c h t a u s s c h l i e ß l i c h a l s f o r m a l e Ordnung b e g r e i f e n und lehnt d e s h a l b eine S c h e i d u n g nach der Art d e r g e s c h ü t z t e n I n t e r e s s e n , also nach dem I n h a l t dei N o m e n , als unzulässig ab J e d e r Rechtssat2 und jedes s u b j e k t i v e R e c h t k ö n n e s o w o h l a l s im ö f f e n t l i c h e n w i e im p r i v a t e r I n t e r e s s e s t e h e n d a n g e s e h e n w e r d e n . Vom S t a n d p u n k t der Gesamtheit aus gesehen, sei jeder Rechtssatz öffentlich-rechtlicher Natur. Alles Recht sei Staatsrecht, jeder Staat sei Rechtsstaat. E i n e s o l c h e M i ß a c h t u n g d e r R e c h t s i n h a l t e ist a l s e i n s e i t i g zu v e r w e r f e n . Hin s t o f f l o s e s R e c h t ist e i n U n d i n g . „ W e r w i e K e l s e n d i e V e r w e n d u n g d e s Z w e c k m o m e n t s in d e r j u r i s t i s c h e n W i s s e n s c h a f t f ü r u n z u l ä s s i g e r k l ä r t , s c h n e i d e t s i c h ü b e r h a u p t j e g l i c h e M ö g l i c h k e i t j u r i s t i s c h e r B & g n f t s b i l d u n g a b . " (So z u t r e f f e n d A . B a u m g a r t e n , D i e W i s s e n s c h a f t v o m R e c h t u n d i h r e M e t h o d e , Bd. II, S. 10.) Auch unter der Herrschaft des Nazismus wurde der Unterschied von Vielen g e l e u g n e t , weil a l l e s R e c h t n u r d e m G e i n e i n w o h l zu d i e n e n h a b e — e i n e U b e r spannung, die die Belange der Einzelpersönlichkeit mißachtete Demgegenüber ist d a r a n f e s t z u h a l t e n , d a ß m a n d u r c h Z u r ü c k g r e i f e n auf d e n p r i m ä r e n Z w e c k d e r R e c b t s s ä t z e zu e i n e r w i s s e n s c h a f t l i c h h a l t b a r e n S c h e i d u n g d e s o b j e k t i v e n R e c h t s in z w e i H a u p t b e s t a n d t e i l e : ö f f e n t l i c h e s u n d p r i v a t e s R e c h t k o m m e n k a n n . W o e i n ö f f e a t l i c b r e c b t l i c b e i V e r b a n d a l s s o l c h e r , d h. a l s T r ä g e r ö f f e n t l i c h e r G e w a l t a m R e c h t s v e r h ä l t n i s b e t e i l i g t ist. hat d i e s e s ö f f e n t l t c h r e c h t l i c b e n Charakter ( S u b j e k t s t h e o r i e ) . O b im e i n z e l n e n (typischen) Pall eine solche Beteiligung vorliegt, kann freilich nicht immer aus dem Inhalt der Rechtsnorm ohne weiteres entnommen, sondern nur nach eingehender Erforschung d e r in B e t r a c h t k o m m e n d e n I n t e r e s s e n und Z w e c k e der N o r m e n t s c h i e d e n w e r d e n . Ja bei einer noch schärferen Sonderung der durch das o b j e k t i v e Recht g e s c h ü t z i e n I n t e r e s s e n d ü r f t e sich d i e s e Z w e i t e i l u n g d u r c h e i n e D r e i t e i l u n g fruchtbringend ersetzen lassen. Nach dem V o r g a n g O . v. G i e r k e s (Deutsches P r i v a t r e c b t I 26 ff.) k a n n m a n u n t e r s c h e i d e n : 1 Normen, die die S o n d e r Interessen des E i n z e l n e n als solche schützen wollen und dementsprechend eigenartig persönliche, e i g e n n ü t z i g e Machtv e r h ä l t n i s s e s c h a f f e n —- P r i v a t r e c h t im e i g e n t l i c h e n S i n n e ) 2. N o r m e n , d i e d i e I n t e r e s s e n d e s S t a a t e s , a l s o d e s h e r r s c h e n d e n , m i t u n a b h ä n g i g e r H e r r s c h a f t s g e w a l t ausgestatteten Gemeinwesens, und seiner Teile (Provinz, Kreis, Gemeinde) schützen wollen und dementsprechend i g e m e i n u ü t z i g e M a c h t v e r h ä l t n i s s e b e g r ü n d e n — ö f f e n t l i c h e s R e c h t im strengen Sinne; 3. N o r m e n , d i e d i e I n t e r e s s e n d e r s o z i a l e n V e r b ä n d e , d e r G e s e l l s c h a f t and ihrer Teile (Berufsklassen, Vereine, Gesellschaften Familie) schützen wollen und d a s durch Begründung teils eigennütziger, teils gemeinnütziger Machtverhältnisse tun — V e r b a n d s oder S o z i a l recht. Die V o r s c h r i f t e n , die d i e V e r b a n d s i u t e r e s s e n schützen, sind z u m Teil die (gleichen, w i e d i e V o r s c h r i f t e n , d i e d i e Einz ei I n t e r e s s e n g a r a n t i e r e n (Vertrags-, G e w e r b e - , V e r e t n s f r e i h e i t . Familien- und Erbrecht) Z u m Teil s c h ü t z t d e r S t a a t a u c h d i e G e s e l l s c h a f t s i n t e r e s s e n w i e e i g e n e , m a c h t s i e g e r a d e z u zu s t a a t l i c h e n ( G u t e s Beispiel* S c h u t z d e r A r b e i t s k r a f t , R e g e l u n g d e s A r b e i t s v e r t r a g s , W e i m a r e r R V . A r t . 157) Im s o z i a l i s t i s c h e n S t a a t n ä h e r t s i c h d i e V e r s t a a t l i c h u n g d e r g e s e l l s c h a f t l i c h e n I n t e r e s s e n d e m M a x i m u m . So e r k l ä r t sich, d a ß d a s S o z i a l r e c h t z u m Teil im P r i v a t r e c h t e n t h a l t e n , z u m Teil im R a h m e n d e s ö f f e n t l i c h e n R e c h t s m l t g e s t a l t e t u n d e n t w i c k e l t Ist I m m e r h i n g i b t e s G e b i l d e d i e in i h i o r Eigenart, weder durch das Privatrecht befriediqend geregelt w e r d e n , noch auch als rein s t a a t l i c h e b e h a n d e l t w e r d e n k ö n n e n , d i e e b e n g e s e l l s c h a f t l i c h zu r e g e l n s i n d , z . 13. T r u s t e und Kartelle, T a r i f g e m e i n s c h a f t e n .

5 1 1 . Unterschied zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht.

3

4. Endlich gibt es Normen, die die Interessen der staatlichen Verbände als Inhabet höchster Gewalt im Verhältnis zueinander schützen wollen, die die internationale Interessengemeinschaft zur Rechtsgemeinschaft erheben — Völkerrecht — und Normen, die Wechselbeziehungen des weltlichen Verbandes zum geistlichen Verband regeln — Kirchenrecht. Für das Privatrecht, das die Einzelnen als solche miteinander in Beziehung setzt, gilt Gleichordnung» für das öffentliche Recht, das die Beziehungen des Einzelnen zum Verband regelt, gilt Uber- und Unterordnung. Dagegen finden sich beide Gestaltungsprinzipien im Sozialrecht (z. B. grundsätzliche Gleichordnung der Gatten, Uberordnung der Eltern). Das Völkerrecht verbindet die Staaten grundsätzlich als gleichgeordnete Gemeinwesen, erst die Ausbildung eines wirklichen Völkerbundes würde auch hier Verhältnisse der Uber- und Unterordnung schaffen. Zur Zeit wird man freilich an der Zweiteilung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht schon mit Rücksicht auf das p o s i t i v e Recht festhalten müssen. Man denke z. B. an die Zulässigkeit des Rechtsweges, der grundsätzlich nur für p r i v a t r e c h t l i c h e Ansprüche eröffnet wird (§ 13 GVG.). Immerhin erleichtert die hier versuchte Einteilu.13 das Verständnis dafür, daß sich in so vielen Rechtsverhältnissen öffentlichrechtliche und privatrechtliche Bestandteile verschmelzen, und daß die Grenzen zwischen Privat- und öffentlichem Recht vielfach unsicher sind und sich ständig verschieben Vgl. zu den Theorien über öffentliches und privates Recht S t i e r - S o m l o (Reichsund Landesstaatsrecht, Bd. 1, Grundrisse XVIII, 1 ff.), sowie W e y r , Zum Problem e i r e s einheitlichen Rechtssystems (Arch. off. R. 23 529—580), K e l s e n , Hauptprobleme der Staatsrechtslehre 1911, und allgemeine Staatslenre 1925; Staat und Recht (1. d. Kölner Viertel jahrsheften für Sozialwissenschaften, II. Jahrg., 4. Heft); K o e l l r e u t e r , HdwbRw. IV 265.

II. Unter b ü r g e r l i c h e m R e c h t im Sinne der Darstellung ist nur zu verstellen das g e g e n w ä r t i g g e l t e n d e deutsche Privatrecht Das deutsche bürgerliche Recht ist, wie die Rechtsordnurgen aller Kulturvölker, nicht stets mhaltsgleich gewesen, sondern ist das Ergebnis einer langen geschichtlichen Entwicklung. Wenn auch die Darstellung des allgemeinen Teils nur das gegenwärtig geltende Recht zum Gegenstand hat, so muß man sich doch diesen Entwicklungsgang in großen Zügen vergegenwärtigen. Ohne Kenntnis des geschichtlichen Unterbaues ist das Gegenwartsrecht nicht voll verständlich.

III. Das b ü r g e r l i c h e Recht i m e n g e r e n , h i e r in B e t r a c h t k o m m e n d e n Sinne umfaßt aber nicht einmal das ganze geltende deutsche Privatrecht, sondern nur einen A u s s c h n i t t d a r a u s . Seit Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuches versteht man darunter nur das für j e d e r m a n n geltende P r i v a t r e c h t , das auf dem B ü r g e r l i c h e n G e s e t z b u c h und seinen E r g ä n z u n g s g e s e t z e n beruht Im Gegensatz dazu stehen-. a) die privatrechtlichen Sätze, die für b e s o n d e r e L e b e n s kreise gelten, wie das H a n d e l s r e c h t , das im wesentlichen Kaufmannsrecht ist. das G e w e r b e recht, soweit es die privatrechtlichen Interessen der g e w e r b l i c h e n U n t e r n e h m u n g e n regelt, das A r b e i t s recht, das das Arbeitsverhältnis der a b h ä n g i g e n Arbeitnehmer normiert usw. b) die privatrechtlichen Sätze, die für besondere G ü t e r kreise in Sondergesetzen niedergelegt sind, wie das Urheberrecht, Patentrecht, Verlagsrecht usw., die gewissen Erzeugnissen der schöpferischen Tätigkeit Rechtsschutz verleihen.

II. A b s c h n i t t . Die Vorgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, seine Entstehung und Weiterentwicklung. Zur Entwicklung Bd. 150, 52 f.

des deutschen

Zivilrechts

seit dem Zusammenbruch

I. V o r g e s c h i c h t e . 1. D i e R e z e p t i o n u n d d i e E n t w i c k l u n g landesrechtlichen Kodifikationen

bis

vgl.

zu

ZivA.

den

4

{ 2 1. Vorgeschichte des BGB.

Gegen Ausgang des Mittelalters ist das römische Recht (samt kanonischem Recht und langobardischem Lehnsrecht) als geltendes Recht in Deutschland aufgenommen worden (sogenannte Rezeption). Das g e s c h a h a l l m ä h l i c h d u r c h die U b u n g der G e r i c h t e , bei denen die gelehrten Richter die volkstümlichen Laienrichter ersetzten. Das einheimische Recht wurde zum größten Teil verdrängt. Eine wirkliche Rechtseinheit brachte die Rezeption gleichwohl nicht. Denn nach deutschrechtlicher Auffassung ging das Recht des e n g e r e n Lebens- und Rechtskreises dem des w e i t e r e n vor: „Willkür bricht Stadtrecht, Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht Reichsrecht." Das römische Recht erhielt nur a u s h i l f s w e i s e ( s u b s i d i ä r e ) Geltung. Die R e c h t s z e r s p l i t t e r u n g , die für das mittelalterliche deutsche Recht kennzeichnend war, bestand also zum Teil weiter. Bald setzte auch eine G e g e n b e w e g u n g ein, die einmal das römische Recht den deutschen Verhältnissen anzupassen suchte, dann aber auch bemüht war, deutsche Anschauungen festzuhalten oder zu erneuter Geltung und Anerkennung zu bringen. Weitergebildet wurde das r ö m i s c h e Recht vornehmlich im W e g e der Gewohnheit durch die Rechtsprechung; die Reichs g e s e t z g e b u n g betätigte sich wenig im Privatrecht. Das d e u t s c h e Recht erhielt sich in den P a r t i k u l a r r e c h t e n , die fortbestehen blieben und ihren Vorrang vor dem römischen Recht behielten (namentlich das gemeine Sachsenrecht, ius commune Saxonicum). 2. D i e g r o ß e n l a n d e s r e c h t l i c h e n Kodifikationen. Mit dem Niedergang des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation ging die Gesetzgebungsgewalt über auf die landesherrliche Gewalt. Zunächst unternahm diese nur die Einzelregelung bestimmter Rechtsverhältnisse. Mit ihrem Erstarken aber regte sich der Gedanke einer K o d i f i k a t i o n , d . h . einer g e s e t z l i c h e n Neugestaltung des Landesrechts als eines G a n z e n . Fördernd wirkten in dieser Richtung die naturrechtlicha und die völkische Strömung, die sich in dem Verlangen vereinigten nach einem in deutscher Sprache verfaßten Gesetzbuch, das die brauchbaren Teile des römischen Rechts mit den lebenskräftigen Gedanken und Einrichtungen des deutschen Rechts verschmelzen und so Sicherheit und Einheitlichkeit des Rechtszustands begründen sollte. Für das R e i c h konnte man sich zu einer derartigen gesetzgeberischen Tat nicht mehr aufschwingen, dagegen hatte in den E i n z e l s t a a t e n der K o d i f i k a t i o n s gedanke große Erfolge. In Betracht kommen namentlich außer dem 1756 für Bayern erlassenen (v Kreittmayerl Codex Maximtlieneus Bavaricus civilis, der dem Gemeinen Recht subsidiäre Geltung beließ: a) Das A l l g e m e i n e L a n d r e c h t für die p r e u ß i s c h e n Staaten, verkündet 5 Februar 1794, in Kraft seit 1. Juni 1794, b) der C o d e c i v i l oder Napoleon (unter Mitwirkung Napoleons entstanden) vom 20 Marz 1804; c) das B a d t s c h e L a n d r e c h t von 1809, in der Hauptsache eine deutsche Übersetzung des Code civlli

1 2

1. V o r g e s c h i c h t e

des

BGB.

5

d) d a s A l l g e m e i n e b ü r g e l l i c h e G e s e t z b u c h für die g e s a m t e n E r b l a n d e r der ö s t e r r e i c h i s c h e n M o n a r c h i e v o m 1. J u n i 181 l j e) das B ü r g e r l i c h e G e s e t z b u c h für d a s K ö n i g r e i c h S a c h s e n verk ü n d e t 2. J a n u a r 1863, tn K r a l t s e i t I M ä r z 1 8 6 3 .

Durch die landesrechtlichen Kodifikationen wurde zwar für ihr Geltungsgebiet ein einheitliches Privatrecht geschaffen, für Deutschland dagegen die durch die Rezeption gewonnene teilweise Rechtseinheit wieder zerstört. Den Ländern des kodifizierten Rechts standen die Gebiete gegenüber, in denen das Gemeine Recht seine Hilfsgeltung behielt. Danach waren in Deutschland v i e r große Rechtsgebiete zu unterscheiden: das des preußischen Landrechts, des französischen Rechts, des sächsischen Rechts und des Gemeinen Rechts, Selbst Preußen zerfiel in drei Privatrechtsgebiete: in der Rheinprovinz galt tler Code civil, in den östlichen Provinzen und Westfalen das Allgemeine Landrecht und in den 1866 erworbenen Landesteilen das Gemeine Recht. Helfen konnte aus dieser Zersplitterung nur eine r e i c h s rechtliche Neuordnung (Kodifikation). 3. D i e Rechtsgleichheitsbestrebungen. Dem Deutschen Bund (1815—1866) fehlte die Gesetzgebungsgewalt; er war nur ein völkerrechtlicher Verband. Er konnte aber Gesetzes e n t w ü r f e beraten lassen und ihre Annahme den einzelnen Staaten empfehlen. Gesetzeskraft vermochten diese Entwürfe nur durch Erlaß als einzelstaatliche Gesetze zu erlangen. So sind z w e i vortreffliche Gesetze, die deutsche W e c h s e l ordnung (1848) und das Allgemeine deutsche H a n d e l s g e s e t z b u c h (1861) entstanden. Dadurch wurde freilich k e i n g e m e i n e s (d. h. aus einer gemeinsamen Quelle geflossenes), sondern n u r a l l g e m e i n e s (d.h. tatsächlich übereinstimmendes) Recht geschaffen. Diese beiden Gesetzeswerke sind das Ergebnis der gleich mit den Freiheitskriegen einsetzenden Bestrebungen nach einem e i n h e i t l i c h e n und d e u t s c h e n Recht. Bereits 1814 forderte der Heidelberger Rechtslehrer Justus T h i b a u t ein gemeinsames Gesetzbuch in einer Flugschrift: ü b e r die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland. Gegen ihn wandte sich noch im selben J a h r e v. S a v i g n y i n seinem, das Programm der historischen Rechtsschule enthaltenden Buche „Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft". Er bekämpfte den Vorschlag Thibau's: 1. weil Preußen und Österreich doch nicht auf ihre eben geschaffenen Gesetzbücher verzichten würden, 2. weil der Zeit die Fähigkeit fehle, ein gutes Gesetzbuch hervorzubringen, 3. weil eine brauchbare Rechtssprache noch mangele. Die Auffassung Savignys trug damals den Sieg davon, es blieb alles beim alten. Erst die deutsche Nationalversammlung 1849 gab dem Verlangen nach einem einheitlichen bürgerlichen Recht wieder kräftigeren Ausdruck. Es kam jedoch nur zum Erlaß der Wechselordnung und des Handelsgesetzbuches sowie zur Arbeit an einem Entwurf eines gemeinsamen Obligationenrechts

6

5 2 II. Die E n t s t e h u n g des BGB.

(übrigens gegen den Widerspruch Preußens). Dieser wurde unmittelbar vor Auflösung des Bundes 1866 fertiggestellt (sogen Dresdener Entwurf). 4. D i e G e s e t z g e b u n g d e s N o r d d e u t s c h e n B u n d e s u n d d e s R e i c h s b i s z u m BGB. Nach der Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 17. April 1867 war dieser ein B u n d e s s t a a t mit einer e i n h e i t l i c h e n Z e n t r a l gewalt und dem Recht u n m i t t e l b a r e r G e s e t z g e b u n g für das B u n d e s gebiet, Art. 4 Nr. 13 der Reichsverfassung vom 16. April 1871 beschränkte freilich die Gesetzgebung — was das Privatrecht angeht — auf das Obligationen-, Handels- und Wechselrecht. Erst ein fünfmal wiederholter Antrag Miquel-Lasker brachte durch das G. vom 20. Dezember 1873 die Ausdehnung der Zuständigkeit zur Gesetzgebung auf das gesamte bürgerliche Recht. Damit war endlich die Grundlage zum e i n h e i t l i c h e n Neubau des Privatrechts für das ganze Reich gelegt. Einer erneuten Rechtszersplitterung war durch Art 2 der Reichsverfassung von 1871 vorgebeugt, wonach die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen. II. D i e E n t s t e h u n g d e s B ü r g e r l i c h e n G e s e t z b u c h s . 1. 1874 wurde eine V o r k o m m i s s i o n eingesetzt, die über Plan und Arbeitsweise Vorschläge machen sollte. 2. Nach ihrem Gutachten beschloß der Bundesrat 1874 die Einsetzung einer K o m m i s s i o n zur Ausarbeitung des Entwurfs. Diese bestand aus elf Mitgliedern unter Vorsitz des Reichsoberhandelsgerichtspräsidenten Pape. Zwei Mitglieder waren Theoretiker (Windscheid and Roth), die übrigen neun Praktiker (vornehmlich Planck). Zuerst wurden von fünf Redaktoren für die fünf Bücher Teilentwürfe hergestellt in siebenjähriger Arbeit. 1881 begannen die gemeinsamen Beratungen. Erst 1887 wurde der fertiggestellte Entwurf dem Reichskanzler übergeben mit M o t i v e n , die von Hiifsarbeitern ohne Verantwortung der Kommission hergestellt waren. Der s o g e n I. E n t w u r f w u r d e samt den M o t i v e n 1888 v e r ö f f e n t l i c h t und e r f u h r eine h e r b e Kritik, m e h r W i d e r s p r u c h als Zustimmung. M a n warf ihm vor e i n e ü b e r r o m a n i s t i s c h e , d o k t r i n ä r e u n d e u t s c h e , unsoziale H a l t u n g und eine s c h w e r f ä l l i g e , u n v e r s t ä n d l i c h e A u s d r u c k s w e i s e . Als s c h a r f e Kritiker t r a t e n n a m e n t l i c h hervor G l e r k e , Bähx (der e i n e n v o l l s t ä n d i g e n G e g e n e n t w u r f vorlegte), M e n g e r (Das b ü r g e r l i c h e Recht und d i e besitzlosen Klassen, 1890), s o w i e e i n e Reihe v o n V e r f a s s e r n (Zitelmann u. a.) -in d e n v o n B e c k e r und F i s c h e r h e r a u s g e g e b e n e n „ B e i t r ä g e n zur E r l ä u t e r u n g und B e u r t e i l u n g des E n t w u r f s e i n e s BGB." Völlig zutreffend war der T a d e l d e r F o r m , d i e S p r a c h e w a r ein S c h r i f t d e u t s c h s c h l i m m s t e r Sorte, die vielen V e r w e i s u n g e n e r s c h w e r t e n d a s V e r s t ä n d n i s u n g e h e u e r (vgl noch h e u t e §§ 581, 543 . 539—541, 460, 464 , 459—471 und 651 B G B ) Der I n h a l t w a r b e s s e r , ein Auszug a u s d e r d a m a l i g e n Zivilistik, a b e r t e i l w e i s e zu romanistisch, zu d o g m a t i s c h und k o n s t r u k t i v , n a h m zu wenig Rücksicht auf die B e d ü r f n i s s e des Lebens und d i e Lage der w i r t s c h a f t l i c h S c h w a c h e n (die Kommission h a t t e am g r ü n e n Tisch o h n e F ü h l u n g mit d e n V e r t r e t e r n d e r w i r t s c h a f t l i c h e n B e r u f s s t ä n d e g e a r b e i t e t ) , war zu kleinlich, dem Richter zu w e n i g V e r t r a u e n s c h e n k e n d . I m m e r h i n w a r d e r Entwurf w e r t v o l l als G r u n d l a g e f ü r eine e r n e u t e B e a r b e i t u n g .

3. 1890 betraute der Bundesrat mit der Umarbeitung eine z w e i t e K o m m i s s i o n . Zu ihr wurden neben Fachleuten nun auch V e r t r e t e r der verschiedenen w i r t s c h a f t l i c h e n I n t e r e s s e n t e n k r e i s e zugezogen, ebenso Vertreter der größten R e i c h s t a g s p a r t e i e n .

5 2 III. Neben- und Ausfülirungsflesetze zum BGB.

7

P l a n c k wurde zum Geiferalreferenten bestellt. 1895 war die Umarbeitung vollendet. Aber schon vorher veröffentlichte man wöchentlich die Beschlüsse der Kommission durch den Reichsanzeiger, nicht minder jedes Buch nach seiner Fertigstellung (sogen. Teilentwürfe II. Lesung). Nach einer Schlußredaktion wurde die Arbeit Ende Oktober 1895 dem Bundesrat als Ganzes vorgelegt ( B u n d e s r a t s v o r l a g e , zweiter Entwurf [E.II]). Im Anschluß daran beriet man den Entwurf des Einführungsgesetzes. 1898 est der II. E. im Druck erschienen, ebenso erschienen die P r o t o k o l l e der II. Kommission 1897—1899. Der Entwurf hatte in dieser Fassung 6 Bücher; in einem 6. Buch waren die Vorschriften zum sogen. Internationalen Privatrecht enthalten.

4. Der B u n d e s r a t nahm den Entwurf 1896 mit den von seinem Justizausschuß beantragten unerheblichen Änderungen an. Das Internationale Privatrecht wurde ins Einführungsgesetz verwiesen. Der Reichskanzler legte den Entwurf 1896 dem Reichstag mit einer im Reichsjustizamt ausgearbeiteten D e n k s c h r i f t vor — R e i c h s t a g s v o r l a g e . 5. Der Reichstag verwies nach der 1. Lesung den Entwurf an eine Kommission von 21 Mitgliedern. Nach der Beratung in zwei Lesungen (dazu Kommissionsberichte) erfolgte die zweite und dritte Lesung im Parlament Am 1. Juli 1896 wurden BGB. und EG. in namentlicher Abstimmung angenommen. Von 288 anwesenden Abgeordneten stimmten 222 dafür. 48 dagegen, 18 enthielten sich; 50 Mitglieder fehlten.

Die vom Reichstag beschlossenen Änderungen sind gleichfalls nicht sehr erheblich, insbesondere verdankt das eigenhändige Testament des französischen Rechts seine Aufnahme ins Gesetz dem Reichstag; abgeändert wurden ferner Eherecht und Vereinsrecht. 6. Der Bundesrat trat am 14. Juli 1896 den Reichstagsbeschlüssen bei. Am 18. August 1896 wurde das Gesetz vom Kaiser unterschriftlich vollzogen. als Tag des Inkrafttretens wurde der 1. Januar 1900 bestimmt. Abgeändert wurden bis zum Weltkrieg nur wenige Vorschriften, § 72 durch § 22 des ReichsvereinsG. und § 833 (Haftung des Tierhalters) durch G. vom 30 Mai 1908.

III. D i e N e b e n g e s e t z e d e s BGB., d i e A n p a s s u n g ä l t e r e r Reichsgesetze, landesrechtliche Ausführungsgesetze. 1. Zur E r g ä n z u n g des BGB., namentlich im Hinblick auf das V e r f a h r e n , wurden gewisse Fragen des bürgerlichen Rechts in drei gteichaeitig in Kraft getretenen S o n d e r gesetzen geregelt — sogen. N e b e n g e s e t z e. a) Die Grundbuchordnung vom 24. März 1897, b) das Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung vom 24. März 1897, c) das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit von» 17. Mai 1898.

2. Ä n d e r u n g e n erlitten auch einige ä l t e r e Reichsgesetze, die dem neuen bürgerlichen Recht angepaßt wurden. so das Handelsgesetzbuch, das Gerichtsverfassungsgesetz, die Zivilprozeßordnung, die Konkursordnung, das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, die Gewerbeordnung, das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung usw

3. Endlich hat die Neugestaltung des Privatrechts in sämtlichen Einzelstaaten l a n d e s r e c h t l i c h e Vorschriften zur A u s f ü h r u n g des BGB..

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I 8 IV. EinfluB von Krieg und Revolution auf das BGB.

sogen. A u s f ü h r u n g s gesetze nötig g e m a c h t Außerdem sind zahlreiche landesherrliche und ministerielle Verordnungen ergangen. IV. H i n f l u ß v o n K r i e g u n d R e v o l u t i o n a u f d a s B G B . — Die W e i m a r e r R e i c h s v e r f a s s u n g . — Die n a t i o n a l s o z i a listische Bewegung. Der Weltkrieg 1914—1918 und die Novemberrevolution von 1918 haben auf die Weiterentwicklung des Privatrechts einen großen Einfluß gehabt, der allerdings weniger in bestimmten g e s e t z g e b e r i s c h e n Eingriffen in die Paragraphenwelt des BGB. zutage trat als in einer durch das Vordringen der S o z i a l i s i e r u n g s i d e e bewirkten U m f o r m u n g unseres D e n k e n s und damit unserer Rechtsprechung sowie in gewissen zunächst n u r programmatisch in der Weimarer R e i c h s v e r f a s s u n g ausgesprochenen G r u n d f o r d e r u n g e n . Der Sozialisierungsgedanke wurde dabei n i c h t i m e n g e r e n t e c h n i s c h e n Sinne verstanden, wonach er auf Aufhebung des S o n d e r e i g e n t u m s an den P r o d u k t i o n s m i t t e l n zugunsten der Gesamtheit hinausläuft, sondern in dem w e i t e r e n Sinne einer s o z i a l e n A u s g e s t a l t u n g des m e n s c h l i c h e n G e m e i n s c h a f t s l e b e n s , die den S c h u t z d e s w i r t s c h a f t l i c h S c h w ä c h e r e n und darüber hinaus die W o h l f a h r t a l l e r möglichst erstrebt (vgl. R ö p k e , HdwbStaatsw. VII 567). Die W e i m a r e r R e i c h s v e r f a s s u n g vom 11. August 1919 beließ es bei der b i s h e r i g e n W i r t s c h a f t s o r g a n i s a t i o n , die beruhte auf dem P r i v a t e i g e n t u m (RV. Art 153), der V e r t r a g s f r e i h e i t und der f r e i e n g e w e r b l i c h e n B e t ä t i g u n g des Einzelnen überhaupt (RV. Art. 152, 151). Ebenso wurde das E r b r e c h t nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts gewährleistet (Art 154 RV.). Die Anerkennung der alten Grundlagen der Privatrechtsordnung erfolgte aber nur g r u n d s ä t z l i c h nnter deutlicher Absage an den Geist des schrankenlosen Individualismus. Die bisher übliche Auffassung des subjektiven Privatrechts als eines vorwiegend eigennützigen Machtverhältnisses wurde preisgegeben. Uberall in i e r Verfassung wurde der P f 1 i c h t e n gehalt, der den Privatrechten im Hinblick auf die A l l g e m e i n h e i t innewohnt, betont; am schönsten und eindrucksvollsten beim Eigentum, von dem es in Abs. III des Art 153 RV. heißt: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste. Den Ideen des Sozialismus w u r d e also in Ausnahmen vom Grundsatz eine gewisse A n e r k e n n u n g gezollt und der weiteren Entwicklung überlassen, ob und wie zwischen d e r G e d a n k e n w e l t des Sozialismus und der des Individualismus ein Ausgleich gefunden w e r d e n kann.

Die n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e B e w e g u n g trieb dann nach dem sogen Umbruch (März 1933) den Gemeinschaftsgedanken unter gleichzeitiger Absage an die Ideen des Marxismus auf die Spitze und unternahm es, Staat und Recht auf der Grundlage einer blutmäßig verbundenen, rassisch reinen deutschen Volksgemeinschaft aufzubauen. Das führte zu einer weitgehenden

} 2 IV. Die n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e B e w e g u n g .

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M i ß a c h t u n g der f r e i e n E i n z e l p e r s ö n l i c h k e i t und I h r e r n a t ü r l i c h e n G r u n d r e c h t e sowie zu einer die M e n s c h lichkeit und G e r e c h t i g k e i t v e r l e t z e n d e n U n t e r d r ü c k u n g der f r e m d r a s s i s c h e n B e v ö l k e r u n g s t e i l e , namentlich der Juden. Die u n m i t t e l b a r e n Eingriffe in die P a r a g r a p h e n w e l t des BGB hielten sich a b e r a u c h jetzt in e n g e n Grenzen, die R e c h t s u m g e s t a l t u n g vollzog sich vornehmlich durch Beeinflussung des R e c h t s d e n k e n s und der R e c h t s p r e c h u n g , d e r e n U n a b h ä n g i g k e i t rfiaa n i c h t m e h r a n e r k e n n e n wollte, s o n d e r n zu l e n k e n v e r s u c h t e . H e r v o r z u h e b e n sind an p r i v a t r e c h t l i c h e n Ä n d e r u n g s g e s e t z e n auf dem G e b i e t e d e s BGB. das EheG. vom 6. 7. 1938 und d a s T e s t a m e n t s G . vom 31. 7. 1938.

Nachdem die Diktatur und der Terror, mittels deren diese Grundgedanken durchgeführt wurden, durch den Zusammenbruch des Nazismus beseitigt worden waren, gehörte die Aufhebung des nationalsozialistischen Rechts zu einer der ersten Maßnahmen der Militärregierung. Durch Gesetz Nr. 1 der Militärregierung wurden u. a. das sogen. BlutschutzG. vom 15.9. 1935 und das ReichsbürgerG. vom 15. 9. 1935 aufgehoben. Das EheG. wurde von den nationalsozialistischen Gedanken gereinigt und neu publiziert durch KontrollratsG. Nr. 16 vom 20. 2. 1946. Das TestamentsG. ist bis heute bestehen geblieben, bei seiner Auslegung ist aber die Generalklausel des Gesetzes Nr. 1 der Militärregierung zu beachten. Art III gibt folgende allgemeine Auslegungsvorschriften: 4. Die Auslegung oder Anwendung des deutschen Rechts nach nationalsozialistischen Lehren, gleichgültig wie, wo und wann dieselben kundgemacht wurden, ist verboten. 5. Als Quelle für die Auslegung oder Anwendung deutschen Rechts dürfen Entscheidungen deutscher Gerichte, Amtsstellen und Beamten und juristische Schriften, die nationalsozialistische Ziele oder Lehren vertreten, erklären oder anwenden, nicht mehr .zitiert oder befolgt werden. Diese Generalklausel wurde z. B. für § 48 II TestG. bedeutsam, dessen Aufhebung später durch KRG. Nr. 37 erfolgt ist. Auch nach Aufhebung des nationalsozialistischen Rechts wird aber der große Prozeß der Sozialisierung, befreit von den bisherigen nationalsozialistischen Tendenzen, weitergehen. Und zwar jetzt mehr im Sinne des Sozialisierungsgedankens im engeren technischen Sinne. Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel wird dabei nicht mehr auf der ganzen Linie erstrebt, sondern nur, soweit die Aufrechterhaltung des Privateigentums an ihnen die Möglichkeit sozialer Ausbeutung und ungerechtfertigter Monopolgewinne eröffnet, also unter großbetrieblichen kapitalistischen Verhältnissen. Mit einer derartigen Sozialisierung und Wirtschaftslenkung muß die möglichste Freiheit und Gleichheit der Einzelpersönlichkeit im staatlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben vereint werden. Es bleibt die Aufgabe des Privatrechts, sie zu garantieren.

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§ 3 1. Q u e l l e n des b ü r g e r l i c h e n

Rechts.

III. A b s c h n i t t . { 3 Die Quellen und Erscheinungsformen des deutschen bürgerlichen Rechts. I. Ü b e r b l i c k . 1. Man kann alles Recht nach seinen Q u e l l e n scheiden. Der Begriff „Quelle" wird in dreifachem Sinne gebraucht: a) Im formellen Sinne der E n t s t e h u n g s u r s a c h e eines Rechtssatzes an sich. G e f r a g t wird hier n a c h d e r m ö g l i c h e n B e g r ü n d u n g s f o r m eines R e c h t s s a t z e s , n a c h den T a t b e s t ä n d e n , w o r a u s ü b e r h a u p t eine v e r b i n d l i c h e N o r m e r w a c h s e n k a n n (Gesetz? Gewohnheit? Gerichtsgebrauch? Wissenschaft?).

b) Im Sinne des U r s p r u n g s dieser Quelle, also der den Rechtssatz erzeugenden verschiedenen Lebenskreise. G e t r a g t wird hier nach den S u b j e k t e n d e r R e c h t s e r z e u g u n g ; d a n a c h , ob d e r Rechtssatz vom Reich, einem Land o d e r einer a u t o n o m e n , d. h. zu e i n e r s e l b s t ä n d i g e n Rechtss a t z u n g b e f u g t e n G e m e i n s c h a f t (Kirche, G e m e i n d e usw.) erzeugt ist.

c) Im Sinne der ä u ß e r e n E r s c h e i n u n g s f o r m eines Rechtssatzes.

H i e r wird nach der A r t und- W e i s e g e f r a g t , w i e d e r Rechtssatz zum A u s d r u c k kommt, n a c h d e r A r t der A u f z e i c h n u n g in G e s e t z e n , S t a a t s v e r t r ä g e n , a u t o n o m e « S a t z u n g e n , N i e d e r s c h r i f t e n v o n G e w o h n h e i t s r e c h t , G e r i c h t s e n t s c h e i d u n g e n usw.

2. Unter R e c h t s s a t z verstehen wir eine i n n e r h a l b einer organisierten m e n s c h l i c h e n G e m e i n s c h a f t geltende, auf ihrem W i l l e n beruhende V e r h a l t e n s n o r m , die unter gewissen Voraussetzungen ei« bestimmtes ä u ß e r e s Verhalten b i n d e n d vorschreibt, d. h. mit einem vom Willen der Unterworfenen unabhängigen Geltungsanspruch. Die sogen, g e n o s s e n s c h a f t l i c h e Rechtstheorie, wie sie z. B. v. G i e r k e (Dt. Privatrecht I 112ff.) vertritt, erkennt dabei an, daß jede organische Gemeinschaft, auch Religionsgemeinschaften, Stände, Berufsklassen, an sich zur Erzeugung von objektivem Recht befähigt sind. Die s t a a t l i c h e Rechtstheorie führt dagegen alles Recht im eigentlichen Sinne auf den S t a a t zurück, spricht diesem das R e c h t s e r z e u g u n g s m o n o p o l zu. Nach ihr gehören zum objektiven Recht nur die vom Staat selbst durch seine Organe erlassenen Rechtssätze und die mit staatlicher Zulassung von einem im Staate bestehenden engeren autonomen Verband erzeugten Verhaltensnormen (vgl. E. J a c o b i , Grundlehren des Arbeitsrechts 1927 S. 76). Der G e g e n s a t z wird b e d e u t s a m bei d e n s o g e n a n n t e n G e s a m t v e r e i n b a r u n g e n des A r b e i t s r e c h t s , den T a r i f v e r t r ä g e n und d e n Im W e g e dex Vereinbarung zustandegekommenen Betriebsordnungen; BetriebsratsG v. 10. 4. 1946, KontrollRG. N r 22. Die h e r r s c h e n d e Lehre hat sie b i s h e r als R e c h t s q u e l l e a n g e s e h e n . Die g e g e n t e i l i g e A u f f a s s u n g hat E. J a c o b ! für d a s f r ü h e r e Recht (1927 a. o. O . S 73f.. 260 f.) s c h a r f s i n n i g e n t w i c k e l t . A n der h e r r s c h e n d e n A n s i c h t ist auch jetzt noch festz u h a l t e n . Auch für die r e c h t l i c h e K e n n z e i c h n u n g der S a t z u n g des V e r e i n s , d i e d i e s e r nach dem W i l l e n der M a j o r i t ä t seiner M i t g l i e d e r g e s t a l t e n k a n n , Ist streitig, o b d e r V e r e i n seinen M i t g l i e d e r n g e g e n ü b e r eine Art g e s e t z g e b e r i s c h e r G e w a l t , A u t o n o m i e , hat, o d e r ob die ,,sogen. V e r e i n s a u t o n o m l e " n i c h t s a n d e r e s ist w i e ein u n g e n a u e r A u s d r u c k für d i e auf r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e r U n t e r w e r f u n g b e r u h e n d e Befugnis, d i e R e c h t s b e z i e h u n g e n der M i t g l i e d e r in g e w i s s e r W e i s e zu g e s t a l t e n (lex c o n t r a e t u s ) . N a c h RG. 165 S. 143 hat d i e Satzung den C h a r a k t e r e i n e r v e r t r a g l i c h e n V e r e i n b a r u n g n u r so lange, bis d e r V e r e i n ins Leben g e t r e t e n ist; sobald d a s aber g e s c h e h e n ist, gilt s i e als die v o n d e r P e r s ö n l i c h k e i t seiner M i t g l i e d e r l o s g e l ö s t e V e r f a s s u n g s e i n e s Eigenlebens. Da es i m m e r h i n r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e V o r g ä n g e sind, die diese gesetzesähnlicUe

§ 3 II. Satzungsrecht. — Gesetz und autonome Satzung

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Geltungskraft entfalten, bestehen aber keine Bedenken, die Vorschriften des BGB. übei die rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen — soweit sie passen — analog anzuwende» Man darf sich durch die Annahme einer Vereinsautonomie z. B. nicht abhalten lassen eine im Statut vorgesehene übermäßige Strafe für die Nichterfüllung von Mitglied* schaftspflichten in analoger Anwendung des § 343 BGB. als durch Richterspruch herabsetzbar zu behandeln.

3. Als R e c h t s q u e l l e n i m f o r m e l l e n Sinne einer tauglichen E n t s t e h u n g s Ursache des objektiven Rechts kommen n u r z w e i is> Betracht: S a t z u n g u n d G e w o h n h e i t . Die Rechtsregel kann vo» o b e n her, von der Zentralgewalt einer Gemeinschaft vorgeschrieben werden (Gesetz, Rechtssatzung) oder sich von u n t e n her bilden durch f r e i w i l l i g e t a t s ä c h l i c h e Ü b u n g (Gewohnheitsrecht). Auf niedrigen Kulturstufen ist das Recht fast ausschließlich Gewohnheitsrecht, (a dem Maße, wie das Gefü,ge eines Gemeinwesens fester wird und sich die Kultur bebt, wird das Gewohnheitsrecht immer mehr zurückgedrängt durch Gesetze, die von der Staatsgewalt im Namen der Gesamtheit erlassen werden. Heute ist das Recht fast ausnahmslos von oben her gesetztes Recht und gelangt zur Erscheinung in geschriebenes) oder gedruckten Urkunden. Doch hat sich auch noch Gewohnheitsrecht erhalten oder bildet sich neu, meist allerdings im Gewände der Rechtsanwendung.

4. Die G e w o h n h e i t Rechtsquelle.

ist eine der Gesetzgebung

ebenbürtige

Der allgemeine Wille, der sich in einer festen gleichmäßigen Übung eines bestimm' ten Verhaltens äußert, ist Recht, und wenn er sich im Widerspruch mit dem Gesetz durchsetzt, hat das Gesetz seine Geltung verloren. Selbstverständlich kann Reichsgesetzesrecht nur durch Reichsgewohnheitsrecht abgeändert werden (Art 2 Reichsverfassung v. 1871: Reichsrecht bricht Landesrecht). Das BGB erwähnt das Gewohnheitsrecht nicht besonders, erkennt es aber mittelbar an; nach Art 2 EG. ist „Gesetz" te seinem Sinne ..jede Rechtsnorm", also auch die gewohnheitsrechtliche.

II. S a t z u n g s r e c h t — G e s e t z u n d a u t o n o m e Satzung; Vereinbarung. 1. Gesetz im m a t e r i e l l e n Sinne ist j e d e s t a a t l i c h e R e c h t s s a t z u n g , also auch die n i c h t in der F o r m des „ G e s e t z e s " ergangene rechtsverbindliche Anordnung eines Rechtssatzes. a) Ein Gesetz im materiellen Sinne kann danach zustande kommen: einmal auf dem in der V e r f a s s u n g vorgesehenen, r e g e l m ä ß i g e n W e g e d e r „ G e s e t z g e b u n g", also unter M i t w i r k u n g der V o l k s vertretung oder, wo das Volk die alleinige Quelle der Gesetzgebung ist, d u r c h die Volksvertretung — Gesetz im f o r m e l l e n Sinne, aber auch im W e g e einer von einem Regierungsorgan o h n e M i t w i r k u n g der V o l k s v e r t r e t u n g erlassenen Vorschrift — sogen. Rechtsverordnung. a) D i e G e s e t z g e b u n g . Nach der Reichsverfassung von 1871 waren die zur Gesetzgebung berufenen Organe im Reich B u n d e s r a t u n d R e i c h s t a g s n i c h t der Kaiser, ihm stand nur die Ausfertigung und Verkündung der Reichsgesetze zu. Im Königreich Preußen waren die gesetzgebenden Organe der König und die beiden Häuser des Landtags In der d e u t s c h e n R e p u b l i k war nach der Weimarer Verfassung das Volk die alleinige Quelle der Gesetzgebung. Die Reichsgesetze wurden vom Reichstag beschlossen. Ausnahmsweise war ein Volksentscheld (Referendum) vorgesehen Außerde» gab Art 48 II dem Reichspräsidenten ein Notverordnungsrecht, wenn im Deutsches Reich die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet war Unter der Herrschaft des N a z i s m u s vollzog sich ein Umbau der gesetzgebenden Feiktoren. Das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24 3 1933 — das sogen. ErmächtigungsG — erteilte der Reichsregierung eine umfassende Vollmacht. Nach Art I konnten Reichsgesetze außer dem in dei Reichsverfassung vorgesehenen

5 3 II.

Gesetzgebung.

V e r f a h r e n a u c h d u r c h d i e R e i c h s r e g i e r u n g b e s c h l o s s e n w e r d e n . D a n e b e n b l i e b d e r in d e r V e i U s s u n g ( A r t 68 U) v o r g e s e h e n e W e g d e r G e s e t z g e b u n g a l s z u l ä s s i g b e s t e h e n . N a c h d e m G e s ü b e r d i e V o l k s a b s t i m m u n g v 14. 7. 1933 k o n n t e d i e R e i c h s r e g i e r u n g d a s V o l k betragen ob es einer von der Reichsregierung beabsichtigten M a ß n a h m e zustimme o d e r n i c h t . So w u r d e d a s G e s . ü b e r d a s S t a a t s o b e r h a u p t d e s D e u t s c h e n R e . c h e s , w o n a c h d a s Amt d e s Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers vereinigt w u r d e , der Volksa b s t i m m u n g u n t e r b r e i t e t . E n d l i c h k o n n t e der F ü h r e r a l s o b e r s t e r G e s e t z g e b e r d u r c h Führererlaß oder Anordnung Rechlsvorschrüten setzen D a v o n w u r d e in d e n l e t z t e n J a h r e n der nazistischen H e r r s c h a f t i m m e r m e h r G e b r a u c h g e m a c h t . Damit war die D e m o k r a t i e durch eine Diktatur ersetzt. Der Z u s a m m e n b r u c h D e u t s c h l a n d s und s e i n e B e s e t z u n g d u r c h die alliierten Streit* k r ä f t e i ü h r t e zu e i n e r B e s e i t i g u n g o d e r S t i l l e g u n g a l l e r Z e n t r a l s t e l l e n d e s R e i c h s Dia g e s e t z g e b e n d e G e w a l t g i n g auf d e n o b e r s t e n M i l i t ä r b e f e h l s h a b e r ü b e r . Cr ü b e r n a h m d i e o b e r s t e R e / g i e r u n g s g e w a l t d u r c h d i e P r o k l a m a t i o n N r . 1. D u r c h B e s c h l u ß v. 5. 6. 45 ü b e r n a h m e n s o d a n n d i e R e g i e r u n g e n E n g l a n d s , F r a n k * reichs, Rußlands und der Vereinigten Staaten d i e s e R e g i e r u n g s g e w a l t und ü b e r t r u g e n sie dem K o n t r o l l r a t in B e r l i n . S e i t d e m w u r d e n d i e R e c h t s - u n d Verwaltungsv o r s c h r i f t e n f ü r g a n z D e u t s c h l a n d a u s s c h l i e ß l i c h v o m KR. e r l a s s e n , w ä h r e n d d i e f ü r die einzelnen Besatzungszonen bestimmten von den Oberbefehlshabern der Zonen oder d e n von diesen b e s t . m m t e n Stellen e r l a s s e n w e r d e n . Als solche Stellen w u r d e n in i m m e r ' w e i t e r e m Umfang auch d e u t s c h e Behörden mit Zuständigkeiten ausgestattet, z . B . für die Justizangelegenheiten die Oberlandesgerichtspräsidenten, bzw. die Justizm i n i s t e r d e r g e b i l d e t e n L ä n d e r , in d e r b r i t . Z o n e s p ä t e r d a s Z e n t r a l j u s t i z a m t in H a m b u r g . In l e t z t e r Z e i t w u r d e d i e g e s e t z g e b e r i s c h e T ä t i g k e i t d e s K o n t r o l l r a t s g e r i n g e r u n d die Militärregierungsgesetze übernahmen die Führung. Sie übertrugen immer weitere Z u s t ä n d i g k e i t e n a n d e u t s c h e S t e l l e n , in d e m M a ß e , w i e s i c h d i e d e u t s c h e n L ä n d e r e i n e V e r f a s s u n g gaben und als staatliche Willensträger neu konstituierten. Am r a s c h e s t e n v o l l z o g s i c h d i e s e E n t w i c k l u n g in d e r a m e r i k a n i s c h e n Z o n e . Die P o t s d a m e r Ü b e r e i n k u n f t z w i s c h e n G r o ß b r i t a n n i e n , der USA. und der S o w j e t U n i o n v o m 2. 8. 1945 h a t t e d i e S c h a f f u n g g e m e i n s a m e r V e r w a l t u n g s e i n r i c h t u n a e n für die w i c h t i g s t e n W i r t s c h a f t s g e b i e t e in A u s s i c h t g e n o m m e n . Da e s n i c h t g e l a n g , e i n e U b e r e i n s t i m m u n g z w i s c h e n d e n a l l i i e r t e n Bes a t z u n g s m ä c h t e n zu e r z i e l e n , w u r d e i m J u l i 1947 f ü r d i e a m e r i k . u n d b r i t . Z o n e e i n e g e m e i n s a m e V e r w a l t u n g für die Gebiete der Ernährung Wirtsrhaft, F i n a n z e n , Post und d e s V e r k e h r s g e b i l d e t . Es w u r d e n b i z o n a l e R ä t e e i n g e r i c h t e t mit d e r B e f u g n i s , im R a h m e n i h r e r Z u s t ä n d i g k e i t a u c h V o r l a g e n v o n G e s e t z e n zu b e s c h l i e f e n , d i e v o n d e n L ä n d e r n e r l a s s e n w e r d e n s o l l t e n . D u r c h d i e M i l i t R E r l . v o m F e b r . 1948 ( P r o k l . N r . 7 d e r U S - M R / O r d N r . 126 d e r B r i t M R v o m 7. 2. 48) w u r d e d a s v e r e i n i g t e amerik. und brit. Wirtschaftsgebiet noch stärker zusammengefaßt (VW) Nach diesen G e s e t z e n b e s t e h t d i e V e r w a l t u n g d e s v e r e i n i g t e n W i r t s c h a f t s g e b i e t e s a u s : 1. D e m W i r t s c h a f t s r a t in F r a n k f u r t a. M . , 2. d e m L ä n d e r r a t ; 3. d e m V e r w a l t u n g s T a t ; 4. e i n i g e n V e r w a l t u n g s s t e l l e n . Der W R . h a t d a s R e c h t , G e s e t z e im R a h m e n s e i n e r Z u s t ä n d i g k e i t t u b e s c h l i e ß e n , d i e n a c h G e n e h m i g u n g d u r c h d i e MR ( B i p a r t i t e B o a r d ) v o m P r ä s i d e n t e n d e s W R im G e s e t z - u n d V e r o r d n u n g s b l a t t d e s W R v e r k ü n d e t w e r d e n . D e r W R h a t s e i t d e m e i n e R e i h e w i c h t i g e r G e s e t z e b e s c h l o s s e n , d i e zu e i n e m e r h e b l i c h e n T e i l d u r c h d i e v o n d e r MR e r l a s s e n e n W ä h r u n g s g e s e t z e v e r a n l a ß t w a r e n . M a n muß also unterscheiden die ursprüngliche G e s e t z g e b u n g s b e f u g n i s des Kontrollr a t s , d i e z. T. u r s p r ü n g l i c h e , z. T . a b g e l e i t e t e d e r Z o n e n r e g i e r u n g u n d d i e s t e t s abgeleitete deutscher Behörden. Die G e s e t z e d e s K o n t r o l l r a t s enthalten grundsätzlich n u r R i c h t l i n i e n , d e r e n A u s f ü h r u n g d e n Z o n e n r e g i e r u n g e n ü b e r l a s s e n ist. A u c h d i e b r i t . M i l i t ä r r e g i e r u n g bat die Auffassung vertreten, daß die Gesetze des Kontrollrats erst durch eine besond e r e A n o r d n u n g d e r Z o n e n r e g i e r u n g in K r a f t g e s e t z t w e r d e n m ü ß t e n ; v g l . H a n n . R p f l e g e 1946 S. 23 Z. 7. D i e F o r m e n d e r R e c h t s s e t z u n g d e s K o n t r o l l r a t s s i n d n a c h d e r D i r e k t i v e N r . 10 v . 22. 9. 1945: a) P r o k l a m a t i o n e n , die Angelegenheiten von besonderer Wicht i g k e i t f ü r d i e B e s a t z u n g s m ä c h t e o d e r d a s d e u t s c h e V o l k v e r k ü n d e n , b) G e s e t z e , die zur aligemeingültigen A n w e n d u n g erlassen werden, soweit sie nichts a n d e r e s ausd r ü c k l i c h b e s t i m m e n , c) B e f e h l e , f a l l s d e r K o n t r o l l r a t F o r d e r u n g e n a n D e u t s c h l a n d z u s t e l l e n h a t u n d d i e s e n i c h t in F o r m e i n e s G e s e t z e s e r f o l g e n , d) D i r e k t i v e n f ü r die B e k a n n t m a c h u n g der allgemeinen Absichten oder Entscheidungen des Kontrollr a t s in v e r w a l t u n g s t e c h n i s c h e n A n g e l e g e n h e i t e n , e) I n s t r u k t i o n e n , falls der K o n t r o l l r a t u n m i t t e l b a r e F o r d e r u n g e n a n e i n e b e s o n d e r e B e h ö r d e zu s t e l l e n h a t N e b e n d e n V o r s c h r i f t e n d e s KR. g e l t e n in d e n d r e i w e s t l i c h e n Z o n e n a u c h n o c h die Proklamationen, Gesetze, Verordnungen und sonstigen Bestimmungen der Militärregierung Deutschland — Kontrollgebiet des Obersten Befehlshabers, soweit sie nicht

§ 2 II. R e c b t s v e r o r d n u n g .

Autonome

Satzung.

13

e r s e t z t o d e r d u r c h s p ä t e r e V o r s c h r i f t e n ü b e r h o l t sind. Die T r e n n u n g der v e r e i n i g t e n m i l i t ä r i s c h e n Befehlsgewalt a n t e r dem 14. 7. 1945 bildet hier den Einschnitt Die O b e r b e f e h l s h a b e i der e i n z e l n e n B e s a t z u n g s z o n e n b e d i e n e n sich e b e n f a l l s d e r v e r s c h i e d e n s t e n Formen für den Erlaß von R e c h t s v o r s c h r i l t e n , nämlich d e r V e r o r d n u n g , Bekanntmachung. Verfügung. Anordnung.

ß) Die R e c h t s Verordnung. Vom Gesetz unterschied man f r ü h e r d i e s o g e n . R e c h t s v e r o r d n u n g , die d u r c h ein a u s f ü h r e n d e s (Exekutiv-) O r g a n auf G r u n d a l l g e m e i n e r o d e r b e s o n d e r e r ( v e r f a s s u n g s m ä ß i g e r oder gesetzlicher) E r m ä c h t i g u n g erlassen wurde Eine s o l c h e Ermächtigung war aber nur nötig für die R e c h U v e r o r d n u n g . die eine die S t a a t s a n g e h ö r i g e n u n m i t t e l b a r v e r p f l i c h t e n d e R e c h t s v o r s c h r i f t e i n f ü h r t Im G e g e n s a t z dazu steht die s o g e n V e r w a l t u n g s Verordnung, d i e nur eine, die Einrichtung oder Tätigkeit der S t a a t s o r g a n e oder der öffentlichen Anstalten b e t r e f f e n d e A n w e i s u n g der v o r g e s e t z t e n an die n a c h g e o r d n e t e Behörde e n t h ä l t (Instruktion oder Reglement). D e r a r t i g e V e r o r d n u n g e n d i e n e n nur der D u r c h f ü h r u n g des g e l t e n d e n Rechtes Bei d e n R e c h t s v e r o r d n u n g e n u n t e r s c h e i d e t man w e i t e r die s o g e n N o t v e r o r d n u n g e n , die in a u ß e r o r d e n t l i c h e n N o t l a g e n des s t a a t l i c h e n Lebens von einem Trägar der vollz i e h e n d e n G e w a l t e r l a s s e n w e r d e n (Artikel 48. Abs 2 Weim. RV) ; ferner die A u s - , f ü h r u n g s v e r o r d n u n g e n . die d i e B e s t i m m u n g e n e i n e s G e s e t z e s e r g ä n z e n oder die von ihm g e l a s s e n e n Lücken a u s f ü l l e n , z. B. die vom Kaiser mit Z u s t i m m u n g d e s B u n d e s r a t s e r l a s s e n e V e r o r d n u n g vom 27 März 1899, betr die H a u p t m ä n g e l und G e w ä h r f r i s t e n beim V i e h k a u f ; endlich die P o l i z e i v e r o r d n u n g e n , das sind a l l g e m e i n e A n o r d n u n g e n der P o l i z e i b e h ö r d e n , w o d u r c h H a n d l u n g e n unter S t r a f a n d r o h u n g g e b o t e n oder v e r b o t e n w e r d e n . Z. B. Straßen-, Markt-, Friedhof-, P r e i s s c h i l d e r v e r o r d n u n g e n — G e g e n s a t z die an d i e Einzelnen g e r i c h t e t e P o l i z e i v e r f ü g u n g und die polizeiliche S t r a f v e r f ü g u n g . Der Unterschied zwischen G e s e t z im formellen Sinn und R e c h t s v e r o r d n u n g h a t t e aber b e r e i t s u n t e r der H e r r s c h a f t d e s N a z i s m u s seine B e d e u t u n g v e r l o r e n in dem Maße, in dem der F ü h r e r e r l a ß o d e r die F ü h r e r a n o r d t i u n g die o r d e n t l i c h e G e s e t z g e b u n g v e r d r ä n g t e H e u t e ist er auf die r e c h t s e t z e n d e Tätigkeit der M i l i t ä r b e h ö r d e n ü b e r h a u p t nicht mehr a n w e n d b a r . Gesetz und V e r o r d n u n g u n t e r s c h e i d e n sich ü b e r h a u p t nicht m e h r durch d i e A r t ihres Z u s t a n d e k o m m e n s , s o n d e r n nach ihrem I n h a l t .

b) Das Gesetz Sie bringt es gebungsakt. Ohne schwachen Füßen

bedarf der V e r k ü n d u n g . zur allgemeinen Kenntnis und vollendet den GesetzPublikation würde die Durchsetzung des Gesetzes auf stehen.

Früher w u r d e n die R e i c h s g e s e t z e im R e i c h s g e s e t z b l a t t v e r k ü n d e t . Sie t r a t e n n a c h $ 3 des E r m ä c h t i g u n g s G . , s o w e i t nicht ein a n d e r e s b e s t i m m t w u r d e , mit dem auf die V e r k ü n d u n g f o l g e n d e n T a g e in Kraft. Die M i l i t ä r g e s e t z e w e r d e n in b e s o n d e r e n A m t s b l ä t t e r n der M i l i t ä r r e g i e r u n g verk ü n d e t . für die brit Zone z B im , , A m t s b l a t t der M i l i t ä r r e g i e r u n g D e u t s c h l a n d . Britisches K o n t r o l l g e b i e t " Die V e r o r d n u n g e n der d e u t s c h e n Behörden in b e s o n d e r e n A m t s b l ä t t e r n , z. B. in den J u s t i z b l ä t t e r n für die einzelnen O b e r l a n d e s g e r i c h t s b e z i r k e , j e t z t in dem V e r o r d n u n g s b l a t t für die Brit. Zone. Die G e s e t z e und A n o r d n u n g e n der M i l i t ä r r e g i e r u n g t r e t e n g r u n d s ä t z l i c h mit ihrer V e r k ü n d u n g in Kraft. G l e i c h e s g i l t für die V e r o r d n u n g e n der d e u t s c h e n ß e h ö r d e n . Doch kommen V e r o r d n u n g e n vor, deren I n k r a f t t r e t e n s c h o n für e i n e n vor ihrem Erlaß l i e g e n d e n Z e i t p u n k t a n g e o r d n e t wird

2. S t a a t s v e r t r ä g e sind als solche keine Gesetze.

Sie v e r p f l i c h t e n als v ö l k e r r e c h t l i c h e A b m a c h u n g e n nur die v e r t r a g s c h l i e ß e n d e n Staaten. Damit sie den C h a r a k t e r einer Rechts- oder V e r w a l t u n g s v o r s c h r i f t nach innen e r h a l t e n , m ü s s e n s i e a u ß e r d e m noch als s t a a t l i c h e r Befehl v e r k ü n d e t w e r d e n . Nach der W e i m a r e r V e r f a s s u n g mußten F r . e d e n s v e r t r ä g e als Reichsgesetz v e r k ü n d e t w e r d e n , Art 45. WRV Für s o n s t i g e V e r t r ä g e war d i e Form eine VO des Reichsp r ä s i d e n t e n ; diese b e d u r f t e bei V e r t r ä g e n , die sich auf G e g e n s t ä n d e der Reichsg e s e t z g e b u n g bezogen, d e r Z u s t i m m u n g des Reichstages und mußte die e r f o l g t e Z u s t i m m u n g h e r v o r h e b e n , Art 45 III W R V . Art 4 des E r m ä c h t i g u n g s G . v. 24. 3 1933 hat d a n n später d'.e N o t w e n d i g k e i t dieser Z u s t i m m u n g b e s e i t i g t

3. A u t o n o m e S a t z u n g ist eine R e c h t s v o r s c h r i f t , die von einem mit R e c h t s e t z u n g s b e f u g n i s a u s g e s t a t t e t e n , im Staate bestehenden e n g e r e n V e r b a n d erlassen ist. Gewisse ö r t l i c h e Ver-

14

§ 3 (I.

Vereinbarung.

bände (wie Provinzen, Kreise, Gemeinden), aber auch p e r s o n l i c h e Verbände haben das sogen. Recht der Autonomie, d. h. ein Gesetzgebungsrecht für ihnen eigentümlich Verhältnisse. Diese Satzungsgewalt besteht heute nur kraft Zulassung oder Übertragung von selten des Staates. Beseitigt ist d i e A u t o n o m i e des hohen A d e l s (EG. BGB. 5?, 56) durch A r t 109 1)1 W R V . Die W e i m . V . enthält genau g e n o m m e n nur eine A n w e i s u n g zur Beseitigung, der A b b a u der V o r r e c h t e des hohen A d e l s ist dem Landesrecht überlassen. Preußen hat d i e Beseitigung der Standesrechte v o l l z o g e n durch Gesetz über d i e Standesv o r r e c h t e des A d e l s und d i e Auflösung der H a u s v e r m ö g e n v o m 23. Juni 1920. V o n der S a t z u n g s Autonomie ist d i e r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e P r i v a t autonomie zu unterscheiden, ^kraft deren d i e einzelnen Rechtsgenossen ihre Beziehungen durch Rechtsgeschäft b e l i e b i g gestalten können: siehe darüber unter § 24 I - I I I .

4. V e r e i n b a r u n g . A l s eigenartiger Entstehungstatbestand eines Rechtssatzes ist in der neueren Literatur der Begriff der r e c h t s e t z e n d e n V e r e i n b a r u n g heiausgearbeitet worden. B i n d l n g , Gründung des Norddeutsch. Bundes 1838, 69ff.; d e r s . , Zum W e r d e n und Leben der Staaten 1920, S. 191ff.; G e o r g J e i l i n e k , Die Lehre v o n den Staatenverbindungen 18S2, lOlff.; T r i e p e l , V ö l k e r r e c h t u. Landesrecht 1899, 43H.; H a t s c h e k , Lehrb. des dcutsch. u. preuB. V e r w a l t u n g s r e c h t s (5/6) S6if; E. J a c o b i , (a. a. O . ) 260ff.); E n g l ä n d e r , Die r e g e l m ä ß i g e Rechtsflemeinschaft, 182ff., 205ff., 211K.I V o g e l , V e r t r a g u Vereinbarung 1932

Die Vereinbarung darf nach dieser Lehre mit dem V e r t r a g nicht gleichgesetzt werden. Sie ist zwar wie dieser die erklärte Willensübereinstimmung mehrerer Parteien. Während sich aber beim Vertrag die Parteien als Träger entgegengesetzter Interessen gegenüberstehen und inhaltlich verschiedene, aber einander entsprechende Willenserklärungen abgeben, die sich auf einen einheitlichen Erfolg zusammenfinden, stehen bei der Vereinbarung die Parteien einander nicht als Träger entgegengesetzter Interessen gegenüber, sondern geben inhaltlich gleiche Erklärungen ab, die auf den gleichen rechtlichen Erfolg gerichtet sind und gemeinsame, gleiche oder einheitliche Interessen befriedigen. Als Beispiele für eine solche Vereinbarung werden "u. a. angeführt: die Vereinbarung der Verfassung eines Bundesstaates durch die sich zusammenschließenden Staaten, die Aufstellung von Völkerrechtssätzen durch mehrere Staaten, die Errichtung der Vereinsstatuten durch mehrere Einzelpersonen, die sogenannten Regulierungsrezesse zwischen Gutsherrschaft und Gemeinden usw. In diesem Zusammenhang interessiert nur die rechtsetzende Vereinbarung. Selbst wenn sie für das Völkerrecht eine besondere Rechtsquelle neben dem Vertrag darstellen sollte, besteht doch für die Vereinbarungen im Gebiete des i n n e r s t a a t l i c h e n Rechts, die vom staatlichen Gesetzgeber mit rechtserzeugender Kraft ausgestattet sind, keinerlei Notwendigkeit, sie als eine b e s o n d e r e Rechtsquelle n e b e n der a u t o n o m e n S a t z u n g anzuerkennen. Denn es ist zu beachten, daß die Erscheinungsform, in der in solchen Fällen der Rechtssatz entgegentritt, nicht die Vereinbarung an sich, sondern die E r k l ä r u n g des durch die Vereinbarung entstandenen gemeinsamen Willens ist, der sogen. G e s a m t a k t im Sinne K u n t z e s (Leipziger Festgabe für Müller 29). „Die Vereinbarung beschränkt sich auf die Bildung eines gemeinsamen oder Gemein-

5 3 III.

Gewohnheitsrecht.

15

willens, dei Gesamtakt ist Erklärung des fertigen gemeinsamen oder Gemeinwillens Dritten gegenüber" (T r i e p e 1, a. a. O., 60 "u. 75). Eine Erklärung Dritten gegenüber ist nur dann unnötig, wenn der Kreis der von dem vereinbarten Rechtssatz Betroffenen zusammenfällt mit dem Kreis dei bei der Rechtsbildung Beteiligten. Wenn aber die bloße Vereinbarung ohne Erklärung nicht genügt, um einen Rechtssatz zu erzeugen, dann ist die Vereinbarung auch nicht als eine eigene Rechtsquelle neben der autonomen Satzung anzuerkennen, bildet vielmehr nur einen besonderen E n t s t e h u n g s v o r g a n g für autonomes Satzungsrecht. Die autonome Satzung wird sich allerdings regelmäßig darstellen als die e i n s e i t i g e Erklärung der Zentralgewalt eines Verbandes, sie kann aber auch eine zweiseitige Erklärung mehrerer Verbände oder eines Verbandes und einer Einzelperson (Arbeitgeber beim Tarifvertrag) sein. Die Vereinbarung ist an sich nur eine f o r m a l e Kategorie, die sofort zu der Frage nötigt, warum denn gerade eine solche Vereinbarung mit rechtsetzender Kraft ausgestattet worden ist. Und darauf lautet die Antwort: weil der staatliche Gesetzgeber den in Betracht kommenden Verbänden die Möglichkeit eröffnen wollte, ihre eigentümlichen Verhältnisse im W e g e der Selbstverwaltung im Rahmen des allgemeinen Rechts zu ordnen. Das aber ist A u t o n o m i e . Auch der T a r i f v e r t r a g läßt sich — soweit sein normativer Teil reicht — als e i n e s o l c h e V e r e i n b a r u n g a n s p r e c h e n ) auf b e i d e n S e i t e n i s t e i n g l e i c h e r W i l l e u n d ein g l e i c h e s Interesse dahingehend vorhanden, daß b e s t i m m t e Arbeitsnormen die einzelnen A r b e i t s v e r t r ä g e beherrschen sollen (vgl. N i p p e r d e y , Beiträge zum T a r i f r e c h t . 1924, S 140. Ann) 86).

III. G e w o h n h e i t s r e c h t

und

Observanz.

M. R ü m e 1 1 n . Die bindende Kraft des G e w o h n h e i t s r e c h t s , T h e o r i e d e s G e w o h n h e i t s r e c h t s , 1931.

1929j H a n s M o r k e ,

1. Gewohnheitsrecht ist die nicht durch Satzung, sondern durch t a t s ä c h l i c h e Ü b u n g innerhalb einer Gemeinschaft erzeugte Rechtsregel. Erforderlich ist: a) eine t a t s ä c h l i c h e , nicht bloß vorübergehend^ g l e i c h m ä ß i g e Ü b u n g innerhalb einer Gemeinschaft. b) eine derartige Übung im Sinne einer a u c h f ü r d i e Z u k u n f t maßgebenden Verhaltensnorm (Geltungswille). Die ä l t e i e Ü b u n g s t h e o r i e " b e g n ü g t e s i c h mit der Ü b u n g , w a s zur V e r m i s c h u n g m i t den N o r m e n d e r S i t t e f ü h r t , bei d e n e n der W i l l e , e i n e b i n d e n d e R e g e l zu v e r w i r k l i c h e n , f e h l t . V o r a l l e m i s t a b e r n i c h t e i n z u s e h e n d a ß d e i b l o ß e n T a t s a c h e dei Ü b u n g v e r b i n d l i c h e K r a f t zukommen soll. Abzulehnen ist auch die sogen. Ü b e r z e u g u n g s t h e o r i e , s o w e i t ihre A n h ä n g e r sich mit der b l o ß e n V o l k s ü b e r z e u g u n g begnügen, daß etwas Recht s e i . Maßgebend i s t d e r in der O ^ u n g z u t a g e t r e t e n d e G e l t u n g s w i l l e , daß e t w a s als R e c h t s s a t z g e l t e n s o l l e ( E n n e c c n u s ) , was nicht dem Willen gleichgesetzt w e r d e n dart e i n e n R e c h t s s a t z n e u zur E n t s t e h u n g zu b r i n g e n . S o w e i t d i e D b e r z e u g u n g s therorie die Voiksüberzeugung versteht als ,,w I I 1 e n s k r ä f t i g e Uberzeugung daß e t w a s R e c h t sein s o l l e " ( S c h u p p e , G e w o h n h e i t s r e c h t , 19—21), k o m m t s i e s a c h l i c h a u f d a s s e l b e h l n a u s i v g l . M . R ü m e 1 i n , a. a . O . . 38 Einerlei

ist es, ob die G e w o h n h e i t

Vernunft- o d e r m o r a l g e m ä ß

ist.

16

i 3 IV.

Gerichtsgebrauch

und Wissenschaft.

2. O b s e r v a n z ist das G e w o h n h e i t s r e c h t eines mit A u t o n o m i e begabten V e i b a n d e s . S i e ist grundsätzlich in denselben Grenr e n zulässig wie das Satzungsrecht des Verbandes. IV. G e r i c h t s g e b r a u c h Oskar B Q l o w , spruch. 1916.

Gesetz

u.

und Richteramt.

Wissenschaft. 1885i

Reichel,

Gesetz

1. S e h r bestritten ist, ob der G e r i c h t s g e b r a u c h , gleichförmige Rechtsprechung, Recht ist.

u.

eine

Richter-

feste

S c h o n O s k a r B ü 1 o w hat nachgewiesen, daß die Rechtsprechung kein bloß logischer V o r g a n g ist, daß dem Richter auch im Zeitalter der Kodifikationen ein weiter Bereich selbständiger; nicht schon von der Gesetzgebung voraus geregelter Rechtsfindung und Rechtsschöpfung offen g e b l i e b e n ist. La loi n'est pas le droit (G é n y . Methode d'interprétation et des s o u r c e s en droit privé positif (2) 1919). Das Gesetz hat L ü c k e n , sei es, daß sich der Gesetzgeber absichtlich der Regelung enthalten hat, um W i s s e n s c h a f t und Rechtsprechung nicht voizugreifen, sei es, daß er die Normierung eines T a t b e s t a n d e s übersehen hat. Vielfach knüpft das Gesetz a u c h die Rechtsfolgen nicht an einen nach seinen tatsächlichen M e r k m a l e n g e n a u b e s t i m m t e n Tatbestand als solchen, sondern an ein W e r t u r t e i l des Richters, so bei den W e r t - oder Ausfüllungsbegriffen (Ang e m e s s e n h e i t , Treu und Glauben usw.). Die W o r t f o r m e l n des G e s e t z e s lassen zudem meist m e h r e r e Deutungen zu („mit W o r t e n läßt sich trefflich s t i e i t e n " ) . Nicht selten ist endlich eine Weiterbildung oder Einschränkung des g e s e t z g e b e r i s c h e n G e d a n k e n s behufs g e r e c h t e r , zweckmäßiger Entscheidung eines I n t e r e s s e n g e g e n s a t z e s geboten. — So ist der Richter in vielen Fällen zur unmittelbaren Anwendung des G e s e t z e s r e c h t e s ganz außerstande, er muß den abstrakten Rechtsbefehl erst zur Anwendung auf den konkreten Fall gebrauchsfertig machen und dabei s c h ö p f e r i s c h vorgehen (vgl § 8 dieses Buches). Abei der Richterspruch schafft immer nur Recht für den e i n z e l n e n Fall. Die vom Richter gefundenen richterlichen Ergänzungssätze haben nur für d i e s e i n e Mal bindende Kraft, ihre Aufgabe ist Konkretisierung und Ausgestaltung des G e s e t z e s r e c h t e s . A n d e r e Richter sind daran n i c h t gebunden. S e l b s t wenn ein solcher Ergänzungssatz freiwillig von andern Gerichten angewandt wird, sich ein G e r i c h t s g e b r a u c h bildet, ist damit allein noch k e i n e o b j e k t i v e R e c h t s r e g e l , kein allgemein verbindlicher Rechtssatz geschaffen. Dazu muß noch kommen, daß aus einer derartigen gleichförmigen Praxis R e g e l n für das a l l g e m e i n e V e r h a l t e n der Rechtsunterworfenen tatsächlich entnommen werden. Das ist freilich das Normale. S o l a n g e aber der W i l l e der Bevölkerung dem G e r i c h t s g e b r a u c h e n t g e g e n s t e h t , fehlt zur Entstehung e i n e s G e w o h n h e i t s r e c h t s s a t z e s noch die a l l g e m e i n e Dbung. Danach gibt der G e r i c h t s g e b r a u c h wohl den A n s t o ß zur Bildung von G e w o h n h e i t s r e c h t , darf a b e r n i c ht als selbständige R e c h t s q u e l l e im förmlichen S i n n e n e b e n die G e w o h n h e i t gestellt werden.

§ 3 V.

Verkehrssitte.

17

A n d e r s l i e g t d i e S a c h e nur auf dem G e b i e t der N o r m e n , die sich b l o ß an den R i c h t e r wenden, w i e denen des i n t e r n a t i o n a l e n P r i v a t r e c h t s . Hier ist mit der f e s t e n g l e i c h m ä ß i g e n Anwendung einer G r e n z n o r m durch die G e r i c h t e . d i e Rechtsbilduno vollzogen, falls d i e s e Norm als m a ß g e b l i c h e R e c h t s r e g e l a n g e w a n d t wird.

W o das Gericht die schon vollzogene Bildung von Gewohnheitsrecht feststellt, macht es zwar die Rechtsnatur der Ubuiig gewiß, vollendet dadurch aber höchstens t a t s ä c h l i c h , n i c h t r e c h t l i c h den Entstehungsvorgang des Rechtssatzes. Wenn demnach auch zu leugnen ist, daß der Richterspruch, die Gerichtspraxis, die Natur einer R e c h t s q u e l l e i m f o r m e l l e n Sinne hat, so kann doch die Bedeutung des Richterspruchs für die Rechtsfortbildung nicht hoch genug gewertet werden. T a t s ä c h l i c h wai die g l e i c h f ö r m i g e P r a x i s , n a m e n t l i c h des Reichsg e r i c h t s , für die U r t e i l s b i l d u n g a u ß e r o r d e n t l i c h groß. Das ist im I n t e r e s s e der R e c h t s e i n h e i t und R e c h t s s i c h e r h e i t zu b e g r ü ß e n , s o l a n g e die Ü b e r n a h m e v o r l i e g e n d e r R e c h t s s p r ü c h e nur nach k r i t i s c h e r Prüfung erfolgt und nicht zum bloßen ,, P r ä j u d i z i e n k u l t " e r s t a r r t . Die von m a n c h e n g e f o r d e r t e ges e t z l i c h e B i n d u n g des höchsten G e r i c h t s an s e i n e e i g e n e n Präjudizien und die der U n t e r g e r i c h t e an die U r t e i l e des höchsten G e r i c h t s ist im I n t e r e s s e der fortschrittlichen Entwicklung des R e c h t s nicht zu empfehlen. V g l . S c h i f f e r , Die d e u t s c h e J u s t i z , 1928: G e r l a n d . Probleme des e n g l i s c h e n R e c h t s l e b e n s , 1929; L I e w e 11 y n , Einführung in das a m e r i k a n i s c h e P r ä j u d i z i e n w e s e n , 1923. Nach dem W e g f a l l des R e i c h s g e r i c h t s wurde zur W a h r u n g der R e c h t s e i n h e i t durch die M i l R V O Nr. 98 die Errichtung e i n e s o b e r s t e n G e r i c h t s h o f s für die brit. Z o n e a n g e o r d n e t , der zur Nachprüfung von R e c h t s f r a g e n (Revision) befugt ist, die ihm vom den O b e r l a n d e s g e r i c h t e n oder einem sonstigen von der Mi) R oder mit deren G e n e h migung bestimmten G e r i c h t u n t e r b r e i t e t werden. Durch V O des Z e n t r a l J . vom 17. 11. 47 wurde der o b e r s t e G e r i c h t s h o f mit dem Sitz in Köln e r r i c h t e t . In der amerik.Z. gibt es auch e i n e R e v i s i o n in Z i v i l s a c h e n , doch tritt sie nicht als w e i t e r e s R e c h t s m i t t e l zu der Berufung g e g e n l a n d g e r i c h t l i c h e Z i v i l u r t e i l e hinzu, sondern a l s einziges R e c h t s m i t t e l an deren S t e l l e und geht auch nicht an ein z e n t r a l e s o b e r s t e s G e r i c h t , sondern an die O b e r l a n d e s g e r i c h t e . S i e Ist danach nicht ein Mittel zur W a h r u n g der R e c h t s e i n h e i t , s o n d e r n zur s a c h l i c h e n Nachprüfung der Urteile der Landg e r i c h t e Für B a y e r n ist a b e r n e u e r d i n g s durch G e s 124 v. 1 1 5 . 48 das B a y r Oberste L a n d e s g e r i c h t in M ü n c h e n als z e n t r a l e s R e v i s i o n s g e r i c h t wieder errichtet worden. In der tranz.Z. sind G e r i c h t s v e r f a s s u n g und g e r i c h t l i c h e s V e r f a h r e n für die e i n z e l n e s Länder g e t r e n n t a b e r einheitlich g e r e g e l t worden. Hier e n t s c h e i d e n die O b e r l a n d e s g e r i c h t e übet Berufungen gegen die Urteile der L a n d g e r i c h t e . E i n e A n f e c h t u n g der B e r u f u n g s u r t e i l e findet nicht s t a t t . Von dem o b e r s t e n G e r i c h t s h o f für d i e brit.Z. zur Nachprüfung von R e c h t s f r a g e » (in Zivil- und auch in S t r a f s a c h e n g e g e n Urteile der S c h w u r g e r i c h t e ) ist zu unters c h e i d e n das durch die Prokl Nr 8 der Mil R. Deutschland (amerik. K o n t r o l l g e b i e t ) und V O Nr 12 der Mil.R Deutschland (brit. K o n t r o l l g e b i e t ) e r r i c h t e t e O b e r g e r i c h t für das v e r e i n i g t e W i r t s c h a f t s g e b i e t mit dem Sitz in Köln. Es ist zuständig für die Entscheidung von S t r e i t i g k e i t e n zwischen der V e r w a l t u n g des V W . und e i n e s Landes oder zwischen m e h r e r e n Ländern, wenn e s sich um die Anwendung oder Auslegung von G e s e t z e n oder A u s f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n der V e r w a l t u n g e n d e s V W . handelt usw. — vergl. Art. V über die Zuständigkeit in e r s t e r und Art. Nr. V I in zweiter Instanz. Es handelt s i c h a l s o um ein o b e r s t e s b i 2 o n a 1 e s V e r w a l t u n g s g e r i c b t .

2. Die W i s s e n s c h a f t ist k e i n e R e c h t s q u e l l e , ihre Lehre hat k e i n e b i n d e n d e Kraft, kann aber A u s g a n g s p u n k t für die Rechtsbildung sein, — man denke etwa an Staubs Aufsatz über die „Positiven Vertragsverletzungen". V. Auch die V e r k e h r s s i t t e i s t k e i n e R e c h t s q u e l l e i m f o r m e l l e n Sinne. Bei ihr handelt es sich nur um eine tatsächliche Übung. Es fehlt der G e l t u n g s w i l l e (opinio necessitatis). Sie ist oft die V o r Lehmann,

Bürgerliches Recht, Aligemeiner

Teil.

2

18

§ 3 VI.

Allgemeine

Geschäftsbedingungen.

s t u f e des Gewohnheitsrechts, wie überhaupt die Grenzen zu ihm sich schwierig ziehen lassen. Das Gesetz verweist auf die Verkehrssitte in §§ 157 und 242. Nach 157 soll die Verkehrssitte zur A u s l e g u n g von Verträgen, zur Feststellung des Vertrags i n h a 11 s herangezogen werden; nach 242 BGB. soll nach der Verkehrssitte bestimmt werden, w i e der Schuldner zu leisten hat. Für den Verkehr unter Kaufleuten ist nach 346 HGB. auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ( H a n d e l s b r ä u c h e ) — also auf die kaufmännische Verkehrssitte — Rücksicht zu nehmen. Insoweit 'das Gesetz den Richter anweist, auf die Verkehrssitte Rücksicht zu nehmen, verwendet es sie als objektivrechtlichen H i l f s b e g r i f f . Damit werden die aus der Verkehrsübung abgezogenen Sätze aber noch nicht „gesetzlich sanktionierte Gewohnheitsrechtssätze" (so D a n z) . Z w i n g e n d e Bestimmungen des Gesetzes können durch sie keinesfalls abgeändert werden, wohl aber geht die Verkehrssitte nach der herrschenden Lehre den ergänzenden (dispositiven) Vorschriften des Gesetzes grundsätzlich vor. Das V e r h ä l t n i s d e r V e r k e h r s s i t t e zu den n a c h g i e b i g e n R e c h t s s ä t z e n i6l s t r e i t i g . R. A. nach geht d i e a b w e i c h e n d e V e r k e h r s s i t t e w e d e r s c h l e c h t h i n vor n o c h ist sie s c h l e c h t h i n u n b e a c h t l i c h . V i e l m e h r ist aus dem Z w e c k der f r a g l i c h e n g e s e t z l i c h e n B e s t i m m u n g e n zu e n t n e h m e n , ob diese als kodifizierte V e r k e h r s s i t t e d e n V o r r a n g b e a n s p r u c h e n ; vgl. RG. 112, 321; 135, 345. Das ist d a n n a n z u n e h m e n , w e n n d u r c h A n e r k e n n u n g der V e r k e h r s s i t t e w e s e n t l i c h e G e r e c h t l g k e i t s - und O r d n u n g s g e d a n k e n e i n e r G e s e t z e s v o r s c h r i f t a u s g e s c h a l t e t und die V e r k e h r s s i c h e r h e i t m i ß a c h t e t w ü r d e n . Die M a ß g e b l i c h k e i t e i n e r V e r k e h r s s i t t e k a n n durch P a r t e i v e r e i n b a r u n g a u ß e r Kraft gesetzt w e r d e n , hängt a b e r nicht von d e r Kenntnis der Parteien ab. Unk e n n t n i s muß durch I r r t u m s a n f e c h t u n g geltend g e m a c h t w e r d e n — a u s g e n o m m e n bei H a n d e l s b r ä u c h e n ; RG. 95. 243. Die Frage, ob eine V e r k e h r s s i t t e b e s t e h t , ist als rein t a t s ä c h l i c h e d e r Nachp r ü f u n g in d e r R e v i s i o n s i n s t a n z e n t z o g e n , § 549 I ZPO. D a g e g e n g e h ö r e n die Fests t e l l u n g ihres S i n n e s und die Wertun,g des f e s t g e s t e l l t e n E r k l ä r u n g s t a t b e s t a n d e s zur R e c h t s a n w e n d u n g und sind mithin r e v i s i b e l ; RG. 118 292. 126, 327. Vgl. O e r t m a n n , R e c h t s o r d n u n g und V e r k e h r s s i t t e 1914, s o w i e S c h r e i b e r , H a n d e l s b r ä u c h e 1922; D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g - G e i l e r I 12f.; Sachse, ZivA. 127, 288.

VI. A l l g e m e i n e G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n . Die i n d i v i d u e l l e rechtsgeschäftliche Gestaltungs- und Vertragsfreiheit läßt sich in der heutigen Zeit der Massenerzeugung und des Massenverkehrs auch in dem gesetzlichen Rahmen nicht völlig aufrecht erhalten. Sie verlangt g l e i c h m ä ß i g e Bedingungen; mit ihr ist die individuelle Aushandlung der Bedingungen nicht mehr verträglich. Das bringt die Gefahr mit sich, daß der wirtschaftlich stärkere Teil seine Machtstellung ausnutzt und in der Form des freien Vertrags die Vertragsbedingungen einseitig diktiert, auf die sich der schwächere Teil einlassen muß, wenn der Abschluß nicht scheitern soll So ist es immer mehr üblich geworden, daß mächtige Wirtschaftsgruppen oder Unternehmerverbände, aber auch Einzelunternehmer, A l l g e m e i n e G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n aufstellen, die für die mit ihnen geschlossenen Verträge maßgebend sein sollen; so z. B. die Banken, die Versicherungsunternehmer, die Spediteure, die Transportanstalten, die Lagerhalter usw. Sie sind als N o r m a l i n h a l t eines Vertrages gedacht,

§ 3 VII.

Außerkrafttreten der Rechtsvorschriften.

19

bedürfen also der Annahme oder Einverständniserklärung, die auch stillschweigend erfolgen kann. So hat sich ein „ s e l b s t g e s c h a f f e n e s R e c h t d e r W i r t s c h a f t " gebildet (Großmann-Doerth), das das G e s e t z e s r e c h f w e i t g e h e n d a u s z u s c h a l t e n d r o h t . Die gesetzliche Haftung der Gastwirte nach § 701 BGB. steht z. B. auf Grund des üblichen Haftpflichtreverses des Verbandes Deutscher Hotels nur mehr auf dem Papier. Die Rechtsprechung hat sich praktisch außerstande gezeigt, die durch die allgemeinen Geschäftsbedingungen heraufbeschworene Gefahr der Ausschaltung des Gesetzesrechts und der übermäßigen Ausnutzung der wirtschaftlichen Machtstellung aus dem Gesichtspunkt eines Sittenverstoßes hinreichend zu bekämpfen Vgl. etwa RG. 115, 218 u. 132. 276. Auch die Ausstattung weiterer gesetzlicher Vorschriften mit zwingender Wirkung wäre kein Heilmittel, weil hier alles auf die Beurteilung des Einzelfalles ankommt. Deshalb hat man neuerdings mit mehr Erfolg den Weg beschritten, auf die Gestaltung des AGB. schon im Stadium ihrer Vorbereitung und Festlegung Einfluß zu nehmen, indem man die zuständigen B e h ö r d e n und die O r g a n i s a t i o n e n der beteiligten Interessentenkreise einschaltet. So z. B. bei der Schaffung des sogen. „Deutschen Einheitsmietvertages", der „Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen" usw. Z. T. sind derartige AGB für allgemein verbindlich erklärt worden, wie z. B. die ADSp.B.; sie beherrschen dann die abgeschlossenen Geschäfte u n m i t t e l b a r , ohne daß es noch auf eine stillschweigende vertragliche Unterwerfung unter sie ankäme. Insoweit sind sie als R e c h t s q u e l l e anerkannt. Ihr Inhalt ist o b j e k t i v e s Recht. Im einzelnen ist hervorzuheben: 1. M a n g e l s a l l g e m e i n e r V e r b i n d l i c h k e i t s e r k l ä r u n g k o m m t es auf d i e m i n d e s t e n s stills c h w e i g e n d e U n t e r w e r f u n g u n t e r die AGB. an Doch hat sich v i e l f a c h e i n e V e r k e h r s s i t t e h e r a u s g e b i l d e t , w o n a c h ein V e r t r a g s s c h l u ß unter g e w i s s e n Vora u s s e t z u n g e n im S i n n e einer solchen 1 U n t e r w e r f u n g g e d e u t e t wird, z. B bei der Inans p r u c h n a h m e der V e r s o r g u n g s b e t r i e b e (Gas, W a s s e r , Elektrizität). V o r a u s s e t z u n g ist, d a ß d i e AGB. g e h ö r i g b e k a n n t g e m a c h t w o r d e n sind und der a n d e r e Teil die Möglichkeit hatte, die AGB zu p r ü f e n . Auf U n k e n n t n i s der B e d i n g u n g e n k a n n er sich d a h n n i c h t b e r u f e n . Vgl. etwa RG. b e t r . Die B e d i n g u n g e n d e r T r a n s p o r t a n s t a l t e n , RG 103 84 : 109, 304 Die Banken u n t e r b e i t e n ihren Kunden vor A b s c h l u ß v o n E i n z e l v e r t r ä g e n ihre AGB. z w e c k s A b s c h l u ß e i n e s G e s c h ä f t s b e d i n g u n g s v e r t r a g e s . In d e r Z u r ü c k s e n d u n g der AGB. e i n e r Bank mit dem V e r m e r k : , , G e s e h e n " und ..Kenntnis g e n o m m e n " erblickt RG. 122, 79 eine U n t e r w e r f u n g , nicht a b e r in e i n e r bloßen E m p f a n g s b e s t ä t i g u n g . 2. Die A u s l e g u n g e r f o l g t n u r a u s dem I n h a l t der B e d i n g u n g e n s e l b s t , a l s o u n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g der t y p i s c h e n Lage der V e r t r a g s p a r t e i e n , nicht unter B e r ü c k s i c h t i g u n g der b e s o n d e r e n Lage d e s Einzelfalles, es sei denn, d a ß d a n e b e n noch b e s o n d e r e V e r e i n b a r u n g e n getroffen sind, RG 155, 28 u. 133. U n k l a r h e i t e n g e h e n zu Lasten d e s U n t e r n e h m e r s , der die B e d i n g u n g e n a u f g e s t e l l t hat RG. 145, 26. A n d e r s n a t ü r l i c h bei d e n u n t e r M i t w i r k u n g der B e h ö r d e und der b e t e i l i g t e n I n t e r e s s e n t e n g r u p p e n z u s t a n d e g e k o m m e n e n B e d i n g u n g e n , w i e z. B. beim E i n h e i t s m i e t v e r t r a g . 3. Die A u s l e g u n g u n t e r l i e g t der N a c h p r ü f u n g d u r c h das R e v i s i o n s gericht, w e n n sie dazu b e s t i m m t sind, in z a h l r e i c h e , g l e i c h l i e g e n d e V e r t r ä g e , die n i c h t auf den Bezirk eines O b e r l a n d e s g e r i c h t s b e s c h r ä n k t sind, a u f g e n o m m e n zu w e r d e n ; § 549/50 ZPO. u. RG. 81, 117. 4 W a s das V e r h ä l t n i s zu den n a c h g i e b i g e n Sätzen des G e s e t z e s r e c h t s a n g e h t , so d ü r f e n d i e AGB. so w e n i g w i e e i n e a b w e i c h e n d e V e r k e h r s s i t t e w e s e n t liche G e r e c h t i g k e i t s - und O r d n u n g s g e d a n k e n e i n e r G e s e t z e s v o r s c h r i f t zum N a c h t e i l d e r V e r k e h r s s i c h e r h e i t a u s s c h a l t e n ; RG. 118, 321; 135, 345. 2*

S 4 I.

20

System

des

BGB.

S c h r 1 f 11 u m : G r o ß m a n n - D o e r t h , Selbstgeschaffenes Rrcht der Wirtschaft, 1933i R « I s e t , R d e r A l l g e m e i n e n G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n , 1935r H a u p t , D i e A l l g e m e i n e n G e s c h ä t t s b e d i n g u n g e o der B a n k e n , 1937.

VII. A u ß e r k r a f t t r e t e n d e r Rechtsvorschriften. 1. Eine Rechtsvorschrift tritt außer Kraft, wenn sich eine mit ihr unvereinbare n e u e Rechtsregel bildet, lex posterior derogat legi priori. Auslegungsfrage ist, ob bei teilweisem Widerspruch die frühere Vorschrift nur abgeändert oder ganz beseitigt wird; ebenso, ob bei Ersatz einer a l l g e m e i n e n Vorschrift durch einen neuen Rechtssatz auch die A u s n a h m e n von der früheren Vorschrift beseitigt werden. Das ist n i c h t o h n e w e i t e r e s anzunehmen, lex posterior non derogat legi priori special!. Selbstverständlich kann die neuere widersprechende Rechtsregel auch ein Satz des Gewohnheitsrechts sein. 2. Auch ohne Aufhebung durch eine widersprechende neue Regel tritt eine Rechtsvorschrift außer Kraft: a) wenn sie nur für beschränkte Zeit oder die Dauer eines bestimmten Zustandes (Kriegszustand, Zeit der wirtschaftlichen Demobilmachung) erlassen war, mit dem Ablauf dieser Zeit oder Wegfall des Zustandes — sogen, transitorische oder temporäre Gesetze; b) wenn die Verhältnisse, für die sie gelten will, für immer weggefallen sind — nicht aber schon ohne weiteres, wenn diese Verhältnisse sich geändert haben und damit der gesetzgeberische Grund zur fraglichen Regelung weggefallen ist. Der Satz: cessante ratione legis, cessat lex ipsa ist deshalb irreführend ( E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y , § 41 Anm. 8). Aber es steckt doch ein richtiger Kern in ihm; eine gesunde Rechtsanwendung, die die z w e c k g e t r e u e Entscheidung über eine w o r t g e t r e u e stellt, wird die Anwendung eines Rechtssatzes, dessen Zweck nicht mehr erreichbar ist, zu vermeiden wissen oder ihn so umdeuten, daß zweckwidrige Ergebnisse verhütet werden. Nicht: fiat iustitia, p e r e a t mundus, sondern: fiat iustitia, v i v a t mundus muß als Leitgedanke über der Rechtsanwendung stehen. IV. A b s c h n i t t . Allgemeine Kennzeichnung des bürgerlichen Rechts. Arten seiner Vorschriften. I. Das S y s t e m des bürgerlichen Rechts ist das übliche der Pandektenlehrbücher. Das BGB. ist in 5 Bücher eingeteilt:

a) d e r a l l g e m e i n e T e i l — I B u c h — b e f a ß t s i c h In d e r H a u p t s a c h e n i c h t der inhaltlichen Regelung der einzelnen Lebensverhältnisse, sondern e n t h ä l t g e m e i n s a m e n G r u n d s ä t z e für a l l e Rechtsverhältnisse b) D a s R e c h t d e r S c h u l d v e r h ä l t n i s s e — II B u c h — r e g e l t d i e S o n d e r V e r b i n d u n g e n z w i s c h e n e i n z e l n e n R e c h t s g e n o s s e n , d e m G ' . ä u b i g e r und S c h u l d n e r , n a c h d e n e n j e n e r v o n d i e s e m zur B e f r i e d i g u n g e i n e s s c h u t z w ü r d i g e n I n t e r e s s e « ein bestimmtes V e r h a l t e n verlangen kann Es e r m ö g l i c h t d e m e i n z e l n e n d i e g r u n d s ä t z l i c h b e l i e b i g e G e s t a l t u n g s e i n e r L e b e n s v e r h ä l t n i s s e d u r c h A b s c h l u ß von Rechtsgeschäften. c) Das S a c h e n r e c h t — III. B u c h — w e i s t d e m e i n z e l n e n e i n e n bestimmten A n t e i l a n d e n L e b e n s g ü t e r n zu, i n d e m e s d i e D i n g e d e r A u ß e n w e l t s e i n e r a u s s c h l i e ß l i c h e n H e r r s c h a f t u n t e r w i r f t , für ihn m o n o p o l i s i e r t . d) D a s F a m i l i e n r e c h t — I V . Buch — ordnet die Beziehungen, die durch die G e s c h l e c h t s g e m e i n s c h a f t und A b s t a m m u n g entstehen.

mit die

t

4 II.

Inhaltliche

Bedeutung

des

BGB.

21

e ) D a s E r b r e c h t — V . Buch — r e g e l t d e n Einfluß d e r F a m i l i e n b e z i e h u n g e n auf das S c h i c k s a l d e s V e r m ö g e n s der P r i v a t p e r s o n im F a l l e ihres T o d e s und sichert ihr d i e M ö g l i c h k e i t , d i e s e S c h i c k s a l e über den T o d hinaus in g e w i s s e m Rahmen zu b e s t i m m e n . f) Das sich daran a n s c h l i e ß e n d e E i n f ü h r u n g s g e s e t z ( E G . ) ist in 4 A b s c h n i t t e g e t e i l t : I. A l l g e m e i n e B e s t i m m u n g e n . II. V e r h ä l t n i s des BGB. zu d e n Reichsgesetzen I I I V e r h ä l t n i s zu den L a n d g e s e t z e n . IV. Übergangsvorschriften.

II. D i e i n h a l t l i c h e B e d e u t u n g d e s BGB. 1. N a t i o n a l e Bedeutung. a) Das BGB. hat Deutschland das kostbare Gut der R e c h t s e i n h e i t gebracht und damit ein n e u e s v ö l k i s c h e s Band um alle deutschen Stämme geschlungen. Die Rechtseinheit droht heute durch Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen und in eine Reihe von Ländern wieder verloren zu gehen. b) Es hat ferner f r u c h t b a r e G e d a n k e n d e s e i n h e i m i s c h e n Rechts wieder zur Anerkennung gebracht und mit römisch-rechtlichen Verkehrsgedanken zu einer neuen Einheit verschmolzen. 2. W i r t s c h a f t l i c h e Bedeutung. a) Im Vordergrund steht heute der scharfe G e g e n s a t z zwischen G e s a m t h e i t und E i n z e l p e r s ö n l i c h k e i t , S o z i a l prinzip und I n d i v i d u a I prinzip. Der Grundcharakter des BGB. ist stark indiv i d u a l i s t i s c h . Es hat unter dem Einfluß der zur Zeit seiner Entstehung indiviherrschenden liberalen Wirtschaftsauffassungen die damalige d u a l i s t i s c h e Wirtschaftsordnung rechtlich sanktioniert. Nach ihr ist die W i r t s c h a f t Sache des e i n z e l n e n . Die wirtschaftliche Fortbewegung wird von den einzelnen Wirtschaftsträgern erwartet, Laisser faire, laisser passerl Die Grundlagen, auf denen die Privatrechtsordnung des BGB. beruht, sind das Privateigentum, die Vertragsfreiheit, die gewerbliche Betätigungsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit. Immerhin hat das Gesetz auch den Gedanken des s o z i a l e n A u s g l e i c h s , des Schutzes .des wirtschaftlich Schwächeren Rechnung getragen; es ist, wie man gesagt hat, mit einem Tropfen „sozialen O l s " gesalbt. Vgl

etwa

übermäßigen

die

Ordnung

Vertragsstrafe

des (343).

Dienstverhältnisses die

(616—619),

Wucherbekämpfung

(138

die

Herabsetzung

der

II).

Oben (§ 2 I V ) ist bereits dargelegt, daß die F o r t e n t w i c k l u n g gekennzeichnet ist durch eine immer stärkere A b k e h r von dieser i n d i v i d u a l i s t i s c h e n G r u n d e i n s t e l l u n g und durch eine weitgehende Durchführung des G e m e i n s c h a f t s g e d a n k e n s , eine wachsende Durchdringung mit s o z i a l r e c h t l i c h e n Bindungen. b) Das BGB. erstrebt in höherem Maße als bisher eine g e r e c h t e und b i l l i g e A u s g l e i c h u n g der Interessengegensätze durch Aufstellung s c h m i e g s a m e r Normen, die die b e s o n d e r e n Verhältn i s s e d e s E i n z e l f a l l e s berücksichtigen lassen Die Hauptvorschriften dieses Billigkeitsrechts sind die §§ 138, 157, 242, 320 II, 826. Das o b e r s t e G e b o t der G e r e c h t i g k e i t i s t : G l e i c h e s g l e i c h : U n g l e i c h e s u n g l e i c h zu b e h a n d e l n , j e d e m das S e i n e zu g e b e n . Z w e c k s g l e i c h e r B e h a n d l u n g muß das G e s e t z an t y p i s c h e T a t b e s t ä n d e a n k n ü p f e n . Da aber k e i n Fall d e m a n d e r n v ö l l i g g l e i c h t .

22

§ 4 II.

I n h a l t l i c h e B e d e u t u n g des BGB.

e n t s t e h t so die G e f a h r der E r s t a r r u n g und des S c h e m a t i s m u s . Um ihr zu e n t g e h e n , mufi mit der F e s t i g k e i t d e r Regeln eine g e w i s s e S c h m i e g s a m k e i t v e r b u n d e n w e r d e n . Zur Lösung dieser A u f g a b e n h a b e n die o b e n g e n a n n t e n V o r s c h r i f t e n d e s n e u e n Billigk e i t s r e c h t s in den letzten J a h r z e h n t e n in h e r v o r r a g e n d e m Maße b e i g e t r a g e n , sie haben eine A n p a s s u n g d e r R e c h t s a n w e n d u n g an die V e r ä n d e r u n g e n des wirts c h a f t l i c h e n L e b e n s u n d K a m p f e s ermöglicht und unser Bürgerliches Recht vor E r s t a r r u n g b e w a h r t ; vgl. H e d e m a n n , W e r d e n und W a c h s e n im Bürgerlichen Recht, 1913; d e r s e l b e . Die Flucht in die G e n e r a l k l a u s e l n . 1933; Max R ü m e 1 i n , Die G e r e c h t i g k e i t , 1920; d e r s e l b e , Die Billigkeit im Recht. 1921.

c) Das BGB. sucht die V e r k e h r s s i c h e r h e i t zu festigen, indem es das berechtigte V e r t r a u e n a u f ä u ß e r e T a t b e s t ä n d e (den ScheiD des Rechts) schützt. Vgl. e t w a 793, 892/93 , 2366/67, 932/35. V o n e i n e r g r u n d s ä t z l i c h e n und e i n h e i t l i c h e n Stellung der Frage, i n w i e w e i t beim E r w e r b d a s V e r t r a u e n auf das V o r h a n d e n s e i n der E r w e r b s v o r a u s s e t z u n g e n geschützt w e r d e n soll, ist freilich noch nichts zu m e r k e n .

3. S i t t l i c h e , e r z i e h e r i s c h e Bedeutung. Das p o s i t i v e Recht als Ausdruck für die T a t s a c h e eines m a c h t h a b e n d e n W i l l e n s in einer Gemeinschaft, ist an sich „jenseits von Gut und Bös". Aber die Rechtsordnung trachtet dauernd danach, mit dem Sittengesetz in Einklang zu bleiben, sie ist ein „ Z w a n g s v e r s u c h zum richtigen sozialen Verhalten", so wie es die jeweiligen Machthaber verstehen ( S t a m m l e r ) . An eine völlige Übernahme der Moralvorschriften in eine Rechtsordnung ist selbstverständlich nicht zu denken. Das Recht muß sich mit einem „ethischen Minimum" begnügen (J e 1 1 i n e k). Das BGB hält entsprechend der damals herrschenden Volksmoral fest an der E i n e h e und p a t r i a r c h a l i s c h e n (und christlichen) E h e a u f f a s s u n g , wonach dem Mann und Vater ein gewisser Vorrang zugebilligt wird. Auch sonst hat es sich bemüht, seine Vorschriften im Einklang mit der Volksmoral zu gestalten, z. B. durch das Wucherverbot (138 II). Darüber hinaus macht sich das Gesetz sogar gewisse Vorschriften der Moral m i t t e l b a r zu eigen, indem es Verträge und Rechtshandlungen auch dann mißbilligt, wenn sie zwar vor dem Forum der Rechtsvorschriften bestehen können, aber einen Verstoß gegen die „guten Sitten" bedeuten (138, 826). Die g u t e n S i t t e n sind die h e r r s c h e n d e V o l k s m o r a l , das Maß der zu stellenden Anforderungen ist aus der Denkweise eines anständigen D u r c h s c h n i t t s m e n s c h e n zu entnehmen; die „Rechtsmoral" der §§ 138 und 826 ist also eine den Aufgaben der Rechtsordnung angepaßte, v e r g r ö b e r t e M o r a l . Indem der Richter angewiesen wird, seine Entscheidung nach dem sich fortwährend wandelnden Anstandsgefühl aller billig ung gerecht Denkenden zu fällen, wird eine dauernde Beeinflussung der RechtsanWendung durch die Moral sichergestellt und der Einklang mit der Volksüberzeugung und dem Rechtsgefühl im wesentlichen gewährleistet. Auch die Verweisung des Richters auf „Treu und Glauben" (242, 157 usw.) will die Rechtshandhabung in Einklang mit den Anforderungen der „Gerechtigkeit" bringen, eine Annäherung an das „soziale Ideal" anbahnen. III. Die F o r m ist w e n i g e r g l ü c k l i c h . 1. Das Gesetz bedient sich zwar einer knappen, klaren, festen — manchmal freilich zu kleinlich-peinlich abgezirkelten — Ausdrucksweise,

§ 4 IV. Arten d e r

Rechtsvorschriften.

23

es zeichnet sich ferner aus durch scharfe, stark verallgemeinerte (abstrakte) Begriffe —, die zuweilen einen Ausdruck in einem von der Sprache des täglichen Lebens abweichenden technischen Sinne gebrauchen (Besitzer, Frucht usw.) — und durch streng logischen Aufbau. Z w i s c h e n d e n G e g e n s ä t z e n einer s o g e n , k a s u i s t i s c h e n , d. i. FälJeregelung,' w e l c h e V o r s c h r i f t e n für jedes e i n z e l n e L e b e n s v e r h ä l t n i s g e b e n will, und e i n e r r e i n g r u n d s ä t z l i c h e n O r d n u n g durch A u f s t e l l u n g a l l g e m e i n e r Formeln vermittelt das G e s e t z mit einer d e u t l i c h e n H i n n e i g u n g zur a b g e z o g e n e n Fassung, zur g r u n d s ä t z l i c h e n Behandlung. Das ist sicher zu billigen. Denn sie ist die h ö h e r e Stufe g e g e n ü b e r der Fäller e g e l u n g (Kasuistik). Diese e r f a ß t nur d i e H a u p t t ä l l e , w e l c h e dem G e s e t z g e b e r vor A u g e n s t a n d e n und läßt d e s h a l b im Stich g e g e n ü b e r den ü b e r s e h e n e n odei n e u a u f t a u c h e n d e n T a t b e s t ä n d e n , die gleiche B e h a n d l u n g v e r l a n g e n V o r z e i t i g e Verallg e m e i n e r u n g ist freilich nicht minder g e f ä h r l i c h , weil sie zur U n t e r w e r f u n g e i n e s v o m G e s e t z g e b e r nicht e r w o g e n e n T a t b e s t a n d e s unter e i n e nicht p a s s e n d e Regel f ü h r e n k a n n .

2. Auf der anderen Seite sind die Begriffe und Leitgedanken des BGB. durch ihre einseitig abgezogene Formelung oft der Lebensfülle völlig beraubt, geradezu blutleer geworden; der s a c h l i c h e Leitgedanke der Regelung tritt ganz zurück, zwischen die natürliche Bedarfslage und den Betrachter werden zuweilen ganz ohne Not scholastische Begriffsbildei eingeschoben (93 Wesentlichkeit). Das Ausscheiden der für eine Reihe von Rechtsvorschriften gemeinsamen Grundlagen, deren Zusammenfassen in allgemeine Bestimmungen, dazu die zahlreichen Verweisungen erschweren das Verständnis; kurz, die Regelung bleibt ziemlich fern dem Höchstziel eines einfachen, klaren, volkstümlichen Rechts. Das BGB hat uns — was die F o r m anlangt — ein J u r i s t e n recht, kein V o l k s r e c h t gebracht; seine Regeln sind gute S t r e i t regeln, wonach die Gerichte einen Rechtsstreit mit annähernder Sicherheit entscheiden können, aber zu wenig L e b e n s - oder V e r h a l t e n s regeln, wonach der Bürger sein Verhalten richtig einrichten könnte. Hinsichtlich der F o r m s c h n e i d e t das S c h w e i z e r i s c h e Z i v i l g e s e t z b u c h vom 19. Dezember 1907 w e s e n t l i c h g ü n s t i g e r a b als das BGB Es sei dem j u n g e n J u r i s t e n etnpfohlen, d e n Text des Schweiz. G e s e t z b u c h e s recht häufig zum V e r g l e i c h mit den b e t r . V o r s c h r i f t e n des BGB. h e r a n z u z i e h e n , um in sich die Fähigkeit zu e i n f a c h e m , klarem G e d a n k e n a u s d r u c k und zu g u t e r , g e s e t z l i c h e r F o r m e l u n g e i n e r V o r s c h r i f t f r ü h z e i t i g zu e n t w i c k e l n .

IV. A r t e n d e r R e c h t s v o r s c h r i f t e n . 1. Im Hinblick auf den G e l t u n g s b e r e i c h unterscheidet man: a) G e m e i n e s und p a r t i k u l ä r e s Recht. Gemeines Recht ist das für ein Gebiet als G a n z e s geltende Recht (Gesamtgebietsrecht), partikuläres ist das für ein T e i l g e b i e t geltende Recht (Teilgebietsrecht) In föderativen Staatengebilden bringt man das gemeine Recht, wenn es aus derselben Quelle geflossen ist, als f o r m e l l gemeines Recht auch in Gegensatz zu dem nur m a t e r i e l l gemeinen, das ist dem auf besonderen Quellen für die einzelnen Gebiete beruhenden gemeinsamen Recht (auch wohl a l l g e m e i n e s Recht genannt). G e m e i n e s Recht w a r e n so im alten D e u t s c h e n Reich das r e z i p i e r t e römische Recht und die R e i c h s g e s e t z e — P a r t i k u l a r r e c h t e w a r e n z. B. der Codex Maximil i a n e u s B a v a r i c u s civilis v o n 1756, s p ä t e r das P r e u ß i s c h e A l l g e m e i n e Landrecht — m a t e r i e l l g e m e i n e s Recht w a r d a s A l l g e m e i n e D e u t s c h e H a n d e l s g e s e t z b u c h v o n 1861.

$ 4 IV. A r t e n der

24

Rechtsvorschriften.

Für das neue Deutsche Reich von 1871 und die deutsche Republik Ist an Stelle des Gegensatzes zwischen Gemeinem und Partikularrecht getreten der Gegensatz zwischen Reichs- und Landesrecht R e i c h s recht ist alles auf Gesetzen des neuen Reichs und Reichsgewohnheiten beruhende Recht, Landesrecht das auf den Landesgesetzen und -gewohnheiten beruhende Recht. Das n e u e R e i c h s r e c h t ist z w a r seinem W e s e n n a c h g e m e i n e s , d. h. G e s a m t g e b i e t s r e c h t , wird aber im G e g e n s a t z zu dem f r ü h e r e n g e m e i n e n Recht, das h e u t e n u r m e h r die Rolle von L a n d e s r e c h t spielt, nicht so b e n a n n t Denn es u n t e r s c h e i d e t sich in einem P u n k t e wesentlich vom f r ü h e r e n g e m e i n e n Recht Während dieses n u r s u b s i d i ä r e G e l t u n g h a t t e ( S t a d t i e c h t bricht Landrecht, Landrecht bricht g e m e i n e s Recht) g e h t das R e i c h s r e c h t s o w o h l nach Art 2 RV von 1871 wie nach Art 13 d e r RV. von 1919 dem Landrecht u n b e d i n g t vor (Reichsrecht bricht Landrecht).

b) A l l g e m e i n e s , für j e d e r m a n n geltendes Recht (ins commune) und S o n d e r r e c h t für g e w i s s e P e r s o n e n und G ü t e r kreise (ius proprium). Die V o r s c h r i f t e n d e s BGB. ü b e r den Kauf sind ius c o m m u n e , die des HGB. d e n H a n d e l s k a u f ius p r o p r i u m .

über

c) G e m e i n gültiges Recht (ius generale) und für einen besonderen Fall gültiges, e i n z e 1 f a 11 gültiges Recht (ius speciale), je nachdem die Rechtsvorschrift an einen typischen, gattungsmäßig festgelegten Tatbestand allgemeine Folgen knüpft oder für einen Einzelfall eine Rechtswirkung ausspricht, als Individualrechtssatz auftritt. Die lex specialis begründet unmittelbar ein subjektives Recht, ein P r i v i l e g , z. B. einer Eisenbahngesellschaft wird durch Gesetz das Enteignungsrecht für eine bestimmte Strecke verliehen. Der P r i v i l e g i e n b e g r ü n d u n g setzt der in Art 109 W e i m R V . a n e r k a n n t e G l e i c h h e i t s g r u n d s a t z S c h r a n k e n . Er e n t h ä l t d a s V e r b o t e i n e r w i l l k ü r l i c h e n V e r s c h i e d e n b e h a n d l u n / j gleicher T a t b e s t ä n d e : b e s t r i t t e n (vgl. Stier-Somlo bei N i p p e r d e y , G r u n d r e c h t e . Bd. I zu Art 109 und A n s c b ü t z , RV Erl. zu Art 109)

2. Im Hinblick auf die Geltungs k r a f t unterscheidet man zwischen z w i n g e n d e n und n a c h g i e b i g e n (dispositiven, ergänzenden, vermittelnden) Vorschriften. J e n e v e r l a n g e n selbst g e g e n d e n e r k l ä r t e n P a r t e i w i l l e n Anwend u n g (276 II), d i e s e wollen n u r gelten, wenn die P a r t e i e n nichts a n d e r e s b e s t i m m t h a b e n — sei es a n S t e l l e f e h l e n d e r P a r t e i b e s t i m m u n g e n (so wird z B die Ehe vom g e s e t z l i c h e n G ü t e r r e c h t b e h e r r s c h t 1363ff falls die E h e g a t t e n Ihre g ü t e r r e c h t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n i c h t d u r c h V e r t r a g g e r e g e l t haben 1432), sei es in E r g ä n z u n g g e t r o f f e n e r P a r t e i v e r e i n b a r u n g e n ( M ä n g e l h a f t u n g des V e r k ä u f e r s 459ff).

3. Im Hinblick auf den I n h a l t werden unterschieden: a) S e l b s t ä n d i g e und u n selbständige Rechtssätze. Die e i n z e l n e R e c h t s v o r s c h r i f t kommt fast n i e m a l s in einem einzigen R e c h t s s a t z zum A u s d r u c k , s o n d e r n ist in einer Reihe von R e c h t s s ä t z e n e n t h a l t e n Unselbständig sind die. welche nur in V e r b i n d u n g mit einem für sich allein b e d e u t s a m e n (selbs t ä n d i g e n ) R e c h t s s a t z B e d e u t u n g g e w i n n e n . Die Begriffsbestimmung d e s § 90 , , S a c h e n sind nur k ö r p e r l i c h e G e g e n s t ä n d e " , e r l a n g t erst in V e r b i n d u n g mit § 903 und d e n ü b r i g e n Sätzen des S a c h e n r e c h t s Bedeutung. W e i t e r e F ä l l e unselbständiger R e c h t s s ä t z e : 182 III, SIS, 764.

b) G e b o t s - ,

Verbots-

und

Erlaubnissätze.

a) Das G e b o t zielt auf ein a k t i v e s , d a s V e r b o t auf ein p a s s i v e s ä u ß e r e s V e r halten. Das Gebot richtet sich immer nur an b e s t i m m t e einzelne, es ist n o t w e n d i g r e l a t i v . Das V e r b o t d a g e g e n k a n n v e r s c h i e d e n e n C h a r a k t e r haben, sich an einen b e s t i m m t e n einzelnen w e n d e n (z B. d a s v e r t r a g l i c h e K o n k u r r e n z v e r b o t l oder an d i e u n b e s t i m m t e V i e l h e i t d e r R e c h t s g e n o s s e n (so bei d e n a b s o l u t e n Rechten, vgl. 903).

fi 4 I V . A r t e n

der

Rechtsvorschriften.

25

ß) D a s V e r b o t k a n n a u c h I n s o f e r n e i n e n v e r s c h i e d e n e n I n h a l t h a b e n , a l s e n t w e d e r e i n V e r h a l t e n an s i c h v e r b o t e n w i r d ( S c h n e l l f a h r e n , R a u c h e n im W a l d e ) oder die H e r b e i f ü h r u n g eines bestimmten Erfolges (Tölunq Körperverletzung Rechtsv e r l e t z u n g ) . D i e s e r U n t e r s c h i e d ist s e h r w i c h t i g f ü r d i e B e g r ü n d u n g d e r d e l i k t i s c h e n E ' » a t z p f l i c h t : 823 I v e r l a n g t e i n e R e c h t s v e r l e t z u n g , a l s o H e r b e . f ü h r u n g e i n e s E r f o l g e s ; § 823 II BGB b e g n ü g t s i c h m i t e i n e r S c h u t z g e s e t z v e r i e t z u i v ? führt also zur H a f t u n g ! w e n n ein n u r a n s i c h v e r b o t e n e s V e r h a l t e n s c h u l d h a f t b e o b a c h t e t w i r d , o h n e d a ß d a s V e r s c h u l d e n s i c h a u c h auf d e n E r f o l g e r s t r e c k e n m ü ß t e . y) N e b e n d e n G e b o t s - u n d V e r b o t s s ä t z e n s i n d E r l a u b n i s s ä t z e zu u n t e r s c h e i d e n , Eigentümer die ein bestimmtes Verhalten b i l l i g e n , s a n k t i o n i e r e n , z. B. 903: D e r k a n n . . . mit d e r S a c h e n a c h B e l i e b e n v e r f a h r e n u n d a n d e r e ( a l s o j e d e n a n d e r e n ) von ]eder Einwirkung ausschließen. Soweit s o l c h e Rechtssätze die Befugnis zur B e g r ü n d u n g von Rechtswirkungen g e b e n , s p r e c h e n w i r v o n e r m ä c h t i g e n d e n R e c h t s s ä t z e n (E i s e 1 e). M a n d e n k e a n d i e V e r f ü g u a g s b e f u g n i s d e s E i g e n t ü m e r s , an d i e B e f u g n i s j e d e s R e c h t s g e n o s s e n , d u r c h V e r t r a g e R e c h t e zu e r w e r b e n u n d P f l i c h t e n zu b e g r ü n d e n ( V e r t r a g s f r e i h e i t ) , a n d i e B e f u g n i s , d i e S c h i c k s a l e d e s V e r m ö g e n s v o n T o d e s w e g e n zu b e s t i m m e n (Testier* f r e i h e i t l M e i s t sind d i e s e e r m ä c h t i g e n d e n R e r h t s s ä t z e n i c h t a u s d r ü c k l i c h a u s g e s p r o c h e n s o n d e r n a u s d e m G e s a m t i n h a l t e i n e r R e g e l u n g zu e r s c h l i e ß e n .

c) A b g r e n z e n d e

und r e g e l n d e

Rechtssätze.

Das S c h r a n k e n r e c h t zieht die G r e n z e zwischen dem vom Recht b e h e r r s c h t e n u n d d e m r e c h t s l e e r e n R a u m — h i e r h e r g e h ö r e n z. B d i e F o r m v o r s c h r i f t e n , d i e d i e R e c h t s w i r k u n u v o n d e r W a h r u n g e i n e r F o r m a b h ä n g i g m a c h e n , o h n e s i e zu b e f e h l e n (313, 2231 ff.), f e r n e r d i e V o r s c h r i f t e n , w e l c h e e i n e m T a t b e s t a n d d i e r e c h t l i c h e W i r k u n g v e r s a g e n (A3, 134, 137, 138) Das R e g e l r e c h t o r d n e t das menschliche Verh a l t e n i n n e r h a l b d e s R e c h t s g e b i e t e s d u r c h G e b o t e , V e r b o t e o d e r E r l a u b n i s s ä t z e (903, 109 I, 113)

d) R e g e l r e c h t und r e g e l w i d r i g e s Recht (Sonderrecht, ius singulare), je nachdem die Vorschrift sich als Ausfluß eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes darstellt oder unter Durchbrechung eines solchen Grundsatzes für besonders geartete Tatbestände etwas Besonderes vorschreibt, wie z. B. die Gefährdungshaftung auf Grund des Reichshaftpflichtgesetzes. D i e g a n z e B e g r i f f s b i l d u n g ist s e h r g e f ä h r l i c h u n d k a n n z u m H e m m s c h u h g e s u n d e r R e c h t s a n w e n d u n g w e r d e n . A n g e b l i c h soll d e r S o n d e r r e c h t s s a t 2 a u s d e h n e n d e r Ausl e g u n g u n d a n a l o g e r A n w e n d u n g w i d e r s t r e b e n , w a s m a n mit d e r Pandektenstelle D. 1, 3 d e leg. 14 s t ü t z t - Q u o d c o n t r a r a t i o n e m i u r i s r e e e p t u r a e s t , o o n e s t prod u c e n d u m ad c o n s e q u e n t i a s O b e i n e R e c h t s v o r s c h r . t t e i n R e g e l s a t z u n d e i n e a n d e r e ein A u s n a h m e s a t z ist, k a n n a b e r s e h r v e r s c h i e d e n b e a n t w o i t e t w e r d e n Nur allzu leicht wird aus d e m , , A u s n a h m e c h a r a k t e r " einer Vorschrift der b e q u e m e Umkehrs c h l u ß a b g e l e i t e t , d a ß s i e in a n d e r e n F ä l l e n n i c h t g e l t e n w o l l e . Ist z B d i e G e t ä h r dungshafturuj nach dem Reichshaftpflichtqesetz eine einzelne A u s n a h m e vom G r u n d s a t z der V e r s c h u l d e n s h a f t u n g oder künftig sich darin ein n e u e s selbständiges H a f t u n g s p r i n z i p a n ? J e m a n d , d e r bei L a n d u n g d e s Z e p p e l i n l u f t s c h i ß e s a m 5 A u g u s t 1908 b e i E c h t e r d i n g e n zu S c h a d e n g e k o m m e n w a r , h a t t e d e n G r a t e n Z auf S c h a d e n s e r s a t z v e r k l a g t . Das R e i c h s g e r i c h t hat (KG 78 171) d i e K l a g e a b g e w i e e s n , weil ein V e r s c h u l d e n d e s B e k l a g t e n n a c h §§ 823 ff BGB n i c h t n a c h w e i s b a r w a r u n d d i e b e s o n d e r e n ß e s t i m m u n a e n d e s BGB ü b e r S c h a d e n s e r s a t z o h n e V e r s c h u l d e n (vgl § 833 T i e r h a l t e r haftung) s o w i e d i e G r u n d s ä t z e d e s H a f t p f l i c h t G und des G e s e t z e s über d e n V e r k e h r m i t K r a f t f a h r z e u g e n v o m 3 Mai 1909 ü b e r d i e G e t ä h r d u n g s h a f l u n g w e g e n ihres A u s n a h m e C h a r a k t e r s auf d i e e i g e n a r t i g e n V e r h ä l t n i s s e d e r L u f t s c h i f f a h r t auch n i c h t e n t s p r e c h e n d a n w e n d b a r s e i e n . — Eine f r e i e r e A u f f a s s u n g h ä t t e n diesen Vorschriften die Anerkennung eines a l l g e m e i n e n Grundsatzes, eben des der G e f ä h r d u n g s h a f t u n g , finden k ö n n e n Später w u r d e durch das L u f t v e r k e h r s G vom 1. A u g u s t 1922 (§ 19 ff.) d i e H a f t p f l i c h t d e s H a l t e r s e i n e s L u f t f a h r z e u g e s — a u c h o h n e Verschulden — eingeführt, freilich wie beim Kraftfahrzeughalter nach oben ziffernmäßig begrenzt Mit Entschiedenheit muß das Dogma von der angeblichen Unzulässigkeit der A n a l o g i e bei S o n d e r s ä t z e n b e k ä m p f t w e r d e n Nur d a s e i n e w i r d m a n z u g e b e n d ü r f e n , daß durch Ausweitung des Sondersatzes der Regelsatz nicht völlig beseitigt, sondern bloß durchbrochen werden darf.

e) S t r e n g e s u n d b i l l i g e s R e c h t a e q u u m).

(ius s t r i c t u m u n d

ius

26

§

5 I. V e r h ä l t n i s d e s

BGB.

zum sonstigen

Reichsrecht.

Der Richter hat die an einen t y p i s c h e n Tatbestand geknüpfte R e g e l anzuwenden, er darf den Besonderheiten des einzelnen Falles nur so w e i t Rechnung tragen, als das Gesetz dies gestattet. Die Vorschriften nun, die eine solche Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles gestatten, indem sie auf ein Werturteil des Richters (Treu und Glauben Angemessenheit, Verschulden'usw.) abstellen, darf man als B i l l i g k e l t s recht bezeichnen, während die Vorschriften, die an äußerlich sichtbare, begrifflich scharf umrissene oder formalisierte Tatbestände anknüpfen, w i e im W e c h s e l - und Grundbuchrecht, zum s t r e n g e n Recht gehören. D o c h dari man auch d i e s e n G r u n d s a t z nicht ü b e r t r e i b e n , indem man f ü r das strenge Recht ganz andere Auslegungsgrundsätze aufstellt, etwa den gefährlichen S a t z : F o r m v o r s c h r i f t e n sind s t r e n g zu i n t e r p r e t i e r e n Das führt dann z B bei letztwilligen Verfügungen zu einer Überschätzung der Form, die nicht Selbstzweck, s o n d e r n M i t t e l zum Z w e c k ist, den w a h r e n W i l l e n des Erblassers sicherzustellen ( v g l . RG 52 277)

4. Rechtsvorschriften mit e i g e n a r t i g e m Inhalt sind: a) Die A u s l e g u n g s v o r s c h r i f t e n . Sie weisen den Richter an. den Sinn, die Bedeutung einer Willenserklärung in einer bestimmten W e i s e festzustellen. S i e u n t e r s c h e i d e n sich a l s o b e g r i f f l i c h scharf v o n den d i s p o s i t i v e n , b e s s e r erg ä n z e n d e n R e c h t s v o r s c h r i f t e n , d i e e i n g r e i f e n w o l l e n , w e n n w e d e r e i n e ausdrückl i c h e n o c h e i n e s t i l l s c h w e i g e n d e E r k l ä r u n g v o r l i e g t (722 I e n t h ä l t z. B e i n e d i s p o s i t i v e . 722 I I e i n e Auslegungsvorschrift) Die Auslegungsregeln werden meist durch- d i e W o r t e ,,im Z w e i f e l " e i n g e f ü h r t , 154, 314. 672 Praktisch ist der U n t e r s c h i e d oft g e r i n g , da man e i n e V e r e i n b a r u n g , d i e d i e A n w e n d u n g e i n e r e r g ä n z e n d e n V o r s c h r i f t ausschließt, auch stillschweigend treffen kann. Vgl M a n i g k, Irrtum und Ausl e g u n g 1918. 122f.

b) Die U n t e r s t e l l u n g e n ( F i k t i o n e n ) . Das sind Rechtssätze, die den Richter anweisen, einen bestimmten Tatbestand (b) so zu beurteilen, wie wenn ein anderer Tatbestand (a) v o r l ä g e . Sie sind e i n g e s e t z e s t e c h n i s c h e s H i l f s m i t t e l , um die W i r k u n g e n d e s T a t b e s t a n d e s a in e i n f a c h e r , a b g e k ü r z t e r W e i s e auf den T a t b e s t a n d b zu übertragen (911, 1). W i s s e n s c h a f t l i c h e n Wert hat die Unterstellung nicht, sie v e r d e c k t die Wahrheit, e r k l ä r t nicht, w a r u m diese Übertragung der Wirkungen stattfindet, und was hinter d e m u n t e r s t e l l t e n Tatbestand wirklich s t e h t ; die F-ktion ist also a u f z u l ö s e n Vgl Bern h oft Zur L e h r e v o n den Fikt i o n e n , Festschr. f. B. J. B e k k e r , 1907. E s s e r , - W e r t und Bedeutung d e r Rechtsf i k t i o n e n , 1940.

V.

Abschnitt.

Der Herrschaftsbereich des deutschen bürgerlichen I. K a p i t e l : I. V e r h ä l t n i s Das

d e s BGB z u m s o n s t i g e n

BGB. ist eine

Kodifikation,

also eine

sätzlich gelten will unter A u s s c h l u ß dem

Landesrecht

Rechts.

Einwirkung des BGB. auf das vorhandene Reichs- und Landesrecht.

gegenüber

anderer

ist dieser

Reichsrecht.

Gesetzgebung,

Grundsatz

durchgeführt. Im Verhältnis zum R e i c h s r e c h t

die

Rechtsquellen. in der

grund-

Aber

nur

Hauptsache

bestimmt sich die. W i r k -

} 5 II. V e r h ä l t n i s des BGB. zum L a n d e s r e c h t .

27

samkeit des BGB. nach dem Grundsatz des z e i t l i c h e n V o r g a n g s (Priorität). Das jeweils jüngere Gesetz hebt das ältere auf, soweit das in dem jüngeren Gesetz besonders bestimmt oder eine Anordnung getroffen wird, die mit dem Inhalt des älteren Rechts unvereinbar ist: lex posterior derogat priori. Im Einklang hiermit erklärt 32 EG.: die Vorschriften der R e i c h s gesetze bleiben in Kraft, soweit sich nicht ausnahmsweise aus dem BGB. oder EG. ihre Aufhebung ergibt. Wann sich eine d e r a r t i g e A u f h e b u n g a u s dem BGB. ergibt, ist eine n i c h t immer leicht zu b e a n t w o r t e n d e Frage. W a s ist i n h a l t l i c h u n v e r e i n b a r ? Für eine Reihe v o n ä l t e r e n Reichsgesetzen ( H a n d e l s g e s e t z b u c h , G e w e r b e o r d n u n g , Pers o n e n s t a n d s g e s e t z usw.) ist das M a ß d e r E i n w i r k u n g des BGB genau f e s t g e l e g t (vgl. EG. 33—54) Davon a b g e s e h e n wird m a n regelmäßig eine Beseitigung des b i s h e r i g e n R e i c h s r e c h t s d a n n a n n e h m e n d ü r f e n , w e n n das BGB eine b e s t i m m t e R e c h t s f r a g e oder e i n e n Inbegriff v o n solchen n e u g e r e g e l t hat. Diese A n n a h m e ist aber d a n n unzulässig, wenn die f r ü h e r e V o r s c h r i f t eine S o n d e r Vorschrift ist, die aus S o n d e r r ü c k s i c h t e n e t w a s vom d a m a l i g e n Regelrecht A b w e i c h e n d e s b e s t i m m t hat, lex posterior g e n e r a t i s n o n d e r o g a t legi priori speciali. E n t s p r e c h e n d e s gilt füi die A u f h e b u n g d e r V o r s c h r i f t e n d e s BGB. d u r c h j ü n g e r e R e i c h s g e s e t z e oder ein sich b i l d e n d e s R e i c h s g e w o h n h e i t s r e c h t .

II. V e r h ä l t n i s d e s BGB. z u m L a n d e s r e c h t . 1. Nach Art 2 RV. von 1871 und Art 13 RV. von 1919 gehen — anders als im Mittelalter — die Reichsgesetze den Landesgesetzen unbedingt vor. R e i c h s r e c h t b r i c h t L a n d e s r e c h t . Schon danach würde nicht bloß alles w i d e r s p r e c h e n d e ä l t e r e Landesrecht ohne weiteres aufgehoben, sondern auch die Bildung n e u e n w i d e r s p r e c h e n d e n Landesgesetzes- oder -gewohnheitsrechts ausgeschlossen sein. Das Landesrecht würde danach nur für die vom BGB. überhaupt nicht geregelten Fragen haben bestehen bleiben können. 2. Das Einführungsgesetz geht aber noch einen Schritt weiter und führt im Verhältnis zum L a n d e s r e c h t den ausschließenden K o d i f i k a t i o n s g e d a n k e n durch. G r u n d s ä t z l i c h wird a l l e s Landesprivatrecht ohne Rücksicht auf seine Vereinbarkeit mit dem BGB. a u f g e h o b e n und seine N e u b i l d u n g ausgeschlossen, EG. 55. a) R e g e l . Die privatrechtlichen Vorschriften des Landesrechts treten außer Kraft. Die Regel trifft n u r das L a n d e s p r i v a t r e c h t , nicht das öffentliche Recht, s i e trifft a b e r das ganze L a n d e s p r i v a t r e c h t , d a s v o r h a n d e n e w i e d a s künftige, n i c h t b l o ß d a s z w i n g e n d e , s o n d e r n auch das e r g ä n z e n d e Recht.

b) A u s n a h m e n . Im Rahmen der sogen. V o r b e h a l t e (namentlich EG. 56—152, 216) bleibt das geltende Landesprivatrecht in Kraft, es kann sogar neues geschaffen werden (EG. 3).

a) K r a f t der V o r b e h a l t e . In i h r e m R a h m e n ist s o g a r w i d e r s p r e c h e n d e s Landesp r i v a t r e c h t a n e r k a n n t . Das Reichsrecht ist freilich nicht völlig a u s g e s c h l o s s e n , es gilt aa) s o w e i t das L a n d e s p r i v a t r e c h t auf R e c h t s s ä t z e v e r w e i s t , die durch BGB. oder HG. a u ß e r Kraft gesetzt sind (EG. 4J, ßß) hilfsweise, s o w e i t d a s ' L a n d e s p r i v a t r e c h t s c h w e i g t oder eine Lücke läßt, a l s o d e r E r g ä n z u n g a u s den a l l g e m e i n e n G r u n d s ä t z e n des P r i v a t r e c h t s b e d a r f . iff) I n h a 1 t der V o r b e h a l t e . V o r b e h a l t e n sind R e c h t s v o r s c h r i f t e n w e g e n ihrer H e r k u n f t (EG. 56) oder w e g e n des von ihnen b e t r o f f e n e n P e r s o n e n k r e i s e s (EG. 57. 58. 216) oder w e g e n ihres I n h a l t s (z. B. 95 G e s i n d e r e c h t , 67 Bergrecht, 65 W a s s e r r e c h t , 69 J a g d - und F i s c h e r e i r e c h t usw.). Die V o r b e h a l t e z u g u n s t e n d e s h o h e n Adels h a t t e n n a c h A r t 109 III WRV nur m e h r B e d e u t u n g b i s zu d e r d o r t a n g e o r d n e t e n , im W e g e der L a n d e s g e s e t z g e b u n g

28

$ 6. I n t e r n a t i o n a l e s

Privatrecht.

v o r z u n e h m e n d e n Beseitigung der G e b u r t s - und S t a n d e s v o r r e c h t e (PreußAdelsG. vom 23. J u n i 1920). Doch will Art 109 III RV. nicht beireffen die p r i v a t r e c h t l i c h e und hausrechtlich familien- und v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e S o n d e r s t e l l u n g kraft G e b u r t oder S t a n d e s ; so RG. 101 185. — Der V o r b e h a l t z u g u n s t e n des G e s i n d e r e c h t s ist schon seit dem Aufruf des Rates der V o l k s b e a u f t r a g t e n vom 12. N o v e m b e r 1918 b e d e u t u n g s l o s . W o ganze S a c h g e b i e t e (Materien! v o r b e h a l t e n sind, gilt der V o r b e h a l t aber nur, s o w e i t das Landesrecht S o n d e r s ä t z e e n t h ä l t , die für d i e s e n S o n d e r r e c h t s t e i l a u s S o n d e r r ü c k s i c h t e n h e r v o r g e g a n g e n sind; also v o r b e h a l t e n sind z. B. nur b e s o n d e r e , g e r a d e w a s s e r r e c h t l i c h e V e r j ä h r u n g s v o r s c h r i f t e n , nicht die auch für das W a s s e r recht g e l t e n d e n a l l g e m e i n e n Verjährungsbestimmungen.

2. K a p i t e l . Verhältnis des bürgerlichen Rechts zum neben ihm geltenden Privatrecht. — Internationales Privatrecht (Zwischenprivatrecht). N e u e s t e Literatur: F r a n k e n s t e i n , Internat PR I 1926, II 1929; Gut« willer i. S t a m m l e r s E n z y k l o p ä d i e ,,Internationa!PR. 1931"; L e w a l d , Deutsch Intern. PR. 1930; N u ß b a u m , Deutsch. I n t e r n PR 1932; M e l c h i o r , Die Grundlagen d. Deutsch. Intern. PR. 1932; R a a p e i. S t a u d i n g e r s Komm Bd. VI, 2. Teil, 1931; d e r s. D e u t s c h e s I n t e r n a t i o n a l e s Privatrecht, I 1938, II 1939; DürinqerH a c h e n b u r g - G e i l e r (3) 1 17 ff. Zur a u s l ä n d . Literatur vgl. G u t z w i 11 e r, R v g l H d w b IV 320f., M. W o l'i f, IPR 1933; Ernst R a b e I, Das Recht des Warenk a u f s , 1936; d e r s. ZAJPR. 5 (1931) 243—245; K e g e l , Der G e g e n s t a n d des IPR. i. Festq. f ü r R a a p e (1948) 1. f., Ernst R a b e l , T h e conflict of laws I (1945), II (1947).

I. A u f g a b e u n d B e g r i f f . Die einzelnen Kulturstaaten haben verschiedene Rechtsordnungen, die nebeneinander gelten, jede für das Gebiet und die Angehörigen ihres Staates. Wenn nun Fälle zu entscheiden sind, die Beziehungen zu verschiedenen Staaten haben, taucht die F r a g e auf, welche der verschiedenen Rechtsordnungen der beteiligten Staaten für die Entscheidung maßgebend sein soll. H a t z. B. ein F r a n z o s e in Deutschland ein nach f r a n z ö s i s c h e m Recht gültig err i c h t e t e s , a b e r nach d e u t s c h e m Recht u n g ü l t i g e s p r i v a t s c h r i f t l i c h e s T e s t a m e n t g e m a c h t , so f r a g t sich: soll die p e r s ö n l i c h e Beziehung der S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t den A u s s c h l a g g e b e n o d e r die ö r t l i c h e Beziehung der Errichtung auf d e u t s c h e m S t a a t s g e b i e t oder soll s t e t s die R e c h t s o r d n u n g d e s S t a a t e s m a ß g e b e n d sein, d e s s e n G e r i c h t e den Fall zu e n t s c h e i d e n h a b e n ?

Die Antwort auf diese Fragen gibt das internationale Privatrecht („Zwischenprivatrecht" Zitelmann). Es enthält die G r u n d s ä t z e ü b e r d i e A n w e n d b a r k e i t d e r v e r s c h i e d e n e n n e b e n einander geltenden Privatrechtsordnungen auf einen Tatbestand mit Beziehungen zu v e r s c h i e d e n e n Rechtsordnungen, es will den G e l t u n g s b e r e i c h mehrerer n e b e n einander geltender Rechtsordnungen gegeneinander a b g r e n z e n . Die Vorschriften, die eine solche Abgrenzung des Geltungsbereichs der materiellen Privatrechtsnormen (S a c h normen) vornehmen, heißen G r e n z normen oder K o l l i s i o n s normen. II. Das H ö c h s t z i e l wäre offenbar erreicht, wenn ein bestimmtes Rechtsverhältnis stets nach demselben Recht beurteilt würde, einerlei, ob das Urteil von den Gerichten dieses oder jenes Staates zu fällen wäre. In Wahrheit denken aber die einzelnen Staaten keineswegs gleich über die Gesichtspunkte, wonach man die einzelnen Rechtsverhältnisse dem Herrschaftsbereich der einen oder anderen Rechtsordnung zuweisen könnte. Von allen Kulturstaaten wird zwar anerkannt, daß die Z u f ä l l i g k e i t des a n g e r u f e n e n G e r i c h t s (die lex fori) n i c h t e n t s c h e i d e n d sein darfj das wäre der Tod des Verkehrs. Alle Kulturstaaten erkennen

$ 6. I n t e r n a t i o n a l e s

Privatrecht.

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ferner an, daß sie um der internationalen Verkehrs- und Kulturgemeinschaft willen dem Geltungsbereich ihrer Privatrechtsordnungen Grenzen ziehen müssen und in gewissem Umfang vor ihren Gerichten auch fremdes Recht anwenden lassen müssen, daß grundsätzlich die Rechtsordnung d e s Staates maßgebend sein muß, zu dessen persönlichem oder räumlichem Herrschaftsbereich der zu beurteilende Tatbestand die s t ä r k s t e n Beziehungen hat. W e l c h e Beziehung aber nun den Ausschlag geben soll, diese Frage wird von den zwischenprivatrechtlichen Grenzbestimmungen der einzelnen Staaten sehr verschieden beantwortet. Bald legen sie das Schwergewicht auf die p e r s ö n l i c h e Beziehung der S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t , bald auf eine r ä u m l i c h e Beziehung, wie z. B. den W o h n s i t z oder A u f e n t h a l t , den H a n d l u n g s o r t , den E r f ü l l u n g s o r t , den O r t , wo sich der G e g e n s t a n d des Rechtsverhältnisses b e f i n d e t , das G e b i e t , für dessen Bereich ein Recht in Anspruch genommen wird usw. III. G e s c h i c h t l i c h e E n t w i c k l u n g . Die G e s c h i c h t e des Internationalen Privatrechts ist die G e s c h i c h t e der B e m ü h r u n g e n um d i e b e s t e A n k n ü p f u n g s b e z i e h u n g . Bei d e n V ö l k e r n d e s A l t e r t u m s war der Fremde grundsätzlich rechtlos, das Recht war streng national — ein Prinzip, das freilich durch Freundschafts- oder Bündnisverträge viellach d u r c h b r o c h e n wurde Die s p ä t e r e E n t w i c k l u n g d e s r ö m i s c h e n R e c h t s zum W e 1 t r e c h t w a r d e r Ausbildung eines internationalen Privatrechts, das das Nebeneinandergelten grundsätzlich gleichberechtigter Rechtsordnungen begrifflich voraussetzt, ungünstig. Im a l t g e r m a n i s c h e n R e c h t g a l t d a s P e r s o n a l i t ä t s p r i n z i p , d e r G r u n d s a t z d e r S t a m m e s r e c h t e , j e d e r l e b t e n a c h d e m R e c h t e s e i n e s S t a m m e s . Im s p ä t e r e n Verlauf der Entwicklung g e h t d a s Bewußtsein der Stammeszugehörigkeit verloren, das Stammesrecht lokalisiert sich, wird zum O r t s r e c b t ( T e r r i t o r i a l i t ä t s prinzip) Die P o s t g l o s s a t o r e n b i l d e n in O b e r i t a l i e n d i e S t a t u t e n t h e o r t e aus, die a u s g e h t vom G e d a n k e n der f r e i w i l l i g e n U n t e r w e r f u n g u n t e r ein bestimmtes Ortsrecht, statutum, so g e n a n n t im G e g e n s a t ? z u m d a h i n t e r geltenden gemeinen Recht Durch E r w ä h l u n g e i n e s D o m i z i l s u n t e r w i r f t s i c h j e m a n d h i n s i c h t l i c h der f ü r d i e P e r s o n g e l t e n d e n R e c h t s s ä t z e d e m a m O r t d e s W o h n s i t z e s g e l t e n d e n Recht (statuta personalia), hinsichtlich des Immobiliarrechts dem Recht des Gebiets, w o r i n d i e S a c h e liegt ( s t a t u t a r e a l i a ) , h i n s i c h t l i c h d e r H a n d l u n g e n d e m R e c h t d e s Orts, wo sie v o r g e n o m m e n w e r d e n (statuta mixta). Die b e w e g l i c h e n Sachen, die m a n als Zubehör der Person behandelte, unterstellte man d e n statuta p e r s o n a l i a ; mobilia ossibus inhaerent. mobilia p e r s o n a m s e q u u n t u r . Die S t a t u t e n t h e o r i e d r a n g in F r a n k r e i c h , d e n N i e d e r l a n d e n u n d D e u t s c h l a n d e i n u n d w u r d e n o c h E n d e d e s 13. u n d A n f a n g d e s 19 J a h r h u n d e r t s g r u n d s ä t z l i c h v o n d e n d a m a l s entstandenen Gesetzgebungswerken (Preuß. L a n d r e c h t , c o d e c i v i l , O s t e r r . B ü r g e r l . Gesetzbuch) angenommen Ihre Unhaltbarkeit (namentlich die der Idee von der freiwilligen Unterwerfung) wies W ä c h t e r nach (ArchZivPr 24 230 ff.» 25 1 ff.. 116 ff., 361 f f ) Er zog d i e F o l g e r u n g a u s d e m inzwischen zur Herrschaft g e l a n g t e n G e d a n k e n der vollen Staatss o u v e r ä n i t ä t , d e r Z u r ü c k f ü h r u a g a l l e n R e c h t s auf d e n S t a a t u n d d e r A u s b i l d u n g d e s staatlichen Richteramts. Nach W ä c h t e r h a t d e r R i c h t e r zu f r a g e n : w e l c h e s R e c h t b e f i e h l t mir m e i n S t a a t a n z u w e n d e n ? S o w e i t d i e s e r d i e A n w e n d u n g f r e m d e n R e c h t e s b e f i e h l t , hat d e r R i c h t e r dein n a c h z u k o m m e n . Falls Sinn u n d G e i s t d e r s t a a t l i c h e n R e c h t s v o r s c h r i f t e n n i c h t zu e i n e m k l a r e n E r g e b n i s f ü h r e n , h a t d e r R i c h t e r im Z w e i f r f das Recht seines Staates a n z u w e n d e n Da d i e s e L e h r e p r a k t i s c h zu e i n e r I g n o r i e r u n g d e s V ö l k e r r e c h t s u n d d e r s i c h a u s ihm f ü r d a s i n t e r n a t i o n a l e P r i v a t r e c h t e r g e b e n d e n A n f o r d e r u n g e n f ü h r t e , f a n d s i e in i h r e m p o s i t i v e n Teil n u r b e s c h r ä n k t e A n e r k e n n u n g . Grundlegend für die weitere Entwicklung wurden S a v i g n y s Darlegungen ( S y s t e m d e s h e u t röm R. VIII 1—367). A u c h S a v i g n y v e r k e n n t nicht, daß der R i c h t e r an d i e G e s e t z e s e i n e s S t a a t e s g e b u n d e n ist, er g e h t a b e i bei E r m i t t l u n g d e r in d e i e i n 2 e l s t a a t l i c h e n Rerhtsordnun/j enthaltenen Gren*normpn ni^ht vom Boden der einzelstaatlichen Rechtsordnung aus, sondern von einer internationa'en Verkehrs- u n d Rechtsgemeoischait der Staaten. Diese Rechtsgemeinschait führt die

§ 6. Internationales Privatrecht. einzelnen Staaten in gegenseitiger Anerkennung ihrer Souveränität nicht zu einer Uberspannung dieser Territorialsouveränität, sondern zu einer auf der Natur der Sache ruhenden Anerkennung der fremden Gesetzgebung in bezug auf die Rechts» Verhältnisse, die ihrer Natur nach einer fremden Rechtsordnung angehören. Maßgebend ist danach das Recht des Gebietes, wo das R e c h t s v e r h ä l t n i s sein e n S i t z h a t . Er liegt im D o m i z i l bei den personenrechtlichen Verhältnisse» (Handlungsfähigkeit, Rechtsfähigkeit, persönliche Stellung, Familienrecht, Erbrecht). Er liegt im Ort der belegenen Sache bei s a c h e n r e c h t l i c h e n Verhältnissen, und im E r f ü l l u n g s o r t bei s c h u l d r e c h t l i c h e n Verhältnissen, Savignys Formel vom Sitz des Rechtsverhältnisses löst freilich genau gesehen die Frage nicht, sondern gibt nur ein Bild, das auch als solches dem Problem nicht einmal gerecht wird, weil alles auf die Maßgeblichkeit r ä u m l i c h e r Beziehungen abgestellt ist. Von diesen verschiedenen Ausgangspunkten haben sich in Deutschland zwei gegensätzliche Richtungen in der Auffassung und Konstruktion des internationalen Privatrechts entwickelt. Die nationalistische oder positivistische Richtung, die eine Fortbildung der Gedanken Wächters ist, und die internationalistische Richtung, die sich in den Bahnen Savignys bewegt. In positivistischen Gedankengängen bewegen sich u. a. B ö h m , N i e m e y e r, K a h n , v. G i e r k e , N e u b e c k e r , während die internationalistische Richtung von B r i n z , B a h r , Z i t e l m a n n u. a. vertreten wird. Die G e g e n s ä t z e haben sich jedoch neuerdings bis zu einem gewissen Grade a u s g e g l i c h e n . Auch in den f r e m d e n Staaten lassen sich entsprechende Grundauffassungen unterscheiden. Die englisch-amerikanische Jurisprudenz und Rechtsprechung huldigt einer zuerst in Holland (Ende des 17. Jahrhunderts) entwickelten n a t i o n a l i s t i s c h e n Anschauung, wonach in jedem Territorium dessen Recht maßgebend sei und die Anwendung fremden Rechts a u s n a h m s w e i s e kraft freundnachbarlichen Entgegenkommens (comitas .gentium), zulässig sei. Das führt zur V o r h e r r s c h a f t des . O r t s r e c h t s , als Recht des Orts der belegenen Sache (lex rei sitae), des Orts des Vertragsschlusses, des Wohnsitzes usw. Auf der anderen Seite entwickelte man in I t a l i e n , Frankreich, Belgien, Spanien, Südamerika im Anschluß an eine Rede des Italieners Mancini (1851) die Lehre, daß jeder das Recht seiner N a t i o n mit sich trage und diesem im Ausland grundsätzlich unterworfen bleibe, daß dessen Anwendung nur beschränkt werde durch das territoriale Recht der öffentlichen Ordnung, des ordre public. Das führt zur V o r h e r r s c h a f t des Rechts der Staatsangehörigkeit, des Heimatrechts, die nur bei i n t e r n a t i o n a l i s t i s c h e r Grundeinstellung zu rechtfertigen ist. Auch im Einführungsgesetz zum BGB. ist das H e i m a t r e c h t weitgehend zur Anerkennung gelangt. Neuestens läßt sich übrigens in Mittel- und Südamerika eine ruckläufige Bewegung zugunsten des Wohnsitzrechts feststellen ( M e l c h i o r 15). In Deutschland hat Z i t e l m a n n (InternPR. I 1897, II 1912) den kühnsten und folgerichtigsten Versuch unternommen, das internationale Privatrecht auf übers t a a t l i c h e r Grundlage zu errichten. Er will die zwischenprivatrechtlichen Grenznonnen gewinnen, indem er die v ö l k e r r e c h t l i c h e n Normen, die eine a l l g e m e i n e v ö l k e r r e c h t l i c h e Herrschaftsabgrenzung bedeuten, auf ihre Schlußfolgerungen für die Abgrenzung der p r i v a t r e c h t l i c h e n Befehlsgewalt hin durchdenkt. Jede staatliche Macht stützt sich nach ihm völkerrechtlich entweder auf Personalhoheit oder Gebietshoheit; kraft jener beherrscht der Staat seine Angehörigen, kraft dieser sein Gebiet und die auf diesem befindlichen Sachen. Grundsätzlich geht bei Konflikten nach völkerrechtlicher Übung die P e r s o n a l h o b e i t vor, es entscheidet das Recht der Staatsangehörigkeit, das Heimatrecht der beherrschten Person — von Zitelmann Personalstatut genannt, also n i c h t im Sinne der Statutentheorie verwandt. Der Gebietsstaat hat in der Regel kein Interesse, die Herrschaft des Heimatstaates auszuschließen, er tut dies nur, soweit Gründe der öffentlichen Ordnung und der Selbsterhaltung die Durchführung seiner Normen ausnahmslos fordern, namentlich für das Gebiet der absoluten Rechtsverbote, der absolut geschützten Interessen Danach gilt das P e r s o n a l Statut, also die Rechtsordnung, der die beherrschte Person angehört, für alle Rechte an fremder Person, an eigener Person, sowie für Forderungsrechte mit Ausnahme der deliktischen Ersatzobligation Das G e b i e t s Statut gilt als H a n d l u n g s Statut (Recht des Ortes, wo die Handlung vorgenommen wird) für die deliktische Ersatzobligation, als S a c h Statut (Recht des Ortes, wo sich die Sache befindet) für alle Rechte an Sachen, als G e b i e t s Statut l. e. S (Rechtsordnung des Gebietes, für welches das Recht in Anspruch genommen wird) für die Persönlichkeitsrecht und Immateriellen Güterrechte. Gegen Zitelmann ist einzuwenden, daß seine Folgerungen aus der völkerrechtlichen Herrschaftsabgrenzung des positivrechtlichen Charakters entbehren, daß die tatsachliche Rechtsentwicklung in den einzelnen Staaten ihnen vielfach widerspricht (das RG. beurteilt z. B. die Schuldverhältnisse rechts-

{ 6. I n t e r n a t i o n a l e s P r i v a t r e c h t .

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g e s c h ä f t l i c h e n C h a r a k t e r s n a c h dem Recht des E r f ü l l u n g s o r t e s und n i c h t n a c h d e m H e i m d t r e c h t d e s S c h u l d n e r s ) , e n d l i c h daB d i e E r g e b n i s s e seiner Lehre tür d a s S c h u l d i e c h t z w e c k w i d r i g sind. Auch d a s W e r k E m s t F r a u k e n s t e i n s v e r s u c h t auf G r u n d l a g e n a u f z u b a u e n , d i e als a p r i o r i s c h g e l t e n d e Sätze a u t g e s t e l l t w e r d e n und d e s h a l b der Ü b e r z e u g u n g ^ klaft entbehren. Ein w i r k l i c h e r F o r t s c h r i t t wird sieb nur mittels d e r i n d u k t i v e n , reebtsv e r g l e i c h e n d e n M e t b o d e erzielen lassen, wie sie dem W e r k : der H a a g e r P r i v a t r e c b t s k o n f e r e n z e n z u g r u n d e liegt. Ihr huldigen 1 d i e n e u e r e n W e r k e ; vgl. n a m e n t l . R a a p e u. R a b e l

IV. Das d e u t s c h e Z w i s c h e n privatrecht knüpft grundsätzlich an die S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t an, so für die Burteilung der Geschäftsfähigkeit (EG 7), der Todeserklärung (EG. 9), der Voraussetzungen der Eheschließung (EG. 13 I), der Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten (EG. 14 und 15, maßgebend ist die Staatsangehörigkeit des E h e m a n n e s zur Zeit der Eheschließung; das einmal begründete Güterrecht wird durch einen späten Wechsel der Staatsangehörigkeit nicht berührt), der Scheidung (EG. 17, maßgebend ist die Staatsangehörigkeit des Mannes zur Zeit der Klageerhebung), der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern (EG. 19—21, maßgebend ist bei ehelichen Kindern die Staatsangehörigkeit des Vaters, bei unehelichen die der Mutter), der Beerbung (EG. 24 und 25, maßgebend ist die Staatsangehörigkeit des Erblassers). Die F o r m des Rechtsgeschäfts bestimmt sich nach den Gesetzen, die maßgebend sind für das den Gegenstand des Rechtsgeschäfts bildende Rechtsverhältnis, doch genügt im allgemeinen die W a h r u n g der am Errichtungsort vorgeschriebenen Formen (EG. 11). Die Form e i n e r im Inland geschlossenen E h e bestimmt sich a b e r a u s s c h l i e ß l i c h nach d e u t s c h e n G e s e t z e n (EG. 13 III)i vgl. a b e r j e t z t § 15a EheG. Die Form e i n e s R e c h t s g e s c h ä f t s , w o d u r c h ein S a c h e n r e c h t b e g r ü n d e t o d e r d a r ü b e r verfügt wird, wird a u s s c h l i e ß l i c h d u r c h das G e b i e t s s t a t u t (lex rei sitae) bestimmt (EG 11 II)| das gilt auch für d i e A n w e n d u n g des § 313 (RG. 63 20).

Eine D u r c h b r e c h u n g der regelmäßigen Grenznormen bedeutet EG. 30. Danach ist die Anwendung eines nach den a l l g e m e i n e n Grenznormen a n s i c h m a ß g e b e n d e n fremden Gesetzes dann ausgeschlossen, wenn sie im b e s o n d e r e n ' F a l l gegen die g u t e n S i t t e n oder den Z w e c k eines deutschen Gesetzes verstoßen würde (man denke an Polygamie, Sklaverei usw.). Außerdem sieht 31 EG vor, daß der Reichskanzler mit Zustimmung des Reichsrats gegen einen ausländischen Staat und seine Angehörigen ein V e r g e 11 u n g s r e c h t zur Anwendung bringen kann. Eine eigenartige Bestimmung ist die Vorschrift des Art 27 über die R ü c k Verweisung (renvoi). W e n n ein nach der deutschen Grenznorm maßgebendes Auslandsrecht seinerseits eine Grenznorm hat, wonach es für diesen Fall nicht anwendbar ist, sondern auf das deutsche Recht als maßgebend verweist, so soll diese Rückverweisung bei den in 27 aufgezählten Rechtsfragen (Geschäftsfähigkeit, Ehevoraussetzungen, eheliches Güterrecht, Ehescheidung, Erbfolge) beachtet werden. Streitig ist, ob eine solche Rückverweisung auch bei anderen Rechtsfragen zu beachten ist und wie es mit der W e i t e r v e r w e i s u n g auf ein drittes Recht steht.

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g 6

Internattonales

Privatrecbt.

Das RG. (78 236, 9t 141) deutet d i e V e r w e i s u n g aut e i n f r e m d e s R e c h t als G e s a m t v e r w e i s u n g , d. h. V e r w e i s u n g auf Sacta* u n d G r e n z n o i m e n als einheitliches G a m e s j dagegen b e h a n d e l t e s die R ü c k Verweisung des a u s l ä n d i s c h e n Rechts aoi d i e d e u t s c h e n G e s e t z e als S a c h n o r m r ü c k v e r w e i s u n g , nicht als G e s a m t v e r w e i s u n g , so daß e s in s o l c h e n F ä l l e n bei der M a ß g e b l i c h k e i t d e s d e u t s c h e n R e c h t s sein B e w e n d e n hat IRG. 138 366). Beispiel für die R ü c k v e r w e i s u n g : Zwei n o r d a m e r l k a n i s c h e S t a a t s a n g e h ö r i g e haben in C h i c a g o g e h e i r a t e t und wollen an ihrem W o h n o r t Hamburg g e s c h i e d e n werden. Da das n o r d a m e r l k a n i s c h e S c h e i d u n g s r e c h t vom Domizilprinzip b e h e r r s c h t wird, a l s o aul das d e u t s c h e W o h n s i t z r e c h t z u r ü c k v e r w e i s t , ist dieses anzuwenden, vgl RG 136 363, — Beispiel für W e i t e r v e r w e i s u n g : Hin b e l g i s c h e r E r b l a s s e r hat seinen letzten W o h n s i t z in P e t e r s b u r g Nach Art 25 1 EG. ist das b e l g i s c h e R e c h t m a ß g e b e n d , das a b e r se-ners e i t s für das u n b e w e g l i c h e V e r m ö g e n das Recht dei b e l e g e n e n S a c h e a n e r k e n n t , a i s o auf d i e s e s weiter v e r w e i s t ; folglich Ist von d e u t s c h e n G e r i c h t e n r u s s i s c h e s R e c h t a n z u w e n d e n (RG 91 142)

V. Bei der verschiedenen Stellung der Kulturstaaten ist das Ziel einer gleichmäßigen Abgrenzung in absehbarer Zeit nur durch v ö l k e r e c h t l i c h e V e r e i n b a r u n g zu erreichen. Ein bedeutsamer Anfang ist hier gemacht worden durch die H a a g e r A b k o m m e n über das internationale Privatrecht vom 12. Juni 1902 (betr. Eheschließung, Ehescheidung und Vormundschaft) und vom 17. Juli 1905 (über die Wirkungen der Ehe und Entmündigung), die freilich nur mit einem Teile der Kulturstaaten geschlossen worden sind (z. B. nicht mit England und Amerika). Am 17 J u l i 1905 ist a u c h ein A b k o m m e n betr. den Z i v i l p r o z e ß getroffen w o r d e n über M i t t e i l u n g g e r i c h t l i c h e r und a u ß e r g e r i c h t l i c h e r Urkunden, Ersuchungss c h r e i b e n , S i c h e r h e i t s l e i s t u n g für die P r o z e ß k o s t e n . A r m e n r e c h t und p e r s ö n l i c h e Haft.

Durch den ersten Weltkrieg sind die zwischen den k r i e g f ü h r e n d e n Staaten geschlossenen Verträge aufgehoben worden, also auch die Haager Verträge. Der Friedensvertrag von Versailles hat nun leider nur einen Teil dieser Abkommen wieder in Kraft gesetzt, nämlich das Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige und das über den Zivilprozeß (Friedensvertrag, Art 282, Ziff. 26 und Art 287). S e l b s t d i e s e A b k o m m e n sind nicht allen S i e q e r s t a a t e n g e g e n ü b e r wieder in Kraft g e t r e t e n ; so z. B nicht das Z i v i l p r o z e ß a h k o m m e n F r a n k r e i c h , Portugal und Rumänien gegenüber. Frankreich hatte übrigens das Vormundschaltsabkommen schon 1913 g e k ü n d i g t . Später sind dann e i n z e l n e A b k o m m e n durch S o n d e r v e r t r ä q e wieder lD Kraft gesetzt oder n e u e S o n d e r a b k o m m e n g e s c h l o s s e n w o r d e n Vg M a k i r o v , Die Q u e l l e n des InternPR 1929 und R v g l H d w b IV 325 A b e r auch der G e d a n k e , das i n t e r n a t i o n a l e Privatrecht durch a l l g e m e i n e V e r e i n b a r u n g e n weiter a n z u g l e i c h e n , wurde wieder aufgenommen Ende 1925 hat e i n e 5. H a a g e r K o n f e r e n z g e t a g t und zur Aufstellung von Entwürfen über v o l l * s t r e c k u n g s und k o n k u r s r e c h t l i c h e F r a g e n s o w i e das E r b r e c h t g e f ü h r t ; 1928 ist e i n e 6. K o n f e r e n z g e f o l g t , die B e s c h l ü s s e über die A b ä n d e r u n g der f a m i l i e n r e c h t l i c h e n Abkommen, über die N a c h l a ß r e g u l i e r u n g und das i n t e r n a t i o n a l e K a u f r e c h t gefaßt hat; vgl J W 1928, B57f u. 19H7f Zu b e a c h t e n ist, daß das R e c h t der A b k o m m e n im V e r h ä l t n i s der v e r t r a g s c h l i e ß e n den S t a a t e n an die S t e l l e der G r e n z n o n n e n des EG B G B g e t r e l e n ist D ' e Folqen rle« z w e i t e n W e l t k r i e g e s auf d i e W e i t e r e n t w i c k l u n g d e s IPA sind z Zt noch nicht zu ü h e r s e h e n .

VI. Für das Gebiet der L ü c k e n — wo eine gesetzliche Anweisung fehlt und auch eine analoge Anwendung der Vorschriften des Einführungsgesetzes nicht zum Ziel führt — wird die G r u n d a u f f a s s u n g des Zwischenprivatrechts bedeutsam. Hier ringen zwei Richtungen um die Anerkennung und Durchsetzung, die positivistische (nationalistische) und die internationalistische. Die n a t i o n a l i s t i s c h e vertritt eine p o s i t i v i s t i s c h e Anschauung, sie faßt das Zwischenprivätrecht auf als i n n e r s t a a t l i c h e s

§

6.

Internationales

Privatrecht.

gg

R e c h t . S o w e i t d i e s e s den Richter a n w e i s e , fremdes R e c h t anzuwenden, m ü s s e er dem n a c h k o m m e n . Im Zweifel a b e r h a b e er immer das Recht s e i n e s S t a a t e s anzuwenden. Die i n t e r n a t i o n a l i s t i s c h e (Zitelmann) hält das Z w i s c h e n p r i v a t r e c h t für V ö l k e r r e c h t . Nach diesem hat j e d e r S t a a t über ein b e s t i m m t e s G e b i e t und über s e i n e A n g e h ö r i g e n B e f e h l s g e w a l t , insoweit ist auch s e i n e Rechtsordnung m a ß g e b e n d . W i l l er durch sein Recht V e r h ä l t n i s s e ordnen, die der B e f e h l s g e w a l t e i n e s anderen S t a a t e s unterstehen, so handelt er v ö l k e r r e c h t s w i d r i g . Im Z w e i f e l also hat hier der Richter danach zu fragen, welcher S t a a t nach den Regeln der v ö l k e r r e c h t l i c h e n H e r r s c h a f t s a b g r e n z u n g für das R e c h t s v e r h ä l t n i s zuständig ist, und dessen Recht anzuwenden. Beide Richtungen s e h e n die Aufgabe nur von e i n e r S e i t e an Das Z w i s c h e n p r i v a t r e c h t ist i n n n e r s t a a t l i c h e s Recht, soweit es als Teil der e i n z e l s t a a t l i c h e n Rechtsordnung sich an den R i c h t e r wendet. Dieser h a t sich nur an die G e s e t z g e b u n g s e i n e s Landes zu halten. Auf der andern S e i t e läßt sich nicht v e r k e n n e n , daß sich r i c h t i g e Grundsätze für die Abgrenzung des G e l t u n g s b e r e i c h t s der einzelnen Privatordnungen nur aus überstaatlichen Gesichtspunkten gewinnen lassen, daß darüber h i n a u s e i n i g e dieser Grundsätze heute bereits v ö l k e r r e c h t l i c h ane r k a n n t sind (Haager V e r t r a g e , g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h die l e x rei sitae für das I m m o b i l i a r s a c h e n r e c h t ) Daraus ergibt sich, daß das S c h w e i g e n des z w i s c h e n p r i v a t r e c h t l i c h e n G e s e t z g e b e r s im Rahmen der L ü c k e n nicht in dem S i n n e a u s g e l e g t werden dart, daß der Staat s e i n e Rechtsordnung s c h r a n k e n l o s ausdehnen wolle, sondern dahin g e d e u t e t werden muß: der e i n z e l n e Staat wolle es bei den Anforderungen b e l a s s e n , die ein g e o r d n e t e r V e r k e h r erheischt unter S t a a t e n , die ihre H o h e i t s r e c h t e g e g e n seitig a n e r k e n n e n , er wolle a l s o die Anwendung d e r R e c h t s n o r m e n vorschreiben. deren M a ß g e b l i c h k e i t sich aus den Grundsätzen des V ö l k e r r e c h t s und den Bedürfnissen der z w i s c h e n v ö l k i s c h e n V e r k e h r s s i c h e r h e i t ergibt. Man darf und muß also die Forderungen der i n t e r n a t i o n a l e n V e r k e h r s sicherheit a u f d e m G e b i e t e d e r L ü c k e n in das i n n e r s t a a t l i c h e R e c h t hineinlesen, zu dessen B e s t a n d t e i l machen. Der d e u t s c h e Richter hat hier das Recht des S t a a t e s anzuwenden, zu dessen persönlichem oder räumlichem Herrschaftsbereich der Fall nach den Grundsätzen ries V ö l k e r r e c h t s g e h ö r t ; wo die v ö l k e r r e c h t l i c h e H e r r s c h a f t s a b g r e n z u n g im Stich läßt, hat der Richter die s t ä r k s t e T a t b e s t a n d s b e z i e h u n g nach den Bedürfnissen dei z w i s c h e n v ö l k i s c h e n V e r k e h r s s i c h e r h e t i zu bestimmen Die Richtigkeit dieser Auffassung wird heute durch Art 4 der W e i m . R V ausdrücklich bestätigt: D i e a l l g e m e i n a n e r k a n n t e n Regeln des Völkerrechts gelten als bindende Bestandteile des d e u t s c h e n R e i c h s r e c h t e s . Das e r k e n n e n auch die neuen V e r f a s s u n g s e n t w ü r f e an, so Art 84 B a y e r V . Die d e u t s c h e Rechtsprechung unterwirft e n t s p r e c h e n d dem internationalen G e w o h n h e i t s r e c h t die R e c h t s v e r h ä l t n i s s e der u n b e w e g l i c h e n S a c h e n Lehmann,

Bürgerliches

Recht,

Allgemeiner

Teil.

3

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§ ?• Übergangsrecht.

der lex rei sitae; ebenso beurteilt sie die Rechte an beweglichen Sachen nach dem Gebietsstatut, das ist das Recht des Ortes, wo sich die Sache befindet (RG. 103 31). Für S c h u l d v e r h ä l t n i s s e r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e r Natur ist nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts das Recht des E r f ü l l u n g s o r t e s maßgebend, falls es an einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung der Parteien über das anzuwendende Recht fehlt. RG. 95 42; 165; 96 272; 103 261; 108 243, 267; 118 282; 120, 72; JW. 38 1175. Bei g e g e n s e i t i g e n V e r t r ä g e n ist grundsätzlich der Schuldort für jede Verpflichtung (Lieferpflicht des Verkäufers, Zahlungspflicht des Käufers usw.; g e s o n d e r t zu bestimmen. Für die E n t s t e h u n g des gegenseitigen Vertragsverhältnisses führt das zu der Folgerung, daß der wirksame Abschluß des Vertrags nach dem Recht des Erfüllungsortes einer jeden Partei bejaht werden muß: denn jedes Recht verpflichtet die ihm unterworfene Partei nur für den Fall, daß auch die Verpflichtung der Gegenseite wirksam zustande kommt. Ist das Schuldverhältnis einmal entstanden, sind die Verpflichtungen jeder Partei grundsätzlich nach dem Recht ihres Erfüllungsortes zu beurteilen. Um die daraus sich ergebenden Schwierigkeiten zu vermeiden, ist zunächst zu versuchen, ob sich das Veitragsverhältnis nicht lokalisieren läßt, vgl. L e w a 1 d, JPR. 247.

S c h a d e n e r s a t z a n s p r ü c h e wegen u n e r l a u b t e r Handl u n g werden nach dem Recht des Ortes der begangenen Handlung beurteilt mit der Einschränkung des Art 12 EG.BGB. (RG. 96 98). VII. Derselbe Gegensatz wie zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen mehrerer S t a a t e n kann sich auch ergeben, wenn in ein und demselben Staate mehrere Privatrechtssätze für verschiedene Gebiete nebeneinander gelten. Nach welchem Rechte soll hier der Richter urteilen? Die Antwort gibt das zwischenörtliche (interlokale) Privatrecht. Hier greifen ähnliche Fragestellungen und Gesichtspunkte Platz wie beim internationalen Privatrecht, nur versagt die Beziehung der Staatsangehörigkeit, es ist an örtliche Beziehungen anzuknüpfen. Vgl. D o l l e 1D Festschr. f ü r R a a p e S. 149 f.

3. K a p i t e l . Verhältnis des bürgerlichen Rechts zum früheren Privatrecht. — Übergangsrecht (Intertemporales Privatrecht). I. A u f g a b e und B e g r i f f . Im Deutschen Reich hat das bürgerliche Recht mannigfache Veränderungen erlitten, die einschneidendste am 1. Januar 1900 durch Inkrafttreten des BGB. Seitdem ist z. B. § 833 (Haftung des Tierhalters) geändert worden. So taucht die F r a g e auf: welche von mehreren n a c h e i n a n d e r in Geltung getretenen Rechtsvorschriften soll für die Entscheidung eines Falles maßgebend sein, dessen rechtliche Bedeutung während der Geltungsdauer der verschiedenen Vorschriften fraglich wird? Ist z. B. ein 1898 in Berlin errichtetes Testament, wenn der Erblasser 1942 verstorben ist, nach ALR. oder BGB auszulegen und in seinen Wirkungen zu bestimmen»

Die A n t w o r t darauf gibt das ü b e r g a n'g s r e c h t. Es enthält die G r u n d s ä t z e über die A n w e n d b a r k e i t m e h r e r e r nache i n a n d e r g e l t e n d e r R e c h t s v o r s c h r i f t e n auf einen Fall, dessen B e d e u t u n g fraglich wird während der G e l t u n g s d a u e r v e r s c h i e d e n e r dieser Vorschriften; es will a b g r e n z e n den G e l t u n g s b e r e i c h mehrerer n a c h e i n a n d e r geltender Rechtsvorschriften. II. G r u n d s ä t z l i c h wollen die Gesetze in die Z u k u n f t wirken und deshalb auch nur die n e u unter ihrer Herrschaft begründeten Rechtsverhältnisse erfassen, die vorher begründeten sind auf das Recht ihrer

§ 7. Ubergangsrecht

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Zeit zugeschnitten. Das drückt man dahin aus: G e s e t z e Zweifel keine r ü c k w i r k e n d e Kraft.

haben

im

III. Dieser Grundsatz läßt sich aber nicht überall festhalten. Bei D a u e r Verhältnissen geht es z. B. schlecht an, ihre Wirkungen ausnahmslos und andauernd nach dem Recht ihrer Entstehungszeit zu beurteilen. Man denke a n den Inhalt des Eigentums, dem der Außenstehende nicht ansehen kann, wann es erworben ist. Deshalb sind Einschränkungen des Grundsatzes namentlich dahin geboten, daß der I n h a l t eines unter altem Recht entstandenen Rechtsverhältnisses vom Inkrafttreten des neuen Rechtssatzes an nach neuem Recht beurteilt wird. Das schreibt z. B. EG. 181 fürs Eigentum vor. IV. A l l g e m e i n läßt sich sagen: 1. In erster Linie ist die Frage der Rückwirkung durch A u s l e g u n g des Gesetzes zu ermitteln, das sich selbstverständlich auch hinsichtlich der R e c h t s b e g r i i n d u n g r ü c k w i r k e n d e Kraft beilegen kann. 2. Im Z w e i f e l wird man davon ausgehen dürfen, daß das Gesetz die a u s g e s p r o c h e n e Rückwirkung n i c h t w e i t e r durchführen will als n o t w e n d i g ist, also die B e g r ü n d u n g des Rechtsverhältnisses nach dem zu ihrer Zeit geltenden a l t e n Recht beurteilt wissen will und ebenso seine W i r k u n g e n b i s z u m A u g e n b l i c k d e s I n k r a f t t r e t e n s der neuen Bestimmung, daß also der Inhalt erst von diesem Augenblick an vom neuen Recht beherrscht werden soll. V. Das Einführungsgesetz hat die Frage der Rückwirkung für die meisten Verhältnisse im IV. Abschnitt Art 153ff. ausdrücklich entschieden. Zudem wird die tatsächliche Bedeutung der Frage von J a h r zu J a h r geringer. Hervorgehoben sei, daß gemäß Art 214 EG BGB. die Gültigkeit eines vor dem 1. J a n u a r 1900 errichteten T e s t a m e n t s nach den bisherigen Gesetzen zu beurteilen ist und daß nach Art 200 EG.BGB. für den G ü t e r s t a n d einer zur Zeit des Inkrafttretens des BGB bestehenden Ehe gleichfalls die bisherigen Gesetze maßgebend bleiben; da aber gemäß Art 218 EG. BGB. die Landesgesetze, die nach den Vorschriften des IV. Abschnitts des EG. für ältere Rechtsverhältnisse weiter gelten sollen, durch die Landesgesetzgebung g e ä n d e r t werden können, haben die meisten Länder in ihren AusführungsG. zum BGB. das eheliche Güterrecht dieser Ehen dem nächstveiWftndten Güterrechtssystem des BGB. angeglichen (sogen. Überleitung der Güterstände) Hauptwerke: Habicht, Die Einwirkung des DGB. auf zuvor entstandene Rechtsverhältnisse (3) 19011 A f f o l t e r , System des deutschen bürgerlichen Ubergangsrechts 1903.

3*

36 § 8

§ 8.

Ermittlung

und

Anwendung

des

bürgerlichen

Rechts.

VI. A b s c h n i t t . Ermittlung und Anwendung des bürgerlichen Rechts. G . R ü m e 1 i n , W e r t u r t e i l e u n d W i l l e n s e n t s c h e i d u n g e n 1891. E h r l i c h , Freie R e c h t s f i n d u n g u n d f r e i e R e c h t s w i s s e n s c h a f t 1903. Z i t e 1 m a n n L ü c k e n im R e c h t 1903. G n a e u s F l a v i u s ( K a n t o r o w i c z ) , D e r K a m p f u m d i e R e c h t s w i s s e n s c h a f t 1906. R u m p f , G e s e t z u n d R i c h t e r 1906. B r ü t t . Die K u n s t d e r R e c h t s a n w e n d u n g 1907. E. F u c h s , S c h r e i b j u s t i z u n d R i c h t e r k ö n i g t u m 1 9 0 ' J u n g , P o s i t i v e s R e c h t 1907. S t a m p e , U n s e r e R e c h t s - u. B e g r i f f s b i l d u n g 1907 S t i e r - S o m l o Das f r e i e Erm e s s e n in R e c h t s p r e r h u n g u n d V e r w a l t u n g 1908, F e s t g a b e f ü r L a b a n d , 445 ff. G m ö r , D i e A n w e n d u n g d e s R e c h t s n a c h A r t 1 S c h w e i z Z i v i l G B . 1908. O e r t m a n n .Ges e t z e s z w a n g u n d R i c h t e r f r e i h e i t 1909. S t a m m l e r , Theorie der Rechtswissenschaft 1911. L e h m a n n , H e i n r i c h , D e r P r o z e ß v e r g l e i c h 1911 K a n t o r o w i c z . Rechtsw i s s e n s c h a f t u n d S o z i o l o g i e 1911. S t a m p e , Die F r e i r e c h t s b e w e g u n g 1911. H e c k , D a s P r o b l e m d e r R e c h t s g e w i n n u n g 1912. W J e l l i n e k , Gesetz,'Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung 1913. W ü s t e n d ö r f e r , Die deutsche Rechts p r e c h u n g a m W e n d e p u n k t 1913 ( a u c h A r c h Z i v P r . 110 219 ff.}. H e c k , Gesetzesa u s l e g u n g u n d l n t e r e s s e n j u r i s p r u d e n z 1914 ( a u c h A r c h Z i v P r . 112 1 ff.) R e i c h e l , G e s e t z u. R i c h t e r s p r u c h 1915. W ü s t e n d ö r f e r , Zur H e r m e n e u t i k der soziologis c h e n R e c h t s f i n d u n g s t h e o r i e ( A r c h R u W i r t s c h . P h i l o s o p h i e IX, 1 ff.). B a u m g a r t e n , D i e W i s s e n s c h a f t v o m R e c h ! u n d i h r e M e t h o d e I 1920, II 1922. T r i e p e 1 . S t a a t s r e c h t u . P o l i t i k 1926. H. I s a y , R e c h t s n o r m u n d E n t s c h e i d u n g 1929. M ü l l e r - ' E r z b a c h , R e i c h s g e r i c h t u n d l n t e r e s s e n j u r i s p r u d e n z i. R e i c h s g e r i c h t s - F e s t g a b e II 161 ff., 1929. D e r s e l b e , W o h i n f ü h r t d i e l n t e r e s s e n j u r i s p r u d e n z 1932. M a x R ü m e l i n . Erl e b t e W a n d l u n g e n in W i s s e n s c h a f t u n d L e h r e 1930 O e r t m a n n , Interesse und Begriff in d e r R e c h t s w i s s e n s c h a f t 1931. S t o I 1 , Begriff u n d K o n s t r u k t i o n in d e r L e h r e d e r l n t e r e s s e n j u r i s p r u d e n z in d e r F e s t g a b e f ü r H e c k , R ü m e l i n . S c h m i d t , 1931, 60 f. H e c k , B e g r i f f s b i l d u n g u n d l n t e r e s s e n j u r i s p r u d e n z 1932. Dazu H e i n r i c h L e h m a n n . Z i v A . 138 95 f. I s a y , Z i v A . 137 33 f. H e c k , e b e n d a 47 f.

I. A u f g a b e n der Rechtsanwendung. 1. Einen Rechtssatz anwenden heißt: ihn der Beurteilung eines Rechtsfalles zugrunde legen. Im Rechtsstreit wird dem Richter stets ein meist auch noch tatsächlich streitiger L e b e n s t a t b e s t a n d (konkreter Fall) unterbreitet, mit dem Antrag, auf seiner Grundlage für diese oder jene Partei eine günstige Rechtswirkung festzustellen. Eine solche Rechtswirkung besteht in der Begründung, der Änderung odei dem Erlöschen eines Rechts. 2. Die Rechtsvorschriften knüpfen ihre Folgen an bestimmte Voraussetzungen, den T a t b e s t a n d . Der g e s e t z l i c h e Tatbestand aber ist nicht nach lebenswirklichen (konkreten), sondern nach g a t t u n g s m ä ß i g e n ' (typischen, a b s t r a k t e n ) Merkmalen bestimmt. 3. Der Richter kann also die Wirkung nur feststellen, wenn sich der von einer rechtsuchenden Partei behauptete Lebenstatbestand einordnen läßt unter den gattungsmäßigen Tatbestand eines Rechtssatzes, der die gewünschte Rechtsfolge ausspricht. 4. Danach vollzieht sich die Rechtsanwendung in F o r m eines d e n k g e r e c h t e n S c h l u s s e s . Den Obersatz bildet die Rechtsregel, den Untersatz der besondere Tatbestand — der Schlußsatz ergibt das für den einzelnen Fall maßgebende Recht. O b e r s a t z : § 607: wer Geld oder a n d e r e v e r t r e t b a r e S a c h e n als Darlehn e m p f a n g e n h a t , i s t v e r p f l i c h t e t , d e m D a r l e i h e r d a s E m p f a n g e n e in S a c h e n v o n g l e i c h e r Art, Güte und M e n g e zurückzuerstatten. U n t e r s a t z : A h a t d e m B auf s e i n B i t t e n a m 1. M a i 1915 e i n e n Z w a n z i g m a r k s c h e i n g e g e b e n u n d g e s a g t , e r m ü s s e s e i n G e l d s p ä t e s t e n s a m 15. M a i w i e d e r z u r ü c k bekommen — durch diesen Lebensvorgang sind alle Begriffsmerkmale des gesetzlichen T a t b e s t a n d e s d e s § 607 v e r w i r k l i c h t .

5 8 1. Die A u f g a b e n der R e c h t s a n w e n d u n g . SchluBsatz: erstatten.

Folglich mufl B dem A e i n e n G e l d b e t r a g v o n 20 Mark

37 zurück-

5. Die Rechtsanwendung wäre nun sehr einfach, wenn die begriiflichen Formeln, womit das Gesetz wortmäßig seine Tatbestände und Rechtsfolgen festlegt, immer eindeutig wären — und wenn es für jeden Lebenstatbestand einen passenden Gesetzestatbestand mit bestimmten und angemessenen Rechtsfolgen bereitgestellt hätte. An beidem fehlt es. Die durch W o r t e erzeugten V o r s t e 11 u n g s bilder sind m e h r d e u t i g und im Umfang s c h w a n k e n d , und das Gesetz hat zahlreiche L ü c k e n , d. h seine Voischriften erfassen n i c h t a l l e regelungsbedürftigen Tatbestände oder enthalten doch nicht immer eine p a s s e n d e , angemessene Regelung für sie. Die Fülle des Lebens läßt sich eben nicht im voraus in Formeln bannen. 6. So bestehen die H a u p t a u f g a b e n der Rechtsanwendung: a) in det F e s t s t e l l u n g des L e b e n s tatbestandes (das ist für den normalen Prozeß die wichtigste Aufgabe, die Grundsätze der Tatbestandsfeststellung sind im Prozeßrecht enthalten), b) in der zutreffenden D e u t u n g des S i n n e s der R e c h t s v o r s c h r i f t e n , sowohl nach der Seite des Tatbestandes wie der Rechtsfolgen hin, c) in der richtigen F i n d u n g des R e c h t s für die Fälle, wo das Gesetz feeine oder eine nicht passende Formel bereitgestellt hat. Denn eine A n t w o r t m u ß der Richter auf jede auttauchende Rechtsfrage geben und darf sich dieser Antwort nicht entziehen, weil ihm eine Rechtsvorschrift für die Entscheidung fehle. Das ist ein in Art 4 r o d e civil a u s d r ü c k l i c h a u s g e s p r o c h e n e r , h e u t e allgemein e r k a n n t e r G r u n d s a t 7 des neuzeitlichen R e c h t s s t a a t e s .

an-

7. Die e i n z i g e Bestimmung des deutschen Rechtes über die Rechtsa n wendung ist in § 1 GVG enthalten: Die richterliche Gewalt wird durch u n a b h ä n g i g e , n u r d e m G e s e t z e u n t e r w o r f e n e Gerichte ausgeübt Ebenso Art 102 WeimRV. Damit ist aber nur die U n a b h ä n g i g k e i t des Richters von der V e r w a l t u n g ausgespiochen, die K a b i n e t t s j u s t i z verworfen. Die Frage, w i e das Gesetz anzuwenden sei. ist noch nicht beantwortet. Die Antwort ist zu entnehmen aus dem Wesen und den Aufgaben der Gesetzgebung und der Rechtsprechung, sowie aus den allgemeinen Staats- und Gesellschaftsanschauungen. Der R e c h t s s t a a t des 19 Jahrhunderts war beherrscht von der Lehre Montesquieus über die Trennung der drei Gewalten (Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung). Um die R e c h t s s i c h e r h e i t zu gewährleisten, wies man dem Richter n u r die Aufgabe der Rechts a n w e n d u n g zu, behielt dagegen die Rechtschöpfung selbst ausschließlich dem Gesetzgeber vor. Da der Richter im Rechtsstaat jeden seiner Entscheidung unterbreiteten Rechtsfall auch wirklich entscheiden muß, war diese Beschränkung nur durchführbar, wenn man von der L ü c k e n l o s i g k e i t des Rechts

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{ 8 1. Aufgaben der Rechtsanwendung. — § 8 II. Gesetzesauslegung.

ausging. Man nahm an, hinter dam unvollkommenen Wortlaut stehe ein vollkommener Wille des Staates, der vom Richter standesmäßiger Erwägungen erschlossen werden könne und Damit war der Richter zu einem rein - ausführenden Organ hinabgedrückt.

des Gesetzes mittels verauch müsse. (Automaten)

Eine derartige Grundauffassung verleitet dazu, die Rechtssätze aus a l l g e m e i n e n Begriffen abzuleiten und die Lücken durch K o n s t r u k t i o n von O r d n u n g s begriffen zu ergänzen, kurz zu der als B e g r i f f s j u r i s p r u d e n z (Inversionsverfahren) zu tadelnden Methode.

Allmählich begannen wir das Fehlerhafte und übertriebene dieser Ansichten zu erkennen. Das Leben ist zu vielgestaltig, als daß das Gesetz für jeden Fall einen Rechtssatz bereitstellen könnte; auch die beste Rechtsordnung muß zahlreiche L ü c k e n haben. Die Rechtssicherheit darf nicht auf Kosten der G e r e c h t i g k e i t betont werden, das Recht muß sich dem fortschreitenden L e b e n a n p a s s e n . Gesetzgeber und Richter müssen zusammenwirken zu größtmöglicher Gerechtigkeit. Auch der Richter ist zu s c h ö p f e r i s c h e r M i t w i r k u n g in d e n G r e n z e n d e s G e s e t z e s berufen; er ist f r e i i m G e s e t z . Damit wird von uns abgelehnt einmal die Beschränkung des Richters auf die r e i n e S u b s u m t i o n s t ä t i g k e i t , dann aber auch die Forderung der extremen Anhänger der sogen. F r e i i e c h t s b e w e g u n g , dem Richter die Befugnis zur u n g e b u n d e n e n Rechtsfindung, zur Gebotsänderung nach s u b j e k t i v e m Ermessen zu geben. Dagegen wird die v e r m i t t e l n d e Ansicht vertreten, wonach der Richter zwar a n d a s G e s e t z und die i n ihm e n t h a l t e n e n W e r t u r t e i l e g e b u n d e n ist, diese Bindung aber nicht als eine sklavische verstanden werden darf. Der Jurist ist Diener am Z w e c k , nicht bloß am W o r t der Gesetze. Deshalb ist der Richter unter gewissen Voraussetzungen zur z w e c k g e t r e u e n G e b o t s e r g ä n zu n g , - e r w e i t e r u n g und -eins c h r ä n k u n g befugt. Die Unzulässigkeit der Rechtsprechung contra tabulas erhält bei dieser Erkenntnis einen besonderen Sinn. Was fordern die Tafeln, das objektive Recht, ihrer i n h a l t l i c h e n Bedeutung nach? Wie weit kann man überhaupt von einer Mißachtung der Gesetze sprechen? Das ist die Kardinalfrage; mit dem bloßen Bekenntnis zur Gesetzestreue ist noch wenig gesagt. Nicht die wortgetreue, sondern die z w e c k g e t r e u e E n t s c h e i d u n g ist g e s e t z e s t r e u . Aus einer b e s t i m m t e n g e s e t z l i c h e n Regelung eines t y p i s c h e n Interessenkonflikts ist also das der Regelung zugrunde liegende k a u s a l e ges e t z l i c h e W e r t u r t e i l zu entnehmen. Dieses Werturteil ist daun für die Behandlung des vom Gesetz nicht entschiedenen Interessenkonflikts vorsichtig zu verwenden. Also Rechtsfolgengewinnung n i c h t aus r e i n beschreibenden, Im Darstellungsineresse gebildeten O r d n u n g s b e g r i f f e n , sondern a u s g e setzlichen Werturteilen.

II. A u s l e g u n g . 1. Eine Rechtsvorschrift auslegen, heißt ihren S i n n klarstellen. Da die Rechtsvorschriften W i l l e n s äußerungen sind, läßt sich ihr Sinn nur dadurch erschließen, daß man den Willensvorgang, das Wollen, ins Auge faßt.

$ 3 Ii.

Gesetzesauslegung.

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Wollen ist — wenn man von dem bei der Gesetzgebung nicht in Betracht kommenden T r i e b wollen absieht — Z w e c k s e t z u n g . Die Willensentscheidung ist stets das Ergebnis der Wahl zwischen mehreren Beweggründen. Das Zünglein an der Waage für diese Wahl ist nicht bloß die V o r s t e l l u n g der Folgen, sondern auch das B e w u ß t s e i n des W e r t e s dieser Folgen für den Wählenden. Das Werten beruht auf Gegenwirkungen des Gefühls gegenüber einem bestimmten Vorstellungsinhalt. So fußt — wie jeder zweckbewußte Willensentschluß — auch der Befehl des Gesetzgebers auf W e r t urteilen. Die vorteilhaften s o z i a l e n F o l g e n eines bestimmten Verhaltens sind es, die den Gesetzgeber veranlassen, es vorzuschreiben, die nachteiligen Folgen eines Verhaltens sind es, die ihn zu dessen Verbot oder Nichtanerkennung bestimmen. Da jede Rechtsvorschrift einen vorgestellten typischen Interessengegensatz auf Grund einer solchen sozialen Bewertung der widerstreitenden Bedürfnisse zu schlichten versucht, kann man den Sinn der Vorschrift offenbar nur ermitteln, indem man den B e w e r t u n g s v o r g a n g n a c h d e n k t , der den Gesetzgeber zu d i e s e r Lösung geführt hat. Das geschieht durch Klarlegen der in Betracht kommenden gattungsmäßigen Interessengegensätze und durch Ermitteln der Werturteile, die gerade die in d i e s e m Rechtssatz getroffene Lösung z w e c k b e g r i f f l i c h rechtfertigen, kurz durch Zutagefördern des Gesetzes Z w e c k e s . In den letzten Jahrzehnten ist die Erkenntnis gewachsen, daß eine solche Interessenund Zweckforschung der A n w e n d u n g des Rechts vorausgehen muß. Die Methode im einzelnen ist freilich noch streitig. J e nachdem der eine oder a n d e r e Gesichtspunkt als besonders wichtig in den Vordergrung gestellt wird, spricht man von I n t e r e s s e n jurisprudenz oder t e l e o l o g i s c h e r Jurisprudenz oder R e c h t s t a t s a c h e n forschung usw. Zum großen Teil handelt es sich aber bloß um verschiedene Benennungen desselben geistigen Prozesses. Die Anhänger der sogen. I n t e r e s s e n j u r i s p r u d e n z legen den Schwerpunkt auf die Untersuchung der typischen Interessengegensätze (Interesse = Begehruu,gsdisposition, Bedürfnis, darf keinesfalls auf w i r t s c h a f t l i c h e B e l a n g e beschränkt werden). Die Vertreter der t e l e o l o g i s c h e n Jurisprudenz stellen ab auf das Z i e l , das bei einer Bewertung der typischen Interessenlage verfolgt wird, nämlich den Gesetzes z w e c k zutage fördern. Die R e c h t s t a t s a c h e n forschung ist nur ein anderer Ausdruck für die lnteressenjurisprudenz, insofern sie die iür die r e c h t l i c h e R e g e l u n g b e d e u t s a m e n T a t s a c h e n des sozialen Lebens untersucht. Dagegen ver/olgt sie besondere Zwecke, wenn sie die t a t s ä c h l i c h e n Regeln des a u ß e r g e r i c h t l i c h e n Verhaltens feststellt und sodann prüft, wie sich diese zum Gesetzesrecht verhalten, ob sie e s etwa verdrängen, wie weit das l e b e n d i g e Recht im Einklang ist mit dem Paragraphen- oder Papierrecht (Ehrlich, Nußbaum). Neuerdings wächst die Zahl derer, die diese ganze v o r b e r e i t e n d e Tatsachen- und Zweckforschung als s o z i o l o g i s c h e bezeichnen. S o z i o l o g i e wird dabei verstanden als die W i s s e n s c h a f t von der G e s e l l s c h a f t , von den gesellschaftlichen Beziehungen und Zusammenhängen (Beziehungslehre). R e c h t s Soziologie insbesondere ist die gesellschaftliche Betrachtung, die das soziale Leben auf seine Beziehungen zu den R e c h t s normen untersucht, also sich beschäftigt einmal mit den gesellschaftlichen Bedingtheiten der Rechtsnormen (Interessen, Zwecken), sodann mit den gesellschaftlichen Wirkungen der Rechtsvorschriften (Folgen einer bestimmten Vorschrift oder ihrer Handhabung für Wirtschaft, Sittlichkeit, Sitte, Technik, Kunst, Religion usw.). Man sieht sofört, wie n a h e verwandt alle diese Methoden sind, daß sie übereinkommen in der Notwendigkeit, der Rechtsanwendung eine L e b e n s forschung vora u s g e h e n zu lassen, weil das R e c h t nichts anderes ist als die F o r m des sozialen Lebens und deshalb losgelöst von seiner Materie (eben dem Leben) nicht richtig verstanden werden kann. Alle diese Verfahren t r e t e n In Gegensatz zu d e r sogen. BegriffsJ u r i s p r u d e n z , die versucht, die Lückenausfüllung d u r c h B e g r i f f s kon-

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§ 8 II. s t r u k t i o n v o r z u n e h m e n , also durch Z w e c k e der Darstellung g e b i l d e t e n , begriffen. Statt dessen suchen sie g r u n d e liegenden W e r t u r t e i l e bildung des Rechts v o r z u n e h m e n .

Gesetzesauslegung A b l e i t u n g der R e c h t s folgen a u s d e n zum rein b e s c h r e i b e n d e n Begriffen, den sogen. O r d n u n g s im W e g e der I n d u k t i o n die dem Gesetz zuzu ermitteln und aus ihnen die Deutung und Fort-

2. Der Gesetzgeber ist aber heute keine E i n z e l persönlichkeit mehr, sondern eine G e s a m t persönlichkeit oder eine Personenmehrheit. Gesetze kommen durch M e h r h e i t s beschlösse der an der Gesetzgebung beteiligten Personen zustande, die von verschiedenen Vorstellungen beherrscht werden und sich (oft nur unter einem Zwang und recht äußerlich) auf den Gesetzeswcrtlaut einigen. Unter dem W i l l e n d e s G e s e t z g e b e r s hat man deshalb den in diesem Zusammenwirken zum Ausdruck gelangten Willen der G e s a m t h e i t und die durch ihn anerkannten Interessen und Zwecke zu verstehen. Zweifelhaft ist nun, ob man den Inhalt dieses Willens ermitteln soll durch Zurückgehen auf die Z e i t d e r E n t s t e h u n g d e s G e s e t z e s — so die subjektive Theorie — oder aus den Vorstellungen und Werturteilen der G e g e n w a r t heraus — so die objektive Theorie. Die s u b j e k t i v e Theorie fragt: was hat ein Gesetz, das die d a m a l s von ihm a n g e s c h a u t e n Interessenlagen so geregelt hat, damit vernünftigerweise bezweckt, welche Werturteile der d a m a l i g e n Kulturgemeinschaft sind damit zum Ausdruck gebracht? Die o b j e k t i v e Theorie löst den Gesetzeswortlaut von den Vorstellungen der am Gesetzeserlaß beteiligten Personen völlig los und fragt: was kann ein Gesetz, das angesichts der g e g e n w ä r t i g e n I n t e r e s s e n l a g e n eine solche Regelung trifft, damit vernünftigerweise bezwecken, welche Werturteile der g e g e n w ä r t i g e n Kulturgemeinschaft finden darin Ausdruck? H a u p t v e r t r e t e r d e r o b i e k t i v e n T h e o r i e sind W a c h

und B i n d i n g.

Auch die s u b j e k t i v e Theorie unterdrückt durch ihre Fragestellung nicht eine W e i t e r b i l d u n g des Rechts, wie sie die Befriedigung der Gegenwartsbedürfnisse fordert. Denn das Gesetz verlangt s i n n gemäße Eefolgung, keinen blinden Gehoisam, bindet also an die damaligen Werturteile nur, soweit sie im Hinblick auf die damals angeschauten Interessenlagen gefällt worden sind, und gestattet die angemessene Berücksichtigung neu auftauchender Interessenlagen in z w e c k g e t r e u e r Gebotsf o r t b i l d u n g oder - b e r i c h t i g u n g . Bei z u g e s p i t z t e r Durchführung verdient keine der beiden Lehren Beifall. J e d e muß Zugeständnisse an den Grundgedanken der anderen machen: die subjektive muß eine w e i t h e r z i g e G e b o t s f o r t b i l d u n g z u l a s s e n , die objektive an den g e s c h i c h t l i c h e n sozialen Gesetzeszweck anknüpfen. Bei dieser Sachlage ist die Theorie vorzuziehen, die von ihrem grundsätzlichen Ausgangspunkt aus die berechtigten Forderungen der andern am ungezwungensten in sich aufzunehmen vermag, und das ist die s u b j e k t i v e Theorie; sie vereinigt am annäherndsten die beiden Höchstziele der Rechtsordnung und -anwendung: größtmögliche

§ 8 II.

Gesetzesauslegung.

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Sicherheit und b e s t m ö g l i c h e S c h m i e g s a m k e i t . Die o b j e k t i v e T h e o r i e e r s c h w e r t dem Richter die M ö g l i c h k e i t , Ausdrucksverfehlungen zu verbessern und gewisse neu auftauchende Interesseng e g e n s ä t z e als von einer nichtpassenden Regel g e r a d e deshalb nicht getroffen nachzuweisen, weil man bei Erlaß des G e s e t z e s noch nicht an sie gedacht h a b e ; sie führt ferner den Richter in die Versuchung, seine e i g e n e n , oft willkürlichen W e r t u r t e i l e an S t e l l e der vom Gemeinschaftswillen g e d e c k t e n W e r t u r t e i l e durchzusetzen. 3. Danach hat die A u s l e g u n g folgenden Gang zu n e h m e n : a) Auszugehen ist vom W o r t l a u t , um ihm ein a l l g e m e i n e s , vorläufiges Bild der gattungsmäßigen L e b e n s v o r g ä n g e und T a t b e s t ä n d e zu entnehmen, die der Regel zugrunde liegen Bei dem V e r s u c h , dieses Bild durch Bewertung dieser V o r g ä n g e und T a t b e s t ä n d e schärfer zu bestimmen, wird sich meist herausstellen, daß die Vorstellungen und W e r t u r t e i l e des G e s e t z g e b e r s keinen ganz eindeutigen Ausdruck gefunden haben. b) E n d g ü l t i g festgestellt wird dann der wahre Sinn der Vorschrift aus ihrem Z w e c k heraus Dazu ist die I n t e r e s s e n l a g e klarzustellen, d. h. es sind die gattungsmäßigen Bedürfnisse g e n a u e r zu ermitteln, zu deren Befriedigung die Vorschrift dienen soll. Das g e s c h i e h t durch V e r g l e i c h u n g des g e r e g e l t e n T a t b e s t a n d e s mit den an ihn geknüpften Rechtsfolgen unter dem Gesichtspunkt, inwieweit dadurch eine befriedigende, zweckmäßige, gerecht werdende den d e u t s c h e n Lebensbedingungen Ordnung g e w ä h r l e i s t e t wird. Die I n t e r e s s e n a b w ä g u n g des Richters ist dabei aber k e i n e u n g e b u n d e n e , sondern nur das Mittel zur Erkenntnis und Offenbarung der im G e s e t z s c h l u m m e r n d e n Werturteile. Deshalb ist zu b e a c h t e n : a) der d e n k g e r e c h t e Z u s a m m e n h a n g der Vorschrift mit den übrigen Vorschriften des G e s e t z e s und der Rechtsordnung — sogen, logischs y s t e m a t i s c h e Prüfung. Entscheidend ist das Ergebnis der Zweckforschung nur, soweit e s diesen Zusammenhang bestehen läßt. ß) W e i t e r ist zu beachten die g e s c h i c h t l i c h e Entwicklung, namentlich die E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e der Vorschrift (die Begründung der V e r l a g e durch die Regierung, die Äußerungen der V o l k s v e r t r e t e r ) und die W e r t u r t e i l e der damals führenden Kulturschicht — sogen, g e s c h i c h t l i c h e Prüfung Die G e s e t z e s m a t e r i a l i e n haben zwar g e g e n ü b e r dem W o r t l a u t keine s e l b s t ä n d i g e m a ß g e b e n d e B e d e u t u n g , sind a b e r d o c h z u w e i l e n ein w e r t v o l l e s M i t t e l zur E r k e n n t n i s der ¿ w e c k e d e s G e s e t z e s Doch sei v o r i h r e r ü b e , " S c h ä t z u n g g e w a r n t ; d a s L e b e n b r i n g t meist a n d e r e W i d e r s t r e i t e , a l s s i c h ein G e s e t z g e b e r v o r g e s t e l l t hat.

L e i t s t e r n der A u s l e g u n g muß sein: jeden Tatbestandsbegriff so auszulegen, daß er einen m ö g l i c h s t h o h e n tatsächlichen L e b e n s w e r t hat, daß also alle Lebenstatbestände, die man wegen der daran geknüpften Rechtsfolgen dem Begriff zu unterstellen als ein Bedürfnis empfindet, auch möglichst durch ihn gedeckt werden. Entsprechendes gilt für die z w e c k m ä ß i g e Ausgestaltung eines Rechtsfolgenbegriffs Insbesondere sind bei Auslegung der unter der Herrschaft des Nazismus erlassenen G e -

42

} 8 II.

Gesetzesauslegung.

— § 6 III.

Rechtsfindung.

setze die Auslegungsvorschriften des Ges. Nr. 1 der Militärregierung zu beachten (siehe oben S. 9). 4. Eine derartige Auslegung nach dem Zweck wird vielfach zwischen den mehreren möglichen Wortbedeutungen die Wahl e i n e i gestatten und bevorzugen lassen, die auch im sachlichen Ergebnis befriedigt. Sie kann aber auch zu der Erkenntnis führen, daß sich kein befriedigendes Ergebnis herausholen läßt, daß Sinn und Zweck des Gesetzes einen unvollkommenen Ausdruck gefunden haben, weil der Wortlaut zu eng oder zu weit gefaßt ist. Hier ist eine e r w e i t e r n d e oder e i n e n g e n d e W o r t d e u t u n g zulässig, die ihre Grenze an der völligen Preisgabe des Wortlauts hat. Beispiele für eine e r w e i t e r n d e Auslegung: Die in 126 geforderte e i g e n h ä n d i g e N a m e n s Unterschrift durch den Aussteller schließt nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts nicht aus, daß der Vertreter mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnet. — Obwohl nach 2231 Nr. 2 die U n t e r s c h r i f t unter der Erklärung stehen mußte, hat das Reichsgericht anerkannt, daß das Datum auch raumlich unter der Unterschrift stehen kann, wenn nach der Beschaffenheit des Falles an der Zugehörigkeit des Datums zur Unterschrift kein Zweifel ist. Beispiele für eine e i n e n g e n d e Wortdeutung: ,, A u s s t e l l e r " ist in 126 nicht der Unterzeichner, ^ sondern nur der Urhebei der Willenserklärung. V i e l e verstehen unter , , N a m e n " in 126 nur den Familiennamen, nicht einen Decknamen (Pseudonym), andere wollen nur die leserliche Unterschrift als Unterschrift anerkennen.

III. R e c h t s f i n d u n g . 1. Die Auslegung im Rahmen des Wortlauts führt nicht immer zu dem Ziel, die Interessenlage angemessen und den Werturteilen sowie L e b e n s n o t w e n d i g k e i t e n der h e u t i g e n d e u t s c h e n Volksgemeinschaft entsprechend auszugleichen. Oft zeigen sich L ü c k e n , d. h. Tatbestände, die zwar schutzbedürftig, aber durch die Gesetzesvorschrift überhaupt nicht gedeckt oder nicht angemessen behandelt sind. Das hat seinen Grund: a) entweder darin, daß das Gesetz selber auf die vollständige bestimmte Regelung verzichtet, a b s i c h t l i c h eine Lücke gelassen hat, zu deren Ausfüllung es den Richter anweist (z. B durch eine Verweisung auf Treu und Glauben oder die Verkehrssitte 157, 242, 162, 320, BIS, kurz durch die sogen. Würdigungs- und Ausfüilungsbegriffe), oder deren Ausfüllung es dem Richter doch überläßt |dem Richter wird z. B. überlassen, das maßgebende Recht bei einem zwischenprivatrechtlichen Fall im Gebiete des Forderungsrechts zu bestimmen); b) oder darin, daß das Gesetz den Tatbestand ü b e r s e h e n oder noch gar n i c h t g e k a n n t oder auch zwei Rechtssätze aufgestellt hat, die sich w i d e r sprechen — u n a b s i c h t l i c h e Lücken.

2. Eine Antwort muß der Richter auch hier finden. Da das Gesetz ihn im Stich läßt, muß er sie s e l b e r s u c h e n . Das Verfahren ist die gleiche Z w e c k f o r s c h u n g wie bei der Auslegung, nämlich Klarlegung der Interessenlage und Bewertung der gegensätzlichen Bedürfnisse unter dem Gesichtspunkt, sie im Wege eines gerechten Ausgleichs zu ordnen, entsprechend ihrer Bedeutung für die Einzelnen und die Gemeinschaft. Der Richter ist aber dabei an das G e s e t z , an den i n i h m a u s gedrückten Gemeinwillen und die d a r i n enthaltenen W e r t u r t e i l e g e b u n d e n . Seine Interessenabwägung ist also zunächst nur das Mittel zur Erkenntnis und Offenbarung der im G e s e t z schlummerden Werturteile. Er hat die Lösung aus dem G e i s t des Gesetzes zu finden, auf der Linie der R e c h t g e m ä ß h e i t zu suchen, und darf Interessen,

{ 8 III.

Rechtsfindung.

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die das Gesetz erkennbar hinter anderen zurückgesetzt hat, nicht im Widerspruch damit berücksichtigen. Zur E i g e n Wertung darf er erst übergehen, wenn ihn das Gesetz im Stich läßt, eine Bewertung der fraglichen Interessenlage überhaupt nicht enthält, weil der Gesetzgeber sie bei Erlaß der Vorschrift nicht angeschaut hat. Auch dann darf der Richter selbstverständlich nicht nach Willkür entscheiden, sondern muß sich die g r u n d s ä t z l i c h e Tragweite seiner Werturteile klarmachen, indem er sich in die Rolle des Gesetzgebers hineindenkt und n a c h d e r R e g e l e n t s c h e i d e t , d i e e r a l s d e u t s c h e r G e s e t z g e b e r a u f s t e l l e n w ü r d e (vgl. die Anweisung des Art 1 II Schweiz. Zivilgesetzbuchs vom 10. Dezember 1907). Wenn der Richter weiter bedenkt, daß das Gesetz Ausdruck des a l l g e m e i n e n Willens ist, wird er auch auf dem Gebiete der E i g e n wertung den W e r t urteilen, die sich aus dem h e r r s c h e n d e n s i t t l i c h e n V o l k s b e w u ß t s e i n ergeben, Rechnung tragen. 3. Bei einer derartigen Prüfung kann sich ergeben, daß die sachgemäße, befriedigende Behandlung eines Tatbestandes dadurch möglich wird, daß man auf ihn eine bereits gegebene Regel (mit einem andersartigen Tatbestand) e r s t r e c k t Ein solches E r s t r e c k e n einer Regel auf Fälle, die von ihr nach dem Wortsinn ihres Tatbestandes nicht mitumfaßt werden, nennt man A n a l o g i e (Anlehnung). Sie bedeutet, daß ein hinter einem Rechtssatz stehender g e s e t z g e b e r i s c h e r G r u n d g e d a n k e , den das Gesetz nur in seiner Anwendung auf eine b e s t i m m t e F a l l g e s t a l t u n g ausgesprochen hat, darüber hinaus in seinem v o l l e n U m f a n g z u r G e l t u n g g e b r a c h t wird. Sie ist nichts anderes als ein W e i t e r denken des Gesetzeswillens auf Fälle, die vom Gesetzeswortlaut nicht mitumfaßt werden, ist darum nicht nur zulässig, sondern auch notwendig. Von der A u s l e g u n g unterscheidet sie sich begrifflich dadurch, daß diese ein Richtig- und Ausdenken des durch den Gesetzes W o r t l a u t u n v o l l k o m m e n geäußerten, aber immerhin g e ä u ß e r t e n Gesetzeswillens ist. Tatsächlich ist die Grenzlinie oft kaum zu ziehen

Vorausgesetzt wird also für die Analogie die Feststellung, daß die gattungsmäßige Interessenlage des zu entscheidenden Falles, der von der zu erstreckenden Regel nicht erfaßt wird, mit dem Tatbestand dieser Regel d i e Stücke gemeinsam hat, die für die Anknüpfung der Wirkungen wesentlich sind. Die herrschende Lehre unterscheidet weiter G e s e t z e s a n a l o g i e und R e c h t s analogie, je nachdem der hinter einem einzelnen Rechtssatze oder einer Mehrheit von Rechtssätzen (aus dem G e s e t z e s - Z u s a m m e n h a n g) hervorgezogene Leitgedanke zur Übertragung der in dem einzelnen Satz oder in der Mehrheit ausgesprochenen Rechtsfolgen führt. B e i s p i e l e : 1. (Gesetzesanalogie): Nach 56 HGB. hat der in einem Laden oder offenes Warenlager Angestellte eine Vollmacht von gesetzlich vermutetem Umfang. Wegen Gleichheit der Interessenlage hat man diese Norm auf den Angestellten eines offeneD Bankkontors erstreckt. — Die Offeue Handelsgesellschaft haftet entsprechend § 31 BGB. für unerlaubte Handlungen eines Gesellschafters, die im inneren Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehen (RG. 7tt 48).

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§ 8 III.

Rechtsfindung. — G e b o t s e i n s c h r ä n k u n g .

2. Nach 280 und 286 macht die s c h u l d h a f t e Nichterfüllung des F o r d e r u n g s r e c h t s bei U n m ö g l i c h k e i t und V e r z u g ersatzpflichtig Die s c b u l d h a f t e S c h I e c ti t e r f ü 1 1 u n g hat das G e s e t z n ' c h t erwähnt. Im W e g e der R e c h t s a n a l o g i e gewinnt man den Satz: j e d e s c h u ' d h a f t e Nichterfüllung oder S c h i e c h t erfüllung d e s F o r d e r u n g s r e c h t s macht ersatzpflichtig, s o w e i t n i c h t e t w a s a n d e r e s bestimmt ist.

4. Eine derartige Prüfung nach I n t e r e s s e n l a g e und G e s e t z e s z w e c k kann freilich auch zu der Erkenntnis führen, daß das G e s e t z die e n g e Fassung a b s i c h t l i c h g e w ä h l t hat, um die von ihr nicht getroffenen F ä l l e von einer entsprechenden Behandlung auszuschließen. Dann ist ein sogen. U m k e h r s c h l u ß (argum. e contrario) berechtigt. Ablehnen darf man a b e r die A n a l o g i e niemals auf Grund einer bloßen W o r t deutung oder rein l o g i s c h e r Schlußfolgerung, sondern immer nur auf Grund der B e w e r t u n g d e r I n t e r e s s e n l a g e Erst wenn diese ergibt, daß das Gesetz g e w i s s e Fallgestaltungen in K e n n t n i s u n d W ü r d i g u n g d e r I n t e r e s s e n l a g e aus dem Tatbestand der N o r m h i n a u s g e w i e s e n hat, also g e r a d e die Nichtbeachtung gewisser Interessen v o r g e s c h r i e b e n hat, erst dann und nur dann ist der Umkehrschluß innerlich gerechtfertigt. Aus 823 I läßt sich der U m k e h r s c h l u ß ziehen, daß e i n e nicht s c h u l d h a f t e Körperverletzung keine Ersatzpflicht begründen soll Auf Grund d i e s e s U m k e h r s c h l u s s e s hat das RG. 78 172 die E r s a t z k l a g e eines Landmanns a b g e w i e s e n , der durch das b e i Echterdingen n i e d e r g e g a n g e n e Zeppfelin Luftschiff b e s c h ä d i g t worden war. Andere haben e i n e a n a l o g e Anwendung d e s 7 KraftfahrG. v o r g e s c h l a g e n , der den S c h ä d i g e r a u c h o h n e Verschulden haften läßt. (Vgl § 4 I V 3d d i e s Buch.)

5. Die Prüfung der I n t e r e s s e n l a g e kann endlich auch die Erkenntnis bringen, daß der Lebenstalbestand vom gesetzlichen Tatbestand einer V o r schrift umfaßt wird, die eine als u n a n g e m e s s e n empfundene rechtliche Behandlung zur Folge hat. Hier taucht dann die F r a g e auf, ob der Richter den Gebotsinhalt auch e n g e r denken darf, so daß der zu entscheidende T a t b e s t a n d von dieser Vorschrift freigelassen wird. Eine solche Geb o t s e i n s c h r ä n k u n g oder G e b o t s b e r i c h t i g u n g („Restriction" Enneccerus-Nipperdey § 54 II) ist dann zulässig und geboten, wenn es sich um eine eigenartige, vom G e s e t z g e b e r bei Erlaß der Vorschrift noch nicht a n g e s c h a u t e I n t e r e s s e n l a g e handelt und die A n n a h m e b e r e c h t i g t ist, der G e s e t z g e b e r hätte sie, wenn er zur Bewertung gekommen wäre, vernünftigerweise nicht so, sondern anders geordnet. Die z w e c k g e t r e u e G e b o t s e i n s c h r ä n k u n g ist e b e n s o zulässig und geboten wie die A n a l o g i e ! denn sie tut nichts anderes, als daß sie den g e s e t z g e b e r i s c h e n W i l l e n s ausdruck sinngemäß berichtigt nach der besonderen Fallgestaltung, die bei Erlaß der Vorschrift für den Regelfall nicht erwogen worden ist. Voraussetzung der G e b o t s e i n s c h r ä n k u n g ist also, daß .sie durch e i n e v e r n ü n f t i g e F o r t e n t w i c k l u n g des G e s e t z e s mit Rücksicht auf n e u e oder damals nicht m i t e r w o g e n e Lebensbedürfnisse gefordert wird. N i e berechtigt zur G e b o t s e i n e n g u n g bloß persönliches a b w e i c h e n d e s SonderB e w e r t e n eines Falles. Die a b w e i c h e n d e Bewertung muß den Wertu r t e i l e n des s i t t l i c h e n V o l k s b e w u ß t s e i n s entsprechen und sich als F o r t e n t w i c k l u n g der dem G e s e t z zugrunde liegenden W e r t -

§ 8 III.

Rechtsfindung. — Selbständige

Eigenwertung

des

Richters.

urteile auffassen lassen. Die zweckgetreue Gebotseinengung ist also mit größter Vorsicht zu handhaben. B e i s p i e l e . B e s c h r ä n k u n g d e s R ü c k t r i t t s r e c h t s a u s 326 auf V e r z u g m i t d e r H a u p t l e i s t u n g (RG 53 161; 57 106); B e f r e i u n g d e s V o r m u n d e s v o n d e r in 278 a n g e o r d n e t e n H a f t u n g f ü r d a s V e r s c h u l d e n v o n H i l f s p e r s o n e n , auf d e r e n H i l f e e r z u r V o r n a h m e w i r t s c h a f t l i c h e r V e r r i c h t u n g e n f ü r d a s M ü n d e l a n g e w i e s e n i s t (RG 76 186); Bes c h r ä n k u n g d e s E i n f l u s s e s v o n W i i l e n s m ä n g e l n auf G r ü n d u n g s - u n d B e i t r i t t s e r k l ä r u n g e n zu j u r i s t i s c h e n P e r s o n e n (RG 54 126 ff.; 72 291 ff ; 95 375; v g l . a u c h § 34 1 4 d i e s e s B u c h e s ) ; B e h a n d l u n g d e s B e t n e b s r i s i k o s , n a m e n t l i c h bei T e ü s t r e i k , n i c h t n a c h d e n R e g e l b d e r §§ 323 615. BGB . s o n d e r n n a c h § 242 (RG 106 272)

6. Erst wenn eine F o r t b i l d u n g der im Gesetz enthaltenen Werturteile ausgeschlossen ist, darf der Richter zu s e l b s t ä n d i g e r E i g e n wertung übergehen, um eine vom Gesetz u n t e r l a s s e n e Regelung zu finden. Aber auch hier ist er nicht völlig frei Seine Rechtsfindung darf n i c h t zur w i l l k ü r l i c h e n E r f i n d u n g neuer Rechtsfolgen führen, sondern muß sich innerhalb der Schranken der Rechtsordnung vollziehen, darf sich also nicht in Widerspruch setzen zu den sonst irgendwo in ihr enthaltenen Werturteilen, zu dem sogen. Geist des Gesetzes. Der einheitliche Bau der Rechtsordnung darf nicht durch unstimmige Glieder um seine Ausgeglichenheit gebracht werden. Auch hier muß der Richter sich aber stets in die Rolle eines d e u t s c h e n Gesetzgebers hinein versetzen und dem d e u t s c h e n s i t t l i c h e n V o l k s b e w u ß t s e i n Rechnung tragen; ebenso den Auslegungsregeln des Ges. Nr. 1 der Militärregierung (siehe oben S. 9). B e i s p i e l e ' Die m a ß g e b e n d e zwischenprivatrechtliche Tatbestandsbeziehung auf d e m G e b i e t e d e r S c h u l d v e r h ä l t n i s s e i s t zu e r m i t t e l n . — D i e F o l g e n d e r R e c h t s k r a f t der Zivilurteile sind näher auszugestalten E r z e u g t d a s f o r m e l l r e c h t s k r ä f t i g e , d. h . d u r c h o r d e n t l i c h e R e c h t s m i t t e l nicht m e h r a n f e c h t b a r e Urteil n u r p r o z e ß r e c h t l i c h e W i r k u n g e n (Bindung der G e r i c h t e an den Inhalt der Entscheidung und Aussichtslosigkeit des Bestreitens?) oder beeinflußt es auch die m a t e r i e l l e R e c h t s l a g e , i n d e m e s d i e s e bei u n r i c h t i g e r E n t s c h e i d u n g e n t s p r e c h e n d umgestaltet? Kann dem unrichtigen Urteil der Einwand der arglistigen Erschleichung durch den Gegnei e n t g e g e n g e h a l t e n werden? — Bedeutsame N e u s c h o p t u n g e n der Rechtsprechung s i n d d i e v o m RG im A n s c h l u ß a n 826 entwi< k e l t e n G r u n d s ä t z e ü b e r d i e Z u l ä s s i g k e i t des Verrufs (Boykotts! und die Ausgestaltung der Unterlassungsklage. Den b i s h e r i g e n G i p f e l p u n k t in d e r B e f r e i u n g v o m W o r t t a u t d e r T a f e l n b i l d e t d i e R e c h t s p r e c h u n g d e s R e i c h s g e r i c h t s zur s o g e n c l a u s u l a r e b u s sie s t a n t i b u s und zur A u f w e r t u n g Da«* R e i c h s g e r i c h t h a t a n g e s i c h t s d e r w i r t s c h a f t l i c h e n U m w ä l z u n g e n vom i n f o l g e von Krieg und Revolution m e h r f a c h a n e r k a n n t , daß ein S c h u l d n e r V e r t r a g zurüc k t r e t e n könne, w e n n s e i n e F e s t h a t t u n g am V e i t r a g i n f o i g e e i n e r seit V e r t r a g s s c h l u ß e i n g e t r e t e n e n un v o r b e i s e h b a r e n V e r s c h i e b u n g d e r V e r t r a g s g r u n d l a g e n w i d e r Treu und Gir.uben v e r s t o ß e n w ü r d e : doch d ü r f e der V e r t r a g k e i n e n ausgesprochen spekulativen Charakter haben, wie z B die Lieferungsverträqe des G r o ß h a n d e l s , b e i d e n e n d i e G e f a h r d e r P r e i s s t e i g e r u n g zu L a s f e n d e s V e r k ä u f e r s g e h e . ( V g l e t w a RG 88 172; 90 102; 92 87 u 322; 95 41; 98 18; 99 115 u. 259; 101 74, 79; 102 98. 238, 272; 103 3) D a r ü b e r h i n a u s h a t d a s U r t e i l d e s III. Z i v i l s e n a t s v o m 21. S e p t e m b e r 1920 (RG 100 129) d e m R i c h t e r s o g a r d i e B e f u g n i s g e q e b e n , u n t e r g e w i s s e n Vorauss e t z u n g e n vom W o r t - a u t dei Partei Vereinbarungen a b z u g e h e n und den Inhalt e i n e s V e r t r a g s d e r v e r ä n d e r t e n S a c h l a g e a n z u p a s s e n , n a m e n t l i c h d i e d e m e i n e n Teil a u s d^e m g e g e n s e i t i g e n V e r t r a g o b l i e g e n d e L e i s t u n g zu e r h ö h e n ; d a s soll f r e i l i c h n u r a n g e h e n , w e n n b e i d e T e i l e d a s V e r t r a g s v e r h ä l t n i s m i t «hrem W i l l e n f o r t s e t z e n . Diese Entscheidung j e i n e n i c h t i g e P f a n d r e c h t s b e s t e l l u n g als v e r t r a g s r e c h t l i c h e Begründung eines o b l i g a t o r i s c h e n R ü c k b e h a l t u n g s i e c h t s ( R G 124 28), d i e V e r ä u ß e r u n g e i n e r mit E i g e n t u m s v o r b e h a l t e i n e s D r i t t e n b e l a s t e t e n S a c h e k a n n in d i e Übertragung dei A n w a r t s c h a f t auf den E i g e n t u m s e r w e r b umgedeutet w e r d e n ( J W 1931 550) § 140 g e s t a t t e t n i c h t , an d i e S t e l l e e i n e s n i c h t i g e n G e s c h ä f t s ein s o l c h e s and e r e n I n h a l t s m i t d e r B e g r ü n d u n g TU s e t z e n , d a ß d i e B e t e i l i g t e n bei K e n n t n i s d e r

§ 27 II. Arten der Unwirksamkeit.

126

2. Anfechtbarkeit.

Nichtigkeit ein Geschäft g a n z a n d e r e n I n h a l t » abgeschlossen hätten, SeuffA. 60 Nr. 110; RAG. Bensh. X 485. Obwohl § 140 nur von nichtigen Geschäften spricht, verlangt der Grundgedanke Anwendung auf a l l e e n d g ü l t i g u n w i r k s a m e n Geschäfte; dagegen nicht auf schwebend unwirksame vor der Entscheidung über das Schwebeverhältnis (RG. 124 28), ebensowenig auf anfechtbare (RG. 79 306 f.).

2. D i e

Anfechtbarkeit

F o n t h e i m , Anfechtungsr. 1906; J a c o b i , ZivA. 66 51; R i e z l e r , SeuffBl. 74 189; K i p p , Doppelwirkungen i. R. Festg. f. v. Martitz 1911, 211 f.j P e t e r , ZivA. 132 1; R i e z l e r , LZ 1928. 155; H e n l e , Zitelmannfestschr. 1913, 29 f.; H. A. F i s c h e r , ZivA. 117 183; v. T u h r II 1 S 5 u. 299; L a n g e , DogmJ. 89 (1941) 277 f.

a) B e g r i f f . A n f e c h t b a r k e i t ist auf den W i l l e n eines b e s t i m m t e n B e t e i l i g t e n g e s t e l l t e N i c h t i g k e i t , verbunden mit der Annahme vorläufiger Geltung. Statt die Entkräftbarkeit in den Vordergrund zu stellen, kann man den T o n auch auf die v o r l ä u f i g e Gültigkeit legen. Anfechtbar ist danach ein R e c h t s g e s c h ä f t , wenn es zwar zunächst die Wirkungen eines fehlerfreien Rechtsgeschäfts herbeiführt, von einem bestimmten Beteiligten durch eine darauf gerichtete Willenserklärung aber wieder entkräftet werden kann (142)- A n f e c h t b a r Ist das v o r l ä u f i g e g ü l t i g e , aber d u r c h die E r k l ä r u n g eines b e s t i m m t e n B e teiligten entkräftbare Rechtsgeschäft.

Das Recht zur Entkräftung ist als K a n n r e c h t ausgestaltet (1431). Da das Anfechtungsrecht Macht übet eine Rechtswirkung gibt, kann es auch zuerkannt werden gegenüber Rechtswirkungen, die nicht rechtsgeschäftlicher Natur sind, z. B. der Ehelichkeit eines Kindes (1594), einer Fristversäumung (1956).

Anfechtbar sind a u c h d i n g l i c h e Geschäfte, RG. 69 13. b) Als G r ü n d e kommen namentlich in Betracht: Irrtum, arglistige Täuschung, widerrechtliche Drohung (119, 123), unrichtige Übermittlung einer Willenserklärung 120. — c) Die G e l t e n d m a c h u n g des Anfechtungsrechts: a) W i e w i r d a n g e f o c h t e n ? Durch e i n s e i t i g e , f o r m l o s e , e m p f a n g s b e d ü r f t i g e W i l l e n s e r k l ä r u n g (143 I). Das W o r t ,,A n f e c h t u n g " braucht n i c h t zu fallen, es muß n u r der W i l l e g e n ü g e n d d e u t l i c h zum Ausdruck kommen, daß man das Geschäft w e g e n e i n e s M a n g e l s n i c h t g e l t e n l a s s e n will, RG. 65 88; 105 207. Die Anfechtungserklärung setzt die K e n n t n i s der Möglichkeit eines A n f e c h t u n g s g r u n d e s v o r a u s , RG. 68 8 Der abstrakte Anfechtungsgrund, wie Betrug oder Irrtum, braucht aber nicht angegeben zu werden. RG. 65 86. Es genügt, wenn der Grund sich aus den angegebenen Tatsachen ergibt oder dem Gegner erkennbar Ist. Die Erklärung muß b e d i n g u n g s l o s erfolgen, RG. 66 153. Sonderregeln gelten für die Anfechtung der ehelichen Geburt (1596, 1597). — Vgl. ferner 1955, 1945 (Erbschaftsannahme und Ausschlagung), 2081, 2282 III (Testament und Erbvertrag), 2340, 2342 (Erbschaftserwerb wegen Unwürdigkeit). Die Anfechtungserklärung kann auch im P r o z e ß erfolgen. Bestritten ist, ob sie dadurch ihre Eigenschaft als privatrechtliches Geschäft verliert. Die herrschende Meinung verneint das. Ihre rechtsentkräftende W i r k u n g tritt jedenfalls auch hier ohne weiteres als Folge der Anfechtungserklärung ein nicht auf Grund des Urteils; dieses hat bloß die durch die Anfechtungserklärung eingetretene Vernichtung festzustellen.

i ) W e r kann anfechten? Regelmäßig der U r h e b e r der a n f e c h t b a r e n Erklärung (Ausnahme 318 II). Dem V e r t r e t e n e n steht die Anfechtung zu, wenn die Erklärung wegen eines Willensmangels in der Person des Vertreters anfechtbar ist. Von m e h r e r e n Berechtigten kann j e d e r e i n z e l n e das Anfechtungsrecht ausüben, aber immer nur der, in dessen Person der Anfechtungsgrund gegeben ist

§ 27 II.

A r t e n der U n w i r k s a m k e i t .

2. A n f e c h t b a r k e i t .

127

(RG. 65 404). Die A n f e c h t u n g s r e c h t e a u s §§ 119, 120, 123 sind v e r e r b l i c h , k ö n n e n aber v o n M i t e r b e n nur g e m e i n s c h a f t l i c h a u s g e ü b t w e r d e n ; 2038, 2040 I.

y) W e r ist der Anfechtungsgegner? aa) Bei einem V e r t r a g der a n d e r e n a c h f o l g e r , z. B. Zessionar RG 86 305); verübten arglistigen Täuschung ist Gegner m i t t e l b a r ein Recht erworben hat, 143

T e i l ( n i c h t sein S o n d e r im Falle der von einem Dritten der, der aus dem Vertrag u n II.

M a n d e n k e an einen Renten- o d e r L e b e n s v e r s i c h e r u n g s v e r t r a g z u g u n s t e n der Ehefrau. Auch m e h r e r e n V e r t r a g s g e n o s s e n g e g e n ü b e r gilt d e r G r u n d s a t z d e r T e i l b a r k e i t des A n f e c h t u n g s r e c h t s (RG. 56 423; 65 399; 71 202); s e l b s t v e r s t ä n d l i c h ist die A n f e c h t u n g auch hier nur g e g e n ü b e r dem V e r t r a g s g e g n e r zulässig, in d e s s e n Person ein A n f e c h t u n g s g r u n d g e g e b e n ist (RG. 65 405). O b d u r c h A n f e c h t u n g dem einem gegenü b e r d e r g a n z e V e r t r a g nichtig wird, ist nach 139 zu b e u r t e i l e n (RG. 65 405; 71 201).

ßß) Bei einer e i n s e i t i g e n e m p f a n g s b e d ü r f t i g e n Erklärung ist es der E r k l ä r u n g s e m p f ä n g e r — selbst wenn die Erklärung nicht ihm, sondern der Behörde gegenüber abgegeben wurde, 1.43 III. Beim Verzicht aut ein Recht a n e i n e m G r u n d s t ü c k Anfechtungsgegner.

ist a l s o d e r E i g e n t ü m e r

der

yy) Bei einer e i n s e i t i g e n , n i c h t empfangsbedürftigen Erklärung ist es j e d e r , der aus dei Erklärung u n m i t t e l b a r einen r e c h t l i c h e n V o r t e i l erlangt hat, 143 IV. A n f e c h t u n g d e s A n e r k e n n t n i s s e s der V a t e r s c h a f t ist s o w o h l d e r M u t t e r w i e dem Kind g e g e n ü b e r zulässig (§ 1718. RG. 58 353) Bei d e r E i g e n t u m s a u f g a b e ist der A n e i g n e r der p r e i s g e g e b e n e n S a c h e A n f e c h t u n g s g e g n e r , da allein s c h o n die P r e i s g a b e die A n e i g n u n g e r m ö g l i c h t (RGKomm. § 143 Anm. 4).

d) W i r k u n g . Die ordnungsgemäße Anfechtung vernichtet das Geschäft v ö l l i g mit r ü c k w i r k e n d e r K r a f t (dinglich ex tunc); es ist v o n A n f a n g an als n i c h t i g zu b e h a n d e l n (142). N a c h der Anfechtung ist das Geschäft also j e d e r m a n n gegenüber n i c h t i g , j e d e r kann sich auf die N i c h t i g k e i t b e r u f e n , der R i c h t e r hat sie von A m t s w e g e n zu b e a c h t e n . W e n n ein d i n g l i c h e s U b e r t r a g u n g s g e s c h ä f t , z. B. die s a c h e n r e c h t l i c h e Einigung (929) a n g e f o c h t e n wird, so stellt sich heraus, d a ß das ü b e r t r a g e n e Recht beim Verä u ß e r e r v e r b l i e b e n ist. W e n n n u r das K a u s a l g e s c h ä f t , z. B. der Kauf ang e f o c h t e n wird, wird dem a b s t r a k t e n U b e r t r a g u n g s g e s c h ä f t h i n t e r h e r mit r ü c k w i r k e n d e r K r a f t der Rechtsgrund e n t z o g e n (812). Die A n f e c h t u n g d e r Einigung gibt also dem V e r ä u ß e r e r die iei vindicatio (985), die des K a u s a l g e s c h ä f t s n u i einen o b l i g a t o r i s c h e n A n s p r u c h auf R ü c k ü b e r e i g n u n g (812). Die r ü c k w i r k e n d e Kraft d e r A n f e c h t u n g des dinglichen G e s c h ä f t s schließt n a t ü r l i c h den g u t g l ä u b i g e n E r w e r b D r i t t e r — nicht des A n f e c h t u n g s g e g n e r s — in d e r S c h w e b e z e i t nicht a u s . Doch muß, wer die A n f e c h t b a r k e i t k a n n t e o d e r kennen m u ß t e , sich so b e h a n d e l n lassen, w i e w e n n ei die N i c h t i g k e i t d e s G e s c h ä f t s g e k a n n t h ä t t e o d e r h ä t t e k e n n e n müssen (142 II) Es wird also K e n n t n i s o d e r K e n n e n m ü s s e n d e r A n f e c h t b a r k e i t der Kenntnis oder dem K e n n e n m ü s s e n eines im Augenblick des Erwerbs schon vorhandenen v ö l l i g e n R e c h t s m a n g e l s gleichgestellt. S i n n g e m ä ß ist diese Gleichstellung a u c h hinsichtlich d e r V o r a u s s e t z u n g e n der S c h l e c h t - und G u t g l ä u b i g k e i t v o r z u n e h m e n , so daß der g u t e G l a u b e beim F a h r n i s e r w e r b nur durch g r o b f a h r l ä s s i g e U n k e n n t n i s der A n f e c h t b a r k e i t beim E r w e r b e r a u s g e s c h l o s s e n wird. Im A n s c h l u ß d a r a n ist die M ö g l i c h k e i t viel e r ö r t e r t w o r d e n , ob der g u t g l ä u b i g e E r w e r b vom Anfech u n g s g e g n e r nicht bloß d u i c h A n f e c h t u n g d e r V e r f ü g u n g r ü c k g ä n g i g g e m a c h t w e r d e n kann, s o n d e r n ob auch e i n e A n f e c h t u n g der B e s i t z a u f g a b e möglich ist A v e r k a u f t und ü b e r e i g n e t z . B . an B infolge eines Irrtums ein A u t o , B v e r ä u ß e r t dieses w e i t e r an C. N u n ficht A g e g e n ü b e r B die U b e r e i g n u n g an.

128

S 27 I I . A r t e n

der

Unwirksamkeit.

2.

Anfechtbarkeit.

Dann steht fest, daß C von einem Nichtberechtigten erworben hatte. War C s c h l e c b t g l ä u b i g hinsichtlich der Anfechtbarkeit, so hat er keinesfalls Eingentum e r w o r b e n (932). W a r e r g u t g l ä u b i g , s o w ü r d e s e i n E r w e r b d u r c h d i e b l o ß e Anf e c h t u n g der E i n i g u n g nicht in F r a g e g e s t e l l t w e r d e n , w o h l a b e r w e n n m a n a u c h d i e B e s i t z a u f g a b e mit d e r W i r k u n g a n f e c h t e n k ö n n t e , d a ß d i e S a c h e d a d u r c h zu e i n e r a b h a n d e n g e k o m m e n e n gemacht würde. Eine solche A n f e c h t u n g w ü r d e nur a u f G r u n d a n a l o g e r A n w e n d u n g d e s § 119 z u l ä s s i g s e i n , d a d i e B e s i t z a u f g a b e e i n R e a l a k t ist. Die V e r k e h r s s i c h e r h e i t s und Zweckmäßigkeitserwägungen drängen zur V e r n e i n u n g einer s o l c h e n E r s t r & c k u n g . Die A n n a h m e ist Widerspruchs» voll, daß der N i c h t e i g e n t ü m e r über eine ihm a n v e r t r a u t e S a c h e z u g u n s t e n d e s gutgläubigen Erwerbers verfügen kann (932), w ä h r e n d der wirkliche Eigentümer. weU er a n f e c h t b a r e r w o r b e n hat, nicht einmal zur Zeit s e i n e s u n a n g e f o c h t e n e n E i g e n t u m s a n d e n g u t g l ä u b i g e n E r w e r b e r s e i n E i g e n t u m w i r k s a m ü b e r t r a g e n k ö n n t e . Bei G u t g l ä u b i g k e i t i s t C E i g e n t ü m e r n a c h 932 g e w o r d e n , weil A die Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat. Bei m e h r f a c h e r Ü b e r t r a g u n g e i n e r F o r d e r u n g finden die sachenrechtlicben Grundsätze über den gutgläubigen Erwerb überhaupt keine A n w e n d u n g ; die Anfechtung der ersten Übertragung entzieht allen Nachfolgern das Gläubigerrecht. Das wird gemildert d u r c h 409 u n d 410.

e) W e g f a l l des Anfechtungsrechts. a) Das Anfechtungsrecht ist als K a n n r e c h t an eine A u s s c h l u ß f r i s t (nicht Verjährungsfrist) geknüpft, mit deren Ablauf es e r l i s c h t Bald muß die Anfechtung in beweglicher Frist — u n v e r z ü g l i c h nach Kenntnis des Grundes (121 I) —, bald innerhalb fester Frist — binnen Jahresfrist (124 I) — erfolgen; manchmal ist mit einer kürzeren beweglichen Frist eine längere feste Frist verbunden, mit deren Ablauf das Anfechtungsrecht auf alle Fälle erlischt (121 II). Nur die A n s p r ü c h e v e r j ä h r e n , Verjährungsfrist e i n r e d e b e h a f t e t . Die der für ihre Ausübung z u g e l a s s e n e n Frist,

d. h. s i e w e r d e n nach Ablauf der Kannrechte e r l ö s c h e n nach Ablauf sogen. Ausschlußoder Präklusivfrist

ß) Das anfechtbare Geschäft kann b e s t ä t i g t werden (144 I). Die Bestätigung bedeutet V e r z i c h t auf das Anfechtungsrecht (keine Neuvornahme wie beim nichtigen Geschäft). In i h r e T E i g e n s c h a f t a l s V e r z i c h t s e t z t d i e B e s t ä t i g u n g K e n n t n i s d e r A n f e c h t u n g s m ö g l i c h k e i t v o r a u s , w e n i g s t e n s d i e s i c h e r e K e n n t n i s d e s A n f e c h t u n g s g r u n d e s , d. h. d e r die Anfechtung begründenden Tatsache, v e r b u n d e n mit d e r V o r s t e l l u n g , es könne d a r a u f h i n d a s A n f e c h t u n g s r e c h t b e s t e h e n ( R G . 68 398: 69 412). Die Bestätigung bedarf n i c h t der für das a n f e c h t b a r e Geschäft v o r g e s c h r i e b e n e n F o r m (144 I I ) ; s i e k a n n a u c h s t i l l s c h w e i g e n d e r f o l g e n , z. B. d u r c h V e r t r a g s erfüllung, Verbrauch oder Veräußerung empfangener Ware usw., ist also nicht empfangsbedürftig. RG 6 8 3 9 9 ; 104 3. D i e B e s t ä t i g u n g e i n e s b e r e i t s w i r k s a m a n g e f o c h t e n e n G e s c h ä f t s ist Bestätigung e i n e s n i c h t i g e n G e s c h ä f t s u n d f o l g l i c h a l s N e u v o r n a h m e z u b e h a n d e l n ( R G 74 1). W e i t e r e Folgen als die Beseitigung des A n f e c h t u n g s r e c h t s hat die Bestätigung als solche nicht, namentlich schließt sie* den etwaigen Schadenersatzanspruch wegen B e t r u g s n i c h t a u s (RG. J W 1911, S. 398, 4).

f) Viel erörtert worden ist die Frage, ob ein n i c h t i g e s Rechtsgeschäft außerdem auch noch a n g e f o c h t e n werden könne. Das ist mit K i p p (a. a. O. 211 f.) — unter Aufgabe der verneinenden früheren Auffassung — zu b e j a h e n . V g l . n a m e n t l i c h P e t e r , Z i v A . 132 1 ff., 52-, H u b e r n a g e l , e b e n d a 137 205 t. Dafür auch jetzt E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y § 190 III 7. Anfechtung Nach K i p p ist d e r a u s l o g i s c h e n G r ü n d e n f o l g e n d e Satz, d a ß d i e e i n e s n i c h t i g e n R e c h t s g e s c h ä f t s e b e n s o u n m ö g l i c h sei w i e d a s T ö t e n e i n e s T o t e n , der Ausfluß einer zu ü b e r w i n d e n d e n n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Betrachtungsw e i s e . D e m ist b e i z u s t i m m e n . D e r E i n w a n d v o n T u h r s , d a ß d i e A n f e c h t u n g b e g r i f f l i c h die W i r k s a m k e i t des a n z u f e c h t e n d e n G e s c h ä f t s

I 27 II. Arten der Unwirksamkeit.

3. Relative Unwirksamkeit.

129

v o r a u s s e t z e (II 1, 299 f.) verkennt, daß die Aufechtbarkeit nur ein Kannrecht bedeutet, einem Tatbestand die rechtlichen Folgen Abzuerkennen, Gerade so gut wie jemand zwei gesetzliche Nichtigkeitsgründe geltend machen kann, muß es auch zulässig sein, neben einem gesetzlichen Nichtigkeitsgrund noch einen zweiten, dessen Beachtung von seiner Willenserklärung abhängt, geltend zu machen. Ein und derselbe Lebenstatbestand kann zwei verschiedene gesetzliche Tatbestände, die gleiche Rechtsfolgen anordnen (hier Nichtigkeit), verwirklichen.' Folgendes Beispiel Kipps (226) zeigt die praktische Bedeutung: Jemand bestimmt durch Betrug einen Minderjährigen zum Verkauf und zur Obereignung einer Sache. Der gesetzliche Vertreter verweigert die Genehmigung. Der Erwerber veräußert die Sache an einen Dritten, der zwar den Betrug, aber nicht die Minderjährigkeit des ersten Veräußereres kennt. Leugnet man die Anfechtbarkeit, bleibt der Dritte Eigentümer, da § 142 II nicht anwendbar ist.

g) A n f e c h t u n g von R e c h t s h a n d l u n g e n eines z a h l u n g s u n f ä h i g e n S c h u l d n e r s i n - und außerhalb des Konkurses. Nach 29 ff. KO. und 3 ff. des AnfechtungsG vom 20. Mai 1898 können Rechtshandlungen des Schuldners, wodurch seine Gläubiger benachteiligt werden, unter gewissen Voraussetzungen a n g e f o c h t e n werden. B e i s p i e l : A hat gewagte Geschäfte gemacht und überträgt seinen Grundbesitz an seine Frau, die mit ihm in Gütertrennung lebt, um seinen Gläubigern den Zugriff auf sein Vermögen zu erschweren. Anfechtbar.

Viele wollen das den Gläubigern hier zustehende Anfechtungsrecht als Kannrecht im Sinne des BGB. auffassen und ihnen die Befugnis geben, das anfechtbare Geschäft mit dinglicher Wirksamkeit zu vernichten. Darin liegt eine Verkennung dieses bereits v o r Erlaß des BGB. anerkannten Anfechtungsrechts. Die Anfechtung auf Grund der Konkursordnung und des Ahfechtungsgesetzes macht — anders als die Anfechtung des BGB. — keinen M a n g e l des E r r i c h t u n g s aktes geltend, sondern will bloß eine a n s i c h m a n g e l f r e i e H a n d l u n g w i e d e r r ü c k g ä n g i g g e m a c h t w i s s e n , weil sie u n z u l ä s s i g den K r e i s der B e f r i e d i g u n g s g e g e n s t ä n d e v e r r i n g e r t hat, die dem Zugriff des Gläubigers unterlagen. Die darin enthaltene Schmälerung der Vollstreckungsaussichten erzeugt einen s c h u l d r e c h t l i c h e n A n s p r u c h jedes geschädigten Gläubigers. Dieser Anspruch richtet sich gegen den E m p f ä n g e r der durch die angefochtene Handlung erlangten Leistung und geht grundsätzlich auf Rückgewähr ins Vermögen des Schuldners. Die Anfechtung mit dinglicher Wirkung würde außerhalb des Konkurses nicht selten zu einer über ihren Zweck hinausgehenden Vernichtung des angefochtenen Geschäfts führen j dieses ist nur so w e i t rückgängig zu machen, als zur Befriedigung des geschädigten Gläubigers nötig ist. Warum die Übereignung eines 500 000 Mark werten Grundbesitzes zugunsten einer beeinträchtigten Forderung von 30 000 Mark vernichten? Es genügt, wenn sich Frau A die Zwangsvollstreckung in ihr Eigentum wegen dieser Forderung so gefallen läßt, wie wenn ihr Mann noch Eigentümer wäre. Die Anfechtung eines nichtigen Geschäfts nach AnfechtungsG. ist im allgemeinen unnötig, aber nicht unzulässig) und z w e c k m ä ß i g , wenn das nichtige Geschäft den Anfechtenden irgendwie benachteiligt; die §5 7 und 11 AnfechtungsG. verleihen dem Anfechtenden eine günstigere Rechtsstellung als 55 812 , 822, 894; vgl. R o s e n b e r g (3) 5 187 II 2).

3. D i e r e l a t i v e

Unwirksamkeit.

R a a p e , Das gas. Veräußerungsverbot des BGB. 1908; S t r o h a 1 , Relativ« Unwirksamkeit, 1911, V o ß , LZ. 0», 7S5 f.; DogmJ. 69 293; O e r t m a n n , DogmJ. S« 130 f. f L e h m a n n , Bürgerliches Rächt, Allgemeiner Teil. S. Aufl.

»

130

§ 27 II. Arten der Unwirksamkeit.

3. Relative Unwirksamkeit.

a) B e g r i f f . R e l a t i v e U n w i r k s a m k e i t ist G ü l t i g k e i t j e d e r m a n n g e g e n ü b e r , v e r b u n d e n mit g l e i c h z e i t i g e r U n w i r k s a m k e i t einer oder mehreren b e s t i m m t e n P e r s o n e n g e g e n ü b e r . Sie trägt also einen Januskopf. Eine solche nach Personenkreisen geteilte Wirksamkeit hat zunächst etwas Befremdendes. Aber schließlich ist der Gesetzgeber auf dem Gebiet der rein geistigen Wirkungen allmächtig (vgl. Henle, Allg. T. S. 261). Auch die Anfechtbarkeit ist ja eine solche Kombination von Wirksamkeit und Unwirksamkeit. Von der N i c h t i g k e i t unterscheidet sich die relative Unwirksamkeit durch die B e s c h r ä n k u n g der U n w i r k s a m k e i t auf b e s t i m m t e Personen; von der A n f e c h t b a r k e i t dadurch, daß die Unwirksamkeit, soweit sie reicht, v o n R e c h t s w e g e n (ipso jure) v o r l i e g t und nicht erst durch einen Willensakt der geschützten Person herbeigeführt zu werden braucht (von Tuhr, Allg. T. II 1 S 327). H a u p t b e i s p i e l ist der Fall der Verfügung gegen ein r e l a t i v e s b e h ö r d l i c h e s V e r ä u ß e r u n g s v e r b o t im Sinne der 135/136. Auf Betreiben des Käufers eines Autos, d e r , hört, daß der Verkäufer den ihm verkauften Wagen an einen anderen Liebhaber, dfer mehr geboten hat, noch einmal verkauft hat, erläßt das Gericht eine einstweilige Verfügung nach 935/938 II ZPO., wodurch dem Verkäufer verboten wird, zum Nachteil des ersten Käufers über das Auto zu verfügen. Diesen Beschluß hat der Gläubiger, der ihn erwirkt hat, dem Schuldner zustellen zu lassen (922, 936 ZPO.) Dadurch wird der Verkäufer nicht geh ndert, das Auto an den zweiten Käufer zu übereignen. Dieser wird auch Eigentümer jedermann gegenüber, nur im Verhältnis zum ersten Käufer ist der verbotsbelastete Verkäufer noch als Eigentümer anzusehen. Er kann also jetzt vom ersten Käufer auf Ubereignung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs (931) verklagt werden. Wenn das Urteil, das ihn zur Abgabe der Ubereignungserklärung verurteilt hat, rechtskräftig geworden ist, gilt die Erklärung nach 894 ZPO. als abgegeben. Damit ist der erste Käufer Eigentümer geworden. Selbstverständlich muß die Behandlung des verbotsbelasteten Verkäufers als Eigentümer zugunsten des Verbotsgeschützten auch der Erwerber qegen sich gelten lassen, s o w e i t n i c h t d i e V e r f ü g u n g s b e s c h r ä n k u n g d u r c h g u t g l ä u b i g e*b E r w e r b l a s t e n f r e i e n E i g e n t u m s k r a f t l o s g e w o r d e n ist. Auf den Erwerb des zweiten Käufers der sich im Widerspruch mit dem Veräußerungsverbot vollzogen hat, finden nach 135 III die Vorschriften zugunsten derjenigen Anwendung, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, also die Vorschriften der §§ 932ff. Wenn also der zweite Käufer beim Erwerb des Eigentums das Veräußerungsverbot weder gekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. nützt dem ersten Käufer die Erwirkung des Verbots nichts. Er muß es also, um ¿icher zu gehen, auch dem zweiten Käufer vor der Übereignung zustellen lassen. Wo er den zweiten Käufer nicht benachrichtigen kann, empfiehlt es sich mehr für ihn, beim Gericht eine einstweilige Verfügung zu beantragen, worin die V e r w a h r u n g oder H i n t e r l e g u n g der Sache angeordnet wird. Der Käufer eines G r u n d s t ü c k s schützt sich entsprechend, indem er eine einstweilige Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung ins Grundbuch nach 883/885 erwirkt. Durch die rechtzeitige Eintragung der Vormerkung wird der gute Glaube des Erwerbers wirksam ausgeschlossen. Eine Verfügung, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück oder das Recht getroffen wird, ist insoweit unwirksam, als sie den Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. Läßt der Verkäufer das verkaufte Haus trotz der Vormerkung an einen zweiten Käufer auf, so wird dieser durch seine Eintragung zwar Eigentümer jedermann gegenüber; zugunsten des Vormerkungsberechtigten gilt das Eigentum des Veräußerers aber als fortbestehend. E r ist auf Vornahme der Auflassung zu verklagen. Der Erwerber ist nur verpflichtet, der Eintragung des Vormerkungsberechtigten, die zur Verwirklichung des vorgemerkten Anspruchs nötig ist, z u z u s t i m m e n i seine Verpflichtung zur Zustimmung aus 888 BGB. ist ähnlich der Verpflichtung zur Erteilung einer Berichtigungsbewilligung, da er durch die Eintragung des Vormerkungsberechtigteo als Eigentümer f o r m e l l , aber nur formell, betroffen wird.

} 27 II. A r t e n

der U n w i r k s a m k e i t

3. R e l a t i v e

Unwirksamkeit.

131

Die V e r w i r k l i c h u n g des Rechts des V e r b o t s g e s c h ü t z t e n ist d a n a c h r e c h t umständlich. Er muß u n t e r U m s t ä n d e n der Klage g e g e n den V e r b o t s b e l a s t e t e n eine z w e i t e Klage gegen den D r i t t e r w e r b e r auf H e r a u s g a b e (985) oder auf Berichtigungsb e w i l l i g u n g (888) folgen l a s s e n . Die F r a g e d r ä n g t sich auf, ob er n i c h t eine u n m i t t e l b a r e Klage a u s dem V e r ä u ß e r u n g s v e r b o t gegen den D r i t t e r w e r b e r auf U b e r e i g n u n g usw. a n s t e l l e n k a n n . W e n n dieser d u r c h s e i n e n E r w e r b g e g e n 826 v e r s t o ß e n hat, also den G e g e n s t a n d e r w o r b e n hat, u m d a s Recht des V e r b o t s g e s c h ü t z t e n zu v e r e i t e l n , läßt sich eine s o l c h e Klage wohl aus dem G e s i c h t s p u n k t d e s S c h a d e n s e r s a t z e s r e c h t f e r t i g e n , RG. 108 58. D a r ü b e r h i n a u s lehnt die h e r r s c h e n d e Lehre eine u n m i t t e l b a r e Klage ab. W e r sie g e b e n will, muß sich s c h o n zu dem Satz b e k e n n e n , d a ß der z w e c k s t r e b e n d e n N a t u r der R e c h t s o r d n u n g ein solch z w e c k l o s e r U m w e g u n m ö g l i c h e n t s p r e c h e n k a n n . Die E r w ä g u n g des RGRKomm. (§ 134 Anm 2), daß, wem d a s G e s e t z einen A n s p r u c h g e b e , es auch d i e Mittel zur D u r c h f ü h r u n g v e r l e i h e n müsse, reicht n i c h t aus. Denn die Mittel zur D u r c h f ü h r u n g stellt ja auch die h e r r s c h e n d e M e i n u n g zur V e r f ü g u n g .

b) G r ü n d e d e r r e l a t i v e n Unwirksamkeit. Alle Fälle relativer Verfügungsbeschränkung nach 135/136, namentlich ein gerichtliches Veräußerungsverbot im Wege der einstweiligen Verfügung nach 935 ZPO. und die Vormerkung im Sinne des § 883 BGB., ferner die allgemeine Verfügungsbeschränkung des Gemeinschuldners nach 7 KO. Keine r e l a t i v e V e r f ü g u n g s b e s c h r ä n k u n g ist die d e r E h e f r a u z u g u n s t e n Ihres M a n n e s beim g e s e t z l i c h e n G ü t e r s t a n d ; nach 1404 sind d i e V e r f ü g u n g e n der Ehefrau ohne Zustimmung des Mannes schlechthin unwirksam. Keine relative Verfügungsb e s c h r ä n k u n g ist die des durch eine v o r h e r i g e b e d i n g t e V e r f ü g u n g g e b u n d e n e n B e r e c h t i g t e n (161 I, II); hier h a n d e l t es sich um a b s o l u t e , a b e r zeitlich und sachlich b e g r e n z t e N i c h t i g k e i t und U n w i r k s a m k e i t . G l e i c h e s gilt f ü r die V e r f ü g u n g s b e s c h r ä n k u n g des V o r e r b e n n a c h 2113 I (vgl. v o n T u h r II 1 S. 329). Bei der f i d u z i a r i s c h e n U b e r e i g n u n g wird z w a r ein r e l a t i v u n w i r k s a m e s E i g e n t u m i n s o w e i t geschaffen, als d e r Fiduziar E i g e n t ü m e r j e d e r m a n n /gegenüber wird mit A u s n a h m e des Fiduzianten, im V e r h ä l t n i s zu d i e s e m ist d e r Fiduziant E i g e n t ü m e r g e b l i e b e n . Doch liegt der Fall i n s o f e r n a n d e r s , w i e beim r e l a t i v e n Veräußerungsverbot, als d i e V e r ä u ß e r u n g des T r e u g u t e s d u r c h den Fiduziar Dritten g e g e n ü b e r ganz o h n e Rücksicht auf i h r e K e n n t n i s des t r e u h ä n d e r i s c h e n V e r h ä l t n i s s e s w i r k s a m ist; d i e Stellung d e s F i d u z i a n t e n als Eigentümer k a n n n u r den G l ä u b i g e r n des F i d u z i a r s g e g e n ü b e r d u r c h g e s e t z t w e r d e n . Im K o n k u r s des F i d u z i a r s hat d e r Fiduziant ein A u s s o n d e r u n g s r e c h t (RG. 45 85; 79 122; 9t 14; 94 305).

c) R e c h t l i c h e B e d e u t u n g . a) Das relativ-unwirksame Geschäft ist der u n b e s t i m m t e n V i e l h e i t gegenüber w i r k s a m , mit Ausnahme des durch die Verfügungsbeschränkung G e s c h ü t z t e n ; ihm gegenüber ist das Geschäft u n wirksam. Diese Wirksamkeit j e d e r m a n n g e g e n ü b e r zeigt sich n a m e n t l i c h auch üu V e r h ä l t n i s d e s in der V e r f ü g u n g B e s c h r ä n k t e n zu s e i n e n G l ä u b i g e r n ; sie k ö n n e n d e n * G e g e n s t a n d nach d e r v e r b o t s w i d r i g e n V e r ä u ß e r u n g n i c h t m e h r p f ä n d e n oder v o m E r w e r b e r h e r a u s v e r l a n g e n . E b e n s o w e n i g k a n n sich ein v o n d e n G l ä u b i g e r n des V e r b o t s b e l a s t e t e n e r w i r k t e s P f ä n d u n g s r e c h t d e m Recht des V e r b o t s g e s c h ü t z t e n g e g e n ü b e r b e h a u p t e n . N a c h 135 I 2 s t e h t d e r r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e n V e r f ü g u n g e i n e V e r f ü g u n g g l e i c h , die im W e g e d e r Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g o d e r d e r Arrestvollziehung erfolgt.

Der R i c h t e r muß die relative Unwirksamkeit v o n A m t s w e g e n berücksichtigen; sie braucht n i c h t durch eine b e s o n d e r e W i l l e n s erklärung, wie das Anfechtungsrecht, geltend gemacht zu werden. Bei der h e r r s c h e n d e n V e r h a n d l u n g s m a x i m e , n a c h der der Richter n u r die v o n den P a r t e i e n in d e n Prozeß e i n g e f ü h r t e n T a t s a c h e n b e r ü c k s i c h t i g e n darf, ist der U n t e r s c h i e d zur A n f e c h t u n g p r a k t i s c h f r e i l i c h n i c h t g r o ß . Der V e r b o t s g e s c h ü t z t e muß p r a k t i s c h den U n w i r k s a m k e i t s g r u n d geltend m a c h e n , w e n n er ihn b e a c h t e t w i s s e n will.

ß) Im Gegensatz zur Nichtigkeit Unwirksamkeit m ö g l i c h :

ist eine H e i l u n g

der 9 *

relativen

132

t »

II. Arten der Unwirksamkeit. Vernichtbarkelt.

aa) Einmal dadurch, daß der U n w i r k s a m k e i t s g r u n d

später

w e g f ä l l t . Der Gemeinschuldner erhält z. B. infolge Zwangsverglelchs (192 KO.) oder Einstellung des Konkursverfahrens (205/206 KO.) das Recht zurück, über die Konkursmasse zu verfügen. Dann erstarkt die Verfügung, freilich nicht mit rückwirkender Kraft, zur Wirksamkeit für die Zukunft (Jaeger, Komm.KO § 7 Anm. 12).

ßß) Sodann infolge V e r z i c h t des Verbotsgeschützten auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit. Ob auf einen solchen Verzicht die Grundsätze der Z u s t i m m u n g (182 B.), insbesondere die Rückwirkung auf 184 Anwendung finden, ist streitig. Dafür J a e g e r , Komm.KO. § 7 Anm. 11.

y) Eine B e s t ä t i g u n g des verbotswidrigen Geschäftes würde auch in Form der Neuvornahme nichts nützen, solange die Verfügungsbeschränkung besteht. d) K o n s t r u k t i o n d e r r e l a t i v e n U n w i r k s a m k e i t . Der gedankliche Aufbau der beschränkten Unwirksamkeit ist sehr bestritten. O e i t m a n n (DogmJ. 08 130) lehnt den Begriff der relativen Unwirksamkeit überhaupt ab. Nach der herrschenden Meinung treten die Wirkungen eines relativ unwirksamen Geschäfts zwar im allgemeinen ein, jedoch mit der Beschränkung, daß gewisse rechtliche Interessen eines Beteiligten, die das Gesetz schützen will, ebenso gewahrt bleiben, als wenn das Geschäft überhaupt unwirksam wäre (so E n n e c c e r u s N i p p e r d e y § 189 III Anm. 11 und 12). Bei einer verbotswidrigen Eigentumsverfiußerung soll nach Wolff (Sachenrecht § 88 V) V o l l eigentum z w e i e r Personen entstehen derart, daß der Verbotsbetroffene Eiqentümer qaqenüber dem Verbotsgeschützten bleibt, der Erwerber aber Alleineigentümer gegenüber allen anderen wird. Diese unbefriedigende ,,Duplizität des Rechtssubjekts" vermeidet die Lehre Strohais (a. a. O. 51) Unter relativer Unwirksamkeit versteht er: absolute Wirksamkeit unter der auflösenden Bedinqunq der Geltendmachung des Rechts des Verbotsgeschützten Das verbotswidrig veräußerte Eigentum fällt bei Eintritt dieser Bedingung an den Veräußerer zurück zum Zweck der Befriedigung der Rechte des Verbotsgeschützten. Auch die Konstruktion Strohais ist zweifellos sehr gekünstelt Deshalb wird man am besten im Anschluß an das Gesetz so formulieren: das Geschäft ist w i r k s a m , wird aber zugunsten gewisser Personen als u n w i r k s a m b e h a n d e l t } der Erwerber w i r d Eigentümer, aber zugunsten des Verbotsgeschützten Ist der Veräußerer noch als Eigentümer zu b e h a n d e l n . Das ist Verzicht auf weitere Konstruktion, auf eine besondere rechtstechnische Rechtfertigung der Fiktion, mit der das Gesetz arbeitet — entspricht aber der Fassung des Gesetzes am besten.

4. D i e V e r n i c h t b a r k e i t . a) B e g r i f f . Die Vernichtbarkeit ist v o r l ä u f i g e G ü l t i g k e i t verbunden mit der M ö g l i c h k e i t der V e r n i c h t u n g , n i c h t b l o ß durch eine besondere darauf gerichtete W i l l e n s e r k l ä r u n g bestimmter Interessenten, sondern auch durch s o n s t i g e U m s t ä n d e , die unabhängig von deren Willen zerstörend wirken. b) Als H a u p t f ä l l e sind zu nennen: die Vernichtbarkeit der Ehe (§§ 27f. EheG.) und die Vernichtbarkeit gewisser handelsrechtlicher, als juristische Person anerkannter Gesellschaften wie der Aktiengesellschaft und der GmbH. (§ 216 AktG., § 75 GmbHG.) c) R e c h t l i c h e B e d e u t u n g . Die Vernichtbarkeit steht der A n f e c h t b a r k e i t insoweit praktisch nahe, als das Rechtsgeschäft z u n ä c h s t als g ü l t i g zu behandeln ist, bis es auf die e r h o b e n e N i c h t i g k e i t s k l a g e eines I n t e r e s s e n t e n hin für nichtig erklärt worden ist. Man könnte insoweit meinen, daß die Nichtigkeitsklage nichts anderes sei als

} 27 III.

Einfluß d. Unwirksamkeit d. GrundgeschSfts a. d. Volliugsgeseh.

eine durch Klage geltend zu machende Anfechtung des Rechtsgeschäftes. Dabei würde aber übersehen, daß die N i c h t i g k e i t s e r k l ä r u n g in vielen Fällen n i c h t m e h r z u r ü c k w i r k t , sondern die Rechtsfolgen n u r f ü r d i e Z u k u n f t beseitigt. Die Nichtigkeitserklärung der Ehe aus den Nichtigkeitsgründen der §§ 16—22 EheG. wirkt zwar ex tunc Dagegen können die Mängel des Eheschließungswillens eines der Verlobten, die früher ein Anfechtungsrecht gaben, nur mehr durch A u f h e b u n g s k l a g e geltend gemacht werden, §§ 28ff. EheG. Die Aufhebung der Ehe vernichtet die Ehe nur für die Zukunft und löst die Rechtsfolgen der Scheidung aus. $ 37 EheG. — Ebenso führt die Nichtigkeitserklärung der AG. und GmbH, nur zur A u f l ö s u n g der Gesellschaft; diese wird w i e eine g ü l t i g e Gesellschaft a b g e w i c k e l t . Ein U n t e r s c h i e d zur Anfechtung liegt weiter darin, daß der vorläufig eingetretene Rechtserfolg auch ganz unabhängig von einer auf die Vernichtung gerichteten Willenserklärung bestimmter Interessenten a u s s o n s t i g e n G r ü n d e n zerstört werden kann. So kann die vernichtbare Ehe aucb durch T o d o d e r S c h e i d u n g a u f g e l ö s t werden — Ist eine AG. oder GmbH, einmal ins Handelsregister eingetragen, so ist sie als bestehend zu behandeln, bis ihre Nichtigkeit entweder durch Gerichtsurteil auf Grund einer Nichtigkeitsklage ausgesprochen oder die L ö s c h u n g v o n A m t s w e g e n durch :äer. Registerrichter gemäß § 144 FrGG. erfolgt ist.

Praktisch unterscheidet sich die Vernichtbarkeit von der Anfechtbarkeit ferner durch den g r ö ß e r e n K r e i s d e r K l a g e b e r e c h t i g t e n . So kann die Ehenichtigkeitsklage auch durch den S t a a t s a n w a l t und In dem Falle des § 20 EheG. (Doppelehe) auch durch den G a t t e n der f r ü h e r e n E h e erhoben werden (§ 24 EheG.); die Aufhebungsklage kann bei irrtümlicher Todeserklärung und Wiederverheiratung nur durch den früheren Ehegatten des Zurückgekehrten erhoben werden, (§ 39 EheG.) Die Klagebefugnis jedes interessierten Dritten, wenn nämlich von der Nichtigkeit der Ehe ein Recht oder von der Gültigkeit eine Verpflichtung abhing (§ 632 ZPO ), ist beseitigt (§ 24 EheG.).

Insoweit steht freilich die Vernichtbarkeit der A n f e c h t b a r k e i t n ä h e r als der Nichtigkeit, als in vielen Fällen eine H e i l u n g d e r N i c h t i g k e i t vorgesehen ist; so bei der Ehe in 17, 18, 19, 21, 22 EheG., so bei der AG. in 217 AktG. Damit ist der grundsätzliche Ausschluß der Heilung der Nichtigkeit (141 I) preisgegeben, und insoweit die Vernichtbarkeit der Anfechtbarkeit stark angeglichen. III. E i n f l u ß d e r U n w i r k s a m k e i t d e s G r u n d g e s c h ä f t s ( K a u s a l g e s c h ä f t s ) auf d a s V o l l z u g s g e s c h ä f t (Erfüllungsgeschäft). 1. Bei den sogen, k a u s a l e n Geschäften ist die Kausalvereinbarung zu einem T e i l des Z u w e n d u n g s g e s c h ä f t s gemacht, gehört zum G e s c h ä f t s i n h a l t . Das Zuwendungsgeschäft ist folglich von der gültigen Vereinbarung der causa in jeder Beziehung abhängig. Ein Irrtum z. B., der die Kausalvereinbarung betrifft, berührt das ganze Geschäft. Bei den a b s t r a k t e n Geschäften gehört dagegen die Kausalvereinbarung n i c h t zum Geschäftsinhalt. Das Zuwendungs- oder Vollzugsgeschäft bleibt g r u n d s ä t z l i c h von der U n w i r k s a m k e i t des Kau-

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§ 27 III. Einfluß d. Unwirksamkeit d. Grundgeschäfts a. d. Vollzugsgesch

s a l g e s c h ä f t s u n b e r ü h r t , es entsteht bloß bei unwirksamem Kausalgeschäft ein B e r e i c h e r u n g s a n s p r u c h für den Zuwendender) gegen den Empfänger der Zuwendung. Wenn z. B. eine Sache auf Grund eines n i c h t i g e n Kaufvertrags übereignet worden ist, kann der VeräuBerer nicht nach 985 (mit der rei vindicatio) vorgehen, er muß nach 812 den obligatorischen Bereicherungsanspruch geltend machen und auf Herausgabe der Sache zum Zwecke der Rückübereignung klagen (RG. 83 179 ; 68 100). Wenn eine Sache auf Grund eines a n f e c h t b a r e n Kaufvertrages übereignet worden ist, erlangt der Verkäufer d u r c h d i e A n f e c h t u n g des K a u f Vertrags n u r einen B e r e i c h e r u n g s anspruch (denn dadurch beseitigt er hinterher die causa der Ubereignung); will er das E i g e n t u m wieder erlangen, muß er a u c h d a s d i n g l i c h e G e s c h ä f t , die abstrakte Einigung (929), anfechten. Das kann er aber nur, wenn a u c h dem d i n g l i c h e n G e s c h ä f t ein Anfechtungsgrund anhaftet.

Deshalb ist es von der größten praktischen Bedeutung, zu wissen, in welchen Fällen die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts a u s n a h m s w e i s e auch das Vollzugsgeschäft beeinflußt. 2. Unter Umständen wird das Vollzugsgeschäft von der Unwirksamkeit des Grundgeschäfts mitergriffen: a) So wenn die Parteien die Gültigkeit des Grundgeschäfts z u r B e d i n g u n g des Vollzugsgeschäfts gemacht haben. Eine solche A b h ä n g i g k e i t des Vollzugsgeschäfts von der Rechtsbeständigkeit des Grundgeschäfts entspricht dem Parteiwillen r e g e l m ä ß i g , wenn Grund- und Vollzugsgeschäft als T e i l e eines e i n h e i t l i c h e n Rechtsgeschäfts vorgenommen werden. Das ist namentlich da anzunehmen, wo Kauf und Übergabe zusammenfallen (RG. 57 96ff.j 104103). ,,Die Fälle, wo die Parteien ein dingliches Leistungsgeschäft unabhängig von einem Kausalgeschäft haben vornehmen wollen, werden im Verkehr sehr selten sein" (Komment, v. RGR. 125, 1 c). Wo die Parteien das (obligatorische) G r u n d geschäft und das (dingliche) V o l l z u g s g e s c h ä f t derart zu einem e i n h e i t l i c h e n G a n z e n v e r b u n d e n h a b e n , hat die N i c h t i g k e i t des G r u n d g e s c h ä f t s nach § 139 die Nichtigkeit des g a n z e n G e s c h ä f t s zur Folge. Ebenso W o l f f § 38 Ii 4; E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y § 189"; H e c k 121f. — Die herrschende Ansicht ist ablehnend, weil eine derartige Verbindung, wenn man sie überhaupt annehmen wolle, immer vorliege — was nach dem Vorgesagten sicher nicht zutrifft. Zu beachten ist aber, daß die A u f l a s s u n g — anders als die Übereignung von Fahrnis — k e i n e B e d i n g u n g v e r t r ä g t (925, 929).

b) Das Vollzugsgeschäft wird ferner von der Unwirksamkeit des Grundgeschäfts mitergriffen, wenn derselbe Unwirksamkeitsgrund, der diesem innewohnt, auch jenem anhaftet. Das ist z. B. anzunehmen, wo das nichtige Schuldverhältnis und das Leistungsgeschäft zusammenfallen (RG. 66 385). Z. B. ein Geschäftsunfähiger übereignet schenkungshalber eine Sache; ferner dann, wenn eine Veräußerung gegen ein unbedingtes Verbotsgestz i. S. des 134 verstößt.

Vor allem, wenn der gleiche Willensmangel dem Verpflichtungs- und dem Erfüllungsgeschäft anhaftet und b e i d e Geschäfte angefochten werden (RG. 69 13) Man darf im Zweifel annehmen, daß bei einer Vertragspartei, die zum Abschluß des Vertrags durch einen Irrtum odei durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, dieser Irrtum oder Betrug auch noch beim

9 26.

Erfordernisse des Rechtsgeschäfts

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Abschluß des Erfüllungsgeschäfts bestimmend fortwirkt. In solchen Fällen ist im Zweifel die Anfechtungserklärung auch auf das Vollzugsgeschäft mitzubeziehen (RG. 66 390; 69 16; 70 57), eine ausdrückliche besondere Anfechtungserklärung hinsichtlich des Vollzugsgeschäfts also unnötig. Denkbar ist natürlich, daß der Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund zur Zeit der Vornahme des Voilzugsgeschäfts schon weggefallen ist, daß z. B. der Irrende oder Getäuschte bei der Erfüllung des Vertrages aufgeklärt war; dann ist das Vollzugsgeschäft in Ordnung und wird grundsätzlich sogar als Verzicht auf das Anfechtungsrecht gedeutet werden müssen. Erfüllt der Minderjährige den mangels Zustimmung des gesetzlichen Vertreters unwirksamen Verkauf nach erlangter Volljährigkeit, so ist die Verfügung wirksam und kann zugleich als Genehmigung des Kaufs gemäß 108 III gedeutet werden.

c) K e i n e Beeinflussung des Vollzugsgeschäfts soll dagegen nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts stattfinden, wenn das Grundgeschäft wegen Verstoßes gegen die g u t e n S i t t e n n i c h t i g i s t (RG. 75 68; 78 285; vgl. auch RG. 93 221).' Das Bedenkliche dieser Auffassung ist b e r e i t s § 25 III am Ende dargelegt. Doch erkennt RG. 145, 152 jetzt die Beeinflussung an, wenn die Gesetz- und Sittenwidrigkeit gerade i m V o l l z u g zum Ausdruck kommt.

Dagegen ergreift die Nichtigkeit des w u c h e r i s c h e ^ Grundgeschäfts in der Regel auch das dingliche Erfüllungsgeschäft (RG. 57 95ff.; 75 76; 93 75; 109 202). Das folgert man aus dem Wortlaut des § 138 „oder g e w ä h r e n läßt". 5. K a p i t e l . Die Erfordernisse des Rechtsgeschäfts. 1. Geschäftsfähigkeit und Verlflgungsbefugnis. v o n T u h r II 1 334H.; B r e i t , Geschäftsfähigkeit, 1903; Eitzbacher, Handlungsfähigkeit, 1903; M. R ü m e 1 i n , Die Geisteskranken im Rechtsverkehr, 1912; E n d e m a n n , HdwbRw. II 792.

Wenn ein Rechtsgeschäft wirksam vorgenommen werden soll, ist erforderlich: zunächst die G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t des Erklärenden, außerdem, wenn das Rechtsgeschäft eine Verfügung darstellt, noch seine V e r f ü g u n g ; befugnis. A. D i e G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t . I. G r u n d s ä t z l i c h e s . Da die Wirkungen des Rechtsgeschäfts entsprechend dem auf sie gerichteten Paiteiwillen eintreten, setzt die Vornahme voraus; ein M i n d e s t maß von F ä h i g k e i t d u r c h s c h n i t t l i c h e r W i l l e n s b i l d u n g , also die n o r m a l e B e s t i m m b a r k e i t d u r c h v e r n ü n f t i g e B e weggründe. Es geht nicht an, die Gültigkeit des Geschäfts von der Feststellung dieser Eigenschaft im e i n z e l n e n Fall abhängig zu machen. Das würde die Verkehrssicherheit zu sehr beeinträchtigen. Die Rechtsordnung arbeitet daher mit D u r c h s c h : . i t t s m a ß s t ä b e n . Sie erklärt bestimmte Gruppen von Menschen, denen erfahrungsgemäß die nötige Willensreife fehlt, für u n f ä h i g zur wirksamen Vornahme oder erkennt ihnen nur eine

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I 28 A I.

Geschäftsfähigkeit. — II. Gescbiftsuntthlgkelt.

b e s c h r ä n k t e F ä h i g k e i t zu — mögen sie auch im einzelnen Fall tatsächlich die nötige Willensreife besitzen. Dagegen sagt das Gesetz n i c h t , wer geschäfts f ä h i g ist und bringt damit zum Ausdruck, daß es die Geschäftsfähigkeit der Personen, welche sich t a t s ä c h l i c h am Rechtsverkehr beteiligen, als das R e g e l m ä ß i g e betrachtet. Daraus ergibt sich: wer einem Rechtsgeschäft die Wirkung absprechen will und behauptet, es fehle die eigene oder fremde Geschäftsfähigkeit, muß das als eine besondere rechts h i n d e r n d e Tatsache beweisen. H e n 1 e (Alig. T. 156) macht mit Recht darauf aufmerksam, daß man bei der Geschäftsfähigkeit nicht bloß an die Fähigkeit denken darf, Willenserklärungen wirksam v o r z u n e h m e n , sondern auch an die Fähigkeit, solche zu e m p f a n g e n (vgl. 131). Seine Formel: ,,Fähigkeit am Erklärungsvorgang beteiligt zu sein", ist aber auch nicht unmißverständlich! denn der Geschäftsunfähige ist bei der Erklärung, die durch ihn seinem gesetzlichen Vertreter zugeht, sicher beteiligt (131, I).

II. D i e G e s c h ä f t s u n f ä h i g k e i t . 1. G e s c h ä f t s u n f ä h i g sind nach 104: a) Kinder unter 7 Jahren (104, 1), b) Geisteskranke, deren freie Willensbestimmung nicht bloß vorübergehend ausgeschlossen ist (104, 2), c) die wegen Geisteskrankheit Entmündigten (104, 3). Die Bildung der dritten Gruppe ist gegenüber der zweiten von großem praktischen Wert. Solange die Entmündigung nicht erfolgt ist, muß eine geistige Störung in Jedem einzelnen Fall bewiesen werden, und der Gegner kann sich berufen auf eine Unterbrechung der Krankheit durch sogen, lichte Zwischenräume — lucida intervalla —. Die Entmündigung dagegen schneidet das Eingehen auf den wirklichen Geisteszustand völlig ab, schließt als solche schlechthin die Geschäftsfähigkeit aus. Selbst der w i e d e r g e s u n d G e w o r d e n e bleibt bis zur Aufhebung der Entmündigung geschäftsunfähig. Bei einer gegenständlich beschränkten Störung (Querulantenwahn, Sammelwut, geschlechtlicher Entartung) reicht richtiger Ansicht nach die Geschäftsunfähigkeit nur so weit, wie der Bereich der Krankhaftigkeit, erfaßt also nicht die von ihr unberührten Betätigungsgebiete. Deshalb ist meist nur 105 II amvendbar; vgl. OLG. 40 259 (Breslau); RG.JW. 1912, 872»i 1922, 10075; RG. SeuffA. 51 Nr. 89s 55 Nr. 129. Die Geistesschwäche steht der Geisteskrankheit gleich, wenn sie die in 104, J näher gekennzeichneten Folgen krankhafter Störung der Geistestätigkeit hat (RG. 50 203).

2. Die W i r k u n g besteht in v ö l l i g e r N i c h t i g k e i t der v o m G e s c h ä f t s u n f ä h i g e n abgegebenen Erklärung (1051). G e n e h m i g u n g durch den gesetzlichen Vertreter ist a u s g e s c h l o s s e n , es ist n u r N e u v o r n a h m e des Geschäfts durch ihn m ö g l i c h . Da die Willenserklärungen eines Geschäftsunfähigen nichtig find, muß der g e s e t z l i c h e Vertreter v ö l l i g f ü r i h n h a n d e l n . Nicht einmal an einem i g e s c h e n k t e n Gegenstand kann der Geschäftsunfähige selbst E i g e n t u m erwerben; und auch der Vater kann eine a n s e i n geschäftsunfähiges Kind beabsichtigte S c h e n k u n g durch Selbstkontrahieren nicht wirksam vollziehen, indem er gleichzeitig als Vertreter auf der Empfangseite mitwirken würde. Nach 181 müßte ihm dies besonders vom Gesetz „gestattet" sein oder in Erfüllung einer Verbindlichkeit (Unterhaltspflicht) geschehen; man hat bewußt bei Schaffung des BGB. davon Abstand genommen, die Regel des 181 zugunsten von Schenkungen zu durchbrechen (Motive I 130). Deshalb verneint die herrschende Meinung die Zulässigkeit eines derartigen Vorgangs (RGRKomm. § 105 Anm. 4; RG.JW. 1910, 395«; KGJ. 45 237). Da jedoch ein Verstoß gegen 181 die spätere Genehmigung nicht ausschließt, ist es denkbar, eine durch Selbstkontrahieren vollzogene Schenkung dadurch i n heilen,

J 23 A III. Beschrflnkte Geschäftsfähigkeit.

jg^

dafl das Kind sie nach Vollendung des siebenten Lebensjahres genehmigt oder ein spater ernannter Pfleger die Genehmigung ausspricht. Vgl. den Lehrkommentar von L o e w e n w a r t e r zu 9 106 u. RG. 103 418. Die Vorschrift des 105 bezieht sich übrigens nur auf die „ W i l l e n s e r k l a r u n g e n " der Geschäftsunfähigen, nicht auf die R e c h t s h a n d l u n g e n im engeren Sinne, wie Besitzergreifung (854), Fund (die Finderpflichten entstehen ex lege aus dem Tatbestand des Findens ohne Rücksicht darauf, ob Übernahme gewollt ist, 965), Verarbeitung (950) u. dgl.i hier entscheidet die natürliche Fähigkeit zur Vornahme der Handlung. Wenn man r. A. nach in der „Aneignung" kein Rechtsgeschäft sieht, ist der Geschäftsunfähige unter Umständen imstande, an dem vom Vater preisgegebenen Gegenstand durch Aneignung Eigentum zu erlangen; vgl. W o 1 f f 5 78 III Anm. 16.

105 bezieht sich ferner nicht auf die vom Geschäftsunfähigen e m p f a n g e n e n Erklärungen. Für den Empfang bestimmt 1311, daß die ihm gegenüber abgegebene Erklärung wirksam werden kapn, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. 3. Ob die G e s c h ä f t s Unfähigkeit e r k e n n b a r war, ist g l e i c h g ü l t i g . Der g u t e G l a u b e an sie wird n i c h t geschützt. Ausnahme nach Art 16 WG. Vgl. Warn. Rspr. 1915 Nr. 272, RG. 120 174) abwegig O a n z , JW. 1913, 1016) RG. 55, 49 (betr. Wechselrecht). Dagegen richtete sich eine Bewegung des Bankgewerbes, das einen Schutz gegen Geschäftsabschlüsse mit nicht erkennbar Geisteskranken verlangte. Diese Forderung ist rechtspolitisch zu billigen, nach geltendem Recht unerfüllbar. Die Bank kann S-ch durch eine Vereinbarung mit dem Kunden schützen, wonach sich dieser für den Fall s p ä t e r e r Geisteskrankheit zur Schadloshaltung verpflichtet. Vgl. O e r t • i n j 105, 3.

4. K e i n e G e s c h ä f t s u n f ä h i g k e i t bewirken die v o r ü b e r g e h e n d e S t ö r u n g der Geistestätigkeit und die B e w u ß t l o s i g k e i t (Rausch, Fieberwahn, Bannschlaf). Aber soweit sie tatsächlich reichen, stehen sie der Geisteskrankheit in der Wirkung gleich: also Nichtigkeit der in einem solchen Zustand abgegebenen Willenserklärung, 105 II. Für die . E m p f a n g n a h m e sind dagegen die Vorgenannten den Geschäftsunfähigen n i c h t gleichgestellt, so daß ihnen unter Umständen eine Willenserklärung w i r k s a m z u g e h e n kann (131 II). III. Die b e s c h r ä n k t e Geschäftsfähigkeit. 1. Geschäftsbeschränkt sind: a) die M i n d e r j ä h r i g e n , also Personen, die das 7. L e b e n s j a h r v o l l e n d e t haben, aber noch n i c h t v o l l j ä h r i g o d e r f ü r v o l l j ä h r i g erklärt sind (2, 31, 106), b) die wegen Geistes s c h w ä c h e , Verschwendung oder Trunksucht Entmündigten (114). Der Unterschied zwischen Geistesschwäche und Krankheit ist nur ein Grad-, kein A r t unterschied. Wegen Geistesschwäche ist zu entmündigen, wer doch wenigstens noch so viel Einsicht in die Bedeutung seiner und fremder Handlungen hat, wie ein Kind von 7 Jahren; wer nicht einmal diese Einsicht hat, ist wegen Geisteskrankheit zu entmündigen. Vgl. unten § 57 III 2.

c) die nach 1906 unter vorläufige Vormundschaft Gestellten (114). 2. Die W i r k u n g ist vom Gesetz geregelt für den Fall der Minderjährigkeit in 106. Die andern Gruppen werden dann in 114 den Minderjährigen gleichgestellt

138

§ .28 A III.

Beschränkte Geschäftsfähigkeit.

a) Der Minderjährige kann selbständig wirksam Geschäfte vornehmen, die ihm l e d i g l i c h einen r e c h t l i c h e n V o r t e i l bringen. Nur auf den r e c h t l i c h e n Vorteil kommt es an» die w i r t s c h a f t l i c h e n Folgen des k o n k r e t e n Geschäfts können nicht in Betracht gezogen werden. Schenkungsannahme, Aneignung — nicht Annahme einer geschuldeten Leistung als Erfüllung, da er dadurch das Forderungsrecht verliert (362). Dagegen erwirbt er das Eigentum am gezahlten Gelde auf Grund der abstrakten Übereignung, muß freilich den Erwerb mangels Genehmigung der Annahme als ungerechtfertigte Bereicherung dem Leistenden wieder herausgeben. Daß er im selben Augenblick, wo er das Eigentum erwirbt, mit der Kondiktionshaftung beschwert wird, hindert die herrschende Meinung nicht, den Eigentumserwerb als r e i n vorteilhaft zu betrachten, weil das Eigentum auf Grund des a"b s t r a k t e n , von der causa losgelösten U b e r e i g n u n g s g e s c h ä f t e s erworben wird, während die Bereicherungshaftung sich aus einem g e s e t z l i c h e n , davon v e r s c h i e d e n e n Tatbestand ergibt, der einen r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e n Vorgang n i c h t voraussetzt („durch die Leistung oder in sonstiger Weise", 812 1). Zudem haftet der Bereicherungsschuldner n u r auf die j e w e i l s n o c h v o r h a n d e n e B e r e i c h e r u n g , kann sich also durch Hinweis auf den Wegfall der Bereicherung von seiner Haftung befreien, 818 III. § 819, der den Empfänger, von der Kenntnis des Mangels des Rechtsgrundes an, einer g e s t e i g e r t e n H a f t u n g unterwirft, ist auf den M i n d e r j ä h r i g e n n i c h t anwendbar, wenn er beim Empfang nicht vertreten war (a. A. von Tuhr II 1 S. 365). Das folgt aus dem S c h u t z g e d a n k e n , auf dem die gesetzliche Vertretung beruht. Andernfalls könnte man z. B. die mangels Zustimmung des gesetzlichen Vertreters aus dem Darlehnsvertrag nicht ableitbare Haftung auf dem Umweg Qber 819 in vielen Fällen begründen und damit den Zweck des Gesetzes, das den Minder» jährigen vor sich selber schützen will, vereiteln (vgl. RG.JW. 191?, S. 4658? RG. 93 230 und RGRKomm. § 819 Anm. 2). Selbstverständlich erhält der Minderjährige dadurch keinen Freibrief für dolus; er kann sich aus 823ff., 826 in Verbindung mit 828ff. schadenersatzpflichtig machen. Allenfalls kommt eine a n a l o g e Anwendung der §§ 828, 829 auf seine Bereicherungshaftung in Frage.

b) Zu allen n i c h t b l o ß v o r t e i l h a f t e n Erklärungen bedarf der Minderjährige grundsätzlich der E i n w i l l i g u n g , d. h. der vorher erteilten Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. O h n e d i e s e sind seine Erklärungen n i c h t i g . Auch bei erteilter Einwilligung ist s c h a r f zuzusehen, ob das tatsächlich ab» geschlossene Geschäft dem vom Vertreter gebilligten entspricht. Ein Student fragt bei seinem Vater brieflich an, ob er sich den Kommentar von Staudinger kaufen dürfe, und er erhält darauf durch Postanweisung den erforderlichen Geldbetrag zugesandt mit der Bemerkung „einverstanden". Darin liegt nur die Einwilligung zu einem B a r k a u f (Handkauf), der etwas anderes ist als ein Kreditkauf. Behält der Student das Geld und kauft den Kommentar auf B o r g , so ist der Kauf unwirksam, kann freilich hinterher noch auf den im folgenden angegebenen Wegen (Genehmigung oder Erfüllung) gültig werden.

Diese R e g e l wird durchbrochen beim V e r t r a g . Danach ergibt sich folgender Rechtszustand. «) B e i V e r t r ä g e n g i l t : Schließt der Minderjährige einen Vertrag o h n e E i n w i l l i g u n g des gesetzlichen Vertreters, so ist dessen nachträgliche Zustimmung (G e n e h m i g u n g ) möglich. Es entsteht also zunächst ein S c h w e b e z u s t a n d — eine schwebende Nichtigkeit. E r f o l g t die G e n e h m i g u n g , so ist das Geschäft v o n A n f a n g a n w i r k s a m [gewahrt werden aber Rechte anderer am Vertragsgegenstand, die in der Zwischenzeit durch gültige Verfügungen des Vertreters oder im Wege der Zwangsvollstreckung

5 28 A III.

Beschränkte Geschäftsfähigkeit.

139

erworben worden sind (184)]. Wird die Genehmigung v e r w e i g e r t , ist das Geschäft n i c h t i g . Zur L ö s u n g des S c h w e b e z u s t a n d s kommen d r e i W e g e in Betracht: aa) Der Geschäfts g e g n e r kann den Vertreter zur E r k l ä r u n g über die G e n e h m i g u n g a u f f o r d e r n . Dann kann sich der Vertreter n u r n o c h i h m g e g e n ü b e r erklären, die v o r h e r i g e G e n e h m i g u n g oder ihre V e r w e i g e r u n g g e g e n ü b e r dem Minderjähr i g e n wird u n w i r k s a m . Der gesetzliche Vertreter erlangt also d u r c h die A u f f o r d e r u n g wieder f r e i e H a n d . Will der Geschäftsgegner den Minderjährigen am Vertrag festhalten und glaubt er, die bereits diesem gegenüber erteilte Genehmigung b e w e i s e n zu können, ist das Aufforderungsverfahren sinnlos. Ebenso ist es zwecklos, wenn der gesetzliche Vertreter von vornherein seine Einwilligung zu dem Geschäft gegeben hatte. Zu beachten ist, daß die G e n e h m i g u n g des gesetzlichen Vertreters k e i n e n V e r p f l i c h t u n g s g r u n d f ü r i h n , sondern n u r f ü r d e n Minderj ä h r i g e n erzeugt. Der Zustimmungszwang soll den M i n d e r j ä h r i g e n davor schützen, daß e r mangels hinreichender Reife nachteilige geschäftliche Maßnahmen für s e i n e n e i g e n e n R e . c h t s k r e i s trifft. Deshalb hat das Aufforderungsverfahren nach 108 auch dann keinen Sinn, Vy'G..n der M i n d e r j ä h r i g e m i t t e l l o s ist; der Geschäftsgegner müßte versuchen, we^gen Zahlungsverzugs nach § 326 wieder von dem Vertrag loszukommen.

ßß) Der Geschäfts g e g n e r ist bis zur Genehmigung aber auch zum W i d e r r u f berechtigt (der auch dem M i n d e r j ä h r i g e n gegenüber erklärt werden kann), aber n u r , w e n n e r d i e M i n d e r j ä h r i g k e i t n i c h t g e k a n n t h a t . H a t er diese g e k a n n t — was der Minderjährige beweisen muß —, so kann er n u r w i d e r r u f e n , wenn der M i n d e r j ä h r i g e die E i n w i l l i g u n g des Vertreters w a h r h e i t s w i d r i g b e h a u p t e t h a t . Dagegen steht dem Minderjährigen der Nachweis offen, daß der Gegner das F e h l e n der E i n w i l l i g u n g g e k a n n t hat (109). Nach Gemeinem Recht trat eine e i n s e i t i g e Bindung des Vertragsgegners ein (sogen, negotium claudicans). Heute steht der Vertragsgegner besser, da er widerrufen kann, während der Minderjährige kein Widerrufsrecht hat.

yy) Der Vertrag kann endlich durch E r f ü l l u n g von Anfang an wirksam werden, indem der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit M i t t e l n b e w i r k t , die ihm zu d i e s e m Z w e c k e oder zu f r e i e r V e r f ü g u n g v o n d e m V e r t r e t e r oder m i t d e s s e n Z u s t i m m u n g von einem andern überlassen worden sind (110). Hauptfall der Hingabe zur freien Verfügung innerhalb gewisser Verwendungsgrenzen ist die Zahlung des ,,Taschengeldes" oder des ,.Studentenwechsels". In letzterem liegt richtiger Ansicht nach allerdings schon die im voraus erteilte Einwilligung (108) zur Vornahme der Geschäfte, die ein Student mit einem derartigen Wechsel verkehrsüblich abzuschließen pflegt, zu Kreditgeschäften freilich nur, soweit diese als ordnungsgemäß anzusehen sind. Ist eine a l l g e m e i n e Einwillig u n g zu a l l e n Rechtsgeschäften auch nicht als wirksam anzuerkennen, so dürfte doch eine durch den Studienzweck begrenzte Einwilligung unbedenklich sein (bestritten). Jedenfalls werden derartige Geschäfte durch Erfüllung gültig; und auch vom hier vertretenen Standpunkt aus hat 110 die Bedeutung, etwaige nicht durch den Studienzweck erforderte Luxusgeschäfte gültig zu machen und den Streit über das Vorliegen einer Einwilligung abzuschneiden.

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I 28 A IV.

Teilweise Geschäftsfähigkeit

In etilem vom RG. (74 235) entschiedenen Falle hatte sich ein siebzehnjährige! Schüler von seinem wöchentlichen Taschengeld von 3 Mark «In Lotterielos gekauft, damit 4000 Mark gewonnen und davon ein Auto für 3200 Mark ohne Zustimmung des Vaters gekauft und bar bezahlt. Das RG. hat mit Recht angenommen, die in der Überlassung des Taschengeldes zur f r e i e n Verfügung liegende Ermächtigung habe den Ankauf des Autos aus einem Lotteriegewinn nicht mitumfaßt, der Autoverkäufer habe die b e s c h r ä n k t e T r a g w e i t e d e r v ä t e r l i c h e n Zus t i m m u n g erkannt oder erkennen müssen. Der Verkäufer wurde deshalb zur Zurückzahlung des Kaufpreises verurteilt. In Analogie zu § 110 können auch D i e n s t v e r t r ä i g e durch freiwillige Erfüllung gültig werden! so z. B. Enneccerus-Nipperdey 5 143 Anm. 10.

ß) E i n s e i t i g e Rechtsgeschäfte. Solche — wie die Kündigung — sind mangels Einwilligung s c h l e c h t h i n u n w i r k s a m , nicht einma: genehmigungsfähig (111, 1). Es wäre unbillig, den Gegner, der hier nichttätig (passiv) beteiligt ist, einer Erklärung auszusetzen, die in Ihren Wirkungen derartig unsicher ist. Aus demselben Grunde kann der Gegner das Rechtsgeschäft unverzüglich zurückweisen, wenn der Minderjährige keine s c h r i f t l i c h e Einwilligung des Vertreters vorlegt; anders nur, wenn dieser selbst den Gegner von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte (111 S. 2 und 3). Soweit freilich die rechnung, Zustimmung) in dem Hinverständnis fähiger Vertragsschluß

Wirkungen einer einseitigen Erklärung (z. B. Kündigung, Aut auch durch Vertrag herbeigeführt werden können, l&Bt sich des Gegners mit der Vornahme ein nach § 108 genehmigung-erblicken, RG. 76 91.

c) Willenserklärungen, die g e g e n ü b e r einem G e s c h ä f t s b e s c h r ä n k t e n a b g e g e b e n werden, werden nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugegangen sind; doch genügt der Zugang beim Geschäftsbeschränkten, wenn die Erklärung ihm l e d i g l i c h einen r e c h t l i c h e n V o r t e i l bringt oder der g e s e t z l i c h e V e r t r e t e r seine E i n w i l l i g u n g erteilt hat, 131 II. Rein vorteilhaft ist z. B. das dem Minderjährigen gemachte V e r t r a g s a n g e b o t — ganz ohne Rücksicht auf seinen Inhalt — Insofern, als es dem Minderjährigen die M ö g l i c h k e i t der Annahme gibt, tienies Bedenken (Allg. T. 165) dagegen aus dem möglichen nachteiligen Inhalt des Angebots schlagen nicht durch. Pflichten können erst durch die Annahme entstehen und auf den wirtschaftlich nachteiligen Inhalt des konkreten Vertrags kann hier ebensowenig wie bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts (107) abgestellt werden.

IV. T e i l w e i s e ( E r w e i t e r t e ) G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t . 1. Der neuzeitliche Verkehr hat eine Reihe von Fällen hervorgebracht, wo ein Bedürfnis besteht, den M i n d e r j ä h r i g e n f r e i e r zu stellen und seine G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t z u e r w e i t e r n . a) Er kann vom Vertreter mit G e n e h m i g u n g d e s V o r m u n d s c h a f t s g e r i c h t s zum s e l b s t ä n d i g e n B e t r i e b eines E r w e r b s g e s c h ä f t s ermächtigt werden — und ist dann unbeschränkt geschäftsfähig für solche Rechtsgeschäfte, die dieser Betrieb mit sich bringt. — Ausgenommen sind die Geschäfte, zu denen der V e r t r e t e r s e l b s t der G e n e h m i g u n g des V o r m u n d s c h a f t s g e r i c h t s bedarf (112). Hin 20jähriges Mädel wird z. B. ermächtigt, das von der Mutter betriebene Papiergeschäft weiter zu betreiben; dann kann es Ware kaufen und verkaufen, einen Ladenraum mieten, eine Gehilfin anstellen usw. — ist auch im Rahmen der erweiterten Geschäftsfähigkeit prozeßfihig (52 ZPO.)i KGJ. 37 39.

5 28 B. Verfügungsbefugnis. — § 29. Zulassiget Geschäftstnhslt.

141

b) Er kann durch den Vertreter ermächtigt werden, in A r b e 11 oder D i e n s t zu treten — und ist dann unbeschränkt geschäftsfähig für Hingehung oder Aufhebung von Dienstverhältnissen der gestatteten A r t und die Erfüllung der Pflichten daraus einschließlich der prozessualen Geltendmachung, 52 ZPO. Ausgenommen sind auch hier Verträge, zu denen. der Vertreter selbst der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf. Die für den E i n z e l f a l l erteilte Ermächtigung gilt im Zweifel als a l l g e m e i n e für V e r h ä l t n i s s e d e r s e l b e n A r t (113 IV). Gestattet der Vater seiner 16jährigen Tochter als Dienstmädchen zu Frau X- in Stellung zu gehen, so kann die Tochter dort kündigen, eine neue gleichartige Stelle suchen usw. —' nicht aber in eine Fabrik gehen. Nach RAG. (Bensh. V 330, XIII 448) {811t auch der Lehrvertrag unter den Begriff des Dienst- und Arbeits V e r t r a g s im Sinne des § 113. Die E r m ä c h t i g u n g seibst ist von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts h i e r nicht abhängig: wird sie von einem V o r m u n d ncrwelgert, sn kann sie auf Antrag durch das Vormun^sjhafisg^richt e r s e t z t weiden, wenn sie im Interesse des Mündels liegt (113 III). Der Vertreter kann die ei teilte Ermächtigung zurücknehmen oder einschränken (112 II). — Dritten gegenüber ist nur Kündigung nach 626 zulässig, KGOLG. 21 44.

2. Der mindestens 16jährige Minderjährige kann selbständig ein öffentliches Testament errichten, § 1 II TestamG. , B. D i e V e r f ü g u n g s b e f u g n i s . Soweit es sich bei dem Rechtsgeschäft um eine Verfügung handelt, ist W i r k s a m k e i t s erfordernis neben der Geschäftsfähigkeit die V e r f ü g u n g s befugnis (vgl. § 15 II 2b dieses Buches). Sie darf nicht mit der Geschäftsfähigkeit verwechselt werden! sie Ist k e i n e E i g e n s c h a f t des Erklärenden, sondern eine B e z i e h u n g z u d e m R e c h t , das u n m i t t e l b a r d u r c h d a s R e c h t s g e s c h ä f t b e e i n f l u ß t werden soll. Regelmäßig hat die Verfügungsbefugnis nur der I n h a b e r des betreffenden Rechts. Sie fehlt grundsätzlich über Gegenstände, die der rechtlichen Herrschaft eines D r i t t e n unterworfen sind. — Die Verfügung ist hier nur wirksam mit Z u s t i m m u n g des Berechtigten, in dessen Rechtskreis eingegriffen wird. Darüber siehe unten § 37. 2. Zulässiger Inhalt des Geschäfts. v o n T u h r II 2 S. I B . ; E n d e m a n n , Zivilrechtliche Wirkung der Verbotsgesetze, 1887; R a a p e , Das gesetzliche Veräußerurvgsverbot des BGB., 1908.

Die Rechtsgeschäfte müssen, um wirken zu können, einen rechtlich zulässigen Inhalt haben. Dazu gehört: I. Der I n h a l t muß die nötige B e s t i m m t h e i t oder Bestimmbarkeit besitzen. Wie weit diese gehen muß, ist bei den einzelnen Rechtsverhältnissen verschieden und dort zu erörtern. Vgl. insbes. 315if. fürs Schuldrecht, 2156 fürs Vermäclitnisrecht.

II. Die erstrebten Folgen müssen m ö g l i c h sein. Der n a t ü r l i c h e n Unmöglichkeit steht die r e c h t l i c h e gleich, unmöglich ist z. B. die Begründung eines Stockwerkeigentums. Auch darüber ist bei den einzelnen Rechtsverhältnissen zu handeln. Vgl. insbea. 306 fürs Schuldrecht.

§

29

142

§ 29 III. Verbotswidrige Geschäfte.

III. Das Rechtsgeschäft darf nicht gegen ein g e s e t z l i c h e s V e r b o t verstoßen, sonst ist es n i c h t i g (134). 1. Fälle u n d A u s d r u c k s f o r m e n . Wo ein solches Verbot steht, ob im BGB., StGB., in der GewO. usw. ist gleichgültig. Der erste Weltkrieg hat eine Fülle von Verboten gebracht, die von den Militärbefehlshabern auf Grund des 9b PrBelZG. im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassen worden sind und zweifellos hierher gehören.

Die Rechtsverbote kommen in den verschiedensten Formen zum Ausdruck. Das Wort „ v e r b i e t e n " findet sich in den formellen Gesetzen kaum, häufiger in den Rechtsverordnungen, besonders denen des Krieges, wo z. B. der Verkauf von Pferden, der Handel mit Malz, die Lieferung und jede Veräußerung von Großviehhäuten usw. ausdrücklich „verboten" werden. Die Gesetze bringen ein Verbot vielfach dadurch zum Ausdruck, daß sie ein bestimmtes Geschäft für nichtig erklären (248, 310, 312, 443) oder bestimmen, daß es überhaupt nicht oder nur unter gewissen Voraussetzungen vorgenommen werden kann (225, 276 II) oder daß seine Vornahme unzulässig ist (1014). Aber n i c h t a l l e n i c h t i g e n oder u n w i r k s a m e n Geschäfte sind v e r b o t e n . Wenn man aus der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit auf ein Verbot schließen will, muß man vorsichtig vorgehen. Kein Verbot liegt vor, wo ein Geschäft wegen mangelnder inhaltlicher oder förmlicher Voraussetzungen unwirksam ist. Auf ein Verbot ist nur zu schließen, wo ein Geschäft, o b g l e i c h d i e a l l g e m e i n e n V o r a u s s e t z u n g e n seiner g ü l t i g e n Vornahme g e g e b e n s i n d , doch deshalb für unwirksam erklärt wird, weil es wegen seiner b e s o n d e r e n E i g e n a r t einen von der Rechtsordnung g e m i ß b i l l i g t e n Erfolg fördern würde. Am schärfsten kommt diese Mißbilligung in einer S t r a f e zum Ausdruck, die für den Fall der Vornahme angedroht wird (z. B. Schenkung zum Zwecke der Bestechung, 333 StGB.). 2. Das Verbot und seine i n h a l t l i c h e T r a g w e i t e sind durch A u s l e g u n g des Gesetzes nach S i n n und Z w e c k zu ermitteln. Das Verbot kann sich richten n u r gegen die V o r n a h m e der rechtsgeschäftlichen Handlung eines Vertragsteils, es kann ein Geschäft nicht' wegen seines Inhalts, sondern nur wegen der b e s o n d e r e n Umstände s e i n e r V o r n a h m e verbieten, es kann es wegen seines I n h a l t s und d e s m i t i h m b e z w e c k t e n E r f o l g s untersagen. Je nachdem sind die Rechtsfolgen verschieden. Soweit Grundgeschäft und Vollzugsgeschäft in Betracht kommen, ist zu prüfen, ob das Verbot sich nur gegen dieses oder jenes oder gegen den g a n z e n V e r äußerungsvorgang wendet. Richtet sich ein Veräußerungsverbot sowohl gegen den Verkäufer wie gegen den Kaufer, ist das letztere anzunehmen (RG. 60 276; 78 353; 10« 238; 105 298). Bei verbotenen Devisengeschäften sind sowohl Verpflichtungs- wie Erfüllungsgeschäft nichtig, RG. 98, 254.

3. Die W i r k u n g ist N i c h t i g k e i t des Geschäfts, s o f e r n s i c h n i c h t a u s d e m G e s e t z e i n a n d e r e s e r g i b t (134). Unter Umständen läßt sich aus den Z w e c k e n des Verbots folgern, daß nur die

§ 29 III 4.

Umgehungsgeschäfte.

143

t a t s ä c h l i c h e Vornahme des Rechtsgeschäfts verhindert werden soll nicht aber die Änderung auf dem Privatrechtsgebiet, die durch das Rechtsgeschäft herbeigeführt werden soll (RG. 100 239). Das Verbot schließt übrigens den Abschluß eines Rechtsgeschäfts füi den Fall seiner A u f h e b u n g nicht aus, derartige Verträge sind gültig (309) In der g e m e i n r e c h t l i c h e n Literatur unterschied m a n im Hinblick auf die v e r s c h i e d e n e n Folgen der Z u w i d e r h a n d l u n g f o l g e n d e Fälle, im A n s c h l u ß an die sich die B e i s p i e l e gut g r u p p i e r e n l a s s e n : a) leges p e r f e c t a e , sie e r k l ä r e n die Ü b e r t r e t u n g für nichtig. — Im Zweifel hat h e u t e nach 134 das V e r b o t eines R e c h t s g e s c h ä f t s N i c h t i g k e i t zur Folge. b) leges m i n u s quam p e r f e c t a e , sie b e d r o h e n die Z u w i d e r h a n d l u n g n u r mit Strafe, o h n e sie für nichtig zu e r k l ä r e n . N a m e n t l i c h die V e r b o t e durch S t r a f g e s e t z r i c h t e n sich v i e l f a c h nur g e g e n die H a n d l u n g s w e i s e der e i n e n o d e r a n d e r e n Partei, so die V e r b o t e der §§ 253 (Erp r e s s u n g ) . 263 (Betrug), o d e r wollen ein G e s c h ä f t nicht allgemein w e g e n s e i n e r Natur, s o n d e r n nur w e g e n d e r b e s o n d e r e n U m s t ä n d e s e i n e r Vornahme verhindern Beispiele: Der Bettler e r w i r b t d a s Eigentum an der G a b e , o b w o h l der Bettel v e r b o t e n ist. Ein g e g e n die N a h r u n , g s m i t t e l g e s e t z g e b m g v e r s t o ß e n d e r Kauf ist güitig, RG. 100, 40; e b e n s o ein G a s t a u f n a h m e v e r t r a g nach dei Polizeistunde, RG. 103, 264. Gültig ist f e r n e r ein Kaut unter V e r s t o ß g e g e n die Bestimmungen über die S o n n t a g s ruhe, G e w O 41a, 146a. V e r b o t des Spielens in a u s w ä r t i g e r Lotterie hat k e i n e Nichtigkeit zur Folge (RG. 48 178; 58 278) E b e n s o w e n i g ist die e n t g e g e n § 56 III Z. 12 G e w O . a b g e s c h l o s s e n e A b o n n e m e n t s Versicherung nichtig (J W. 1930, 3597 u. 3655). Das V e r b o t der Beschäftigung über die z u l ä s s i g e A r b e i t s z e i t hinaus richtet sich n u r g e g e n d e n A r b e i t g e b e r (JW 1932, 2644). G e g e n die Preiss t o p p V O . v e r s t o ß e n d e K a u f v e r t r ä g e w e r d e n zum zulässigen n i e d r i g e r e n Preis a u f r e c h t e r h a l t e n Bei einem gegen 49a MietSchG v e r s t o ß e n d e n V e r t r a g ist die V e r e i n b a r u n g des Mietzinses nur i n s o w e i t nichtig, als dieser den a n g e m e s s e n e n Betrag ü b e r s t e i g t (RG. 122 183» 120 130) G r u n d s t ü c k s v e r ä u ß e r u n g s v e r t r ä g e , die von der P r e i s b e h ö r d e b e a n s t a n d e t sind, w e r d e n unter g e w i s s e n V o r a u s s e t z u n g e n zum zulässigen Preis a u f r e c h t e r h a l t e n . VO. vom 7. 7. 1942. Vgl. dazu P r i t s c h, D.J. 42, 463 u. RG. 171, 24. c) leges plus q u a m p e r f e c t a e , sie s e h e n N i c h t i g k e i t und S t r a f e vor. Ein Strafgesetz, d a s den G e s c h ä f t s a b s c h l u ß als solchen v e r b i e t e t , wird h e u t e d u r c h 134 im Zweifel zu einer lex plus q u a m p e r f e c t a g e m a c h t . d) leges i m p e r f e c t a e , s i e d r o h e n w e d e r N i c h t i g k e i t noch S t r a f e an, s u c h e n a b e r die v e r b o t e n e H a n d l u n g auf a n d e r e W e i s e zu h i n d e r n — die Ehe zwischen A d o p t i v e l t e r n und A d o p t i v k i n d e r n ist n a c h § 7 EheG. v e r b o t e n , d i e t r o t z d e m g e s c h l o s s e n e Ehe aber g ü l t i g ; Folge d e s M a n g e l s 1771.

4. U m g e h u n g s g e s c h ä f t e . V e t s c h , Die U m g e h u n g Rom. Abt. 27 290ff.j, 28 311ff.

des G e s e t z e s

(Zürich)

1917; R a b e l ,

Ztschr.

SavSt.

Durch das Verbot werden auch die sogen. U m g e h u n g s g e s c h ä f t e oder S c h l e i c h g e s c h ä f t e getroffen, die den vom Verbotsgesetz g e m i ß b i l l i g t e n E r f o l g auf einem andern von ihm nicht bezeichneten Wege zu erreichen versuchen. D i e s a b e r n u r d a n n , wenn sich aus den Z w e c k e n des Verbots ergibt, daß es einen b e s t i m m t e n E r f o l g ü b e r h a u p t verhindern und nicht bloß seine Erreichung durch eine b e s t i m m t e G e s c h ä f t s a r t oder G e s c h ä f t s f o r m bekämpfen will. Die Frage der Umgehung ist also gleichbedeutend mit der Frage nach der r i c h t i g e n A u s l e g u n g und H a n d h a b u n g der N o r m nach ihrem Z w e c k und ihrer i n h a l t l i c h e n T r a g w e i t e . Der A r b e i t g e b e r s u c h t d e n d u r c h d a s A u f r e c h n u n g s v e r b o t des 394 gemifibilligten Erfolg durch Z u r ü c k h a l t u n g des Lohns zu e r r e i c h e n . Unzulässiqt (RG 85 U2i 123 8). K e i n e U m g e h u n g des 1205 ist d a g e g e n nach RG. 5» 146 di« S l c h e r u n g s Ü b e r e i g n u n g zu p f a n d r e c h t l i c h e o Zwecken» 1205 will n u r d e r

144

5 29 III 5.

Ver&uSerungsverbote.

V e r p f a n d u n g unter Besitzvorbehalt (durch constitutum possessorium) die Anerkennung versagen, nicht aber jede andere Form der Sachsicherung unter Besitzvorbehalt mißbilligen. Unbefriedigend! Nichtig: K a s t e l l a n s v e r t r a g zur U m g e h u n g der S c h a n k e r l a u b n i s gegen 33, 45, 147 GewO.j RG. 84 305, vql. aber RG. 125 209. Keine Gesetzesumgehung liegt vor, wenn eine Forderung lediglich zu dem Zweck abgetreten wird, um den Zedenten im Prozeß als Zeuge auftreten zu lassen, RG. 81 160ff. Viel erörtert ist der Begriff der U m g e h u n g des G e s e t z e s i m S t e u e r r e c h t . Nach § 6 SteueranpassungsG. kann ,.durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Steuerpflicht nicht umgangen oder gemindert werden". Wenn das S t e u e r r e c h t an die B e g r i f f e des P r i v a t r e c h t s g e b u n d e n wäre, die Bedeutung eines dem Privatrecht gewissermaßen aufgepfropften Sondergebietes hätte (so H e n s e 1 , „Zur Dogmatik des Begriffs Steuerumgehung" i. Bonner Festgabe für Zitelmann 1923 S. 237ff.|, könnte es allerdings eine Steuerumgehung im echten Sinne des Wortes geben. Wenn aber die Steuerrechtsbegrilfe s e l b s t ä n d i g sind und die u n m i t t e l b a r e n W i r t s c h a f t s v e r h ä l t n i s s e zur Grundlage haben, dann gibt es gai keine Steuerumgehung, die nicht durch r i c h t i g e A u s l e g u n g d e s S t e u e r g e s e t z e s unwirksam wäre (so zutreffend Ball, Steuerrecht u. Privatrecht 1924 S. 1308.). Vgl B e c k e r , Reichsabgabenordnung zu § 5 und S t r a u ß , Steuerumgehung 1930.

5. V e r ä u ß e r u n g s v e r b o t e i n s b e s o n d e r e . Ein Veräußerungsverbot ist nicht schon dann anzunehmen, wenn die Verfügung über ein Recht entzogen ist, wie beim Nießbrauch (1059), sondern nur dann, wenn eine nach a l l g e m e i n e n Grundsätzen z u l ä s s i g e Verfügung aus einem b e s o n d e r e n Grunde m i ß b i l l i g t wird. — Zu unterscheiden sind: a) A b s o l u t e gesetzliche Veräußerungsverbote, d. s. alle, die nicht den Schutz b e s t i m m t e r Personen bezwecken, sondern a u f G r ü n d e n des a l l g e m e i n e n Wohls beruhen. Jedes i m ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e erlassene derartige Verbot fällt unter 134 und macht das verbotswidrige Geschäft n i c h t i g (soweit sich nicht aus dem Verbotszweck ein anderes ergibt). Gleiche Wirkung haben die im allgemeinen oder öffentlichen Interesse erlassenen b e h ö r d l i c h e n Verbote. Die auf Gesetz oder Rechtsverordnung beruhende Kriegsbeschtagnahme begründet grundsätzlich ein derartiges a b s o l u t e s Verbot, selbst wenn die Beschlagnahme zugunsten bestimmter behördlicher Stellen oder einer (gemeinnützigen) Kriegsgesellschaft erfolgt) denn sie will das Lebensbedürfnis der staatlichen Gemeinschaft schützen. Vgl. Heinr. L e h m a n n , Die Kriqgsbeschlagnahme, 1916

b) R e l a t i v e gesetzliche Veräußerungsverbote, die nur den Schutz b e s t i m m t e r Personen bezwecken, machen das Geschäft n u r den g e s c h ü t z t e n Personen gegenüber unwirksam — Fall der sogen, relativen (beschränkten) Unwirksamkeit (135). Z. B. die Verfügungsbeschränkung des Gemeinschuldners. Veräußert der GemeinSchuldner n a c h der Konkurseröffnung noch Waren vom Lager, so ist das unter den Beteiligten gültig, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam.

Gleiche Wirkung haben die von einem G e r i c h t oder einer a n d e r n B e h ö r d e zum Schutz bestimmter Personen erlassenen Veräußerungsverbote (136). 136 stellt trotz seines weitergehenden Wortlautes diese Veräußerungsverbote den g e s e t z l i c h e n des 135 nur so weit gleich, als sie lediglich den Schutz bestimmter Personen bezwecken (RG. 105 76). VeräuBerungsverbote durch einstweilige Verfügung (ZPO. 938 II). — Das Im Pfäodungsbeschluß (bei der Fordexungspfändung) enthaltene Verbot an den Schuldner.

5 29 III 5. über die Forderung (ZPO. 829).

zu v e r f ü g e n

Veräußerungsverbote.

und d a s

Verbot,

an den

145 Drittschuldner

zu

z«wm

Durch ein derartiges V e r ä u ß e r u n g s v e r b o t werden nach 135 und 136 auch die Maßnahmen der Z w a h g s v o l l s t r e c k u n g und der Arrestvollziehung getroffen (die d a s Gesetz ebenfalls in einem weiteren Sinn als Verfügungen kennzeichnet); sie sind a l s o gleichfalls relativ unwirksam (135 I 2). Zugunsten einer verbotsbetroffenen rechtsgeschäftlichen V e r f ü g u n g finden aber die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten Anwendung — während der gute G l a u b e g e g e n ü b e r einem a b s o l u t e n Verbot nichts nützt. Vgl. d a s Beispiel zur „ r e l a t i v e n Unwirksamkeit" (§ 27 II 3a dieses Buches). — Bei der F o r d e r u n g s p f ä n d u n g (829 Z P O ) wird dem Schuldner dem Wortlaut nach zwar j e d e Verfügung über d a s Forderungsrecbt verboten; Schrifttum und Rechtsprechung beschränken aber die Wirkung des Verbotes auf eine d a s Recht des G l ä u b i g e r s b e e i n t r ä c h t i g e n d e Verfügung Zieht der Schuldner nun trotz des Verbotes die Forderung vom Drittschuldner ein und zahlt dieser trotz des an ihn erlassenen Zahlungsverbotes, so wird er im Verhältnis zum Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreit, dem Pfändungsgläubiger g e g e n ü b e r ist die Einziehung aber unwirksam, zu seinen Gunsten wird d a s eingezogene Forderungsrecht als noch bestehend behandelt.

c) R e c h t s g e s c h ä f t l i c h b e g r ü n d e t e V e r ä u ß e r u n g s v e r b o t e haben weder unumschränkte noch beschränkte Nichtigkeit zur Folge, sonderr begründen nur eine s c h u l d rechtliche V e r p f l i c h t u n g des Versprechenden, die Veräußerung zu u n t e r l a s s e n , w i d r i g e n f a l l s e^ sich s c h a d e n e r s a t z p f l i c h t i g m a c h t (137). In 137 kommt der allgemeine Grundsatz zum unvollkommenen Ausdruck, daß das Schuldverhältnis dem Schuldner nur zuruft: „ D u s o 11 s t " , n i c h t aber „ D u k a n n s t n i c h t a n d e r s I" Ausnahme 399. wonach eine Forderung, deren Abtretung nach Vereinbarung mit dem Schuldner a u s g e s c h l o s s e n ist, nicht abgetreten werden k a n n , die gleichwohl erfolgte Abtretung also n i c h t i g ist. Ferner 1136, wonach eine Vereinbarung nichtig ist, durch die sich der Eigentümer eines Grundstücks einem H y p o t h e k e n gläubiger g e g e n ü b e r verpflichtet, das Grundstück nicht zu veräußern oder weiter zu belasten* sie erzeugt also nicht einmal eine schuldrechtliche Verpflichtung. Beachtlicher A n w e n d u n g s f a l l : A u f l a g e der Verpflichtung an Grundstückserwerber, nicht an eine Person polnischer Nationalität weiter zu veräußern (RG 55 78; 73 17). — Auch die P r e i s b i n d u n g e n z w e i t e r Hand fallen unter § 137, 2, namentlich bei Markenartikeln; v g l . E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y § 135 Arno. 13.

Als E r s a t z m i t t e l für die v e r s a g t e Beschränkung der V e r f ü g u n g s freiheit kommt eine V e r e i n b a r u n g in Betracht, wonach die v e r b o t e n e Weiterveräußerung als a u f l ö s e n d e B e d i n g u n g hinsichtlich des zwischen dem Erstveräußerer und seinem Gegner a b g e s c h l o s s e n e n Veräußerungsgeschäftes gelten soll. So kann mittelbar dem rechtsgeschäftlichen Veräußerungsverbot wenigstens eine g e w i s s e dingliche Wirkung gesichert werden, wenn auch seine B e f o l g u n g nicht erzwungen werden kann. Ebensowenig kann verhindert werden, daß der g u t g l ä u b i g e Dritte r w e r b e r den G e g e n s t a n d zu v o l l e m E i g e n t u m erwirbt (161 III). A veräußert seine G e m ä l d e g a l e r i e an B mit der Verpflichtung, sie nicht ins Ausland weiterzuveräußern — und mit der Maßgabe, daß das Eigentum an ihn zurückfallen soll, wenn B zuwiderhandelt. Selbstverständlich geht d a s k e i n e s f a l l s an bei bedingungsfeindlichen G e s c h ä f t e n wie der A u f l a s s u n g (925); doch vermag hier die Eintragung einer V o r m e r k u n g nach C83 eine ähnliche Sicherung herbeizuführen. Für die Zulässigkelt einer derartigen auflösenden Bedingung hat sich die überwieLehmann,

Bürgelliches Recht, Allgemeiner

Teil.

10

146

S 29 III 6.

Erwerbsveibote.



5 29 IV.

Sittenwidrige Geschäfte.

g e n d e M e i n u n g a u s g e s p r o c h e n , d a f ü r a u c h der RGRKomm.i d i e d a g e g e n g e ä u ß e r t e n Bed e n k e n (vgl. s t a t t aller O e r t i n a n n , Komm. $ 137 A n m . 2a, ß) s c h l a g e n nicht d u r c h .

6.

Erwerbsveibote.

M. W o l f f 9 38 A n m . 25b; O s t e r m a n n , M ü n z e 1, DNotZ. 28 282.

Das E r w e r b s v e r b o t , B o n n e r Diss. 1930|

Außer den g e s e t z l i c h e n Erwerbsbeschränkungen (z. B. 86—88 EG.BGB.), die eine Beschränkung der R e c h t s f ä h i g k e i t bedeuten, sind auch r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e denkbar, die aber gerade wie das rechtsgeschäftliche Veräußerungsverbot nur eine s c h u l d r e c h t l i c h e V e r p f l i c h t u n g erzeugen, ohne die Wirksamkeit des trotzdem vorgenommenen Erwerbsgeschäftes zu berühren. Die Rechtsprechung des RG. hat sich aber für die a n a l o g e Anwendung des $ 136 (also die r i c h t e r l i c h e A u f e r l e g u n g eines r e l a t i v e n E r w e r b s v e r b o t s durch e i n s t w e i l i g e V e r f ü g u n g ) auf g e w i s s e F ä l l e der E r w e r b s b e r e c h t i g u n g ausgesprochen, falls nämlich jemand auf Grund eines s u b j e k t i v e n Rechts auf Erwerb (Rechtsanwartschaft) einem anderen das Recht mit u n m i t t e l b a r e r W i r k u n g entziehen k a n n , das aber gleichwohl aus einem besonderen Grunde n i c h t d a r f , RG. 117291; 120119. Oer V e r ä u ß e r e r e i n e s G r u n d s t ü c k s h a t d i e s e s auf G r u n d n i c h t i g e n S c h w a r z k a u f s (siehe u n t e n § 34 II 2a) a n d e n Käufer b i n d e n d a u f g e l a s s e n und d i e E i n t r a g u n g bewiligti auf Grund d e s s e n ist d e r K ä u f e r in d e r Lage, d u r c h S t e l l u n g d e s E i n t r a g u n g s a n t r a g s sich d a s Eigentum zu v e r s c h a f f e n und d a s n i c h t i g e K a u s a l g e s c h ä f t n a c h $ 313, 2 zu heilen. Er d a r f d a s a b e r n i c h t , weil der V e r k ä u f e r die d u r c h d i e A u f l a s s u n g und E i n t r a g u n g s b e w i l l i g u n g e r z e u g t e R e c h t s a n w a r t s c h a f t als u n g e r e c h t f e r t i g t e B e r e i c h e r u n g nach 812 z u r ü c k f o r d e r n k a n n , es sei d e n n , dafl e r die U n v e r b i n d Uchkeit des K a u f v e r t r a g e s g e k a n n t hat, 814. — E r w i r b t d e r K ä u f e r trotz des d u r c h einstw e i l i g e V e r f ü g u n g d e s P r o z e ß g e r i c h t s e r l a s s e n e n V e r b o t e s , d i e E i n t r a g u n g zu u n t e r l a s s e n , d a s G r u n d s t ü c k , so ist sein E r w e r b d e m V e r k ä u f e r g e g e n ü b e r u n w i r k s a m .

IV. Das R e c h t s g e s c h ä f t d a r f n i c h t g e g e n S i t t e n v e r s t o ß e n , sonst ist es n i c h t i g (1381).

die

guten

L o t m a r, Der u n m o r a l i s c h e V e r t r a g , 1896; S t a m m l e r , L e h r e v o m r i c h t i g e n Recht, 1902i H a g e n . G r u c h o t 52 497; J a c o b i, DogmJ. 41 68; H e r z o g , Zum Begriff d e r g u t e n Sitten, 1910) E c k s t e i n . ArchBürgR. 38 195 ff., 41 17B ff.; H. A. F 1 s c h e r, Rechtswidriflkeit, 1911; L a u t e r b u r g , Recht und Sittlichkeit, 1918; R u m p f , Z i v A . 117 315; v o n T u h r , e b e n d a 120 1H.; M i t t e l s , Zur A u s l e g u n g v. 138 I BGB. in Leipz F e s t s c h r . f ü r W a c h , 1917; H e r b . M e y e r , S i t t e n w i d r i g e V e r l a g s v e r t r ä g e 1926; L o b e , G r u c h o t 72 145; G e l l e r , Die K o n k r e t i s i e r u n g des R e c h t s g e b o t s der g u t e n Sitten im m o d e r n e n W i r t s c h a f t s r a t , 1933; P a g e n s t e c h e r , S i t t e n w i d r i g e L i e f e r u n g s b e d i n g u n g e n , 1943; C o i n g, N J . 48, 213 f.

1. B e g r i f f d e r g u t e n S i t t e n . Der Ausdruck „gute Sitten" ist eine Ubersetzung des gemeinrechtlichen boni mores. Der Begriff verweist nicht auf die S i t t e im Sinne eines t a t s ä c h l i c h e n Lebensbrauches („gute" Sitten!), sondern auf die M o r a l , das S i t t l i c h k e i t g g e s e t z ; auch auf dieses nicht als i n n e r e s Sittengesetz, das den Einklang des äußeren Verhaltens mit der inneren seelischen Hinstellung fordert, sondern im Sinne der im V o l k t a t s ä c h l i c h g e ü b t e n R e c h t s m o r a l und der sich aus ihr ergebenden D u r c h s c h n i t t s a n f o r d e r u n g e n . Der R i c h t e r hat n i c h t nach s e i n e n p e r s ö n l i c h e n M o r a l a n s c h a u u n g e n zu entscheiden, auch nicht nach den Auffassungen einer b e s t i m m t e n G r u p p e o d e r P a r t e i

§ 29 r v .

Sittenwidrige

Geschäfte.

147

(RG. 55373), sondern nach den t a t s ä c h l i c h in der V o l k s g e s a m t h e i t h e r r s c h e n d e n D u r c h s c h n i t t s a n s c h a u u n g e n . Als allgemein maßgebend kann nur gelten, was dem „ h e r r s c h e n d e n V o l k s b e w u ß t s e i n " , „dem A n s t a n d s g e f ü h l a l l e r b i l l i g u n d g e r e c h t D e n k e n d e n " entspricht (RG. 48 124, 73 113 und Motive zum BGB.Entw. § 705). Diese Anschauungen sind einem fortwährenden Wechsel und im allgemeinen auch einer fortwährenden Verfeinerung unterworfen. Maßgebend sind deshalb die zur Zeit der Vornahme herrschenden Anschauungen (RG. Warneyer 1920 Nr. 72 und 143). Nach oben wird die Grenze der Anforderungen n i c h t durch b e s o n d e r s v o r n e h m e G e s i n n u n g gebildet (RG 55 373), sie liegt vielmehr im D u r c h s c h n i t t s m a ß der Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs. Keineswegs will das Gesetz eine Bindung des Richters an alle t a t s ä c h l i c h e n Gewöhnungen und Übungen des V e r k e h r s ; diese können mißbräuchlich sein. Der Richter hat danach zu fragen: was widerspricht vom Boden der s i t t l i c h e n , in der V o l k s g e m e i n s c h a f t herrschenden G r u n d anschauungen aas im e i n z e l n e n Fall einem g e l ä u t e r t e n s i t t l i c h e n D u r c h s c h n i t t s e m p f i n d e n ? RG. 72 176. Eine besondere Standesmoral ist keinesfalls zu beachten, wenn s i e mit der anerkannten Volksmoral in Wideispruch steht Die Wertordnung darf heute keinesfalls mehr aus der nationalsozialistischen Weltanschauung entnommen werden — A r t III des G e s Nr. 1 der Militärregierung. { So ließen sich nicht, wie man versucht hat, die übermäßigen Preisforderungen für Heeres- und Kriegsbedarf rechtfertigen mit den Anschauungen der ehrbaren Kaufmannschaft. Diese Anschauungen waren auf dem Boden der gewöhnlichen Frodens Verhältnisse erwachsen und bedurften angesichts der Kriegsnotlage einer Berichtigung. Das Reichsgericht ist hier E r z i e h e r zu einer geläuterten sittlichen Auffassung geworden; es hat aus den sittlichen Grundanschauungen des deutschen V o l k e s erst die gerechten Folgerungen gezogen. Auch für die wirtschaftlichen Kämpfe (Streik, Aussperrung. Boykott) sind vom Reichsgericht erst aus diesen Grundanschauungen die maßgebenden Grundsätze abgeleitet worden

2. Das Geschäft muß als s o l c h e s sittenwidrig sein. Zu beanstanden sein muß sein A b s c h l u ß oder sein G e s a m t g e p r ä g e , wie es sich erkennbar aus dem ä u ß e r n I n h a l t , B e w e g g r u n d und Z w e c k ergibt (RG. 56 231; 63 346j 86 148; 107 210; 114 338). Es genügt nicht, daß einer der Beteiligten, j a selbst beide nach den i n n e r e n Beweggründen ( s u b j e k t i v ) u n s i t t l i c h verfahren. Das ist nicht einmal immer erforderlich. B leiht sich von ihm, um ihn dadurch vernichten. Kommen A u s d r u c k , haben zur Folge, so ist das

A Geld, um es in Kriegswuchergeschäften anzulegen. A gibt es geldlich in die Hand zu bekommen und später wirtschaftlich zu diese Beweggründe im G e s c h ä f t s e l b e r n i c h t zum sie k e i n e u n s i t t l i c h e G e s t a l t u n g seines I n h a l t s Geschäft g ü l t i g .

Blofie A n f e c h t u n g s g r ü n d e ergeben noch k e i n e N i c h t i g k e i t . Sittenwidrige Willensbeeinflussung durch arglistige Täuschung oder rechtswidrige Drohung begründet nur eine Anfechtbarkeit des Geschäfts, RG 69 145; 114 338. Nur wenn das Vorhandensein von Anfechtungsgründen den G e s a m t c h a r a k t e r des Ges c h ä f t s s e l b s t sittenwidrig gestaltet, kommt Nichtigkeit wegen Unsittlichkeit nach 138 in Frage. RG. 114 338 Nicht erforderlich ist das B e w u ß t s e i n der Sittenwidrigkeit,bei den Beteiligten; K e n n t n i s d e r T a t u m s t ä n d e g e n ü g t , RG. 120 148. Bei einem V e r t r a g ist im a l l g e m e i n e n erforderlich, daß beiden Teilen ein S i 11 e n v e r s t o ß zur Last fällt, RG, 78 353 u. 114 338 (erschlichener Kindesannahmevertrag) Aber nach ständiger Rechtsprechung ist davon eine A u s n a h m e zu machen, wenn sich das sittenwidrige V e r h a l t e n der einen Vertragspartei g e r a d e g e g e n die a n d e r e richtet, R G . 120 149.

§ 29 IV.

148

Sittenwidrige Geschäfte.

3. Im Anschluß an L o t m a r (Der unmoralische Vertrag, 1896) lassen sich folgendes G r u p p e n u n s i t t l i c h e r G e s c h ä f t e bilden: a) Geschäfte, die auf ein a n s i c h u n s i t t l i c h e s V e r h a l t e n odei einen s i t t e n w i d r i g e n E r f o l g gerichtet sind oder die F ö r d e r u n g eines u n s i t t l i c h e n V e r h a l t e n s o d e r E r f o l g s b e d e u t e n . Das Geschäft empfängt sein unsittliches Gepräge ohne weiteres durch seinen Inhalt. Einwilligung in dio eigene Tötung (RG. 06 38V); Verzicht auf die eheliche Treuepflicht oder auf Kindererziehungsrecht (RG. 68 322)? Eheversprechen von Verheirateten (RG. SeuffA. 78 191); scheidungserleichternde Abkommen, die den Scheidungswillen durch Vermögenszuwendung beeinflussen (RG. 108 213; 109 137); Schenkungsversprerhen als Belohnung für außerehelichen Geschlechtsverkehr (RG. 111 152). Vermietung zu Bordellzwecken (HamburgOLG, 33 291), wie überhaupt Rechtsgeschäfte zu Bordellzwecken (RG. 63 350; 68 99; 71 194; Üö 192).

b) Geschäfte, die eine V e r b i n d l i c h k e i t zu einem Verhalten begründen wollen, das nach den Regeln des Anstands und der Sittlichkeit nur auf Grund eines f r e i e n Entschlusses erfolgen darf. Gleich stehen Fälle, wo eine ü b e r m ä ß i g e Bindung stattfindet oder ein u n z u l ä s s i g e s B i n d u n g s m i t t e l verwandt wird. Das Geschäft empfängt sein unsittliches Gepräge durch die B i n d u n g . Zusage der Ehelosigkeit, des Religionswechseis, Beschrankungen der Gewissens-, Wahl-, Koalitions- und Gewerbe Freiheit (die Beschränkung der p o s i t i v e n Koalitionsfreiheit ist schon nach 134 nichtig, weil darin ein Verstoß gegen 159 WeimRV. liegt, (RG. III 201), Wettbewerbsverbote, rlie einem Angestellten das Fortkommen unbillig erschweren, ihn also ü b e r m ä ß i g (nach Ort, Zeit, Arbeitsmöglichkeit usw.) binden [für die Handlungsgehilfen und die höheren gewerblichen Angestellten (Betriebsbeamte und Techniker) ist die Zulässigkeit der Bindung g e s e t z l i c h genauer abgegrenzt, HGB. 74, 74a—74f, in der Fassung des Gesetzes vom 10, Juni 1914, GewO. 133f.J, die Verpfändung des Ehrenworts zur Bestärkung von Verträgen, deren wesentlicher 'Inhalt die Förderung von Geldinteressen bildet (RG. B2 222; 87 8). Eine wichtige hierher gehörige Gruppe bilden die sogen. K n e b e l u n g s v e r träge, die eine ü b e r m ä ß i g e und u n w ü r d i g e B e s c h r ä n k u n g der w i r t s c h a f t l i c h e n F r e i h e i t , eine ganz einseitige Berücksichtigung der Interessen des einen Teils ohne den Versuch eines angemessenen Ausgleichs der beiderseitigen Interessen enthalten? vgl. B a u e r - M e n g e l b e r g , Knebelungsvertrage 1929, Hauptfall; Vertrag zwischen zwei Petroleumverkaufsgesellschaften, RG. 82 308. (Vgl. außerdem RG. 97 255; 128 257; 152 251 und JW. 1912 4573: 1915 191; 1919 443».) Im Urteil JW. 1919 4431 ist besonders hervorgehoben, daß auf die Absicht der Schädigung nichts ankommt, daß ein Verstoß gegen die guten Sitten sogar angenommen werden kann, wenn beim stärkeren Teil zunächst die Absicht bestanden hat, dem wirtschaftlich Schwächeren zu Hilfe zu kommen. Grundsätzlich muß hier betont werden, daß die Rechtsprechung bisher den Gegensatz zwischen n a t ü r l i c h e r und juristischer Person nicht genügend beachtet hat. Bei dieser — wenigstens bei der K a p i t a l gesellschaft (AG., GmbH., KGaA.) — handelt es sich, wirtschaftlich gesehen, um ein künstliches Gebilde, um Vermögensbestandteile, die für bestimmte Zwecke vereint und personifiziert sind. Deshalb ist hier eine stärkere Unterwerfung unter fremden Willen, eine weitergehende Beschränkung der Handlungsfreiheit durchaus erträglich. Das verkennt auch RG. 82 308. Ohne Anerkennung dieser Wahrheit läßt sich die m o d e r n e K o n z e n t r a t i o n s b e w e g u n g kaum durchführen; denn mehr als eine f o r m e l l e r e c h t l i c h e Selbständigkeit kann *bei einer Unternehmenpachtung, einem Betriebsüberlassungsvertrag, bei einer Organverbindung und dergleichen der abhängigen Unternehmung praktisch nicht zugestanden werden. Es ist interssant, daß das Reichsgericht in einer neueren Entscheidung — im Fall« Dynamit Nobel, RG. 105 236ff. — vermieden hat, auf die Frage einzugehen, ob der vorliegende Interessengeroeinschaftsvertrag wegen übermäßiger Bindung gegen die guten Sitten verstoße (vgl. z. B. Friedländer, Konzernrecht, 1927, S. 65ff.).

5 29 IV 3d. Wucherische Geschäfte.

149

c) Geschäfte, wodurch ein Verhalten mit einem G e g e n v o r t e i l verknüpft wird, obwohl das sittliche Empfinden diese Verknüpfung als unzulässig ablehnt. Das Geschäft empfängt sein unsittliches Gepräge durch die V e r k n ü p f u n g mit einem E n t g e l t . Gegen Entgelt verpflichtet sich jemand, ein Verbrechen nicht anzuzeigen, RG. 5.8 206; .ein Angestellter läßt sich die Wahrung der Vertragstreue mit Gehaltserhöhung abkaufen, J W 1016 1185. Irr einem Arbeitsvertrag werden Abreden aufgenommen, wonach den Arbeitnehmer im Falle der Kündigung erhebliche finanzielle Nachteile treffen, RAG. Bensh. 8 163. Ein in das Ermessen einer Behörde gestellter Hoheitsakt wird von einer Geldleistung abhängig gemacht, RG. 135 375. — Unbedenklich ist dagegen das Versprechen, einen Strafantrag zurückzunehmen oder nicht zu stellen, wenn der Geschädigte sich nur den durch die Straftat ihm zugefügten Schaden ersetzen läßt.

d) Verträge, wodurch eine Leistung mit u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g e n Gegenvorteilen verknüpft wird. — Diese Verträge sind freilich nicht schlechthin unsittlich, sondern nur, wenn auf der Seite des Leistenden noch w e i t e r e s u b j e k t i v e T a t u m s t ä n d ' f e hinzukommen, die sein Verhalten als mißbilligenswert beurteilen lassen. Das Geschäft empfängt sein unsittliches Gepräge durch das äußerlich erkennbare ( o b j e k t i v e ) Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, sowie durch ein persönliches ( s u b j e k t i v e s ) Vorwurfsmerkmal. Das Gesetz hat als Hauptanwendungsfall dieser Gruppe das w u c h e r i s c h e Geschäft in 138 II besonders geregelt: / Nichtig Ist namentlich ein Rechtsgeschäft, wodurch jemand unter A u s b e u t u n g der N o t l a g e , des L e i c h t s i n n s oder der U n e r f a h r e n h e i t eines andern sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, welche den Wert der Leistung dergestalt übersteigen, daß den Umständen nach die Vermögensvorteile in auffälligem Mißverhältnisse zu der Leistung stehen, RG. 128 256. Die ,,A u s b e u t u n g " der Notlage erfordert b e w u ß t e Ausnutzung der Notlage usw., Absicht ist unnötig, Vorsatz genügt (RG. 60 9; 86 300). — Der Begriff „ N o t l a g e " wird vom Reichsgericht e n g verstanden, erfordert eine d r i n g e n d e Not, die* die w i r t s c h a f t l i c h e E x i s t e n z bedroht; Notlagen anderer Art kommen n i c h t in Betracht; selbst ein Zustand der Vermögenslosigkeit und Unpfändbarkeit ist noch nicht ohne weiteies gleichzusetzen dem Zustand eines dringenden Geldbedarfs zur Abwendung einer die Existenz bedrohenden Gefahr (JW. 1905 75s; 1911 576»; 191.9 140). — Für diese enge Auffassung und die Beschränkung auf eine wirtschaftliche Notlage liegt m. E. kein Grund vor. Wucher ist es, wenn der einzige ATZt, der für eine rechtzeitigo Hilfe in Betracht kommt, diese nur gegen ein übermäßiges Honorar zur Verfügung stellt. Vgl. E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y 5 179 Anm. 3.

Immer mehr aber hat sich die richtige Anschauung durchgerungen, daß auch noch a n d e r e s u b j e k t i v e M e r k m a l e ein derartiges sittliches Verwerfungsurteil zu begründen vermögen. So kehrt immer häufiger die Formel wieder: Moralisch verwerflich sei es, wenn der w i r t s c h a f t l i c h S t ä r k e r e die L a g e des. w i r t s c h a f 11 i c h S c h w ä c h e r e n ü b e r m ä ß i g a u s n u t z e (RG. bei Gruchot 55 883; R. 90 181, 400 ; 93 28 und 107; Warneyer 1913, Nr. 129; JW. 1912 47 Nr. 3). Diese Formel verdient Zustimmung. Sie verträgt sogar noch eine Erweiterung dahin, daß man als unsittlich bezeichnet jeden Vertrag, der auf eine ü b e r m ä ß i g e A u s b e u t u n g eines anderen g e r i c h t e t ist (vgl. RG. 103 37; 150 1). Der große ZS. des RG. hat in der Entsch. vom 13. 3. 36 (RG. 150 1) ein Rechtsgeschäft auch dann als nach § 138 I BGB. nichtig erklärt, wenn außer dem Mißverhältnis eine

150

i 29 IV 4. Rechtsfolgen des unsittlichen Geschäfts. solche Gesinnung des die übermäßigen Vorteile beanspruchenden Teils festzustellen ist, daß das Rechtsgeschäft nach Inhalt, Beweggrund und Zweck gegen das ,.gesunde Volksempfinden" verstößt. Auf diese Gesinnung könne u. U. aus dem Mißverhältnis geschlossen werden. Abgesehen von der aus dem nazistischen Phrasenschatz entnommenen Berufung auf das ,.gesunde Volksempfinden" verdient die Entscheidung Beifall. Von besonderer Bedeutung sind hier die sogen. F r e i z e i c h n u n g s k l a u s e l n , wodurch jemand die gesetzliche Haftung wegbedingt. Wenn auch die Wirtschaftsordnung auf dem Grundsatz der Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit beruht, so ist es doch unsittlich, wenn eine Unternehmergruppe ihre w i r t s c h a f t l i c h e Mo n o p o l s t e 11 u n g ausnutzt, um ohne objektiven zwingenden Grund sich unter Umkehrung der vom Gesetz gewollten und vom Verkehr als billig empfundenen Rechtslage u n v e rb ä l t n i s m ä flige V o r t e i l e auszubedingen, RG. 102 396; 103, 82, 386; 106 387: 111 310; 113 427; US 218.

Obwohl es sich in diesen Fällen zum Teil um eine Weiterbildung des W u c h e r rechts handelt, ist das Reichsgericht dem Versuch entgegengetreten, solche Tatbestände unter 138 II zu ziehen. Es meint, W u c h e r im Sinne des Gesetzes Hege nur dann vor, wenn die sämtlichen, einheitlich zu verstehenden Voraussetzungen des 138 II gegeben seien? fehle aber auch nur eins dieser Merkmale, so könne allein in Frage kommen, ob sich das Geschäft aus anderem Grunde, nach 1381 als unsittlich beurteilen lasse (RG. 64 181). e) E r s c h ö p f e n d ist die vorgenommene Gruppierung n i c h t . Die S i t t e n w i d r i g k e i t kann sich auch noch aus a n d e r e n G e s i c h t s p u n k t e n ergeben, namentlich aus b e w u ß t e m Z u s a m m e n w i r k e n , u m e i n e n D r i t t e n z u s c h ä d i g e n (RG. 83 240; 88 366); f e r n e r a u s dereigensüchtigenSicherungvon Sonderinteressenauf K o s t e n d e s g e m e i n e n N u t z e n s ; vgl. C o i n g NJ. 48. 213f. Weitere Beispiele: Verpflichtung zum V e r t r a g s b r u c h . RG. 79 279. — Der sogen. 1500-Mark-Vertrag ist insoweit sittenwidrig, als die der Ehefrau oder den Kindern zugewandten Beträge über das zur Bestreitung eines standesmäPioen b e s c h e i d e n e n Lebensunterhalts Erforderliche hinausgehen, R A G J W . 1930. 3115; WarnRspr. 1930, Nr. 86. Die Sittenwidrigkeit einer S i c h e r u n g s Q b e r e t g n u n g a l l e r Aktiva eines Handelsgeschäfts kann sich ergeben aus der G e h e i m h a l t u n g des Vertrags, um den Schein geschäftlicher Unabhängigkeit und Kreditwürdigkeit zu wahren, RG. 77 210; 85 345; 118 362; 127 340 Entsprechendes gilt für andere K r e d i t t ä u s c h u n g s v e r t r ä g e , vgl. zur Sittenwidrigkeit der Stchemngsübereignung unt. § 34 IT 2 b. — Verständigung unter den Bietern oder Unternehmern bei Ausschreibungen i sogen. S u b m i s s i o n s k a r t e l l e ) , wonach nur einzelne ernsthafte Ange^o+e machen, während die übrigen Beteiligten nur Schutzofferten abgeben. RG. 58 593: 00 279: Gruchot 60 484} 64 213. — S r h m i e r g e l d e r v e r e i n b a r u n g e n können das Hauptgeschäft sittenwidrig machen, RG. 136 359.

4. Die R e c h t s folge eines unsittlichen Geschäfts ist nach dem Wortlaut des Gesetzes (138) v ö l l i g e Nichtigkeit. Mitgjlecht wird das als unzweckmäßig beanstandet für das w u c h e r i s c h e Geschäft, aber auch für die Fälle, wo nur eine übermäßige B i n d u n g der H a n d l u n g s- oder G e w e r b e f r e i h e i t das sittliche Verwerfungsurteil begründet. Hier ist die Nichtigkeit von vornherein nur für das Ubermaß innerlich begründet. Den auf das Maß des Zulässigen zurückgeführten Restbestandteil aufrechtzuerhalten, ist möglich und jedenfalls so weit zweckmäßig und zu befürworten, als beim W u c b e r geschält der B e w u c h e r t e sich für die Aufrechterhaltung des Vertrags ausspricht — oder in den Fällen ü b e r m ä ß i g e r F r e l h e i t s bindung die Beteiligten den Vertrag auch ohne die übermäßige Bindung vernünftigerweise abgeschlossen hätten. Mögen nach geltendem Recht dagegen auch Bedenken bestehen, so sind solche jedenfatls nicht begründet für die W e t t b e w e r b s vertrage. Soweit diese durch die 74ff HGB und 133f. GewO geregelt sind, Ist der Grundsatz der R e s t g ü l t i g k e i t ausdrücklich anerkannt) deshalb Ist er zum mindesten kraft Ahnlichkeitsschluß anwendbar auf die nicht geregelten W e t t b e w e r b s Verträge (Wettbewerbsvereinbarungen zwischen selbständigen Gewerbetreibeaden, beim Verkauf eines Unternehmens usw.).

f 30 I.

Dl« ErklSrung überhaupt.

151

Eckstein (BürgA. 31 195 ff. i 41 221 f.) hat den beachtenswerten Versuch unternommen, die Beschränkungen der Verpflichtungsmöglichkeit — statt aus 138 abzuleiten aus dem u n v e i ä u ß e r l i c h e n Grundzug der Persönlichkeitsrechte und Güter, zumal der F r e i h e i t . Dadurch wird es möglich, aus der Rechtsordnung selbst die Grenzen zu entwickeln, bis zu denen eine Bindung der Freiheit zulässig ist, weiter die aul übermäßige Bindung angelegten Verträge auf diese Grenzen zurückzuführen und dann hinsichtlich ihres zulässigen Ristinhalts aufrechtzuerhalten, ohne mit 138 in Widerspruch zu geraten

Das aus einem u n s i t t l i c h e n Geschäft G e l e i s t e t e kann als u n g e r e c h t f e r t i g t e B e r e i c h e r u n g zurückgefordert werden (817, 1). Die R ü c k f o r d e r u n g ist aber a u s g e s c h l o s s e n , wenn dem L e i s t e n d e n g l e i c h f a l l s ein s o l c h e r V e r s t o ß gegen die guten Sitten zur Last fällt, es sei denn, daß die Leistung in der Hingehung einer Verbindlichkeit bestand) das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden (817, 2). Zu beachten ist, daß die Unsittlichkeit des Kausalgeschäftes grundsätzlich die Gültigkeit des abstrakten Leistungsgeschäfts nicht berührt. Im Falle des W u c h e r s ist aber nach der Rechtsprechung des RG. (57 75) 75 76t 109 201) nicht bloß die Kausalvereinbarung, sondern auch das E r f ü l l u n g s g e s c h f i f t s e l b s t n i c h t i g ) 138 II mißbilligt auch das t ,sich gewähren lassen". Infolgedessen scheidet insoweit § 817 aus. Da die vorgenommenen Übertragungen nichtig sind, Ist Jeder Teil Eigentümer geblieben und kann nach §5 9859. evtl. 812 vorgehen. Der E i g e n t u m s k l a g e kann § 817, 2 nicht entgegengesetzt werden, 1 vgl RG. 85 293, RG.JW. 1926. 2287

Außerdem hat der durch einen unsittlichen oder wucherischen Vertrag Geschädigte, dem selber kein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt, einen Anspruch auf S c h a d e n e r s a t z nach 826; falls durch den Gegner ein Strafgesetz verletzt ist, auch nach 823 II. 5. Zum K r i e g s w u c h e r r e c h t vgl. A l s b e r g , Preistreibereistrafrecht In vielen Auflagen Heinr. L e h m a n n . Wucher und Wucherbekämpfung im Krieg und Frieden 1917.

3. Gehörige Erklärung. A. Die Erklärung Überhaupt. — Auslegung und Vertragsergänzung sowie richterliche Vertragsumgestaltung. Z i t e 1 m a n n , Die Rechtsgeschäfte i. Entwurf des BGB., 1889) I s a"y , Die Willenserklärung iiD Tatbestand des Rechtsgeschäfts, 1899> M o n t c h Willenserklärung und Rechtsgeschäft, 1900; M a n i g k , Willenserklärung und Willensgeschäft, 1907t B r e i t 1. Gruch. Bear. 55 1 ff.; u. SächsA. 13 283, 314f., 15 I65f„ 637f.; M a n 1 g k , Irrtum und Auslegung, 1918; H i m m e l s c h e l n , Beiträge zur Lehre vom Rechtsgeschäft, 1930. Vgl. ferner die oben zu § 24 angegebene Literatur.

I. A l l g e m e i n e s . Die Erklärung ist Ä u ß e r u n g eines b e s t i m m t e n G e s c h ä f t s w i l l e n s mit K u n d m a c h u n g s z w e c k . Der Erklärende muß also sein Verhalten so einrichten, daß es verstanden werden kann von den Personen, auf die es ankommt. Dazu steht ihm das ganze Gebiet der Erklärungsmittel offen, die von der Verkehrssitte anerkannt sind. Außerdem können aber auch die Parteien beliebige Zeichen als Erkläiungsmittel vereinbaren. Zu beachten ist, daß, mangels besonderer Vereinbarung, selbst die W o r t e regelmäßig keinen bestimmten eindeutigen Sinn ergeben, wenn

152

} 30 II

Ausdrückliche

und

stillschweigende

Erklärung.

man sie ins Auge faßt, losgelöst von den b e s o n d e r e n des Falles, unter denen sie gebraucht werden.

Umständen

Das Wort „ G e b e n ' hat e i n e g a n z v e r s c h i e d e n e B e d e u t u n g , w e n n der G a s t im W i r t s h a u s .erklärt: G e b e n S i e mir e i n e n Teller S u p p e — o d e r w e n n e i n Bettler d i e s e W o r t e an der H a u s t ü r spricht. U n d a u c h d e r G a s t s p r i c h t d a s W o r t in v e r s c h i e d e n e m S i n n e , w e n n e r s a g t : g e b e n S i e mir e i n e n Teller S u p p e , e i n e Z e i t u n g , d i e Z ü u d h ö l r e r , die Rechnung.

Die Bedeutung eines bestimmten Verhaltens läßt sich also regelmäßig nur erschließen, wenn man die gebrauchten Erklärungsmittel in Verbindung bringt mit den g e s a m t e n U m s t ä n d e n des b e s o n d e r e n Falles, die sie umgeben. Die S c h l ü s s i g k e i t des Verhaltens ergibt sich erst aus den gewählten Erklärungsmitteln u n d dazu den sämtlichen U m s t ä n d e n d e s e i n z e l n e n Falles. II. A u s d r ü c k l i c h e und s t i l l s c h w e i g e n d e

Erklärung.

E h r l i c h . Stillschweigende Willenserklärung, 1893i H e n l e , Ausdrückliche und s t i l l s c h w e i g e n d e W i l l e n s e r k l ä r u n g , 1910; K. S c h n e i d e r , D i e B e d e u t u n g der a u s d r ü c k l i c h e n W i l l e n s e r k l ä r u n g und ihr G e g e n s a t z zur W i l l e n s b e t ä t i g u n g , ArchBürgR. 42 273ff.i D ü r i n g e r H a c h e n b e r g - W e r n e r IV 16.

Das Gesetz unterscheidet im Hinblick auf die verschiedene Deutlichkeit der Erklärung gleichwohl zwischen „ a u s d r ü c k l i c h e r " Erklärung und s o n s t i g e n Erklärungen, die man unter der zu engen Bezeichnung „ s t i l l s c h w e i g e n d e " zusammenfaßt. In 164 I 2 wird g e s a g t , d a ß e s k e i n e n U n t e r s c h i e d m a c h e , o b d i e Erklärung „ a u s d r ü c k l i c h im N a m e n d e s V e r t r e t e n e n " e r f o l g e o d e r o b s i c h d a s „ a u s d e n . U m s t ä n d e n " e r g e b e : u n d n a c h 244 I und 700 II ist e i n e a u s d r ü c k l i c h e V e r e i n barung notwendig

W e l c h e r G e g e n s a t z soll damit getroffen werden? Die Frage ist in der Lehre außerordentlich streitig, im umgekehrten Verhältnis zu ihrer p r a k t i s c h e n Bedeutung. 1. Nach der „ o b j e k t i v e n", von Zitelmann (Rgeschäfte im Entw. I 93) ausgebauten Lehre, sind a u s d r ü c k l i c h alle Erklärungen durch „o b j e k t i v e E r k l ä r u n g s m i t t e 1", nämlich durch Handlungen, deren Sinn als Erklärungsmittel schon vor dem einzelnen Fall feststeht, sei es nach der Verkehrssitte, dem Gesetz oder nach besonderer Parteiabrede. S t i l l s c h w e i g e n d sind die Erklärungen, die nicht durch derartige feststehende Erklärungsmittel erfolgen, sondern durch ein sonstiges Verhalten, das schlüssig wird zusammen mit den Umständen des einzelnen Falles. 2. Nach der „ s u b j e k t i v e n " Lehre liegt der Unterschied im Z w e c k. A u s d r ü c k l i c h soll die Erklärung sein, die d a z u b e s t i m m t erscheint, den Willen zu erklären, s t i l l s c h w e i g e n d die, welche zunächst andere Zwecke verfolgt, aber doch nebenher einen genügend sicheren Schluß auf einen bestimmten Geschäftswillen zuläßt. Dei Gegensatz würde danach besser mit E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y (§ 144 II) durch die Worte direkte (unmittelbare) und indirekte (mittelbare) Willenserklärung gekennzeichnet. Auszugehen schätzung des

ist v o n W o r t s

der o b j e k t i v e n Theorie. hat d a s G e s e t z d e n Begriff

I n f o l g e der f r ü h e r e n Überder a u s d r ü c k l i c h e n

5 30 III.

Schwelgen

als

Willenserklärung.

153

Erklärung gebildet, w i e die G e g e n ü b e r s t e l l u n g v o n „ a u s d r ü c k l i c h " und „ a u s den U m s t ä n d e n zu e n t n e h m e n " in 164 I 2 deutlich beweist. Da a b e r n e u e r e Forschungen gelehrt h a b e n w i e selten d a s W o r t o h n e die Berücksichtigung d e r b e s o n d e r e n U m s t ä n d e des Einzelfalles einen u n b e z w e i f e l b a r e i n d e u t i g e n Sinn hat, wird man dieser E r k e n n t n i s Rechnung tragen müssen. In e r s t e r L i n i e kommt es d e s h a l b auf die U n z w e i d e u t i g k e i t an: d e m g e g e n ü b e r t r i t t das g e w ä h l t e Erklär u n g s m i t t e l (W o r t e usw.) zurück, so s e h r d a ß im Hinblick auf die Z w e c k e einer b e s t i m m t e n , eine a u s d r ü c k l i c h e Erklärung verlangenden Vors c h r i f t s o g a r auf den A u s d r u c k d u r c h W o r t e o d e r o b j e k t i v e Erklärungsmittel verzichtet w e r d e n kann, falls nur eine „in b e s o n d e r e m MaDe u n z w e i d e u t i g e O f f e n b a r u n g " des Parteiwlllens vorliegt D e m e n t s p r e c h e n d b e g n ü g t sich d a s RG. zu § 244 I mit einer solchen u n z w e i d e u t i g e n Erklärung (RG. 107 U l i 109 62; 111 317). W e n n j e m a n d bei der Bank 600 F r a n k e n zu dem dem Bankier b e k a n n t e n Zweck e i n e r Reise in die Schweiz bestellt, ist die Z a h l u n g in a u s l ä n d i s c h e r W ä h r u n g „ a u s d r ü c k l i c h " b e d u n g e n . — Zu § 700 II wird man d a g e g e n an dem E r f o r d e r n i s e i n e r u n z w e i d e u t i g e n E r k l ä r u n g durch W o r t e f e s t h a l t e n müssen, weil sonst d e r Zweck d e r V o r s c h r i f t nicht sicher e r r e i c h t w e r d e n könnte, dem V e r w a h r e r die B e r u f u n g auf s t i l l s c h w e i g e n d e Ges t a t t u n g d e r A n e i g n u n g der h i n t e r l e g t e n P a p i e r e a b z u s c h n e i d e n (Prot. z. BGB. II 396). E n t s p r e c h e n d e s gilt f ü r § 60 II HGB. und § 5 DepotG.

A u s d r ü c k l i c h ist mithin die u n z w e i d e u t i g e Erklärung, die eben deshalb g r u n d sätzlich d u r c h o b j e k t i v e Erklärungsm i t t e l erfolgen muß, soweit sich nicht a u s n a h m s w e i s e eine gesetzliche Vorschrift mit e i n f a c h e r U n z w e i d e u t i g k e i t begnügt. Der Begriff „ a u s d r ü c k l i c h " ist nach a l l e d e m selber m e h r d e u t i g , Vorauf schon E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y § 114 Anm. 3 a u f m e r k s a m macht. Er k a n n auch Im Sinne einer f o r m e l h a f t e n E r k l ä r u n g gemeint sein; nach A r t 1 Ziffer 1 WG. g e h ö r t zu d e n w e s e n t l i c h e n Erfordernissen des W e c h s e l s „ d i e in den W e c h s e l selbst a u f z u n e h m e n d e Bezeichnung a l s W e c h s e 1". Vgl. die e n t s p r . Bestimmung des § 1 Ziffer 1 S c h e c k b .

III. S c h w e i g e n a l s Krause,

Willefiserklärung.

Schweigen im R e c h t s v e r k e h r ,

1933.

Für die n i c h t ausdrückliche (sogen, stillschweigende) Willenserklärung gelten dieselben Rechtssätze wie für die ausdrückliche Willenserklärung. Das gilt besonders auch für die U n t e r l a s s u n g , d a s S c h w e i g e n als Erklärungsmittel. 1. Um als E r k l ä r u n g eines bestimmten Geschäftswillens aufgefaßt zu werden, muß das Schweigen s c h l ü s s i g sein: es müssen also b e s o n d e r e U m s t ä n d e vorliegen, die jemandem zur p o s i t i v e n Äußerung V e r a n l a s s u n g gaben — und diese Umstände müssen derart liegen, daß nach der Verkehrssitte oder Vereinbarung sowie nach Treu und Glauben anzunehmen ist, der Schweigende würde sich positiv geäußert haben, wenn er den fraglichen Geschäftswillen nicht gehabt hätte. " G r u n d s ä t z l i c h g i l t S c h w e i g e n im bürgerlichen und im Handelsverkehr a l s A b l e h n u n g , als „ N e i n " . Es besteht auch k e i n H a n d e l s b r a u c h , daß Schweigen allgemein als Genehmigung gelte. Das BGB. b e h a n d e l t das Schweigen n u r a u s n a h m s w e i s e als Z u s t i m m u n g , so z. B. beim Kauf auf P r o b e (496), b e i m S c h e n k u n g s a n g e b o t (516 II), bei d e r S c h u l d ü b e r n a h m e (416) u s w Vgl. a u c h HGB. 85 und 362. Im ü b r i g e n sind für die B e w e r t u n g des S c h w e i g e n s die V e r k e h r s s i t t e n und H a n d e l s b r ä u c h e von d e r g r ö ß t e n Bedeutung, 157. Unter A n w e s e n d e n ist die V e r k e h r s a n s c h a u u n g eher geneigt, im Hinblick aut die U m s t ä n d e e i n e n Anlaß zum W i d e r s p r u c h zu b e j a h e n , weil dieser hier leichter fällt und deshalb e h e r zuzumuten ist als unter A b w e s e n d e n (vgl. v o n I i i h r II 1 S. 42).

154

t 30 III.

Schw«lg«i als Willenserklärung.

Im Verkehr unter A b wesenden besteht g r u n d s ä t z l i c h k e i n A n l a ß iui A b l e h n u n g eines A n g e b o t e s , um den Schluß auf dessen Annahme auszuschließen. Anders liegen die Dinge, wenn die Parteien s c h o n i m G e s c h ä f t s v e r k e h r miteinander stehen, sei es, , daß ein Vertragsverhältnis zwischen ihnen besteht oder doch wenigstens die Anbahnung eines Vertragsverhältnisses durch einen Antrag eingeleitet worden ist. So kann sich für den Antragenden nach Treu und Glauben die Pflicht zur Rückäußerung ergeben, wenn er eine verspätete Annahme des andern Teils nicht gelten lassen will (vgl. $ 33 II 2 und 3 dieses Buches), sowie RG. US 268. BestätigungsUnter K a u f l e u t e n gilt die Nichtbeantwortung eines s c h r e i b e n s oder der S c h l u ß n o t e eines H a n d e l s m ä k l e r s regelm ä ß i g als Z u s t i m m u n g zu dem im Schreiben oder der Note n i e d e r gelegten Vertragsinhalt, selbst wenn dieser von den vorhergegangenen mündlichen Vereinbarungen abweicht oder neue Bedingungen enthält — ausgenommen natürlich den Fall arglistiger Abweichung (vgl. RG 54 180; 103 97 und 401; 104 20t> 105 205 und 389; 106 414; 129 348). Unter Umständen kann auch im Verkehr unter N i c h t kaufleuten für einen Privatmann, der mit einem andern in Vertragsverhandlungen steht, die Notwendigkeit gegeben sein, einem Bestätigungsschreiben, das den Inhalt einer mündlichen Besprechung zusammenfaßt zu widersprechen, falls nicht aus seinem Schweigen das Einverständnis mit dem Inhalt des Schreibens gefolgert werden soll (Leipz. Z. 1920, S. 756; WarnRspr. 1932 Nr. 32: für einen mit den Bräuchen des Geschäftsverkehrs vertrauten Rittergutsbesitzer). Dagegen gilt die vorbehaltlose Annahme der F a k t u r a n i c h t als G e n e h m i g u n g der in ihr enthaltenen, den vereinbarten Vertragsbedingungen widersprechenden Vermerke; namentlich nicht eines Vermerkes über den E r f ü l l u n g s o r t , wodurch der Lieferant den Erfüllungsort wegen der Gerichtszuständigkeit (29 ZPO.) und Gefahrtragung (447) zu verschieben versucht (RG. »5 330; 52 135).

2. Was den i n n e r e n Tatbestand der Erklärung angeht, so ist jedenfalls der H a n d l u n g s Wille notwendig, d. h. der Schweigende muß in der Lage gewesen sein zu reden, und sein Schweigen muß die Äußerung eines b e w u ß t e n S e e l e n zustandes gewesen sein. Ob daneben auch der G e s c h ä f t s w i l l e und das E r k l ä r u n g s b e w u ß t s e i n vorhanden sein müssen, ist streitig und nach den a l l g e m e i n e n Regeln zu entscheiden. Bejaht kann das Dasein des G e s c h ä f t s willens jedenfalls nur werden, wenn der Schweigende die besonderen Umstände gekannt hat, die ihm zum Reden Veranlassung gaben, z. B. das zugegangene Vertragsangebot seines Geschäftsfreundes auch wirklich gelesen hat. Und ebenso darf das E r k l ä r u n g s b e w u ß t s e i n nur dann als vorhanden angesehen werden, wenn der Schweigende sich bewußt war, daß sein Verhalten von anderen als Ausdruck eines wie immer auch gearteten Geschäftswillens gedeutet werden könne. Doch ist anzuerkennen, daß die V e r k e h r s s i t t e , ebenso wie das Gesetz, dem Schweigen unter bestimmten Voraussetzungen die Bedeutung einer Willenserklärung beilegen kann, obwohl der Schweigende von den Umständen, die ihm zur Äußerung Anlaß gaben, keine Kenntnis erlangt hat, obwohl ihm also das Erklärungsbewußtsein und der Geschäftswille gefehlt haben. RG. 103, 405. — Dann liegt eine von der V e r k e h r s s i t t e normierte unechte W i l l e n s e r k l ä r u n g vor, die den vom Gesetz anerkannten Fällen gleichzustellen ist — siehe unter IV —. Danach ist mit Vorsicht zu handhaben: qui tacet, consentire videtur. Selbst durch den Zusatz ubi loqui potuit ac debuit wird der Sachverhalt nicht völlig klargestellt. Für das Geltungsgebiet des 346 HGB, (wonach unter Kaufleuten in Ansehung der Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen ist) hat sich

9 30 IV

U n e c h t e W i l l e n s e r k l ä r u n g e n . — § 30 V

Verwahrung.

J55

das Reichsgericht d a f ü r entschieden, d a ß d a s Schweigen selbst dann die Bedeutung e i n e r zustimmenden W i l l e n s e r k l ä r u n g haben könne, w e n n ein e n t s p r e c h e n d e r Ges c h ä f t s w i l l e fehle (RG. 54 176 ff., 05 242» 103 405 g e s t a t t e t a b e r bei N i c h t k e n n t n i s A n f e c h t u n g ? ) . — Diese G r u n d s ä t z e wird man k e i n e n f a l l s o h n e w e i t e r e s auf den b ü r g e r l i c h e n Verkehr ü b e r t r a g e n dürfen: vielmehr ist hier an dem Erfordernis des A u ß e r u n g s b e w u ß t s e i n s festzuhalten und bei Pehlen des G e s c h ä f t s w i l l e n s infolge U n k e n n t n i s d e r V e r k e h r s s i t t e die A n f e c h t b a r k e i t w e g e n Inhaltsirrtums nach 119 zu b e j a h e n .

IV. U n e c h t e Willenserklärungen. In einer Reihe von Fällen hat das Gesetz einem Verhalten der Partei einen bestimmten Erklärungsinhalt beigelegt, g a n z o h n e R ü c k s i c h t d a r a u f , ob die W i r k u n g i h r e m W i l l e n e n t s p r i c h t o d e r n i c h t . Es wird z. B. bestimmt, daß das S c h w e i g e n i n n e r h a l b einer Frist als Ablehnung oder Zustimmung g e l t e n solle (108, 177, 415, 416) o d e r eine Vergütung gilt als stillschweigend v e r e i n b a r t wenn die v e r s p r o c h e n e Leistung den Umständen nach nur gegen V e r g ü t u n g zu e r w a r t e n ist (612, 632, 653, 689). O d e r es gilt die Forlsetzung des G e b r a u c h s der g e m i e t e t e n S a c h e als V e r l ä n g e r u n g der Miete, wenn nicht innerhalb zwei W o c h e n ein e n t g e g e n s t e h e n d e r W i l l e e r k l ä r t wird (568).

Hier handelt es sich um f i n g i e r t e (als-ob), u n e c h t e Willenserklärungen, auf die immerhin gewisse für Willenserklärungen geltende Vorschriften entsprechend anwendbar sind. / G e n a u g e s e h e n , w e r d e n hier z w e i G r u p p e n z u s a m m e n g e f a ß t : 1. Die Fälle, wo ein b e s t i m m t e s V e r h a l t e n als r e i n ä u ß e r e r Vorgang mit den W i r k u n g e n einer W i l l e n s e r k l ä r u n g b e s t i m m t e n Inhalts a u s g e s t a t t e t w i r d . Hierher g e h ö r e n die V o r s c h r i f t e n , diö a n o r d n e n , d a ß eine G e n e h m i g u n g als v e r w e i g e r t gelten solle, wenn eine Erklärung binnen b e s t i m m t e r Frist nach der A u f f o r d e r u n g nicht a b g e g e b e n wird (108 II, 177 II, 415 II usw.). Hier ist als F i k t i o n s b a s i s ü b e r h a u p t k e i n e , , H a n d l u n g " e r f o r d e r t , i n f o l g e d e s s e n G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t unnötig. A n f e c h t u n g ausgeschlossen. 2. Die Fälle, w o das V e r h a l t e n mit d e n W i r k u n g e n einer W i l l e n s e r k l ä r u n g b e s t i m m t e n I n h a l t s a u s g e s t a t t e t wird, w e i l ein s o l c h e s V e r h a l t e n im R e g e l f a l l die Ä u ß e r u n g e i n e s e n t s p r e c h e n d e n W i l l e n s i s t . So z. B. bei der Behandlung d e r G e b r a u c h s f o r t s e t z u n g als Ä u ß e r u n g d e s Verläng e r u n g s w i l l e n s . 568. Hier darf man a n n e h m e n , d a ß d a s f r a g l i c h e Verhalten (die Fiktionsbasis) G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t e r f o r d e r t und w e g e n W i l l e n s m a n g e l s a n f e c h t b a r ist, 119 ff.; RG. 140 316. Vgl. v o n T u h r II 1 S. 425 ff.; E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y § 144 IV, der a b e r v o n v e r m u t e t e n WE spricht. Solche v e r m u t e t e WE. sind lediglich a n z u n e h m e n , wenn ein V e r h a l t e n im Z w e i f e l als WE. b e s t i m m t e n Inhalts a u f g e f a ß t w e r d e n soll; d a n n ist o h n e A n f e c h t u n g der G e g e n b e w e i s zulässig, daß in W a h r h e i t eine Erklärung d i e s e s I n h a l t s nicht vorlag. Beispiel § 33 TestG (Vernichtung der T e s t a m e n t s u r k u n d e ) . Hier handelt es sich um e c h t e WE., deren Z u s a m m e n f a s s u n g mit d e n b e i d e n obigen G r u p p e n v e r w i r r e n muß.

V. V e r w a h r u n g . Die Möglichkeit, eine Erklärung In beliebiger Form abzugeben, bringt die Gefahr mit sich, daß unter Umständen ein Verhalten als Willenserklärung aufgefaßt werden kann, das keine sein soll. Dagegen schützt eine V e r w a h r u n g (Protestation), d. h. die Ablehnung einer möglichen Deutung. Zum Beispiel m a n v e r w a h r t sich bei e i n e r E r h a l t u n g s m a ß n a h m e bezüglich eines E r b s c h a f t s g e g e n s t a n d e s d a g e g e n , d a ß sie als E r b s c h a f t s a n n a h m e g e d e u t e t w e r d e n d ü r f e Die V e r w a h r u n g muß sich a b e r mit dem V e r h a l t e n s i n n g e m ä ß v e r e i n b a r e n lassen, sie darf ihm nicht w i d e r s p r e c h e n , keine p r o t e s t a t i o facto contraria sein. R e s e r v a t i o n n e n n t man vielfach d i e Erklärung, womit sich j e m a n d v e r w a h r t , d a ß seine Ä u ß e r u n g als Verzicht o d e r A n e r k e n n u n g f r e m d e r Rechte a u f g e f a ß t w e r d e . Vgl. I s a y , W i l l e n s e r k l ä r u n g , S. 66 ff.

156

{ 30 VI.

Auslegung der Rechtsgeschäfte.

VI.

A u s l e g u n g . D a n : , Auslegung der Rechtsgeschäfte (3) 1911; M a n i g k , Irrtum und Auslegung, 1918; L e o n h a r d , Auslegung der Rechtsgeschäfte, ZivArch. 120, 14 ff.; M a n i g k DogmJ. 57 127 ff.; S c h r e i e r , Interpretation der Gesetze und Rechtsgeschäfte, 1927; H i m m e l s c h e i n , Beiträge zu der Lehre vom Rechtsgeschäft, 1930; L a r e n z , Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930; dazu M a n i g k , JW. 1930, 2193 und Reichsgerichtsfestgabe VI 94 f.

1. Der n ä h e r e I n h a l t der Willenserklärung wird durch A u s l e g u n g , d. h. D e u t u n g i h r e s S i n n e s , festgestellt. 2. Z i e l der Auslegung ist, zu ermitteln den w a h r e n W i l l e n des Erklärenden, so wie er sich ergibt aus seinem bewußt gewählten ä u ß e r e n Verhalten, zusammengefaßt mit den g e s a m t e n äußeren U m s t ä n d e n des Einzelfalls, namentlich den Vorverhandlungen. Z i e l d e r A u s l e g u n g ist n i c h t , den wahren i n n e r e n Willen zu erforschen, der n i c h t z u m A u s d r u c k g e k o m m e n ist. Gegenstand der Auslegung ist nur der ä u ß e r e T a t b e s t a n d der Willenserklärung. Auch 133, der die Erforschung des w i r k l i c h e n Willens vorschreibt und das Haften am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks verwirft, will keineswegs den i n n e r e n , gar nicht geäußerten Willen festgestellt wissen, sonder den ,,w i r k l i c h e r k l ä r t e n " Willen, er wendet sich gegen die Buchstabenauslegung und verlangt die S i n n d e u t u n g unter Berücksichtigung aller Umstände des besonderen Falles (RG. 63 128; 67 433; 119 25; 126 125). Daß der i n n e r e , nicht geäußerte Wille nicht das Ziel der Auslegung sein kann, lehrt das Verhältnis, in dem Auslegung und Anfechtung zueinander stehen. Könnte man dem inneren Willen schon durch Auslegung Wirksamkeit verschaffen, so wäre kein Raum mehr für die A n f e c h t u n g ; aber gerade deren Aufgabe ist es, die Erklärung deswegen zu Fall zu bringen, weil der entsprechende innere Wille fehlt (119); sie setzt also voraus, daß sonst der innere Wille nicht beachtet werden kann Davon wird man allerdings eine Ausnahme machen dürfen für den Fall der falsa demonstratio bei Verträgen, wenn beide Parteien dasselbe wollen, ohne es zu erklären (vgl. § 30 VI 4a am Ende).

3. Verschieden ist der K r e i s d e r U m s t ä n d e , legung zu b e r ü c k s i c h t i g e n sind.

die bei der Aus-

a) Bei der empfangsbedürftigen, an einen bestimmten Empfänger gerichteten Willenserklärung können zur Auslegung benutzt werden n u r die dem E m p f ä n g e r e r k e n n b a r e n Umstände (RG. 101 247); denn die Erklärung wird erst wirksam, w e n n sie dem Empfänger zugeht; sie kann also folgerichtig auch nur so wirksam werden, w i e sie ihm zugebt. Daher kann eine Erklärung, die an mehrere Empfänger gerichtet ist, für jeden eine verschiedene Bedeutung haben. L e o n h a r d (ZivArch. 120, 69 B.) will nur die d u r c h die Erklärung geäußerten Umstände beachtet wisen, oder wie er später besser fonnelt: Die beim Geschäftsabschluß und den dazu gehörigen Vorverhandlungen hervorgetretenen Umstände. Niemand hat aber wohl bisher daran gedacht, Umstände, die keine Beziehung zum Geschäftsabschluß haben, aber bei sorgfältigem Verhalten h ä t t e n erkannt worden k ö n n e n , als Auslegungsstoff zu verwerten. „Erkennbar" sind nur Umstände, die bei gebotener Sorgfalt hätten erkannt werden m ü s s e n . Außerhalb der Verhandlungen kann man aber — wie euch Leonhard (a. a. O. 71) richtig bemerkt — nicht die gleiche Sorgfalt verlangen. Sollen Umstände, die bei anderen Geschäftsabschlüssen zwischen denselben Parteien von Bedeutung waren, nicht herangezogen werden dürfen? Zu eng ist die Formel L e o n h a r d s auch für den Fall, wo beide Parteien etwas übereinstimmend wollen, ohne das in ihrer Erklärung zum entsprechenden Ausdruck zu bringen, Fall der falsa demonstratio. Hier gilt das wirklich Gewollte (RG. 99 147), während Leonhard den objektiven Sinn für maßgebend erklärt und nur Anfechtung zuläßt (a. a. O. 105).

9 30 VI.

Auslegung der Rechtsgeschäfte.

157

b) Bei den an einen größeren Personenkreis (das Publikum) gerichteten Erklärungen, wie der Auslobung oder Kundgebung einer Vollmacht durch öffentliche Bekanntmachung (657, 171), dürfen nur die d i e s e m P e r s o n e n k r e i s e r k e n n b a r e n Umstände herangezogen werden. c) Bei den übrigen, n i c h t empfangsbedürftigen Erklärungen, zumal testamentarischen Verfügungen, dürfen alle möglichen Umstände, sonstige Äußerungen des Erklärenden, Gewohnheiten usw. berücksichtigt werden, wenn im Verhalten des Erklärenden zusammen mit diesen Umständen eine wenn auch u n v o l l k o m m e n e Ä u ß e r u n g des fraglichen Willensinhalts gefunden werden kann — denn hier entfällt die Rücksicht auf die Verkehrssicherheit, die in den anderen Fällen zur Einschränkung führt. Auch hier darf aber keine r e i n s u b j e k t i v e Auslegung getrieben werden, weil sonst eine Testamentsanfechtung wegen Inhaltsirrtums (§ 2078) ganz undenkbar wäre

4. Auf Grund dieses Auslegungsstoffes geschieht die Sinndeutung folgendermaßen: a) Bei den empfangsbedürftigen Erklärungen. Soweit sich der Erklärende durch v e r k e h r s ü b l i c h e Zeichen (Worte, Gebärden usw.) erklärt hat, ist die Bedeutung maßgebend, die einem d e r a r t i g e n Verhalten unter s o l c h e n Umständen nach der V e r k e h r s s i t t e innewohnt, also die Bedeutung, die ein verständiger Durchschnittsmensch solchem Verhalten beilegen muß (157). Bei der Würdigung des Verhaltens darf der Deuter nicht am Wortlaut der Erklärung kleben. Er muß das Verhalten beurteilen nach Treu und Glauben, indem er dabei alle dem Empfänger e r k e n n b a r e n Umstände des besonderen Falles berücksichtigt (133, 157). RG. 86 88: „Daß eine Partei ihre Erklärung in dem Sinne gegen sich gelten lassen muß, wie sie die G e g e n p a r t e i nach Treu und Glauben auffassen mußte, ist nicht zu bezweifeln." Vgl. auch RG. 126 69. Nach der herrschenden Meinung ist die V e r k e h r s s i t t e nicht bloß E r k e n n t n i s m i t t e l für den Willen, sondern bestimmt den I n h a l t der E r k 1 ä r u n g und ist daher auch dann maßgebend, wenn die Parteien sie nicht gekannt oder gewollt haben. Doch bleibt dem, der sieb irrte, die Möglichkeit der Anfechtung nach § 119 offen. Welcher Ort für die Anwendung der Verkehrssitte maßgebend sein soll, ist sehr bestritten. Nach den einen der Ort des Vertragsschlusses, nach anderen der Sprachgebrauch am Wohnort des Antragstellers oder des Empfängers usw. Leonhard (ZivArch. 120, 59 ff.) tritt jetzt für die Maßgeblichkeit des S c h u 1 d o r t e s ein {§ 269 BGB.). Die große Tragweite macht am besten klar das bekannte Beispiel, nach dem ein Däne in Berlin ein dort befindliches Pferd einem Tschechoslowaken für 1000 Kronen * verkauft, wobei jeder die Währung seines Landes meint. Entscheidend muß sein der S t a n d p u n k t des Erklärungs e m p f ä n g e r s , und zwar aus der oben zu 3 a entwickelten Grundanschauung, die RG. 86 88 anerkennt. (So richtig H e i l e , AUg. T. S. 66 Anm. 8, wenn auch in den Schlußfolgerungen zum Teil abweichend.) Aber der Erklärungsempfänger muß sich fragen: was kann der Erklärende vernünftigerweise mit solchen Worten meinen? Und das führt regelmäßig zurück zur Maßgeblichkeit der Verkehrssitte, unter d e r e n H e r r s c h a f t der E r k l ä r e n d e steht. Das briefliche Kronenangebot des Dänen muß also der Prager Empfänger auf dänische Kronen beziehen. Wenn sich dagegen jemand persönlich in das Gebiet einer anderen Verkehrssitte begibt und einem Einheimischen Erklärungen abgibt, der die fremde Sitte nicht kennt, ist die dortige Verkehrssitte maßgebend (so richtig O e r t m a n n , Komm. 5. 32?). Das i n London gemachte Schillingsangebof des Österreichers an einen Engländer ist Im Zweifel im Sinne englischer Schillinge zu deuten.

§ 30 VI.

158

Falsa

demonstratio.

Ein S i n n , der von dem h e r k ö m m l i c h e n a b w e i c h t , ist nach der herrschenden Meinung nur dann zu beachten, wenn die Parteien eine besondere Bedeutung der Erklärungsmittel v e r e i n b a r t haben oder der Empfänger nach den Umständen e r k e n n e n m u ß t e , daß der Erklärende diesen besonderen Sinn mit der Erklärung verl^unden hatte (133). A bestellt drahtlich bei ß 100 Stück „Zigarren", was als Deckwoit für irgendwelche beschlagnahmten Lebensmittel dienen soll. — Ein Gasthofinhaber, der regelmäßig Meter für Mark sagt, beauftragt seinen Hausmeister, für eine abreisende Dame einen Strauß von einem „Meter" zu besorgen. Einen lebenswirklichen Fall enthält RG. 66 427 Kläger hatte für die Quadrat U t e eine bestimmte Provision in einem Antragschreiben gefordert, aber Quadrat f u ß gemeint, Beklagter hatte das erkannt und die Vorschläge des Klägers schriftlich „angenommen". Das RG. nimmt wirksame Einigung auf Quadrat f u ß an. L e o n h a r d (ZivArch. 120, 127 i.) hat sich gegen die herrschende Meinung gewandt und verlangt außer der K e n n t n i s des E m p f ä n g e r s von dem besonderen Sinn der Erklärung noch, daß er durch sein Schweigen arglistig eine Aufklärungspflicht verletzt habe; dann könne der Erklärende Berücksichtigung seines eigentlichen Willens als Schadenersatzleistung fordern. Das wäre aber im vorstehenden Fall anzunehmen. Doch dürfte diese Meinung zu einem unnötigen Umweg führen.

Wenn auch als Ziel der „ A u s l e g u n g " nur der w i r k l i c h e Wille, s o w e i t e r i r g e n d w i e e r k e n n b a r g e ä u ß e r t ist, in Betracht kommt, so dient doch die E r k l ä r u n g wiederum als M i t t e l zur Offenbarung der w i r k l i c h v e r f o l g t e n Geschäftsabsicht. Wird diese trotz falscher Bezeichnung dem Erklärungsempfänger richtig geoffenbart ist das Z i e l d e r E r k l ä r u n g e r r e i c h t . Die A u s l e g u n g des ihm gegenüber g e ä u ß e r t e n Willens ist u n n ö t i g , e r s t r e c h t die A n f e c h t u n g . Die r i c h t i g v e r s t a n d e n e E r k l ä r u n g g i l t i n d e m w i r k l i c h g e m e i n t e n Sinne. Die hier vorgenommene Modlung (Modifikation) der E r k l ä r u n g s t h e o r i e den D u a l i s m u s zwischen s u b j e k t i v e r A u s l e g u n g (Willensprinzip) der n o t w e n d i g e n V e r a n t w o r t l i c h k e i t des E r k l ä r e n d e n für o b j e k t i v e n E r k l ä r u n g s s i n n (Manigk und Larenz) befriedigend, ohne klaren Grundsatz preiszugeben, daß die A u s l e g u n g nur' S i n n d e u t u n g e r k l ä r t e n W i l l e n s ist. Damit erledigt sich auch das Problem der m e h r d e u t i g e n Erklärung (vgl. H e n 1 e , AlIg.T. 75ff.). Falls der Empfänger die Erklärung in ihrer wirklichen Bedeutung r i c h t i g verstanden und sich darauf e i n g e l a s s e n hat, so muß er sie in ihrem wahren Sinne gelten lassen RG. 93 299. In ambiguo sermone non utrumque dicimus. sed id dumtaxat, quod volumus (34, 5 D. 1. 3). Doch gilt das n i c h t , wenn der Eiklarungsgegner die Erklärung wegen ihrer Mehrdeutigkeit a b g e l e h n t hat; b l o ß e s S c h w e i g e n auf eine mehrdeutige Erklärung kann ferner niemals als zustimmende Einlassung auf einen bestimmten Sinn gedeutet werden. Das Gesetz hat übrigens für viele Fälle durch A u s l e g u n g s r e g e l n von zwei Möglichkeiten die eine oder andere bevorzugt, um dem Streit über die Bedeutung eines Verhaltens vorzubeugen (z. B. 154, 314, 672). löst und den den des

Damit ist auch das P r o b l e m der f a l s a d e m o n s t r a t i o , des Vergreifens in den E r k l ä r u n g s m i t t e l n , gelöst. Eine Anfechtung kommt nur in Betracht, wenn der Erklärungsempfänger den wahren Willen n i c h t e r k a n n t hat. Bei einer e i n s e i t i g e n , von ihm d u r c h s c h a u t e n f a l s c h e n B e z e i c h n u n g i s t das w i r k l i c h G e w o l l t e maßgebend. Bietet z. B jemand eine bestimmte Vermittlungsprovision für die Quadratrute an und meint Quadratfuß, dann kann ihn der Gegner der das durchschaut, am Quadratfuß festhalten; freilich muß er notfalls beweisen, daß der Antragende Quadratfuß gemeint bat, RG. 6t 427.

4 30 VI.

Falsa

demonstratio.

159

Bei ü b e r e i n s t i m m e n d e r falscher Bezeichnung in einem V e r t r a g ist das gemeinsam G e w o l l t e maßgebend (RG. 99 147). Verkauft war „Haakjöringsköd", das bedeutet in dei norwegischen Sprache Haifischfleisch, g e m e i n t war b e i d e r s e i t s Walfischfleisch; folglich war Walfischfleisch geschuldet und zu liefern. Für diese Behandlung laßt sich außer den obigen Darlegungen über die Funktion der Erklärung auch noch auf 117 II BGB. hinweisen. Wenn dort das wirklich Gewollte zu beachten ist, obwohl die Parteien b e w u ß t etwas von Ihrem gemeinsamen, wahren Willen A b w e i c h e n d e s e r k l ä r t haben, dann muß das wirklieb Gewollte um so mehr gelten, wenn sie unbewußt etwas Abweichendes erklärt haben. Vgl. B a n g , DogmJ. 66 309ff.

Regelmäßig wird es übrigens möglich sein, aus den V o r v e r h a n d l u n g e n und den sonstigen, d e m E r k l ä r u n g s e m p f ä n g e r erk e n n b a r e n U m s t ä n d e n , den fehlerhaften Ausdruck im Wege ^.er A u s l e g u n g zu verbessern In e r s t e r Linie ist das Problem des falsa demonstratio eine Frage r i c h t i g e r A u s l e g u n g , d. h. Sinndeutung des e r k l ä r t e n Willens; in zweiter Linie erst eine Frage der Berücksichtigung des w i r k l i c h e n Willens, weil die Fehlerklärung immerhin im besonderen Fall trotzdem ihre Aufgabe erfüllt hat, dem E r k l ä r u n g s g e g n e r den wahren Willen des Erklärenden zu offenbaren. Wenn das richtig ist, dann kommen aber auch für die f ö r m l i c h e n Geschäfte keine anderen Grundsätze in Betracht. Gewiß dürfen die außerhalb einer Urkunde liegenden Umstände n u r dann zur ,,A u s 1 e g u n g " herangezogen werden, wenn sie einen — wenn auch uoch so unvollkommenen — A u s d r u c k in der U r k u n d e gefunden haben (RG. 62 175 u. 382; 6? 214;, 71 115; 76 306; 80 401; 109 336 Aber die falsa demonstratio einzelner Vertragsbestandteile verhindert die Auerkennung 'des übereinstimmenden wahren Willens auch dann nicht wenn die Auslegung versagt, wenn also der wahre Wille überhaupt keinen Ausdruck in der Urkunde gefunden hat. Zur Erfüllung der Formschrift genügt, daß die Parteien alle wesentlichen Vereinbarungen. die sie treffen w o l l t e n , beurkunden lassen Wenn beim formfreien Geschäft die Willensübereinstimmung beachtet werden darf, auch wenn der wahre Wille dem andern Teil nicht erkennbar erklärt ist, so' liegt kein innerer Grund vor, davon beim förmlichen Geschäft eine Ausnahme zu machen Auf eine Erklärung des wahren Willens wird auch hier verzichtet weil die f o r m g e r e c h t e Fehl* erklärung ihn t a t s ä c h l i c h offenbart. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts bestätigt die Richtigkeit des Gesagten. In kaum einem der hier n Betracht kommenden Fälle der falsa demonstratio hat der wahre Wille auch nur den bescheidensten Ausdruck in der Urkunde gefunden. Namentlich die Entscheidung in 109 355 beweist, daß das Reichsgericht am Erfordernis des Ausdruckes des w a h r e n Willens in der U r k u n d e tatsächlich nicht mehr festhält. Selbstverständlich wird nicht geleugnet, daß bei der Grundstücksübereignung eine falsche Bezeichnung des aufgelassenen Grundstücks in der Auflassungsurkunde vorerst richtiggestellt werden muß, dies aber nur mit Rücksicht auf 28 GBO., der für die Eintragungsbewilligung die mit dem Grundbuch übereinstimmende Bezeichnung des Grundstücks vorschreibt. Falls sich der Verkäufer weigern sollte, eine solche richtige Bezeichnung des wirklich geme>nten Grundstücks vorzunehmen müßte er auf Grund des richtig ausgelegten Kaufvertrags auf Abgabe einer ordnungsmäßigen Eintragungsbewilligung verklagt werden oder auf Feststellung des durch die richtig verstandene Auflassung unter den Parteien entstandenen RechtsverhältnissesIst auf Grund der irrigen Auflassung die Eintragung bezüglich des talschen Grundstückes schon erfolgt, so hat der Veräußerer gegen den Erwerber einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs Außerdem muß natürlich die Eintragung des Erwerbers auf dem Grundbuchblatt des wirklich gemeinten Grundstücks erfolgen. —• Wenn sich Auflassung und Eintragung auf das ganze Grundstück bezogen, während nach dem Willen beider Parteien nur ein Teil übereignet werden sollte, gilt die Auflassung nur bezüglich des vom Willen der Parteien umfaßten Teils und ist in

160

$ 30 VI 5.

Ergänzende Auslegung der

Rechtsgeschäfte.

übrigen unwirksam, so daß die Sache mit einer Berichtigung hinsichtlich des überschießenden Teils in Ordnung gebracht werden kann (RG. 46 227, »0 340, 73 157).

b) Bei den e i n s e i t i g e n n i c h t empfangsbedürftigen Erklärungen, die sich an die Allgemeinheit wenden, kommt nur in Betracht, welche Bedeutung die A l l g e m e i n h e i t einem derartigen Verhalten beilegt. c) Bei den sonstigen n i c h t e m p f a n g s b e d ü r f t i g e n Erklärungen, zumal testamentarischen, ist der Sprachgebrauch des Erklärenden, e i n v o m h e r k ö m m l i c h e n a b w e i c h e n d e r Sinn, o h n e w e i t e r e s zu berücksichtigen; RG. J W . 1912, 3448. Immer aber muß der wirkliche innere Wille in der Erklärung einen wenn auch noch so unvollkommenen Ausdruck gefunden haben. Andernfalls ist nur durch Anfechtung zu helfen. Das RG. (70 391f.) grenzt beim Testament das Gebiet der falsa demonstratio gegenübel der Irr'.umsanfechtung nach 2Ü7I- dahin ab, daß die falsche Bezeichnung einer P e r s o n oder S a c h e n i c h t auf eftiem I r r t u m des Erblassers beruhen, sondern l e d i g l i c h eine eigenartige, vom V e r k e h r s ü b l i c h e n a b w e i c h e n d e sein dürfe Die Erblasserin hatte nur die Nachkommen ihrer vollbürtigen, nicht aber die der halbbürtigen Geschwister als Erben einsetzen wollen. Infolge falscher Rechtsbelehrung hatte sie in dem Glauben, die Halbbürtigen seien durch die Vollbüitigen ausgeschlossen, die „gesetzlichen Erben" eingesetzt; nach RG. konnte der gewollte Sinn nicht mehr in der Erklärung gefunden werden, also war nur durch Anfechtung zu helfen. Vgl. allerdings dagegen H i m m e l s c h e i n 30ff.

d) Z u s a t z. In allen Zweifelsfällen läßt sich ein zutreffendes Bild des Willensinhalts nur gewinnen, wenn zunächst die I n t e r e s s e n l a g e auf Grund der zu berücksichtigenden Umstände klargestellt und nunmehr erst gefragt wird, was mit einem derartigen Verhalten angesicht dieser Umstände vernünftigerweise b e z w e c k t sein kann. Denn die Verschiedenheit der Rechtsgeschäfte führt auf eine Verschiedenheit der wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnisse zurück, und diese Bedürfnisse entspringen wieder gewissen, meist regelmäßig wiederkehrenden wirtschaftlichen Lagen. Diese wirtschaftliche Lage der Parteien und ihre Bedürfnisse sind festzustellen. Sie ergeben die Richtung, in der sich ihre Bedürfnisse am zweckmäßigsten befriedigen lassen. Es ist davon auszugehen, daß die P a r t e i e n das R e c h t s g e s c h ä f t so abschließen wollen, daß e s d i e s e n B e d ü r f n i s s e n am b e s t e n g e r e c h t wird. Also wenn ein Gutspächter 500 Zentnei „prima Weizen" an eine Dampfmühle verkauft hat, ihn aber später nicht liefern kann, weil ein Brand seine ganze Ernte zufällig vernichtet hat, so ist zu fragen: Was bezweckte der Pächter? Den auf s e i n e m Gut g e w a c h s e n e n Weizen zu verkaufen oder einen Gattungskauf über Lieferung i r g e n d w e l c h e r 500 Zentner abzuschließen? Wenn er nicht gleichzeitig Handelsgeschäfte in Getreide macht, hatte er offenbar n u r das Bedürfnis, seine Ernte lohnend abzustoßen Die ganze Wirtschaftslage des Erzeugers spricht gegen die Absicht, sich zur Lieferung irgendwelcher 500 Zentner Weizen zu verpflichten. Damit mußte die Mühle rechnen, und ©ie ist auch vernünftigerweise davon beim Vertragsscbluß ausgegangen. Folglich liegt kein unbegrenzter, sondern ein begrenzter Gattungskauf vor. Der Pächter ist durch Unmöglichkeit ersatzlos frei geworden (279, 275). — Den umgekehrten Fall, wo die Fabrik, in der der K ä u f e r die Ware v e r a r b e i t e n wollte, abbrannte, behandelt RG. 125 236 und v e r n e i n t die A b n a h m e p f l i c h t .

5. E r g ä n z e n d e A u s l e g u n g . Das E r g e b n i s einer solchen S i n n d e u t u h g kann führen zur A u f k l ä r u n g eines zweideutigen Wortlauts der Erklärung, oder zu seiner R i c h t i g s t e l l u n g im Sinne einer Erweiterung oder Einengung — ganz wie bei der Gesetzesauslegung.

$ 30 VI 5. Ergänzende Auslegung der Rechtsgesch&fte.

161

Durch die A u s l e g u n g im eigentlichen Sinne kann aber immer nur der w i r k l i c h g e ä u ß e r t e P a r t e i w i l l e festgestellt werden. Damit sind die A u f g a b e n d e s Richters noch nicht erschöpft. Denn die Parteien denken w i r t s c h a f t l i c h und legen in dei Regel nur den w i r t s c h a f t l i c h e n E r f o l g , den sie erstreben, näher fest; um seine nähere r e c h t l i c h e A u s g e s t a l t u n g kümmern sie sich oft nicht — und selbst wenn sie einzelne Punkte genauer regeln, so können sie doch nicht an alle Umstände denken, die für die Gestaltung ihrer Beziehungen von Bedeutung werden mögen. Der Streit entsteht später meist über solche nicht besonders geregelte Fragen. a) Der Richter hat hier zunächst zu prüfen, ob sich eine angemess&ne Regelung gewinnen läßt dadurch, daß er den Vertrag unter eine g e s e t z l i c h a u s g e p r ä g t e Grundform und deren e r g ä n z e n d e Rechtssätze unterbringt. Wenn mehrere Grundformen in Betracht kommen, ist die Unterordnung nach Prüfung der Interessenlage so vorzunehmen, daß d a s Ergebnis dieser möglichst gerecht wird. Der gewerbliche Arbeitsvertrag ist z. B. grundsätzlich als D i e n s t vertrag anzusehen, selbst wenn Akkordlohn gezahlt wird, weil die Anwendung der Dienstvertragsregeln zu einem befriedigenden Ergebnis führt.

b) Aber auch die ergänzenden Rechtssätze geben nicht auf alle Fragen Antwort, häufig werden Dinge streitig, die weder von den Parteien bedacht noch vom Gesetz geordnet worden sind — der ergänzende Rechtssatz kann endlich auch eine unzweckmäßige Regelung des Geschäfts enthalten. H i e r h a t d e r R i c h t e r z u r s i n n g e m ä ß e n Ergänz u n g d e s P a r t e i w i l l e n s bzw. d e s V e r t r a g s f o r t z u s c h r e i t e n. Zu dem Z w e c k e hat er die I n t e r e s s e n l a g e klarzustellen und dann zu fragen: wie würden die Parteien vom Standpunkt ihrer entgegengesetzten Interessen a u s diesen Punkt vernünftiger- und billigerweise geregelt haben, wenn sie an ihn gedacht hätten? Die dementsprechende Ordnung ihrer Beziehungen, die g e g e b e n e n f a l l s an Stelle eines ergänzenden nachgiebigen Rechtssatzes zu treten hat, ist in Wahrheit keine A u s l e g u n g mehr, wird aber gemeinhin noch unter den Begriff der A u s l e g u n g gebracht. Die Zulässigkeit dieses E r g ä n z u n g s v e r f a h r e n s wird nach der herrschenden Ansicht gleichfalls durch 157 anerkannt. Zu beachten ist, daß die Ergänzung L ü c k e n a u s f ü l l u n g ist, also nicht zu einer E r w e i t e r u n g d e s V e r t r a g s g e g e n s t a n d e s selbst führen darf (RG. 87 211) noch auch zur A b ä n d e r u n g des e r k l ä r t e n Vertragswillens (RG.Warn. 1916 Nr. 157). Sie ist nur i n n e r h a l b des R a h m e n s des V e r t r a g e s zulässig und muß nach den R i c h t l i n i e n d e s i m V e r t r a g s o n s t a u s g e d r ü c k t e n P a r t e i w i l l e n s gefunden werden, entsprechend den Grundsätzen v o n Treu und Glauben (RG. 87 211; 92 320 und 421; 136 185; 160 187. Obwohl d a s G e s e t z seinem W o r t l a u t nach das Anwendungsgebiet des 157 auf V e r t r ä g e beschränkt hat, ist seine M a ß g e b l i c h k e i t auch ü b e r d a s V e r t r a g s r e c h t h i n a u s anzuerkennen. Zwar ha£ L e h m a n n , Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil. 5. Aufl.

11

162

§ 30 VII.

Richterliche

Vertragsgestaltung.

das RG. (82 153) angenommen, bei einer einseitigen letztwilligen Verfügung komme 157 für die Auslegung „ n i c h t u n m i t t e l b a r in Betracht", aber es hat gleichzeitig betont, daß die fragliche Gesetzesvorschrift „über Ihr eigentliches Anwendungsgebiet hinaus dem Richter objektive Anhaltspunkte allgemeiner Art für die Auslegung an die Hand gibt". In der Tat wird man die Auslegung nach Treu und Glauben im Hinblick auf die Gepflogenheit des redlichen Verkehrs nicht zu einem Privileg des Vertragsrechtes machen dürfeni 157 proklamiert genau so gut einen a l l g e m e i n e n G r u n d s a t z wie 133, gilt auch für die Deutung der Auslobung, für die eines Vertragsantrags, für die Behandlung des Schweigens gegenüber einem solchen Antrag, also für die Frage, ob ein Vertrag überhaupt zustande gekommen ist usw. (vgl. RGR.Komm. § 157 Anm. 2 und RG. 93 299). Beispiele: Der V e r m i e t e r läßt d e n M i e t v e r t r a g a u c h v o n d e r E h e f r a u u n t e r s c h r e i b e n . Regelmäßig v e r f o l g t er damit nur den Zweck, d a s ihr g e h ö r i g e Mobiliar d e m V e r m i e t e r p f a n d r e c h t mit zu u n t e r w e r f e n . Das f ü h r t zu d e r e r g ä n z e n d e n Ausl e g u n g , daß das M i e t v e r h ä l t n i s der Frau v o n dem Bestand und der Dauer des M i e t v e r h ä l t n i s s e s des M a n n e s a b h ä n g i g sein soll. W i c h t i g für d a s K ü n d i g u n g s r e c h t im Falle des 570 (OLG. 17 6). — Ergänzung eines M i e t v e r t r a g s oder K a u f v e r t r a g s ü b e r ein k a u f m ä n n i s c h e s G e s c h ä f t durch ein W e t t b e w e r b s v e r b o t d e s Verm i e t e r s o d e r V e r k ä u f e r s (OLG. 28 142; RG. 117 176; 119 353; 131 274). A n n a h m e e i n e s V e r t r a g s z u g u n s t e n D r i t t e r (RG. 98 213; 119 239; 127 222). G u t e Beispiele für s o l c h e e r g ä n z e n d e A u s l e g u n g b i e t e t auch d i e R e c h t s p r e c h u n g zur C l a u s u l a r e b u s sie s t a n t i b u s und zur A u f w e r t u n g . Siehe § 8 III 6 d i e s e s B u c h e s .

VII. R i c h t e r l i c h e

Vertragsgestaltung.

W i e a c k e r , ArchöffR. 29 1938) l f . ; D i k o f f , F e s t s c h r . für H e d e m a n n (1938) 179f.; S c h l e g e l b e r g e r , Festschr. für Bumke (1939) lff.i Bötticher, DRWiss. 1942, 125.

Der Vertrags e r g ä n z u n g nach § 157 sind gewisse Grenzen gezogen, sie kann nach der Rechtsprechung nie zur E r w e i t e r u n g des Vertragsgegenstandes (RG. 87 213) oder zur A b ä n d e r u n g oder E i n s c h r ä n k u n g des e r k l ä r t e n V e r t r a g s w i l l e n s führen (RG. 129 88). Die Notzeiten des Kriegs und der Nachkriegszeit haben aber die Erkenntnis gebracht, daß damit allein nicht in allen Fällen ein gerechtes und billiges Ergebnis zu erzielen ist. Vielfach läßt sich ein solches nur durch eine E r w e i t e r u n g der r i c h t e r l i c h e n B e f u g n i s s e gewinnen, indem man dem Richter gestattet, unzumutbar gewordene Verpflichtungen abzuändern oder ganz aufzuheben, durch andere Verpflichtungen zu ersetzen, kurz, die vertraglichen Beziehungen r e c h t s g e s t a l t e n d so n e u z u o r d n e n , daß eine billige und gerechte, r e i b u n g s l o s e A b w i c k l u n g der eingegangenen Verpflichtungen ermöglicht wird. 1. Die ersten A n s ä t z e zu dieser E r k e n n t n i s b r a c h t e die R e c h t s p r e c h u n g In A u f W e r t u n g s s a c h e n und zur c l a u s u l a rebus sie stantibus, vgl. RG. 100 129; 107 78. Die R e c h t s p r e c h u n g s t e l l t e den G r u n d s a t z auf, d a ß d e r W e g f a l l d e r G e s c h ä f t s g r u n d l a g e d e n b e l a s t e t e n Teil nicht o h n e w e i t e r e s von seiner Leistungspflicht befreie, s o n d e r n d a ß z u n ä c h s t g e p r ü f t w e r d e n müsse, ob der M a n g e l nicht heilbar sei, e t w a durch E r h ö h u n g der G e g e n l e i s t u n g o d e r E r m ä ß i g u n g der G e g e n f o r d e r u n g . Hier w u r d e die G r e n z e zwischen bloßer E r g ä n z u n g von Vertra,gslücken und einer V e r t r a g s ä n d e r u n g b e r e i t s ü b e r s c h r i t t e n . W e n n der Richter die Leistung e r h ö h t o d e r m i n d e r t , so g e s t a l t e t er die Parteib e z i e h u n g e n u m a u s dem G r u n d g e d a n k e n v o n T r e u und G l a u b e n h e r a u s .

5 30 VIII.

Mißverständnis.

163

2.

S p ä t e r s a h d a s s o g e n . S c b u l d e n b e r e i n j g u n g s g e s e t z v o m 17. 8. 1938/3. 9. 1940 die r i c h t e r l i c h e R e g e l u n g d e r vor dem 1. 1. 1934 e n t s t a n d e n e n S c h u l d e n g e w i s s e r Schuldner v o r . 3. U n t e r d e m 30. 11. 1939 e r g i n g d a n n die s o g e n . V e r t r a g s h i l f e V O . , d i e dem Richter der f r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t die Möglichkeit gibt, z u g u n s t e n gew'isser durch d e n Krieg b e s o n d e r s b e t r o f f e n e r S c h u l d n e r (Inhaber von G e w e r b e b e t r i e b e n , Schuldner a u s g e r ä u m t e n G e b i e t s t e i l e n und seit VO. vom 14. 8. 1943 auch A n g e h ö r i g e n f r e i e r Berufe) V e r t r a g s h i l f e zu leisten, i n d e m er g e g e n s e i t i g e V e r t r ä g e , die noch v o n k e i n e r Seite völlig erfüllt sind, a u f h e b t , evtl. unter A u f e r l e g u n g e i n e r a n g e m e s s e n e n Ents c h ä d i g u n g z u g u n s t e n des b e t r o f f e n e n Teils, f e r n e r i n d e m er d i e Fälligkeit von Zahl u n g s v e r p f l i c h t u n g e n durch Bewilligung v o n T e i l z a h l u n g e n oder S t u n d u n g n e u regelt und indem er u n t e r U m s t ä n d e n d a s V e r f a h r e n auf a n d e r e g l e i c h a r t i g e G l ä u b i g e r , d i e sonst b e n a c h t e i l i g t würden, a u s d e h n t . Der Richter hat ferner das Recht, G e s c h ä f t s r a u m mieten h e r a b z u s e t z e n o d e r s o l c h e M i e t v e r t r ä g e a u f z u l ö s e n s o w i e R e c h t s n a c b t e i l e a n z u h e b e n , die d u r c h L e i s t u n g s s t ö r u n g e n des S c h u l d n e r s e n t s t a n d e n sind. Er soll a b e r z u n ä c h s t e i n e g ü t l i c h e Einigung v e r s u c h e n und e r s t , w e n n d i e s e nicht z u s t a n d e kr mmt, eine rechts gestaltende Entscheidung treffen , 4. A u ß e r d e r A l l g e m e i n e n V e r t r a g s h i l f e V O . sind noch e i n e Reihe S o n 6 e r V e r o r d n u n g e n e r g a n g e n , nämlich VO. vom 1. 4. 40 b e t r . E n e r g i e w i r t s t h a f t s s a c h e n , V O . v o m 20. 4. 40 b e t r . A b w i c k l u n g von L i e f e r u n g s v e r t r a g e n , VO. vom 29 7. 40 b e t r . w i e d e r k e h r e n d e N a t u r a l l e i s t u n g e n . — W e i t e r gibt d i e R e i c b s p a c h t s c h u t z O r d n u n g vom 30. 7. 40 dem beim A m t s g e r i c h t g e b i l d e t e n Pachtamt d i e Befugnis, in Land-, Fischerei- und J a g d p a c h t v e r t r ä g e g e s t a l t e n d e i n z u g r e i f e n . 5. Für die b r i t i s c h e Z o n e ist die V e r t r a g s h i l f e V O . n o c h in Kraft. Für d i e a m e r i k a n i s c h e Zone ist ein n e u e s V e r t r a g s h i l f e G . vom 25. 4. 1946 e r l a s s e n w o r d e n . D a n a c h k a n n j e d e r r i c h t e r l i c h e V e r t r a g s h i l f e in A n s p r u c h n e h m e n , der in seiner w i r t s c h a f t l i c h e n L e i s t u n g s f ä h i g k e i t d a d u r c h w e s e n t l i c h b e e i n t r ä c h t i g t ist, daß er selbst, s e i n e S c h u l d n e r oder S c h u l d n e r - S c h u l d n e r von der ö f f e n t l i c h e n H a n d k e i n e Z a h l u n g e n e r l a n g e n k ö n n e n o d e r d a ß V e r m ö g e n s w e r t e a u s G r ü n d e n , d i e in den öffentlichen V e r h ä l t n i s s e n l i e g e n , v e r l o r e n g e h e n o d e r u n e i n b r i n g l i c h sind. Zum Schutz d e r durch Z a h l u n g s e i n s t e l l u n g der öffentlichen Hand b e t r o f f e n e n S c h u l d n e r e r g i n g f ü r die b r i t. Z. e i n e V O ü b e r d i e A u s s e t z u n g g e r i c h t l i c h e r V e r f a h r e n (Februar 46), d e r e n G e l t u n g s d a u e r zuletzt bis zum 31. 12. 48 v e r l ä n g e r t w o r d e n ist. Vgl. f ü r die s o w j . Z. d i e S t u n d u n g s V O . vom 4. 7. 45. Zu b e a c h t e n bleibt, d a ß die e i g e n t l i c h e V e r t r a g s h i l f e in allen Fällen zu 2—5 im V e r f a h r e n d e r f r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t e r f o l g t und n i c h t d u r c h d e n P r o z e ß r i c h t e r . Seine A n r u f u n g bleibt dem G l ä u b i g e r u n b e n o m m e n . Im Prozeß k a n n der S c h u l d n e r unbilligen A n f o r d e r u n g e n des G l ä u b i g e r s mit dem Einwand d e r unzulässigen R e c h t s a u s ü b u n g b e g e g n e n ; d a s P r o z e ß g e r i c h t muß d a n n p r ü f e n , w i e weit er u a c h § 242 zu e i n e r B e f r e i u n g von d e r L e i s t u n g s p f l i c h t o d e r i h r e r M i l d e r u n g g e l a n g e n k a n n .

VIII. M i ß v e r s t ä n d n i s . Ergibt die richtige Auslegung einen anderen Sinn der Erklärung, als ihr der Empfänger beigelegt hat, hat dieser sie also mißverstanden, so muß er die Folgen seines M i ß v e r s t ä n d n i s s e s tragen. Gibt er freilich auf Grund dieses Mißverständnisses eine Gegenerklärung ab, nimmt er z. B. das falsch gedeutete Vertragsangebot an, so kann er sein Mißverständnis dadurch zur Geltung bringen, daß er seine e i g e n e Erklärung wegen eines Irrtums über ihren Inhalt anficht (119 I). Einer Anfechtung bedarf es jedoch beim Vertrag nur, wenn er das Angebot des Gegners so, wie dieses zu verstehen ist, durch ein „Einverstanden" oder ähnliche Wendungen annimmt. Formelt er seine Annahmeerklärung selbständig, so daß er seine irrige Auffassung zum Bestandteil seiner Erklärung macht, kommt ein Vertrag gar nicht zustande, weil der äußere Tatbestand beider Erklärungen sich nicht deckt. A b i e t e t eine W o h n u n g zum 1. 3. a n . B. meint, s i e sei zum 1. 5. a n g e b o t e n . S c h r e i b t e r z u r ü c k : „Ich n e h m e Ihr A n g e b o t a n " , so ist d e r V e r t r a g g e s c h l o s s e n , B k a n n a b e r s e i n e A n n a h m e nach 119 a n f e c h t e n . Schreibt e r z u r ü c k : ,,Ich m i e t e zum 1. 5 . " , so ist ü b e r h a u p t k e i n V e r t r a g z u s t a n d e g e k o m m e n .

Von dem Mißverständnis des I n h a l t s der Erklärung muß unterschieden werden die f a l s c h e A u f n a h m e d e r Erklärungshandlung 11 •

164

$ 31. Form der Willenserklärung.

durch Verlesen oder Verhören. Der Z u g a n g d e r v e r k ö r p e r t e n (schriftlichen) Erklärung wird dadurch nicht verhindert! es ist also im vorstehenden Beispiel gleichgültig, ob das Mißverständnis des B auf falscher Deutung des brieflichen Angebots oder auf einem Verlesen beruht. Die n i c h t v e r k ö r p e r t e Erklärung empfängt man dagegen d u r c h V e r n e h m u n g (siehe § 32 II 3 und III dieses Buches). Folglich schließt ein Verhören des Anerklärten den Zugang aus, der Erklärende muß sich gegebenenfalls durch eine Frage vergewissern, ob er verstanden worden ist. Vgl. T i t z e, Lehre v. Mißverständnis, 1910; z. T. abw. S. 219; ders. HdwbRw. IV 86.

} 31

B. Form der Erklärung. L o e w e, Form der Rechtsgeschäfte, 1902; F r a n z , Die formbedürftigen Rechtsgeschäfte, 1907) R e i c h e l , ArchZivPr. 104, I B . ; D a n z, Auslegung (3) 167 ff.; T i t z e, Mißverständnis, 127 ff; S t e r n b e r g, RvgHdwb. III 454; Marwitz, HdwbRw. II 469; H e l d r l c h , ZivA. 147, 89 f.

I. B e g r i f f . Der Wille wird nur beachtet, wenn er g e ä u ß e r t ist. Insofern bedarf j e d e Willenserklärung i r g e n d e i n e r Form, d. h. eines Äußerungsmittels. Fraglich ist nur: Darf der Erklärende die Erklärungsmittel f r e i wählen? — dann sprechen wir von formlosen Geschäften — oder ist ihm ein b e s t i m m t e s Erklärungsmittel vorgeschrieben, ohne dessen Gebrauch der Wille nicht beachtet wird — dann sprechen wir von f ö r m l i c h e n ( f o r m e l l e n ) Geschäften. II. Z w e c k e der Form: 1. Schutz vor Übereilungen, 2. Schaffen eines klaren und vollständigen Willensausdrucks, 3. Trennen der Vorverhandlungen vom Geschäftsabschluß, 4. Sichern des Beweises, 5. Ermöglichung der Überwachung (z. B. § 1 KartellVO.). Die durch Gesetz vom 5. 5. 36 vorgeschriebene Urkundensteuer ist aufgehoben durch VO. vom 20. 8. 1941; die Wechselsteuer wird aber wieder erhoben.

III. G r u n d s ä t z l i c h e r S t a n d p u n k t des BGB. Während die ä l t e r e n Rechtsordnungen, das römische wie das deutsche Recht, dem F o r m z w a n g huldigen, herrscht im BGB. der G r u n d s a t z der F o r m f r e i h e i t . Er ist als solcher zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber m i t t e l b a r anerkannt dadurch, daß Formen als A u s n a h m e n besonders vorgeschrieben sind, sei es wegen des gefährlichen oder wichtigen Inhalts des Geschäfts (766, 518 BGB., 11, 21 TestG.), sei es wegen des Geschäftsgegenstandes (313, 566). Auf der anderen Seite haben es aber auch die Parteien kraft der Vertragsfreiheit in der Hand, für ein beabsichtigtes Rechtsgeschäft eine Form zu v e r e i n b a r e n , in gewissen Fällen solche auch durch ein e i n s e i t i g e s Rechtsgeschäft festzusetzen (gewillkürte Form). Es kann z. B. der Antragsteller in seinem Angebot eine Form für dessen Annahme vorschreiben, nicht aber kann der Vermieter einseitig seinem Mieter schriftliche Kündigung auferlegen (vgl. auch 793 II).

IV. A b g r e n z u n g d e r G e s c h ä f t s f o r m e n v o n a n d e r e n T a t b e s t a n d s e r f o r d e r n i s s e n . Die Formen des BGB. betreffen nicht den gesamten Tatbestand des Rechtsgeschäfts, sondern nur die E r k l ä r u n g . Die außer der Erklärung geforderten Tatbestandsstücke, wie Eintra-

§ 31. Form der Erklärung. — 8 31 V. 1. Schriftform.

165

gung ins Grundbuch, gerichtliche Bestätigung, Darlehnshingabe, Übergabe des Besitzes sind keine Formen der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung. V, Ü b e r s i c h t ü b e r d i e g e s e t z l i c h e n F o r m e n . Das Gesetz kennt fünf Formen, die allgemein geregelt sind: 1. D i e S c h r i f t f o r m . Heinr. L e h m a n n , Die Unterschrift i. Tatbest. d. schriftl. Willenserklärung, 1904; Josef, ArchZivPr. »4 465 ff.: 100 118 B. ; S i e g e l , ebenda i l l 7 £f.| V ° ß . SeuffBl. 7« 297.

a) Zur Erfüllung gehört eigenhändige Unterzeichnung der Urkunde durch den A u s s t e l l e r , und zwar durch N a m e n s Unterschrift oder gerichtlich oder notariell beglaubigtes Handzeichen (126). Die Schriftform ist also eigentlich nur U n t e r schriftsform — Leer-(Blankett)-Unterschrit ist zulässig; Schreibhilfe ausgeschlossen. Wird das Blankett abredewidrig ausgefüllt, Ist die Erklärung wegen Irrtums oder Betrugs anfechtbar.

Das RG. verlangt nicht unbedingt die Unterzeichnung mit dem b ü r g e r l i c h e n N a m e n , sondern begnügt sich mit einer Namensunterschrift, die zur I n d i v i d u a l i s i e r u n g des Unterzeichners g e n ü g t (RG. III vom 23. Juni 1914, SeuffA. 70 Nr. 87 S. 152). Dementsprechend wird man auch die Unterzeichnung mit einem a n g e n o m m e n e n Namen, P s e u d o n y m , für ausreichend erklären müssen, wenn dadurch die nötige Klarheit über die Person des Unterzeichners geschaffen wird. Vgl. über die Bedenken dagegen Heinr. L e h m a n n ,

Die Unterschrift, S. 56 ff.

Unterzeichnung durch einen V e r t r e t e r ist wirksam. Bei richtiger Auslegung (eigenhändig!) müßte er s e i n e n Namen mit einem Hinweis auf das Vertretungsverhältnis unterzeichnen. Das RG. (50, 51-, 74 69 [Plenarentscheidung]! 81 2) gestattet aber in langjähriger ständiger Rechtsprechung auch Unterzeichnung mit dem Namen des V e r t r e t e n e n , so daß man heute hier von einem G e w o h n h e i t s r e c h t reden kann, das unter der Flagge der Gesetzesauslegung entstanden ist. Da durch diese Rechtsprechung das Erfordernis der Unterzeichnung mit dem r i c h t i g e n N a m e n des A u s s t e l l e r s preisgegeben ist, wird man die Unterzeichnung mit dem einem a n d e r e n z u s t e h e n d e n Namen auch in den Fällen des A u f t r e t e n s u n t e r f r e m d e m Namen als zur W a h r u n g der S c h r i f t f o r m a u s r e i c h e n d a n e r k e n n e n m ü s s e n . Zur F o r m gültigkeit eines Wechsels genügt die Zeichnung mit einem m ö g l i c h e n Namen oder einer m ö g l i c h e n Firma. Der Fälscher einer Unterschrift oder der Falschvertreter, der nur den Namen des Vertretenen gezeichnet hat, haften selbst nicht wecbselmäßig, sondern aus unerlaubter Handlung bzw. aus analoger Anwendung des § 179, der wirkliche Namensträger kann durch Genehmigung des Begebungsvertrages Rechte und Pflichten aus dem Wechsel für sich begründen, RG. 145 91.

Bei einem V e r t r a g muß die Unterzeichnung durch die Parteien auf d e r s e l b e n U r k u n d e vor sich gehen. Nur bei mehreren Vertragsurkunden genügt es, wenn jeder Teil die für den anderen bestimmte Urkunde unterzeichnet (126 II). Brief- oder Drahtungswechsel genügen also nicht. Die nach 5 1 KartVO. für Kartellverträge vorgeschriebene Schriftform ist auch gewahrt, wenn ein Mitglied seine von dritter Stelle erfolgte Anmeldung der Mitgliedschaft im Briefwechsel genehmigt. Die Rechtspr. hat' die Schriftform des 5 1 v o n der des § 126 BGB. losgelöst; Entsch. d. KarteUG. 56 und 74; RG. 128, 7.

166

5 31 V 2. Öffentliche Beglaubigung.

b) Die Schriftform wird durch gerichtliche oder notarische Beurkundung ersetzt (126 III). c) H a u p t f ä l l e der Schriftform. Sie ist erforderlich: a) für den g a n z e n Miet- oder Pachtvertrag über Grundstücke, wenn er auf Ifinger als ein Jahr abgeschlossen wird (56b, 581) i 0) für folgende e i n s e i t i g e Erklärungen oder V e r t r a g s erklärungen des e i n e n Teils- 81 (Stiftungsgeschäft unter Lebenden), 766 (Bürgschaftsüberaahme), 780, 781 (abstraktes Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis) usw. v) Eine verschärfte Schriftform gilt für das eigenbändige Testament (21 TestG.).

2. Ö f f e n t l i c h e B e g l a u b i g u n g (129). a) Nötig ist s c h r i f t l i c h e E r k l ä r u n g und B e g l a u b i g u n g der U n t e r s c h r i f t . Zuständig sind die Notare, ferner die Amtsgerichte, wenn deren Zuständigkeit nicht durch die Landesgesetze ausgeschlossen ist, endlich andere Behörden oder Beamte (Gerichtsschreiber) nach den Bestimmungen der Landesgesetze (129, FrGG. 167 II, 191, 200). Bei Unterzeichnung durch H a n d z e i c h e n ist dieses zu beglaubigen. Das nähere Verfahren wird durch FrGG. 183 oder Landesrecht bestimmt. Sehr streitig ist, ob eine B l a n k e t t u n t e r s c h r i f t beglaublgungsfähig ist. Dagegen O e r t m a n n , Komm. z. Allg. T. (3) $ 129 Anm. 1; doch spricht dafür, daß die Beglaubigung sieb nicht auf den Inhalt der Erklärung, sondern nur auf die Unterschrift bezieht (H. L e h m a n n . Unterschrift 130 ff ).

b) Die öffentliche Beglaubigung kann stets durch gerichtliche oder notarielle Beurkundung ersetzt werden (129 II). c) Ha u p t f ä 11 e :

77, 1560 (Anmeldungen zum Vereins- und Güterrechtsregister) — namentlich E r k l ä r u n g e n , d i e g e g e n ü b e r e i n e r B e h ö r d e a n z u g e b e n sind, z. B. 55 EheG., 1706 (Wiederannahme und Erteilung des Namens), 1945 (Ausschlagung der Erbschaft). — In einer Reihe von Fällen k a n n der Gegner eine beglaubigte Urkunde verlangen (403, 412, 1154 I. 371 usw.).

3. G e r i c h t l i c h e o d e r n o t a r i e l l e * B e u r k u n d u n g . Die Vorschriften darüber sind in der Hauptsache im FrGG., nicht im BGB. enthalten. a) Nötig ist A b g a b e der Erklärung vor Gericht oder Notar oder A n e r k e n n u n g der vorher aufgesetzten, überreichten, schriftlichen Erklärung vor Gericht oder Notar u n d A u f n a h m e eines P r o t o k o l l s (FrGG. 175 ff.). Es g e n ü g t also die Beurkundung des E r k l ä r u n g s i n h a l t s . Bei Beurkundung von V e r t r ä g e n können die Parteien ihre Erklärungen vor der Urkundsperson einander gegenüber abgeben, dann wird nicht nur der Inhalt der Erklärungen, sondern auch ihre Abgabe beurkundet. Notwendig ist das aber nicht. Nach 128 genügt es, wenn zuerst der Antrag und später dessen Annahme beurkundet wird (d. h. also n u r d e r I n h a l t der Erklärungen), Hier kommt nach der weiteren Vorschrift des 152 der Vertrag mit der B e u r k u n d u n g der A n n a h m e zustande, ohne daß diese dem Antragsteller zugehen müßte. Dem Annehmenden muß selbstverständlich der Antrag zugegangen sein. b) H a u p t f ä l l e : 518 (Schenkungsversprechen), 313 (Grundstücksveräußerung), 2371 (Erbschaftskauf).

( 31 VII.

Rechtsfolgen der Formvernachlässigung.

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4. A b s c h l u ß v o r einer Behörde. Hier vollzieht sich die g a n z e E r r i c h t u n g des Geschäfts in g l e i c h z e i t i g e r Gegenwart a l l e r B e t e i l i g t e n v o r d e r B e h ö r d e , also auch die A b g a b e der Erklärungen. Diese Form Ist v o r g e s c h r i e b e n : f ü r die Eheschlieflung vor dem S t a n d e s a m t (11 EheG.). f ü r die A u f l a s s u n g vor dem G r u n d b u c h a m t (925). f e r n e r für den E h e v e r t r a g (1434), den A d o p t i o n s v e r t r a g (1750 II), d a s öffentliche T e s t a m e n t (§ 11 T e s t G . I), den Erbv e r t r a g (§ 30 Test.G.) u. a. vor G e r i c h t o d e r N o t a r . Zu p r ü f e n Ist, ob die B e u r k u n d u n g hier W i r k s a m k e i t s e r f o r d e r n i s Ist o d e r n u r Amtspflicht} so z. B. bei d e r A u f l a s s u n g (RG. 99, 67); a n d e r s beim öffentlichen T e s t a m e n t u. E r b v e r t r a g RG. 161. 378.

5. A b g a b e d e r E r k l ä r u n g g e g e n ü b e r d e m G e r i c h t . W o die Abgabe gegenüber dem Gericht vorgeschrieben ist (z. B. 1945 für die Erbschaftsausschlagung), muß die Erklärung regelmäßig öffentlich beglaubigt sein. VI. G e w i l l k ü r t e F o r m e n . 1. W e n n die Parteien die Wahrung einer bestimmten Form vorschreiben, so haben sie es in der Hand, deren Erfordernisse selber zu bestimmen. Im M i e t v e r t r a g kann z. B. Kündigung durch e i n g e s c h r i e b e n e n B r i e f v o r g e s c h r i e b e n sein. Da eine d e r a r t i g e A b r e d e aber lediglich G e w ä h r d a f ü r b i e t e n soll, daß dem G e g n e r die Kündigung zugehen werde, wird die Form d a d u r c h ersetzt, d a ß d e r G e g n e r von dem Inhalt der die Kündigung e n t h a l t e n d e n Klageschrift K e n n t n i s e r h ä l t , RG. 77 70 Vgl auch RAG Bensh IX, 45

2. Sie können auch Schriftlichkeit, öffentliche Beglaubigung, öffentliche Beurkundung vereinbaren. Im Z w e i f e l wird hier B e o b a c h t u n g der g e s e t z l i c h e n Form g e w o l l t sein. 3. Haben sie die schriftliche Form festgelegt, so soll nach 127 — falls nicht ein abweichender Wille anzunehmen ist — auch drahtliche Übermittlung und bei einem Vertrag Briefwechsel genügen. Die Briefe (nicht die Telegramme) müssen u n t e r z e i c h n e t sein. Im F a l l e der G e s a m t v e r t r e t u n g ( G e s a m t p r o k u r a ) g e n ü g t unter U m s t ä n d e n die U n t e r s c h r i f t e i n e s d e r m e h r e r e n V e r t r e t e r (so RG 106 268 in recht freier W ü r d i g u n g des F o r m e r f o r d e r nisses). Da/gegen b r a u c h e n die Briefe nicht g l e i c h l a u t e n d zu sein.

VII. R e c h t s f o l g e n d e r F o r m v e r n a c h l ä s s i g u n g . 1. Mangel der gesetzlichen Form hat N i c h t i g k e i t zur Folge, ebenso im Zweifel Mangel der gewillkürten (125). Das gilt nicht, s o w e i t das Gesetz e t w a s a n d e r e s bestimmt, w i e bei d e r mit „ s o l l " e i n g e f ü h r t e n F o r m v o r s c h r i f t des § 14 EheG (Eheschließung unter Zuziehung v o n 2 Z e u g e n ) . — W e n i g e r e i n s c h n e i d e n d wirkt der Mangel nach 566 ( M i e t v e r t r a g ü b e r ein G r u n d s t ü c k für l ä n g e r e Zeit als ein J a h r ) .

2. In einigen Fällen ist die Nichtigkeit eine e i n s t w e i l i g e (schwebende); der F o r m m a n g e l kann durch eine wirksame Erfüllungshandlung der formlos übernommenen Leistung geheilt werden (110, 313, 518, 766, 2301 II). vgl.

Zum Einfluß d e r H e i l u n g des F o r m m a n g e l s eines K a u f v e r t r a g s auf die B ü r g s c h a f t RG. 134, 243.

Der Versuch, diese Vorschriften zu einem a l l g e m e i n e n P r i n z i p auszuweiten, daß die freiwillige Erfüllung stets eine den Formmangel heilende Kraft habe, hat wenig Anhänger gefunden. Die herrschende An-

168

$ 31 V I I 4.

A r g l i s t i g e B e r u f u n g auf

sieht zieht aus den obengenannten kehrschluß.

Formmängel.

S o n d e r Vorschriften

einen U m -

Eher läßt sich die Lehre R e i c h e l s (ArchZPr. 104 33ff.) h a l t e n . daB die v o l l e b e i d e r s e i t i g e E r f ü l l u n g eines f o r m n i c h t i g e n V e r p f l i c h t u n g s g e s c h ä f t s den F o r m m a n g e l h e i l e . Dafür auch S i b e r , D o g m J . 70 242; O e r t m a n n , Allg. T. $ 125 Anm. 4a. Die o b e n g e n a n n t e n Fälle k ö n n t e n d a n n im Sinne eines arg. a m a i o r e ad m i n u s v e r w a n d t w e r d e n , weil in ihnen s c h o n eine T e i l e r f ü l l u n g h e i l e n d e Kraft hat; w i e v i e l mehr muß eine s o l c h e d e r T o t a l e r f ü l l u n g z u k o m m e n . Vgl. a b e r auch d i e B e d e n k e n bei E n n e c c e r u s N i p p e r d e Y (§ 145 Anm. 12) f ü r d e n Fall der U n k e n n t n i s d e r Formnichtigkeit. U n b e f r i e d i g e n d e E r g e b n i s s e k a n n m a n bei K e n n t n i s d e r F o r m n i c h t i g k e i t m i t 814 und 242 v e r m e i d e n . Die A n n a h m e d e r L e i s t u n g in K e n n t n i s d e r F o r m n i c h t i g k e i t s c h l i e ß t die h i n t e r h e r i g e G e l t e n d m a c h u n g der N i c h t i g k e i t a u s ( v e n i r e c o n t r a f a c t u m proprium).

3. Die g e s e t z l i c h e n Formvorschriften erstrecken sich auf a l l e Vertragsbestimmungen, die die Parteien haben treffen wollen. Fehlt bei einer Bestimmung die Form, so ist nach 139 im Zweifel das ganze Geschäft nichtig. Die d e r Form e n t b e h r e n d e Bestimmung ist s e l b s t v e r s t ä n d l i c h nichtig. Das zieht a b e r n u r d a n n die Nichtigkeit des g a n z e n G e s c h ä f t s n a c h sich, w e n n e s sich um e i n e w e s e n t l i c h e Bestimmung h a n d e l t . W e n n n u n -auch im Zweifel alle Bes t i m m u n g e n eines V e r t r a g s nach d e r P a r t e i a b s i c h t als ein z u s a m m e n g e h ö r i g e s einh e i t l i c h e s G a n z e s zu b e t r a c h t e n sind (RG. 72 218), so zeigt die R e c h t s p r e c h u n g doch die N e i g u n g , einmal a b g e s c h l o s s e n e G e s c h ä f t e n a c h M ö g l i c h k e i t zu e r h a l t e n . Das ist zu billigen (RG. 86 323 , 87 7, RG. W a r n e y e r 1919. N r . 155).

Wo die Parteien die g e w i l l k ü r t e F o r m als G ü l t i g k e i t s erfordernis vereinbart haben, gilt dasselbe, falls nicht ausnahmsweise anzunehmen ist, daß sich die Form auf eine 'Nebenbestimmung nicht hat erstrecken sollen. Z u n ä c h s t ist zu b e a c h t e n , d a ß die g e w i l l k ü r t e Form v i e l f a c h n u r d e n B e w e i s z w e c k v e r f o l g t — so im Zweifel, w e n n d i e Parteien die Form e r s t n a c h A b s c h l u ß des V e r t r a g e s v e r e i n b a r t h a b e n (RG. 94 333); s o d a n n s t e h t d e n P a r t e i e n , auf d e r e n W i l l e n d e r F o r m z w a n g beruht, natürlich auch frei, e i n e m ü n d l i c h e N e b e n a b r e d e vom F o r m z w a n g zu b e f r e i e n — das k a n n n a m e n t l i c h als g e s c h e h e n a n g e n o m m e n w e r d e n , w e n n n a c h g e w i e s e n wird, d a ß e i n e m ü n d l i c h e A b r e d e a n S t e l l e des B e u r k u n d e t e n t r e t e n sollte. Ebenso ist d e n k b a r , d a ß die P a r t e i e n h i n t e r h e r auf d i e W a h r u n g d e r v e r e i n b a r t e n Form f ü r d e n G e s c h ä f t s a b s c h l u ß ü b e r h a u p t v e r z i c h t e n . Ein s o l c h e r V e r z i c h t k a n n u. U. a u c h s t i l l s c h w e i g e n d erfolgen, z. B. durch f o r m l o s e n A b s c h l u ß in K e n n t n i s d e r F o r m b e r e d u n g u n d E r f ü l l u n g der ü b e r n o m m e n e n V e r p f l i c h t u n g e n . Stets muß a b e r der W i l l e , d a ß die f o r m l o s e A b r e d e g e l t e n soll, klar e r h e l l e n ; vgl. BayObLZ. 4 473; RG. 52 26; «8 15.

4. Viel erörtert ist in den letzten Jahren die Frage, ob und inwieweit die B e r u f u n g auf einen F o r m m a n g e l einen V e r s t o ß gegen T r e u und G l a u b e n bedeute und deshalb unzulässig sei. G r u n d s ä t z l i c h verstößt die Rüge des Formmangels jedenfalls n i c h t gegen Treu und Glauben, ebensowenig wie die Weigerung, einen formungültigen Vertrag nachträglich formgerecht zu beurkunden. Darin liegt ja nur eine Berufung auf die vom Gesetz selbst angeordnete Nichtigkeitsfolge. Das muß auch gelten, wenn beide Teile bewußt gegen die gesetzliche Formvorschrift verstoßen haben (RG. JW. 1926, 1810!). Es müssen also b e s o n d e r e U m s t ä n d e h i n z u t r e t e n , um die B e r u f u n g a u f d e n F o r m m a n g e l mit der E i n r e d e der A r g l i s t zurückschlagen zu können.

$ 31 VII

4. B e r u f u n g auf F o r m m ä n g e l . — VIII. M ü n d l .

Nebenabreden.

a) Hin V e r s t o ß g e g e n Treu und G l a u b e n liegt z u n ä c h s t d a n n vor, w e n n d e n a n d e r e n beim V e r t r a g s a b s c h l u ß b e w u ß t h i n t e r g a n g e n h a t . sei e r ihn vom A b s c h l u ß e i n e s f o r m g e r e c h t e n V e r t r a g s a b g e h a l t e n h a t oder den Abschluß eines formlosen Vertrages v o n v o r n h e r e i n i n d e r A e i n g e l a s s e n h a t , um s p ä t e r d i e N i c h t i g k e i t g e l t e n d z u m RG. J W 1913, 986"i RG. W a m . 1908, N r . 38; 1919, N r . 23.

169 ein Teil es. d a ß sich auf bsicht achen

b) A b e r a u c h dann, w e n n ein Teil beim V e r t r a g s a b s c h l u ß d e n a n d e r e n s c h u l d h a f t d u r c h sein V e r h a l t e n in d e n Irrtum versetzt oder In dem Irrtum e r h a l t e n h a t , d a ß d e r V e r t r a g a u c h formlos gültig sei — Fall d e r culpa in c o n t r a h e n d o . Hier e r g i b t sich d e r V e r s t o ß g e g e n Treu und G l a u b e n a u s dem in der Berufung auf d i e Formn i c h t i g k e i t l i e g e n d e n u n z u l ä s s i g e n W i d e r s p r u c h m i t dem e i g e n e n zu v e r t r e t e n d e n f r ü h e r e n V e r h a l t e n , v e n i r e v o n t r a f a c t u m p r o p r i u m . Vgl. RG. 96 315; 107 180 u. 357; 115 35; 117 121; 118 274. Fällt b e i d e n T e i l e n ein V e r s c h u l d e n zur Last, s t e h t d i e E i n r e d e n i c h t zu, v i e l m e h r k o m m t nur S c h a d e n s v e r t e i l u n g nach 254 in F r a g e ; RG. J W . 1932, 2152. c) Seit E n d e 1936 g e w ä h r t d a s RG. In fester Rspr. d e n E i n w a n d d e r A r g l i s t (der unzulässrgen R e c h t s a u s ü b u n g ) o h n e Rücksicht auf V e r s c h u l d e n o d e r V e r a n l a s s u n g hinsichtlich NichtWahrung d e r Form d u i c h den V e r t r a g s g e g n e r , w e n n n a c h d e n g e s a m t e n U m s t ä n d e n d i e Berufung auf die F o r m n i c h t i g k e i t g e g e n d a s a l l g e m e i n e R e c h t s e m p f i n d e n v e r s t o ß e n w ü r d e , vgl. RG. 153, 59; R G . J W . 38, 1023 u. 1721 Das ist i n s b e s o n d e r e d a n n a n z u n e h m e n , w e n n d e r e i n e Teil d i e V e r t r a g s v o r t e i l e l a n g e g e n o s s e n h a t und sich n u n der G e g e n l e i s t u n g e n t z i e h e n will, RG. 153, 59.

5. Schwierigkeiten bereitet die Begründung der E r f ü l l u n g s p f l i c h t . Man kann sie nur a u s d e m b i s h e r i g e n V e r h a l t e n dessen begründen, der sich auf die Nichtigkeit beruft; vgl. T a s c h e in IherJ. 90, 116 f. Wer den Formmangel verschuldet oder veranlaßt hat, wer die Vorteile des formnichtigen Geschäfts lange in Anspruch genommen hat, muß sich so behandeln lassen, wie wenn das Geschäft gültig abgeschlossen wäre. Er darf sich mit seinem eigenen früheren Verhalten nicht in einen unerträglichen Widerspruch setzen (venire contra factum proprium). VIII. V e r h ä l t n i s d e s f ö r m l i c h e n G e s c h ä f t s V o r v e r h a n d l u n g e n und N e b e n a b r e d e n .

zu

m ü n d l i c h e n

D e r s c h r i f t l i c h e — und erst recht der öffentlich b e u r k u n d e t e — V e r t r a g bat d i e tats ä c h l i c h e V e r m u t u n g f ü r sich, daß in ihm d e r e n d g ü l t i g e u n d m a ß g e b e n d e V e r t r a g s w i l l e n i e d e r g e l e g t ist ( V e r m u t u n g der V o l l s t ä n d i g k e i t und Richtigkeit, RG. 52 23; 65 46 ; 68 15; 77 405). W e g e n e i n e r A b w e i c h u n g vom mündlich V e r a b r e d e t e n k a n n , also d e r s c h r i f t l i c h e V e r t r a g nur unter d e m G e s i c h t s p u n k t a n g e f o c h t e n w e r d e n , d a ß d i e P a r t e i bei seiner U n t e r z e i c h n u n g im Irrtum g e h a n d e l t h a b e . U n b e a c h t l i c h a b e r ist, w e n n sich j e m a n d darauf b e r u f t , er h a b e u n t e r z e i c h n e t in b e w u ß t e r U n k e n n t n i s d e s I n h a l t s ( o h n e v o r h e r i g e s Lesen); er ist d a n n e b e n mit j e d e m Inhalt e i n v e r s t a n d e n g e w e s e n (RG. 62 205 ; 77 309); a n d e r s , w e n n d e r E r k l ä r e n d e in d e r M e i n u n g u n t e r z e i c h n e t h a t , d a ß e r d e n I n h a l t k e n n e oder d i e U r k u n d e e i n e b e s t i m m t e Klause] e n t h a l t e o d e r nicht enthalte. Die V e r m u t u n g d e r V o l l s t ä n d i g k e i t s t e h t a u c h e n t g e g e n d e r B e h a u p t u n g , d i e U r k u n d e e n t h a l t e den V e r t r a g s i n h a l t n i c h t vollständig, weil d a n e b e n n o c h eine m ü n d l i c h e N e b e n a b r e d e getroffen sei. W e r sich auf d i e s e b e r u f t , muß Ihre V e r e i n b a r u n g b e w e i s e n und a u ß e r d e m noch, d a ß d i e m ü n d l i c h e N e b e n a b r e d e n e b e n dem b e u r k u n d e t e n V e r t r a g ü b e r h a u p t hat G e l t u n g h a b e n und e i n e n Bestandteil d e s V e r t r a g e s hat bilden sollen (RG. 102 64). Gelingt dieser N a c h w e i s , so greift bei gesetzlicher F o r m s c h r i f t 139 ein, bei V e r t r ä g e n a u ß e r d e m 154 u. 155; g e l i n g t d e r N a c h w e i s nicht, so k a n n die e t w a i g e N e b e n a b r e d e a l l e n f a l l s für die A u s l e g u n g B e d e u t u n g h a b e n , RG. 50 217 ff I 62 49; 80 403; 80 372; ( R G . 59 217/19: L h a t t e e i n e U r k u n d e a u s g e s t e l l t , tn d e r er b e k a n n t e , am 4. Juli 1900 v o m Kläger als Darlehn 6000 Mark e r h a l t e n zu h a b e n , d e r B e k l a g t e h a t t e e i n e d a r u n t e r s t e h e n d e E r k l ä r u n g u n t e r s c h r i e b e n : er v e r b ü r g e sich f ü r d i e s e „D a r 1 e h n s s c h u 1 d " als samtverbin'dlicher S e l b s t s c h u l d n e r . A u s d e n U m s t ä n d e n ging hervor, d a ß L g a r kein Darlehn a n d i e s e m T a g vom Klager e r h a l t e n h a t t e d a ß der w a h r e I n h a lt d e r A b m a c h u n g d e r g e w e s e n war, d a ß d e r K l ä g e r a n L 'oder auf d e s s e n A n w e i s u n g a n d e s s e n B a u h a n d w e r k e r d i e s e Summe s p ä t e r z a h l e n sollte; d a s B ü r g s c h a f t s v e r s p r e c h e n w u r d e f ü r gültig e r k l a r t ) .

170

S 32.

Vollendung und Empfang der Erklärung.

Bei g e w i l l k ü r t e r Form tritt dieselbe Behandlung ein, doch Ist vorher zo prüfen, ob die F o r m v e r e i n b a r u n g sich a u f die N e b e n a b r e d e hat erstrecken sollen oder nicht; dafür hat der Behauptende die Beweislast (RG. 52 231 65 46, 68 15). Bei Formvorschriften für die Erklärung nur e i n e s Teils, z. B. Bürgschaftserklärung sind m ü n d l i c h e N e b e n a b r e d e n , die die Verpflichtung eins c h r ä n k e n , g ü l t i g (RG. 71416).

$ 32

C. Vollendung und Empfang. I. Die n i c h t e m p f a n g s b e d ü r f t i g e W i l l e n s e r k l ä r u n g ist v o l l e n d e t und w i r k s a m , sobald der Wille e r k e n n b a r geä u ß e r t ist. Auf die Wahrnehmbarkeit für eine b e s t i m m t e Person kommt nichts an. Bei der schriftlichen Willenserklärung (Errichtung des eigenhändigen Testaments) erscheint die U n t e r s c h r i f t als verkehrsübliche Vollendungshandlung; einer Begebung der Urkunde bedarf es nicht.

II. Die e m p f a n g s bedürftige Willenserklärung unter A b wesenden (130). 1. Im Gemeinen Recht war die Vollendung streitig. Vier Lehren standen sich gegenüber: a) Die Ä u ß e r u n g s theorie — die Erklärung ist vollendet, sobald sie (zwecks Abgabe oder Absendung) geäußert ist. b) Die E n t ä u ß e r u n g s - , Absendungs- oder Übermittlungstheorie — die Erklärung ist vollendet, wenn sie so geäußert ist, daß sie unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis des Empfängers g e l a n g e n kann (durch A b s e n d u n g , U b e r g a b e an Boten usw.). c) Die E m p f a n g s t h e o r i e — die Erklärung ist vollendet, wenn sie dem Empfänger z u g e g a n g e n ist, d. h. wenn ihm unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft ist (Eingehen des Briefes). Das war die herrschende Lehre. d) Die V e r n e h m u n g s t h e o r i e — die Erklärung ist vollendet, wenn sie t a t s ä c h l i c h zu seiner K e n n t n i s g e l a n g t ist (z. B. durch Lesen des Briefes). 2. Das BGB. hat mit gutem Grund die E m p f a n g s theorie angenommen, die auch in Wissenschaft und Praxis des gemeinen Rechts vorherrschend war. Das Ziel der empfangsbedürftigen Erklärung ist zweifellos das K e n n t n i s n e h m e n durch den Empfänger. Es kann aber verfehlt werden und diese Gefahr ist zwischen Absender und Empfänger so zu verteilen, daß jeder d i e Gefahren tragen muß, die dem von ihm beherrschten Gefahrenkreis angehören. Keinesfalls darf deshalb die Wirksamkeit der Erklärung vor ihrer Entäußerung, vor der Abgabe eintreten; denn damit tritt sie erst aus dem Machtkreis des Absenders heraus, damit hat dieser ihr überhaupt erst die Richtung aul den Empfänger gegeben. Aber auch die Gefahr der Reise muß der Absender tragen, da der Empfänger keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Erklärung hat, solange sie reist. Ist sie dagegen in seinen Machtbereich getreten, ihm zugegangen, so muß die Gefahr auf ihn übergehen. Zur Wirksamkeit noch die V e r n e h m u n g verlangen, hieße den A b s e n d e r unbillig belasten, denn es würde das Wirksamwerden ins Belieben des Empfängers stellen oder von Umständen abhängig machen, auf die der A b s e n d e r einflußlos ist.

$ 32 II 3.

Zugang

der

Erklärung.

171

Dementsprechend bestimmt 130 I, 1, daß die Erklärung „in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem sie dem Empfänger z u g e h t". Z u g e g a n g e n ist die Erklärng, wenn dem Empfänger das K e n n t n i s n e h m e n unter g e w ö h n l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n e r m ö g l i c h t ist und von ihm nach der Regel des L e b e n s e r w a r t e t werden kann (RG. 99 23). Treu und Glauben verbieten die Wahl eines Erklärungsmittels, von dem der Erklärende weiß, daß es der Wahrnehmungsfähigkeit des Adressaten nicht entspricht. In d e r R e g e ] g e n ü g t b e i v e r k ö r p e r t e n E r k l ä r u n g e n d e r B e s i t z e r w e r b s ist aber keineswegs grundsätzlich e r f o r d e r l i c h ( d a f ü r T i t z e, D o g m J . 47 387 ff.). des E i n e br l e f 1 i c b e E r k l ä r u n g ist d e m n a c h z u g e g a n g e n mit A u s h ä n d i g u n g B r i e f e s a n d e n E m p f ä n g e r , a b e r a u c h mit der A n n a h m e v e r w e i g e r u n g , e s sei d e n n , d a ß d i e A n s c h r i f t m e h r d e u t i g ist (RG 125 75) o d e r d a ß d e r Brief mit S t r a f p o r t o b e l a s t e t ist (RG. 110 36 will f r e i l i c h n u r e i n e a r g l i s t i g e A n n a h m e v e r w e i g e r u n g d e m Z u g a n g g l e i c h s t e l l e n ) , f e r n e r mit E i n w u r f in s e i n e n B r L e fk a s t e n ( j e d o c h n i c h t zur N a c h t z e i t da mit d e m L e e r e n d e s K a s t e n s in d e r l y . c h t n i c h t g e r e c h n e t w e r d e n k a n n , RG 09 23), m i t d e r E i n l a g e ins P o s t f a c h des E m p f ä n g e r s ( w o b e i zu b e a c h t e n ist. d a ß d i e A b h o l u n g a u s d i e s e n F ä c h e r n n u r w ä h r e n d d e r G e s c h ä f t s s t u n d e n m ö g l i c h ist bzw. e r w a r t e t w e r d e n k a n n , RG. 09 22), m i t der A u s h ä n d i g u n g an a n d e r e Personen, die zum Empfang ermächtigt sind oder n a c h der V e r k e h r s a u f f a s s u n g als e r m ä c h t i g t g e l t e n (Familienangehör i g e , D i e n s t b o t e n in o d e r vor d e r W o h n u n g , RG. 50 191; 60 334; 00 63). E i n e b r i e f l i c h e E r k l ä r u n g ist d a g e g e n d e m A d r e s s a t e n n o c h n i c h t z u g e g a n g e n , w e n n s i e ihm w e g e n A b w e s e n h e i t auf s e i n e A n w e i s u n g n a c h g e s a n d t w i r d , ihn a b e r n o c h n i c h t e r r e i c h t h a t o d e r w e n n e i n E i n s c h r e i b e b r i e f z w a r vorgezeigt, aber vom Briefboten wegen Abwesenheit wieder mitgenommen wird (RG 56 262 ff.). Eine D e p e s c h e ist e r s t d a n n d e m E m p f ä n g e r z u g e g a n g e n , w e n n ihm d u r c h das Teletqraphenamt die M ö g l i c h k e i t e r ö f f n e t ist, v o n ihr K e n n t n i s zu n e h m e n ; a b e r noch nicht mit dei A n k u n f t am Bestimmungsort, falls d e r A d r e s s a t die Übermittlung der für ihn bestimmten T e l e g r a m m e durch Fernsprecher b e a n t r a g t hatte W e r a l s o d e n Z u s p r u c h der an i h n g e r i c h t e t e n T e l e g r a m m e bei d e r P o s t beantragt hat, übernimmt dadurch nicht die Gefahr des nicht rechtzeitigen Zus p r e c h e n s . Die t a t s ä c h l i c h e E r m ö g l i c h u n g d e r K e n n t n i s n a h m e ist a b e r a u c h d a n n zu b e j a h e n , w e n n d e r I n h a l t d e r D e p e s c h e e i n e m a m F e r n s p r e c h e r d e s E m p f ä n g e r s b e f i n d l i c h e n F a m i l i e n - o d e r H a u s h a l t s m i t g l i e d z u g e s p r o c h e n w i r d (RG. 105 256). Ein S c h r e i b e n mit z w e i f e l h a f t e r A n s c h r i f t ( V a t e r o d e r S o h n ) ist e r s t z u g e gangen, w e n n e s in d e n Bereich des w i r k l i c h e n Adressaten gelangt ist (RG. 125 75).

3. Ein Z u g a n g im Sinne des 130 ist nur bei einer v e r k ö r p e r t e n (beurkundeten) und daher dauernd wahrnehmbaren Erklärung möglich. Das gesprochene Wort verhallt. Die n i c h t verkörperte Erklärung kann also nur in dem Augenblick verstanden werden, wo sie abgegeben wird — so bei der Erklärung durch Fernsprecher. Deshalb erkennt die herrschende Lehre hier keinen Unterschied zwischen Zugang und Vernehmung an — man e m p f ä n g t d u r c h V e r n e h m u n g — und verlangt die w i r k l i c h e K e n n t n i s durch den Empfänger. Gewiß besteht die Möglichkeit, daß der Adressat die Vernehmung absichtlich vereitelt, den Hörer aus der Hand legt oder sich die Ohren zuhält. Für diese Vereitelung der Wahrnehmung gilt gleiches wie für die Verhinderung des Zugangs der verkörperten Erklärung Ivgl. O e r t m a n n (3) Komm. § 130 Anm. 4 a 61 Es Ist a l l e r d i n g s z u z u g e b e n , d a ß d a r i n u n t e r U m s t ä n d e n e i n e U n b i l l i g k e i t g e g e n d e n E r k l ä r e n d e n l i e g e n k a n n , da er d i e F o l g e n e i n e r T a u b h e i t o d e r S c h w e r h ö r i g k e i t d e s G e g n e r s t r a g e n m u ß , d i e eT n i c h t k e n n t Die U n b i l l i g k e i t w ä r e a b e r n o c h g r ö ß e r , w e n n m a n d e n E m p f ä n g e r auf e i n e n i c h t v e r n o m m e n e E r k l ä r u n g f e s t n a g e l n wollt©.

172

32

Z u g a n g und Z u g a n g s Verhinderung der

Willenserklärung.

Dieser h a t g a r kein Mittel, sich g e g e n e i n e d e r a r t i g e Anerkl&rung zu s c h ü t z e n , w ä h r e n d d e r E r k l ä r e n d e sich leicht d u r c h eine F r a g e d a r ü b e r v e r g e w i s s e r n k a n n , ob er v e r s t a n d e n w o r d e n ist. S e l b s t v e r s t ä n d l i c h muß der E m p f ä n g e r d e n nicht g e r a d e leicht zu e r b r i n g e n d e n Beweis f ü h r e n , d a ß e r d i e 1 E r k l ä r u n g trotz i h r e r a l l g e m e i n e n V e r n e h m b a r k e i t nicht v e r s t a n d e n habe.

Bei der m ü n d l i c h e n Erklärung an eine zum Empfang bereite M i t t e l s p e r s o n (Familienangehörigen oder Dienstboten) wird die Erklärung erst wirksam, wenn sie an den Empfänger weitergegeben wird, es sei denn, daß die Mittelsperson zum Empfang b e v o l l m ä c h t i g t war. Im W i d e r s p r u c h damit will d a s RG. (60 334 , 61 125) d i e E r k l ä r u n g s c h o n d a n n als w i r k s a m a n s e h e n , wenn die M i t t e l s p e r s o n zur W e i t e r g a b e g e e i g n e t w a r — e i n e m. E. u n g e r e c h t f e r t i g t e G l e i c h s t e l l u n g der mündlichen E r k l ä r u n g mit der schriftlichen. W i e d a s RG. a u c h E n n e c c e r u s - N l p p e r d e y , 5 149 Anm. 15 b. Vom E m p f a n g s b o t e n ist d e r E r k l ä r u n g s b ö t e zu u n t e r s c h e i d e n . Erk l ä r u n g durch ihn ist E r k l ä r u n g unter A n w e s e n d e n , w e n n sie a n den E m p f ä n g e r oder seinen bevollmächtigten Vertreter erfolgt.

4. Die Erklärung wird erst mit dem Zugang wirksam — folglich wirkt sie nicht, wenn dem Empfänger vorher oder gleichzeitig ein W i d e i r u i zugeht (130 I, 2). D a r ü b e r h i n a u s v e r b i e t e n Treu und G l a u b e n die B e r u f u n g auf einen s p ä t e r e n Z u g a n g des W i d e r r u f s , w e n n d e r E m p f ä n g e r v o n der E r k l ä r u n g e r s t nach ihm o d e r gleichzeitig mit ihm t a t s ä c h l i c h K e n n t n i s g e n o m m e n hat (A. A. RG. 91 63).

5. Da die p e r s ö n l i c h e Tätigkeit des Erklärenden mit der Entäußerung (Abgabe) der Erklärung aufhört, wird ihre Wirksamkeit durch den späteren Tod oder Verlust der Geschäftsfähigkeit nicht beeinträchtigt (130 II). Der Zugang ist kein B e g r i f f s erfordernis, sondern nur eine W i r k s a m k e i t s Voraussetzung. Die V e r f ü g u n g s b e f u g n l s m u ß W i r k s a m w e r d e n s noch v o r h a n d e n sein.

\

dagegen

grundsätzlich

im

Augenblick

des

6. Der Empfänger ist nur p a s s i v (nichttätig) beteiligt. Da aber das Kenntnisnehmen von der Erklärung nicht ohne die nötige Erkenntnisfähigkeit erfolgen kann, dehnt 131 das Erfordernis der Geschäftsfähigkeit auch auf den E m p f ä n g e r aus. Bei W i l l e n s e r k l ä r u n g g e g e n ü b e r G e s c h ä f t s u n f ä h i g e n t r i t t die W i r k s a m k e i t e r s t mit dem Zugehen an den g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r ein (131 I) Ebenso g e g e n ü b e r G e s c h ä f t s b e s c h r ä n k t e n , wenn nicht die E r k l ä r u n g ihnen bloß v o r t e i l h a f t ist (Schenk u n g s a n g e b o t ) oder d e r g e s e t z l i c h e V e r t r e t e r s e i n e Einwilligung erteilt hat (131 II). Dagegen h i n d e r t d e r Z u s t a n d d e r B e w u ß t l o s i g k e i t oder v o r ü b e r g e h e n d e n G e i s t e s s t ö r u n g (105 II) den Z u g a n g einer v e r k ö r p e r t e n (schriftlichen) E r k l ä r u n g n i c h t , da sie zur V e r f ü g u n g des A d r e s s a t e n v e r b l e i b e n und d i e s e r nach W i e d e r e r l a n g u n g des B e w u ß t s e i n s von ihr K e n n t n i s n e h m e n kann. A n d e r s die wissentlich einem Bewußtlosen g e g e n ü b e r m ü n d l i c h a b g e g e b e n e E r k l ä r u n g l Sie gilt nicht als a b g e g e b e n , weil d i e Möglichkeit d e r V e r n e h m u n g a u s g e s c h l o s s e n ist.

7. Dem Zugehen der Willenserklärung steht die Z u s t e l l u n g durch V e r m i t t l u n g des Gerichtsvollziehers gleich (132 I). Ist der A u f e n t h a l t des E m p f ä n g e r s u n b e k a n n t o d e r ist d e r E r k l ä r e n d e ü b e r die Person des E m p f ä n g e r s in e n t s c h u l d b a r e r U n k e n n t n i s , so ist öffentliche Z u s t e l l u n g zulässig (132 II).

8. V e r h i n d e r u n g d e s Z u g a n g s . Angesichts der Möglichkeit öffentlicher Zustellung kann der Empfänger den Zugang auf die Dauer kaum verhindern; höchstens kann der r e c h t z e i t i g e Zugang vereitelt werden, so daß z. B. eine Vertragsannahme oder eine Kündigung nach Ablauf der Frist erfolgen.

$ 32 III. E m p f a n g s b e d ü r f t i g e E r k l ä r u n g u n t e r A n w e s e n d e n . — § 33.

Vertrag.

a) Der E m p f ä n g e r k a n n sich auf d i e V e r s p ä t u n g de? Z u g a n g s k e i n e s f a l l s d a n n b e r u f e n , w e n n er d a s r e c h t z e i t i g e Z u g e h e n v o r s ä t z l i c h verhindert hat oder auch nur s c h u l d h a f t unter Verletzung einer V e r p f l i c h t u n g (RG. 58 407 ff. t 95 317). Eine a l l g e m e i n e Pflicht, sich zum E m p f a n g v o n W i l l e n s e r k l ä r u n g e n b e r e i t z u h a l t e n , b e s t e h t nicht, sie k a n n sich a b e r e r g e b e n a u s e i n e n b e s o n d e r e n V e r h ä l t n i s z w i s c h e n E r k l ä r e n d e m und E m p f ä n g e r , z. B. a u s einem M i e t v e r h ä l t n i s z w i s c h e n ihnen, o d e r a u s d e r d u r c h ein V e r t r a g s a n g e b o t g e k n ü p f t e n R e c h t s b e z i e h u n g . Das RG. sagt in RG. 95 317: „Ein K a u f m a n n trifft in solche® Fällen d a f ü r S o r g e , d a ß a n s e i n e G e s c h ä f t s a d r e s s e g e r i c h t e t e Briefe ihn o d e r einem V e r t r e t e r e r r e i c h e n . " V g l . a u c h RG. 110 36. Arglist oder derartige schuldhafte Pflichtverletzung hindern n a c h Treu und G l a u b e n d e n E m p f ä n g e r , d i e V e r s p ä t u n g des Z u g a n g s zum N a c h t e i l d e s E r k l ä r e n d e s g e l t e n d zu m a c h e n , sie b e g r ü n d e n a b e r k e i n e U n t e r s t e l l u n g (Fiktion^ d e s r e c h t z e i t i g e n Z u g a n g s — d i e d a s RG. (58 409) w e n i g s t e n s bei A r g l i s t in e n t s p r e c h e n d e r A n w e n d u n g v o n 162 a n n e h m e n will. Eine s o l c h e Fiktion bei bloß s c h u l d h a f t e r V e r h i n d e r u n g w ü r d e d a s I n t e r e s s e des E m p f ä n g e r s a n d e r K e n n t n i s n ä h m e der E r k l ä r u n g ü b e r d a s M a ß h i n a u s mißachten, d a s durch d a s I n t e r e s s e d e s E r k l ä r e n d e n a m r e c ü t zeitigen Zugang g e f o r d e r t wird. Treu und G l a u b e n v e r l a n g e n v o n d i e s e m , d a ß e r d i e E r k l ä r u n g n a c h K e n n t n i s d e r V e r h i n d e r u n g d e s Z u g a n g s , und Wegfall d f s Verhinderungsgrundes unverzüglich w i e d e r h o l t — das s e l b s t v e r s t ä n d l i c h Dar, w e n n d e r Z u g a n g d e r e r s t e n E r k l ä r u n g n i c h t n o c h v e r s p ä t e t e r f o l g t ' i s t . Bei b e i d e r s e i t i g e m V e r s c h u l d e n will RG. 97 339 d e n § 254 (Schadeiwverteilung) a n w e n d e n . D a g e g e n zu U n r e c h t E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y § 199 A n m . 16. b) W i r d d e r r e c h t z e i t i g e Z u g a n g d u r c h e i n e n a u ß e r g e w ö h n l i c h e n unvers c h u l d e t e n U m s t a n d in d e r P e r s o n d e s E m p f ä n g e r s v e r h i n d e r t , mit dem d e r E r k l ä r e n d e n i c h t zu r e c h n e n b r a u c h t e , so muß d e r E m p f ä n g e r d i e s e n Zufall gleichf a l l s t r a g e n , d e n n er Ist in seinem M a c h t b e r e i c h e i n g e t r e t e n , und die B e r u f u n g auf d i e d a d u r c h b e w i r k t e V e r z ö g e r u n g w ü r d e d e s h a l b g e g e n Treu und G l a u b e n v e r s t o ß e n . Auch h i e r ist d e r E m p f ä n g e r nur g e b u n d e n , d i e R e c h t z e i t i g k e i t d e s vers p ä t e t e n Z u g a n g s g e l t e n zu l a s s e n ; die ü b e r h a u p t nicht z u g e g a n g e n e E r k l ä r u n g m u l wiederholt werden. Dem B ist ein K ü n d i g u n g s s c h r e i b e n w e g e n e i n e r p l ö t z l i c h e n u n a u f s c h i e b b a r e n Reise in d i e S c h w e i z und d e r U m s t ä n d l i c h k e i t e n d e s N a c h s e n d e n s v e r s p ä t e t zugeg a n g e n . Selbst w e n n man ihm a u s d e r u n t e r l a s s e n e n B e s t e l l u n g e i n e s E m p f a n g s b e v o l l m ä c h t i g t e n k e i n e n Vorwurf m a c h e n k a n n (so bei k ü r z e r e r Reise), darf e r d o c h d e n v e r s p ä t e t e n Z u g a n g d e s Briefes nicht b e a n s t a n d e n , w e n n d i e s e r ihm o h n e d i e Reise r e c h t z e i t i g z u g e g a n g e n w ä r e (RG. 95 317; OLG. 32 343; 44 120).

III. Die e m p f a n g s b e d ü r f t i g e Erklärung unter A n w e s e n d e n . Das Gesetz schweigt. 130 I ist entsprechend anzuwenden. Falls die Erklärung m ü n d l i c h erfolgt, ist V e r n e h m u n g nötig? falls sie schriftlich erfolgt, genügt ihr Z u g a n g , also regelmäßig Ubergabe des Schriftstücks. Bloße U n t e r z e i c h n u n g in G e g e n w a r t d e s E m p f ä n g e r s g e n ü g t nicht, g r u n d s ä t z l i c h ist n o t w e n d i g , d a ß dieser d a s ihm a n g e b o t e n e S c h r i f t s t ü c k in s e i n e V e r f ü g u n g s g e w a l t g e b r a c h t hat (RG. 61 414; 83 106).

Nach alledem besteht gar kein Gegensatz zwischen der in A n Wesenheit und A b Wesenheit des Empfängers abgegebenen Willenserklärung, sondern nur zwischen der v e r k ö r p e r t e n und n i c h t verkörperten. Für jene ist Zugang nötig, für diese Vernehmung. (So gut: O e r t m a n i Komm. § 130 Anm. 4 a W e d e m e y e r , A b s c h l u ß d e s V e r t r a g s d u r c h Erftillungs- und Aneignungshandl u n g e n , 1903; T 11 z e, M i ß v e r s t ä n d n i s 339? M a n i g k, DogmJ. 75, 127 f.» F r i e d r i c h s , V e r t r a g s recht, 1927; S 1 b e r, H d w b R w . VI 552; D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g - W e r n e r, IV 162 f., M a n i g k, D o g m J . 75. 127 f.; S c h m i d t - R i m p l e r , Z i v A . 147, 130 f.

f 33

174

$ 33 I.

Begriff des Vertrags. — $ 33 II.

Antrag insbes.

I. B e g r i f f . Der Vertrag ist die e r k l ä r t e W i l l e n s ü b e r e i n s t i m m u n g z w e i e r (oder mehrerer) sich g e g e n ü b e r s t e h e n d e r P a r t e i e n über die H e r b e i f ü h r u n g e i n e s einheitlichen R e c h t s e r f o l g s . Er besteht aus inhaltlich verschiedenen, aber e i n a n d e r e n t s p r e c h e n d e n Willenserklärungen, die auf einen einheitlichen Erfolg übereinkommen müssen. Der Vertragsschluß vollzieht sich regelmäßig s c h r i t t w e i s e , die zeitlich vorhergehende Erklärung heißt A n t r a g oder A n g e b o t (Offerte], die zeitlich nachfolgende A n n a h m e (Akzeptation). Jedoch besteht, davon abgesehen, kein Unterschied zwischen den beiden Erklärungen, wie sich schon daraus ergibt, daß eine verspätete oder veränderte Annahme nach 150 als neuer Antrag aufzufassen ist. Bloße inhaltliche Ubereinstimmung genügt aber nicht, die Erklärungen müssen auch eine i n n e r e B e z i e h u n g zueinander haben, m i t B e z u g aufeina n d e r a b g e g e b e n sein. Zwei sich kreuzende Angebote sind danach kein Vertrag (streitig); anders, wenn gleichzeitig das Einverständnis zu einem Vertragsentwurf erklärt wird, der diese Beziehung herstellt. Verträge kommen auf allen Rechtsgebieteo vor, auch aul dem des ö f f e n t l i c h e n Rechts, z. B. über die Aufnahme von Kranken in eine städtische öffentliche Anstalt, über die Bebauung oder Anlage öffentlicher Straßen mit einer Stadtgemeiode usw. (A p e 1 t, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, 1920). Auf dem P r i v a t r*e c b t sgebiete muß man scharf scheiden den s c h u l d rechtlichen Vertrag (z. B. 433) von dem d i n g l i c h e n , der die ,,E i n i g u n q ' zur Hervorbringung eines die Sache oder das Recht u n m i t t e l b a r betreffenden Rechtsertolgs bedeutet (vgl. 873, 925, 929, 1032, 1205, 1260). Jeder Vertrag enthält eine Einigung, die Frage ist nui w o r ü b e r ? Einigen sich die Parteien über die Begründung einer V e r p f l i c h t u n g , dann schließen sie einen s c h u 1 d rechtlichen Vertrag; einigen sie sich über den u n m i t t e l b a r e n Eintritt einer s a c h e n r e c b t l i c b e n Wirkung, dann schließen sie einen dinglichen Vertrag, eine „ E i n i g u n g " im engeren, technischen Sinne. Die Einigung hat ihrem Inhalt nach kein obligatorisches Element; die B i n d u n g , von der 8/3 II spricht, ist nicht im Sinne einer Verpflchtungswirkung, sondern der U n w i d e r r u f l i c h k e i t zu verstehen. Wieder etwas anderes ist der e r b r e c h t l i c b e Vertrag, der ,,Erbvertrag", wie ihn das Gesetz (§ 29 TestG.) nennt. Der Erbvertrag ist auf eine e r b r e c h t liehe Wirkung gerichtet, d. h. die unwiderrufliche Schaffung eines Berufungsgrundes zur Erbfolge. Ein V e r p f 1 i c h t u n q s element ist in einem solchen Vertrag nicht enthalten. Der f a m i 1 i e n rechtliche Vertrag endlich ist auf die Begründung einer f a m i l i e n r e c h t l i c h e n Wirkung gerichtet, z. B. der Vertrag über die Annahme an Kindesstatt auf die Begründung eines Kindesverhaltnisses zum Annehmenden (1741, 1757). Danach ist die wichtigste Einteilung der Verträge die nach der v e r s c h i e * d e n e n A r t der durch sie erstrebten W i r k u n g , also die Einteilung in schuld-, Sachen-, familien- und erbrechtliche Verträge- Uber sonstige Einteilungen, z. B. in einseitige und gegenseitige Verträge vgl. H e d e m a n n (Schuldrecht, § 7 1 und IV).

II. D e r A n t r a g . 1. B e g r i f f u n d E r f o r d e r n i s s e . a) D e r V e r t r a g s a n t r a g ist die e i n s e i t i g e Willenserklärung, wodurch* jemand einem anderen einen V e r t r a g s schluß s o a n b i e t e t , daß dessen Zustandekommen n u r von der Z u s t i m m u n g des a n d e r e n a b h ä n g t . Ein wirksames Angebot liegt also nur vor, wenn der Vertrag durch seine Annahme geschlossen werden kann, o h n e d a ß w e i t e r e V e r h a n d l u n g e n n ö t i g s i n d . Das Angebot muß den w e s e n t l i c h e n I n h a l t des angebahnten Vertrags schon enthalten und auch schon der für den Vertrag etwa vorgesehenen Form entsprechen. Das Angebot muß i n h a l t l i c h s o b e s t i m m t sein, daß der V e r t r a g

$ 33 II. Antrag

insbesondere.

d u r c h die E i n v e r s t ä n d n i s e r k l ä r u n g schlossen werden k a n n .

175

des

Adressaten

abge-

Deshalb braucht das Angebot nicht völlig bestimmt zu sein. Unbestimmtheit einzelner Punkte schadet nichts, wenn die Ausfüllung dem Gegner überlassen wird. Ein Reisender bestellt ein Zimmer im „Fürstenhof", jemand bietet ein Haus zu dem vom Käufer zu bestimmenden Preis (315) zum Verkauf an. Selbst die P e r s o n des Vertragsgegners braucht zunächst nicht bestimmt zu sein, es genügt, dafi' sie durch die Art und Weise der Annahme bestimmt wird; in der Aufstellung eines Automaten liegt eine Mehrheit von Angeboten an alle Personen, die durch Ginstecken des Geldes die Annahme erklären, doch ist (i'e Zahl der Angebote beim Verkaufsautomaten durch die Zahl der in ihm enthaltenen Gegenstände begrenzt.

b) Der Antrag ist die eine V e r t r a g s e r k l ä r u n g selbst, k e i n e bloße V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g ; deshalb muß das Angebot scharf geschieden werden von der bloßen M i t t e i l u n g , daß man zu Vertragsschlüssen bereit sei, und von der A u f f o r d e r u n g zu Angeboten. Das Angebot muß auch i n d e m S i n n e g e m a c h t sein, daß der V e r t r a g d u r c h die E i n v e r s t ä n d n i s e r k l ä r u n g des Adressaten abgeschlosv sen s e i n s o 11. Darüber, ob das der Fall ist, gibt, mangels Anhaltspunkten im Antrag selbst, die V e r k e h r s s i t t e Auskunft. Nach der V e r k e h r s s i t t e liegt z. B. eine derartige Mitteilung oder Ginladung in der U b e r s e n d u n g von P r e i s l i s t e n , Lagerverzeichnissen, P r o b e n , M u s t e r n , die erkennbar für m e h r e r e Personen bestimmt sind, ferner in der A u s s t e l l u n g v o n W a r e n i m S c h a u f e n s t e r usw., auch in der Ankündigung einer Theatervorstellung, RG. 133, 391. Man kann also, selbst wenn ein Schlips im Schaufenster m i t Preisausz e i c h n u n g liegt, den Kaufmann nicht zwingen, die Schaufensterauslage zu zerstören. Falls die Auslage nur ein Lockvogel ist und im Ladeninnern für Waren gleicher Art höhere Preise verlangt werden, ist ein Vorgehen wegen unrichtiger Reklame im Sinne des 9 3 UnlWG. möglich.

c) Bei einer V e r s t e i g e r u n g ist nach der Auslegungsvorschrift des 156 e r s t das G e b o t a l s A n g e b o t anzuseheni der Vertrag kommt erst d u r c h Z u s c h l a g zustande, und dieser kann v e r w e i g e r t werden. Das Gebot, das einheitlich auszulegen ist (RG. 101 369), e r l i s c h t , wenn es zurückgewiesen oder ein Ubergebot abgegeben oder die Versteigerung ohne Erteilung (ies Zuschlags geschlossen wird. Dagegen hat die E n t f e r n u n g des B i e t e r s vor Erteilung des Zuschlags usw. kein Erlöschen seines Gebotes zur Folge. Der Zuschlag kann trotzdem an ihn erfolgen, ohne daß er ihm zugehen müßte. So die herrschende Lehre, während das RG. (96 103) zweifelt. Streitig ist, ob das U b e r g e b o t , um das Vorgebot zum Grlöschen zu bringen, w i r k s a m sein muß. Dagegen mit Recht D e r n b u r g II § 82 II 3 und O e r t m a n n , Komm. § 156, 2 b ß . Das Interesse des Bieters verlangt eine klare Situation; also genügt die T a t s a c h e eines Ubergebots, es sei denn, daß es von vornherein erkennbar nicht ernstlich geineint ist oder wogen Nichtigkeit s o f o r t vom Versteigerer zurückgewiesen wird. § 156 ist k e i n e z w i n g e n d e Regel. Der Versteigerer kann die Bedingungen anders gestalten, namentlich die Wirkung des Ubergebotes ausschließen und sich den Zuschlag nach freier Wahl unter den Bietern vorbehalten (RG 96 102). Selten ist der Fall der Versteigerung von o b e n nach u n t e n , bei der der Versteigerer den Preisansatz macht und so lange damit nach unten geht, bis sich ein Bieter zur Zahlung des Ansatzes bereit erklärt. Obwohl 156 keine Ausnahme macht, wird man hier im Zweifel in der Preisansage des Versteigerers bereits das Angebot zu erblicken haben.

§ 33 II 2.

176

Wirkungen

2. W i r k u n g e n

des Vertragsangebots.

des

A n g e b o t s .

eine

empfangsbedürftige

Bindende

B i n d e n d e

Kraft.

K r a f t

des

A n -

trags. a) tritt

Der

Antrag

seiner

ist

Wirksamkeit

erfolgt

oder der V e r n e h m u n g ist, s o ist e r Die

mit

dem

(unter A n w e s e n d e n ) . W e n n

durch

den

Zugang

durch

des

Antrags

Annahme

kann

(RG.

des G e g n e r s Nach

der

Ein-

Abwesenden)

er w i r k s a m

geworden

für

den

E m p f ä n g e r

erzeugte

U m s t ä n d e n

111 4 7 j 132 7 ) , i m Z w e i f e l bestimmt

römischem

und

z u s t a n d e zu

den Vertragsschluß

ist e i n G e s t a 11 u n g s r e c h t, d a s u n t e r s o n

(unter

a n n a h m e f ä h i g .

M ö g l i c h k e i t , werden

Willenserklärung;

Z u g a n g

aber n u r

bringen,

a b g e t r e t e n f ü r

die

P e r -

ist. gemeinem

T e i l eines erst zu s c h l i e ß e n d e n

Recht

war

die

Offerte

als

der

V e r t r a g e s für sich allein bedeutungslos,

eine be-

r u h t e d a h e r bis z u r A n n a h m e auf d e m f o r t d a u e r n d e n W i l l e n 'des

Offerenten

Sie

wurde

erlosch

konnte

bis

demgemäß, zum

spricht nicht mehr d e n h e i t (145)

das

bietende

wenn

Zugang den

die

starb

Annahme

Bedürfnissen

verlangt. Deshalb A n g e b o t

dieser

der

für

haben

willensunfähig

des heutigen das

b i n d e n d

Gebundenheit

oder

w i d e r r u f e n ALR., erklärt,

ausgeschlossen

werden.

Verkehrs,

das alte H G B . es

sei

hat

denn,

der

Das

und ent-

G e b u n -

und das daß

der

(„freibleibend",

BGB. Anohne

Obligo"). Die Gebundenheit kann im doppelten Sinne ausgeschlossen werden: a) in dem Sinne, daS der Antragende die A b s c h l u B f r e i h e i t behalten soll, b i s das Angebot vom Gegner a n g e n o m m e n ist; dann hat der Antragende bis zum Zugang der Annahme ein W i d e r r u f s r e c h t (LZ. 18, 945)j b) in dem Sinne, daß der Antragende die v o l l e V e r t r a g s f r e i h e i t behalten soll, daß also das Angeböt nur als Aufforderung an den Gegner, seinerseits einen Antrag zu stellen, gelten soll; dann kann der „ f r e i b l e i b e n d " Antragende das in der Antwort liegende Angebot annehmen oder ablehnen. Die Ablehnung muß von ihm aber ohne Zögern erklärt werden, sonst muß er sich nach Treu und Glaubea so behandeln lassen, als ob er angenommen hätte (RG. J W . 1921, 393, Nr. 2; v g l . ferner RG. 103 312). Im Z w e i f e l ist nach der neueren Rechtsprechung die z w e i t e D e u t u n g a n z u n e h m e n (LZ. 19, 654'; RG 102. 228} 105, 12). Als ,,V e r t r a g s b e s t a n d t e i l " soll die uneingeschränkte Klausel «, freibleibend" dem durch sie Gesicherten das Recht erhalten, sich jederzeit vom Vertrag loszusagen, während der Gegner gebunden bleibt. Die Erhebung der F r e l k l a u s e l zum V e r t r a g s b e s t a n d t e i l muß aber mit der nötigen Deutlichkeit und Bestimmtheit erfolgen; ein f r e i b l e i b e n d e s A n g e b o t bedeutet nicht ohne weiteres einen f r e i b l e i b e n d e n A b s c h l u ß Das RG. führt in 102 228 richtig aus: In jedem Fall erfordern es Trey und Glauben, daß der Verkäufer, der In seinem Angebote mit der Klausel „ f r e i b l e i b e n d " einen von ihrer oben erörterten regelmäßigen Bedeutung abweichenden, außergewöhnlichen Sinn verbinden, der nie* sichtlich seiner Lieferpflicht mehr oder weniger weitgehende Vorbehalte macheo will, seine Absichten in klarer, nicht mißzuverstehender W e i s e zu erkennen gibt (vgl. noch JW. 1921, 173, 625, 1235( 1922, 23). Denkbar ist natürlich auch, die Freiklausel auf bestimmte Punkte des Geschäftes zu beschränken Die Klausel „ P r e i s e freibleibend" ist im Zweifel dahin zu deuten daß der Käufer an den Vertrag gebunden bleibt, auch wenn der Verkäufer von dem Vorbehalt angemessener Preiserhöhung Gebrauch macht (RG. 103 415} vgl. auch RG. 104 171). b)

Auch

Aufforderung hierauf



h ä l t n i s

der

nicht

zum

erzeugen

bindend

Eintritt für

die

in

gemachte

A n t r a g

Vertragsverhandlungen

Parteien

( v e r t r a g s ä h n l i c h e s

ein



nicht und

g e s e t z l i c h e s

minder

das

die

Eingehen

S c h u l d v e r -

V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s ) ,

aus

9 33 II 2 b.

Gesetzl. Schuldverhältnis aus Eintritt in Vertragshandlungi

177

dem v e r s c h i e d e n a r t i g e E i n z e l p f l i c h t e n ^ ' . n t e r den Beteiligten, namentlich M i t t e i l u n g s - , Aufklärungsund Erhaltungsp f l i c h t e n entspringen können, deren s c h u l d h a f t e Verletzung mangels besonderer gesetzlicher Regelung (122, 149, 179, 307, 309, 463, 2, 663 BGB., 362 HGB.) e r s a t z p f l i c h t i g macht. Fall der c u l p a i n c o n trahendo! Wer einem anderen k u n d g i b t , daß er zu ihm in Vertragsverhandlungen treten will, schuldet ihm nach T r e u u n d G l a u b e n eine g e w i s s e Sorgfalt« deren M a ß s t a b sich grundsätzlich nach den für das angebahnte Verhältnis selbst aufgestellten Anforderungen bestimmt G r u n d s ä t z l i c h erwächst für den Geschädigten nur ein Anspruch auf das V e r t r a u e n s i n t e r e s s e (249) und n u r ausnahmsweise auf das E r f ü l l u n g s i n t e r e s s e ; dies letztere. dann, wenn der Vertragsschluß bei richtigem Verhalten ordnungsgemäß zustande gekommen wäre. — Daß dieser G r u n d g e d a n k e der gesetzlichen Regelung zugrunde lieqt, kommt in den vorangeführten Bestimmungen (122, 149f.) mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck; vgl. namentlich RG. 120 249

Da durch den Eintritt in Vertragsverhandlungen ein g e s e t z l i c h e s S c h u l d v e r h ä l t n i s entsteht, haftet, wer sich eines Gehilfen bedient, auch für dessen Verschulden nach § 278; RG. 103 50; 107 243; 114 160. Zur Haftung des Vertreters selber vgl. RG. 120 249 und 132 80. Vgl. I h e r i n g, DogmJ. IV, lff.; F r a n z L e o n h a r d , VerscLalden beim Vertragsschlusse, 1910; v o n T u h r, II, 1, S 486; S t o 11, LeipzZ. 1923, S. 539ff.; H e 1 d r i c h, Verschulden beim Vertragsabschluß, Heft 7 der Leipz. Rwissensch. Studien, 1924; R a i s e r , ArchZivPr. 127, lff.; G e p p e r t, Gruchot 69 529; H i l d e b r a n d t , Erklärungshaftg. 1931; T i t z e, HdwbRw VI, 516.

Die Rechtfertigung der Haftung für Verschulden b e i m oder v o r dem Vertragsschluß a u s d e m A n t r a g bzw. der A u f f o r d e r u n g zum E i n t r i t t in V e r t r a g s v e r h a n d l u n g e n verdient r e c h t s p o l i t i s c h den V o r z u g vor den früheren Versuchen des RGs., die Haftung für ein solches Verschulden a u s d e m s p ä t e r e n Vertragsschluß s e l b s t zu rechtfertigen (vgl. RG. 95 60); denn diese Begründung muß versagen, wo es nicht zum Vertragsschluß kommt, und sie stellt, davon abgesehen, ein unzulässiges votegor nQozeQov dar. Die Haftung ist ganz unabhängig davon, ob die Verhandlungen zum Vertragsschluß führen oder nicht (RG. 107 362; 104 267). Die hier vertretene Rechtfertigung der Haftung dürfte auch den Vorzug verdienen vor dem Versuch S i b e r s (in Plancks Komm II 1, S. 190ff.), die Haftung aus einem stillschweigend geschlossenen, b e s o n d e r e n , n u r auf die Ü b e r n a h m e d e r a r t i g e r P f l i c h t e n g e r i c h t e t e n , unbenannten Vertrag abzuleiten. Denn der Nachweis eines solchen Vertragsschlusses läßt sich ohne Willkür nicht für alle Bedarfsfälle führen und vermag auch insoweit keine Hilfe zu bringen, als das Verschulden des Antragenden v o r Abschluß des Erhaltungsvertrages usw. liegt. Aus dem durch den Eintritt in Vertragsverhandlungen erzeugten gesetzlichen Schuldverhältnis k ö n n e n sich im e i n z e l n e n F a l l nach Treu und Glauben folgende E i n z e l p f l i c h t e n ergeben, die in den angeführten Reichsgerichtsentscheidungen freilich z. T. erst aus dem später abgeschlossenen Vertrag hergeleitet werden. O) Die Pflicht, sich gegenüber der zu erwartenden Annahmeerklärung e m p f a n g s b e r e i t zu halten bzw. ihren r e c h t z e i t i g e n Z u g a n g n i c h t zu hind e r n (vgl RG 58 409; 95 317; 97 336; 110 36 und § 32 II 8 a dieses Buches) Streitig ist hier, ob eine schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtung ohne weiteres eine F i k t i o n des rechtzeitigen Zugangs begründet oder den Empfänger nach Treu und Glauben nur daran hindert, die Verspätung zum Nachteil des Erklärenden geltend zu machen. Lehmann,

Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil.

5. Aufl.

12

178

$ 33 II 3.

Zeitscbranke und Erlöschen des Antrags.

ß) Die Pflicht, s i c h u. U. auf eine v e r s p ä t e t e oder m o d i f i z i e r t e (nach ISO II in einen neuen Antrag umzudeutende) A n n a h m e e r k l ä r u n g zu ä u ß e r n , widrigenfalls Schweigen als Annahme gedeutet werden kann (vgl. RG. 103 11 und § 33 II 3c ß. ßß dieses Buches). Für den Fall, daß eine erkennbar rechtzeitig abgesandte Annahmeerklärung verspätet zugegangen ist, schreibt das Gesetz in 149 die F i k t i o n rechtzeitigen Zugangs vor, falls der Antragende den verspäteten Zugang nicht unverzüglich anzeigt. Streitig ist, ob in anderen Fällen verspäteter Ankunft das Schweigen des Antragstellers lediglich als Annahmeerklärung zu deuten ist, oder ob er durch sein Schweigen die Berufung auf die Verspätung schlechthin verwirkt (so RG. für einen bestimmten Fall in 103 llff.). T) Die Pflicht, den Gegner hinsichtlich Tatsachen a u f z u k l ä r e n , die für seine Entschließung von b e s o n d e r e r Bedeutung sind und deren Kenntnis er sich auch durch die in eigenem Interesse gebotene Sorgfalt nicht verschaffen kann. Dazu gehört vor allem die Wahrscheinlichkeit, daß der Erfüllung des Vertrages Hindernisse im Wege stehen werden (RG. 120 252). — Das Verschweigen von Sachmängeln soll nach RG. 135 346 den Verkäufer n u r bei A r g l i s t , nicht bei Fahrlässigkeit ersatzpflichtig machen. — Vgl. zur Anzeigepflicht RG. 97 327; 103 50; 107 362; 108 410; 114 155; 116 18; 118 367. Für den Sonderfall der a r g l i s t i g e n Verschweigung eines F e h l e r s läßt 463, 2 den Verkäufer stets auf Schadenersatz wegen N i c h t e r f ü l l u n g haften (vgl. dazu RG. 07 327; 103 50; 107 362; 108 410; 114 155; 116 18).