Albert Speer (1905-1981) 9783205795957, 3205795954

Albert Speer wurde in der Nachfolge von Paul Ludwig Troost zum ersten Architekten Adolf Hitlers. Mehr und mehr kontrolli

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Albert Speer (1905-1981)
 9783205795957, 3205795954

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Hitlers Architekten. Historisch-kritische Monografien zur Regimearchitektur im Nationalsozialismus, herausgegeben von Winfried Nerdinger und Raphael Rosenberg, Band 2

Sebastian Tesch

A L B E RT S PE E R ( 1 9 0 5 – 1 9 8 1 )

2016

böhlau verlag wien . köln . weimar

Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft Ludwig-Sievers-Stiftung Universität Wien, Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät MA 7, Kulturabteilung der Stadt Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Albert Speer, Germania-Planung Berlin. Modell »Grosse Halle« ca. 1939/1944; c Bundesarchiv, Inv.-Nr. 146–1986-029-02

© 2016 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts­ gesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Michael Suppanz, Klagenfurt Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-79595-7

V O RW O RT D E R HERAUSGEBER 1930 begann Paul Ludwig Troost in München repräsentative Bauten der NSDAP für und mit Adolf Hitler zu entwerfen. Die wichtigsten hatten noch nicht einmal Fundamente, als er im Januar 1934, 55jährig, nach kurzer Krankheit verstarb. Die posthum verliehene Bezeichnung »Erster Baumeister des Dritten Reiches« ist durchaus zutreffend, ein entsprechendes Amt hatte er aber nie innegehabt. Sein Verhältnis zum späteren Diktator entstand, bevor Hitler Regierungsämter an sich riss. Troost war und blieb so etwas wie der Privatarchitekt des selbsternannten Führers und sein Vertrauter in Angelegenheiten der Kunst. Hitler setzte repräsentative Architektur gezielt zur Festigung nationalsozialistischer Macht ein. Er besetzte demonstrativ zentrale Orte von Städten mit neuen, gewollt monumentalen Bauten und veranlasste große urbanistische Projekte zur Neu- und Umgestaltung des Reiches. Was Troost für München geplant hatte, wurde zum Modell zahlreicher Architekten überall in Deutschland. Unter denen, die mit diesen Aufgaben betraut wurden, bewährte sich in den Augen des Diktators insbesondere Albert Speer. Seit dem Herbst 1934 wurde der damals 29jährige mit der Gesamtplanung des zu diesem Zeitpunkt wichtigsten Renommierbauprojekts des Regimes außerhalb Münchens beauftragt, dem Reichsparteigelände in Nürnberg. Seit Januar 1937 war er mit dem neugeschaffenen Amt eines »Generalbauinspektors für die Neugestaltung der Reichshauptstadt« in Berlin dem »Führer« direkt unterstellt und übte zugleich Aufsichtsfunktion für Stadtplanungen des gesamten Reiches aus. Kein Architekt dürfte jemals zuvor eine so große Verfügungsgewalt über ein so umfangreiches Planungsvolumen gehabt haben. Seine Verantwortung reichte weit über Fragen der konstruktiven und ästhetischen Gestaltung hinaus. Zusammen mit Heinrich Himmler arbeitete er beispielsweise an der »Entjudung« von Wohngebieten. Im Februar 1942,

noch vor seinem 37. Geburtstag, wurde er von Hitler zum Rüstungsminister ernannt. In dieser Funktion war er mitverantwortlich für die mörderische Ausbeutung von KZ-Häftlingen, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen. Obwohl über ihn sogar ein »Sonderprogramm Prof. Speer« für das Vernichtungslager Auschwitz ausgeführt wurde, verstand er es, sich nach Kriegsende bei den Nürnberger Prozessen als »verführter« Künstler und Techniker darzustellen, der geringe Schuld auf sich geladen habe und der nun durch Erkenntnis geläutert sei. Anstatt als Kriegsverbrecher wurde sein Name zum Inbegriff der Architektur des National­sozialismus. Angesichts der enormen Bedeutung von Albert Speer für die Geschichte der deutschen Architektur und in Anbetracht der Berühmtheit, die er zusätzlich in der Nachkriegszeit mit autobiographischen Schriften erlangte, ist es bemerkenswert, dass erst jetzt, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, eine historisch-kritische Darstellung seines architektonischen Werks vorgelegt werden kann. Zum einen verstellten die von Speer vorgegebenen Deutungen seines Wirkens jahrzehntelang den Blick auf Fakten – erst in der vorliegenden Arbeit wird konsequent die notwendige kritische Distanz zu allen späteren Aussagen eingenommen. Zum anderen bestätigt die Forschungsgeschichte auf besondere Weise, wie schwer es für die Kunstgeschichte war, Studien über Negativhelden zu verfassen. Wir sind im ersten Band bereits ausführlicher auf dieses Problem eingegangen. Chronologisch betrachtet ist Speer nach Troost der zweite Architekt Hitlers. Er selbst gab sich gerne als dessen Nachfolger aus. So unterschiedlich ihre Aufgaben auch waren, trifft diese Genealogie zu, da beide nacheinander die jeweils wichtigsten Ansprechpartner Hitlers in diesem Bereich waren und der Diktator mit beiden einen sehr engen Austausch gepflegt hat. Folgerichtig ist dieser Band der zweite unserer Reihe. Er erscheint allerdings ein Jahr nach dem dritten über Roderich Fick. Diese Verzögerung liegt einerseits am Thema  : Im Laufe des Projektes wurde deutlich, dass die Anzahl der Bauvorhaben, an denen Speer beteiligt war, und der Umfang der an unterschiedlichen Orten aufbewahrten Quellen

Vorwort der Herausgeber  |  v

kaum mit einem einzigen Dissertationsvorhaben umfassend bewältigt werden konnten. Wir haben deswegen den Schwerpunkt auf die bislang am wenigsten bekannten Teile des Werkes gelegt  : die Jahre bis 1937 sowie die Bauvorhaben jenseits der bereits gut erforschten Komplexe in Nürnberg (Reichspar­ teigelände) und Berlin (Neue Reichskanzlei, Neugestaltung der Reichshauptstadt). Andererseits konnte der Autor aus persönlichen Gründen nicht alle Teile seines Projektes fertig stellen, eine spätere Vollendung war leider nicht mehr möglich. Nachdem wir schon befürchtet hatten, diesen Band nicht publizieren zu können, freuen wir uns, dass Sebastian Tesch unserem Drängen nachgegeben hat und sein Buch, wie es ist, vorgelegt werden kann. Auch wenn es leider nicht möglich war, das Wirken Speers in allen Bereichen in gleicher Tiefe darzustellen und dem Text den letzten Schliff zu geben, liefert die Publikation dennoch einen außerordentlich wichtigen Baustein zur Erforschung der Architektur im Nationalsozialismus. Dies gilt besonders für das gründliche Werkverzeichnis der Speerschen Bauten, das erste, das Vollständigkeit anstrebt und auf der Grundlage archivarischer Quellen erstellt wurde. Mit einer Vielzahl bislang unbekannter Fakten liefert die nun vorliegende Monographie darüber hinaus wichtige neue Erkenntnisse über das schlimmste Kapitel deutscher Architektur und Geschichte. Winfried Nerdinger und Raphael Rosenberg München und Wien August 2015

vi | Vorwort der H erausgeber

I N H A LT

Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . .  v

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1 Forschungsstand.. . . . . . . . . . . . . . . . .  2 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  8 Selbstinszenierung Speers – Speer als Quelle . . . 13

Werdegang bis zum Eintritt in die Partei (1905–1931) . . . . . . . . . . . . 28

Exkurs »Schönheit der Arbeit« und weitere Ämter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  94 Exkurs  : Atelier Speer, »Lindenallee« und »Atelierhaus Obersalzberg« . . . . . . . . . . .  97

Der Generalbauinspektor (1937–1942) . 104 Gründung und Behörde.. . . . . . . . . . . . 104 Arbeitsweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Kontroversen um die Neugestaltung – die Stadt Berlin gegen die GBI . . . . . . . . . 115 Auswirkung der Neugestaltung auf die Stadtplanung in Berlin . . . . . . . . . . . 117 Bauten der Neugestaltung aus dem Büro Speer . 122

Studium und Aufbruch in das spätere Wirkungsfeld Berlin.. . . . . . . . . . . . . . . 28

Parallel laufende Bauplanungen Speers außerhalb der Neugestaltung Berlins . . . . . . 131

Selbstständigkeit in Mannheim und Berlin . . . . 37

Tätigkeit Speers und der GBI im Krieg . . . . . 149

Architekt am Ende der Weimarer Republik . . . . 38

Bauplanungen und Architektur in der Kriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Aufstieg in der Partei (1931–1933) . . . . 46 Mitgliedschaft in der NSDAP und ihren Gliederungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Die Stellung Speers in der Bauwirtschaft der NS-Zeit. . . . . . . . 175

Erste Aufträge für das neue Regime . . . . . . . . 48

Verhältnis Speer-Hitler . . . . . . . . . . . . . 176

Bekanntschaft mit Hitler . . . . . . . . . . . . . 53

Beauftragter für das Bauwesen  ? . . . . . . . . . 188

Der Aufstieg.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Einfluss Speers auf Kulturpolitik und Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

Etablierung bei Hitler (1934–1937) . . . 66

Exkurs – Modelle als visuelle Entscheidungshilfe für Hitler . . . . . . . . . . 197

Ausbau der Stellung in Berlin 1934 .. . . . . . . 66 Vorbild Troost. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Rüstungsminister (1942–1945). . . . . . 201

Nürnberg – die ersten Großbauten . . . . . . . . 78

Ausbau der Machtposition . . . . . . . . . . . 201

Aufträge 1935 und 1936 . . . . . . . . . . . . . 84

Reichsbauministerium und staatlicher Wohnungsbau . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

Exkurs  : Massenbeeinflussung.. . . . . . . . . . 90

Oststädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

I nhalt  |  vii

Grundlagen des Wiederaufbaus im Krieg . . . . 207

Nachkriegskarriere (1945–1981) . . . . 210 Verurteilung und Haft . . . . . . . . . . . . . 210 Berufstätigkeit nach 1966. . . . . . . . . . . . 213 Autor Speer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Fazit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Werkverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 228

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . 334

viii | I nhalt

EINLEITUNG

Unter den deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts nimmt Albert Speer eine Sonderstellung ein. Nach wie vor »werden Architektur und Bauen im Dritten Reich mit Hitler und Speer in einem Atemzug genannt«.1 Speer steht damit für eine ganze – wenn auch kurze – Epoche der deutschen Architektur. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung seines architektonischen Werkes steht bislang allerdings aus. Erst in einigen neueren Publikationen werden einzelne Bereiche seiner Tätigkeit als Architekt bzw. seiner Rolle in der NS-Zeit kritisch untersucht. Systematisch soll in dieser Arbeit nach der Nähe zwischen Adolf Hitler und Albert Speer gefragt und Speers Stellung in der Architektenschaft des Deutschen Reiches definiert werden. War er jemals so bedeutend, wie er häufig dargestellt wurde  ? Welchen Einfluss hatte er tatsächlich auf die Architektur und das gesamte Bauwesen des »Dritten Reiches«  ? Wie verlief sein Aufstieg und wodurch wurde er begünstigt  ? Wie war sein Verhältnis zu dem Bauherrn Hitler  ? Welche Entwürfe umfasst sein Werk  ? Wie konnte er zu einer derart prägenden Figur werden, dass sein Name fast ein Synonym für Bauen in der NS-Zeit wurde  ? Dass Fragen wie diese siebzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs immer noch offen sind, liegt auch daran, dass Speer nicht nur auf seine Rolle als Architekt beschränkt werden kann, sondern auch seine Tätigkeit als Rüstungsminister einbezogen werden muss. Durch die enge Vernetzung Speers im Machtgefüge des NS-Regimes ist eine ausschließliche Fokussierung auf die Architekturgeschichte nicht möglich.

1 Reichel 1991, 287. 2 Auch Innenausstattungen und Möbel bleiben weitgehend unberücksichtigt. Es ist zwar eine große Anzahl von Entwürfen erhalten, die jedoch ohne begleitende Korrespondenz nicht immer zweifelsfrei einzelnen Bauvorhaben zuzuordnen sind. Zudem drängt sich der Eindruck auf, dass Speer in diesem

Die bisherige Literatur ist maßgeblich durch Speers autobiografische Schriften geprägt. Diese sind allerdings Teil seiner sorgfältig konstruierten Rechtfertigungsstrategie der Nachkriegszeit. Deswegen greift das vorliegende Buch überwiegend auf Quellenmaterial der Zeit vor 1945 zurück und räumt der späteren Literatur einen vergleichsweise geringen Stellenwert ein. Wo aufgrund der disparaten Quellenlage hin und wieder auch spätere Quellen hinzugezogen werden müssen, erfolgt dies mit dem Hinweis auf die mangelnde Belegbarkeit. Der enorme Umfang der größerenteils noch unbearbeiteten archivarischen Quellen hat zur Folge, dass die Tiefenerschließung von Speers Werk im Rahmen dieser Arbeit nicht durchgehend in gleichem Maße erfolgen kann. Während der Zeitraum bis etwa 1937 so weit wie möglich umfassend untersucht und dargestellt wird, konnte dies für die Zeit zwischen 1937 und 1945 noch nicht im gleichen Umfang geleistet werden. Insbesondere bei den drei großen Komplexen des architektonischen Wirkens, die am besten untersucht sind – die Bauten für das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, die Neue Reichskanzlei in Berlin und die Neugestaltung der Reichshauptstadt Berlin –, ist auf eine detaillierte Neubehandlung verzichtet worden. Diese wurden nur summarisch dargestellt, jedoch gegebenenfalls durch neue Ergebnisse ergänzt.2 Werke und biografische Stationen werden gemeinsam in drei chronologisch geordneten Abschnitten behandelt. Zuvor gilt es einen kritischen Blick auf Speers Selbstinszenierung zu werfen, mit der er das bis heute nachgezeichnete Bild seiner selbst geprägt hat. Ein wichtiges Ergebnis der Recherchen, die die Grundlage dieser Arbeit bilden, ist der erste Werkkatalog des Architekten Albert Speer im Anhang. Er enthält die Werke, welche aus seinem Privatbüro

Bereich nur selten selbst tätig war und diese Arbeiten hauptsächlich von seinem Privatbüromitarbeiter Albert Dieffenbach ausgeführt wurden, wenn er nicht gar auf Produkte der »Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk« zurückgriff.

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stammen, nicht aber jene, die Folge seiner diversen Ämter, allen voran dem als Generalbauinspektor, sind. Vier Exkurse innerhalb der chronologischen Abschnitte befassen sich mit Themengebieten, die zur besseren Übersichtlichkeit und des inneren Zusammenhangs wegen ausgegliedert wurden.

Bis heute existiert weder eine historisch-kritische Biografie noch eine systematische Untersuchung von Speer als Architekt. Aufgrund seiner zentralen Position ist aber die Aufarbeitung der NS-Architektur ohne ihn nicht möglich. Das Dilemma, vor dem die Architekturforschung zur NS-Zeit steht, zeigt das 2009 erschienene Überblickswerk zur deutschen Architektur im 20. Jahrhundert von Werner Durth und Paul Sigel. In diesem wird, für Gesamtdarstellungen bislang ungewöhnlich, die NS-Zeit in großer Breite und Tiefe behandelt. Auch wenn sie Speers Glaubwürdigkeit in Frage stellen, greifen Durth und Sigel dabei mangels Alternativen auf dessen Schilderungen zurück, womit sie dessen Mythen weiter tradieren, wie die Darstellung seines Aufstiegs und den sogenannten »Ruinenwert«.3 Die bisherige Forschung über Speer konzentrierte sich auf drei Schwerpunkte  : Erstens biografische Fragen, oftmals auf das Verhältnis zu Hitler oder seine individuelle Schuld am Genozid beschränkt, zweitens seine Rolle im NS-Regime und drittens Speers Tätigkeit als Architekt bzw. einzelne Bauprojekte. Hauptquelle für Speers Vita sind seine 1969 erschienenen »Erinnerungen«. Den bislang einzigen Versuch, den Wahrheitsgehalt dieser Veröffentlichung

zu ermitteln, unternahm 1998 Leopold Fischer. Dessen Ziel ist es, »primär Albert Speer in seiner historischen Rolle als Architekt und Rüstungsminister Hitlers anhand seiner Memoiren freizulegen«.4 Das methodische Problem der Arbeit liegt darin, dass sie hauptsächlich die Schriften Speers gegeneinander prüft und sich ansonsten auf eine äußerst schmale Sekundärliteraturbasis verlässt, die häufig genug zudem direkt von Speer beeinflusst ist. Es handelt sich um eine reine Literaturarbeit, für die keinerlei neue Quellen erschlossen worden sind und die dadurch keine neuen Ergebnisse liefern kann. Damit verbleibt die kritische Untersuchung der »Erinnerungen« nach wie vor ein Desiderat, obgleich dazu ein umfangreicher Quellenbestand im Bundesarchiv5 verwahrt wird. Einen wichtigen biografischen Beitrag hat bereits 1982 Matthias Schmidts »Albert Speer. Das Ende eines Mythos« geleistet. Schmidt versucht, anhand punktueller Überprüfungen die Glaubwürdigkeit von Speer zu widerlegen. Hauptquelle ist für ihn die Chronik der Dienststelle in ihrer unredigierten Originalversion. Damit äußert Schmidt Ende der 1970er-Jahre die ersten Zweifel an Speers Darstellungen. Dieser kritische Ansatz wird bald von anderen Autoren weiterverfolgt.6 Die Weiterverwendung und -verbreitung der Speer-Legenden wurde dennoch nicht verhindert – nicht zuletzt auch deshalb, weil jeweils nur ein kleiner Teil von ihnen dekonstruiert werden konnte und Speer selbst nach seinem Tod noch viel Unterstützung von namhaften Forschern und Intellektuellen erhält.7 Ein Beleg dafür ist Adelbert Reifs 1978 publiziertes Werk, »Albert Speer. Kontroversen um ein deutsches Phänomen«.8 Der Titel ist insofern irreführend, als in dieser Sammlung

3 Durth/Sigel 2009, 331 u. 334. – Gleiches gilt auch für Wolfgang Pehnt, der die Episode der Verkleidung des Berliner Olympiastadions durch Speer übernimmt (Pehnt 2005, 211). Zur Theorie vom Ruinenwert siehe S. 16. 4 Fischer 1998, 6. 5 BA N1340. 6 Larsson 1978, Schäche 1979, Schönberger 1981, Helmer 1985. 7 Auch in jüngster Zeit wird immer wieder, auch bei durchaus

kritischen Ansätzen, auf die Legenden Speers zurückgegriffen, etwa bei Pabsch 2006 in seinem biografischen Kapitel über Albert Speer als »des Teufels Architekt« (Pabsch 2006, 164–179).   8 Reif 1978.   9 Krier 1985 – siehe hierzu: Frank 1987. 10 Bauwelt 28–29. 1987. Neuere Bewertung bei: Haubrich 1998. 11 Fest 2005a, 259. 12 Siehe hierzu: Kapitel »Selbstinszenierung – Speer als Quelle«.

For s c h u ng s s ta n d

2 | E inleitung

verschiedener Beiträge im Wesentlichen die Fürspre- der Vat. Sein Ziel ist es, erstmals eine gänzlich von cher Speers zu Wort kommen und weitgehend ohne Speer unbeeinflusste Biografie auf Quellenbasis vorKontroverse dessen großer und namhafter Unterstüt- zulegen. Van der Vat konzentrierte sich auf Speers zerkreis aufgezeigt wird. Auf die Architektur bezo- Einbindung in das NS-System und versuchte, sich gen ist einer der größten Verteidiger Speers sicherlich der Frage nach dessen innerer Einstellung zu nähern, Leon Krier. Dessen opulente, auch offen apologeti- um die Legende des »guten Nazi« zu widerlegen. Er sche Publikation in der Aufmachung eines Werkver- konnte aber den Forschungsstand nur wenig erweizeichnisses, erschienen 1985, wird in der Forschung tern. Zudem ist die Arbeit vielfach unsachlich übervernichtend bewertet.9 Die gezielte Provokation spitzt.17 Kriers löste eine intensive Debatte aus, der sich zwei Speers Leben erhielt eine erhebliche Resonanz in Jahre nach dem Erscheinen von Kriers Buch ein Heft der Öffentlichkeit durch Heinrich Breloers Fernsehder »Bauwelt« widmete.10 film »Speer und Er« von 200518 und die zeitlich nahe Speer-Biografien wurden 1995 von Gitta Sereny Verfilmung von Joachim Fests »Der Untergang«.19 und 1999 von Joachim Fest vorgelegt. Beide basieren Letzterer liefert zwar ein eindrückliches Bild vom auf Gesprächen, die beide Autoren Jahrzehnte zuvor Ende des »Dritten Reiches«, ist aber nicht auf Speer mit Speer geführt hatten, erweitern aber kaum den beschränkt. Der biografisch angelegte Film »Speer Forschungsstand gegenüber den Erinnerungen. Auf- und Er« zielt dagegen darauf ab, Speers Aussage, er fällig ist, dass beide Autoren der Faszination für ih- habe von nichts gewusst, zu revidieren, und konzenren Gesprächspartner erlegen sind und sich trotz des triert sich dem Titel entsprechend vor allem auf die zeitlichen Abstands auch posthum seiner geschick- beiden Hauptfiguren Speer und Hitler sowie deren ten Einflussnahme nicht entziehen konnten. Fests Interaktion. Letzten Endes zeigt er Speer in seiner Werk entstand als Reaktion auf Serenys Schrift.11 Er, Widersprüchlichkeit und überlässt es dem Zuschauer, der entscheidend den Mythos Speer prägte,12 hatte daraus einen Schluss zu ziehen. In dem Buch »Die sich vorgenommen zu ermitteln, inwieweit Speer Akte Speer«20, das auch eine umfangreiche Biblioüber den Holocaust informiert bzw. darin invol- grafie zu historischen Fragestellungen liefert, sind viert war.13 Allerdings gelingt es erst Susanne Wil- die zu diesem Film angestellten Recherchen gebünlems, nach Vorarbeiten durch Johann F. Geist und delt veröffentlicht worden. Knapp kommentiert werKlaus Kürvers,14 in ihrer 2002 erschienenen Aufar- den dort vor allem Schlüsseldokumente präsentiert, beitung der Deportation der jüdischen Bevölkerung die geeignet sind, prominente Speer’sche Legenden Berlins nachzuweisen, dass Speers Dienststelle einen zu entkräften, die tiefe Verstrickung des Architekten entscheidenden Anteil an diesen Vorgängen hatte.15 in das NS-Regime nachzuweisen und seine SelbstSie publizierte zudem 2015 das »Sonderprogramm darstellung zu demontieren. Breloer hatte sich noch Prof. Speer« für den Ausbau des Vernichtungslagers kurz vor dessen Tod mit Speer getroffen, mit dem Auschwitz.16 Einen gänzlich anderen Ansatz als Fest Ansinnen, ihn als Zeitzeugen zu befragen. Als weiund Sereny verfolgte 1997 der Journalist Dan van teres Resultat dieser lange währenden Beschäftigung 13 Zusammenfassung der Kontroverse bei: Krebs/Tschacher 2007. 14 Willems 2002; Geist/Kürvers 1995. 15 Einen ähnlichen Ansatz wie Geist und Kürvers verfolgt auch Paul B. Jaskot, jedoch weniger auf die persönliche Schuld Speers, sondern stärker darauf konzentriert, wie die Planungen der Generalbauinspektion (GBI) antisemitische Politik widerspiegelte und unterstützte: Jaskot 1996, 623. – Elaine S. Hochman verteidigt Speer gegenüber Jaskot (Hochman

1997). Antwort Jaskots auf Hochman: Jaskot 1997. 16 Willems 2015. 17 Van der Vat 1997. Ein kritischer Apparat ist zwar vorhanden, dennoch fehlen für viele Begebenheiten glaubhafte Belege. 18 Auch als Buch erschienen: Breloer/Hoffmeister 2005. 19 Fest 2002. – Film uraufgeführt 2004, Regie Oliver Hirschbiegel, Drehbuch Bernd Eichinger. 20 Breloer/Zimmer 2006. – Dort auch Bibliografie, vor allem zu zeitgeschichtlichen Fragen.

F orschungsstand   | 3

drehte er auch den Film »Unterwegs zu Familie Speer«, in dem dessen Kinder, wichtige Weggefährten, aber auch Kritiker zu Wort kommen.21 Der zweite Schwerpunkt der Speer-Forschung betrifft seine Rolle im NS-Regime. Mit dessen Öffentlichkeitsarbeit und seinem Engagement in der Kulturpropaganda befasst sich Alexander Kropp im Rahmen eines Dissertationsprojektes.22 Thematisch nicht weit davon entfernt, bearbeitet in München Kathrin Müller-Kindler23 die Architekturausstellungen der NS-Zeit, die stark durch Speer gelenkt wurden. Als Fallbeispiel einer »Neugestaltungsstadt« untersuchte Ingrid Holzschuh24 in ihrer Dissertation, die auch die Rolle Speers präzisiert, den Architekten Otto Strohmayer und seine Planungen für Salzburg. Aufschlüsse über einen eng mit Speer zusammenarbeitenden Planer und vertiefende Erkenntnisse zum Modus der Zusammenarbeit mit Speer sind von der Arbeit Christina Schulenburgs über den Architekten Paul Baumgarten zu erwarten.25 Für den Aufstieg Speers von großer Bedeutung war seine Tätigkeit für die Deutsche Arbeitsfront (DAF), die für die Machtkonsolidierung der NSDAP eminent wichtig war. Einen umfassenden Überblick über die Verbindung von DAF und Bauwesen bietet die Dissertation Michael Flagmeyers. Dank dieser ist erstmals ein Überblick über Speers Tätigkeit für das Amt Schönheit der Arbeit und die Bauabteilung der DAF möglich.26 Mit der Veröffentlichung seiner Ende der 1970erJahre mit Speer geführten Interviews legte Jörg Michael Schiefer 2013 ein Beispiel für den Umgang Speers mit der Forschung, explizit durch nachträgliche Korrekturen, vor. Aufgrund seiner Position als Generalbauinspektor, Hitlers Vertrauter und Rüstungsminister im NS-Regime sowie aufgrund seiner

Kooperationsbereitschaft war Speer nach Kriegsende auch ein wichtiger Gesprächspartner der Alliierten. Speers Aussagen nach der Gefangennahme sind von großer Bedeutung für die Analyse des Krieges.27 Die unmittelbar nach der Kapitulation erfolgten Vernehmungen sind 2000 von Ulrich Schlie zunächst in Auszügen und 2003 vollständig veröffentlicht worden.28 Der Situation des soeben beendeten Krieges Rechnung tragend ist darin wenig über Architektur zu erfahren. Die Aussagen konzentrieren sich auf Fragen der Kriegswirtschaft und geben einen Eindruck davon, wie Speer den Alliierten gegenübertrat und wie er begann, seine Entlastungsstrategie zu formen. Norman Goda zeigte 2009, dass Speer, obschon er im Nürnberger Prozess Verantwortung für sein Handeln bekundete, vom ersten Tag an versuchte, seine Rolle im NS-System zu verharmlosen.29 Dabei beleuchtete er auch das große Netzwerk der Unterstützer und zeigte auf, wie Speer die Bemühungen um seine Entlassung aus dem Gefängnis heraus koordinierte, wenn auch letztendlich erfolglos. Die tiefe Verflechtung Speers im NS-Regime wird besonders offensichtlich bei der Betrachtung seiner Tätigkeit als Rüstungsminister. Diese ist noch zu seinen Lebzeiten Ende der 1960er-Jahre von Alfred Wagner, Gregor Janssen, Willi A. Boelke und Wolfgang Becker untersucht worden.30 Diese oder ähnliche Themen werden hauptsächlich im Rahmen übergreifender Zusammenhänge oder spezifischer Fragestellungen, jedoch nicht monografisch behandelt. Mit einem Schwerpunkt auf den wechselnden Allianzen thematisierte Nina Grunenberg 2006 in ihrer Arbeit über die Netzwerke der deutschen Wirtschaft Speers Tätigkeit als Rüstungsminister und seinen von Hitler auch als »Speers Kindergarten«31 be-

21 Breloer 2005. 22 Alexander Kropp: Albert Speers Medien- und Kulturpolitik zwischen 1937 und 1943/44. Ein Beitrag zur Rolle und Bedeutung des »Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt« (GBI) im NS-Herrschaftssystem, Promotionsprojekt, Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Erste Ergebnisse sind als Aufsatz publiziert (Kropp 2009). 23 Kathrin Müller-Kindler: Architekturausstellungen im Nationalsozialismus, Promotionsprojekt, LMU München.

24 Holzschuh 2011. 25 Christina Schulenburg: Paul Otto August Baumgarten (25.06.1873 – 26.02.1946). Ein Architekt – Zwei Karrieren, Promotionsprojekt, Universität Wien. 26 Flagmeyer 2009. 27 Overy 2002. 28 Schlie 2000; Schlie 2003. 29 Goda 2009, 226.

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zeichneten Stab verhältnismäßig junger Mitarbeiter in leitenden Positionen. Adam J. Tooze legte 2006 einen neuen Überblick zur Wirtschaft im »Dritten Reich« vor und nahm für sich in Anspruch, nach sechzig Jahren erstmals die Funktionsweisen der Kriegswirtschaft kritisch zu untersuchen.32 Im Zentrum steht dabei als eine der Hauptfiguren der Rüstungsminister Albert Speer. Dabei gelingt es ihm, zahlreiche Mythen zu widerlegen, die sich um Speers Leistung als Organisator ranken. So kann er beispielsweise dessen sogenanntes Rüstungswunder im Frühjahr 1942 teilweise relativieren.33 Die Historiker Jonas Scherner und Jochen Streb führten nahezu zeitgleich den Nachweis, dass dieses angebliche Rüstungswunder vor allem auf ungeprüfter Übernahme der Statistiken des Speer-Ministeriums durch die Alliierten beruhte.34 Einmal mehr wird auch bei Tooze die Involvierung Speers in den Machtapparat deutlich. Speer leugnete nach 1945 aus offensichtlichen Motiven seine Nähe zu Heinrich Himmler. Besonders als Rüstungsminister waren jedoch Berührungspunkte unvermeidlich. Der Umbruch im kriegswirtschaftlichen Lenkungsapparat in der Krise 1941/42, im Zuge dessen es unter anderem durch die Berufung Speers zur Bildung neuer Machtzentren kam, wurde von Walter Naasner ausführlich dargelegt, der dabei auch die Rolle der SS in den Blick nahm.35 Karola Fings konnte 2005 die enge Verbindung von Speer zu Himmler bzw. der SS, hier besonders zu deren Baubrigaden, darlegen.36 Paul B. Jaskot sieht bei der engen Verbindung zwischen Architektur und Politik die kriminellste Komponente in der Verbindung zur Zwangsarbeit der SS, an der auch Speer teilhatte.37 Diese enge Verbindung Speers mit der SS konnte

Eckart Dietzfelbinger 2002 am Beispiel Nürnberg bei der Natursteinbeschaffung belegen. Ursächlich für einige Konzentrationslager ist dabei deren Lage bei Steinvorkommen, verbunden mit den durch die SS und Speer gegründeten Deutschen Erd- und Steinwerken (DEST).38 Bezogen auf die Neugestaltung Berlins wies Helmut Bräutigam die systematische Heranziehung von Zwangsarbeitern nach, die der Ausbeutung in der Privatindustrie vorausging.39 Ein dritter Schwerpunkt der Forschung ist Speer als Architekt. Was für seine Biografie gilt, trifft auch hier zu  : Ein Großteil des architektonischen Werkes ist nur durch eigene Publikationen und durch die Architekturpropaganda der NS-Zeit bekannt. Speer nahm es der Forschung sogar ab, ein Werkverzeichnis zu erstellen, indem er ein solches in sehr selektiver Form 1978 selbst veröffentlichte.40 Kritische Studien entstanden erst spät und vereinzelt. Zu den Pionierwerken gehört 1968 Barbara Miller-Lanes »Architektur und Politik in Deutschland   : 1918– 1945«41. Spätere Darstellungen waren häufig mehr von der Ächtung der politischen Inhalte und weniger von baugeschichtlichen und formalen Aspekten bestimmt.42 Um die Mitte der 1970er-Jahre setzt eine kritische, quellenbasierte Analyse einzelner Bauten ein, besonders bei Angela Schönbergers Dissertation zur Neuen Reichskanzlei.43 Etwa zur gleichen Zeit, in der Schmidt am »Mythos Speer« arbeitete, trat auch Schönberger mit Albert Speer in Kontakt. Eine besondere Qualität erhält ihre Arbeit dadurch, dass die Autorin sich hauptsächlich auf Quellenmaterial stützte und Speers Aussagen kritisch prüfte. In ihrer nach wie vor gültigen Abhandlung befasste sie sich mit dem Zusammenhang zwischen Bauprojekt und

30 Wagner 1966; Janssen 1969; Boelke 1969; Becker 1979, zugleich Dissertation Stanford 1971. 31 Grunenberg 2006, 28. 32 Tooze 2007. – Englischsprachige Originalausgabe von 2006. 33 Tooze 2007, 507. 34 Scherner/Streb 2006. 35 Naasner 1994. 36 Fings 2005. 37 Jaskot 2000, 141.

38 39 40 41 42

Dietzfelbinger 2002, 268. Bräutigam 2003a, 19. Speer 1978. – Siehe hierzu auch S. 341. Miller-Lane 1986. – Verfasst 1968. Scheer 2000, 17. – Exemplarisch dargelegt von Raphael Rosenberg unter Bezug auf Herding/Mittig 1975 sowie Petsch 1976 (Rosenberg 2012, 229). 43 Schönberger 1981.

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politischen Gegebenheiten und lieferte eine umfas- arbeitung der einzelnen Planungselemente zu leisten. sende Baumonografie. Ergänzt wird diese erst seit Reichardt und Schäches Standardwerk zur Neuge2005 durch Dietmar Arnolds und Reiner Janicks staltung Berlins ist mittlerweile in der erweiterten 11. Monografie44. Diese bezieht auch den sehr stark my- Auflage erschienen und illustriert damit eindrücklich thenbelasteten »Führerbunker« in die wissenschaft- die fortwährende Aktualität des Themas. 2008 ist liche Aufarbeitung ein, konzentriert sich aber nicht dieses durch den Verein »Berliner Unterwelten e. V.« allein auf den Baukomplex Reichskanzlei, sondern nahe dem ehemaligen Standort der Reichskanzlei bearbeitet auch darüber hinausgehende biografische unter dem Titel »Mythos Germania« erneut präsenThemenfelder, um Speers Ruf als »guter Nazi«45 zu tiert worden. In den Gesamtüberblick, den die Auswiderlegen. Die jüngste Abhandlung über die Archi- stellung bietet, sind auch neue Forschungsergebnisse tektur der Reichskanzlei ist Roman Pawlys 2009 er- eingeflossen, insbesondere für den Bereich der Medischienene Publikation »Hitler’s chancellery«.46 Diese enpolitik und Öffentlichkeitsarbeit Speers, aber auch unterscheidet sich von den diversen tendenziösen zu den Verkehrsplanungen für Berlin und den erhalWerken, steht aber auf einer derart schmalen Quel- tenen Vorarbeiten der Neugestaltung.48 Mittlerweile lenbasis, dass es zu zahlreichen inhaltlichen Fehlern wird die Ausstellung als saisonale Dauerausstellung in den Räumen des »Berliner Unterwelten e. V.« im gekommen ist.47 Etwa zeitgleich mit den Forschungen Schönber- U-Bahnhof Berlin Gesundbrunnen präsentiert. Ergers und Schmidts gerät auch die Neugestaltungspla- gebnis der im zugehörigen Begleitband präsentierten nung für Berlin in den Fokus der Forschung. Erst- detaillierten wissenschaftlichen Analyse zahlreicher mals ist diese 1978 von Lars Olof Larsson untersucht Einzelthemen ist sowohl die Destruktion des »Myworden, der als Schwiegersohn von Speers Mitarbei- thos Germania« als auch des »Mythos Speer«.49 Jenseits des Atlantiks wurde das Thema ›Neugeter Hans Stephan über reichliches Material verfügen konnte. Thematisiert wurde die Neugestaltung auch staltung‹ 1985 von Stephen D. Helmer aufgegriffen,50 durch Wolfgang Schäche und Hans Reichardt in der der das dort lagernde Archivgut auswerten konnte Ausstellung »Von Berlin nach Germania« sowie in der und somit die Werke Larssons sowie Reichardts und gleichnamigen Publikation. Diese zeigte 1984 auf Schäches ergänzte. Helmer thematisiert vor allem Basis umfassender Quellenstudien und von neu auf- die Rolle Hitlers als eines außergewöhnlichen Aufgefundenem Archivgut auch die Planungen Speers traggebers mit starker persönlicher Motivation sowie für Berlin. In beiden Werken konnte jedoch nur ein Speers Abhängigkeit von ihm.51 Der Autor widerTeil des erhaltenen Archivguts ausgewertet werden, spricht einer Singularität der Planungen, die er vielda dieses, sowohl in der Bundesrepublik als auch der mehr auf zeitgenössische Vorbilder zurückführt und DDR gelagert, erst nach der deutschen Wiederver- im internationalen Kontext als Variante einer Zeiteinigung im Bundesarchiv zusammengeführt wurde. strömung einordnet.52 Albert Speer hat 1978 sein Werk nachträglich als Beide Arbeiten fußen auf umfangreichen Fotosammlungen. Als Pionierarbeiten bieten sie auf der Basis ei- Teil eines internationalen Klassizismus beschrieben nes großen, bis dahin nicht komplett ausgewerteten und es damit gezielt verharmlost.53 Larsson liefert Aktenbestandes einen umfassenden Überblick über im selben Band kunsthistorische Argumente für die Planungen, ohne jedoch eine monografische Be- diese Einordnung, die Winfried Nerdinger 1996 sys44 Arnold/Janick 2009. 45 Van der Vat 1997. 46 Pawly 2009. 47 Obwohl allgemein bekannt in der Behrenstraße, Französischen Straße, später Lindenallee, gelegen, wird beispielsweise

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Speers Büro in der Wilhelmstraße angesiedelt (13) und das Olympiastadion von March Speer zugeschrieben (20). 48 Friedrich 2008. 49 Thorau/Schaulinski 2014. 50 Helmer 1985.

tematisch widerlegt. Diese Frage bleibt in der Forschung weit über die Neugestaltung Berlins hinaus umstritten. So spricht 2011 Raphael Rosenberg in diesem Zusammenhang bloßen architektonischen Formen eine politische Bedeutung ab und sieht die Verwendung des reduzierten Klassizismus in unterschiedlichen politischen Systemen als die zeittypische Lösung, um staatliche Macht und Modernität auszudrücken. Bei der Diskussion über eine internationale Einordnung wird häufig der Vergleich mit dem faschistischen Italien und der UdSSR bemüht.54 Alex Scobies »Hitler’s State Architecture« ist von der Intention her zwar nicht ausschließlich auf Speer fokussiert, widmet 1990 dessen Architekturen jedoch breiten Raum. Er stellt einen Zusammenhang mit den Architekturen des faschistischen Italiens her, mehr noch mit denen der Antike, stützt sich jedoch bei der Ermittlung der Intentionen hinter den Planungen stark auf die publizierten Aussagen Speers und Hermann Gieslers. Auch Sandro Scarrocchia betrachtete 1999 das Verhältnis zur Antike, spannte den Bogen jedoch darüber hinaus und ging auf die politische Achse Berlin-Rom ein. Dabei werden sowohl das persönliche Verhältnis zwischen Speer und Mussolinis Architekten Marcello Piacentini sowie deren jeweilige Stellung als auch die Spannungen in der Architektur abseits der offiziellen Propaganda beleuchtet. Ein umfangreicher Komplex des Speer’schen Werkes sind die Planungen für das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Die Literatur befasst sich hier insbesondere mit den Veranstaltungen selbst und nur am Rande mit den baulichen Hinterlassenschaften, die die Kulissen bildeten. Es ist das Verdienst von Yasmin Doosry, 2002 anhand einer nur schwer zu überblickenden Menge von Archivalien Teilaspekte der Reichsparteitagsarchitektur aufgearbeitet zu haben.55 Ihre Publikation konzentriert sich auf das

Deutsche Stadion [WV 44] und die Luitpoldarena bzw. Luitpoldhalle [WV 43], legt aber auch Funktion und Genese des »Zweckverbandes Reichsparteitaggelände« mitsamt dessen komplexen Entscheidungsstrukturen dar. In einem kurzen Überblick werden zudem die weiteren Bauten des Parteitagsgeländes vorgestellt, soweit es für das Verständnis des gesamten Baukomplexes von Belang ist. Speer ist in seiner Rolle als Chefplaner des Geländes und Entwerfer der Einzelbauten in Nürnberg nur schwer zu fassen. Insbesondere konnte bisher nicht ermittelt werden, zu welchem Zeitpunkt er welche Tätigkeiten überhaupt übernahm bzw. inwieweit diese durch die Stadtverwaltung Nürnberg und den »Zweckverband Reichsparteitaggelände« (ZRN) ausgeführt wurden. Genauso wenig sind die ab der Mitte der 1930erJahre im Privatbüro Speers entstandenen Entwürfe für das Zeppelinfeld [WV 32], das Märzfeld [WV 35], die Kulturhalle [WV 39] sowie kleinere Funktionsbauten [siehe WV 49  ; 50] und die Anordnung der Lager – über allgemeine Angaben hinaus – bislang im Einzelnen untersucht worden. Als weiteren Einzelbau stellte Paul Sigel 2000 in seiner Arbeit über die Deutschen Pavillons auf den Weltausstellungen seit 1900 das 1937 in Paris präsentierte Deutsche Haus [WV 51] ausführlich vor.56 In mehreren Veröffentlichungen befasste sich Bernhard Gelderblom57 mit den »Reichserntedankfesten« [WV 19] auf dem Bückeberg bei Hameln  ; zum denkmalpflegerischen Umgang mit diesem Komplex fand zudem ein Symposium statt.58 Frank Schmitz hat 2007 den gehobenen Wohnhausbau der NS-Zeit in Berlin aufgearbeitet und dabei auch Speers eigenes Haus in Berlin-Nikolassee [WV 41] behandelt. Das erste Haus, das Speer jemals realisiert hat, steht noch heute in Heidelberg [WV 2] und ist 2002 von Uta Karin Schmitt untersucht worden. Gegenstand einer Einzelstudie von Klaus Herding und Hans-Ernst

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56 Sigel 2000. 57 Gelderblom 2008. 58 Winghard 2010.

Helmer 1985, 1; 14. Helmer 1985, 8; 83–93. Speer 1978. Wilhelm 1998. Doosry 2002.

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Mittig sind die Kandelaber Speers an der sogenannten Ost-West-Achse.59 Alle drei genannten Aspekte der Speer-Forschung spielen in der vorliegenden Arbeit eine Rolle, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Analyse der Architektur liegt. Die Arbeit basiert auf einem intensiven Quellenstudium verschiedenster, von der Forschung bislang nur ansatzweise erschlossener Dokumente. Da sie im Rahmen des DFG-Projekts »Hitlers Architekten  : Troost, Speer, Fick und Giesler. Historisch-kritische Studien zur Regimearchitektur des Dritten Reiches« entstanden ist, profitiert sie zudem von den parallelen Forschungen zu den drei Zeitgenossen Speers.60 So legt Timo Nüßlein in seiner Monografie über Paul Ludwig Troost erstmals die Genese des frühen NS-Repräsentationsstils durch die enge Zusammenarbeit von Troost und Hitler dar, ein Stil, der für Speer als Troosts Nachfolger von entscheidender Bedeutung war.61 Michael Früchtel kann in seiner 2008 erschienenen Studie über Hermann Giesler wichtige Erkenntnisse über die Konkurrenz zwischen diesem und Speer liefern.62 Lioba Schmitt-Imkamp untersucht Leben und Werk des Architekten Roderich Fick, der vordergründig zunächst am wenigsten mit Speer zu tun hat. Beim Ausbau des Obersalzbergs zum Führersperrgebiet sowie bei der Umgestaltung von Hitlers Jugendstadt Linz kreuzen sich die Wege der beiden jedoch häufig, was verdeutlicht, wie stark Speer in Projekte außerhalb Berlins eingebunden ist.

59 Herding/Mittig 1975. Siehe hierzu auch: Rosenberg 2012, 227–229. – Neben den hier in aller Kürze aufgeführten Werken befassen sich weitere Artikel oder Beiträge in Sammelwerken mit Einzelbauten Speers, die bei den jeweiligen Katalogartikeln verzeichnet sind. Sowohl bei diesen als auch den vorgenannten fällt auf: So präzise sie für den jeweiligen Forschungsgegenstand sind, sobald es um allgemeinere und biografische Fragen geht, müssen sie in Ermangelung einer verlässlichen Biografie oft vage bleiben oder auf die »Erinnerungen« bzw. andere beeinflusste Werke zurückgreifen. 60 Schmitt-Imkamp 2013; Nüßlein 2012; Früchtel 2008. 61 Nüßlein 2012.

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Qu e l l e n Archive und Bestände Die Zustände um und nach Kriegsende haben dazu geführt, dass Archivbestände zu Albert Speer weiträumig gestreut wurden. Die Dienststelle der Generalbauinspektion (GBI) am Pariser Platz, nur wenige Meter vom Machtzentrum des Reiches entfernt, wurde mehrfach von Bomben getroffen. Trotz eines eigenen Aktenbunkers wurden häufig Dubletten angelegt,63 die in vermeintlich sichere Ausweichquartiere gebracht wurden. Nicht alle Auslagerungsorte konnten im Zuge der Recherche lokalisiert werden und nur in einigen Fällen konnten Informationen über ausgelagertes Material mit erhaltenen Archivbeständen in Verbindung gebracht werden. Somit ist weiterhin vielfach unklar, wo bestimmte Materialien verblieben sind. Ausgelagert wurde sowohl in die nähere wie auch weitere Umgebung. Die Akten und Modelle lagen teilweise in Berlin (Reichstagsgebäude, Flakturm am Zoo), in anderen Großstädten (Nürnberg und Hamburg64) oder auf dem Land (in Corvey65 und Osterode im Harz). Späteres Schriftgut aus der unmittelbaren Endphase des Krieges lagerte dem Aufenthaltsort Speers vor der Verhaftung entsprechend auch in Hamburg und in Glücksburg. Hier befanden sich vor allem Akten über die Lähmung von Betrieben, zu Verkehrsfragen und zur Regierung Dönitz.66 Ein für Speer besonders wichtiger Teil seiner Akten aus der Dienststelle der GBI und des Rüstungsministeriums wurde nach Nürnberg in einen Bunker un62 Früchtel 2008. 63 BA N1340/239. – Offenbar handelt es sich nicht um ein eigenständiges Bauwerk, sondern nur um Verstärkungen der Untergeschossräume. Siehe hierzu: Pröve 2002, 77. 64 Der Hinweis für die Auslagerungen nach Hamburg stammt aus dem August 1945. Es geht aus diesem jedoch nicht hervor, um was für Material es sich handelt und wo es sich heute befinden könnte (BA N1340/239). 65 Der WiederaufBau­stab unter der Leitung von Wolters wird im Herbst 1944 in das ehemalige Reichskloster Corvey verlegt. Als sich der Bau­stab in ungeklärter Weise absetzt, bleiben zahlreiche Akten zurück (Rabe 1998, 111).

ter dem dortigen Burgberg gebracht.67 Bei diesen als »Geheime Reichssache« gestempelten Dokumenten in der »Verwahranlage Burg« handelt es sich vorwiegend um Erlasse Hitlers und Hermann Görings, auch persönliche Unterlagen und Reden des Ministers,68 die Chronik der Dienststelle und einen Silberkasten mit Hammer für eine nicht spezifizierte Grundsteinlegung. Durch Umläufe in den Dienststellen wurde klar geregelt, welche Bestände auszulagern seien. So besagt der »Umlauf im Ministerbüro  : Aufteilung der geretteten und neueren Führer-Erlasse und Erlasse vom Reichsmarschall  : Original bezw. eine Fotokopie, wenn Original nicht mehr vorhanden, im Archiv in Nürnberg, Obere Schmiedgasse 52 (Schlüssel bei der Stadtverwaltung), der Rest von zwei oder mehr liegt im Bunker Pariser Platz 3.«69 Über diese Akten liegt auch ein – nicht sehr aussagekräftiges – Inhaltsverzeichnis vor, dessen letzter Eintrag nach März 1945 zeigt, wie lange noch solche verwaltungsmäßig geregelten Verlagerungen stattfanden.70 Die Auslagerungsaktionen dauerten bis kurz vor dem Zusammenbruch des Reiches an. Speer verschickte noch am 8. April 1945 Päckchen an wichtige Mitarbeiter wie Hans Stephan und Gerhard Fränk, damit diese sie verwahrten.71 Dem Verlauf des Krieges entsprechend nahmen die Verlagerungen aber immer mehr den Charakter hastiger Notbergungen an. Neben dem Nürnberger Verzeichnis existieren noch weitere Verzeichnisse aus der Endphase des Krieges mit den Auslagerungsorten und ihren Verantwortlichen. Während die Modelle wohl nicht zuletzt aus Transportgründen zum größten Teil in oder bei Berlin verblieben, wurden Fotos und

Akten auf verschiedene Architekten und Firmen aufgeteilt. Schwerpunktmäßig wurde das Material in Osterode im Harz, in einem Salzstollen,72 bei Bernburg an der Saale und in Höxter im Baugeschäft Knop gelagert.73 Auch die großen Flaktürme in Berlin dienten der Unterbringung von Dokumenten. Sechzehn wohl stark beschädigte Modelle, vor allem von Berlin, aber auch von Salzburg und Nürnberg, lagerten im Wasserwerk Friedrichshagen. Weitere vierzig, teilweise über sechs Meter messende Modelle lagerten bei der Firma Hornemann in deren Ziegeleiöfen in Herzfelde bei Rüdersdorf und Klausdorf bei Zossen. Auch der Pergamonsaal des Pergamonmuseums musste als Auslagerungsort herhalten. Hier wurden zwei große Modelle des Deutschen Stadions für Nürnberg »durch Feindeinwirkung beschädigt«.74 Der Verbleib dieser Modelle ist unklar, kein einziges scheint sich erhalten zu haben.75 Die Chronik der Dienststelle sollte ebenfalls an verschiedenen Orten gesichert werden, ohne dass heute noch nachprüfbar wäre, ob dies auch geschah. Eingebunden waren auch hier Privatpersonen. Ein Exemplar der Chronik wollte Speers Freund und engster Mitarbeiter in der GBI Dr. Rudolf Wolters bei dem Architekten Otto Apel hinterlegen. Ein weiteres Exemplar befand sich wohl schon bei Dr. Wilhelm Lotz als Material für dessen Arbeit an einer Biografie des Architekten Walter Brugmann.76 Ein weiterer Beleg für die Auslagerung durch leitende Mitarbeiter ist der Fundkomplex aus Osterode. Schon ab Anfang 1945 wurde begonnen, die Kunstschätze aus den großen Flaktürmen in Berlin zu verlagern. Als führender Mitarbeiter der GBI war

66 BA R3/1663, 14. 67 BA N1340/239. 68 BA N1340/239: »Reden von Herrn Reichsminister Speer, Mappe I«. – Enthalten sind die Reden auf den Gauleitertagungen München 1942, Berlin 1943 und Posen 1943. In einer Arbeitsanweisung ist festgelegt, dass Reden, die im Archivbunker abgelegt werden, vorher schon in die Chronik der Dienststelle aufgenommen sein mussten. 69 BA N1340/239, »Umlauf im Ministerbüro«, o. D. 70 BA N1340/239. 71 BA R3/1663. – Dort auch mehrere Aktenverzeichnisse. 72 Möglicherweise handelt es sich um die stillgelegten Kali-

schächte von Plömnitz. Diese werden unter dem Decknamen »Leopard« durch Walter Schlempp als Beauftragten für allgemeine Bauaufgaben im Jägerstab und seinen Stellvertreter, den späteren Bundespräsidenten Heinrich Lübke, zu einer unterirdischen Rüstungsfabrik ausgebaut (Wagner 2007, o. S.). Zu den Auslagerungsorten siehe vor allem BA R3/1663. BA R3/1663, 12. Das von Helmer erwähnte Modell der Großen Halle ist jüngeren Datums (Helmer 1985, 24, FN 46). Es wurde erst für die Ausstellung »Von Berlin nach Germania« angefertigt. BA R3/1663.

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Quellen   |  9

Hans Stephan zugegen, als deren dort verwahrtes Einen ersten zeitnahen Überblick über die erhalteArbeitsmaterial auf Lastwagen verladen und in den nenen Bestände des Reichsministeriums für Rüstung Harz geschafft wurde. Es sollte in den Gipshöhlen und Kriegsproduktion (RMRuK) versuchte Speer von Osterode untergebracht werden, die jedoch sich schon kurz nach der Kapitulation am 8. Mai großteils schon belegt waren. Daher verteilte man 1945 zu verschaffen und ließ dazu eine Zusammenes auf Dachböden und Scheunen in der Umgebung. stellung der Akten verfassen. Nach seiner Verhaftung Hier wurde viel geplündert und durch die Ameri- durch die Alliierten am 23. Mai 194581 entstanden kaner beschlagnahmt. Was erhalten blieb, schickte im Rahmen seiner Prozessvorbereitungen weitere Stephan, als es die Lage erlaubte, an die jeweiligen Verzeichnisse.82 Speer behauptete, zum Ende des Autoren zurück. Diese Rückholaktion fand schon Krieges hin angeordnet zu haben, dass die Akten seiin der ersten Jahreshälfte 1946 statt.77 Besonders nes Ministeriums nicht vernichtet werden sollten.83 wertvolles Material hatte Stephan in seiner eigenen Dies konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit Obhut, darunter zahlreiche Fotos und ein offenbar zwar nicht überprüft werden, der große Bestand lässt wichtiges, nicht näher bezeichnetes Buch. Beides aber zumindest umfangreiche Vernichtungsaktiowurde ihm nach der Freilassung aus der Kriegsge- nen nicht wahrscheinlich erscheinen. Ein nicht näfangenschaft wieder ausgehändigt. 1973 gab er an, her spezifizierter, großer Aktenkomplex – rund 750 er selbst habe nur noch einige Kästen mit Dias, die Kisten – wurde durch die amerikanischen Truppen damals für Vorträge gemacht wurden. Jedoch sei beschlagnahmt und zunächst im »Ministerial Colmit Ausnahme der Reichskanzlei nichts über Bau- lecting Center« (MCC) in Hessisch-Lichtenau deponiert, dann aber im Auftrag des Kontrollrates nach ten Speers dabei.78 Über Verlagerungsaktionen aus dem privaten Ar- Berlin gebracht.84 In Deutschland lagern in verschiedenen Archichitekturbüro Speers ist nichts bekannt. Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang der Um- ven eine große Anzahl von Akten. Sie befinden sich zug des Büros in die Liechtensteinallee, der offenbar mehrheitlich im Bundesarchiv (BA) in Berlin, im noch 1943 erfolgte.79 Vermutlich wurde die Lage Landesarchiv Berlin (LArchB) und im Bayerischen direkt am Rande von Tiergarten und Zoologischem Hauptstaatsarchiv in München (BHStA). NamGarten als ausreichend sicher angesehen. Das Haus hafte Bestände zu einzelnen Werkkomplexen finden in der Liechtensteinallee wurde allerdings wie auch sich in lokalen Archiven, allen voran im Stadtarchiv das in der Lindenallee im Krieg zerstört.80 Es ist Nürnberg (SAN), das die vermutlich fast komplette davon auszugehen, dass das gesamte Büroinventar Registratur des Zweckverbandes Reichsparteitaggevernichtet wurde. Eigenhändige Entwürfe von Speer lände Nürnberg in Verwahrung hält, die weiteren sind so gut wie keine erhalten – die wenigen über- Aufschluss über die Planungsgeschichte des Reichslieferten Zeichnungen waren meist in der Presse pu- parteitagsgeländes geben kann. In Höxter finden sich bliziert worden, mit dem Zweck, Speer verstärkt als mit 800 Fotos Auslagerungsreste des WiederaufBau­ stabes,85 in den Stadtarchiven Mannheim und HeiKünstler darzustellen. 77 Privatbesitz in Deutschland. 78 BA N1340/63, Stephan an Speer, 26.4.73. 79 Siehe hierzu: ›Exkurs: Atelier Speer, »Lindenallee« und »Atelierhaus Obersalzberg«‹. 80 LArchB Rep. 207/4358; Rep 207-01/1273. 81 Breloer/Zimmer 2006, 336. 82 BA R3/1663, 41; auch BA N1340/239. 83 BA N1340/59, Speer an Stadtarchiv Nürnberg (Dr. Schult­ heiss), 30.5.67. – Im Nürnberger Prozess gibt Speer ebenfalls

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an, dass keine Akten vernichtet wurden (Reif 1978, 70). 84 BA DO3/246, 11. 85 Höxter 1998 ‑ Eine Bearbeitung der Fotos im Rahmen dieser Arbeit wurde durch die verwahrende Stelle ohne nachvollziehbare Begründung leider abgelehnt. 86 Mitteilung des Archives der Technischen Universität Berlin an den Verfasser. 87 Schmidt 1982. 88 Ein Forschungsprojekt an den Universitäten Mannheim und

delberg spärliche Informationen zur Biografie Speers, im Stadtarchiv Hameln, dem Kreisarchiv Hameln-Pyrmont und dem Hauptstaatsarchiv Hannover Dokumente zum »Reichserntedankfest« auf dem Bückeberg. Negativ fiel die Recherche in den Archiven der Technischen Universitäten Berlin und Karlsruhe aus. Das Archiv der TH Charlottenburg, der Vorgängerin der heutigen TU Berlin, an der Speer studierte und angestellt war, brannte 1943 nach Bombentreffern komplett ab.86 In Karlsruhe ist ebenfalls nichts mehr erhalten, was Aufschluss über den Studenten Speer und seine Studienzeit dort geben könnte. Insgesamt ist die Aktensituation zweigeteilt. Über die Zeit vor 1934 sind nahezu keine Quellen erhalten. Demgegenüber liegen insbesondere aus der Zeit Speers als Generalbauinspektor (1937–1945) große Aktenbestände vor. Bei Letzteren ging es bei der Recherche vor allem darum, alltägliche Verwaltungsfragen von den für diese Arbeit interessanteren Planungsdokumenten zu scheiden. Die Chronik der GBI ist nur in Ausnahmefällen als Quelle herangezogen worden, da ihre mangelhafte Verlässlichkeit spätestens seit Matthias Schmidts Untersuchung87 eindeutig belegt ist. Zudem wurde sie bewusst so angelegt, dass sie die Tätigkeit der GBI und ihrer Mitarbeiter heroisiert.88 Bei den in Berlin lagernden Beständen des Bundesarchives handelt es sich in der Hauptsache um die Überlieferungen der Dienststelle des Generalbauin­ spektors in Berlin (R4606) und anderer Reichsbehörden, mit denen die GBI in Kontakt stand. Hervorzuheben sind aufgrund ihrer Relevanz für die Interaktion zwischen Speer und Hitler sowie für Baufragen die Bestände der Reichskanzlei (R43) und des Finanzministeriums (R2). Wichtigen Aufschluss

bietet auch der Bestand des Rüstungsministeriums (R3), das Speer 1942 übernahm. Die Überlieferung der GBI ist trotz der Kriegsverluste äußerst umfangreich und umfasst über 4900 Akteneinheiten mit rund 150 Regalmetern allein im Bundesarchiv. Dort wurden im Bestand R4606 die Akten aus Beständen des Bundesarchivs Koblenz89 und des Zentralen Staatsarchivs der DDR90 in den 1990er-Jahren zusammengeführt. Im Landesarchiv Berlin lagern 1016 Akten sowie rund 1.000 Pläne aus den Jahren 1935 bis 1945.91 1946 wurde festgestellt, dass mit Ausnahme der Hauptabteilung II/5 – Kontingentstelle für Baumaterialien – noch alle Aktenpläne der GBI vorhanden waren und damit die Verluste eindeutig beziffert werden konnten.92 Sollten die Verluste tatsächlich ermittelt worden sein, so ist das Ergebnis jedoch nicht überliefert. Ein Herr Langer93 erfasste in einem unbekannten Gebäude bis Mitte Juli 1946 rund 2200 Ordner, 200 Pakete mit Belegen und 250 Kassenbücher.94 Es handelt sich vor allem um Akten der Kontingent-, der Beschaffungs- und der Reisekostenstelle sowie der Rechtsabteilung und der Amtskasse. Mit einiger Sicherheit bilden diese Akten jenes Konvolut, das 1982 von der Berliner Oberfinanzdirektion an das Landesarchiv Berlin übergeben wurde und seither dort den Kernbestand der GBI-Überlieferungen (Pr.Br.Rep.107) bildet. In München lagern im Bayerischen Hauptstaatsarchiv (BHStA) die Bestände des privaten Architekturbüros Speers mit Sitz auf dem Obersalzberg,95 das die schweren Bombenangriffe in den letzten Kriegstagen unbeschadet überstand. Der in München erhaltene Bestand wurde 1944 in den »Kunstbunker« Nürnberg gebracht und dort nach 1945 vom Bay-

Bamberg befasst sich derzeit mit einer Edition der Chronik und den abweichenden Inhalten der verschiedenen erhaltenen Fassungen. Siehe zum Editionsprojekt: Kropp 2007. 89 Dort Bestand 46.06. Mit der Zusammenführung erhielten diese Akten neue Signaturen. 90 Dort Bestand R120. 91 Findbuch BA R 4606 o. S. (Kapitel Bestandsgeschichte). 92 LArchB A. Pr. Br. Rep. 107/397-1, Vermerk Flügel, 5.8.46. 93 Ob es sich um den Leiter der »Baugruppe Langer« im Bau­

stab Bau­stab Speer handelt, konnte nicht festgestellt werden. 94 LArchB A. Pr. Br. Rep. 107/397-1, Tätigkeitsbericht Langer, 10.7.46. – Die fehlende Angabe des Ortes wurde schon damals mit einer Randnotiz bemerkt. 95 Zu den verschiedenen Arbeitsorten Speers siehe: ›Exkurs: Atelier Speer, »Lindenallee« und »Atelierhaus Obersalzberg«‹.

Quellen   |  11

erischen Landesamt für Vermögensverwaltung und sind jedoch die Hinweise auf eine Durchsicht und Wiedergutmachung beschlagnahmt. Zunächst wur- Neuordnung durch die Erben. Im diesem Teil des den die insgesamt 9 Kisten und 81 Rollen an das Nachlasses sind die Vorarbeiten für die PublikatioLandbauamt Nürnberg übergeben. Von dort gingen nen Speers überliefert. Ein Vergleich der unredigiersie 1969 in das BHStA. Zwei Kisten fehlten aller- ten Typoskripte der »Erinnerungen« mit der letztlich dings, und ihr Verbleib konnte schon 1977 bei einer gedruckten Fassung oder eine »Händescheidung« Nachschau nicht mehr ermittelt werden.96 Erhalten zwischen Speer und Lektorat wäre eine lohnende hat sich hier eine Vielzahl von Plänen, deren Groß- Aufgabe. Besondere Bedeutung kommt diesem Teilteil bislang noch nicht für die Forschung ausgewer- nachlass deshalb zu, da er eine Rekonstruktion von tet wurde und die Grundlage für die Erstellung des Speers Jahren nach der Haftentlassung ermöglicht Werkverzeichnisses in dieser Arbeit bildet. Grund- und außerdem viele Rückschlüsse auf die Zeit vor sätzliches Problem bei den Überlieferungen aus dem 1945 zulässt. Hinzu kommen die Kassiber aus der privaten Architekturbüro Speers ist, dass keinerlei Haftzeit, die in der vorliegenden Arbeit allerdings Korrespondenz, Notizen oder Skizzen erhalten sind. keine Berücksichtigung fanden. Die Pläne stehen daher zusammenhanglos für sich, Das über den Nachlass Speers Gesagte gilt in häufig undatiert und unbezeichnet, und erlauben gleicher Weise auch für den Teilnachlass Rudolf keinerlei Aussagen darüber, ob es sich um aktuelle Wolters.98 Obschon als Selbstzeugnis sorgsam zuEntwürfe oder nur liegen gebliebene, überholte Alt- sammengestellt, lassen sich mit dessen Hilfe zahlzeichnungen handelt. Die häufig fehlerhafte Benen- reiche Lücken schließen.99 Speer und Wolters waren nung zahlreicher unbezeichneter Pläne erfolgte nach ursprünglich eng befreundet. Nach Speers Entlas1966 durch Albert Speer selbst.97 Ein Teilnachlass sung aus der Haft kam es zu einer Entfremdung, Speers lagert ebenfalls in München. Diese im Insti- hauptsächlich wegen Speers Haltung gegenüber tut für Zeitgeschichte (IfZ) verwahrten Dokumente dem Nationalsozialismus. Daher bedürfen Wolters’ sind für diese Arbeit aber nur von untergeordneter Memoi­ren – »Lebensabschnitte«100 – einer besonBedeutung, da dort kein Material zu architektoni- ders kritischen Reflexion.101 Die Erwartung, aus den erhaltenen Tagebüchern etwas über den Mitstudenschen Fragen vorhanden ist. Genauso wichtig wie problematisch ist der Bestand ten Speer zu erfahren, erfüllt sich leider nur einge»N 1340« im Bundesarchiv Koblenz, ein weiterer schränkt. Zum einen liegt dies daran, dass die entTeilnachlass Speers, aber ungleich umfangreicher als scheidende Zeit zwischen 1923 und 1927 fehlt, zum jener im IfZ. Selektiv ist dieser in Übereinstimmung anderen vermerkte Wolters zeitweise hauptsächlich, mit dem Speer’schen Selbstbild arrangiert und somit welche Konzerte er besuchte und welche Musikeher als »Selbstzeugnis« einzustufen denn als »Über- stücke er selbst spielte.102 Mit dem fragmentarisch rest«. Ganz offensichtlich fehlen Briefe persönlichen erhaltenen Band 1929 enden die Aufzeichnungen oder familiären Charakters, von größerer Bedeutung dann ganz.   96   97   98   99

BHStA, Findbuch Rp. Sp. Pl. BA N1340/3. BA N 1318. Ein für die Forschung bisher nicht zugänglicher weiterer Teilnachlass Rudolf Wolters wurde von dessen Sohn im November 2010 an das Landesarchiv Berlin übergeben (LArchB E Rep. 400–19). Dieser stand aus archivinternen Gründen noch nicht zur Auswertung zur Verfügung. Er enthält nur wenig Material zur NS-Zeit. Hauptbestandteil sind Schriftwechsel, auch von vor 1945, Wiederauf-

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baupläne aus der Zeit nach 1945 und Manuskripte zu den Lebenserinnerungen. Eine Extra-Ablage zu Speer enthält er jedoch nicht. Der Umfang beträgt 34 Archivkästen und zusätzlich zahlreiche Pläne (Freundl. Mitteilung Andreas Matschenz, LarchB, 14.12.2011). 100 BA N1318, 49–64. 101 Wolters widerspricht sich etwa bezüglich seiner Bekanntschaft mit Speer. In den Lebensabschnitten behauptet er, Speer schon in München gekannt zu haben. Im Zusammenhang mit seinem Umzug nach Berlin gibt er an, in Ber-

In den ersten Jahren nach dem Kriegsende wurden viele Archivalien von den Siegermächten ausgeführt. Diese Dokumente sind teilweise zurückgegeben worden, einige sind aber bis heute im Ausland verblieben. Nicht unbeträchtlich sind die Bestände der Library of Congress in Washington. Hierbei handelt es sich um Material, das 1945 von den Amerikanern beschlagnahmt und ausgeführt wurde. Der Hauptteil der Pläne stammt von 1937 und 1938, wobei auch einige wenige aus dem Jahr 1942 zu finden sind.103 Dabei handelt es sich bis auf wenige Ausnahmen um Doppelüberlieferungen. Ebenfalls in der Kongressbibliothek gelagert wird die Fotosammlung Hermann Görings, aus der einige Aufnahmen die Zusammenarbeit zwischen Speer und Göring dokumentieren.104 Umfangreicher sind die Bestände im Sonderarchiv Moskau.105 Bekannt ist, dass dort 86 Akten aus der Zeit zwischen 1920 und 1944 in Fond 1409 gelagert sind. Der Inhalt variiert ebenso wie die Relevanz deutlich. Der Bestand enthält z. B. Akten zum Einsatz von Kriegsgefangenen beim GBI und Schriftwechsel Speers, aber auch Sammlungen von Gratulationskarten an Speer. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich vor allem in Russland bisher nicht der Forschung zugängliches Material erhalten hat. So gibt es beispielsweise Hinweise auf Fotos der GBI im Archiv des Schtschussew-Architekturmuseums in Moskau.106 Die Überlieferung in den Archiven ergänzen Archivalien in Privatbesitz. Hier sind allen voran die von Speer in seinen »Erinnerungen« angeführten Skizzen Hitlers zu nennen  ; er spricht von 125 Stück,107 die nur teilweise ausfindig gemacht werden konnten, da einige an Sammler verkauft wurden.

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lin mit Heinrich Tessenow und Albert Speer zwei für sein Leben wichtige Menschen kennengelernt zu haben (BA N1340/76; BA N1318/51–68). BA N1318/68, Bd. 4, 174. Neben den Plänen, unter anderem zur Großen Halle und zum Südbahnhof, finden sich weiterhin Gleispläne, eine große Anzahl Fotos sowie ein Paradeplan für den 1. Mai 1937. LoC, Lot 2723; Lot 3128; Lot 8619. Über das Sonderarchiv informiert primär die private In-

Weitere Detailinformationen lassen sich aus den ebenfalls in Privatbesitz befindlichen Nachlässen von ehemaligen Mitarbeitern, Kollegen und Studiengefährten gewinnen.

Se l b s t i nsz e n i e ru ng Spe e r s – Spe e r a l s Qu e l l e Das in Forschung und öffentlicher Wahrnehmung vorherrschende Bild Speers bedarf einer differenzierten Beurteilung. Eine zentrale Rolle spielt dabei seine Selbstinszenierung. Hier soll versucht werden, deren Mechanismen und Ziele darzulegen. Barbara Miller-Lane wirft Speer noch zu dessen Lebzeiten vor, dass seine Bekanntheit als Kommentator des NS-Regimes dazu beigetragen habe, ihn auch für die Architektur bedeutender einzuschätzen, als er es war.108 Speer selbst ist sich seiner Stellung in der Geschichte wohl bewusst gewesen und ebenso seiner ambivalenten Rolle unter Hitler. 1964 vertraut er Wolters an, dass die Beschäftigung mit der NS-Zeit »eine meiner großen Dummheiten sein wird, da sie sich in der Verwirklichung länger hinzieht, voraussichtlich meine letzte und abschließende. Denn am besten wäre immer noch, sich zurückzuhalten, nicht den Beleuchter auf der historischen Bühne noch zusätzlich auffordern, einen Scheinwerfer auch freundlichst auf meine zweifelhafte Person zu richten.«109 Nach dem Krieg wird Speer durch sein scheinbar selbstkritisches Auftreten zum Prototyp für die »Entschuldung« der Tätergeneration. Eine große Zahl von Mitläufern und wirklich Belasteten kann sich

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ternetseite www.Sonderarchiv.de (zuletzt eingesehen am 16.02.2011, 18:30). Leider sind diese Bestände auf unabsehbare Zeit nicht einsehbar (Freundl. Mitteilung Prof. Dr. Winfried Nerdinger, 22.8.2011). Speer 1969, 157. Miller-Lane 1986, 7. BA N1340/76, Speer an Wolters, 28.10.64.

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hinter seinem Vorbild verstecken. Denn wenn sogar hindert bewältigen zu können, »wenn sie mit partei»Nürnberger Hauptkriegsverbrecher exculpationsfä- politischen Maßstäben gewertet werden soll«.113 Während der konkreten Vorbereitung auf seine hig und -würdig erschienen, so doch erst recht die Masse der Mitläufer«.110 Ein Teil von Speers Taktik Verteidigung im Nürnberger Prozess erkennt Speer ist es, die Verbrechen des NS-Regimes immer wieder seine Chance und es reift bei ihm die Geschichte vom zu bereuen, obschon er darauf beharrt, nie von die- idealistischen Künstler, der unkritisch in die Fänge sen Kenntnis erlangt zu haben. Damit bietet er ein des Bösen geraten und wider Willen zum Rüstungsfür die junge Demokratie taugliches Gegenmodell minister geworden sei. Speer gelingt es, in Nürnberg zu manch anderem, der (beredtes) Schweigen vor- sein Leben zu retten, indem er zwar die »Gesamtverzieht oder gar jegliche Aufarbeitung grundsätzlich in antwortung« übernimmt, sich aber dennoch nicht Frage stellt. Diese Rolle verhilft ihm nach dem Krieg schuldig bekennt.114 Mit dieser Verteidigungsstratezu erheblichem Ansehen in der Bundesrepublik wie gie wälzt er die individuelle Schuld von sich ab und auch international. Intensiv pflegt er dieses Bild sei- entrinnt damit zwar der Todesstrafe, wird aber zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe verurteilt. Bemerkensner Person, vor allem in seinen Veröffentlichungen. Die Grundlagen für diese Strategie bereitet Speer wert ist, dass Speer mit einer Haftstrafe davonkommt noch im Krieg vor. Das Kriegsende trifft ihn nicht und Fritz Sauckel, der für Speer die Zwangsarbeiter unvorbereitet. Über die prekäre Situation des Reiches besorgte, zum Tode verurteilt wird. Wohl zutreffend wohl informiert, plant er seit spätestens 1944 seine sagt Richard Sonnenfeldt, damals Dolmetscher im Nachkriegskarriere und fährt dabei zweigleisig. Er Prozess, über diese »Ungerechtigkeit«  : baut für den unwahrscheinlichen Fall eines deutschen Sieges vor, schafft sich aber mit einer Denkschrift, in »Ich glaube, dass die Richter und alle Mitglieder im der er behauptet, dass er nie eine politische Tätig- Gericht einfach nur froh waren, dass wenigstens einer keit angestrebt habe und die Ministerzeit als reinen der Angeklagten sich offen gegen Hitler und die Nazis Kriegseinsatz sehe, ein erstes Entlastungsdokument.111 aussprach, und darüber haben sie ganz vergessen, dass Neun Monate später teilt er Hitler dezidiert mit  : er doch deswegen nicht ›besser‹ war als die anderen.«115 »Die Aufgabe, die ich zu erfüllen habe, ist eine unpolitische. Ich habe mich solange in meiner Arbeit wohlgefühlt, als meine Person und auch meine Arbeit nur nach der fachlichen Leistung gewertet wurden.«112 Auch wenn Speer diese Denkschrift nach dem Zusammenbruch zur Entlastung anführt, sind vorwiegend innerparteiliche Konfrontationen ihr Anlass gewesen, denn er verwahrt sich gegen den Einfluss der Partei und verkündet, seine Arbeit nicht unge-

In seinen nach der Haftentlassung entstandenen Ver­ öffentlichungen verfolgt Speer die ­Nürnberger Strategie weiter. Seine Memoiren werden, auch dank Erfolgen im Ausland,116 zu einer prominenten »Quelle« und beeinflussen die Geschichtsschreibung lange Zeit kaum hinterfragt. Hierfür finden sich mehrere Gründe. Zum einen hinterlässt Speer nicht erst durch seinen Auftritt in Nürnberg bei vielen Deutschen einen sehr positiven Eindruck. Schon zu Kriegszeiten hat er durch seine Nähe zu den einfachen Soldaten

110 Borgstedt 2009, 103. 111 BA N1340/399, Denkschrift Speer an Hitler, 25.1.44. 112 BA N1340/212, Denkschrift Speer an Hitler, 20.9.44. – Wiedergegeben auch bei Speer 1969, 126. Eine Sammlung von Entlastungsdokumenten findet sich in den Akten BA N1340/408; BA N1340/212 sowie BA N1340/399. 113 BA N1340/212, Denkschrift Speer an Hitler, 20.9.44. 114 Komprimierter Überblick bei Reichel 2009; Kastner 2005

und Weinke 2006. Amtliche Dokumente in: Nürnberg 2005; Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg 1947– 1949 und International Military Tribunal 2001. Die Vernehmungen Speers im Juni 1946 sind abgedruckt in: Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg 1947–1949 Bd. 16, 475–647 und gekürzt bei Reif 1978, 16–224. 115 Zit. nach von Wrede 2005, o. S. 116 Speer 1969. – Aufstellung der Übersetzungen im Anhang.

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großes Ansehen genossen, das ihn für kritische Nachfragen weniger anfällig macht als unbeliebtere Zeitgenossen.117 Zum anderen kommt ihm entgegen, dass in Deutschland vielerorts lange Zeit kein Interesse an der Aufarbeitung der NS-Zeit besteht, wenngleich die wissenschaftliche Aufarbeitung schon beginnt.118 Er nutzt weiterhin den Vertrauensvorschuss, den er sich in Nürnberg erarbeitet hat. Seine dortigen Aussagen gelten dadurch, dass ihm vom Gericht nicht das Gegenteil bewiesen werden kann, als glaubwürdig. Hinzu kommen viele prominente Fürsprecher, die auch schon während der Haftzeit für ihn einstehen.119 Gerhard Klopfer, ehemals Staatssekretär in der Reichskanzlei, bescheinigt Speer, kein Nazi gewesen zu sein, und Gerhard Fränk berichtet von Speers Versuch, den verhafteten Braunschweigischen Minister a. D. und ehem. Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) Heinrich Rönneburg, den Speer als Leiter der Hauptabteilung »Arbeitseinsatz und Sozial-Politik« eingestellt hat, nach dessen Verhaftung zu befreien. Hans Kehrl, Präsident des Rüstungsamtes beim Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben, nennt seinen früheren Vorgesetzten gar einen Vertreter des europäischen Gedankens und Ernst Neufert gibt an, Speer habe ihn als »modernen« Architekten geschützt, während der Industrielle und Mitglied in Speers Rüstungsrat Hermann Röchling an Eides statt versichert, Speer habe Geiselerschießungen verhindert.120 Eine besondere Qualität kommt Speers Aussagen dadurch zu, dass er als öffentlich Bereuender besonders gut zitierbar und zudem einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen aus dem direkten Umkreis Hitlers ist. Speer hält über den engsten Umkreis Hitlers und die Architektur der Zeit lange eine Art Meinungsbildungsmonopol, das nur langsam bröckelt. Seine »Er-

innerungen« sind tatsächlich eine wertvolle Quelle, weniger jedoch für die Vorgänge und Personen im engsten Zirkel um Hitler als vielmehr für die Art, wie Speer sich nach dem Krieg zu sehen wünscht. Der Historiker und Politologe Waldemar Besson verleiht ihnen im Vergleich zu anderen Memoiren von hochrangigen NSDAP-Mitgliedern kurz nach dem Erscheinen das Prädikat  : »Als historische Quelle und als literarisches Zeugnis liegen seine [Speers] Erinnerungen weit über dem Durchschnitt.«121 Kritische Äußerungen wie jene Barbara Miller-Lanes, die von vornherein Zweifel äußert und statt neuen Erkenntnissen nur triviale Banalitäten konstatiert, sind dagegen selten. Für Speer selbst sind die »Erinnerungen« von außerordentlicher Bedeutung,122 weil es ihm damit gelingt, seine Sicht der Dinge in der Öffentlichkeit zu verankern und kritische Nachfragen zu unterbinden. Mit selbstkritischer Bescheidenheit verdeckt er den beiläufig im Unterton übermittelten Stolz über die eigenen Leistungen. Er wahrt feinfühlig Maß und evoziert so weder Verachtung noch Mitleid. In seinen Büchern setzt er die Akzente so, dass die gravierenden Repressionen und Verbrechen des NS-Staates gegenüber Juden und anderen Ausgegrenzten häufig wie marginale Beeinträchtigungen des Alltagslebens oder unvermeidliche Begleiterscheinungen wirken. So finden sie zwar Erwähnung, treten aber systematisch in den Hintergrund, um beim Leser keinen tieferen Eindruck zu hinterlassen, der zur Nachfrage anregen könnte. Ein wesentlicher Grund für die große Popularität der »Erinnerungen« liegt darin, dass sich hier einer der führenden Nationalsozialisten scheinbar kritisch äußert und keinen offensichtlich apologetischen Zweck verfolgt wie Hermann Giesler in seiner – als Antwort auf Speers »Erinnerungen« erschienenen – Lobrede auf den »anderen Hitler«.123

117 BA N1340. – Hier finden sich zahlreiche Schreiben ehemaliger Mitarbeiter und Mannschaftsdienstgrade, die die ungebrochene Beliebtheit Speers illustrieren. 118 Zur Aufarbeitung der NS-Zeit in Deutschland siehe: Reichel 2007 und Reichel/Schmid/Steinbach 2009. 119 Korrespondenz im Nachlass BA N1340, dort speziell die Schreiben von Speers Tochter Hilde, die sich sehr für seine Freilassung einsetzte BA N1340/106-107; BA N1340/115–122.

120 BA N1340/408. Zu Speers Bemühungen eine eigene Legende zu verankern siehe auch: Brechtken 2012. 121 Besson 1969, o. S. 122 Miller-Lane 1973, 341. 123 Giesler 1977.

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Die Berichte Speers aus dem Führerumkreis sind mit Vorsicht zu lesen. Viele der geschilderten Begebenheiten sind nicht mehr nachprüfbar, erst recht nicht die Zitate Hitlers. Je häufiger einzelne Aussagen und Daten durch die Forschung gegengeprüft werden, desto mehr beginnt das Bild zu wanken. Waren nach der Veröffentlichung von Schmidts »Mythos Speer« Zweifel an einzelnen Aussagen gerechtfertigt, sind nach dem heutigen Kenntnisstand die »Erinnerungen« eindeutig als Speers eigene nachträgliche Interpretation der NS-Zeit zu verstehen, als eine Fortführung seiner Verteidigungsstrategie in Nürnberg und als Einladung an alle ebenfalls Kompromittierten, sein Generalpardon auch für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Für diese Untersuchung essenziell ist – von Angela Schönberger 1980 am Einzelfall der Neuen Reichskanzlei schon vorgeführt und 2002 von Yasmin Doosry für das Reichsparteitagsgelände bestätigt –, dass die »Erinnerungen« auch für die Erforschung der NS-Architektur nicht wörtlich genommen werden dürfen, da sie nur der Vervollständigung des Selbstbildes dienen. Einer der populärsten und besonders dauerhaften Mythen Speers ist jener der »Theorie vom Ruinenwert«.124 Diese ist aber erst ab 1969 nachzuweisen, wie Christian Fuhrmeister und Hans-Ernst Mittig darlegen konnten.125 Speers Publikation kann daher nur als eine Quelle von vielen behandelt werden.

Seine Aussagen müssen immer einer kritischen Gegenprüfung mit weiteren Quellen, bevorzugt Archivmaterial, unterzogen werden. In der Regel hat Speer Anfragen von Wissenschaftlern dahingehend beantwortet, dass der Forscher sein Manuskript fertigstellen möge und er es nach Übersendung korrigieren und mit zusätzlichen Anmerkungen versehen werde. Eine zweite Form waren Fragebögen, die der Interessent vorlegen sollte. Erst wenn Speer also Kenntnis vom Wissensstand bzw. dem konkreten Anliegen des Forschers hatte, lud er zu persönlichen Gesprächen. Somit war er immer vorab orientiert und lief keine Gefahr, mehr zugeben zu müssen, als ohnehin bekannt war, bzw. etwas eingestehen zu müssen, das ihn belasten könnte.126 Speer galt als so glaubwürdig, dass Archivstudien manches Mal als unnötig angesehen wurden, zumal er seine Angaben nicht zuletzt mit Kopien aus seinem eigenen umfangreichen Archiv belegte. Gedanken an unlautere Absichten vermied er auch durch seine zahlreichen Literaturhinweise. Er verfolgte naheliegenderweise intensiv jedwede Art von Veröffentlichung über die NS-Zeit und unterhielt einige Zeit auch einen Vertrag mit einem Medienspiegel,127 der ihm regelmäßig diesbezüglich Zeitungsausschnitte zukommen ließ. Es ist aber nicht allein Speer, der seinen eigenen Mythos geprägt hat. Zur Sicherung dieser Legende hat ganz erheblich der Publizist und Historiker Joa-

124 Speer 1969, 69. – Wolfgang Schäche beispielsweise schreibt, dass bei der steinernen Monstrosität der Nord-Süd-Achse der Ruinenwert schon einkalkuliert war (Schäche 1995, 30), siehe aber auch: Durth/Sigel 2009, 334. 125 Fuhrmeister/Mittig 2008, 234. – In der Literatur der NSZeit finden sich für die Theorie vom Ruinenwert überhaupt keine Belege, sondern stets wird nur die Haltbarkeit und Dauerhaftigkeit betont (Fuhrmeister/Mittig 2008, 231). Hans Stephan betont insbesondere den Zusammenhang zwischen Dauerhaftigkeit und organischer Verbindung mit der heimatlichen Landschaft (Stephan 1939, 10). Christian Welzbacher legt dagegen dar, dass die Theorie Speers nahezu identisch aus den Ausführungen des Kunsthistorikers Felix Dargel von 1933 übernommen wurde und dem entspricht, was dieser über den Entwurf für das Reichsehrenmal in Bad Berka berichtet (Welzbacher 2005). Siehe auch Aussage Eckart Dietzfelbinger im Gespräch mit Heinrich Breloer:

Breloer 2005, 271. 126 Besonders deutlich wird dies im Brief von Speer an Dr. Marlis Steinert: Er halte es für am zweckmäßigsten, wenn Doktoranden ihm die Manuskripte senden, die er mit Anmerkungen versehen würde. Dies sei sein bewährter Arbeitsgang (BA N1340/63, Speer an Steinert, 11.2.70). In gleicher Weise verfuhr er mit Klaus Vondung (BA N1340/65, Vondung an Speer, 8.11.69) und einem Herrn Taylor (BA N1340/64, Speer an Taylor, 24.11.67). 127 BA N1340/268. – Auch Wolters ließ sich durch einen Ausschnittdienst Artikel über Speer zusenden (Breloer 2005, 398). 128 Siehe hierzu auch: Ullrich 2005. – Ullrich fasst die Kon­ troverse über Fest zwar treffend zusammen, arbeitet aber in diesem Artikel nicht die noch vorhandene Korrespondenz zwischen Fest und Speer im Bundesarchiv auf. 129 Stolzenberg 2006, o. S.

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chim Fest (1926–2006) beigetragen.128 Der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz wirft ihm vor, an der Erzeugung der »Marke Speer« erheblichen Anteil gehabt zu haben.129 Schon 1963, also noch vor der Haftentlassung Speers, schafft Fest die Grundlagen hierfür und weist sich damit als geeignet aus, später bei den Erinnerungen mitzuwirken.130 Obgleich er 2002 im Interview mit Heinrich Breloer eingesteht, dass Speer ihm »eine Nase gedreht«131 habe und er sich hintergangen fühle, bleibt er dennoch zeitlebens einer seiner wichtigsten Fürsprecher. Fest ignoriert noch 2005, in seiner letzten Veröffentlichung zu diesem Thema, den Stand der Forschung. Er schreibt darin, seit den 1960er- bzw. 1970er-Jahren habe sich der Kenntnisstand kaum geändert, es gebe »nur wenige weiterführende Arbeiten.«132 Das besondere Verhältnis zwischen Speer und Fest offenbart sich auch darin, dass Speer ihm zum Dank für seine »unentbehrliche Mitarbeit« die Skizze Hitlers für die Berliner Kuppelhalle vermacht.133 Der für die Veröffentlichung der »Erinnerungen« nicht weniger wichtige Wolf Jobst Siedler bekommt von Speer Hitlers Skizze des Triumphbogens und einen teuren Empire-Schreibtisch geschenkt.134 Siedlers und Fests Einfluss auf den Inhalt von Speers Memoiren ist bislang nicht untersucht worden, aber als erheblich einzustufen.135 Unter anderem fügt Siedler, nachdem ihm Max Schmeling von einer Einladung bei Speer in den 1930er-Jahren erzählt hat, eine

kleine Szene in die Manuskripte der »Erinnerungen« ein, in der Speer einmal mehr als einzig sympathisches Mitglied der Führerriege erscheint. Speer werde sich wundern, so teilt ihm Siedler mit, was er Schmeling alles über Bildhauerei gesagt habe.136 Auch in den Manuskripten, die im Bundesarchiv Koblenz erhalten sind, sind Korrekturen Fests und Siedlers nachzuweisen.137 Kaum verwunderlich ist, dass andere, teils in der Hie­rarchie des NS-Regimes ehemals hoch angesehene Zeitzeugen Korrekturen zu den »Erinnerungen« angemeldet haben. Nicolaus von Below, Luftwaffenadjutant Hitlers, erläutert in einem Schreiben an Speer ihre gegensätzlichen Standpunkte Hitler betreffend. Er resümiert, Speers Auffassung passe zum Zeitgeist und er bringe nur Klatschgeschichten. Den »Erinnerungen« unterstellt er rein kommerzielle Absichten und bedauert, dass sich Speer in ein Licht setze, das nicht zu seinem bisherigen Lebensweg passe.138 Wie auch in ähnlichen Fällen lässt sich Speer jedoch nicht beirren und versucht mit einem freundlich unverbindlichen Brief und der Mitteilung, dass jeder seine eigenen Erinnerungen habe, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen.139 Dies geschieht auch mit dem Wissen, dass er eine weitaus größere Medienmacht hat als reak­ tionäre Verehrer Hitlers und »Ewiggestrige«.

130 Fest 1963, Kapitel »Albert Speer und die technizistische Unmoral«, 271–285. 131 Fest im Gespräch mit Heinrich Breloer, Breloer 2005, 453. 132 Fest 2005a, 12. 133 BA N1340/17, Speer an Fest, 2.8.66. – Er erhält auch ein Aquarell Hitlers (Fest 2005a, 150). 134 BA N1340/53. Speer an Siedler, o. D.[April?] 1969; Speer an Siedler, 16.8.70. 135 Schilderung der Entstehungsgeschichte aus der Sicht Siedlers: Siedler 2004, 257–262. Deutlich wird der Beitrag Siedlers auch in dem im Nachlass erhaltenen Briefwechsel zwischen Speer und Siedler (BA N1340/53). Fest äußert sich in seiner Speer-Biografie versteckt hinter Anmerkungen und Bibliografie zu seiner Mitarbeit an den Erinnerungen (Fest 2005a, 531). 136 BA N1340/54, Siedler an Speer, 16.5.77. 137 BA N1340/321.

138 BA N1340/4, Nicolaus von Below an Speer, 31.8.75. – Karl Wahl wirft Speer vor, in seinem Buch zwei Besuche in Augsburg zu einem verquickt zu haben. Wahl droht Speer an, die Episode zu schildern, wie sie wirklich war, wenn Speer es in seinem Buch nicht berichtige (BA N1340/70, Karl Wahl an Speer, 22.2.76). Speer antwortet ihm freundlich, er sei bedrückt, dass Wahl sich gezwungen sehe einen solchen Brief schreiben zu müssen, denn er habe ihn aus der früheren Zeit in guter Erinnerung behalten. Speer erklärt ihm, dass Erinnerungen eben schildern sollen, wie jeder es selbst erlebt habe (BA N1340/70, Speer an Wahl, 6.3.76). 139 In genau dieser Weise verfährt er auch mit Leni Riefenstahl, deren beider Freundschaft unter der verschiedenen Sicht auf Hitler und unter unterschiedlichen Detailschilderungen in den »Erinnerungen« offenbar nicht leidet (BA N1340/49, Korrespondenz Speer – Riefenstahl).

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Verführter Künstler oder Opportunist  ?

tigen, korrupten und raffgierigen Parteielite unterscheide.142 Allerdings genügte das Haus schon in Speer stellt sich nach dem Krieg als verführter den 1930er-Jahren seinen Ansprüchen nicht mehr Künstler dar. Er nennt im Playboy-Interview 1971 und wurde an Albert Bormann, den Bruder MarAl Capone einen Wohltäter im Vergleich zu den kor- tin Bormanns, vermietet.143 Speer verschweigt, dass rupten Nazis, die sich immer selbst bereichert hät- er 1940/41 auf der Suche nach einem Schloss oder ten.140 Hier und auch an anderen Stellen nimmt er Landsitz war und in Altranft [WV 75] und auf immer wieder für sich in Anspruch, lauter und eh- Schwanenwerder [WV 68] riesige Komplexe für sich renhaft geblieben zu sein. In seinen »Erinnerungen« plante. Kaum noch verwunderlich scheint daher, gibt er vor, kaum Parteiveranstaltungen besucht, dass auch die Angaben über seine Finanzen nicht zukaum Kontakt zu Parteikreisen gehabt und Partei- verlässig erscheinen.144 Speer zufolge unterstellen ihm Historiker, er habe ämter vernachlässigt zu haben, obwohl er damit seine Machtstellung hätte ausbauen können.141 Aus den sich vom privaten Verkehr der Partei freigehalten. Er erhaltenen Quellen geht jedoch sehr deutlich hervor, selbst ist jedoch der Meinung, dass die Parteigrödass Speer entgegen seinen späteren Verharmlosun- ßen sich vielmehr von ihm ferngehalten hätten, weil gen jedes Mittel nutzte, um seine Machtbasis zu fes- sie ihn als Eindringling betrachteten. So habe er die tigen, und ihm auch der Nutzen von persönlichen Reichs-/Gauleiter kaum gekannt und seine Freunde Verbindungen nicht fremd war. In der Art und Weise unter Künstlern, wie im Kreis um Arno Breker, bei der Selbstdarstellung unterscheidet er sich zwar von dem Pianisten Wilhelm Kempff in Berlin und in anderen NS-Größen, durch Bescheidenheit und As- München bei Josef Thorak und dem Maler Hermann Kaspar, gefunden.145 Obwohl diese Künstkese fällt er jedoch nicht auf. Sein Wohnhaus [WV 41] führt Speer als Beleg lerfreundschaften tatsächlich bestanden, war ihm für seine Bescheidenheit an, die ihn als unpoliti- allerdings auch der private Verkehr zur Partei nicht schen, nüchternen Techniker von der prunksüch- fremd.146 Freundschaftlich verbunden war Speer mit 140 Speer im Interview mit der amerikanischen Ausgabe des »Playboy«, Heft 6, 1971, 83. – Auf Deutsch erschienen in »Quick« 21, 1971. Auszugsweise abgedruckt bei: Breloer/ Zimmer 2006, 74. 141 Speer 1969, 160. 142 Speer 1969, 76. – Er führt an, dass es von geringer Größe war und nur mit einem Finanzzuschuss des Vaters errichtet werden konnte. 143 Albert Bormann, 1902-[?], ab 1933 Leiter der Privatkanzlei des Führers und später persönlicher Adjutant Hitlers (Stockhorst 2000, 72). Albert Bormann war mit seinem Bruder verfeindet (Breloer/Zimmer 2006, 77, FN 85). In den Berliner Adressbüchern wird er niemals unter der Adresse Schopenhauerstr. erwähnt. Ebenso wird nie eine andere Adresse Speers als die Schopenhauerstraße aufgeführt. 144 Breloer/Zimmer 2006, 78. – Die angebliche Bescheidenheit Speers Lügen straft auch der Vermögensnachweis, der am 1.9.1945 in Kransberg aufgestellt wird und ein zum Teil auf Schätzungen beruhendes Gesamtvermögen von deutlich über 1 Million Reichsmark ausweist (BA N1340/95). 145 Speer 1969, 160. 146 Speer nimmt auch an der »Lissabon-Madeira-Fahrt« auf der »Wilhelm Gustloff« im Frühjahr 1938 teil (BA R4606/11,

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Speer an DAF, 29.11.37). 147 Siehe auch: Seite 90. Lange nennt er Hanke seinen Freund und ist per »du« mit ihm. 1976 nennt er ihn dann in einem Interview unlauter und unterbelichtet (BA N1340/311). In den »Erinnerungen« dagegen spricht er noch vom einfachen, aber intelligenten, energiegeladenen jungen Müllergesellen (Speer 1969, 35). 148 Siehe hierzu: Hildebrand 1999, 219. 149 Geist/Kürvers 1995, 87. – Speer gibt Heydrich städtebauliche Tipps für Prag und erhält dafür 15.000 tschechische Arbeiter (Breloer/Hoffmeister 2005, 135). 150 In einem solchen Aktenvermerk vom 3.11.44 für Dr. Klopfer wird peinlich genau das Verhältnis Speers zu Göring und Goebbels untersucht (LArchB B. Rep. 031.02.01/12697, 103). 151 Geboren 23.02.1902 in Nürnberg, NSKK Standartenführer im Stabe des Korpsführers (BA R4606/1). Speer widmete seinem Adjutanten, mit dem er sehr eng zusammengearbeitet hatte, nur einen einzigen Satz in seinen »Erinnerungen«: »Mitsamt meinem Auto meldete ich mich bei meinem N.S.K.K.-Chef der Berliner Kreisleitung West, Will Nagel, der mich für Kurierfahrten in die verschiedenen Parteilokale einsetzte.« (Speer, 1969, 36). Nach der vermutlich ers-

fanatischen Anhängern Hitlers wie dem späteren Gauleiter von Niederschlesien Karl Hanke.147 Eng befreundet war er zudem mit Karl Brandt, dem Mitverantwortlichen für die Euthanasieverbrechen, mit dem er auch dienstlich in dessen Funktion als Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen verkehrte.148 Spätestens mit der Ernennung zum Reichsminister konnte sich Speer aus dem Parteiverkehr nicht mehr heraushalten und paktierte beispielsweise auch mit Reinhard Heydrich.149 Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich verschiedene parteiinterne Berichte über ihn finden, bei denen die Intention der Verfasser nicht eindeutig ist.150 Aus den Quellen wird deutlich, dass Speer zur Förderung seiner Karriere von Anfang an alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel nutzte und seine Vertrauensleute an entscheidenden Stellen installierte, wie 1934 den ihm gewogenen Julius Schulte-Frohlinde in der DAF. Dem Bild des angeblich unpolitischen Menschen, der sich vom Parteiverkehr fernhält und sich nichts auf sein Amt und seine Stellung einbildet, widerspricht zudem sehr deutlich ein Schreiben von Speers Adjutant Will Nagel an das Messeamt Ber-

lin,151 in dem er um Übersendung zweier Karten zu einer Ausstellungseröffnung für Speer und ihn selbst bittet und »bei dieser Gelegenheit noch darauf aufmerksam machen [möchte], dass« die Plätze bei der vorangegangenen Erföffnung »erstens bedauerlicherweise getrennt und zweitens derart weit zurück lagen, dass der Generalbauinspektor sich in seiner Eigenschaft als Leiter einer obersten Reichsbehörde nicht in der Lage sah, die Karten zu benutzen.«152 Nicht nur weil er aus dem Bildungsbürgertum stammte, nahm Speer eine Sonderstellung in der Partei ein. Dennoch erscheint seine Bemerkung, er habe seine Mitarbeiter nach Belieben wählen können – Parteizugehörigkeit sei dabei egal gewesen, seine eigene Mitgliedschaft in der Partei habe ausgereicht –, unglaubwürdig.153 Es ist somit auch auch nicht verwunderlich, dass Speer als Behördenleiter, weitaus mehr als er es nach 1945 zugibt, die offizielle Linie vertreten hat, entgegen seiner Behauptung, seine Dienststelle sei eine politikfreie Zone gewesen.154 Seine Stellung und der teils lapidare Umgangston in der Dienststelle hätten ihm, wäre es gegen seine innere Überzeugung gegangen, durchaus andere Möglichkeiten geboten.

ten Geschäftsordnung der GBI ist Nagel für das Vorzimmer zuständig, bearbeitet persönliche Angelegenheiten Speers, befasst sich mit dem Einkauf und der Postverteilung und koordiniert die Termine Speers (BA R4606/65, 380, undatierter Geschäftsplan, wohl 1937). Mit der Gründung der »Transportflotte Speer GmbH« am 23. August 1941 übernimmt Nagel dort das Amt des Geschäftsführers (LArchB A. Pr. Br. Rep. 107/141-5.) und wird ab 1944 Chef des Transportwesens (Boelke 1969, 17). 152 BA R4606/5, 97, Speer (durch Nagel) an Ausstellungs- und Messeamt der Reichshauptstadt, 18.5.38. – Zur Eröffnung des Hauses der Kunst in München will Speer auch nur kommen, wenn er einen Platz in der ersten Reihe bekommen würde (BA R4606/10, Karl Kolb, Direktor Haus der Kunst, München an Speer, 2.12.38). 153 Speer 1969, 160. – Diese Behauptung ist als üblicher Versuch der Verharmlosung zu werten, auch wenn Rudolf Wolters sie stützt. Wolters berichtet, nur er und Hettlage wären Katholiken und nicht in der Partei gewesen. Wolters habe Speer einmal nach einem Parteieintritt gefragt, worauf dieser ihm geantwortet haben soll: »Wenn du unbedingt Sonntags sammeln willst, ja.« Damit wäre er ein für alle Mal dispensiert gewesen. Speer schützt ihn somit

vor Verstrickungen, wofür er ihm zu Dank verpflichtet ist, wenn auch der Toleranz das Kalkül beigemischt war, ihn auf diese Weise zur Verfügung zu haben. »Hettlage und Wolters bleiben draußen – man weiß nie, wofür das noch einmal von Nutzen sein kann«, soll Speer Liebel mitgeteilt haben, als dieser die beiden zu Parteigenossen machen wollte (BA N1318/58, 234). Mit Vorsicht zu betrachten, da sie einander im Streit gegenüberstanden, ist der Bericht des ehemaligen Kommilitonen Karl Kretschmer, den Speer selbst in die »Deutsche Arbeitsfront« [DAF] berief. Er wirft Speer in einem Briefwechsel vor, ihn als Kommunisten bezeichnet und einen Mitarbeiter, als angeblich zu kommunistisch eingestellt, entlassen zu haben (BA N1340/33, Kretschmer an Speer, 30.3.70/14.5.73). 154 Speer 1969, 160. – Er bedauert beispielsweise 1942 in einem Geburtstagsglückwunsch seinen Mitarbeiter Clahes, dass dieser nicht mit dem direkten Kriegsgeschehen in Verbindung stehe, und tröstet ihn »… Krieg haben Sie mit Ihren Juden-Wohnungen sowieso genug« (BA R4606/34, Speer an Clahes, 19.7.42).

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unterscheidet.155 Auch wenn schärfere Analysen hinter der Fassade des jovialen Gesprächspartners schnell den Machtmenschen entlarven, sollte dieser Umstand weder in Bezug auf seinen Aufstieg noch auf sein Leben nach dem Krieg unbeachtet bleiben. Nicht unterschätzt werden sollte auch die Anpassungsfähigkeit Speers, der es stets verstanden hat, den passenden Eindruck zu erwecken.156 Die Beliebtheit bei seinen Untergebenen und niederen Dienstgraden spiegeln zahlreiche Zuschriften aus den Jahren nach 1966 in seinem Nachlass wider.157 Nur scheinbar bescheiden notiert Speer in seinen Spandauer Tagebüchern dazu  : »Und dann die Sympathie, die ich fast überall erwecke, wohin ich komme …«158 Sein Umgang mit seinen Mitarbeitern wird als stets freundlich und humorvoll, dennoch als gleichzeitig 1 Albert Speer und Korv.-Kap. Schulze am U-Heim in distanziert beschrieben.159 Trotz der Distanz hat er Lorient, Frankreich, Weihnachten 1942 zu besonderen Anlässen auch die Familien der Mitarbeiter eingeladen und gelegentlich ein abendliches Für das Verständnis der »Legende Speer« ist es wich- Beisammensein veranstaltet.160 Im Krieg besucht tig, dass Speer immer wieder als sympathischer Speer zu Weihnachten seine Mitarbeiter und UnterMensch bezeichnet wird und sich zweifelsfrei in vie- gebenen an der Front. 1942 fährt er dazu nach Lorilerlei Hinsicht von anderen führenden Figuren des ent [Abb. 1] und ein Jahr später nach Lappland, wo Regimes wie Julius Streicher oder Martin Bormann ihn Fotos auch im Schützengraben zeigen.161 Speer 155 Overy 2002, 130; Breloer/Hoffmeister 2005, 442; Jaskot 2000, 143; Fest 1993, 274; Leni Riefenstahl in: Breloer 2005b, 320; Giovanni Klaus Koenig in: Scarrocchia 1999, 164. Gegensätzlich dazu Picker, der Speer als sich ständig einmischenden, herumnörgelnden »Allround-Dilettanten« ohne Rückhalt in den eigenen Dienststellen beschreibt (Picker 1989, 350). Gitta Sereny geht soweit, dass es nicht nur Hitlers Leidenschaft für Architektur ist, die ihn zu seiner Entscheidung für Speer bringt, sondern auch der Mensch selbst (Sereny 2002, 370). 156 Reichel 2009, 40. 157 BA N1340/1–82. 158 Speer 1975, 58. 159 Schelkes berichtet zudem, dass Speer auf die Anrede »Professor« verzichtete. Wer ihn mit dem Titel und nicht mit »Herr Speer« ansprach, worauf Besucher von der Sekretärin hingewiesen wurden, soll fünf Reichsmark habe zahlen müssen (Privatbesitz in Deutschland). 160 Privatbesitz in Deutschland, Vortrag vom 28.02.1985. – Dieser Vortrag geht auf den Wunsch Prof. Dr. Werner Durths zurück, der diese Angaben auch in seinem Werk »Deutsche Architekten« (Durth 2001) auswertet. Mindestens ein solches Essen bei Speer in Wannsee kann belegt

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werden (BA R4606/69, 152). 161 BA Fotosammlung Speer. 162 Publiziert bei: Larsson/Lamprecht 2008. – Schelkes berichtet, dass gegenseitiges »Anpflaumen« in der Dienststelle allgemein üblich war (Privatbesitz in Deutschland, Vortrag vom 28.02.1985). 163 BA R3/1574, 76, Speer an Brugmann, 10.9.42. – Speer ruft die Mitglieder auch zu einer Besprechung über die »Verselbständigung der Dienststelle« zusammen, in deren Anschluss er zu einem »Begräbnisessen des bürokratischen Lustwandels in der Dienststelle« einlädt (BA R4606/69, 152, undatierte Einladung). Auch leitet er »Patent-Anmeldungen« weiter, in denen für die monatliche Bauleistung von 40.000 m³ umbauten Raumes die Einheit »1 Piep«, »10 Piep« sollten »1 Speer« sein, vorgeschlagen wird. Hintergrund ist in diesem Fall die Bauleistung Piepenburgs als Bauleiter der Neuen Reichskanzlei, die die Reichstagsbaustelle Wallots mit einem Bauvolumen von 5.000 m³/Monat übertraf (BA R4606/22, Stephan an Speer, 17.1.39). 164 Schelkes gab nach und die Bauruine der Wehrtechnischen Fakultät wurde nach dem Krieg als Trümmerberg wieder dem Grunewald zugeschlagen (Privatbesitz in Deutschland). – Willi Schelkes, geboren am 20.12.1904 in Neuda/

sucht dabei gezielt auch die Nähe der einfachen Dienstgrade [Abb. 2]. Der jovial-humorige Ton in der Generalbauin­ spek­tion ist mehrfach überliefert und findet seinen deutlichsten Ausdruck in den Karikaturen Hans Stephans.162 Dass Speer diesen Ton nicht nur toleriert, sondern auch maßgeblich selbst daran Anteil gehabt hat, belegen Schreiben wie jenes an Walter Brugmann zur Überreichung einer Auszeichnung des portugiesischen Staatspräsidenten General Carmona. Speer schreibt: »In Ihrer Bescheidenheit werden Sie diese hohe Auszeichnung gar nicht annehmen wol- 2 Speer in einem Soldatenheim, Ort unbekannt, um 1942–1945 len. Sie können dieses aber beruhigt tun, denn Ihre Verdienste um das Land Portugal sind zweifellos aussergewöhnlich groß. Sie sind doch von den beiden derstände von Kollegen und Mitarbeitern letztlich Tagen, die Sie in Lissabon zubrachten, eine Nacht auch kompromisslos durch. Im Konflikt mit Willi überhaupt nicht ins Bett gekommen. […] Der Palm- Schelkes um den Bauplatz der Wehrtechnischen zweig wird aus dem Halse, nicht etwa aus der Nase Fakultät geht er so weit, seinem Freund aus Studigetragen, wozu die Form des Ordens einlädt; denn entagen mit der Entlassung zu drohen, wenn dieser die Palmzweige lassen zum Unterschied von anderen weiterhin gegen ihn opponiere.164 Wie wenig für den kühl und nüchtern agierenOrden einen Zwischenraum frei, der die Aufnahme den Speer selbst Menschenleben letztlich zählten von Speisen nicht hindern würde.«163 Die Führungsposition Speers ist unangefochten und wie kalt und technokratisch er argumentieren und er setzt seinen persönlichen Willen gegen Wi- konnte, zeigt eine Denkschrift an Hitler  : Da die Niederösterreich, ist der erste Mitarbeiter Speers und zieht 1929 nach Berlin, wo er nur durch Betreiben Speers – angeblich badischer Zusammenhalt – im eigentlich vollen Tessenow-Seminar aufgenommen wird (Privatbesitz in Deutschland). Gegenüber Gitta Sereny gibt er an, als Mitglied der protestantischen Jugend den ihm zu brutalen Nationalsozialisten ablehnend gegenübergestanden zu haben und zwar Nationalist, aber kein Antisemit gewesen zu sein (Sereny 1997, 94/95; 124). Laut SS-Akte ist Schelkes aber zwischen 1921–1925 Mitglied des Jungnationalen Bundes. Er tritt im Herbst 1931 nach Abschluss seines Studiums zunächst in die NSDAP und bald darauf auch in die SS ein, in der er bis zum Hauptsturmführer aufsteigt (SS-Nr. 25 333, 1935 Stab der 62. Standarte, BA RS F260, Lebenslauf Schelkes, 15.10.34; BA SSO/SS-Führerakten Film 07413, Karteikarte Willi Schelkes). Auch in seiner Mannheimer Zeit ist er in der SS aktiv (BA R4606/25, Schelkes an Speer, 6.8.41). Schelkes dient im Krieg an der Ostfront, kann aber dennoch hin und wieder in der GBI arbeiten. Er ist am Vormarsch auf Moskau beteiligt, erhält das »Eiserne Kreuz« und äußert sich im Oktober, 80 km vor dessen Zentrum stehend, beeindruckt über die SS-Division »Reich«, die mit ihrem »schneidigen Vorgehen« seine Einheit unterstützen

würde (A R4606/55, Speer an Schelkes, 3.6.40). Schelkes erlernt von 1925–1927 in München zunächst den Beruf Gärtner und studiert bis zum Vordiplom Gartenarchitektur (Mitteilung Reinhard Schelkes; BA RS F260, Lebenslauf Schelkes, 15.10.34). Gegenüber Sereny berichtet er von 1931 bis Ende 1932 in Speers Büro angestellt gewesen zu sein und Speer zunächst nicht nach Berlin habe folgen zu wollen, da sein in Freiburg eröffnetes Büro gut ausgelastet ist (Sereny 1997, 118; 123/124). Für das Amt des »Gaureferenten Amt Schönheit der Arbeit« bei der DAF ist jedoch ein Umzug nach Karlsruhe notwendig (BA RS F260, Lebenslauf Schelkes, 15.11.34). Einige Zeit ist er auch Referent der Reichskammer der bildenden Künste, Landesleitung Baden (BA SSO/SS-Führerakten Film 07413, Karteikarte Willi Schelkes). Offenbar nimmt Schelkes am 10. Mai 1937 seinen Dienst in der GBI auf (BA R4606/65, 295, Eintrag vom 10.5.37). Zunächst ist er dort auch für die RKK zuständig (BA R4606/65, 380, undatierter Geschäftsplan, wohl 1937). In der GBI bearbeitet er als Landschaftsarchitekt vor allem die Grünplanung. Ebenso ist er in die Planung der Hochschulstadt und die HJ-Bauten involviert und betreut 1937 als zuständiger Sachbearbeiter die neue Bauzonenordnung Berlins (BA R4606/69, 244 ff.).

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Reichweite eines Flugzeuges sich »wegen des Wegfallens des Rückfluges verdoppelt«, bitte er darum, der Luftwaffe den Befehl zu einem »Totaleinsatz«, d. h. einem Kamikazeangriff, zu geben, da nur so die Russischen Elektrizitätswerke von den zu dem Zeitpunkt noch gehaltenen Einsatzbasen im finnischen und baltischen Raum zu zerstören seien.165 Dass er bei Weitem nicht immer ein harmloser Menschenfreund war, belegt außerdem ein Fall, in dem er für eine Strafverschärfung gegen einen Bauführer wegen Baumaterialmissbrauchs votierte.166 Bei der Disziplinierung der Heimatfront und der Unterdrückung als defätistisch eingestufter Gedanken über einen nicht siegreichen Kriegsausgang konnte sich Hitler auf Speer verlassen. Je tiefer die Krise des Reiches wurde, umso schärfer setzte dieser sich für Radikalisierungsmaßnahmen ein und nutzte seine Autorität für die Umsetzung.167 Dass Speer auch darüber hinaus ein nüchtern kalkulierender Machtmensch war, der jede Gelegenheit nutzte, um seinen Einfluss auszubauen und unliebsame Konkurrenz auszustechen, wird anhand der Episode um die Entmachtung des Ber-

liner Staatskommissars Julius Lippert168 ausgeführt werden.169 Hinzu kommt der andauernde Konflikt mit seinem Konkurrenten, dem »Generalbaurat der Hauptstadt der Bewegung« (GBR), Hermann Giesler. Zunächst pflegen Speer und Giesler eine kollegiale Berufsfreundschaft.170 Über die Kompetenzen im Baubereich geraten sie jedoch bald in eine heftige Auseinandersetzung und führen bis an ihr Lebensende einen Streit über ihren jeweiligen Rang in der Gunst Hitlers.171 Speer intrigiert auch noch nach dem Krieg gegen Giesler, den er Fest gegenüber einen »furchtbaren Kleinbürger«172 nennt.173 Dies nimmt teils absurde Züge an, wenn er in Briefen schreibt, dass die Bauvorhaben in München »in den Händen von Herrn Architekt Giesler (sein Vorname war – soweit ich mich erinnere – Hermann)«174 lagen oder er in den »Erinnerungen« konsequent »Giessler« schreibt und ihn als Autodidakt darstellt, dessen Enwürfe sogar der Dilettantenarchitekt Hitler wesentlich verbessern konnte.175 Auch wird Giesler durch Speers Nachkriegsbeziehungen der Zugang zur Speerchronik

Auch nach Speers Entlassung aus Spandau treffen sich beide noch regelmäßig (Privatbesitz in Deutschland). 165 BA N1340/213, Denkschrift Speer an Hitler, 29.7.44, S. 4. 166 BA N1340/258, Speer an Kaltenbrunner, 28.6.44. 167 Tooze 2007, 692. 168 Schon im August 1930 beklagt sich Goebbels in seinem Tagebuch darüber, dass Lippert immer wieder Probleme bereiten würde. Wegen seiner »indolenten Forschheit« schickt Goebbels Lippert im Dezember 1930 sogar eine Kündigungsdrohung (Goebbels/Fröhlich 1987–2008, Bd. 2/I, 211). 169 Siehe hierzu auch S. 115. 170 Zum Verhältnis Speer – Giesler siehe auch: Früchtel 2008, 122–124. 171 Auch wenn Giesler offenbar versucht dies zu ändern, hat Speer doch bis zum Ende des Krieges 1945 die höheren Ämter inne. Oft wird Giesler durch Speer über Entscheidungen und Wünsche Hitlers in Kenntnis gesetzt. Siehe hierzu: BA R4606/369, 4. 172 Fest 2005a, 88. 173 Im Gegenteil zu Speer hat Wolters Giesler nach 1945 als eine »ehrliche Haut« kennen- und schätzen gelernt. Vermutlich stützt Wolters Giesler mit dieser Aussage aufgrund des eigenen Zerwürfnisses mit Sp eer (BA N1318/58, 232). 174 BA N1340/7, Speer an Michael Brandl, 5.4.67. 175 Speer 1969, 158.

176 BA N1340/196, IfZ, München, Dr. Anton Hoch an Speer, 19.1.76. 177 Schwarz will für Speer gerne prüfen, ob Giesler den Professorentitel von Hitler verliehen bekommen hat und ob er ihn heute, ohne den Beruf des Hochschullehrers auszuüben, noch führen darf (BA N1340/61, Schwarz an Speer, 8.11.72). Das angefragte Bildungsministerium teilt Schwarz mit, dass das Führen des Titels durch Giesler nicht verboten ist (BA N1340/62, Schwarz an Speer, 1.3.73). Speer dagegen verzichtete darauf, seinen Professorentitel weiterzuführen, obwohl ihm Hans Stephan dazu rät, denn Tamms und Hetzelt[?] täten dies auch (BA N1340/63, Stephan an Speer, 5.12.66). 178 Siehe hierzu auch S. 97; 153. 179 BA R4606/28, 42: Im März erhält Speer per »du« Glückwünsche von Giesler, im November ist die Anrede wieder förmlich »Pg.« (Parteigenosse). 180 Fest 2005a, 88. – Kurz nach seiner Entlassung aus dem Spandauer Gefängnis gibt Speer Fest gegenüber zudem an, dass Hitler ihn zuletzt absichtlich kränken wollte. Bei Speers letztem Besuch in Berlin im April 1945 habe Hitler absichtlich das Thema auf Linz und den »guten Giesler« gelenkt. In einer realitätsfernen Geste habe er zudem die Ausgestaltung der Geschäftsviertel an Eva Braun und nicht an Speer delegiert (Fest 2005a, 183). Zur Veröffentlichung dieser Notizen aus den 1960er-Jahren siehe: Fest 2005a, 7.

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im IfZ verweigert.176 Speer versucht sogar durch Strohmänner ermitteln zu lassen, ob Giesler den Professorentitel noch rechtmäßig führen dürfe.177 Der offene Machtkonflikt zwischen beiden hatte sich seit dem ersten Kriegsjahr hingezogen und war erst durch die Vermittlung Martin Bormanns, die einem Befehl gleichkam, Anfang 1942 beigelegt worden.178 Der Friede war jedoch weder echt noch von Dauer.179 Kurz nach der Haftentlassung bezeichnet Speer gegenüber Joachim Fest Giesler als »Rivalen, der keiner war«, der ihn nie bei Hitler hätte ausstechen können, und setzt ihn zur eigenen Bedeutungssteigerung herab.180 In den Spandauer Tagebüchern gesteht er ein, dass eine Konkurrenz herrschte und Hitler ihm seinen »Münchner Gegenspieler« ab 1943 wohl tatsächlich vorzog.181 Richtig ist aber, dass Speer seine Macht bzw. seine Stellung bei Hitler nicht nur dann nutzte, wenn es für ihn selbst von Vorteil war.182 So schreibt er – letztlich zwar erfolglos – im Auftrag Arno Brekers an Himmler und bittet, den ihm unbekannten Verleger Peter Suhrkamp aus der Haft zu entlassen.183

Auch ihm weniger nahestehende Zeitgenossen bitten ihn um Hilfe.184 Nicht immer klar ist dabei, wo die Grenze zwischen Freundschaft, persönlichem Nutzen und Machtinteresse zu ziehen ist. Die Grenzen verschwimmen etwa, wenn er im Auftrag Brekers zu erreichen versucht, dass dessen Modell Gustav Stührk weiterhin als »UK«, d. h. für den Kriegseinsatz »unabkömmlich«, eingestuft würde.185 Verzögerungen in der Arbeit Brekers hätten ebenfalls Verzögerungen im Zeitplan von Speers Projekten bedeutet. Paul Bonatz bescheinigt Speer, dass dieser seine Familie geschützt habe, als er sich 1944 weigerte, aus der Türkei zurückzukehren.186 Gleichermaßen selbstverständlich, wie er Hilfe anbot, nutzte der bestens vernetzte Speer auch seine Freunde. So bittet er seinen engen Freund Karl Brandt im Juni 1942, Hitler einen Vortrag über »Verschönerungen« an Burgen und Gemeinden des Elsass zu halten, da er selbst für längere Zeit nicht ins Führerhauptquartier kommen werde.187 Im Gegenzug biete er ihm an, etwas für Brandts »Angelegenheit Kienzheim«188 zu tun, da er Ende September desselben Jahres sowieso

181 Speer 1975, 217. – Speer leitet dieses Eingeständnis mit einer Abhandlung über Hitlers Umgang mit Sympathien ein und referiert, dass der Fall in der Gunst Hitlers, die auch seine einzige Machtbasis gewesen sei, überraschend kommen und tief sein konnte (Speer 1975, 217). 182 Speer setzt sich für Willi Schelkes’ Vater ein, der langjähriger Leiter von Spinnereien war und seine letzte Stellung in Holland »… wegen jüdischer Boykottdrohungen gegen seinen Firmeninhaber …« aufgeben muss. Speer wäre daher dankbar, wenn Schmeer Verwendung für ihn hätte, etwa »… beim Umstellen der ostmärkischen Betriebe bezw. als Kommissarischer (sic) Leiter eines Judenbetriebes…« [und meint dass], »… da er in Auslandsstellung den jüdischen Umtrieben zum Opfer gefallen ist, besonders die letzte Möglichkeit ein gerechter Ausgleich wäre.« (BA R4606/22, 396, Speer an Schmeer, 3.2.39). Auch Generalleutnant Hans Speidel kommt Speer zur Hilfe, als dieser am 7.9.44 als letzter Generalstabchef Rommels verhaftet wird (BA N1340/408, Erklärung Hans Speidel, 15.6.55). Auch Hermann Speer profitiert von der Stellung des kleinen Bruders Albert (Breloer 2005b, 235). 183 BA R3/1574, 65, Speer an Himmler, 14.11.44. – Speer setzt sich im gleichen Schreiben auch dafür ein, dem Maler Bretz zu helfen, dessen Frau Jüdin war. Aus diesem Brief geht aber ebenfalls hervor, dass Speer die Bedeutung der Vokabel »Prinz-Albrecht-Straße«, des Sitzes des Geheimem Staatspolizeiamts und der Reichsführung der SS, bekannt

ist. Die Entlassung Suhrkamps erfolgt erst im Februar 1945 auf Betreiben Baldur von Schirachs. 184 So bittet ihn sein ehemaliger Professor Daniel Krencker um Unterstützung für einen Neubau des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom (BA R4606/22, Krencker an Speer, 28.12.38). 185 Ohne Stührk, mit dem Breker »… dank der hervorragenden einmaligen körperlichen und seelischen Werte […] das Ideal des deutschen Helden habe überzeugend darstellen …« können, könne Breker seine Arbeiten wohl nie fertigstellen (BA R3/1573, Speer an Bormann, o. D [Oktober 1944?]). 186 BA N1340/408, Bonatz an Wolters, 13.8.50. 187 BA R3/1574, 27, Speer an Brandt, 27.8.1942. – Aus dem Schreiben geht nicht hervor, wer die Arbeiten leiten soll. Speer sorgt sich einmal mehr um die Rezeption seiner Werke durch kommende Generationen: »Gerade nachdem mir grosse Mittel für die Neubauten […] bereitgestellt werden, fühle ich es als meine besondere Verpflichtung, bei den alten Bauwerken überall, wo ich helfen kann, zu helfen, da eine kritische Nachzeit es nicht verstehen könnte, wenn in derselben Zeit, in der so umfangreiche Neubauten errichtet werden, das Alte verkommt.« (BA R3/1574, 27, Speer an Brandt, 27.8.1942). 188 BA R3/1574, 27, Speer an Brandt, 27.8.1942. – Gemeint ist Kientzheim im Elsass, da Speer die Absicht äußert, das

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vor Ort sei.189 Obschon Speer eine Sonderstellung im Parteigefüge einnahm, stand er nicht isoliert, sondern war durch wechselseitige Verpflichtungen sehr wohl in das System eingebunden. 190 Speer behauptete stets, von den Verbrechen der NS-Führung vor 1945 keine Kenntnis gehabt zu haben.191 In dieser Hinsicht ist er kein Einzelfall. Auch Hitlers späterer Stellvertreter Karl Dönitz schützt sein Arbeitspensum als Grund für sein angebliches Unwissen vor.192 Dabei waren besonders die Architekten in das System verstrickt und dienten ihm, nicht nur mit den Repräsentationsbauten, auf die sich der Fokus der Architekturbetrachtung nach 1945 oftmals verengte, sondern auch mit vordergründig harmlos erscheinenden Industrie- und Wohnbauten. Nach dem Krieg wurden zahlreiche Werkverzeichnisse geschönt und um nun als belastend eingestufte Planungen bereinigt.193 Ein Son­ der­status für den führenden Architekten Speer lässt sich nicht ausmachen – im Gegenteil  : Er stützte aktiv das System von Entrechtung, Ausbeutung und Vernichtung, um daraus Profit zu ziehen. Zwangsarbeiter nahm er nicht nur für die Rüstungsindustrie oder die Großbauten, sondern darüber hinaus sogar für seine privaten Zwecke in Anspruch.194 Auf den Berliner Großbaustellen kamen mit Wiederaufnahme der Bautätigkeit nach dem Sieg über Frankreich 1940 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in großer Zahl zum Einsatz.195 Dieser wurde zwar bald

wieder beendet, jedoch nicht etwa aus moralischen Gründen, sondern weil er sich aufgrund der Schwierigkeiten bei der Bewachung nicht bewährte. Zudem wurde er wegen der »politischen Auswirkungen von vermehrtem Häftlingseinsatz auf die Bevölkerung einer Großstadt« nicht weiter fortgesetzt und erst recht nicht in großem Maßstab auf den Wohnungsbau ausgedehnt.196 Ohne Zweifel war Speer auch die wahre Bedeutung der Tarnbezeichnung »Evakuierung«, die er im Schriftverkehr verwendete, bekannt.197 Er selbst schrieb dem Berliner Oberbürgermeister (OB) ­Lippert darüber hinaus wörtlich, dass die Zusammenarbeit bei der »Entjudung« verbessert werden müsse.198 Speers verschleiernd-vage Aussagen in Interviews 1969 und 1971,199 sein Freund Karl Hanke habe ihn gewarnt, wegen der dort vorgehenden grauenvollen Dinge, nie ein KZ in Oberschlesien zu besuchen, sind unhaltbar. Nicht nur, dass eine handschriftliche Notiz Speers über eine Besprechung mit Himmler am 3. Januar 1944 belegt, dass ihm der Name Auschwitz wohl geläufig war.200 Konzen­ trationslager sind ihm spätestens seit 1936 ein Begriff, als er im Lager V der sogenannten »Emslandlager« das von Hitler gestiftete Emslandhaus [WV 45] errichtete. Speer spielt, was jedoch den Anklägern des Nürnberger Prozesses nicht bekannt wird, eine sehr zentrale Rolle bei der Judenvernichtung. Schon wenige Wochen nach seiner Ernennung zum Rüs-

benachbarte Kaysersberg herauszugreifen und vorbildlich zu renovieren. 189 Speer setzt weiterhin, genauso wie andere Prominente auch, seine Interessen durch und ermöglicht z. B. dem Luxusrestaurant »Horcher« einen Anbau, den die Baupolizei zuvor abgelehnt hat (BA R4606/67, 153, 30.6.39). 190 Für die Reichskulturkammer besorgt er 1941 die »Entmietung« des Hauses Schlüterstraße 45 (LArchB, A Rep. 24304, 7820). 191 Dies ist Hauptanlass für Gitta Sereny, Speer gründlich zu hinterfragen (Sereny 1997, 18; siehe auch Sereny 2002, 375). Ein Schreiben wie jenes, dass Speer an das South African Jewish Board of Deputies schickt, wäre mit dem heutigen Kenntnisstand schlicht unvorstellbar. Eidesstattlich versichert Speer, er habe von den Judenvernichtungen nichts gewusst, weil er nichts wissen wollte, und diese damit gebil-

ligt (BA N 1340/11, Speer an South African Jewish Board of Deputies, Mr. Diamond, o. D. [nach 1966], siehe zu den Umständen der Korrespondenz auch Sereny 2002, 380). Dönitz 1997, 435. Nerdinger 2014, 8. BA R4606/458, 144, Dr. Hentzen an Obergärtner Kater, 16.2.1943. – Zum Einsatz von Zwangsarbeitern in der durch Speer kontrollierten Rüstungswirtschaft siehe: Tooze 2007, 712 und 716–750. – Zur Wiederaufnahme der Bautätigkeit siehe S. 152. Überblick über Zwangsarbeit in Berlin bei: Bräutigam 2003a, speziell beim GBI: Bräutigam 2003b. BA R4606/26, 38, Himmler an Görlitzer, 6.1.42. – Speer überstellt die bei ihm für die Neugestaltung Nürnbergs und Berlin eingesetzten 5.000 russischen Kriegsgefangenen, einschließlich jener 10.000 im Kriegsgefangenenlager »wegen

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tungsminister traf er Vereinbarungen zur Verlegung von Rüstungsprojekten in Konzentrationslager.201 Er verlangte, dass die Lager »in stärkerer Form für die Rüstungsfertigung eingespannt werden.«202 Am 15. September 1942 gab Speer daher kontingentierte Baumaterialien für den Ausbau des Konzentrationslagers Auschwitz frei.203 Dessen Umfang belegt Susanne Willems in Ihrer Auschwitzmonographie anhand eines Planes aus dem Prager Militärarchiv [Abb. 3]. Erst dieses sog. »Sonderprogramm Prof. Speer« machte es zum zentralen Zielort der Massendeportationen. Für die von der SS als arbeitsfähig selektierten Sklavenarbeiter wurde es dadurch zum Umschlagplatz, während die als nicht arbeitsfähig 3 Bauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz, eingestuften sofort in den Gaskammern ermordet ­ ageplan, die im Rahmen des »Sonderprogramms Prof. L wurden.204 Speer selbst verteidigte seine Berlin-PlaSpeer« geplanten Erweiterungen heben sich, im Originungen für die Zeit nach 1945, indem er die soziale nal rot eingetragen, dunkel ab, datiert 6. 10. 1942. Komponente, vor allem Wohnungsbau, Grünflächen und Verkehrsfragen hervorhob, die er trotz Hitlers Desinteresses intensiv bearbeitet haben will.205 Er durch den Ausbau von Birkenau die Vernichtung unterschlug jedoch, dass er für seine Planungen die der deportierten Juden mit der Abschöpfung von Deportation der jüdischen Bevölkerung nicht nur Arbeitssklaven vereinbar sein würde – so das Kalkül billigend in Kauf nahm, sondern diese initiierte.206 Speers, als er den Ausbau von Birkenau bewilligte –, Auch der Ausbau von Auschwitz ist eng mit der Neu- würde keiner der aus Berlin zu deportierenden jügestaltung verknüpft  : Speer benötigte die Wohnun- dischen Zwangsarbeiter der Rüstungsindustrie verlogen jüdischer Mieter, um die Abrisse für die Neuge- ren gehen.«207 Er hob sich also niemals positiv von staltung Berlins fortführen zu können. Durch deren der Führungsriege des NS-Regimes ab. Die unhaltDeportation würden aber den Berliner Rüstungsbe- bare Selbststilisierung als der »gute Nazi«208 ist längst trieben die Zwangsarbeiter entzogen. »Sobald jedoch zusammengebrochen.

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Flecktyphus noch nicht freigegebenen«. 600 Gefangene behält er zunächst jedoch, um sie im Wohnungsbau einzusetzen (BA R4606/28, 89, Speer an Göring, 15.1.42). Im Januar 1942 bittet Alfred Rosenberg um »Judenwohnungen« für Angehörige seines Ministeriums, die Speer ihm unter anderem deshalb verweigert, weil »… die Evakuierung von Juden aus eisenbahntechnischen Gründen vorübergehend […] abgestoppt ist […]« (BA R4606/28, Speer an Rosenberg, 26.1.42). LArchB B. Rep. 031-02-01, 12697, 91. Speer im Interview mit der amerikanischen Ausgabe des Playboy, Heft 6, 1971, 74 und Fest, Joachim: Der Architekt – Fernsehinterview mit Albert Speer im NDR 1969, nach: Breloer/Zimmer 2006, 180. BA NS19/1449, Besprechung Speers mit Himmler, Hochwald, 3.1.44. – Ein Tagesordnungspunkt lautet: »Arbeiter

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in Auschwitz«. Speers menschenverachtende Einstellung verdeutlicht zudem sein Schreiben an Himmler vom 5.4.43, bei den KZ schnell wieder zur Primitivbauweise zurückzukehren, was sogar der SS zu weit ging (NS 19/1542). Breloer 2006, 181. Besprechung im Rüstungsministerium am 16.3.42, Abdruck bei Breloer 2006, 449. Das Dokument wurde erstmals publiziert von Freund/Perz/ Stuhlpfarrer 1993. Willems 2014, 111; Abdruck des Kostenvoranschlages bei: Breloer 2006, 189. Speer 1969, Kapitel 6, S. 85–96. Siehe hierzu: Willems 2002. Willems 2015, 202. Titel des Buches von Dan van der Vat (Van der Vat 1997).

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Selbstdarstellung in Öffentlichkeit und Presse

Seine künstlerische Tätigkeit in der Öffentlichkeit zu verbreiten, war Speer stets ein wesentliches Nach dem Krieg zeigte sich Speer sehr gewandt in Anliegen.214 Wie im Laufe der Arbeit deutlich der Steuerung der öffentlichen Wahrnehmung sei- werden wird, sah er sich als Künstler nicht ausreiner Person. Großen Wert auf eine seinen Zwecken chend gewürdigt. Daher griff er in die Veröffentdienliche Berichterstattung in der Presse legte er lichungen der Reichspresse mehrfach steuernd ein. aber auch schon vor 1945. Damit bereitete er eine Besonders aussagekräftig ist sein Schreiben an PresGrundlage, die wesentlich für seine Wahrnehmung sechef Dietrich, in dem er die Vertreter deutscher nach dem Zusammenbruch des NS-Staates ist. Er Zeitungen in Budapest anlässlich der dort stattfinversuchte, sich in der Öffentlichkeit durch medien- denden Ausstellung »Neue Deutsche Baukunst« im wirksame Aktionen209 als tatkräftig, volksnah und Herbst 1941 gezielt anweisen lässt, eigene Berichte ehrlich zu präsentieren und sich damit von den zu bringen. Bei der Berichterstattung, so präzisiert höheren Parteirängen abzuheben. So war es ihm er, könne nämlich auf seine eigenen Arbeiten, die sehr wichtig, dass der schnelle Einsatz des Bau­stabs neben denen Troosts im Mittelpunkt standen, einSpeer bei der Beseitigung von Bombenschäden ent- gegangen werden.215 Dass es sich dabei nicht um sprechend gewürdigt wurde, wie er dem »Pressechef ein den Kriegsverhältnissen geschuldetes Problem der Reichsregierung« Dr. Otto Dietrich mitteilte.210 Speers handelt, zeigt die Tatsache, dass der »VölkiBeim Wiederaufbau der Staatsoper unter den Linden sche Beobachter« schon 1938 berichtet, Speer sei 1941 bestand er darauf, dass die Verantwortlichkeit alles andere als ein nüchterner Verwalter von Baudes Bau­stabs Speer mit entsprechenden Schildern aufgaben, und ihn als großen Baumeister der Bewebekannt gemacht wurde.211 Ein derartiges Marke- gung stilisiert.216 Die Leitungsfunktion Speers und ting trug, in diesem Fall erst recht wegen des hohen die geringe Personenzahl der Architektenstäbe wird Symbolgehaltes, zur positiven Einschätzung seiner dabei ausdrücklich hervorgehoben. Speer muss sich Leistungen bei. Vor dem gleichen Hintergrund legte damals offenbar schon gegen den Vorwurf schemaer Wert darauf, bei den vom Bau­stab Speer erstellten tischer Architektur wehren, und seine ständige AnLuftschutzräumen »an geeigneter und gut sichtbarer wesenheit im Entwurfsteam, in dem es keine scheStelle«212 Plaketten mit dem Siegel »Bau­stab Speer« matische Aufgabenteilung von Spezialisten gebe, anzubringen, die wie ein Markenzeichen verkünde- wird als Garant für die künstlerische Qualität der ten, unter wessen Verantwortung der Bunker erstellt Architektur dargestellt. Um an der Urheberschaft worden war. Auch sein Wunsch, in einem niederen des Künstlers Speers keinerlei Zweifel aufkommen Rang in der SS eingestuft zu bleiben, diente der po- zu lassen, schreibt der »Völkische Beobachter« über sitiven Selbstdarstellung, in diesem Fall als Zeugnis Mitarbeiter und Arbeitsweise weiter  : seiner besonderen Bescheidenheit.213

209 Etwa seine Reise nach Lappland im Winter 1944 (Speer 1969, 330). 210 Er bemängelt, schon verfasste Berichte über das Wirken des Bau­stabes für den Völkischen Beobachter wären bisher konsequent von der Zensur zurückgehalten worden (BA R4606/24, 144, Speer an Dr. Dietrich, 21.8.41). 211 Der Tageskalender belegt, dass Speer persönlich der Beschilderung höchste Aufmerksamkeit zubilligte (BA R4606/68– 69). 212 LArchB A Pr. Br. Rep. 107/3, 362, Dr. Kötzler an LS-Baugruppe Stachowitz, 22.10.41. – An einfachen Deckungsgrä-

26 | E inleitung

ben, die nur einen geringen Schutz bieten, soll dagegen auf die Anbringung der Plaketten verzichtet werden. Speer will somit hauptsächlich mit soliden Schutzbauten in Verbindung gebracht werden (LArchB A Pr. Br. Rep. 107/3, 362, Dr. Kötzler an LS-Baugruppe Stachowitz, 22.10.41). 213 BA R4606/25, 520–535. – Speer schreibt ausdrücklich: »Ich bitte Sie jedoch, […] von unserer mündlichen Abrede noch einmal Kenntnis zu nehmen, nach der ohne meine Einwilligung eine Beförderung nicht möglich ist. Ich fühle mich als einfacher SS-Mann wohl und glaube zudem, dass mancher SS-Mann seine Freude daran haben wird, mich in

»Er selbst ist ständig an ihrer Seite. Aus der immerwährenden Fühlungnahme mit ihnen, die Treuhänder seines Planens sind, und aus einer ständigen Auseinandersetzung mit der Weiterführung der Entwürfe ergibt sich eine Schaffenskameradschaft, die die schöpferische Idee unangetastet vollendet.«217

rer Lorenz über die Reichskanzlei direkt zugeleitet werden.220 Nur einen Tag später präzisiert Speer sein eigentliches, noch immer aktuelles Anliegen  : Er lege besonderen Wert darauf, nach dem Krieg als Architekt und nicht als Generalbauinspektor dargestellt zu werden. Er habe festgestellt, dass man ihn immer mehr als tüchtigen Organisator, aber nicht als KünstOffensichtlich erreichte Speer damit aber keine Ver- ler sehe. Seine Mitarbeiter würden häufig gefragt, änderung der öffentlichen Wahrnehmung. Ähnliche wer als Künstler hinter den Plänen stehe und warum Artikel erschienen vier Jahre später in großer Zahl. dieser geheim gehalten werde. Diese Entwicklung Speer war soeben Rüstungsminister geworden. Da es sei für ihn nicht erfreulich, das Künstlerische sei sein in dieser Situation opportun war, wird er als Organi- Lebenswerk und auch für den Führer das Wesentlisator explizit gelobt, aber gleichzeitig wird erwähnt, che. Anders als bei den Bildhauern übe die Presse dass er als Künstler kein Paragrafenreiter und am hier eine gewisse Zurückhaltung, die er sich damit ehesten geeignet sei, das rechte Maß zu finden.218 erkläre, dass Unsicherheit darüber bestehe, inwieweit Kurz zuvor wurde die Lindenallee als Ort ohne amt- Hitler persönlich beteiligt sei. Zutreffend sei, »dass der Führer bei manchen Architekten bis in die Deliche Atmosphäre beschrieben.219 Verwunderlich ist es nicht, dass Speer stets als Or- tails die Ideen gibt und seinen direkten Einfluss gelganisator wahrgenommen wurde, denn der größte tend macht  ; – aber auch Sie wissen, dass er gerade Teil seiner Bauten war der breiten Masse noch nicht bei meinen Arbeiten nur äusserst selten Änderunzugänglich. Sie wurden zwar auch in der Tagespresse gen vorschlägt. Die Verantwortung für das, was ich veröffentlicht, vor allem aber in Kunst- und Archi- mache und wie ich es mache, ist mir immer restlos tekturzeitschriften, die nicht zur Massenlektüre überlassen.«221 Er wisse, so Speer weiter, dass grözählten. Die Wahrnehmung konzentrierte sich auf ßere Veröffentlichungen im Moment ausgeschlosdie Neue Reichskanzlei sowie die großen Planungen sen seien, sei aber dankbar, wenn »das Reich« oder Kunstzeitschriften schon jetzt einen Beitrag über ihn Speers für Berlin und Nürnberg. In der zweiten Augusthälfte 1942 ergibt sich als als Architekt bringen könnten.222 Folge diverser Artikel ein Briefwechsel zwischen Speer und Reichspressechef Dr. Dietrich. Dietrich schreibt, es tue ihm leid, dass die Berichte in den Zeitungen nicht Speers Erwartungen entsprächen. Um bürokratische Schwierigkeiten auszuräumen, sollten die Meldungen zukünftig ihm oder Oberbannfüh-

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seinem Rang zu wissen.« (BA R4606/25, Speer an Chef des Persönlichen Stabes des Reichsführers SS. Gruppenführer Wolff, 24.9.41). Siehe hierzu auch: Kropp 2009,106. BA R4606/24, 143, Speer an Dr. Dietrich, 4.9.41. BA R58/8031, Völkischer Beobachter, 34, 3.2.38. BA R58/8031, Völkischer Beobachter, 34, 3.2.38. how 1942; W. L. 1942, siehe auch: BA R58/8031. Petersen 1942, o. S. BA R4606/24, 148, Dietrich an Speer (FHQ), 14.8.41. – Dieses Entgegenkommen ist aber auch für Dietrich von

Nutzen, denn Speer ist im Gegenzug gerne bereit ihm bei der Herstellung seines Hauses zu helfen, das er sich nach der Räumung ansehen werde. Auch will er ihn gern in den Verhandlungen mit der Reichskanzlei unterstützen und bietet an, die Finanzierung zu organisieren, da sie erfahrungsgemäß zu Schwierigkeiten mit dem Finanzministerium führt (BA R4606/24, 147, Speer an Dietrich, 19.8.41). 221 BA R4606/24, 145, Speer an Dr. Dietrich, 20.8.41. 222 BA R4606/24, 145, Speer an Dr. Dietrich, 20.8.41.

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WERDEGANG BIS ZUM E I N T R I T T I N D I E PA RT E I (1905–1931)

Familie nach Heidelberg und wohnt dort in privilegierter Lage über dem Schloss. Nach dem Abitur an der Heidelberger Oberrealschule Kettengasse will Speer zunächst Mathematik studieren, wendet sich aber aufgrund von Einwänden des Vaters der Architektur zu.224 Zuerst studiert S t u di u m u n d Au f bruc h i n da s spät e r e er an der Technischen Hochschule in Karlsruhe bei W i r k u ng sf e l d Be r l i n Gisbert von Teuffel, Adolf Sackur und Otto Gruber.225 Offenbar ist er in dieser Zeit aber auch SchüÜber die ersten zwanzig Jahre von Speers Leben gibt ler von Max Läuger.226 Nach einem Jahr wechselt es nur spärliche Quellen, weshalb der Lebenslauf er zum Sommersemester 1924 an die Technische hier nur kurz skizziert wird. Geboren wird Berthold Hochschule in München. Berichte über den StudenKonrad Hermann Albert Speer am 19. März 1905 in ten Speer gibt es von dort keine. Wichtig für seiMannheim. Er ist das Kind begüterter Eltern und nen weiteren Lebensweg ist in München jedoch das wächst in großbürgerlichen Verhältnissen auf. Sein Zusammentreffen mit Rudolf Wolters (1903–1983) Vater Albert Friedrich Speer (1863–1947) ist, wie [Abb. 4].227 dessen Vater auch, ein arrivierter Architekt, der im Von München aus wechselt er im Herbst 1925 süddeutschen Raum zahlreiche Bauten errichtet.223 mit einer Gruppe Kommilitonen an die TechniNoch während des ersten Weltkriegs übersiedelt die sche Hochschule Charlottenburg. Gründe für die223 Zu Leben und Werk siehe: Präger 2000. 224 Speer 1969, 25–26. 225 BA N1340/65, Speer an Federico Ulsamer Puiggari, Barcelona, 21.8.69. – An den Ausflügen mit Gruber in den Schwarzwald nahm Speer jedoch nur selten teil, weil er viel Zeit mit seiner späteren Frau zu verbringen versuchte (BA N1340/65, Speer an Puiggari, 21.8.69). 226 Boelke 1969, 363. 227 BA N1340/76, Typoskript, »Rudolf Wolters, Kurzer Lebensabriß«, »Albert Speer in alter Freundschaft« gewidmet, datiert auf 25.12.1966; BA N1318/58, 219. – Rudolf Wolters (1903–1983) ist lange Zeit engster Mitarbeiter und Freund von Speer. Zusammen studieren sie zunächst in München und wechseln von dort nach Berlin. Als erstes Seminar belegt Wolters »Städtebauliches Entwerfen« bei Hermann Jansen (BA N1318/51, 114). Nach seinem Examen am 12.11.1927 tritt er eine Stellung im Privat­ atelier Heinrich Tessenows an. Am 1.4.1929 wird er aus wirtschaftlichen Gründen entlassen (Wolters 1929, 45). Er verzichtet wie Speer, Tamms und andere Tessenowschüler auf die zweite Staatsprüfung, da er nicht in den Staatsdienst eintreten möchte (BA N1318/51, 124). Während der Promotion arbeitet er vom 1.10.29 bis 30.9.30 als Bauführer im Baugeschäft Wilhelm Adrian, Berlin-Wilmersdorf und ist bis zur mit »gut« bestandenen Doktorprüfung am 13.6.30 selbstständig in Berlin tätig. Danach ist er für eineinhalb Jahre unentgeltlich bei der Reichsbahndirektion Berlin beschäftigt (BA N1318/51, 129; BA, Sammlung RKK, Wolters, Rudolf; Aufnahmeantrag BDA, Wolters,

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Rudolf ). Anschließend erhält er einen Zehnjahresvertrag für Bahnbauten in Russland, wo er in der Zusammenarbeit mit Ernst May die Grundlagen der modernen Stadtplanung kennenlernt (Durth 2001, 74). Im Sommer 1933 kehrt er jedoch nach Deutschland zurück und ist für kurze Zeit im Büro Speer beschäftigt, bevor er ab dem 15. November 1933 bei der Reichsbahndirektion Berlin arbeitet. Gelegentlich bekommt er, obwohl er nicht an Speers Erfolg glaubt, dennoch von diesem Aufträge vermittelt (BA N1318/57, 197). Werke aus dieser Zeit sind der S-Bahnhof Berlin Jannowitzbrücke und das Haus der Arbeitsfront auf der Ausstellung Deutsches Volk-Deutsche Arbeit (BA Sammlung RKK, Wolters, Rudolf; LarchB A Rep. 243-04/9976). Wolters hat ohne Parteimitgliedschaft, obwohl er, wie er angibt, von den Zielen Hitlers überzeugt ist, im Dienste der Reichsbahn keine weitere Beförderung zu erwarten. Daher nimmt er gerne das Angebot von Speer an, am 1. Januar 1937 in die GBI einzutreten (BA N1318/57, 194; 199). In der wohl ersten Geschäftsordnung der GBI ist Wolters für die Bearbeitung von Bauvorhaben mit privaten Bauherren, Veröffentlichungen, die Bücherei, Architekten- und Künstlerkartei sowie Zeichenarbeit zuständig (BA R4606/65, 380, undatierter Geschäftsplan, wohl 1937). Später erweitert sich sein Tätigkeitsfeld auf die Nord-Süd-Achse, Verkehrsringe und Museen. 1939/40 wird er durch Goebbels zum Ausstellungskommissar ernannt und hat die deutsche Baukunst im Ausland zu repräsentieren. Zusätzlich ist er Schriftleiter der »Baukunst« und beginnt 1941 die Chronik der Dienststelle zu führen (BA R4606/65, 380, undatierter

sen Wechsel überliefert einzig Speer, der angibt, er habe bei Poelzig studieren wollen.228 Hans Poelzig (1869–1936) ist gerade erst an die TH Charlottenburg berufen worden,229 sein Ruf ist ihm jedoch vorausgeeilt. Seine Ankunft, kurz darauf auch die von Heinrich Tessenow (1876–1950), erscheint den Studenten wie eine Befreiung, berichtet Julius Posener und bezieht sich dabei auf die bisherige Praxis einer starren, stark formalisierten Ausbildung.230 Die Entwurfsseminare, die nach dem Vorexamen anstehen, sind sehr voll und es ist schwierig, dort einen Platz zu erlangen. Speer berichtet, dass er zunächst bei Poelzig abgewiesen worden ist, was glaub- 4 Rudolf Wolters, 2. v. l., Mitglieder des Seminars haft erscheint, denn Poelzig nimmt im Widerspruch Tessenow auf einer Exkursion nach Kopenhagen an zu den Hochschulregeln nie mehr als 25 Studenten Bord eines Schiffes, um 1930 auf.231 Zuerst studiert Speer daher bei Professor ­Erich Blunk.232 Auch nach der Berufung Tessenows dass von den Eingeschriebenen nur etwa ein Dutbessert sich die Situation nur bedingt und dessen Se- zend zu den wirklich Aktiven gehört, die den ganzen minar ist ebenfalls überfüllt.233 Wolters schränkt ein, Tag um den »Meister« sitzen.234 Geschäftsplan, wohl 1937). Nachdem Speer die OT übernommen hat, wird er dort Chef der »Hauptabteilung, Kultur, Presse und Propaganda der OT« (BA R4606/55, Soldatenbrief der GBI, 04.1943). In diesem Amt unternimmt er häufig Reisen in die besetzten Gebiete. Ende März 1945 verabschiedet er sich von Speer. In Corvey richtet er noch im Mai 1945 ein Entwurfsbüro ein. Wolters wird mit dem Wiederaufbau von Coesfeld, Borken und Anholt sowie der Marktstraße und dem Schlaunschen Schloss in Ahaus beauftragt. Bald darauf eröffnet er ein Zweigbüro in Düsseldorf und nimmt an vielen Wettbewerben teil. Zu seinen Nachkriegswerken zählen u. a. das Polizeipräsidium in Dortmund, das Hotel Königshof in Bonn, Wohnsiedlungen und die Industriekreditbank in Düsseldorf sowie Schulen und Wohnsiedlungen im Münsterland. Immer mehr spezialisiert er sich auf den Krankenhausbau (BA N1340/76, »Typoskript Rudolf Wolters, Kurzer Lebensabriß«, handschriftlich datiert 25.12.66). Während der Haftzeit ist Wolters über die Kassiber Speers Vertretung in der Außenwelt. Nach der Entlassung kommt es über den unterschiedlichen Umgang mit der Vergangenheit zum Streit, der in einem totalen Zerwürfnis endet. Infolgedessen schickt Speers Rechtsanwalt Martin Löffler Wolters wenig feinfühlig ein unpersönlich abgefasstes Schreiben, indem er mitteilt, dass Speer das Urheberrecht an allen Schriften, Zeichnungen und auch Briefen habe, die Wolters in Original oder Kopie verwahrt (BA N1340/36, RA Löffler an Wolters, 14.4.80). 228 Speer 1969, 27. 229 In den Streit um die Neubesetzung greift auch die Stu-

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dentenschaft ein, die sich eigentlich Mies van der Rohe wünscht. Dennoch leeren sich, gibt Wolters rückblickend an, nach der Berufung von Tessenow und Poelzig die Seminare der »alten« Professoren Rüster, Siedler und Blunck deutlich (BA N1318/51, 118). Posener 1979, 363. – Weiter führt er aus, wer immer etwas habe lernen wollen, sei zu den beiden Neuen gegangen (Posener 1979, 363). Nach Sereny nimmt Poelzig pro Jahr nur zehn Studenten auf und Speer fragt sich, wie sein Leben verlaufen wäre, hätte er bei Poelzig einen Studienplatz bekommen (Sereny 1997, 89). Um aufgenommen zu werden, müssen sich die Bewerber an einer Monatsaufgabe versuchen. Möglich, dass Speer hier an seinen schlechten Zeichenkünsten scheitert (Hentrich 1995, 71). Ob Hentrich die Tatsache, dass Speer deswegen bei Poelzig abgelehnt wurde, aus eigener Erinnerung überliefert oder von Speer übernimmt, ist nicht klar (Speer 1969, 27). Im Übrigen geht er nur sehr kurz auf diesen ein und widmet ihm lediglich drei Zeilen (Hentrich 1995, 81). BA N1340/414, 22. Die überlieferte Personenzahl weicht sehr stark ab. Hentrich berichtet von rund 100 Studenten (Hentrich 1995, 74). Speer dagegen berichtet Sereny von 50 Kommilitonen (Sereny 1997, 89). Wolters Schätzungen liegen nahe bei denen von Speer, er berichtet von 60 Mitgliedern (BA N1318/51, 118). BA N1318/51.

S tudium und Aufbruch in das spätere Wirkungsfeld B erlin  |  29

Bei Tessenow studiert Speer ab dem Wintersemes- Eine Dissertation stellt Speer nie fertig. Wolters gibt ter 1925/26 insgesamt vier Semester.235 Durch das an, er habe diese gegen Entgelt schreiben sollen.242 Vermögen seiner Eltern ist er frei von materiellen Gemäß einer anderen Quelle soll dagegen Karl Zwängen und verfügt sogar über ein Auto. Wolters Kretschmer die Arbeit verfassen.243 Auch Willi Schelkolportiert – was jedoch aus keiner anderen Quelle kes schreibt in seinen Lebenserinnerungen, er habe zu belegen ist –, dass Speer dieses Vermögen nutzt, nach seiner Rückkehr nach Freiburg im Spätherbst um gegen Bezahlung begabtere, aber weniger gut si- 1932 für fünf Reichsmark pro Stunde Fenstertypen, tuierte Kommilitonen seine Zeichnungen ausführen angefangen beim Burgenbau, für die Doktorarbeit zu lassen.236 Datierte Entwürfe aus der Studienzeit Speers gesammelt. Da Speer außer dem »Diplominsind zwar nicht bekannt, der Lehrer bescheinigt genieur« keinen weiteren akademischen Grad inneSpeer 1932 aber  : hat, wird ihm auf Vorschlag von Joseph Goebbels am 30. Januar 1937244 von Hitler der Professorentitel »Während seiner Studienzeit zählte Herr Speer zu verliehen.245 Weitere Titel darf er nicht annehmen den talentiertesten Studierenden meines Seminars, und im Krieg muss er die Ehrendoktorwürde an der seine Studienarbeiten wurden als solche wiederholt Technischen Hochschule Berlin auf Protest von Borbesonders ausgezeichnet.«237 mann ablehnen, da die Spitzen des Staates in dieser Zeit keine Auszeichnungen bekommen sollen.246 Obwohl die Schülerkartei Tessenows für die späteren Speer, so berichtet er Sereny, studiert in einer inforJahrgänge zunehmend aussagekräftiger wird, vermel- mellen Atmosphäre unter der ausgleichenden Fühdet sie zu Speer nichts  ; so findet sich dort weder der rung Tessenows.247 Darüber hinaus ist für das Klima später durchaus übliche Eintrag der besuchten Ver- in dessen Seminar der enge Zusammenhalt der Stuanstaltungen noch die Note des Diploms bzw. dessen denten untereinander kennzeichnend. Speer ist sogar Thema.238 Speer schließt im November 1927 gleich- Trauzeuge seines Bürokollegen Alfred Roth.248 Mit zeitig mit Rudolf Wolters,239 mit dem er angeblich und ohne Lehrer werden zahlreiche Ausflüge und stets um die besten Noten konkurriert haben soll,240 Exkursionen unternommen – nicht nur zu Studienzwecken, z. B. nach Dänemark, in die Umgebung sein Studium ab.241 nach Ferch oder auch zum Paddeln [Abb. 5] und Ski235 Speer 1969, 27. 236 »Der Nonchalance des Äußeren entsprach ein ebenso salopper Arbeitsstil. Als ich den Studenten Speer kennenlernte, war er ein genialer Faulpelz, der alle manuelle, vor allem zeichnerische Arbeit im Stücklohn an weniger begüterte, aber umso emsigere Kommilitonen vergab.« (BA N1318/58, 222). Speer selbst bezeichnet sich als Studenten mit nur geringem Talent zum Zeichnen (Speer 1969, 27). 237 Kunstbib. NL-HT, IV.2.1, Zeugnis Heinrich Tessenow für Albert Speer, 12.5.32. 238 Kunstbib. NL-HT, Schülerkartei. – Das Diplomthema Speers ist unbekannt. Wolters Aufgabe ist ein Entwurf für die Bebauung der Havelhalbinsel Schildhorn mit flachgedeckten, weiträumig durchgrünten Landhausgruppen (BA N1318/51, 123). 239 Dies ist als Detail insofern bedeutsam, da Speer die Diplomprüfung in den »Erinnerungen« auf den Sommer 1927 verlegt (Speer 1969, 28), während Wolters sie präzise auf den 10.–12. November 1927 datiert (BA N1318/68, 154). 240 Sereny 1997, 90.

30 | Werdegang bis zum Eintrit t in die Partei

241 Hentrich berichtet über die Prüfungen, dass die Themen der Diplomarbeiten bei Tessenow vorgegeben werden, während bei Poelzig die Studenten darauf Einfluss nehmen können (Hentrich 1995, 84). Für die mündlichen Prüfungen werden die Studenten in Vierer- oder Fünfergruppen eingeteilt. Speer absolviert die Prüfung in einer Gruppe mit Egon Eiermann (Hentrich 1995, 86). 242 Wolters selbst erklärt dazu: »Speer hatte mich […] unter anderem mit der Materialsichtung seiner geplanten Doktorarbeit ›Das Fenster‹ betraut.« (BA N1318/57, 192). In den Akten Wolters befindet sich eine Gehaltsquittung: »für Reinigung des Zimmers und der Doktorarbeit erhalten RM 150.« (BA N1318/57, o. S.) Speer schreibt 1973 an Erich Fromm, dass die Doktorarbeit durch die Ereignisse 1936 nicht mehr fertig wird. Späterhin arbeitet er in der Haftzeit viele Bücher zu der geplanten Arbeit durch, die sich auf die Rolle des Fensters im Verlauf der verschiedenen Stile und seine Beziehung zur Beleuchtung der Räume, die in verschiedenen Perioden unterschiedlich aufgefasst wurden, konzentrieren sollte (BA N1340/21, Speer an Fromm, 1.7.73).

5 Paddelausflug von Mitgliedern des Seminars Tessenow nach Mecklenburg im Sommersemester 1930

fahren.249 Der Zusammenhalt der Tessenowschüler zeigt sich auch später unter dem NS-Regime  : Willi Schelkes, Rudolf Wolters, Hans-Peter Klinke und

Friedrich Tamms – letzterer offiziell Poelzig-Schüler, aber oft bei Tessenow250 – gehören dann zu Speers Mitarbeiterstab.251

243 B Rep. 058, 5554, »War Hitlers Leibarchitekt […] in politischer Hinsicht wirklich harmlos?«. – Verfasser dieses Schreibens an die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg vom 28.5.59 ist ein Architekt »Gust[av] Ad[olf ] Eckfeld« aus Berlin Britz. Das Schreiben macht insgesamt einen wenig seriösen Eindruck und soll Speer belasten. Die Beweggründe des Autors sind nicht klar ersichtlich. Dem Schreiben nach soll Speer das Ansinnen an Kretschmer schriftlich gestellt haben und als Eckfeld Kretschmer 1941 in Posen besucht, soll das Schriftstück noch erhalten gewesen sein. 244 BA N1340/263. 245 Geist/Kürvers 1995, 61. – Siehe dort auch weiterführend zu Speers Säuberung der Akademie der Künste und der Neubesetzung von Behrens Posten. 246 Schneider 1979, FN 532. 247 Sereny 1997, 90. 248 Die Freundschaft zwischen Speer und Roth löst sich allerdings schon vor der Machtergreifung (Mitteilung Linde Hohn, 2.4.2009). Roth war im Oktober 1924 Tessenows

Assistent in Dresden, zieht 1926 mit nach Berlin, wo er bis März 1926 Assistent bleibt. Nach dem Krieg ist er wieder von Oktober 1948 bis zu Tessenows Tod am 1.11.1950 dessen Assistent (Rede Alfred Roth zum 100. Geburtstag Heinrich Tessenows, 7.4.1976, Privatbesitz Hohn). 249 Kunstbib. NL HT, Fotosammlung. 250 Hentrich berichtet, dass viele Poelzig-Schüler auch bei Tessenow gehört hätten, erwähnt aber nicht, ob auch Tessenow-Schüler bei Poelzig hörten (Hentrich 1995, 74). Möglicherweise steht dem Poelzigs rigide Beschränkung der Teilnehmerzahl entgegen. Tamms berichtet 1955 über seine Teilnahme an Veranstaltungen Tessenows (BA N1340/408, Tamms an [nicht genannten] Botschafter, 11.6.55). 251 Auch Alfred Roth bekommt ein Angebot von Speer, lehnt dieses aber ab (Mitteilung Linde Hohn, 2.4.2009). Später greift Speer gerne auf ihm bekanntes Personal zurück und arbeitet mit Peter Koller und Franz Böhmer zusammen. Siehe hierzu: Schwendemann/Dietsche/Górczyńska-Przybyłowicz 2003; Schneider 1979.

S tudium und Aufbruch in das spätere Wirkungsfeld B erlin  |  31

Auch wenn Speer im Seminar Tessenows mit der NSDAP in Kontakt kommt und später aus diesem Umkreis viel Personal anwirbt, herrscht dort keine einheitliche politische Auffassung. Zeitzeugenberichte legen jedoch nahe, dass sich das Klima um die Wende zu den 1930er-Jahren deutlich verändert und eine Radikalisierung der politischen Ausrichtungen stattfindet. Als Wolters 1933 seine Tätigkeit in Sibirien beendet, konstatiert er, dass sich etliche, wenn nicht gar die Mehrzahl der Seminarmitglieder der NSDAP zugewandt haben, nachdem im Seminar zuvor sämtliche politische Ansichten friedlich koexistieren konnten.252 »Dem neuen Trend […] konnte auch Speer nicht ausweichen«, banalisiert Wolters den Parteieintritt seines Freundes.253 Eine geschlossene Orientierung in Richtung der NSDAP findet im Seminar dennoch nicht statt. Wie vorher ist das gesamte Spektrum der politischen Auffassungen vertreten.254 Als Beispiel der politischen Diversität sei hier der Assistent Walter Loeffler genannt, mit dem Speer auch in privatem Kontakt stand und der der politischen Linken so nahestand, dass er 1938 auf der Flucht vor der Gestapo keinen anderen Ausweg als den Suizid sah.255 Nach seinem Studium beginnt Speer am 15. November 1927256 als »Gehilfe« in Tessenows Privatpraxis bzw. Privatatelier zu arbeiten. Im Unterschied zum Entwurfsseminar an der TH Charlottenburg257 nutzen Meisterklasse und Privatatelier die gleichen

Räumlichkeiten in einem großen Atelier in der Hardenbergstraße 33 [Abb. 6].258 Der einzige Unterschied ist, dass sich das Privatatelier mit den Privat­ aufträgen Tessenows befasst. Das Meisteratelier259 dagegen dient der Weiterbildung des Architektennachwuchses an der Vereinigten Staatsschule – der heutigen Universität der Künste. Hier setzen die Absolventen also ihre A ­ usbildung fort. Wolters berichtet, er habe mit der Erarbeitung eines Dachfensters begonnen und sei über Tür, Treppe und Türgriff zum Möbel gekommen. Im Gegensatz zum Hochschulstudium mit eher künstlerischer Ausrichtung erhalten die Schüler der Staatsbauschule eine mehr handwerklich-praktische Vorbildung, die die TH-Absolventen Speer und Wolters hier nachholen.260 Eine wirklich klare Trennung zwischen Privat- und Meisteratelier hat es aber anscheinend nicht gegeben, wie ein Brief nahelegt, den Tessenow 1927 schreibt  :261 Im Meisteratelier seien demnach entweder Entwürfe unter seiner Korrektur oder eben seine Privatarbeiten zu erledigen, dem Interessenten stehe es frei zu wählen. Bezahlung dürfe er in beiden Fällen nicht erwarten. Die sogenannten »Gehilfen«262 erhalten aber zumindest einen geringen Lohn. Das Privatbüro Tessenow ist wenig erfolgreich und so ist Speer mangels Aufträgen zwar durchaus mit der Entwurfsbearbeitung, aber wohl kaum mit der baureifen Durcharbeitung eines Projektes oder gar

252 BA N 1318/57, 190. – »Das Seminar Tessenow hatte sich schon um 1930 […], in politischer und kulturkritischer Hinsicht völlig gewandelt und zwar, wie mein Freund mir eines Tages berichtete, zur nationalsozialistischen ›Weltanschauung‹ hin. […] Nur wenige Jahre vorher hatte ich im Seminar noch einen in jeder Hinsicht heterogenen Kommilitonenkreis erlebt, der den Pluralismus der Weimarer Jahre widerspiegelte. Wir nannten uns zwar mit gewissem Stolz Tessenow-Schüler, die sich als verschworene Gemeinschaft begriff, die aber Linke und Rechte, Konservative und Liberale, Konfessionelle und Agnostiker friedlich unter einem Dach vereinte.« (BA N1318/57, 191). Ein Vergleich politischer Auffassungen der damaligen Mitarbeiter und Studenten lässt diesen Bericht Wolters über das politische Spektrum nicht sehr weit hergeholt erscheinen. Einschränkend berichtet Ralf Troje, damals auch bei Tessenow, man habe zwar miteinander gearbeitet, sich darüber hinaus aber

nichts zu sagen. Die politischen Auffassungen wären zudem ausnahmslos radikal gewesen (Freundl. Mitteilung Hanna Troje 26.03.2009). 253 BA N 1318/57, 191. 254 Speer berichtet im Zusammenhang mit seinem eigenen NSDAP-Eintritt, dass sich die Studentenschaft der TH früh spaltet. Links orientierte Studenten schrieben sich bei Poelzig ein, die völkisch gesinnten bei Tessenow (Speer 1969, 31; Schiefer 2013, 24). Auch Durth übernimmt die These der Gruppenbildung (Durth 2001, 57), die zudem der Zeitzeuge Hentrich bestätigt (Hentrich 1995,79). Was wie oben geschildert für das Seminar Tessenows gilt, gilt gleichermaßen auch für das Seminar Poelzigs. Am Beispiel Hans Köhlers, der dem rechten Spektrum zuzuordnen ist, widerlegt Schmitz die These, dass sich nur Linke bei Poelzig versammelt hätten (Schmitz 2007, 266). 255 BA N1340/70, Briefwechsel Speer mit Helene Wallraff,

32 | Werdegang bis zum Eintrit t in die Partei

6 Privatatelier Tessenow, um 1930

mit der Bauüberwachung betraut. Tessenow klagt oft darüber, dass er keine Aufträge erhält, und 1930 muss er die Anzahl von einstmals zehn »Gehilfen«

auf zwei abbauen.263 Im November 1932 schließt er das Büro endgültig. In einem Zeugnis für Speer erklärt er, dieser sei an den Planungen zum Umbau

März 1970. – Walter Loeffler war der Schwager Helene Wallraffs. 1934 habe das Ehepaar Loeffler einen Regimegegner aufgenommen, wer es war, habe sie jedoch nie erfahren. Nachdem dies 1938 an die Gestapo durchgesickert sei, begingen Loefflers, nach Frankfurt am Main umgezogen, Sui­ zid. Speer gibt an, dass kurz nachdem er Assistent bei Tessenow wurde, Loeffler als weiterer Assistent berufen wurde. Solange sie Assistentenkollegen sind, d. h. 1929–1931, sind die Ehepaare oft zusammen. Über Politik wollen sie sich nie unterhalten haben, erst spät habe er erfahren, möglicherweise von Wallraff, dass Loeffler weit links stand und sich das Ehepaar im Frankfurter Stadtwald den drohenden Gefahren entzog. Er bedauert, Helene Wallraff nicht mehr sagen zu können, aber nach seiner Rückkehr nach Berlin 1933 wären sie nicht mehr zusammengekommen (BA N1340/70, Speer an Helene Wallraff, 13.3.1970). 256 BA N 1318/69, 154; Kunstbib. NL-HT, IV.2.1, Zeugnis

Heinrich Tessenow für Albert Speer, 12.5.32. 257 Ein Entwurfsseminar zu besuchen war Pflicht für jeden Studenten nach dem Vorexamen (Hentrich 1995, 72). 258 BA N1318/51, 125. – Es handelt sich um einen großen, lichten Raum von 9 x 12 m, an den sich ein kleines Vorzimmer und das eigentliche Atelier des Meisters anschlossen. 259 Als Mitglied der Akademie der Künste besitzt Poelzig genau wie Tessenow ein ebensolches. Bemerkenswert ist, dass Tessenow nur zwei Schülern aus dem Jahrgang – Wolters und Speer – diese Möglichkeit zur Weiterbildung gewährt (BA N1318/51, 124). 260 BA N1318/51, 125. 261 Kunstbib. NL HT, Tessenow an Hellmuth Richter, Magdeburg, 19.7.27. 262 Kunstbib. NL-HT, IV.2.1, Tessenow an Loeffler, 23.3.28. 263 Kunstbib. NL-HT, IV.2.1, Tessenow an Brinkmann, 28.5.31.

S tudium und Aufbruch in das spätere Wirkungsfeld B erlin  |  33

eines Berliner Privathauses und zum Neubau einer Tessenow stellt Speer aber am Ende seiner Tätigkeit großen Berliner Schulanlage264 beteiligt gewesen.265 ein Zeugnis aus, wonach er sehr wohl für die AssisSpeers Rolle im Privatatelier scheint nicht besonders tentenrolle qualifiziert und den Anforderungen des herausragend gewesen zu sein. Aus der erhaltenen Lehrbetriebes durchaus gewachsen war  : Korrespondenz entsteht im Gegenteil der Eindruck, »Als Assistent ist Herr Speer im besonderen noch seidass Loeffler der Hauptgehilfe war.266 In den »Erinnerungen« erwähnt Speer diese als ner Mittlerrolle zwischen den Studierenden und mir Fortsetzung der Ausbildung gedachte Gehilfenzeit immer in bester Weise gerecht geworden  ; er stand nicht, sondern nur die Assistenz, die eine eigen- mir als Lehrer immer in denkbar bester Weise behilfverantwortliche Tätigkeit als Lehrender im Semi- lich zur Seite und hatte zu den Studierenden immer nar darstellt. Somit präsentiert er sich schon in der ein denkbar bestes Verhältnis, […]«270 Ausbildung als zielstrebig und tatkräftig, als jemand, dem es schon zu diesem frühen Zeitpunkt möglich Wie sein Vorgänger Alfred Roth, der über seine Täist, alles zu erreichen.267 Tatsächlich steigt er erst tigkeit für Tessenow berichtet, wird auch Speer als zum Assistenten an der TH auf, nachdem er sich in Assistent sehr selbstständig und frei gewesen sein.271 Tessenows Privatbüro eineinhalb Jahre in weiterer Seine Mittlerrolle zu Tessenow findet auch in den Sekundärquellen ihren Niederschlag. Erwin SchwarAusbildung bewährt hat. Im Privatbüro arbeitet Speer bis April 1929. Über- zer beschreibt beispielsweise, dass für die Entwurfsgangslos schließt sich die Tätigkeit als Tessenows besprechungen mit Tessenow zuerst die »hürde der Hilfsassistent an der TH an.268 Wolters zufolge ist assistenten [sic]«272, unter ihnen Speer, zu passiedie Wahl Speers für viele eine Überraschung. Er mut- ren ist.273 Neben der Entwurfskorrektur organisiert maßt über die Gründe für Tessenows Entscheidung  : Speer zwischen 1930 und 1932 mehrere größere Exkursionen, unter anderem nach Österreich und »Es war in gewisser Hinsicht auch für den von der Skandinavien.274 Das gute Verhältnis zu seinem Lehrer ist nach Hobelbank zum Hochschullehrer aufgestiegenen Tessenow typisch, daß er den ähnlich unkonventi- Speers Hinwendung zur NSDAP nicht frei von Spanonellen Außenseiter Speer anderen, durch bessere nungen. Es ist allerdings nach den Ereignissen des Zeugnisse und Leistungen ausgewiesenen Bewerbern Krieges und Speers Wirken in der Zeit nach 1945 nicht mehr möglich, unbeeinflusste Aussagen von vorzog.«269 Dritten darüber zu erlangen. Um gar nicht erst den 264 Wahrscheinlich ist damit der Entwurf für eine Schule in der Berliner Friedrich-Ebert-Siedlung an der Afrikanischen Straße gemeint. 265 Kunstbib. NL-HT, IV.2.1, Zeugnis Heinrich Tessenow für Albert Speer, 12.5.32. 266 Kunstbib. NL-HT, IV.5.1, Ordner 26 u. 27: Fast alle Schreiben sind von Loeffler gezeichnet, nur ein einziges dagegen von Speer. 267 Speer zitiert sich in einem Brief an seine spätere Frau von 1926 selbst: »Ich werde mir Mühe geben, in einem Jahr in seine ›Meisterschule‹ zu kommen, und ich werde nach einem weiteren Jahr versuchen, bei ihm Assistent zu werden. […] Ich wurde schon ein halbes Jahr nach Beendigung meines Examens sein Assistent.« (Speer 1969, 27) Einerseits, um die Erfüllung seiner eigenen Ziele zu kommunizieren,

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andererseits um das Außergewöhnliche an dieser Stellung zu dokumentieren, kommt er wenige Zeilen später darauf zurück und teilt mit:»Im Sommer 1927 […] bestand ich die Diplomprüfung. Im darauffolgenden Frühjahr wurde ich mit dreiundzwanzig Jahren einer der jüngsten Assistenten der Hochschule.« (Speer 1969, 28) Mit dieser Datierung ist auch die Angabe, die Assistentenstelle habe die Heirat ermöglicht, hinfällig. Margarete Weber heiratet also keinen erfolgsverwöhnten Aufsteiger, sondern schlichtweg einen jungen Architekten in der Ausbildung. 268 »1929« gibt Speer auch bei der Vernehmung im Nürnberger Prozess an. Er bezeichnet sich dort aber als »erster Assistent« (Reif 1978, 26). 269 BA N1318/57, 190. 270 Zeugnis von Heinrich Tessenow für Albert Speer,

7 Speer [links] mit seinem Lehrer Heinrich Tessenow im offenen Autobus auf dem Weg nach Kopenhagen, um 1930

Verdacht einer persönlichen Nähe Tessenows zum Regime aufkommen zu lassen, wird auch das Verhältnis zum kompromittierten Schüler Speer von Zeitzeugen schlechter dargestellt, als es gewesen sein wird.275 Tessenow wird als ausgezeichneter Lehrer beschrieben. Wolters lobt ihn in seinen Memoiren

dafür, kein Kolleg gehalten, sondern in zwangloser Atmosphäre am Reißbrett die Entwürfe korrigiert zu haben.276 Speer selbst schreibt über Tessenow  : »Er ist nach außen genauso phantasielos und nüchtern wie ich, aber trotzdem haben seine Bauten etwas tief Erlebtes.«277 Er will ihn bewundert haben, wenn auch

12.5.1932, NL-HT Kunstbib. Berlin. IV.I.I. 271 Rede Alfred Roth zum 100. Geburtstag Heinrich Tessenows, 7.4.1976, Privatbesitz Linde Hohn. – Weiter gibt Speer in den »Erinnerungen« an, dass Tessenow keine Vorlesungen hielt und lediglich 4–6 Stunden die Woche im großen Seminarsaal anwesend war, um die Entwürfe zu begutachten. In der restlichen Zeit wären die Studenten, bei der Entwurfskorrektur auf ihn, Speer, angewiesen gewesen (Speer 1969, 30). 272 Schwarzer 1988, 102. 273 Schwarzer 1988, 102. – Schwarzer arbeitet nach seinem Studium als Architekt und ist nach 1945 in der Politik tätig. Im Juni 1970 trifft er sich mit Speer in Heidelberg und lässt sich die »Erinnerungen« signieren. 274 BA N1340/408, Erklärung Heinrich Tessenow, 19.7.50.

275 Die in den »Erinnerungen« geschilderte Begebenheit, dass nur durch sein Eingreifen die Wiedereinstellung Tessenows an der Technischen Hochschule erreicht werden konnte, ist nicht zu belegen und wird von Marco De Michelis als äußerst unwahrscheinlich gewertet (De Michelis 1991, 136). Karl Kretschmer wirft Speer vor, Tessenow mit seinen Schwierigkeiten allein gelassen zu haben, weswegen dieser die dann zu spät erfolgte Hilfe ablehnt (BA N1340/33, Kretschmer an Speer, 30.3.70). 276 BA N1318/51, 119. Auch sein Schüler und späterer langjähriger Assistent Alfred Roth war ebenfalls voll des Lobes für seinen Lehrer. Mitteilung Linde Hohn, 2.4.2009. 277 Speer 1969, 27.

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nicht in der Art, wie er später Hitler bewundert, da Bauleiter hinzu. Offensichtlich erschwert jedoch die Tessenow ihm kein Lebensziel bieten kann.278 Das unterschiedliche Auffassung von Architektur eine Verhältnis zu seinem Lehrer ist ihm aber stets wich- fundamentale Verbesserung des Verhältnisses. Die tig.279 Zu Tessenows 65. Geburtstag im Jahr 1941 Diskrepanz zwischen seinen eigenen Entwürfen schreibt er ihm, sich der gegenseitigen Entfremdung und dem Schaffen Tessenows erfasst Speer selbst in bewusst, und bittet um Verständnis, dankt ihm aber dem zitierten Brief zu dessen Geburtstag 1941.283 gleichzeitig  : Tessenow seinerseits teilt seine Abneigung gegen die »Neue Deutsche Baukunst« zumindest Wolters »Ich selbst möchte die Gelegenheit nutzen und Sie in einem Brief mit.284 Speer ist, so Wolters, durch sehr herzlich bitten, zwischen uns, mir als ihrem die fehlende Anerkennung durch seinen Lehrer, mit Schüler und Assistenten und Ihnen, als meinem sehr dem er an der TH so harmonisch zusammengearverehrten Lehrer, wieder ein engeres Verhältnis zu er- beitet hat, gekränkt und bittet Wolters bisweilen möglichen. Wenn auch sicher in Ihren Augen meine um Vermittlung zu Tessenow.285 Die Entfremdung Arbeiten nicht in der Linie liegen, die Sie gelehrt, geht jedoch nicht so weit, dass Tessenow Speer nach so möchte ich feststellen, dass ich mir für die Er- Kriegsende seine Hilfe versagt. So unterstützt er die kenntnis eines klaren Grundrisses und auch für die von Speers Frau betriebenen Freilassungsbemühunlogische Entwicklung einer Ansicht keinen besseren gen durch eine schriftliche Erklärung. Er beschreibt Lehrer hätte wünschen können, als Sie, lieber Profes- darin eine Entfremdung nach 1933 mit Abbruch der sor Tessenow.«280 Verbindung und erinnert sich nur an zwei flüchtige Begegnungen gegen Ende der NS-Herrschaft. WeiDer lose Kontakt zwischen beiden reißt auch in der ter schreibt er, er sei sicher, dass er in Speer einen Folge nicht ab. Im Juni 1941 treffen sich beide in Fürsprecher gehabt hätte, wenn er ihn jemals entBerlin.281 Speer misst dieser Begegnung offenbar sprechend gebeten hätte. Trotz seiner Einbindung eine hohe Bedeutung bei, denn er hält sich den 11. in das Regime bleibt Speer für Tessenow »immer der Juni nahezu komplett für Tessenow frei.282 Nach ei- freundliche, gutwillige Mensch«, den er »nie anders nem Treffen in der Dienststelle der GBI um 12  :30 gewertet« habe.286 Uhr fahren sie gemeinsam mit Wolters in das Luxusrestaurant »Horchers«, um dort ein Mittagessen einzunehmen. Zur anschließenden Besichtigung der Reichskanzlei stößt noch Carl Piepenburg als deren 278 Sereny 1997, 93. 279 Auch nach der »Machtergreifung« der NSDAP schätzt Speer nach eigenen Angaben Tessenow weiterhin sehr. Er will ihn angeblich protegiert haben, als er Schwierigkeiten mit der NSDAP bekam, und versucht haben, ihn weiterhin mit Aufträgen zu versorgen (Speer 1969, 32 FN2). 280 Brief Speer an Tessenow, 3.4.1941, in: Kunstbib. Berlin NL-HT, IV 6.2.44, zit. n. De Michelis 1991, 135. 281 BA R4606/69, 199, Tessenow an Speer, 3.6.41. 282 Weitere Termine hat Speer an diesem Tag nicht, während sein Terminplan die Tage zuvor und danach ganztägig eng belegt ist. (BA R4606/69, 192, Eintrag vom 11.6.41). 283 Brief Speer an Tessenow, 3.4.1941, nach: Schmitt 2002, 565. 284 Kunstbib. Berlin, Brief Tessenow an Wolters, zitiert in: Ausstellungskatalog, Heinrich Tessenow, 1876–1950, Kat.

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285 286 287 288

Ausst. Deutsches Architekturmuseum Frankfurt 1991, 46. – Weitere Kritik Tessenows an Speers Arbeit und dem dahinterstehenden politischen System überliefern in anekdotischer Form Wolters und der Architekturhistoriker und Tessenowschüler Julius Posener, aber auch Speer selbst (BA N1318/58, 229; Posener 1979, 366; Speer 1969, 40). BA N1318/58, 229. BA N1340/408, Erklärung Heinrich Tessenow, 19.7.50. Aufzählung der Werke siehe: BA, Sammlung RKK, Speer, Albert. Aufnahmeantrag BDA. Speer ist in einer durch Joseph Brix, Professor für Stadtund Straßenbau, zusammengestellten Gruppe, als Stadtplaner, Architekt und Lehrer an einer zu gründenden Architekturschule vorgesehen (Speer 1969, 30). Das Projekt hat es gegeben, der Anteil Speers an diesem Projekt ist jedoch nicht in Erfahrung zu bringen. Siehe weiterführend: Habib,

Se l b s t s tä n digk e i t i n M a n n h e i m u n d Be r l i n Seit dem Wechsel aus dem Privatbüro Tessenows an die TH ist Speer nebenher selbstständig tätig und hat auch neben der Arbeit als Assistent genügend Zeit für eigene Projekte.287 Allerdings erhält er kaum Aufträge. Ein Engagement am Hof des afghanischen Königs Aman Ullah wird durch einen Staatsstreich und die darauffolgende Absetzung des Monarchen verhindert.288 In der Zeit seiner Assistenz realisiert Speer das Wohnhaus seiner Schwiegereltern in Heidelberg [WV 2], das älteste seiner wenigen erhaltenen Werke. Nur wenig später entsteht der Entwurf für ein Siedlungshäuschen, der 1931 in der Baugilde veröffentlicht wird. Schon vorher hat er mit Wolters zusammen an einem Wettbewerb für ein Wohnhaus in Elberfeld teilgenommen [WV 4].289 Für 1931 lassen sich drei weitere Wettbewerbsteilnahmen ermitteln. Bei zwei von diesen, dem Gemeindehaus in Mannheim290 [WV 7] und der Kirche für Rheinfelden [WV 3], erhält er zwar keinen Auftrag, aber immerhin werden seine Entwürfe angekauft. Bildlich überliefert sind der Rheinfeldener Entwurf [Abb. 13] und sein Beitrag zum Wettbewerb für den Neubau der Ernst-Moritz-Arndt-Kirche in Berlin-Zehlendorf [WV 5  ; Abb. 14]. Die Stellung als Assistent gibt Speer 1932 aus eigenem Antrieb auf.291 Im Dezember 1931292 setzt Walter Loeffler Otto Simon über Speers Pläne in Najibullah: Stadtplanung, Architektur und Baupolitik in Afghanistan. Betrachtung traditioneller u. fremdkultureller Einflüsse von 1880 – 1980, Bochum 1987 (Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss). Wie Speer ist auch Wolters an Bauaufträgen in Afghanistan interessiert (BA N1318/51, 132). 289 Wolters notiert zu diesem in seinen nur fragmentarisch erhaltenen Tagebüchern: »Juni und Juli 1929: mit Speer zusammen großer Wettbewerb Elberfeld: Riesenarbeit zufrieden. Später (?) durchgefallen Wohnhaus … 10. Juli in Auftrag.« (BA N 1318/68, Bd. 4, 174). 290 Zum Mannheimer Wettbewerb ließ sich nur ermitteln, dass es sich um einen »Gemeindebau« handelt, wobei bei kirchlichen Bauvorhaben in der fraglichen Zeit eine Beteiligung Speers nicht nachweisbar ist. 291 Zeugnis von Heinrich Tessenow für Albert Speer, 12.5.1932, NL-HT Kunstbib. Berlin. IV.I.I.

Kenntnis, zum Ende des Semesters seine Tätigkeit zu beenden. Dies zeigt, dass der Schritt in die Selbstständigkeit kein spontaner Entschluss war. In den folgenden zwei Jahren legt Speer die Grundlagen für seine spätere Karriere.293 In diese Zeit fallen sowohl seine Tätigkeit in der Motor-SS und das Scheitern seines Mannheimer Büros als auch der Beginn seiner Geschäftsbeziehung zur NSDAP in Berlin, die ihn letztlich in den Umkreis Hitlers bringen wird.294 Von Berlin aus zieht Speer im April 1932 mit seiner Frau nach Mannheim zurück. Dennoch bleiben enge Verbindungen nach Berlin bestehen und er pendelt oft zwischen beiden Städten. Speer berichtet Gitta Sereny über diesen Zeitraum  ; Quellen, die eine Überprüfung der Aussagen ermöglichen, sind selten. Sein Kommilitone Willi Schelkes, der 1931 seinen Abschluss mit Auszeichnung bestanden hat, ist sein einziger Mitarbeiter. Die ersten Aufträge von der Gauleitung in Berlin erhält Speer im Sommer 1932.295 Unterstützt wird er bei deren Bearbeitung durch Schelkes, der ihm für zwei Monate dorthin folgt. In der Mannheimer Zeit gibt es kaum Aufträge für Speer. Sein Vater, der sich zu dieser Zeit zur Ruhe setzen will, bietet ihm an, ihn mit potenziellen Kunden bekannt zu machen  ; die Vermittlung bleibt jedoch offenbar wenig erfolgreich. Einzig die Verwaltung des umfangreichen Grund- und Immobilienbesitzes der Familie Speer erfordert einige Arbeit und wird dort die Hauptbeschäftigung des jungen Architekten gewesen sein.296 In Anbetracht 292 Kunstbib. Berlin, NL-HT IV.2.1., Loeffler an Simon, 19.12.1931. 293 In Speers »Erinnerungen« findet genau diese Zeit nur einen merkwürdig geringen Niederschlag (Speer 1969, 35–44). 294 Genauere Informationen zu Speers Parteitätigkeiten im Kapitel ›Mitgliedschaft in der NSDAP und ihren Gliederungen‹. 295 Hiermit könnte der Umbau des Gauhauses [WV 12] gemeint sein, den Speer nach der Wahl 1932 durch Vermittlung von Karl Hanke relativ spontan übernimmt, da er angibt danach wieder nach Mannheim zurückgekehrt zu sein (Speer 1969, 38). 296 Sereny 1997, 119.

S elbstständigkeit in M annheim und B erlin   |   37

seiner häufigen Aufenthalte in Berlin297 ist es, auch unter Berücksichtigung der schlechten Wirtschaftslage, kaum verwunderlich, dass Speers Mannheimer Büro nicht erfolgreich ist. Der Aufenthalt in Mannheim, berichtet Schelkes, ist für ihn daher auch nicht von langer Dauer, denn schon im Spätherbst 1932 »schläft das Büro geruhsam ein«.298 Aus einem der raren Zeugnisse dieser Zeit, einem Schreiben Speers an seinen Lehrer aus dem Mai 1932, ist zu erfahren, dass er seine fast vollendete Doktorarbeit über das »Fenster« doch nicht abgeben könne. Er arbeite derzeit an einem Ladenumbau [WV 10], was ihn so sehr beschäftige, dass er nicht einmal dazu komme, seine eigene Wohnung fertigzustellen, die er sich im rückwärtigen Trakt seines Elternhauses letztlich doch noch einrichtet. In der Zeit um den Ersten Weltkrieg sind in einem Anbau über dem Bürogebäude im Hof Schlaf-, Ankleide- und Badezimmer für die Eltern entstanden. Eben jene nachträglich angebauten Räume reichen Speer als Wohnung [WV 11] in der Mannheimer Zeit, die seiner Frau und ihm »als der Inbegriff des gemütlichen Zusammenseins in der Erinnerung bleiben wird«.299 Der besagte Laden­ umbau für den Unternehmer Fels [WV 10] auf den Planken, der Mannheimer Hauptgeschäftsstraße, ist neben dem Ausbau der eigenen Wohnung das einzige Werk, das aus dem Frühjahr 1932 bekannt ist.300 Auf die angeblich unpolitische Haltung Speers wird allerdings dadurch ein Schlaglicht geworfen, dass er sich, noch nicht lange Mitglied in der NSDAP, abfällig über den jüdischen Auftraggeber äußert.301

297 Siehe Kapitel: ›Erste Aufträge für das neue Regime‹. 298 Entwurf o. D. in Privatbesitz in Deutschland. – Er zieht daraufhin weiter nach Freiburg und gründet dort ein eigenes Büro (Entwurf o. D. in Privatbesitz in Deutschland). 299 BA N1340/405, Jungenderinnerungen, Nürnberg 5.4. – 19.5.47. 300 Auch Speer erwähnt in den Manuskripten zu seinen »Erinnerungen« keine weiteren Werke (BA N1340/424, »Korr. Fassung«, Kap. III, 3). 301 Kunstbib. Berlin, NL-HT IV.1.1. Speer an Tessenow, 31.5.32. – Speer berichtet über den provinziellen Eindruck, den Mannheim macht. Weiter schreibt er: »Unser Bauherr ist auch dazu geeignet, den Eindruck nicht zu verbessern. Er

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A rc h i t e k t a m E n de de r W e i m a r e r R e pu bl i k Prägend für Speers Frühwerk ist das Vorbild Heinrich Tessenows. Wie viele von dessen Schülern übernimmt Speer, der mit ihm in engem Kontakt steht, manche Eigenheit, insbesondere die Art des Zeichnens.302 Später schwindet die Orientierung an dem Lehrer, zunächst zeichnet Speer jedoch analog zu Tessenow und kopiert dessen Art der Strichzeichnung. Die Natur behandelt er auf ähnliche Weise und übernimmt beinahe identisch dessen Art, Bäume darzustellen. Ein typisches Detail seines Meisters kopiert er häufig und platziert wie dieser oft eine hölzerne Bank neben den Eingangstüren der von ihm entworfenen Häuser. Selbst im Foto übernimmt Speer die Motivik seines Vorbildes und fotografiert das Haus seiner Schwieger­ eltern in Heidelberg derart, dass – wie in den Entwürfen Tessenows – ein Laubbaum den Ausblick auf die Architektur rahmt [Abb. 9]. Damit überträgt er ein lang etabliertes Motiv der Landschaftsmalerei in die Fotografie, um damit den Grundsätzen Heinrich Tessenows folgend die Einbindung des Neubaus in die umgebende Natur zu betonen.303 Es ist leicht möglich, Speer in die Schule Tessenows einzuordnen, die sich, wie schon von Zeitgenossen anlässlich einer Ausstellung von Schülerwerken in der Werkbundzeitschrift »Die Form« bemerkt wird, weniger durch Progressivität, Innovation und individuelle Künstlerpersönlichkeiten auszeichnet304 als vielmehr durch Homogenität auf hohem Niveau.305 Speer arbeitet dabei dennoch von Anbeginn ist natürlich ein Jude, da er aber vor 1914 eingewandert ist, meint er sich wie ei[sic) Aristokrat benehmen zu müssen.« Speer legt weiterhin den angeblich schlechten Geschmack des Auftraggebers dar und berichtet darüber, viel Marmor, Bronze und Mahagoni, am besten noch Ersatzstoffe, würden ihm gefallen. 302 Roth 1941, 277. – Tessenow wird zeitgenössisch als große Persönlichkeit charakterisiert, der seine Schüler immer wieder begeistert, sogar derart, wie Posener 1994 konstatiert, dass diese nicht nur seine Bauformen übernahmen, sondern auch seinen Zeichenstil (Posener 1994, 7). 303 Die Fotos wurden von Speer selbst aufgenommen, wie in der Publikation des Hauses im Werkbund-Organ »Die

an frei von Dogmen, ohne enges stilistisches Korsett, und übernimmt auch Anregungen aus moderneren Architekturströmungen. Die Innenaufnahmen des Hauses der Schwiegereltern, das mit Stahlrohrmöbeln und »Frankfurter Normdrückern«306 an den Türen ausgestattet ist, zeigen, dass Speer trotz der generellen Nähe zu Tessenow kein ausschließlicher Verfechter konservativer Architektur ist. Es sind nur wenige Wohnhausentwürfe von Speer erhalten, sodass Aussagen auf dieser Basis nur bedingt als allgemeingültig zu betrachten sind – zumal die Intentionen der Entwürfe stark voneinander abweichen. Die Wohnhausentwürfe folgen alle dem einfachen, reduzierten Schema Tessenows. Da es sich in allen Fällen um Häuser handelt, die nicht dem gehobenen Wohnhausbau zuzurechnen sind, lässt sich deren Schlichtheit auch durch die Bauaufgabe erklären. Ganz besonders trifft dies auf Speers »Siedlungshaus« für Subsistenzwirtschaft [WV 6  ; Abb. 8] zu. Ziel war es, die Baukosten so gering wie irgend möglich zu halten, weswegen sich die Form nur aus den Notwendigkeiten der Nutzung entwickeln ließ. Dezidierte Schmuckelemente oder dekorativ aufgefasste Bauglieder findet man hier nicht. Ausdruck der Bescheidenheit der Planung ist unter anderem die bei Kleinhäusern für Selbstversorger übliche Unterbringung des Abtritts im angebauten Kleintierstall, d. h. der Verzicht auf ein Badezimmer mit teurer Sanitärinstallation. Speer bedient sich eines bodenständigen Vokabulars, das dem avisierten Bewohnerkreis sicherlich auch näher liegt als Experimente mit Formen und neuen Baumaterialien.307 Er kann Form« extra erwähnt wird (Speer 1933b, 289). 304 Kunstbib. NL-HT, III.2.14, nicht gekennzeichneter Zeitungsartikel. 305 Speer gibt später an, er habe Schultze-Naumburgs »Kulturarbeiten« und auch Moeller van den Brucks »preussischen Stil« angeblich erst nach 1933 kennengelernt. Zudem habe er einige Bücher über Bauhaus-Architektur und Le Corbusier gehabt. Die drei Bücher Tessenows, die seine Absichten zur Architektur vor 1933 erklärten, habe er genau gelesen. Tessenow hat Proportionsgesetze abgelehnt und auch sein Schüler Speer war daher der Meinung, der Architekt müsse ein Gefühl dafür haben (BA N1340/44, Speer an Jacques Paul, GB, 7.9.73).

8 Albert Speer, »Entwurf für ein Siedlungshaus« (WV 6), Ansicht, Grundriss EG, vor 1931

sich damit nicht von ähnlichen Entwürfen absetzen, die bedingt durch die gesellschaftliche Situation an der Wende zu den 1930er-Jahren in großer Zahl entstehen. In der gleichen Zeit werden auch Konzepte entwickelt, die eine serielle Fertigung ermöglichen, neue Baustoffe für die Verwendung im Hausbau erschließen oder modular mit dem Wachsen der Siedlerfamilie bzw. der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation erweiterbar sein sollen.308 Deutlich andere Vorbedingungen liegen dem Haus für die Schwiegereltern [WV 2  ; Abb. 9] zugrunde. Sein vergleichsweise großes Volumen und sein gehobenerer Anspruch erklären sich durch die 306 Siehe dazu: Schmitt 2002, 566. 307 Im Umfeld des Bauhauses wird unter anderem von Gropius mit Asbestschieferplatten experimentiert. Es entstehen auch Entwürfe, die Stahl als Baumaterial vorsehen, wie etwa das Stahlhaus von Georg Muche und Richard Paulick in Dessau-Törten. Namhafte Architekten wie Martin Wagner, die Brüder Taut Otto Bartning und Hans Scharoun befassen sich außerdem mit modularen Wohnkonzepten. 308 Das Dachgeschoss ist aus Kostengründen als Reservefläche zunächst nicht ausgebaut. Durch die Vorbereitung für den Einbau einer Treppe realisiert Speer immerhin ein rudimentäres Modularkonzept.

A rchitekt am E nde der Weimarer Republik   |  39

Abb. 10  : Albert Speer, Entwurf für ein Gärtnerhaus (WV 13), vor 1933

9 Albert Speer, Heidelberg, Haus Weber (WV2), Ansicht von Osten, um 1933

Bestimmung für zwei Familien der Mittelschicht. den Anforderungen des Grundrisses, was sich an der Das schlichte Äußere verbirgt, dass Speer insofern Ostfassade ablesen lässt. Dort sind keine durchgänaktuelle Strömungen in der Architektur aufgreift, als gigen Fensterachsen ausgebildet, die Lage des Treper großes Augenmerk auf Rationalisierung und eine penhauses ist durch die um ein halbes Geschoss vermaterialsparende Bauweise legt, weswegen er mit der setzten Fenster ablesbar. Beim Entwurf für ein »Gärtnerhaus« [WV 13  ; Abb. »Tessenow-Wand«309 sowie vorgefertigten Bauelementen arbeitet. Besonders die Straßenfassade des 10] orientiert sich Speer am weitverbreiteten Typus zweigeschossigen, traufständigen Hauses mit Sat- mit annähernd kubischem Unterbau unter hohem teldach zeigt die stilistische Nähe Speers zu seinem Zeltdach. Das Gärtnerhaus versieht Speer mit reichLehrer. Die in Achsen angeordneten Fenster sind mit lich Rankgerüsten, einer Pergola über der Terrasse sokleinteiliger Sprosseneinteilung und Fensterläden wie einer weiteren am Rande des Grundstücks. Der versehen, unter einem schmucklosen Vordach steht Baukörper an sich bleibt schlicht, die Fenster werden eine Bank. Auch bei diesem Haus verzichtet Speer nicht betont und nur die Traufe wird durch ein Konauf additive Zierformen, d. h. rein dekorative Ele- solgesims getragen, was zu diesem Zeitpunkt aber als mente. Die Gestalt entsteht aus den Proportionen weitere Reminiszenz an den ländlichen Holzbau zu der Bauglieder und deren spezifischer Durchbildung sehen ist, nicht als Vorgriff auf die das spätere Werk im Detail. Speer entwickelt die Außenansicht nach bestimmenden klassizistischen Tendenzen. 309 Tessenow hat diese spezielle Ausbildung der Holzfachwerkbauweise 1909 patentiert (Schmitt 2002, 564).

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Die beiden Kirchenentwürfe für Rheinfelden [WV 3  ; Abb. 13] und Berlin [WV 5  ; Abb. 14] weisen zu den drei einem ähnlichen Grundschema verpflichteten Wohnhäusern deutlichere Unterschiede auf. Der ältere Rheinfeldener Entwurf steht dabei dem Vorbild Tessenows sehr nahe und hätte nicht nur aufgrund des Zeichenstils wenigstens in Teilen aus der Feder des Lehrers stammen können, wie die beinahe identische Gestaltung von Bereichen der Gartenansicht in dessen Entwurf für die Hochschule für Musik in Berlin zeigt [Abb. 12]. Auch die grazil überlängte Pergola vor dem Haupteingang der Kirche [Abb. 134] lässt sich direkt auf Tessenow zurückführen, der eine solche sowohl bei der sächsischen Landesschule in Kloitzsche als auch bei der internationalen Kunstausstellung in Dresden 1926 umgesetzt hatte. Die Reduktion der Bauteile, Wandflächen, Giebel und Dächer auf die geometrischen Grundformen Rechteck und Quadrat, Dreieck und Pyramide erinnert zudem augenfällig an Tessenows Festspielhaus in Dresden-Hellerau. Verstärkt wird der Eindruck nochmals durch die Ausgestaltung des Glockengeschosses im Turm, der mit seinen hohen, schlanken, von ebenso schmalen Pfeilern getrenn- 11 Albert Speer, Rheinfelden (WV 3), Kirchenentwurf, 1929 ten Schallöffnungen die Portikus des Festspielhauses zitiert. An den Gebäudekanten ist jeweils eine Art Eckquaderung angegeben. Diese stellt den einzigen nige Achsen ausgebildet. Die Eckquaderungen und Schmuck am Komplex dar und findet sich, in Werk- die Sprossenfenster der Nebengebäude zeigen, dass Speer keinen explizit modernen Eindruck erzielen stein ausgeführt, auch in Hellerau. Innerhalb kleinerer Städte sind Kirche und Pfarr- will, obschon sich im Entwurf einige moderne Elehaus zu den Bauten zu zählen, die eine gewisse Re- mente finden. Hierzu gehören neben den klaren kupräsentativfunktion innehaben. Speer reicht hierfür bischen Formen die äußerst filigrane Pergola [Abb. eine einfache Strichzeichnung ein, die die wesentli- 129], die der Jury allerdings als »nicht ausführbar« chen Züge seines Vorhabens reduziert darstellt und missfällt,310 sowie die hohen vorgehängten Kirder Jury noch einigen Interpretationsspielraum für chenfenster, die Parallelen im Industriebau haben die konkrete Ausführung lässt. Auffällig ist, dass er [Abb. 13]. Die flachen Walmdächer ohne sichtbaren Überinsofern von historischen Vorbildern abweicht, als er von einer strengen Rasterfassade absieht und die stand an den Gemeindebauten um die Kirche hätFensteranordnung den sich aus dem Grundriss er- ten dem Komplex variable Ansichten ermöglicht. gebenden Notwendigkeiten unterordnet. Nur wo Aus der Nähe wäre zwar das Dach von Kirche und es sich aus der Raumdisposition ergibt, werden ei- Turm, das vermutlich regionaltypisch mit roten Bi310 o. A. 1929, 4.

A rchitekt am E nde der Weimarer Republik   |  41

12 Heinrich Tessenow, Berlin, Entwurf für die Hochschule für Musik, 1929

13 Albert Speer, Rheinfelden (WV 3), Kirchenentwurf, 1929

berschwänzen eingedeckt werden sollte, als deutli- besondere für Details, jedoch genauso schematisch cher Akzent in Erscheinung getreten, nicht aber die undefiniert. Verbindendes Element des RheinfeldeDächer der Gemeindebauten, die ihren Eindruck als ner und des Berliner Entwurfs ist die grundsätzliche Flachbauten jedoch mit zunehmender Entfernung Wahl des Longitudinalbaus für den Kirchenraum. verloren hätten. Speer hat den Standpunkt am Ende Trotz der bedingt modernen Architektursprache vereiner langen Straße mit eingeplant, vermeidet somit meidet Speer Experimente in der Raumgestaltung, einen zu starken Bruch mit der umgebenden Be- wie sie etwa zu dieser Zeit schon Dominikus Böhm standsbebauung und kann trotz seiner moderneren oder Otto Bartning unternehmen. Wenig älter als Formen eine Einpassung in das bestehende Stadt- der Entwurf Speers ist die Aachener Fronleichquartier erreichen. Die »feinsinnige und reizvolle« namskirche von Rudolf Schwarz, Hans Schwippert Gestaltung wird auch von der Jury anerkannt, auch und Johannes Krahn von 1928–1930 [Abb. 15] mit wenn sie die Lage von Pfarrhaus und Kinderschule ihrer äußerst puristischen Gestalt und minimalistials verfehlt bewertet311 und daher einen anderen schen Raffinesse – besonders in der Lichtführung. In der flüchtigen Betrachtung bietet sie in ihrer Entwurf vorzieht. Für Berlin legt Speer eine Vogelschau vor, die strikt reduzierten Sprache und dem freistehenden seinen Entwurf plastischer präsentiert als in Rhein- Kampanile einen Eindruck davon, wie Speers Entfelden.312 Die Angabe der Architektur bleibt, ins- wurf hätte wirken können. Jener separat stehende 311 o. A. 1929, 4.

42 | Werdegang bis zum Eintrit t in die Partei

312 Die Art der Zeichnung ist, auch wenn es sich nicht mehr um die schematischen Strichzeichnungen handelt, immer

14 Albert Speer, Berlin, Wettbewerbsbeitrag zur Ernst-Moritz-Arndt Kirche (WV 1), Perspektive von Westen. Parallel zum oberen Bildrand angedeutet die Onkel-Tom-Straße, 1931

Glockenturm stellt zudem eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Speer-Entwürfe dar. In Proportion und Gestaltung, insbesondere des Glockengeschosses, sehr ähnlich, ist der Turm in Berlin jedoch flach gedeckt, zudem lässt die Zeichnung mit der Andeutung biegesteifer Ecken an ein sichtbares Stahlbetonskelett denken. Der Umgang mit den geforderten zusätzlichen Gebäuden ist ebenfalls ähnlich. Speer löst in beiden Fällen die Aufgabe insofern im Sinne der Tessenow’schen Lehre, als er die Bauten so auf den Grundstücken gruppiert, dass trotz der weitgehenden Reduktion der Baukörper auf stereometrische Grundformen abwechslungsreiche Ansichten entstehen. noch mit Tessenow vergleichbar, vor allem dessen Entwurf für die evangelisch-reformierte Kirche in Karlshafen. Abbil-

In der Wahl der konservativeren Ausdrucksweise in Rheinfelden wird der ländliche Bauort am Hochrhein eine Rolle gespielt haben. Auch mag im Gegenzug die Nachbarschaft der im Bau befindlichen Großsiedlung »Onkel Toms Hütte« in der Metropole Berlin Speer zu einer weiteren Annäherung an die Moderne inspiriert haben. Auch wenn im ganzen Reich teils in erheblichem Umfang experimentiert wird, ist Berlin eines der Zentren der Moderne in Deutschland – mit einer großen Bandbreite an Konzepten. Diese zeigen sich nicht zuletzt in den vielfach beachteten Großsiedlungen. Speer greift die aktuellen architektonischen Strömungen im Siedlungsbau der Reichshauptstadt auf, zeigt eine Tendenz zur modung bei: De Michelis 1991, 300.

A rchitekt am E nde der Weimarer Republik   |  43

15 Rudolf Schwarz, Aachen, Fronleichnamskirche, Zustand 2010

dernen Architektur und erweist sich damit nicht als dogmatischer Vertreter des Heimatstils. Ausschlaggebend mag auch die Einpassung seines Entwurfs in die Umgebung gewesen sein. So übernimmt er für den Berliner Wettbewerbsbeitrag zwei Grundmotive der Siedlung »Onkel Toms Hütte« [Abb. 16]  : das Flachdach und die Entwicklung der Baukörper aus verschiedenen, teils autonomen Quadern mit eigenen Dächern, die bei aller Reduktion auf das Orthogonale für Abwechslung sorgen und flächige Monotonie vermeiden. Die Fensterflächen der Wohnbereiche nehmen mit ihren hochrechteckigen Formaten, oft zu mehreren gekuppelt, die Motivik der benachbarten Großsiedlung auf. Mit den sehr

großen Fensterflächen der öffentlichen Bereiche und der puristischen Gestaltung der Außenanlagen adaptiert Speer weitere Elemente der Moderne. Dabei bleibt die Formensprache noch immer gemäßigt. Er vermeidet allzu starke Experimente, sowohl in Form als auch Material. Bestimmt wird der Entwurf vor allem durch die klare Kubatur und die nüchterne Sachlichkeit der Baukörper. Trotz seiner Orientierung an der heterogenen Gruppe der Siedlungsbauten dieser Zeit mündet Speers Entwurf nicht in einem typischen Zeilenbau. Mit der Lage am Ausgang des U-Bahnhofes, der innerhalb der Siedlung einen zentralen Punkt markiert, ist eine städtebaulich prägnante Situation zu

313 Durth/Sigel 2009, 210. 314 Durth/Sigel 2009, 241.

315 Vergleiche hierzu die Entwürfe Tessenows für das Gebäude dreier Berufsschulen für Berlin Charlottenburg, den Entwurf für eine Schulanlage im »Afrikanischen Viertel«, Ber-

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berücksichtigen und in der ohne dezidiertes Zentrum geplanten Siedlung ein Identifikationspunkt zu schaffen. Zum anderen handelt es sich nicht um eine Wohnbebauung, für deren Förderung enge Kriterien gelten, die häufig zu Zeilenbauten führen.313 Ohne sich den malerischen Charakter der ländlich inspirierten Gartenstädte oder die Wirkung der vom Expressionismus beeinflussten Siedlungen zum Vorbild zu nehmen, erzeugt Speer in seinem Entwurf Spannung durch den Einsatz flächiger Baukörper und die plastische Wirkung s-förmig angeordneter Elemente mit zahlreichen Versätzen. Die Architekturlandschaft der 1920er-Jahre ist 16 Bruno Taut, Otto Rudolf Salvisberg, Hugo Häring und Martin Wagner, Berlin, Siedlung Onkel Toms uneinheitlich, das Neue Bauen dominiert keinesHütte, 1926–1931 wegs. Vielmehr existieren verschiedene Richtungen nebeneinander und werden weiterentwickelt, oft auch mit Annäherungen an sachliche Gestaltungsmuster.314 Auch Speer folgt diesem Weg. Er wendet sich aber nicht vollständig von Tessenows Grundsätzen ab, wie die bewegte Anordnung der einzelnen Baukörper auf dem Grundstück zeigt, sondern plant nach dessen Vorbild abwechslungsreiche architektonische Räume. Auch Tessenow selbst ist jedoch kein ausschließlicher Vertreter des Heimatstils. Er hat sich der Avantgarde nicht verweigert, vor allem bei größeren bzw. öffentlichen Projekten,315 sondern seinen eigenen Weg gesucht, den er seinem Schüler Speer wohl vermittelt hat. Er ist Mitglied im »Ring«, entwirft aber nicht konsequent nach den Prinzipien des Modernen Bauens, sondern verbindet Bewährtes mit Neuem. Einzelfälle sind Tessenow und Speer dabei nicht. Auch Paul Bonatz, Hans Poelzig und Fritz Schuhmacher entwerfen zeitweise in einem zurückhaltend modernen Stil.316 Selbst Paul Schmitthenner vollzieht mit seiner Hohenstein- und Robert-BoschSchule in Stuttgart eine formale Annäherung an die Moderne.317 Dabei kann er, nicht zuletzt wegen seiner Tätigkeit für den »Kampfbund für Deutsche Kultur«,318 wahrlich nicht als Vertreter des Neuen Bauens bezeichnet werden. lin Reinickendorf und die Malwida-von-Meysenbug-Schule in Kassel. 316 Pehnt 2005, 169.

317 Durth/Sigel 2009, 246. 318 Pehnt 2005, 184.

A rchitekt am E nde der Weimarer Republik   |  45

AU F S T I E G I N D E R PA RT E I (1931–1933)

Warum gerade Speer der Architekt Hitlers geworden ist, konnte bis heute nicht überzeugend geklärt werden. So beiläufig und zufällig, wie Speer es darstellt, trug sich sein Aufstieg mit Sicherheit nicht zu.319 Eine der wichtigsten Weichenstellungen, die den Aufstieg erst ermöglicht, ist seine Mitgliedschaft in der NSDAP. Wie hier zu zeigen sein wird, kann er im Rahmen seines freiwilligen Engagements für die Partei jene Beziehungen knüpfen, die – zu diesem Zeitpunkt für ihn kaum zu ahnen – ihn letztlich bis zu Hitler bringen.

Sicher ist, dass der Parteieintritt 1931 weniger spontan erfolgt, als Speer es nach 1945 glauben machen will. Seine Mitgliedschaft im NSAK/NSKK (Nationalsozialistisches Automobilkorps, ab 1931 Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps) stellt er als bedeutungslose Begleiterscheinung des Parteieintritts dar. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie diesem aber sogar vorausgeht.320 Die Beiläufigkeit, mit der Speer sein Engagement für die NSDAP oder eine ihrer Gliederungen darstellt, ist in jedem Fall irreführend.321 Im Zusammenhang mit Speers NSKK-Aktivitäten steht seine Mitgliedschaft in der SS bzw. der Motor-SS in Mannheim.322 Offensichtlich ist, dass er sich durchaus mit Engagement beteiligt und auch sein Auto für den Parteidienst zur Verfügung stellt.323 Zunächst ist Speer dem Wohnsitz entsprechend der Ortsgruppe Berlin zugeordnet. Anlässlich der Aus-

319 Speer 1969, 35. 320 Breloer/Zimmer 2006, 33. Dort auch weiterführende Belege. 321 Speer geht nur auffallend flüchtig darauf ein, als einziger Autobesitzer der NSAK/NSKK-Sektion Berlin-Wannsee deren Chef geworden zu sein (Speer 1969, 35). 322 Speer lässt es 1969 in seinen »Erinnerungen« so erscheinen, dass es in Mannheim keine Sektion des NSKK gegeben habe, sodass er deswegen in die Motor-SS übernommen wird (Speer 1969, 34). Das »Archiv für publizistische Arbeit« berichtet, Speer habe vor seinem Parteieintritt am 1.3.31 schon einige Zeit mit der Partei in Verbindung gestanden (BA R58/8031, Archiv für publizistische Arbeit (Intern.Biogr.Archiv), Bd. ME-SO, 23.4.1942, S. 7179). Auch wenn das nicht unwahrscheinlich ist, ist dem Beleg nicht zu viel Gewicht beizumessen, da das Archiv sonst nicht durch Zuverlässigkeit und sorgfältige Recherche auffällt, weswegen der Zweckverband Reichsparteitaggelände Nürnberg und Wolters mehrfach auf Korrektur der Artikel drängen (BA R4606/563). Sereny (Sereny 1997, 120) übernimmt offenbar die Argumentation Stockhorsts (Stockhorst 2000, 368), nach der Speer gemäß den Parteiakten 1931 zunächst in die SA eintritt und 1932 eigens aus der SA austritt, um dann Mitglied der Motor-SS zu werden. Bedeutsam wäre der SA-Beitritt insofern, als er auf ein erhebliches Engagement Speers hin deuten würde. Speers Eintritt in die SA, sowie der in die SS im Herbst 1932, kann aber bislang nicht sicher belegt werden (siehe hierzu: Geist/Kürvers 1995, 58). Schwierigkeiten bereitet auch im Hinblick auf eine SS-Mitgliedschaft seit 1932, ohne dass hier ausführlich

darauf eingegangen werden kann, die eigenmächtige Erstellung einer »Ahnenstammtafel« durch die SS, deren Grund aus den fragmentarischen Schriftwechseln nicht hervorgeht (BA PK »Speer, Albert«). Es werden im Sommer 1942 deswegen zahlreiche Pfarrämter und Meldestellen durch eine SS-Dienststelle angeschrieben. Mit einem Schreiben aus dem Büro Himmlers wird dem Rasse- und Siedlungshauptamt der SS die Ahnentafel Speers, mit der Bitte um weitere Veranlassung, überreicht. Es geht hervor, dass Speer »auf Anordnung des Reichsführer-SS mit Wirkung vom 20.7.1942 unter der SS-Nr. 46 104 als SS-Mann beim Persönlichen Stab RFSS aufgenommen« (BA RS F5400, RFSS an Rasse- und Siedlungshauptamt, 25.7.42) wurde. Auf ausdrücklichen Wunsch Himmlers werden die unvollständigen Untersuchungen von Amts wegen ohne Benachrichtigung oder Kenntnisgabe der Nachforschungen an Speer durchgeführt (BA PK »Speer, Albert«, »R. u S.-Fragebogen«). Entsprechend sind die Formulare von Speer nicht unterschrieben und nur lückenhaft ausgefüllt. 323 Seine Tätigkeit dort belegt das Schreiben eines ehemaligen Kameraden aus dem SS-Motorsturm Mannheim. Dieser denkt an das Kampfjahr 1932 zurück, in dem der Kamerad Speer einen »allerliebsten kleinen Wagen« gehabt habe, was man damals ja dringend gebraucht hätte. Offenbar schied Speer dort überraschend und ohne Begründung aus. Beneke berichtet, es hätte damals einige Verwunderung über Speers zunehmendes Fernbleiben geherrscht. Diese habe sich erst im Nachhinein gelegt, als bekannt wurde, dass es an seiner Tätigkeit für Hitler lag (BA R4606/56, R. Beneke an Speer, 18.10.38).

M i t g l i e ds c h a f t i n de r NSDAP u n d i h r e n G l i e de ru ng e n

46 | Aufstieg in der Partei

stellung seines Mitgliedsbuches wird er in Mann- nach sei es ihm unter anderem um eine Erneuerung heim geführt, um im Oktober 1933 wieder nach der seiner Meinung nach überholten, in sich erBerlin zurücküberwiesen zu werden.324 Im Sommer starrten Kunstausrichtung der NSDAP gegangen.329 1941 müssen für die Fortführung seiner Mitglied- Eine den Entschluss zum Beitritt unterstützende schaft in der SS seine früheren Dienste ermittelt und Gruppendynamik kann für das Seminar Tessenows ein neuer Aufnahme- und Verpflichtungsschein aus- konstatiert werden. Schelkes berichtet, dass sich dort gestellt werden.325 Dies ist offenbar notwendig, weil um den Assistenten Speer ein Freundeskreis gebildet seit seinem Eintritt in die Motor-SS im Spätsom- habe. Er nennt sodann Hans-Peter Klinke als denjemer 1932 verschiedene Aufnahmescheine nicht wei- nigen, unter dessen Führung ein nationalsozialistitergereicht worden oder verloren gegangen sind.326 scher Kreis entstanden sei, und gibt an, dass er von Schelkes bestätigt ihm daraufhin, dass er 1932 der Klinke immer wieder angegriffen worden sei, weil er SS in der 32. Standarte, Sturmbann Heidelberg, dem sich während des Studiums nicht festlegen wollte.330 SS-Motorsturm Mannheim angehört habe.327 Schelkes stützt damit Speers Aussage in der allerdings Am 1. März 1931 tritt Speer als Mitglied Nr. 474 stark heroisierenden öffentlichen Trauerrede für den 481 in die NSDAP ein.328 Berichte, die auf die Mo- 1943 seinen Kriegsverletzungen erlegenen Klinke. tivation dieses Parteieintritts schließen lassen, gibt Der Freund und Mitarbeiter des Privatbüros sei es es nur aus der Feder Speers oder aus Briefen an ihn gewesen, der ihn, »eigentlich unpolitisch«, mehr in ‑ beides Quellen von eingeschränktem Wert. Dem- seine Arbeit vertieft, an die Partei heranführte. Er 324 LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, 73, Schreiben vom 25.7.1938 an den Gauschatzmeister des Gaues Thüringen der NSDAP. Kopie aus dem BDC, die 1956 mit rund 40 weiteren der Spruchkammer vom BDC zur Verfügung gestellt wurden. 325 BA R4606/25, Speer an Chef des Persönlichen Stabes des Reichsführers SS, Gruppenführer Wolff, 24.9.41. 326 Dienst verrichtet er in der Einheit 2/I/32 unter Truppführer Heinrich Kinna, Mannheim; Sturmführer: Kopp, Heidelberg; Standartenführer bzw. Staffelführer: Dr. Hausam, Karlsruhe (BA R4606/25, Speer an Chef des Persönlichen Stabes des Reichsführers SS, Gruppenführer Wolff, 24.9.41). 327 BA R4606/25, Schelkes an Speer, 6.8.41. 328 BA, Sammlung RKK, Speer, Albert. Aufnahmeantrag BDA. – Abweichend dazu datiert Speer selbst seinen Parteieintritt in den Januar 1931 (Speer 1969, 34). Was bislang nicht belegt werden kann, ist eine Mitgliedschaft Speers im »Kampfbund Deutscher Architekten und Ingenieure« (KDAI), die Van der Vat gleichzeitig mit dem Parteieintritt datiert. Van der Vat liefert keine Quellenangabe (Van der Vat 1997, 62). Möglicherweise bezieht er sich auf die »Erinnerungen«, in denen Speer angibt, eine Veranstaltung des KDAI besucht zu haben (Speer 1969, 34). 329 Werner Hacker, ein damaliger Freund und Kommilitone, schreibt an Speer: »Und wie wir uns alle entschlossen hatten in die Partei einzutreten. Sie, weil Sie mit der verknöcherten Kunstausrichtung der vitalen jungen Partei nicht konform waren und meinten, neues Blut einschleusen zu müssen. Diesbezüglich will ich Ihnen, als Freund in jener Zeit, gern

bescheinigen, dass Sie wohl das Unpolitischste waren, was man sich vorstellen konnte.« (BA N1340/25, Werner E. Hacker an Speer, 20.12.75). 330 Privatbesitz in Deutschland, Familienchronik. – Hans-Peter Klinke (1908–1943) und Speer lernen sich 1929 im Seminar Tessenows an der TH Charlottenburg kennen, wo Klinke 1932 sein Diplom macht (NL-HT Tessenow, Schülerkartei). »Ich hatte die Aufgabe […] als Assistent mitzuhelfen, Dich die Grundsätze des Entwerfens zu lehren«, berichtet Speer bei der Trauerfeier für Klinke, der sich freiwillig zur Waffen-SS meldet und u. a. bei der »Leibstan­ darte Adolf Hitler« dient (BA N1340/23, Trauerrede Klinke). Als er an der Ostfront schwer verwundet wird, lässt Speer ihn mit einer Sondermaschine nach Berlin fliegen, wo er seinen Verletzungen erliegt. Speer trägt Hitler seinen Wunsch, Klinke trotz des Krieges zum Professor zu ernennen, am 14. April 1943 vor und erhält dessen Zustimmung. Klinke ist seit 1933 Mitarbeiter im Privatbüro Speers (BA R3/1507, 101, Führerbesprechung 14.4.1943). Dort ist er auch für Speers Privathaus zuständig (BA R4606/65, 248, Eintrag vom 11.6.37). Nach einer Mitteilung Speers an Larsson spielt Klinke, ohne dass es näher spezifiziert würde, eine »große Rolle« im Privatbüro (Larsson 1978, 31 (FN 9) Mitteilung im Mai 1975). Vor allem in der Frühzeit des Büros Speers 1933/1934 scheint er den Hauptteil der Arbeiten erledigt zu haben, da er oft Korrespondenz und Pläne unterzeichnet. Nach dem Krieg plant er, sich mit Speers Einverständnis selbstständig zu machen (BA R4606/24, 110, Speer an Brinkmann, 27.11.41).

M itgliedschaft in der NSDAP und ihren G liederungen   |  47

spricht den verstorbenen Klinke als politisches Leitbild direkt an  : »[…] und durch Dich gingen wir damals in Versammlungen des Führers und des Gauleiters. Bald war unser Studentenkreis eine aktive nationalsozialistische Zelle, der beim illegalen Studentenbund der Hochschule eine führende Rolle zufiel. Du hast also meinem politischen Leben die entscheidende Wendung gegeben.«331 Im Manuskript der Erinnerungen beschreibt Speer, wie er bei den Plankorrekturen den Argumenten seiner Studenten mit dem Vokabular seines Vaters nichts entgegenzusetzen gehabt habe und aufgrund von deren Drängen auch zum Auftritt Hitlers in der Hasenheide gegangen sei.332 Die streng antisemitische Linie der Partei, in der er die einzige Alternative zum Kommunismus gesehen haben will, ist ihm bei seinem Parteieintritt bewusst. Dennoch, so gibt er 1969 an, habe er den Verkehr mit jüdischen Bekannten nicht eingestellt und ganz allgemein Juden immer so gut geholfen, wie es ging.333 Er behauptet, im Rassedenken eine »Schrulle« gesehen und nie etwas von Hitlers »darwinistischer Totschlagstheorie« gehalten zu haben. Obwohl er Deutschland gerne groß und mächtig sehen wollte, sei ihm das Lebensraumprogramm fremd gewesen.334 Im Gegensatz zu diesen späteren Bagatellisierungsversuchen ist Speer in der Partei höchst engagiert.335 In der niederen Parteiarbeit, also auf Ortsgruppen- und Kreisebene, ist er nie wieder so aktiv 331 BA N1340/202, gebundenes Exemplar der Trauerrede Albert Speers für Hans-Peter Klinke, 1943. 332 BA N1340/324, 5–6. 333 BA N1340/10, Speer an Eugene Davidson, 9.9.69. 334 Speer 1975, 609. 335 Dennoch verharmlost er, ernsthafte politische Betätigung hätte ihm zum Zeitpunkt des Parteieintritts ferngelegen (Speer 1969, 35; BA N1340/83, Speer an Eugene Davidson, Chicago/Santa Barbara, 9.9.69). 336 BA N1340/525, Albert Speer, Entgegnung auf die Ausführung von Professor Erich Goldhagen, in: »Midstream«, Oktober 1971. 337 Speer 1969, 35.

48 | Aufstieg in der Partei

wie in der Zeit vor der »Machtergreifung«. Die bisher unveröffentlichten Belege zeigen ein Parteimitglied, das wohl kaum an Saalschlachten teilgenommen hat, aber dennoch weit stärker involviert gewesen ist, als es ihm nach 1945 zuzugeben opportun erscheint. Nachdem er Hitler kennengelernt hat, ist für solcherlei Dinge natürlich kein Raum und keine Notwendigkeit mehr. Mit dem Aufstieg innerhalb der Parteihierarchie verlagert sich seine Aktivität von der Tätigkeit der Basis hin zu übergeordneten Aufgaben. Bis zum Ende der NSDAP-Herrschaft steigt er in den Rang eines »Oberbefehlsleiters« der Partei, zwei Stufen unterhalb jenem eines »Reichsleiters«, auf.336

E r s t e Au f t r äg e f ü r da s n eu e R e g i m e Durch seine Mitgliedschaft bzw. Tätigkeit in der ­NSDAP erhält Speer den ersten Auftrag, der ihn mit seinen künftigen Auftraggebern aus der NSDAP, zunächst vor allem Karl Hanke, zusammenbringt. Nach eigenen Angaben lernt er Hanke durch Zufall kennen.337 Dieser vermittelt ihm den Auftrag für die Renovierung der »Geschäftsstelle des Bezirks West der NSDAP«338 in der Beymestraße in Berlin-Grunewald [WV 8]. Wann genau Speer dort tätig wird, bereits 1930 oder erst 1932, ist nicht zweifelsfrei zu ermitteln.339 Hanke erweist sich für Speer aber schnell als wichtig, da er ihm auch den nächsten Auftrag für die NSDAP übermittelt. Nur durch Speer selbst ist überliefert, dass er nach der 338 BA, Sammlung RKK, RKK-Stammblatt Albert Speer. – Speer bezeichnet den Umbau in den »Erinnerungen« als »Kreisleitung West« (Speer 1969, 35). 339 Siehe zur Datierung: Werkkatalog, Kat. Nr.8. 340 Hierbei handelt es sich wohl um seinen späteren Adjutanten Will Nagel. 341 Speer 1969, 37. 342 Privatbesitz in Deutschland, Vortrag vom 28.02.1985. 343 Speer 1969, 38. – Speer bekommt dieses Lob nach seinen eigenen Angaben nur indirekt mit (Speer 1969, 38). 344 BA N1340/263. Goebbels an Speer, 10.11.32. Faksimiliert bei Speer 1969, 112 f. 345 Speer 1969, 38.

Reichstagswahl am 31. Juli 1932, zu der er nach Berlin reist, einen Faltbooturlaub in Ostpreußen unternehmen will, doch noch vor der Abreise von NSKKChef Nagel340 zu Hanke gerufen wird. Hanke bietet ihm an, den Umbau des Gauhauses in der Voßstraße 11 [WV 12] zu übernehmen.341 Die Bauleitertätigkeit übernimmt Speers einziger Mitarbeiter Willi Schelkes.342 Dieses Projekt ist für Speer ein wichtiger Schritt auf der Karriereleiter, denn er verdient sich damit allgemeine Anerkennung. So soll Hitler den Umbau einen Tag nach der Einweihung gelobt haben.343 Nicht nur Hitler ist begeistert, auch Goebbels ist voll des Lobes und äußert dies in einem Schreiben an Speer.344 Nach diesem erfolgreichen Intermezzo in Berlin kehrt Speer zunächst nach Mannheim zurück.345 Obwohl er dort nach wie vor sein Büro hat, verhilft Hanke, der mittlerweile zum »Gauorganisationsleiter«346 aufgestiegen ist, ihm wiederum in Berlin zu seiner nächsten Chance. Bei dem nun folgenden Umbau handelt es sich um die früheste Tätigkeit Speers für die NSDAP, die durch Fotografien dokumentiert ist. Während das Ergebnis durch Quellen belegt ist, ist der Hergang dagegen nur durch Speer und Sereny überliefert. Demnach ruft Hanke eine Woche nach dem Wahlsieg vom 5. März 1933 bei Speer an und fragt, wie schnell er in Berlin sein könne (ohne konkrete Aufträge – »es gibt hier bestimmt für Sie zu tun«).347 Speer will sofort über Nacht mit seinem Auto hingeeilt sein, ohne gewusst zu haben, dass er Goebbels treffen sollte.348 In Berlin angekommen, soll er die-

sen sofort bei der Besichtigung von dessen neuem Ministerium begleitet haben.349 Goebbels erteilt ihm den Auftrag zum Umbau des Propagandaministeriums [WV 15]. In seinen »Erinnerungen« behauptet Speer, sich dabei der Architektur des Ursprungsbaus von Karl-Friedrich Schinkel untergeordnet zu haben.350 Vermutlich ist dies jedoch eher als Teil seiner Selbstdarstellung in der Nachkriegszeit zu sehen, denn Goebbels schreibt am 13. März in sein Tagebuch, dass er, da ihm der Umbau zu langsam vorangehe, sich eigenhändig einige SA-Bauarbeiter genommen habe und sie über Nacht den Stuck entfernen ließ.351 Somit dürfte vom Bestand der Schinkelzeit wenig erhalten geblieben sein. Das Ergebnis des Büroumbaus wird im September 1933 in der Zeitschrift »Die Form« veröffentlicht,352 die dort abgebildete, schlichte Einrichtung aber sehr bald durch eine Möblierung der Vereinigten Werkstätten ersetzt.353 Obwohl Speer nun auch mit Goebbels bekannt ist, bleibt zunächst Hanke sein Förderer. Seinen eigenen Schilderungen zufolge hat Speer 1933 bei Hanke die geplante Dekoration für die Maifeiern auf dem Tempelhofer Feld [WV 16] gesehen und will eilig über Nacht einen eigenen Entwurf angefertigt haben, der realisiert worden ist.354 Kurz darauf, offenbar noch vor Juli/August 1933, möglicherweise sogar im Zusammenhang mit diesem Entwurf, ernennt ihn Goebbels wegen der effektvollen Inszenierung zum »Unteramtsleiter für künstlerische Gestaltung der Großkundgebungen in der Reichs­ propagandaleitung«.355 Der Propagandaminister

346 347 348 349 350 351 352

Begriffs »Dampferstil« als Terminus der kunsthistorischen Forschung siehe: Nüßlein 2012, 63–65. 354 Speer 1969, 40. – An gleicher Stelle teilt Speer mit, dass diese Hitler begeistert haben, auch wenn zunächst Goebbels den Ruhm für sich in Anspruch genommen hatte. 355 Doosry 2002, 361. – Wolters bezeichnet ihn dagegen nur als »Amtsleiter« (Wolters 1943, 8). Angeblich ist diese Ernennung aber auch Reaktion darauf, dass Hitler ihn zum »Abteilungsleiter beim Stabe seines Stellvertreters Rudolf Heß« macht (Speer 1969, 69). Nach Sereny erhält Speer dieses Amt im Nachgang zu seinem Entwurf für ein Barackenlager. Goebbels soll ihm das Amt in seinem Stab verliehen haben, weil er »… sich in dem seltsamen Wettlauf

Speer 1969, 39. Speer 1969, 39. Speer 1969, 39. Sereny 1997, 125. Speer 1969, 40. Joseph Goebbels, nach Reuth 1990, 271. Die Form 8, 1933, 266. – Im gleichen Band wie der Umbau des Arbeitszimmers Goebbels ist auch eine Auswahl von Arbeiten der Tessenowschule publiziert. 353 Speer 1969, 40. – Speer bezeichnet sie als »Dampferstil«. Während seiner Zeit in Spandau definierte er in direkter Anlehnung an die Einrichtung Troosts den Stil als »Europa-Schiffstil« (BA N1340/282, 42). Zur Ablehnung des

E rste Aufträge für das neue Regime   |  49

misst Speers Tätigkeit offensichtlich große Bedeutung bei. Dies verwundert nicht. Die Auseinandersetzung der Nationalsozialisten mit Gewerkschaften und Arbeitern hätte leicht in einen Bürgerkrieg mit ungewissem Ausgang münden können. Daher ist der 1. Mai als neu geschaffener Feiertag von großer Bedeutung, um die Arbeiter für die NSDAP einzunehmen.356 Mehr noch, er markiert eine weitere wichtige Etappe der »Machtergreifung«, der Unterwerfung aller gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen unter das System des Nationalsozialismus.357 So hat er eine wichtige Funktion bei der Konsolidierung der Macht, an der Speer mit seinen Architekturen somit beinahe von Anbeginn an mitwirkt. Speers Schilderung dieses Auftrags gibt einmal mehr Anlass zum Zweifeln. Der Topos des spontanen Künstlers, des Genies, in großer Eile einen genialen Entwurf entwickelnd, der keinerlei Überarbeitung mehr bedarf, kommt in den »Erinnerungen« mehrfach vor. Er wird aber auch von der Propaganda gepflegt.358 So ist es Hitler selbst, der den Mythos, Speer habe die Reichskanzlei binnen weniger Stunden entworfen, auf deren Richtfest verbreitet.359 Hitler ist in seiner Kunstauffassung stark im 19. Jahrhundert verhaftet, einer Zeit, in der das Genie, der oft unverstandene Außenseiter, ein verbreitetes Leitbild ist. Sich selbst sieht er ebenfalls gerne in dieser Rolle. Daher verwundert es nicht, dass auch in Speers engstem Umkreis diese Vorstellung weiter kultiviert wird.360 Wiederum nur durch Speer überliefert ist, dass die Organisatoren des ersten Parteitages nach der »Machtergreifung« Probleme mit der Dekoration ge-

habt haben sollen. Speer sei eiligst nach Nürnberg geflogen worden und, da man sich die Entscheidung nicht zutraute, von dort zu Heß nach München, der ihn nach kurzem Telefonat direkt in Hitlers Privatwohnung gebracht habe.361 Hitler soll ihn dort nicht weiter beachtet, sondern lediglich die Pläne abgenickt haben.362 Diese Schilderung ist jedoch aus verschiedenen Gründen unglaubwürdig. Zwar ist Speer tatsächlich im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP im Sommer 1933 in die Planungen in Nürnberg involviert, doch sein Beitrag ist bestenfalls gering.363 Doosry belegt, dass höchstens das Abhängen der Decke in der Luitpoldhalle mittels Stoffbahnen auf ihn zurückgehen könnte.364 Ein aus dünnen, flachen Hölzern gebildeter Reichsadler erhebt sich 1933 auf hohen Pfählen hinter der Tribüne auf dem Zeppelinfeld. Speer nimmt auch diese Schöpfung als Beleg für sein künstlerisches Wirken in Anspruch, doch kann dies anhand der Akten weder bestätigt noch widerlegt werden.365 Erst bei den Vorbereitungen für den nächsten Parteitag beginnt Speer ab April 1934 in die Planungen einzugreifen.366 Ab diesem Zeitpunkt kann man ihn mit einiger Sicherheit im engen Umkreis Hitlers vermuten. In der zweiten Jahreshälfte gelingt es ihm, seine Stellung stärker auszubauen. Hierbei beruft er sich stets auf die Wünsche Hitlers, sodass die Stadt Nürnberg, die seinen Einfluss einzuschränken versucht, ihm kaum noch etwas entgegenzusetzen hat.367 Für die Partei arbeitet Speer bei der Ausrichtung von Massenveranstaltungen mit und engagiert sich auch durch die Publikation von grundlegenden Gedanken zu diesem Thema in den »Monatsblättern« des Propagandaministeriums.368 Seine Stellung als

um Speers Gunst nicht von Heß übertreffen lassen wollte …« (Sereny 1997, 136). Speer datiert die Ernennung in die erste Jahreshälfte, Sereny dagegen erst auf den Jahresbeginn 1934 (Speer 1969, 69; Sereny 1997, 136). Die verschiedenen Ämter Speers bereiten immer wieder Schwierigkeiten. In vielen Fällen sind die Amtsbezeichnungen nicht eindeutig überliefert und variieren auch in den Quellen. Aussagekräftige Quellen fehlen häufig. Siehe hierzu: ›Exkurs »Schönheit der Arbeit« und weitere Ämter‹. 356 Flagmeyer 2009, 63. 357 Flagmeyer 2009, 71.

358 Bezogen auf den Entwurf für den 1. Mai 1933 schreibt Wilhelm Lotz: »Man spricht wohl mit Recht von einem neuen Stil in den Feiern des nationalsozialistischen Deutschland, denn dieser Stil stand plötzlich fertig vor uns, ohne irgendwelche Anfängerkrankheiten und Experimente durchgemacht zu haben, weil er nicht von außen herangetragen wurde, sondern weil er aus dem Sinn und Wesen des Geschehens entstand.« (Lotz 1937c, 191.). 359 Schönberger 1981, 178. 360 Breker schildert sich ebenfalls als genialer Künstler, dem es gelingt auf einer Busfahrt innerhalb Berlins einen Entwurf

50 | Aufstieg in der Partei

17 Albert Speer, Berlin, Tempelhofer Feld 1933

bevorzugter Architekt der Berliner NSDAP-Führungsspitze ist zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht so gefestigt, dass daraus eine langfristige Perspektive absehbar ist. Folglich orientiert er sich breiter und nimmt auch weiterhin an Wettbewer-

ben teil. So reicht er beispielsweise einen Entwurf für den Wettbewerb für die Reichsführerschule in München-Grünwald ein, der im Oktober 1933 entschieden wird [WV 22].369 Gleichzeitig arbeitet er weiterhin in Berlin, vermutlich im Auftrag der Pro-

zu skizzieren (Breker 1972, 96). 361 Speer konstatiert dazu, Glück gehabt zu haben, denn wäre Hitlers Architekturliebhaberei schon allgemein bekannt gewesen, wäre eine ganze Abordnung nach Nürnberg gefahren und er hätte bestenfalls im letzten Glied teilgenommen (Speer 1969, 42). 362 Speer 1969, 41. – Abweichend dazu schreibt Speer an Leonhard Schwarz, dass er Hitler zum ersten Mal 1934 in dessen Wohnung traf (BA N1340/61, Speer an Schwarz, 31.10.67). In Anbetracht der Renovierung der Reichskanzlerwohnung über den Jahreswechsel 1933/1934 erscheint dies aber un-

wahrscheinlich. 363 Nach Doosry entbehrt Speers Zeitangabe »Juli 1933« jeder Grundlage (Doosry 2002, 371). 364 Doosry 2002, 362. 365 Doosry 2002, 363. 366 Doosry 2002, 363. 367 Doosry 2002, 370 ‑ siehe hierzu auch das Kapitel ›Nürnberg – die ersten Großbauten‹. 368 Speer 1933. 369 Dieser endet mit einer großen Enttäuschung und es wird konstatiert, dass der Wettbewerb gezeigt habe, wie wenig

E rste Aufträge für das neue Regime   |  51

pagandaleitung, die ihn wohl auch für die Gestaltung der Funkausstellung im August 1933 in Berlin hinzuzieht [WV 18].370 Die Entwürfe, die in den Jahren zwischen seinem Eintritt in den Führerzirkel und seiner Berufung zum GBI entstehen, also in der Zeit von 1933/34 bis 1937, zeigen einen deutlichen Wandel. Die zurückhaltenden modernen Tendenzen des Frühwerks sind nicht mehr festzustellen. Speers Entwurf zum Wettbewerb für die Reichsführerschule in München-Grünwald zeigt im Rückgriff auf den Heimatstil zunächst vielmehr eine verstärkte Orientierung an den Auffassungen des Kampfbundes [WV 22  ; Abb. 18]. Damit wendet er sich von seinem Vorbild Tessenow ab, der für öffentliche Gebäude und Wett-

bewerbsteilnahmen einer zurückhaltend modernen Linie treu bleibt.371 In einfachen, klaren Formen, eher ländlich, schmucklos bis auf eine Vertikalgliederung durch Lisenen, präsentiert sich der zweigeschossige Vierflügelbau mit Satteldach, für den nicht einmal ein Sockel vorgesehen ist. Der Hof ist mit Platten ausgelegt und durch drei schmucklos eingeschnittene Rundbogendurchfahrten erreichbar. Die hochrechteckigen Sprossenfenster bedürfen keiner besonderen Hervorhebung und sind ohne begleitende Faschen oder aufgelegte Rahmungen in die Wände eingeschnitten. Obwohl grundsätzlich symmetrisch in der Anlage, sind die beiden an den Mitteltrakt anschließenden Flügel nicht identisch. Während der eine in der Gestaltung dem zweigeschossigen Mittelbau gleicht, nimmt der andere offenbar eine Art Saal oder Halle auf, wie anhand der höheren zehn- anstelle der sechsfeldrigen Fenster auch am Außenbau erkennbar ist. Symmetrie ist hier für Speer, vielleicht als Überbleibsel der aus der Funktion entwickelten Grundrissplanung Tessenows, noch nicht das essenzielle Gestaltungselement. Das Formenvokabular ist auf bauliche Notwendigkeiten reduziert und steht damit den bodenständigen, konservativ-reduzierten Bauten der vergangenen Jahrzehnte sehr nahe. Durch das Wirken des »Kampfbundes für deutsche Kultur« erscheint diese Richtung unter den neuen Machthabern als aussichtsreich. Nicht alle eingereichten Entwürfe gehen in der Anpassung an den Regionalismus und die bäuerliche »Blut und Boden«-Ideologie so weit wie jener Speers,372 der die dem Vierflügelbau parallel zur Rückseite angelagerten Nebengebäude historisierend in Sichtfachwerk auszuführen plant. Eine Durchsetzung moderner Formen wie in Italien ist unmöglich. Die Moderne ist ideologisch als »jüdisch,

der Geist der SA Eingang in die deutsche Architektenschaft gefunden habe. Der geforderte »heroische Charakter« wird offenbar von niemandem erreicht (Nerdinger 1985, 74). 370 BA PK, Zeitung in Norwegen, 17.2.42. 371 Vergleiche hierzu die Entwürfe Tessenows für eine Handwerkerschule in Königsberg, das KdF-Seebad auf Rügen und das Verwaltungsgebäude der Vereinigten Ölfabriken,

Magdeburg. Auch der Entwurf Speers mit dramatisch bewölktem Himmel weicht deutlich von den nüchternen Strichzeichnungen Tessenows ab. 372 Siehe hierzu stellvertretend die Entwürfe von Rosskotten, Schultze, Bolte und Görres oder auch Fürst, publiziert in: Gesicht einer Reichsführerschule 1934, 101–103. 373 Nerdinger 1985, 74.

18 Albert Speer, München, Wettbewerbsbeitrag, Hof der Reichsführerschule München-Grünwald (WV 22), 1934

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wurzellos, bolschewistisch« diffamiert und damit ein untragbares Feindbild. Noch gibt es allerdings keinen verbindlichen, allgemein verständlichen architektonischen Ausdruck für Bauten der NSDAP, sodass Speer die Bauherrschaft sowie deren Wille und Kraft zur Neugestaltung durch das überdimensionierte Hoheitszeichen am Mittelrisalit manifestieren 19 Albert Speer, München, Wettbewerbsbeitrag, Fassade und kommunizieren muss [Abb. 19]. der Reichsführerschule München-Grünwald (WV 22), Bis zum Sturz der SA am 30. Juni 1934 lässt die 1934 Parteispitze in ihren ambivalenten Erklärungen zur Kunstpolitik genug Raum für Überlegungen für die künftige Richtung der Kunstpolitik.373 Bei man- politischen Gründen wird der Richtungsstreit über chem Künstler besteht daher noch immer die Hoff- die grundsätzliche Ausrichtung der Architektur im nung, dass sich die Moderne in einer angepassten Nationalsozialismus zunächst absichtlich nicht entForm durchsetzen könnte. Offenbar aber teilt Speer schieden.377 Hitler beendet ihn mit seiner Rede auf die Hoffnungen der Vertreter der Moderne nicht, dem Reichsparteitag 1934 schließlich zu Ungunsten dass das neue Regime seinen Ausdruck auch im aller modernen Bestrebungen. Doch kann sich auch Neuen Bauen oder wenigstens einer weniger konser- die genauso antimoderne wie reaktionäre Linie des vativen Richtung finden könnte, und greift bewusst Kampfbundes nicht durchsetzen und viele konserauf traditionelles Vokabular zurück. Erst nachdem er vative Architekten, von Hitler als »Rückwärtse« tiden Entwurf für die Reichsführerschule eingereicht tuliert, werden bei den kommenden Großprojekten hat, lernt Speer Hitler persönlich kennen, der ihn in übergangen.378 Hitlers Ziel ist die Schaffung eines Stilfragen bei künftigen Projekten entscheidend be- eigenen architektonischen Ausdrucks, wofür die oft einflusst. Der Wettbewerb für die Reichsführerschule biedermeierlich anmutenden Entwürfe eben jener endet letztlich ohne zufriedenstellendes Ergebnis. »Rückwärtse« aus dem Umkreis des Kampfbundes, Vielmehr demonstriert er eindrücklich das Scheitern wie der von Paul Schultze-Naumburg für das Gaufoder Bemühungen um einen neuen architektonischen rum in Weimar, nicht geeignet sind. Ausdruck der Nationalsozialisten.374 Das Ergebnis wird wegen zu viel falschem Pathos, leerem Formenreichtum und »erklügelter Monumentalität« als »be- Be k a n n t s c h a f t m i t H i t l e r trüblich« beschrieben.375 Die Unsicherheit über den neuen Stil zeigt sich auch bei den beiden anderen Ab dem Spätherbst 1933 befasst sich Speer mit Prowichtigen Wettbewerben am Beginn des NS-Regi- jekten, die ihn in die Nähe Hitlers führen  : zum mes. Sowohl bei der Ausschreibung für die Reichs- einen dem Umbau des Dienstgebäudes der Reichsbank als auch bei jener für ein Haus der Arbeit der kanzlei von Eduard Jobst Siedler379 [WV 20] und Deutschen Arbeitsfront (DAF) ergibt sich eine ex­ zum anderen der Wohnung Hitlers, Dienstwohnung treme Spannweite in den Entwürfen.376 Aus innen- der Reichskanzler in der Alten Reichskanzlei, in 374 Nerdinger 2004, 98. 375 Gesicht einer Reichsführerschule 1934, 101. 376 Zum Wettbewerb für ein Haus der Arbeit siehe: Flagmeyer 2009, 816–821. Zur Reichsbank siehe Wilderotter 2000 und o. A. 1934, 119–120. 377 Nerdinger 2004, 99. 378 Hitler, Adolf: Rede auf der Kulturtagung des Reichspartei-

tages 1934, siehe: Eikmeyer 2004, 74–75. – Zur Nichtberücksichtigung etablierter konservativer Architekten siehe: Nüßlein 2012, 76–80. 379 Siedler bleibt auch in der NS-Zeit ein gefragter Architekt und konzipiert neben der Gehag-Zentrale in Wilmersdorf 1936–39 auch die Reichsluftschutzschule in Wannsee 1938 (Arnold/ Janick 2009, 34).

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Zusammenarbeit mit dem Atelier Troost.380 Beide Baumaßnahmen laufen annähernd parallel und bedingen sich gegenseitig durch die auch schon vorher bestehende bauliche Verbindung von Alt- und Neubau sowie den Tausch von Raumnutzungen beim nun vorgenommenen Umbau. Sie überschneiden sich zeitlich zudem mit einem Auftrag von Goebbels [WV 21]. Die Notwendigkeit der Umbauarbeiten im Dienstgebäude der Reichskanzlei wird damit begründet, dass es den Anforderungen des Dienstbetriebes in keinster Weise genüge.381 Mit der Machtübernahme durch Hitler wachsen durch das »Führerprinzip« die Anforderungen an die Reichskanzlei, die vordem mit einem geringen Personalbestand auskam, rasch an. Dem Finanzministerium wird mitgeteilt, dass aus den übergroßen Räumen und selten benutzten Sälen

die nun notwendigen Arbeitsräume gewonnen werden sollen [Abb. 20].382 Die Umbauarbeiten beginnen im ersten Obergeschoss.383 Hauptaufgabe Speers ist die Verlegung des Reichskanzlerarbeitszimmers in den ehemaligen Roten Salon im hinteren Trakt des Altbaus.384 Der Umbau greift nicht sehr stark in das Raumgefüge ein. Im Flügel längs der Wilhelmstraße wird ein paralleler Erschließungskorridor abgetrennt und durch Verlegen der Raumscheidewände lediglich ein Büroraum hinzugewonnen. Im rückwärtigen Flügel entstehen auf Kosten des Ländersitzungssaales und der Vorhalle fünf neue Arbeitszimmer. Aus Kabinettssaal und Rotem Salon werden das »öffentliche«385 Arbeitszimmer Hitlers und ein weiteres für seinen Staatssekretär gewonnen, deren Größe die Begründung, die übergroßen Räume teilen zu müssen, ad absurdum führt [Abb. 21]. Die Veränderungen in den beiden großen Räumen sind, soweit es aus den Grundrissen zu ersehen ist, gering und beschränken sich auf den Einbau von Waschkabinetten in kleinen Nebenräumen und die Entfernung einer Trennwand im Roten Salon.386 Insbesondere bei den beiden Arbeitszimmern arbeitet Speer eng mit dem Atelier Troost zusammen, das, zwar erst nach Troosts Tod 1934, die Räume möbliert und für die gesamte Abrechnung verantwortlich ist.387 Der Altbau der Reichskanzlei wird in die Umbauplanungen mit einbezogen. Da der Staatssekretär in der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, fortan den bisherigen Kabinettssaal nutzen soll, muss dieser in den Festsaal des Altbaus verlegt werden. In diesem Zusammenhang sind dort der Grüne Salon, das Bismarck-Zimmer und der Pfeilersaal zu renovieren. Mit dem Umbau im Dienstgebäude der Reichskanzlei befasst sich Speer ab Oktober 1933.388 Er

380 Der Umbau der Reichskanzlerwohnung erhält keine Werknummer und wird im Katalog nicht angeführt, da Speer hier nur als Subunternehmer des Ateliers Troost agierte. 381 BA R2/4507, 236, Lammers an Finanzminister, 29.11.33. 382 BA R2/4507, 236, Lammers an Finanzminister, 29.11.33. 383 BA R2/4507, 236, Lammers an Finanzminister, 29.11.33. 384 Der Rote Salon war erst beim Neubau des Dienstgebäudes

neu gestaltet und im Grundriss mitsamt seinen umgebenden Räumen verändert worden. Hitler wünscht dies angeblich, da ihn die Sprechchöre der Anhänger stören und das bisherige Büro zu klein ist (Speer 1969, 47). Weiterführend hierzu: Schönberger 1981, 24–26 und Nüßlein 2012, 131– 134; 236–238. 385 Das »öffentliche« Arbeitszimmer ist vor allem für die Reprä-

20 Eduard Jobst Siedler, Berlin, Erweiterungsbau der Reichskanzlei, Grundriss 1. Obergeschoss, 1928

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21 Albert Speer, Berlin, Erweiterungsbau der Reichskanzlei (WV 20), Grundriss 1. Obergeschoss mit Umbauten Speers, 9. Dezember 1933

sentation gedacht, während Hitler noch über ein weiteres, deutlich kleineres und anspruchsloseres Zimmer im Altbau der Reichskanzlei verfügt, das wesentlich häufiger genutzt wird. Siehe zu diesem: Wilderotter 1998, 301. 386 Beim Arbeitszimmer Hitlers führt dies zu der unpraktischen Situation, dass die Hintertreppe nur durch den Waschraum zu erreichen ist.

387 Nüßlein 2012, 131–134; 236–238. 388 BA R43I/1587, 9, Lammers an Dr. Münzel, 10.10.35. – Der Kostenvoranschlag für den Umbau des Reichskanzlerpalais, von Speer abgefasst, datiert vom 20.11.33 (BA R43II/1587, 11–37). Troost erwähnt für September einen Berlin-Besuch mit Besichtigung der umzubauenden Gebäude und dabei auch das Zusammentreffen mit einem

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führt die Arbeit jedoch nicht alleine aus. Inwieweit er Speer von Anfang an Verwaltungsinstitutionen wie zu dieser Zeit schon feste Mitarbeiter im Privatbüro die Reichsbaudirektion, die kaum noch Gelegenheit hat, ist nicht zu ermitteln. Aushilfsweise engagiert er erhalten, sich entsprechend ihrer Zuständigkeiten in jedenfalls den bei der Berliner Tiefbaudeputation be- die Planung einzuschalten, weil sie in der Regel erst schäftigten Friedrich Tamms, einen Kommilitonen von den Bauvorhaben Kenntnis erhalten, wenn diese aus Studientagen.389 teilweise fertiggestellt sind.394 Trotz der Wiederverwendung von Parkett- und Die Finanzierung der Baumaßnahmen wird nur als Formalität betrachtet. Lammers schreibt am 29. Marmorteilen im Kabinettssaal beläuft sich die BauNovember 1933 an Finanzminister Johann Lud- summe inklusive der Nachforderung von 115.515 RM wig Graf Schwerin von Krosigk, er möge innerhalb auf fast das Doppelte gegenüber dem Kostenvoranvon drei Tagen seine Antwort übermitteln, da der schlag.395 Der Umfang der Maßnahmen wird daran Reichskanzler unverzüglich den Umbau wünsche.390 deutlich, dass 1930, auch wenn die Zahlen wegen der Das Zeitfenster für die Maßnahme ist ausgesprochen herrschenden Wirtschaftskrise nicht ohne Schwierigkurz. Am 12. Dezember 1933 sollen die Arbeiten keiten übertragen werden können, für die gesamte begonnen werden und, die Weihnachtspause nut- Renovierung der Reichskanzlerwohnung, einige der zend, Anfang Januar fertig sein.391 Angesichts des jetzt von Speer renovierten Räume eingeschlossen, leUmfangs erscheinen Nacht- und Sonntagsschichten diglich 29–34.000 RM veranschlagt worden sind.396 Deutlich wird damit, dass sich Speer schon zu diesem dazu unumgänglich.392 Schon zu diesem Zeitpunkt gibt es für den Fi- frühen Zeitpunkt unter Hitlers Aufftraggeberschaft nanzminister offenbar keine Alternativen und so kaum Gedanken um Kosten machen muss und dass bewilligt er umgehend die für den Umbau erforder- allein das Ergebnis nach dem Wunsch des Reichslichen 130.000 RM.393 Damit übergehen Hitler und kanzlers sowie die rechtzeitige Fertigstellung zählt. »Berliner Baumeister« (Nüßlein 2012, 159). Möglich wäre, ohne dass es abschließend geklärt werden kann, dass es sich dabei um Speer handelt. 389 BA R43I/1587, 44, Lammers an OB Sahm, 14.12.33. – Hierzu sendet er über Lammers ein Ansuchen an Oberbürgermeister Dr. Sahm, dem stattgegeben wird. Er fragt an, ob ihm der beim Brückenbauamt der Tiefbaudeputation des Magistrats Berlin beschäftigte Friedrich Tamms, mit dem er schon früher zusammengearbeitet hat, bis Mitte Januar 1934 zur Hand gehen könnte (BA R43I/1587, 44, Lammers an OB Sahm, 14.12.33). 390 Der Druck auf den Finanzminister kommt daher, dass, um den Umbau am 12.12.1933 beginnen zu können, die Aufträge am 2.12.1933 vergeben werden mussten. 391 BA R2/4507, 264, Lammers an Finanzminister Schwerin-Krosigk, 29.11.33. – Die Ausrichtung des Fertigstellungstermins auf den jährlichen Diplomatenempfang erscheint möglich, kann aber nicht belegt werden. Zudem ziehen sich die Arbeiten noch länger hin, sodass der Empfang woanders stattgefunden haben muss. Die Vermutung, einen Zusammenhang mit dem Diplomatenempfang anzunehmen, liegt nahe, da der Festsaalanbau Leonhard Galls für den Empfang von 1937 fertig sein musste (Mitteilung Timo Nüßlein), der Neubau der Neuen Reichskanzlei für den Empfang von 1939.

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392 BA R2/4507, 236, Lammers an Finanzminister, 29.11.33. 393 BA R2/4507, 266, Lammers an Finanzminister Schwerin-Krosigk, 1.12.33. – Diese Summe bezieht sich nur auf das erste Obergeschoss. Für weitere Baumaßnahmen sollten erneut Mittel angefordert werden. 394 BA R2/4513, 62–65. Reichsbaudirektion an Staatssekretäre i. d. Reichskanzlei, 13.1.1934. – Betreffs des Umbaus im Erweiterungsbau schreibt die Reichsbaudirektion Lammers Mitte Januar 1934, dass dessen Prüfung schwierig wäre, weil das Bauvorhaben schon so weit fortgeschritten sei. Von einer fachtechnischen Prüfung durch die Reichsbaudirektion (RBD) bittet man aus diesem Grund abzusehen. Der Taktik Hitlers, die Bauten vor der Prüfung zu beginnen, versucht die RBD zu begegnen, indem sie pikiert bittet, Entwürfe von Privatarchitekten künftig vor der Bauausführung zur Prüfung einzureichen. Weiterhin fürchtet man um die Kostenkontrolle und urteilt, »sachlich richtig«-Bescheinigungen durch Speer würden ihrerseits als bedeutungslos angesehen und die RBD wäre nicht gewillt irgendeine Verantwortung für Bauten unter solchen Umständen zu tragen. 395 BA R2/4507, 294, Kostenzusammenstellung für nachgeforderte Arbeiten im Gegensatz zum Kostenanschlag vom 29.11.33, Dipl. Ing. Albert Speer, 24.3.1934. 396 BA R2/4507, Reichskanzlei an Finanzminister, 25.10.1930. 397 Zwar vermutlich im Wesentlichen um sich von Hitler zu

Eng verknüpft mit dem Umbau des Dienstgebäu- quenz seiner Tätigkeit für Troost ist. Auch der zeitdes ist der Umbau der Reichskanzlerwohnung in der liche Ablauf gibt diesbezüglich keine Hinweise. Der Alten Reichskanzlei im Herbst 1933. Dieser Auftrag Wohnungsumbau hat den längeren Vorlauf, Vorplaist es auch, der Speer in persönlichen Kontakt mit nungen des Ateliers Troost sind ab Anfang August seinem künftigen Hauptauftraggeber bringt. Hitlers 1933 nachzuweisen.402 In der Ausführung hat das überlieferte Beschreibung des schlechten Zustands Dienstgebäude zwar einen kleinen Vorsprung, doch der Wohnung ist als übertrieben anzusehen.397 Die laufen beide Baustellen überwiegend gleichzeitig. Wohn- und Schlafräume der Kanzlerwohnung wur- Speer ist bei seinen Arbeiten für das Atelier Troost den erst 1926 »gründlich instand gesetzt und […] nur für die Rohbaumaßnahmen zuständig. Möglian die Zentralheizung angeschlossen«.398 Im Zu- cherweise kümmert er sich zusätzlich auch um die sammenhang mit Umbauplanungen 1930399 werden ortsfeste Innenausstattung, dann aber nur nach den auch keine gravierende Bauschäden vermerkt, son- Anweisungen des Ateliers Troost und mit Sicherheit dern vor allem Schönheitsmängel.400 nicht als künstlerisch tätiger Architekt. Zu vermuten Speer agiert beim Umbau der Reichskanzlerwoh- ist ebenfalls, dass die Veränderungen im Grundriss nung nicht eigenständig, sondern ist dem Atelier zwischen Hitler und Troost besprochen werden und Troost als Bauleiter, der sich mit Berliner Gege- Speer diesen Umbau lediglich auszuführen hat. Sehr benheiten auskennt, assoziiert. Warum jedoch aus- wahrscheinlich kommt er bis zu diesem Zeitpunkt gerechnet Speer von Troost beauftragt wird, kann nie mit Hitler in persönlichen Kontakt. heute nicht mehr geklärt werden.401 Genauso wenig Die Zusammenarbeit zwischen Speer und dem ist heute noch zu ermitteln, ob die Beauftragung Atelier Troost, das nach dem Tod des Architekten Speers mit dem Dienstgebäudeumbau der Beauf- dessen Werk fortführt, wird im Februar, spätestens tragung durch Troost vorausgeht oder aber Konse- aber im März 1934 beendet gewesen sein.403 Sodann distanzieren, gibt sogar Speer in seinen »Erinnerungen« an, dass die Wohnung zwar verwohnt und die technischen Einrichtungen und Sanitäranlagen mangelhaft waren, wertet die Beschreibung Hitlers aber als Übertreibung (Speer 1969, 42). 398 Pünder 1928, 74. 399 BA R2/4507, Reichskanzlei an Finanzminister, 25.10. 1930. – Geplant ist, beim Bau des Erweiterungsbaus eingesparte, aber schon genehmigte Mittel umzuwidmen, da ein grundsätzlicher Zusammenhang mit dem Erweiterungsbau gesehen wird. Für das Haushaltsjahr 1931 in Aussicht genommene Umbaumittel in Höhe von 135.000 RM sind aus Gründen der schwierigen Finanzlage nicht in Anspruch genommen worden (BA R2/4507, Reichskanzlei an Finanzminister, 25.10.1930). 400 Erwähnt werden keine strukturellen Schäden, sondern die Notwendigkeit von Schönheitsreparaturen, da z. B. der erwähnte Einbau der Zentralheizung die Wände in Mitleidenschaft gezogen hätte. Im gleichen Zuge sollten geringe Veränderungen am Grundriss vorgenommen werden, d. h. bislang als Büros genutzte Räume wieder zu Wohnzwecken umgestaltet und einige Büroräume in eine Pförtnerwohnung zurückverwandelt werden (BA R2/4507, Reichskanzlei an Finanzminister, 25.10.1930). 401 Speer 1969, 42. – Die Schilderung Speers, Hitler habe sich

angeblich an ihn, der pünktlich Goebbels Wohnung umgebaut hatte, erinnert, ist aufgrund der Chronologie [siehe S. 88] nicht haltbar. 402 Siehe hierzu: Nüßlein 2012, 237. 403 Eine erste Besichtigung der künftigen Wohnung Hitlers zusammen mit Troost und Goebbels fand schon am 27. August 1933 statt. Goebbels urteilt über die Wohnung: »Nicht viel Rares.« (Goebbels/Fröhlich 1987–2008, Bd. 2/III, 254). Die Rohbaupläne datieren vom 2. Januar 1934 (BA R43II/1532), sodass anzunehmen ist, dass die letzen zwei Wochen des Jahres 1933 damit vergingen, die Baustelle vorzubereiten und die Räume auszuräumen. Die Pläne und statische Berechnungen zum Umbau in Erd- und Obergeschoss werden am 19.1.34 bei der Baupolizei eingereicht. Im Rahmen der für Hitlers Bauten üblichen Gepflogenheiten ist anzunehmen, dass der Bau zu dieser Zeit schon im Gange ist (BA R43I/1532, Baupolizei Mitte an Lammers, 12.2.34). Dokumentiert sind weitere Inspizierungen der Baustelle durch Hitler und Goebbels zu Jahresbeginn 1934, am 30. Januar (Goebbels/Fröhlich 1987–2008, Bd. 2/III, 364) und 12. Februar (Goebbels/Fröhlich 1987–2008, Bd. 2/III, 371). Zu diesem Zeitpunkt muss dann auch die Beteiligung Speers geendet haben, denn fortan wird er in Dokumenten, die den Umbau zum Inhalt haben, nicht mehr erwähnt.

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befasst sich das Atelier Troost mit Innenausbau und -einrichtung, bis Hitler schlussendlich im Mai 1934 die Wohnung bezieht.404 Dabei werden im Zuge der Hochbauabnahme durch die Baupolizei geringe Forderungen gestellt, deren Umsetzung Hitler kategorisch ablehnt. Konsequenz dieser Angelegenheit ist, dass der Berliner Bürgermeister Heinrich Sahm seine Baupolizei auch für die Zukunft empfindlich schwächt, indem er ohne aus den Akten ersichtlichen Druck seinen Standpunkt nicht länger aufrechterhält und fortan die Bauangelegenheiten der Reichskanzlei gesondert prüfen lässt.405 Ein Ziel des Umbaus ist die Schaffung eines großzügigen Entrees für die Gäste des Reichskanzlers. Dazu werden das Vestibül und der Gartensaal, letzterer 1928 als Wartesaal bezeichnet, komplett umgebaut. Nach Ersetzen der Holzbalkendecke durch

eine Steineisendecke kann das Vestibül stützenfrei überspannt werden.406 Obwohl der Wunsch, ohne Stützen auszukommen, wohl der wahre Grund für diese Maßnahme ist, wird gegenüber dem Finanzminister angeführt, dass die Balken angefault seien.407 Während das ehemalige Vestibül nun als Vorhalle bezeichnet wird, erscheint der Gartensaal in Speers Plänen fortan als »Wohnhalle«. Eine großzügige Raumwirkung wird durch die Entfernung der Wand zum südlichen Nebenraum, vormals Dienstzimmer des Büroappartements des Reichskanzlers, erzielt. Den Höhenunterschied überbrückt eine dreistufige Treppe. Speer zufolge – andere Quellen gibt es hierzu nicht – kommt er auf dieser Baustelle über eine verschmutzte Jacke erstmals mit Hitler persönlich ins Gespräch.408 Die Möglichkeit, dass er diesen auf aktuelle Probleme des Umbaus anspricht – oder Hitler ihn –, kann nicht von vornherein in Zweifel gezogen werden. Insgesamt scheint aber die Schilderung Speers, er habe von Hitler eine Jacke mit dessen persönlichem Parteiabzeichen erhalten, sehr übertrieben.409 Mit Sicherheit aber lernen sich die beiden während der Arbeiten an den zwei Baustellen in der Reichskanzlei kennen. Propagandaminister Goebbels, bislang am Reichskanzlerplatz410 wohnhaft, plant nach der »Machtergreifung« einen Umzug in das Regierungsviertel. Er beauftragt daher Speer mit dem Umbau seiner Dienstwohnung, der frühestens im Dezember 1933 beginnt [WV 21].411 Die Bauakten geben keine Auskunft über Tätigkeiten im Inneren der bestehenden Villa. Inhalt des Bauscheins, der größere Veränderun-

404 BA R2/4507, 303. Lammers an Reichsminister der Finanzen, 30.5.34. – Kleinere Arbeiten ziehen sich noch bis November 1934 hin. Eine förmliche Genehmigung für die Umbauten wird erst am 24.3.1934 erteilt (BA R43I/1532, Baupolizei Mitte an Reichskanzlei, 24.3.34). 405 BA R43I/1532, 74, OB Sahm an Lammers, 5.3.35. – Die Hochbauabnahme durch die Baupolizei kann bis Juni 1934 nicht stattfinden, da Speer die nötigen Nachweise nicht einreicht (BA R43I/1532, Baupolizei Mitte an Lammers, 13.6.34). Im Anschluss an die erfolgte Besichtigung fordert die Baupolizei im Dezember einen Handlauf an einer Treppe. Speer argumentiert mit Zeichnungen, dass dieser

nicht nötig sei, doch letztlich wird die Angelegenheit dadurch entschieden, dass Speer der Baupolizei mitteilt, »dass der geforderte […] Handlauf […] nicht angebracht wird, da sich der Führer […] gegen die Anbringung dieses Handlaufs entschieden hat« (BA R43I/1532, 68, Speer an Reichskanzlei, 25.1.35). 406 Eine Erklärung für die Behauptung, der Gebäudezustand sei katastrophal gewesen, wäre, dass Hitler sich als sparsamer Volkstribun darstellen wollte, gleichzeitig aber stützenfreie Säle im Erdgeschoss bekommen wollte, was einen Austausch der Deckenbalken gegen Stahlträger nötig machte (Arnold/ Janick 2009, 56).

22 Adolf Hitler, Berlin, Skizze für einen Saalanbau an die Dienstwohnung Joseph Goebbels, November 1933

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23 Albert Speer, Berlin, Umsetzung der Skizze Hitlers für einen Saalanbau an die Dienstwohnung Joseph Goebbels (WV 21), November/Dezember 1933 407 BA R2/4507, Lammers an Finanzminister, 28.3.1934. 408 Sereny 1997, 132; gleichlautend: Speer 1969, 44. – Bei dieser Gelegenheit will sich Hitler, so Speer, erstmals bewusst an seine Bauten – Umbau Propagandaministerium, Bauten in Nürnberg und Wohnung Goebbels – erinnert haben, zudem auch daran, dass die Dekoration für den 1. Mai 1933 von ihm stammte (Speer 1969, 44). 409 Speer 1969, 44. 410 Zu den verschiedenen Wohnungen Goebbels siehe seine

Kommentare im Tagebuch: Goebbels/Fröhlich 1987–2008: Band 2/1: 81; 227; 246; 255; 288 (Einrichtung Wohnung Goebbels in Steglitz durch Frau Schultze-Naumburg); 290; 291; 303; 304; 306; 307; 309; 310; 312; 314; 319. Band 2/ II: 114; 130 f.; 135; 136; 140 f.; 149; 153; 154; 167; 170; 249. 411 Siehe auch S. 180.

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gen an Grund- oder Aufriss des Hauses wiedergeben müsste, ist nur ein rund 80 m² messender Raum für Filmvorführungen. Für diesen Anbau übernimmt Speer die formale Außengestaltung des Hauptgebäudes, realisiert jedoch keine eigenen Ideen, da Hitler schon eine sehr detaillierte Skizze angefertigt hat [Abb. 22], die die Grundkonzeption festlegt. Speer übernimmt diese und wandelt lediglich den postamentartigen Aufsatz auf dem Dach der Loggia, in die die Pergola am Ende der Terrasse überleitet, in einen überhöhten Mittelteil um [Abb. 23].

De r Au fs t i e g Für die nachfolgende Betrachtung von Speers weiterem Aufstieg ist es essenziell, dass er Troost nicht etwa automatisch in ein Amt oder eine offizielle Stellung als persönlicher Architekt Hitlers nachfolgt, sondern seine neue Position ausschließlich einer Bevorzugung durch Hitler aus persönlichen Beweggründen verdankt. Die Entscheidung, Speer zum Nachfolger des verstorbenen Troost zu machen, ist längere Zeit unsicher und wird weder in einer offiziellen Berufung noch durch die sofortige Vergabe entsprechender Aufträge, die diesen Titel rechtfertigen würden, vollzogen.412 Hinweise auf einen Nachfolgemechanismus bzw. gar -automatismus lassen sich in zeitgenössischen Quellen nicht finden. Troost und später auch Speer werden aber durchaus als »Hofarchitekten« Hitlers wahrgenommen. Herthe von Wersin notiert diesbezüglich in ihrem Tagebuch  : »Wer wird nun Hitler’s Baumeister werden  ? – diese Frage geht reihum bei den Künstlern.«413 Wie im Vorangegangenen gezeigt wurde, arbeitet Speer nach seinem Eintritt in die NSDAP zunächst 412 »Mittags beim Führer. Prof. Troost †. Unersetzlicher Verlust. Führer ganz niedergeschlagen. Keiner kann an seine Stelle treten. Tragik des Schaffenden, der, am Ziel, stirbt.« (Goebbels/Fröhlich 1987–2008, 2/III, 360 Eintrag vom 22. Januar 34). 413 Tagebuch Herthe von Wersin, 24.1.1934, zit. nach Nüßlein 2012, 158.

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auf untergeordneter Ebene für Hanke und Nagel. Besonders mit Ersterem bleibt er eng verbunden. Es zahlt sich aus, dass er sich nach seinem Eintritt in der Partei engagiert und Kontakte geknüpft hat. Mit dem Erstarken der NSDAP profitiert er vom Aufstieg seiner Freunde in der Parteihierarchie. Insbesondere ist ihm der Aufstieg Hankes im Einflussbereich Goebbels’ von großem Nutzen. Vermutlich ist es Hanke, der ihn an Leopold Gutterer vermittelt. Speers späterer Freund Gutterer ist im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) für Großveranstaltungen zuständig.414 Er inszeniert die Feiern zum 1. Mai in Berlin [WV 16], das »Reichserntedankfest« auf dem Bückeberg [WV 19] und ist auch für die Nürnberger Parteitage verantwortlich [Abb. 24]. Über Hanke, damals Adjutant Goebbels’, gelangt Speer in Kontakt mit dem Führungszirkel der NSDAP, insbesondere mit dem Minister. Dies ist insofern von Bedeutung, als die Gruppe der fanatischen Nationalsozialisten mit Hanke und Gutterer eine viel wichtigere Rolle für Speer spielt, als er im Rückblick zugeben will. Speer relativiert seine Parteitätigkeit stets und verneint, die wahren Ziele der NSDAP gekannt zu haben.415 In Anbetracht der Dreierkonstellation seiner Auftraggeber aus Gutterer, Goebbels und Hanke erscheint dies wenig überzeugend. Alle drei sind eben nicht jene Technokraten oder gar Künstler, mit denen sich Speer vorzugsweise umgeben haben will. Es ist für Speer wenig opportun zuzugeben, dass er sich vor allem an Goebbels gehalten hat, dessen Überzeugung und Radikalität ihm kaum haben verborgen bleiben können. Er nennt vielmehr Hitler seinen »Katalysator«416, obwohl diese ­Funktion Goebbels zukommt, da er ihm den Eintritt in Hitlers Umkreis ermöglicht. Die Rolle Goebbels’ als Förderer Speers ist während der NS-Zeit sogar of414 BA R4606/25, 56, Speer an Sonderführer Lucht (Propa­ gandastaffel Paris), 16.10.41. – Gutterer verwendet im Februar 1942 das vertrauliche »Du« als Anrede in einem Brief an Speer (BA R4606/26, Gutterer an Speer, 2.2.42). 415 Speer 1969, 35 u. 45. 416 Speer 1969, 45.

24 Vorbereitung zur Maifeier Berlin 1934, Joseph Goebbels, Leopold Gutterer und Albert Speer, April 1934

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fizielle Sprachregelung. Ein Bericht in »Das Reich« bekannt, jedoch nicht darüber hinaus wie sein Vorlegt 1942 explizit dar, dass Goebbels zuerst die Be- gänger Paul Ludwig Troost420 in München. gabung Speers erkannt habe.417 Goebbels seinerseits Frühestens in den ersten Monaten des Jahres scheint aber nicht von Anfang an von dessen Talen- 1934421 ist Speer in den engsten Führerumkreis ten überzeugt gewesen zu sein. In seinen Tagebü- aufgenommen. In diese Zeit datiert auch die erste chern wird der Name Speer weder bei den Umbau- Übernahme von offiziellen Ämtern, nämlich das ten des Adolf-Hitler-Hauses in der Voßstraße [WV »Amt Schönheit der Arbeit« in der Unterorganisa12] noch beim Umbau des Propagandaministeriums tion »Kraft durch Freude« (KdF) der DAF.422 Die [WV 15], der Dienstvilla Goebbels’ im Ernährungs- Tätigkeit für die Reichspropagandaleitung und für ministerium [WV 21] und genausowenig im Zu- »Schönheit der Arbeit« bzw. die DAF-Bauabteilung sammenhang mit den Anlagen auf dem Bückeberg ist dabei eine eminent politische. Dienen doch geerwähnt. Die erste Erwähnung stammt vom 7. De- rade die Aktivitäten der DAF und ihrer Untergliedezember 1933, also aus der Zeit, in der Speer sowohl rungen wie »Schönheit der Arbeit« dazu, die Arbeiter für Goebbels’ Villa als auch für Hitler in der Reichs- auch durch Vortäuschung falscher Tatsachen für den kanzlei tätig ist. Goebbels notiert  : »Mit Speer Frage Nationalsozialismus zu gewinnen. Architektur. Kampf Junge und Alte. Prof. Troost Wesentlichen Einfluss auf den späteren Aufstieg liegt falsch. Aber ein Könner  !«418 Dabei bezieht sich Speers hat seine Bekanntschaft mit Troost. Persön»Könner« eindeutig auf Troost, dem Speer zu diesem lich kennengelernt haben sich die beiden ArchitekZeitpunkt noch lange nicht ebenbürtig ist. Der Auf- ten mit großer Wahrscheinlichkeit spätestens im stieg, den Speer in den »Erinnerungen« schildert, ist September 1933. Troost berichtet in seinem Tagealso weniger ein glücklicher Zufall, sondern vielmehr buch davon, dass er vor Ort mit einem Berliner Baueine mehrstufige Karriereleiter, die er mit heute meister – mit einiger Sicherheit Albert Speer – über nicht mehr bis ins Letzte bezifferbarer Eigeninitia- die Kosten des Reichskanzleiumbaus gesprochen tive in einem Umfeld radikaler Nationalsozialisten habe.423 Dass Speer Hitler aber jemals in das Büro emporsteigt. »Unvermeidlich«419 ist die Begegnung Troosts begleitet hat, ist nicht nachzuweisen.424 In mit Hitler keinesfalls. Bevor er diesen kennenlernt, seinen »Erinnerungen« berichtet Speer von einem ist er zumindest in der lokalen Parteispitze leidlich solchen gemeinschaftlichen Besuch bei Troost, nach 417 BA R4606/87, »Zeitschriften Artikel [sic], der für die Chronik verwendet werden soll«. Siehe auch: BA R58/8031, Jungvolk vom Bau, Jugendblatt der DAF für das Baugewerbe, 8/38, 182; Petersen 1942. 418 Goebbels/Fröhlich 1987–2008Bd. 2/III, 331. 419 Mann 1978, 317. 420 Zu Paul Ludwig Troost siehe: Nüßlein 2012. 421 Die Behauptung Speers in den »Erinnerungen«, schon im Winter 1933 im Führerumkreis aufgenommen gewesen zu sein, ist nicht belegbar (Speer 1969, 51). In einem undatierten Lebenslauf, vermutlich aus seiner Haftzeit in Nürnberg, gibt Speer an, Hitler erstmals im Frühjahr 1934 vorgestellt worden zu sein, was aufgrund seiner Bauleitertätigkeit genauso unwahrscheinlich ist (BA N1340/408). 422 Siehe hierzu: ›Exkurs »Schönheit der Arbeit« und weitere Ämter‹. 423 Nüßlein 212, 159. 424 Gänzlich kontrovers zu möglichen Atelierbesuchen Speers äußert sich in der Nachkriegszeit Troosts Ehefrau Gerdy:

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Gegenüber Matthias Schmidt drückt sie mit Bestimmtheit aus, dass sich Speer und ihr Mann nie begegnet seien (Schmidt 1982, 55). Obschon prinzipiell möglich, dass Troost und Speer sich nie persönlich kennenlernen, deutet doch alles darauf hin, dass Gerdy Troost damit eifersüchtig das Andenken an ihren Mann schützen will. Um sein Vermächtnis zu sichern und ihn von den Monumentalbauten Speers abzugrenzen, disqualifiziert Gerdy Troost ihrerseits Speer: Speer habe Hitler gegenüber kein Rückgrat gezeigt und sei kein sensibler, selbstständiger Entwerfer mit Sinn für Proportion gewesen. Sie berichtet, hätte Hitler 100 m gefordert, hätte Troost 96 m für ausreichend erklärt, Speer dagegen 200 m für nötig erachtet (Reichhardt/Schäche 2008, 65). Gegensätzlich zu Gerdy Troost führt Davidson Speer als meistgeschätzten Mitarbeiter im Büro Troost, was sicherlich nur auf dem Irrtum beruhen kann, dass er Speers freie Bauleitertätigkeit in Berlin als Anstellung im Atelier Troost missversteht (Davidson 1995, 558 ff.).

Speers Onkel mütterlicherseits, Conrad Hom­mel426, hat in der Theresienstraße sein Atelier im gleichen Haus wie Paul Ludwig Troost, mit dem er bekannt ist und gemeinsam 1933 eine Ausstellung realisiert.427 Auch wenn keinerlei Konsequenzen aus dieser räumlichen Nähe nachweisbar sind, liegt die Vermutung nahe, dass die Bekanntschaft zwischen Speer und Troost über den Onkel hergestellt wird. Somit ist die Empfehlung Speers bei Hitler indirekt wohl der Fürsprache des Oheims zu verdanken. Aufgrund seiner Erkrankung lässt Troost durch seine Frau Gerdy am 10. Januar 1934 ausrichten, dass er, da er momentan verhindert sei, »seine ganze Aktivität für diese aufgeworfenen Fragen [d. h. Baufragen-ST] einzusetzen, er aber aus Liebe zum Führer und zur Kunst nicht abwartend dieser neuerlichen Gefahr des Juden zusehen will, […] 1–2 Herren aus der hiesigen Künstlerschaft bitten [wird], als seine Vertreter in Berlin

zu fungieren. Eine grosse Freude ist es ihm, in Herrn Architekt Speer einen gleichgesinnten Künstler und einen für die Anschauung des Führers sich unbeirrbar einsetzenden Kämpfer zu wissen.«428 Mangels entsprechender Quellen lässt sich nicht mehr nachweisen, ob die freundschaftliche Beziehung des Onkels zu Troost auch schon Einfluss auf Speers Beauftragung als Berliner Bauleiter des Ateliers Troost hat. Mit Sicherheit haben aber die Fürsprache Troosts und das Lob Goebbels’ Speer genutzt. Ein regelrechtes Schüler-Lehrer-Verhältnis zwischen Troost und Speer hat es dagegen mit Sicherheit nie gegeben, obwohl es oft kolportiert wurde.429 Wenn Speer jemals das Atelier besuchte, war das Zeitfenster dafür sehr kurz.430 Auch dann erscheint eine Korrektur Speer’scher Entwürfe oder eine Beratung in allgemeinen Baufragen ausgeschlossen. Speer wäre in diesem Fall entweder in der Rolle des Begleiters von Hitler aufgetreten oder schlicht als Berliner Bauleiter in die Besprechung einbezogen worden. Speers Angabe, am Todestag Troosts sei Staatssekretär Walther Funk mit den Worten »Ich gratuliere  ! Jetzt sind Sie der Erste«431 zu ihm gekommen, ist keinesfalls haltbar und bedient einmal mehr den Mythos des unaufhaltbaren Aufsteigers.432 Im Juni 1934 verkündet Hitler während einer Sitzung über die Neugestaltung, dass ihm der geeignete Architekt nach dem

425 BA N 1340/330, »Erinnerungen« 2. Manuskript, Kapitel V, 15. 426 Konrad Hommel, geboren 1883 in Mainz, war Portrait- und Landschaftsmaler in München, später Berlin (Thieme-Becker 1999, Bd. 17/18, 429; Vollmer 1999, Bd. 2, 480). 427 Nüßlein 2012, 73; 150. 428 BSB, Ana 325. LoC.665. Kunst im III. Reich: Gerdy Troost an Goebbels, 10.1.1934. 429 Gegenteilig hierzu: Mathieu 1997, 278. Nach Sereny ist Troost für Speer eine Art zweiter Lehrer. Dieser Hinweis verwirrt insofern besonders, da Sereny eine große Nähe zu Speer nachgesagt wird (Sereny 1997, 143). Denn: Im Zusammenhang mit einem mutmaßlichen Schüler-Lehrer-Verhältnis äußert Speer nämlich in einem Interview mit Wolfgang Pehnt, Hitler sei geschmacklos gewesen und habe mit Troost einen Baumeister dritter Garnitur als Lehrer verehrt (Pehnt 1989, 128). Speer äußert nach 1966 weiterhin, dass er den Begriff »Stil« für Troost für übertrieben hält, und disqualifiziert Troost zu einem Mitläufer

der bedeutenden Jugendstilarchitekten wie Behrens, Paul, Olbrich (Pehnt 1989, 129). Im Rahmen der Speer’schen Entlastungsstrategie nach 1945 betrachtet, sind derartige Äußerungen Speers allein als Versuch zu werten, sich von Troost zu distanzieren – auch um seinen eigenen Architekturen nicht die Originalität abzusprechen und sich selbst als bloßen Nachahmer zu offenbaren. 430 Troost und Speer haben sich wahrscheinlich am 19. September 1933 in Berlin kennengelernt. Nicht ganz vier Wochen später wird Troost in ein Krankenhaus eingeliefert (Nüßlein 2012, 159). Einen Hinweis, dass Speer wenigstens einmal mit Troost zusammentrifft, der zu diesem Zeitpunkt schon im Krankenhaus liegt, liefert Nüßlein. Wie Speer angibt, »immer öfter« (Speer 1969, 52), ist er sicher nicht im Atelier Troost (Nüßlein 2012, 158). 431 Speer 1969, 62. 432 Auch die Behauptung Speers gegenüber Sereny, nach den ersten Umbauten in der Reichskanzlei angeblich nicht mit weiteren Aufträgen durch Hitler gerechnet zu haben, da es

dem er entlassen gewesen und nicht zum Mittagessen in der »Osteria« mitgegangen sei  : »Ich […] besuchte meinen Maleronkel Conrad Hommel, einen Schüler von Habermann. Er besaß ein Atelier eine Treppe über dem Troosts und war durch diese […] Nachbarschaft seit Jahren mit dem Professor befreundet.«425

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Tode Troosts fehle und er nicht wisse, ob Speer ausrei- ausgemacht werden. Die Position ergibt sich durch che.433 Aus der Tatsache, dass im selben Monat auch die Nähe zu Hitler und wird von Konkurrenten Ludwig Ruff von Goebbels noch als möglicher Nach- und Mitarbeitern auch so wahrgenommen. Spätesfolger bezeichnet wird, ist zu ersehen, dass Hitler tens mit der Ernennung zum Generalbauinspektor sich mindestens ein halbes Jahr lang nicht festlegt.434 am 30. Januar 1937 ist Speers Stellung offiziell, da Noch Mitte Juni 1934 entscheidet Hitler, dass Ruff er damit per Gesetz und »Führererlass« die meisten den Deutschen Pavillon für die Weltausstellung 1935 Kompetenzen im Bauwesen Deutschlands erhält. in Brüssel entwerfen soll.435 Ruff gehört der gleichen Es ist weniger erstaunlich, als es zunächst erGeneration von Architekten an wie Troost und ver- scheinen mag, dass Hitler lange daran zweifelt, ob mag es offenbar in ähnlicher Art und Weise, Hitler Speer der richtige für die Durchführung der Berliner zu begeistern, da dieser ein existierendes Projekt von Großplanungen ist. Er nimmt lieber Verzögerungen Paul Schmitthenner zugunsten von Ruffs Entwurf im Bauvorlauf in Kauf, als einen der etablierten Arablehnt.436 Es kann nur spekuliert werden, ob Speer chitekten wie etwa Schmitthenner, Bestelmeyer oder sich langfristig gegen den deutlich älteren und er- Kreis zu beauftragen,440 obgleich er zunächst sehr fahreneren Ruff durchgesetzt hätte oder ob er zum wohl auch populäre, parteinahe Architekten in den zweiten Mal vom jähen Tod eines Architekten profi- Planungsprozess für Berlin miteinbezieht und sich tiert, da Ruff am 15. August 1934437 verstirbt. Dass von Paul Schultze-Naumburg ein Gutachten über der Aufstieg für Speer alles andere als ein Automatis- die Umbauplanungen in Berlin erstellen lässt.441 mus ist, zeigt auch, dass Ruff von Julius Streicher in Speers Darstellung in seinen »Spandauer Tagebüdessen Gedächtnisrede als »des Führers zweiter Bau- chern«, Hitler habe einen jungen Architekten ohne meister« geadelt wird.438 Die Arbeit am Pavillon für »Handschrift« und »Namen« gebraucht, den er fordie später doch noch abgesagte Teilnahme in Brüssel men und durch dessen Arbeit er seine eigenen Vorübernimmt ebenso wie die Planung der Kongress- stellungen ausdrücken könne, scheint nicht ganz von halle für Nürnberg Ruffs Sohn Franz. Die Akten des der Hand zu weisen. Zugleich wird es aber nicht das »Zweckverband Reichsparteitaggelände« (ZRN) im entscheidende Kriterium bei der Wahl Speers geweStadtarchiv Nürnberg erwecken den Eindruck, dass sen sein.442 Es ist eher als Ausschlusskriterium gegen Franz Ruff weder seinem Vater noch Speer in irgend- bestimmte andere Architekten zu sehen, wie etwa einer Weise, persönlich wie fachlich, gleichrangig war. Sagebiel, der seine organisatorischen Fähigkeiten bei Wohl deshalb bleibt seine Tätigkeit auf Nürnberg be- Bauten der Luftwaffe schon unter Beweis gestellt hat, schränkt und das Reichsparteitagsgelände wird Speer aber nicht über die nötige Anpassungsbereitschaft übertragen.439 verfügt.443 Die Tatsache, dass Ludwig Ruff ernsthaft Ein konkretes Datum für den Zeitpunkt, ab dem als Nachfolger Troosts gehandelt wird, belegt, dass es Speer »Architekt des Führers« ist, kann unmöglich für Hitler kein ausschlaggebendes Element ist, ob er der Auftrag von Troost ist (Sereny 1997, 129), verleiht der Schilderung seines Emporkommens die nötige Bescheidenheit. 433 BA R43II/1181, 94, Niederschrift vom 28.6.1934. 434 Goebbels/Fröhlich 1987–2008, 3/I, 57. Eintrag vom 3. Juni 1934: »Mittags Führer. Hallenbau-Entwurf von Prof. Ruff für Nürnberg. Ganz grandios. Vielleicht der Nachfolger für Prof. Troost. Der Führer ganz ergriffen davon.« Zwar bedeutet dies nicht, dass es zwangsläufig ein Gedanke Hitlers gewesen sein musste, Ruff zum Nachfolger zu machen. Es belegt aber in jedem Fall, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keinen Nachfolger gibt und die Frage noch ungeklärt

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ist. Sigel 2000, 129. Sigel 2000, 128. Thieme-Becker 1999, Bd.29, 175. Gedächtnisrede Julius Streichers am 18.8.1934, zit. n. Heyden 1995, 180. – Dennoch erhält Ruff im Gegensatz zu Troost kein Staatsbegräbnis und auch Hitler nimmt daran nicht teil, wohl aber die lokale Parteiprominenz. Siehe zum Begräbnis Ruffs: Heyden 1995, 200. 439 Kurzbiografie Franz Ruffs bei: Diefenbacher 1995, 208. 440 Gegensätzlich hierzu: Larsson 1978, 26. 441 BA R 43II/1028, 50, Bericht über Vortrag beim Reichs435 436 437 438

einen arrivierten Baukünstler oder einen jungen unbekannten, noch formbaren Hochschulabsolventen einstellt. Die Fähigkeit eines Architekten, sich auf seinen Bauherrn einzustellen, gehört mit zu seiner Kernkompetenz. Troost hat dies vermocht und auch Ruff gelingt es bei der Kongresshalle. Somit hätte einer weiteren Zusammenarbeit Hitlers mit Ruff und Troost nichts im Wege gestanden. Zu der Fähigkeit, den Wünschen seines Auftraggebers Ausdruck zu verleihen, kommen die unmittelbar mit der NSDAP verknüpften Aufträge Speers hinzu. Entscheidend sind hier die Ausgestaltung der Feierlichkeiten des 1. Mai 1933, die Gestaltung des Bückeberges und seine Tätigkeit für den Parteitag 1933 in Nürnberg. Diese Aufträge sind von höchster Bedeutung für die erste Konsolidierungsphase der NSDAP, was Hitler sicherlich bewusst ist. Speer zeigt damit neben dem Willen zur Anpassung seine Loyalität und seine unbedingte Einsetzbarkeit für Ziele der Partei. Neben der Tatsache, dass er bei Goebbels schon an der Spitze der Hierarchie tätig ist, ist hier ein entscheidender Unterschied zu anderen Architekten zu sehen. Sagebiel hat mit Göring ebenfalls einen Fürsprecher auf gleicher Ebene und führt wichtige Bauten aus. Er ist ein fähiger, loyaler, doch nicht besonders auffälliger Beamter, der zwar schnell aufsteigt, aber dennoch nicht derart mit der Konsolidierung der Partei verknüpft ist wie Speer.444 Ruff werden mit der Kongresshalle in Nürnberg und dem Deutschen Haus für die Weltausstellung 1935 ebenfalls sehr stark mit der Selbstdarstellung der NSDAP verknüpfte Bauten übertragen. Insofern hat Speer in dieser Hinsicht kein Alleinstellungsmerkmal. Ruff

kann sich in Nürnberg schnell auf Hitler einstellen und die Anzeichen dafür, dass er eine ernsthafte Konkurrenz für Speer darstellt, sind deutlich. Nach dem Tod Ruffs und Troosts ist Speer jedoch derjenige Architekt, der am engsten mit Hitler verbunden ist und zudem genügend Projekte durchgeführt hat, mit denen sich seine Stellung begründen lässt. Der Anschein, Hitler habe Speer – der ihm bislang noch nicht als Entwerfer und Gestalter bekannt gewesen ist, sondern nur als Leiter von Umbauten ohne großen Gestaltungsspielraum oder Errichter ephemerer Anlagen – als erstes die Bauaufgabe Nürnberg übertragen, täuscht. Der erste Hochbau ist nicht das Zeppelinfeld, sondern zunächst eine Garage für die Reichskanzlei [WV 30]. Dennoch muss sich Speer in den Augen Hitlers schon früh als qualifiziert erwiesen haben, die organisatorische Leitung von Großprojekten zu übernehmen. Ab Mai 1934 vertritt er nachweisbar Hitlers Wünsche in Nürnberg.445 Damit ist anzunehmen, dass er spätestens zu diesem Zeitpunkt, aber auch nicht viel früher, im engeren Führerumkreis angekommen ist. Unangreifbar ist seine Stellung zu diesem Zeitpunkt aber noch lange nicht. So versucht Speer eifersüchtig, den Auftrag für die Errichtung der Hindenburggruft im Tannenberg-Nationaldenkmal [WV 28] gegenüber den Brüdern Krüger zu verteidigen.446 Er scheitert jedoch an deren Widerstand und ihren Unterstützern in der Reichskanzlei.447

kanzler, 1.11.33. – Offenbar bittet Hitler einen Sachverständigenausschuss der Akademie des Bauwesens in Weimar um die Untersuchung der Berliner Verkehrsfragen. Schultze-Naumburg stimmt Hitler darin zu, die Bahnanlagen als Grundursache verlegen zu müssen. Er gibt weniger ein Gutachten ab, als dass er vielmehr Hitlers Meinung und dessen Einzeichnungen in die Pläne referiert und somit das aktive Planen Hitlers schon 1933 belegt. 442 Sogar Speer behauptet nach 1945, dass Hitler selber durchblicken lässt, «… er habe nur einen jungen, begabten Architekten gewollt, so unbeschrieben noch, daß er ihn formen konnte« (Speer 1975, 404).

443 Siehe hierzu: Dittrich 2005, 283. 444 Zur Vita Sagebiels siehe: Dittrich 2005, für die frühen 1930er-Jahre: 71–77. 445 Siehe hierzu Kapitel: ›Nürnberg – die ersten Großbauten‹. 446 Johannes (1890–1975) und Walter (1888–1971) Krüger gewannen 1924 den Wettbewerb zum Tannenberg-Nationaldenkmal (Tietz 1999, 212). 447 Speer pocht gegenüber den Brüdern Krüger auf seine Führungsrolle: »Es ist selbstverständlich, dass der Entwurf von mir allein ausgearbeitet und den zuständigen Stellen vorgelegt wird. Ihre Aufgabe ist die örtliche Bauleitung.« (Zitiert nach: Tietz 1999, 90.)

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E TA B L I E R U N G B E I HITLER (1934–1937)

Im Frühjahr 1934 hat sich Speer auch für andere erkennbar in den Umkreis Hitlers hochgearbeitet. Er berichtet, dass aus diesem Grund Aufträge auch von anderen Mitgliedern der Nomenklatura nicht ausblieben. So soll Göring Speer mit der Umgestaltung seiner erst vor kurzem pompös renovierten Wohnung betraut haben [WV 24].448 Der Umbau ist allerdings nicht nachweisbar und Speers Schilderung über den Ablauf ist nicht zuletzt aufgrund der Datierung unglaubwürdig. Seine Nähe zu Hitler beginnt sich dennoch auszuzahlen und er erhält übergangslos den nächsten Auftrag, bei dem er nicht mehr nur Bauleiter, sondern eigenverantwortlich als Architekt tätig ist. Wieder handelt es sich um einen Umbau im Gebäudebestand – wie bei der Tribüne für den 1. Mai 1933 ebenfalls mit engster Verknüpfung zur Politik. Pläne zu einem Umbau des unmittelbar neben dem Dienstgebäude der Reichskanzlei befindlichen ehemaligen Palais Borsig als Sitz für die Oberste SA-Führung sind ab Frühjahr 1934 nachzuweisen [Abb. 25].449 Die innenpolitische Lage ist zu diesem Zeitpunkt für Hitler schwierig, Unzufriedenheit führt zu Rufen nach einer zweiten Revolution. Die Entwürfe werden schon seit April 1934450 entwickelt, also über drei Monate vor dem »Röhm-Putsch« am 30. Juli 1934. Mit der auch »Nacht der langen Messer« genannten Ausschaltung der SA befreit sich Hitler von der innerparteilichen Opposition und sichert

damit seine Macht nachhaltig auch nach innen. Speer erhält seinen Auftrag in dem Moment, als Reichswehrminister Werner von Blomberg Hitler seine Unterstützung zusichert. Sicherlich liegt es in Hitlers Interesse, dass die Pläne nicht sofort bekannt werden. Obgleich Speer den Kostenvoranschlag schon im April ausfertigt,451 erhält das Finanzministerium erst mit Post vom 7. Juli 1934 Kenntnis davon.452 Der Kostenvoranschlag übertrifft, so die Feststellung der Reichsbaudirektion (RBD), die reichsüblichen Kosten um rund 12 % und die Innenausstattung erweist sich in ihren Augen als unangemessen aufwendig.453 Einsparbemühungen seitens der RBD bleiben jedoch wirkungslos. Der Kostenvoranschlag und seine Prüfung durch dritte Stellen gerät also im Bauen Speers von Anfang an zur Formsache, die für ihn, gedeckt oder darin gar befördert durch seinen Bauherrn Hitler, keinerlei Verbindlichkeit besitzt. Lammers präzisiert für die RBD, dass der Auftrag an Speer direkt von Hitler stammt. Durch die Baupolizei erst am 7. September genehmigt, können die Räumlichkeiten trotzdem Anfang Oktober 1934 in Benutzung genommen werden. Abgeschlossen ist der Umbau damit noch nicht. Im Dezember 1934 wird über Lammers ein erneuter Kostenvoranschlag eingereicht, der auf Anordnung Hitlers auch den zusätzlichen Ausbau des Dachgeschosses in vollwertige Büroräume zum Inhalt hat. Die Aufstellung umfasst neben der Bausumme von 125.000 RM weiterhin einen etwa ebenso großen Betrag, um die Repräsentationsräume des Borsigpalais mit einer gehobenen Innenausstattung wie Veloursböden, Gobelins und aufwendigen Lampen auszustatten.454 In Fortsetzung des Dienstgebäudeumbaus der Reichskanzlei renoviert Speer nun zudem die Woh-

448 Zum Umbau der Wohnung Görings siehe: Speer 1969, 49 und Sereny 1997, 134. 449 BA R43II/1049a, nach Schönberger 1981, Plan 5. – Planausfertiger ist wiederum Klinke. 450 Schönberger 1981, 28. 451 BA R2/4508, 9, RBD Berlin an Reichsminister der Finanzen, 22.8.1934.

452 BA R2/4508, 2, Staatssekretär in der Reichskanzlei, Lammers, an Herrn Reichsminister der Finanzen, 7.7.34. 453 BA R2/4508, 2, Staatssekretär in der Reichskanzlei, Lammers, an Herrn Reichsminister der Finanzen, 7.7.34. 454 BA R2/4508, 94, Staatssekretär in der Reichskanzlei an Reichsminister der Finanzen, 19.12.34. 455 BA R2/4508, 113, Reichsbaudirektion an Finanzminis-

Ausb au de r S t e l lu ng i n Be r l i n 1934

66 | E tablierung bei Hitler

nung des Staatssekretärs in der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers. Hitler, der diese für die Dauer des Umbaus im Altbau bewohnt, zieht spätestens Ende Mai 1934 wieder in die Alte Reichskanzlei um, sodass sie ihrem ursprünglichen Zweck wieder zugeführt werden kann. Im Gegensatz zu seinem Organisationstalent war Kostendisziplin offenbar nie eine Stärke Speers. Hinzu kommt, dass auch seine Auftraggeber kein Interesse am sparsamen Bauen haben. Lammers beantragt stets ohne Weiteres die von Speer addierten Summen beim Finanzministerium, die dann regelmäßig von Speer überschritten werden. Auf Einsparungen ist lediglich die Reichsbaudirektion bedacht. Auch die Kosten für die Wohnung des Staatssekretärs Lammers übersteigen die in der Liste genannten 75.000 RM schon lange vor der Fertigstellung um 10.000 RM. Dabei stehen den reinen 25 Berlin, Blick in die Wilhelmstraße nach Süden. Im Baukosten in Höhe von 22.000 RM über 63.000 RM Vordergrund der Seitenflügel der Alten Reichskanzlei, an Ausstattungskosten gegenüber.455 dahinter der Erweiterungsbau und daran anschließend Entsprechend den erhaltenen Plänen befasst bis zur Einmündung der Voßstraße das ehemalige Pasich Speer im Mai 1934 auch mit der Umnutzung lais Borsig, um 1930 der Kraftwagenhalle456 im Erweiterungsbau der Reichs­ kanzlei. Zeitgleich wird die Umwidmung der Küchenräume im Südflügel des Altbaus457 der chen Gepflogenheiten zeigt sich deutlich in einem Reichskanzlei zu einer Stabswache projektiert. Die internen Schriftwechsel des Finanzministeriums aus Ausführung beginnt aber aus unbekannten Gründen den ersten beiden Juniwochen 1934. Dort wird zuerst im Hochsommer 1934.458 Möglich ist, dass hier nächst bemerkt, dass sich »eine Stellungnahme zu ein Zusammenhang mit dem Garagenneubau an den Kostenanschlägen [erübrigt,] umsomehr als aus der Hermann-Göring-Straße (WV 30) besteht oder den beigegebenen Unterlagen weder die NotwenSpeer schlichtweg zu stark ausgelastet ist.459 Beide digkeit noch die Preisangemessenheit der einzelnen Aufträge – Staatssekretärswohnung und Stabswa- Leistungen einwandfrei festgestellt werden kann.«461 che – erhält Speer nachweisbar auf direkte Weisung Außerdem wird darin festgestellt, dass die Arbeiten Hitlers, den er damit spätestens jetzt als Auftragge- ohnehin bereits begonnen hätten. Das Architektenber gewonnen hat.460 Die sich schon bei den ersten honorar Speers – je nach Position 8–10 % der BauTätigkeiten Speers für Hitler herausbildende Art summe – wird im Vergleich zu den sonst üblichen des Bauens bezüglich des Umgangs mit behördli- Sätzen für derartige Aufgaben als viel zu hoch an-

ter, 3.1.35. – Die Renovierungskosten fallen hier mit rund 15.000 RM vergleichsweise gering aus, werden dafür aber durch extrem hohe Ausstattungskosten aufgewogen (BA R2/4507, 303 f., Lammers an Finanzminister, 30.5.34; BA R43I/1532, 77, Speer an Reichskanzlei, 14.5.34). 456 BA NS2/4508, Plan der Stabswache, 26.5.34. 457 BA R2/4507, 303 f., Lammers an Finanzminister, 30.5.34.

458 Siehe dazu: S. 68. 459 Ab April 1934 beginnen die Planungen für den Umbau des Palais Borsig. Siehe hierzu: ›Ausbau der Stellung in Berlin 1934‹. 460 BA R2/4507, 303 f., Lammers an Finanzminister, 30.5.34. 461 BA R2/4507, R. an Abteilung I (Ref. Weiß), 14.6.1934.

Ausbau der Stellung in Berlin 1934   |  67

gesehen, insbesondere deshalb, da es sich lediglich um Schönheitsreparaturen und nicht um Umbauten oder Entwürfe mit wesentlichem künstlerischen Anteil handele. Interessanterweise wird mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit der Beträge »jedoch empfohlen, von einer Erwähnung der Bedenken in der Zuschrift an den Staatssekretär in der Reichskanzlei Abstand zu nehmen«.462 Die RBD wird in die Planung nicht eingebunden und bemerkt zu dem Umbau daher leicht pikiert, dass es ohnehin fraglich sei, ob die fachtechnische Prüfung beim fortgeschrittenen Stand der Bauarbeiten noch möglich sei.463 Das Hinwirken auf kostengünstigere Materialien erledige sich oft von selbst, da meist der beantragte Bau »z. Zeit der Mittelbeantragung bereits durchgeführt und […] auch schon zur Hälfte abgerechnet [sei]«.464 Die RBD sieht zudem die prinzipielle Gefahr bei der Vergabe von Aufträgen an Privatarchitekten, dass diese die Baukosten erhöhten, weil ihr Honorar sich prozentual daraus erechne.465 In Bezug auf die Tätigkeiten Speers sollte die RBD Recht behalten. In welcher Relation schon die frühen Bauten und Umbauten Speers zu den bis dahin üblichen Bauvolumina stehen, zeigt die Feststellung der RBD, dass sie mit den Prüfungen überlastet wäre, wenn Speer weiterhin so groß baue.466 Das Tempo, mit dem sich Speers Aufstieg vollzieht, wird aus einer Aufstellung der RBD deutlich. Nach nur rund eineinhalb Jahren Tätigkeit in der Hauptstadt wird am 5. September 1934 für begonnene Bauten Speers ein Bauvolumen von 1,01 Millionen RM aufgeführt.467 Hierbei entfallen auf den Umbau des Reichskanzlei-Erweiterungsbaus 180.000 RM,468 auf den Umbau der Staatssekretärswohnung von Lammers einschließlich Möblierung 75.000 RM, auf den Umbau des Palais Borsig 650.000 RM, auf den Garagenbau an der Hermann-Göring-Straße

100.000 RM und schließlich auf »sonstige kleinere Ausführungen« 10.000 RM. 469 Wohlgemerkt sind hier nur die laufenden Arbeiten erwähnt. In dieser Aufstellung fehlen die schon abgeschlossenen Projekte. Betrachtet man diese, ergibt sich aus dem Vergleich der Bausummen eine erhebliche Steigerung der Projektgrößen, die noch deutlicher den Aufstieg widerspiegeln. Der schon erwähnte Garagenneubau sowie der Einbau einer Stabswache in die Reichskanzlei beschäftigen Speer parallel im Herbst 1934, weil die zunächst in den Küchenräumen im Südflügel des Altbaus vorgesehene Stabswache nun in der bisherigen Kraftwagenhalle Platz finden soll. Die beiden genannten Projekte bedingen sich gegenseitig, ­wobei nicht klar zu rekonstruieren ist, welches den Anstoß gegeben hat. Die Reichskanzlei hätte durch die geplante Umnutzung der Kraftwagenhalle im Erdgeschoss des Erweiterungsbaus über keinerlei Fahr­ zeug­ abstellmöglichkeiten mehr verfügt [Abb. 27]. Aus diesem Grund unterbleibt wahrscheinlich der Einbau der Wachlokale vorerst, während durch den Bau eines Garagengebäudes neue Kapazitäten geschaffen werden. Geplant war der Wacheinbau schon länger, denn der Plan für die Konvertierung der Kraftwagenhalle in eine Wache [WV 27] stammt vom 26. Mai 1934.470 Der Garagenbau der Reichskanzlei auf dem Eckgrundstück Voßstraße 19/Hermann-Göring-Straße 15 [WV 30  ; Abb. 26] ist der erste Hochbau, den Speer eigenständig für Hitler entwirft. Aufgrund seiner Lage muss er jedoch nur wenige Jahre später für den Bau der Neuen Reichskanzlei [WV 46] wieder abgebrochen werden.471 Dieser Bau markiert einen Wendepunkt in Speers Tätigkeit für Hitler. Begonnen hat seine Karriere mit Umbauten im Bestand. Erst jetzt, im Herbst 1934, führt er erstmals in Hitlers Diens-

462 BA R2/4507, R. an Abteilung I (Ref. Weiß), 14.6.1934. 463 BA R2/4508, 42, RBD an Reichsminister der Finanzen, 13.10.1934. – Eine ebensolche Mitteilung macht das Finanzministerium auch betreffs des Umbaus der Staatssekretärswohnung für Lammers (BA R2/4507, 303 ff.). 464 BA NS2/4508, 42, RBD an Reichsminister der Finanzen,

13.10.1934. 465 BA NS2/4508, 42, RBD an Reichsminister der Finanzen, 13.10.1934. 466 BA R2/4508, 31, Reichsbaudirektion an Lammers, 21.9.34. 467 BA R2/4508, 33, Reichsbaudirektion Berlin, Nr. 251, 5.9.1934. 468 Unklar bleibt, worauf genau sich der Posten »Umbau

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26 Albert Speer, Berlin, Garagenbau der Reichskanzlei (WV 30). Ansicht Ost- [oben] und Südseite [unten], August 1934

ten eigenständige Entwürfe aus und muss seine gestalterischen Fähigkeiten beweisen. Für seine weitere Karriere ist dieser Auftrag von größter Bedeutung, weist er ihn doch als fähig aus, in der von Hitler gewünschten Formensprache zu gestalten.472

Am 21. September 1934 teilt die Reichsbaudirektion Lammers mit, dass die Geldmittel für den Garagenbau bereitgestellt seien, sodass die Bauausführung beginnen kann.473 In der Planung ist der Bau jedoch schon länger, denn die am 26. September

Reichskanzlei-Erweiterungsbau 180000,- RM« in der RBDListe bezieht (BA R2/4508,33, Reichsbaudirektion Berlin, Nr. 251 v. 5.9.1934). Es wird wohl der Ausbau des 2. OG des Dienstgebäudes gemeint sein, der zunächst laut Aktenlage zurückgestellt werden soll. 469 BA R2/4508, 33, Reichsbaudirektion Berlin, Nr. 251, 5.9.1934.

470 BA R2/4508, 44, Grundriss Reichskanzlei, Neue Wachräume, 26.5.34. 471 Räumungstermin war der 1. April 1938 (Arnold/ Janick 2009, 67). 472 Siehe dazu auch S. 73. 473 BA R2/4508, 31, Finanzminister an Lammers, 21.9.34.

Ausbau der Stellung in Berlin 1934   |  69

27 Albert Speer, Berlin, Lageplan Garagenbau der Reichskanzlei (WV 30), 1934. Dunkel hervorgehoben der Neubau, hell die Lage der alten Garage im Erweiterungsbau. Parallel zum rechten Bildrand die Voßstraße, links diagonal verlaufend die Hermann-Göring-Straße

1934 bei der Baupolizei eingereichten Planunterla- plex noch zwei Wohnungen, Wartungsmöglichkeiten gen datieren vom 8. August 1934.474 Indizien deu- für die Fahrzeuge, die Tagesräume der Fahrer und ein ten auf eine Fertigstellung im Winter 1934/35 hin. Wachlokal, da durch den Garagenkomplex auch ein Zu diesem Zeitpunkt wird ein Mangel offensichtlich, Zugang zum Reichskanzleigarten möglich ist. Wie für die vorangegangenen Projekte ist auch der auch bei anderen, späteren Bauten Speers immer wieder auftritt. Aufgrund der Eile, in der die Bauten für den Garagenbau ein erheblicher Kostenauferrichtet werden, oft ohne Rücksicht auf die Jahres- wand nötig. Der Voranschlag beläuft sich auf zeiten, zeigen sich schon bald erste Schäden.475 Im 104.460,55 RM einschließlich Honorar gemäß GeFalle des Garagenbaus entstehen Verfärbungen und bührenordnung  : 7 % sowie 1,7 % für die Baulei»Ausblähungen«,476 da das Gebäude in der Winter- tung, ob der vorangegangenen Kritik an seinen Honoraren »ermäßigt auf 7 %«.477 Erwartungsgemäß zeit errichtet worden ist. Auf dem ungünstig geschnittenen Grundstück erhöhen sich auch in diesem Fall die Ausgaben und versucht Speer Nutz- und Repräsentationswert zu es wird ein Kostenzuschlag von 15.173 RM nötig, vereinen und nimmt dabei Rücksicht auf den alten weil »nachträglich vom Führer und Reichskanzler Baumbestand. Neben den zehn Garagen, die auch ergänzende Arbeiten gewünscht worden«478 seien, die Unterbringung der übergroßen Tourenwagen um deren Präzisierung man sich allerdings keine Adolf Hitlers gestatten, befinden sich in dem Kom- weitere Mühe macht. 474 LArchB A. Rep. 010-02, 6801. – Lammers unterrichtet das Finanzministerium jedoch auch erst am 12. September 1934 von den Planungen (BA R2/4508, 14, Der Staatssekretär in der Reichskanzlei an Reichsminister der Finanzen, 12.9.34).

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475 Auch die Nürnberger Zeppelintribüne zeigt sich, ebenfalls durch Frostschäden, heute in desolatem Zustand. Siehe hierzu: Zustandsbericht 2009; Breloer 2005b, 271. 476 BA R2/4508, 178, Staatssekretär i. d. Reichskanzlei an Reichsminister der Finanzen, 5.6.34.

28 Albert Speer, Berlin, Erweiterungsbau der Reichskanzlei, Grundriss Wachraum (WV 27), 26. Mai 1934

Mit einem fast gleichlautenden Schreiben wie zu Jahresende erhöht sich der Betrag noch einmal um dem Garagenneubau kommentiert die Reichsbaudi- rund 5.500 RM, da nachträglich der Bau einer Toirektion das Folgeprojekt  :479 Ende September 1934 lettenanlage für die jetzt als SS-Wache bezeichneten teilt Lammers dem Finanzministerium mit, dass die Räumlichkeiten notwendig wird [WV 34].481 Die eine Hälfte der zweischiffigen Garage wird in bisherige Kraftwagenhalle im Erweiterungsbau der Reichskanzlei in eine Unterkunft für die Reichswehr- Tages-, Wasch- und Schlafraum aufgeteilt, während und Stabswache konvertiert werden soll [WV 27  ; der Rest bis zur Fertigstellung der Garagen in der Abb. 27  ; Abb. 28]. Die Kraftwagenhalle liegt im Süd- Hermann-Göring-Straße weiter für die Nutzung als flügel der Alten Reichskanzlei und nimmt dort das Fahrzeuggarage eingerichtet bleibt und gleichzeitig gesamte Erdgeschoss ein. Eingebaut im Zuge der Er- als Durchgang in den Garten dient [Abb. 29]. Der richtung des Siedlerbaus unter dem »Roten Saal« und Finanzminister moniert die teure Ausstattung, die dem »Ländersitzungssaal«, bietet sie neun Fahrzeu- sich nach Speer durch die doppelte Nutzung ergen Platz und ist über drei Tore zum Hof zugänglich. klären lässt. In der Interimsphase solle auch »der Wiederum auf einen direkten Auftrag Hitlers hin soll schwere Wagen des Führers« diesen Raum benutzen, Speer die Arbeiten ausführen, bei denen Kosten von weswegen hier ein Bodenbelag mit erhöhter Druckrund 31.000 RM veranschlagt werden.480 Kurz vor festigkeit zu verlegen sei.482 Da der Raum aber auch 477 BA R2/4508, 15 ff. 478 BA R2/4508, 79. Lammers an Finanzminister, 25.11.34. 479 BA R2/4508, 42, Reichsbaudirektion Berlin an Finanzminister, 13.10.34. 480 BA R2/4508, 40, Staatssekretär i. d. Reichskanzlei an

Reichsminister der Finanzen, 22.9.34. 481 BA R2/4508, 68, Staatssekretär i. d. Reichskanzlei an Reichsminister der Finanzen, 26.11.34. 482 BA R2/4508, 83, Lammers an Reichsminister der Finanzen, 8.11.34.

Ausbau der Stellung in Berlin 1934   |  71

worden ist,484 sollen anstelle der Küchenräume dort zunächst Hauswirtschaftsräume eingerichtet werden.485 Gemäß »Führerwunsch« werden dann aber auch im Südflügel durch Speer Wachräume eingebaut [WV 28, Abb. 30]. Die Bauarbeiten beginnen schon am 29. Oktober 1934.486 Gültige Pläne liegen aber erst seit dem 20. Oktober 1934 vor.487 In der üblichen Art und Weise wird das Finanzministerium mit einiger Verzögerung und auch erst nach Baubeginn am 3. November 1934 gebeten, die benötigten Finanzmittel außerplanmäßig bereitzustellen.488

Vor bi l d T ro o s t Der Entwurf für die Reichsführerschule München-Grünwald [WV 22] im Oktober 1933 nimmt im Werk Speers insofern eine Brückenstellung ein, als Speer um den Jahreswechsel 1933/34 vorwie29 Eduard Jobst Siedler, Berlin, Erweiterungsbau der gend mit Umbauten in Berlin befasst ist und eiReichskanzlei, Grundriss Erdgeschoss, 1928. Gegengenständige künstlerische Tätigkeiten rar sind. An über der Hofeinfahrt von der Wilhelmstraße die große den beiden folgenden Entwürfen, dem Nürnberger Garage Zeppelinfeld und dem erwähnten Garagengebäude der Reichskanzlei, zeichnet sich mehr als deutlich ab, wie schnell die Anpassung Speers an seinen neuen als zu den Wachräumen zugehörig anzusehen sei und Hauptauftraggeber erfolgt. In beiden Fällen vollzieht Hitler ausdrücklich Wert darauf lege, dass »die für er in radikaler Weise einen Wandel, der nur zum seine Begleitmannschaft vorgesehenen Räume auf Teil mit der Bauaufgabe begründet werden kann. das anständigste ausgestattet werden […] und zwar Für München-Grünwald ist ein »heroischer Charaküber den allgemein üblichen Rahmen hinaus«, und ter«489 gefordert, der dem Zeppelinfeld durch die bei mehrmaligen Besichtigungen der Räume sowie Bauaufgabe als Kultstätte der Partei in gleicher Weise durch persönliche Überarbeitungen der geplanten immanent ist. Speer eignet sich für den Entwurf des Einrichtung »sein persönliches Interesse für die Her- Zeppelinfeldes die von Hitler akzeptierten Prinzirichtung dieser Räume« gezeigt habe, sei der Auf- pien des jüngst verstorbenen Troost an. Verzichtet wand gerechtfertigt.483 er in Grünwald noch auf Gesimse, Bauglieder aus Nachdem der Einbau dieser Räumlichkeiten im Werkstein und übermäßiges Pathos, mithin auf das Mai noch in den Küchenräumen im Südflügel des klassizistische Formenrepertoire insgesamt, kommt Altbaus vorgesehen und grundsätzlich genehmigt dies beim Zeppelinfeld uneingeschränkt zum Ein483 BA R2/4508, 83, Lammers an Reichsminister der Finanzen, 8.11.34. 484 BA R2/4508, 40, Lammers an Reichsminister der Finanzen, 22.9.34. 485 BA R2/4508, 40, Lammers an Reichsminister der Finanzen, 22.9.34.

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486 BA R43I/1532, 79, Speer an Lammers, 2.11.34. 487 BA R2/4508, 66, Grundriss Reichskanzlei Berlin, Umbau der Kellerräume in Wachräume, 20.10.34. 488 BA R2/4508,54, Staatssekretär i. d. Reichskanzlei an Reichsminister der Finanzen, 3.11.34. 489 Nerdinger 2004, 94.

30 Albert Speer, Berlin, Alte Reichskanzlei, Grundriss Wachraum im Südflügel (WV 28), 5. Mai 1934. Am linken Rand die Durchfahrt in den Hof des Erweiterungsbaus, unten rechts der Ansatz des Mittelbaus der Alten Reichskanzlei

satz. Wie Troost setzt Speer auf reduzierte Formen. Analog dessen Münchner Bauten stuft Speer Kranzund Sockelabschlussgesimse ab, setzt Pfeiler mit »Basen«490 und »Kapitellen« ein, greift in Detailformen wie auch in der Gesamtdisposition auf antike Vorbilder491 zurück und schmückt sogar die Deckenuntersicht der Pfeilerhalle mit Mosaiken. Noch deutlicher wird die Anlehnung beim Garagenbau der Reichskanzlei [WV 30]. Ohne den der Zeppelintribüne innewohnenden Zwang zu hoher Würde und Pathos kopiert Speer die architektonischen Mittel Troosts teils bis ins Detail. Er entwirft eine strenge Lochfassade, in der die kassettierten Garagentore mit den Fenstern des Obergeschosses korrelieren.492 Von den Münchner Königsplatzbau-

ten übernimmt er das aufgelegte Band, das unter den Obergeschossfenstern durchlaufend auch als Sohlbank dient. Ähnlich wie dort gestaltet Speer auch den oberen Abschluss des Erdgeschosses. In Berlin reichen die Garagentore, in München die Fensternischen an ein weiteres aufgelegtes Band heran. Zusammen mit dem Sohlbankband, auf dem die hochrechteckigen Sprossenfenster stehen, ergibt sich darauf eine Art »Frieszone«, die beiden Bauten eine ausgeprägte Horizontalität verleiht [Abb. 31]. Das Grundstück ist nicht sonderlich gut geschnitten, doch realisiert Speer eine Gebäudedisposition, die diesen Mangel verschleiert. Ein großes Augenmerk liegt auf der streng axialen Gliederung des Gebäudes, dessen Hauptteil in sich genauso symmetrisch

490 Speer verwendet abgewandelte Bauglieder, die der Funktion von Basen und Kapitellen entsprechen, nicht aber deren klassischen Definitionen. 491 Siehe dazu auch: Grüner 2004. 492 Ob es sich um eine Werksteinverkleidung oder eine Rustizierung handelt, kann betreffs der Fassade nicht sicher

beantwortet werden. Das Fugenmuster ist offensichtlich bewusst als Gliederungselement eingesetzt, wie die Fugengliederungen der »Frieszonen« zwischen den Bändern belegen.

Vorbild T roost  |  73

31 Albert Speer, Berlin, Garagenbau der Reichskanzlei (WV 30). Ansicht Nordseite, August 1934

32 Ernst Sagebiel, Berlin, Reichsluftfahrtministerium, 1938

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33 Ernst Sagebiel, Berlin, Flughafen Tempelhof, Modellfoto

ist wie der Garagenflügel. Die Anlehnung an Troost dem direkte Anlehnungen an Klenze auszumachen beschränkt sich nicht allein auf die Bauornamentik sind. Ein Aufsteiger wie Speer – noch dazu ohne gröund Disposition, sondern wird auch bei den im Entwurf angedeuteten Beleuchtungskörpern zwischen ßere Erfahrungen im Baufach – musste sich daher den Toren deutlich, die sich an dessen Wandleuch- zwangsläufig an diesem vom Bauherrn akzeptierten tern orientieren, wie sie in ähnlicher Form im Brau- Stil orientieren, wollte er weitere Aufträge erhalten. Speer ist alles andere als frei in der Formfindung und nen Haus in München vorkommen.493 Speer wird beim Garagenbau direkt von Hitler die Orientierung an Troost nicht allein eine autobeauftragt. Dessen Vorstellungen sind unter dessen nome Entscheidung aus Karrieregründen, da er die ersten Aufträge, die er für Hitler ausführt, stets ohne autoritärem Regime bindend. Für die Frage nach Speers stilistischer Entwick- Vermittler von diesem persönlich erhält. Aufgrund lung zu diesem Zeitpunkt ist daher das Verhältnis von Hitlers Begeisterung für Architektur und seiner zu Paul Ludwig Troost essenziell [siehe hierzu auch bis in Details gehenden Einmischung in laufende S.  108].494 Troost entwickelt für die Parteibauten Planungen kann eine enge Absprache zwischen den in München einen reduzierten Neoklassizismus, in beiden vorausgesetzt werden 493 Nüßlein 2012, 86.

494 Zur Rezeption Troosts im Nationalsozialismus generell, siehe: Nüßlein 2012, 159–169.

Vorbild T roost  |  75

Abb. 34  : Richard Ermisch, Berlin, Messehalle, Aufnahme um 1950

Der von Troost initiierte Stil ist in den ersten Jahren diesen Stil zu eigen macht. Trotz seiner Schlichtheit des NS-Regimes auch außerhalb Münchens maß- beherrscht der monumentale Bau den Stadtraum an geblich. Dies machen damalige Berliner Großbau- der Leipziger Straße. stellen deutlich   : der Flughafen Berlin-Tempelhof An den Einsendungen zum Wettbewerb für den (1935–1941)495 [Abb. 33] und das Reichsluftfahrt- Reichsbankneubau und das Reichsluftfahrtministeministerium in der Wilhelmstraße (1934–1936)496 rium zeigen sich in unterschiedlicher Ausprägung [Abb. 32], beide von Ernst Sagebiel entworfen, so- die Bezüge zum Neuen Bauen, nicht zuletzt, da er wie der Neubau der Reichsbank von Heinrich Wolff direkt aus der Republik kommt. In etwas reduzierter (begonnen 1934)497 [Abb. 35]. Diese Bauten sind an und verwässerter Form hat sich dessen Formenspraden reduzierten Neoklassizismus Troost’scher Prä- che bei öffentlichen Bauten zu Beginn der 1930ergung angelehnt. Die Differenzen in der Gestaltung Jahre schon stark durchgesetzt und wird auch von liegen in der jeweils spezifischen Bauaufgabe begrün- konservativen Bauzeitschriften publiziert.498 Dendet. Deutlich wird, insbesondere, wie Sagebiel sich noch prägt sie auch in monumentalisierter Gestalt 495 Schmitz 2000a, 235. 496 Schmitz 2000b, 254. 497 Der Wettbewerb findet im Februar 1933 statt (Reichhardt/ Schäche 2008, 30), der Entwurf Wolffs basiert auf einem

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Vorentwurf für die Vorbereitung des Wettbewerbes von 1932 (Durth/Sigel 2009, 357). Aus den Vorschlägen von dreißig eingeladenen Architekten bestimmt Hitler den Entwurf Wolffs, der sowohl von der Jury wie allen Kritikern

35 Heinrich Wolff, Berlin, Erweiterungsbau der Reichsbank, um 1938/1939

nicht das Bild der NS-Repräsentationsbauten ersten Wie bei der Fassadengestaltung orientiert sich Ranges.499 Speer auch bei dem Entwurf von Grundrissen eng an Charakteristisch für Troosts Bauten am Münchner Troost. Während bei Sagebiel, trotz des RepräsentatiKönigsplatz [Abb. 90] ist die Schichtung der Wand- onsanspruches, der sich besonders in der Ecklösung flächen. Im Gegensatz zu Sagebiels Reichsluftfahrt- zur Leipziger Straße manifestiert, funktionale Erwäministerium – hier insbesondere die weit vorgezoge- gungen den Grundriss und damit die Gesamtdisponen Fensterrahmungen auf Konsolen zur Leipziger sition der Baukörper mitbestimmen, kehrt sich dies Straße hin [Abb. 32] – hat Troost die Verzierung bei Troost und Speer um  : Hier wird der Bau ausgenicht aufgesetzt. Jede Form hat innerhalb der gestaf- hend von der Fassade konzipiert. Der Raum dahinter felten Wandschichtung eine eigene Ebene, die, dem muss dann mit zahlreichen unglücklichen KomproRang der Form gemäß, in der Tiefe angeordnet ist missen zuerst an die Repräsentation, dann auch noch oder bei übergreifenden Formen wie etwa Gurtge- an die Nutzung angepasst werden. Dieses Vorgehen simsen und Bändern auch vor die Wand treten kann. bestimmt im Weiteren das gesamte Werk Speers und einhellig abgelehnt worden war, zur Ausführung (Nerdinger 2004, 97). 498 Nerdinger 2004, 93. 499 Sagebiel, der als einer der Hauptvertreter dieser Richtung

angesprochen werden kann, wird zunehmend in den Industriebau und zu untergeordneten Bauvorhaben gedrängt, da er offensichtlich nicht willens oder in der Lage ist, sich dem neuen Stil unter Speer anzupassen (Dittrich 2005, 83).

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der von ihm mitbestimmten Planungen im Bereich der NS-Repräsentationsarchitektur. Deutlich wird bei Betrachtung der weiteren Entwürfe Speers, dass die im Vorangegangenen betrachteten Bauten von Sagebiel, Wolff und Ermisch keinerlei Vorbildfunktion für die Monumentalplanungen haben, auch wenn diese und weitere vergleichbare Gebäude, die in großer Zahl errichtet wurden, das Bild der nationalsozialistischen Architektur bis heute nachhaltig prägen. Speer hat keineswegs »die« nationalsozialistische Repräsentationsarchitektur erfunden. Er hatte aber einen entscheidenden Anteil daran, dass die von Troost in enger Absprache mit Hitler für München entworfenen Formen zum Vorbild für die Bautätigkeit im gesamten Reich wurden.

erkanzel und durch verschiedene Niveaus voneinander abgegrenzte Tribünenbereiche unterschiedlicher Funktion, d. h. für Standartenträger, Ehrengäste etc. Im Vergleich zu späteren Entwürfen Speers ist die Ausstattung mit Fahnen noch sehr zurückhaltend, es dominiert vielmehr der hölzerne Adler hinter dem Zentrum der Anlage. Im April 1934 nimmt Speer zum ersten Mal an einer Sitzung in Nürnberg teil, jedoch noch passiv ohne eigenen Beitrag.501 Es erscheint tatsächlich unwahrscheinlich, dass er zu diesem frühen Zeitpunkt schon eine wichtige Rolle bei den Planungen gespielt hat, da damals – wie oben im Kapitel »Der Aufstieg« dargelegt – Ludwig Ruff noch mit dem Entwurf der Kongresshalle auf dem Parteitagsgelände befasst ist. Dieser wird von Hitler als möglicher Nachfolger Troosts in Erwägung gezogen. Zudem versucht N ü r n be rg – di e e r s t e n G ro s sb au t e n die Stadt Nürnberg, ihre Kompetenzen zu wahren, weswegen in einem Vermerk der Stadtverwaltung Ein großer Karrieresprung für Speer ist der Auftrag aus dem Mai 1934 eindeutig festgestellt wird, dass zu den Planungen für das Reichsparteitagsgelände in Speer keine Änderungen an der Kongresshalle anzuNürnberg als wichtigste Stätte des Partei- und Führer- ordnen habe, sondern lediglich die Wünsche Hitlers kultes. Wie bereits dargelegt wurde, ist es problema- zur Kenntnis bringen könne.502 Dies bedeutet aber tisch, den Zeitpunkt von Speers erstmaligem Ein- ebenfalls, dass Speer zu diesem Zeitpunkt immerhin greifen in die Planungen nachzuweisen. Seine frühe schon von Hitler mit der Wahrnehmung seiner InteTätigkeit bis etwa Mitte 1935 ist insofern wichtig, als ressen in Nürnberg betraut wurde. die Beauftragung mit den Nürnberger Entwürfen für Rund einen Monat später tritt Speer schon deutihn die Brücke von den ersten Umbauten für Hitler lich fordernder auf. Der Vorschlag vom Mai 1934, in Berlin hin zu den neu zu planenden Großbauten den Appell der »Amtswalter« in die Abendstunden des NS-Regimes darstellt. Für den Parteitag 1933 ist zu verlegen und durch Scheinwerfer eine »theatersein Beitrag noch gering. In der Presse wird Speer mäßige Wirkung«503 zu erzielen, geht auf ihn zurück. zwar zunächst als Urheber der hölzernen Tribüne Dazu sind umfangreiche technische Maßnahmen für den Parteitag 1933 genannt, jedoch bittet er um mit entsprechendem Kostenaufwand nötig.504 Noch Richtigstellung, da auch Julius Schulte-Frohlinde am verfügt Speer zwar nicht über die technischen MitEntwurf beteiligt gewesen ist.500 Die breit gelagerte tel, die er später für den Lichtdom einsetzen kann, Tribünenanlage zeigt ähnlich dem Konzept für den aber er schafft teilweise technische Grundlagen da1. Mai 1933 in Berlin eine hervorgehobene Redn- für. Seine Vorschläge zur Umgestaltung der Tribünen 500 Heiss 1934, 96; Mitteilungen des Werkbundes 1934, 159. – Das Bild der Anlage wird zusammen mit einem Überblick über sämtliche Baugattungen in der Werkbundzeitschrift »Die Form« unter dem Titel »Die bauliche Gesinnung unserer Zeit« präsentiert. Walter Gropius bewertet den Entwurf als »einfach verheerend«, weswegen man sicher war, gestalterisch auf dem richtigen Weg zu sein (Mitteilungen des

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Werkbundes 1934, 159). 501 Niederschrift über eine Besprechung mit dem Führer wegen der Ausgestaltung der Luitpoldarena, 25.4.34, faksimiliert bei: Dülffer/Thies/Henke 1978, 219–222. – Nach Eckart Dietzfelbinger und Gerhard Liedtke ist Speer schon 1933 bei den Planungen für den kurzfristig angesetzten Parteitag dabei (Dietzfelbinger/Liedtke 2004, 30/31).

36 Albert Speer, Nürnberg, Ansicht der hölzernen Zeppelintribüne, 1933

auf der Zeppelinwiese werden von der Stadt aller- Speer allerdings kein grundsätzliches persönliches dings nicht realisiert und so bleibt die Umsetzung Entscheidungs- und Weisungsrecht ein. Der ZRN des Amtswalterappells in den Abendstunden Speers behält sich die finanzielle und bauorganisatorische einziger konkreter Beitrag im Jahr 1934.505 Abwicklung der Projekte vor, sodass Speers Rolle Die erste nachweisbare Planung Speers für Nürn- lediglich die von Hitlers Vertrauensmann ist.508 In berg ist sein Entwurf für das Gesamtgelände vom Ok- der Folge entwirft er in dieser Funktion die Gesamttober 1934.506 Obwohl er hier schon als übergeord- anlage und sämtliche Großbauten des Parteitagsgeneter Architekt auftritt, sendet er erst im März 1935 ländes. Eine Ausnahme bildet die Kongresshalle, die einen offiziellen Vertragsentwurf an den »Zweckver- von Ludwig Ruff bzw. nach dessen Tod von seinem band Reichsparteitaggelände« (ZRN), der ihn mit Sohn Franz geplant wird.509 Bis Ende 1935 wird die Grundstruktur des Geeiner Verzögerung um nochmals ein Dreivierteljahr am 5. Dezember 1935 als Chefplaner des Partei- ländes mit den zu errichtenden Großbauten festgetagsgeländes legitimiert.507 Der Vertragstext räumt legt. Im Norden werden mit der Luitpoldarena nebst 502 SAN C7/I 917, Protokoll Telephonat Dir. B mit Ref.IX/ Ptg., 29.5.34. – Speer greift nachweisbar erst 1937 wieder in den Bau der Kongresshalle ein und fordert die Beheizung des Daches im Winter (SAN C29/ Dir. A 104, Bd.3, Niederschrift über Besprechung vom 2.8.37). 503 SAN C7/I 913, Niederschrift Besprechung vom 18.5.34, nach Doosry 2002, 363.

504 505 506 507 508 509

Doosry 2002, 364. Doosry 2002, 366. BHStA, Slg. Speer-Pläne 85. Doosry 2002, 367. Dietzfelbinger/Liedtke 2004, 41. Siehe dazu: Tesch 2005.

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37 Albert Speer, Nürnberg RPG, letzter erhaltener Planungsstand (Ausschnitt ohne die Teilnehmerlager im Süden), April 1941

Gefallenenehrenmal und Luitpoldhalle bestehende Strukturen eingebunden. Südlich schließen sich daran die Kongresshalle und ihr gegenüber die Kulturhalle [WV 39] an. Am Südende der Großen Straße wird das Märzfeld platziert [WV 35]. Als letzter und größter Bau kommt am Südufer des Dutzendteiches, westlich der Großen Straße, auf Höhe des Zeppelinfeldes [WV 32], das »Deutsche Stadion« [WV 44] hinzu. Damit stehen die zu errichtenden Großbauten fest. Schon vorhanden ist auch das später so genannte »Alte Stadion«, das vorerst weiter genutzt wird. Wegen des Erhalts bzw. der Umwidmung der übernommenen Baulichkeiten gelingt keine einheitliche Ausrichtung an der Hauptachse, der Großen Straße [Abb. 37]. Neben den »Feierstätten« sind eine Vielzahl von Anlagen notwendig, um die Parteitage in Nürn-

berg durchführen zu können. Diese beschränken sich nicht nur auf das RPG, sondern besonders die Altstadt mit ihren vielfältigen historischen Bezügen wird mit eingebunden. Die Besucherzahlen erreichen die Größenordnungen einer Großstadt und bringen – allein das Deutsche Stadion sollte rund 400.000 Zuschauer fassen – erhöhte Anforderungen an die gesamte Infrastruktur mit sich. Ausbauten sind daher an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet notwendig. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Transport von Akteuren und Publikum sowie der Versorgung mit Strom und Wasser. Entsprechend der Zweckbestimmung des Geländes soll die Technik möglichst wenig in Erscheinung treten, weshalb deren Gestaltung, explizit erkennbar an Umspannwerk [WV 49] und Ausgleichsbehälter

510 Doosry 2002, 372.

511 BHStA Rp. Sp. Pl. 2 datiert auf den 3.7.1935.

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38 Albert Speer, Nürnberg, Ansicht der Ehrentribüne des Zeppelinfeldes (WV 32), 10. März 1937 39 Albert Speer, Nürnberg RPG (WV 32), das querliegende Zeppelinfeld nördlich des Stadions ist auf dem Gesamtplan vom Oktober 1934 parallel zum Ufer des Dutzendteiches ausgerichtet. Oben links der »Kongreßbau«

für die Wasserversorgung [WV 50], dem sonstigen Gelände angeglichen wird. Der erste nach Speers Plänen realisierte Großbau in Nürnberg ist die Zeppelintribüne. Jedoch beginnen die Arbeiten an der Tribüne [Abb. 38] erst nach Gründung des ZRN 1935 und nicht wie von Speer angegeben noch 1934.510 Auch die ältesten erhaltenen Pläne stammen erst aus dem Juli 1935.511 Die Aufschüttung der Wälle für das Publikum beginnt im April 1935 durch Arbeiter und Wehrmachtspioniere.512 Größere Kontroversen scheint es während

512 Dietzfelbinger/Liedtke 2004, 48.

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der Formfindung nicht gegeben zu haben, denn die weitere Planung dauert nur ungefähr ein Jahr. Zudem zeigen alle im BHStA lagernden Pläne den rea­ lisierten Entwurf. Im ersten Gesamtplan des RPG von Oktober 1934 ist das Zeppelinfeld zwar schon eingezeichnet, aber mit der Tribüne nach Süden ausgerichtet [Abb. 39]. Zudem deutet die umfasste Fläche darauf hin, dass das Zeppelinfeld zu diesem Zeitpunkt auch Funktionen erfüllen sollte, für die später das Märzfeld hinzukam. Letzteres ist erstmals auf dem Lageplan vom Dezember 1934 eingezeichnet, auf dem Lage und Größe des Zeppelinfeldes dem realisierten Entwurf entsprechen [Abb. 40]. Bis zum Parteitag 1936 ist eine Fertigstellung der Zeppelintribüne nicht möglich, weshalb Speer von vornherein plant, die Bereiche oberhalb des Traufgesimses nur aus Holz auszuführen.513 Komplett vollendet ist die Tribüne erst zum Parteitag 1937. Zu

Verzögerungen im Bauverlauf führt nicht nur hier, sondern bei vielen Repräsentationsprojekten die Versorgung mit Naturstein, vor allem, da Schichthöhen von bis zu 1,20 Metern gefordert werden.514 Trotz der vielen Provisorien wird viel Wert darauf gelegt, zu den Parteitagen den Eindruck einer Großbaustelle weitestgehend zu vermeiden. Die ständigen Bauarbeiten und Umbauten der vorhandenen Anlagen werden als Anpassung an zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse bezeichnet.515 In diese Kategorie fällt auch die Umgestaltung der Luitpoldhalle [WV 43, Abb. 41], deren Funktion die Kongresshalle Ruffs übernehmen soll. Die Bauarbeiten beginnen im Sommer 1935 und dauern bis 1936, als auch die Längsseiten mit Naturstein verkleidet werden. Dennoch ist die Luitpoldhalle unter den ersten Bauten auf dem Reichsparteitagsgelände, die einen fertigen Eindruck vermittelten und in natura als Speers Werk Eingang in die öffentliche Wahrnehmung finden. Aufgrund ihrer langen schmalen Raumform ist die Halle trotz der Umgestaltung des Innenraums und des Einbaus einer Klimatisierung für den Parteikongress denkbar schlecht geeignet. Am auffälligsten ist an der Umbaumaßnahme die Errichtung eines neuen Kopfbaus.516 In seinen frühen Entwürfen für das Parteitagsgelände ab dem Jahreswechsel 1934/35 führt Speer die Linie Troosts fort. Bezüge zur Moderne finden sich darin keine mehr. Das Zeppelinfeld stellt dabei die erste dauerhafte steinerne Architektur für die nationalsozialistischen Massenveranstaltungen dar. Speer orientiert sich insbesondere bei der Ehrentribüne des Zeppelinfeldes an Troost und zitiert bei den gestuften Blendnischen direkt dessen Fensternischen am Münchner Führer- und Verwaltungsbau. Speer arbeitet mit einem sehr beschränkten Vokabular und verwendet ausschließlich orthogonale Stufungen für Gesimse und Rahmungen. Troosts Pfeiler von der Kolonnade des Hauses der Deutschen Kunst [Abb. 42] reduziert er, indem er die Basen weg­lässt und die Kapitelle durch quadratische Platten ersetzt.

513 BHStA Rp. Sp. Pl. 35.

514 Dietzfelbinger/Liedtke 2004, 48.

40 Albert Speer, Nürnberg RPG (WV 32). Schon auf dem Plan im Dezember 1934 ist die endgültige Disposition des Zeppelinfeldes festgelegt, die auch nicht mehr verändert wird. Links die »Große Straße«, die Hauptachse des RPG

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41 Albert Speer, Nürnberg, Ansicht der Luitpoldhalle mit Flaggenschmuck (WV43), nach 1935

42 Paul Ludwig Troost, München, Haus der Kunst, Südseite zur Prinzregentenstraße

Im Gegensatz zu Troosts Münchner Bauten wird auch die glatte ungegliederte Wand wieder Gestaltungsmerkmal. Obgleich die leere Wand in ihrer Flächigkeit ein Merkmal der frühen NS-Bauten und ihrer Vorgänger ist, bleibt der reduzierte Klassizismus Troosts Vorbild. Speer geht allerdings weiter als Troost in der Vereinfachung von Formen. Das wird besonders bei der Wallanlage deutlich. Die blockhaften Baukörper, die als Postamente für den Flaggenschmuck den Wall strukturieren, unter anderem aber auch Toilettenanlagen enthalten, schließen oben lediglich mit einer dezent gestuften Deckplatte ab. Die vier schmalen, hochsitzenden Fenster pro Seite sind ohne Rahmung eingeschnitten. Einzig die aufgelegte Rahmung um die Tür ist zweifach gestuft und steht damit im Kontrast zur glatten Werksteinwand, die den Gesamteindruck bestimmt [Abb. 43]. Der Kopfbau der Luitpoldhalle ist nicht nur zeitlich eng mit dem Zeppelinfeld verwandt. Auch hier

arbeitet Speer vor allem mit Stufungen und sehr reduziertem Formenapparat. Konsequent setzt er die beim Zeppelinfeld eingeführte reduzierte Linie fort und übernimmt für den Haupteingang im überhöhten Mitteltrakt das Motiv der Nebeneingänge der Ehrentribüne des Zeppelinfeldes, das sich auch am Deutschen Stadion findet. Auffälliges gestalterisches Element ist hier wie dort der Kontrast zwischen den steinernen Architekturelementen und den Fahnen. Die niedrigeren Seitenflügel der Luitpoldhalle sind hinter dem dichten Rot des üppigen Fahnenbehangs kaum wahrnehmbar. Der von einer aufgelegten, gestuften Rahmung eingefasste Mittelbau dient vor allem als Bildfläche für ein überdimensionales farbiges Hakenkreuz, das durch den Kontrast mit der hellen Natursteinfläche stark hervorgehoben wird. Bei allen Rückgriffen auf Troost richtet Speer im Unterschied zu diesem sein Augenmerk auf eine effektvolle, thea­ tralische Inszenierung des Baus. Zu diesem Zweck

515 Brugmann 1937, 294.

516 Zur Baugeschichte der Luitpoldhalle siehe: Doosry 2002, 184–195.

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43 Albert Speer, Nürnberg, Wallanlage des Zeppelinfeldes (WV 32), Zustand 2004

konzipiert er einen parallel vor den Seitenflügeln verlaufenden Lichtgraben, um bei Dunkelheit die Fahnen von unten anzustrahlen.

Großprojekt beschäftigt. Dennoch führt er auch weiterhin kleinere, oft dringende Arbeiten für Hitler aus und kann damit seine Stellung weiter festigen.517 Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der sogenannte »Historische Balkon«518 am ErAu f t r äg e 1935 u n d 1936 weiterungsbau der Reichskanzlei [WV 42]. Der Kostenvoranschlag hierzu stammt aus dem Mai 1935.519 Auf dem Weg zum konkurrenzlosen Architekten Mit dem Anbau des Balkons vor dem ehemaligen Hitlers stellen die Aufträge zwischen 1935 und 1936 Arbeitszimmer Hitlers zur Wilhelmstraße hin enein Bindeglied dar. Mit der Arbeit am Reichspar- det im Mai 1935 die erste Berliner Bauphase Speers. teitagsgelände seit 1934 ist Speer schon mit einem Vorläufig haben er und das Atelier Troost Hitlers Re-

517 Für die Reichskanzlei ist er im September noch einmal mit einem Gutachten wegen der Überflutung des Hofes betraut. Speer, der bei der Ortsbegehung zur Beseitigung des Mangels nicht vor Ort ist, schlägt eine Grube im Garten vor, die

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nur in Notfällen Wasser aufnehmen soll, da sie sonst schon bei längerem Regen gefüllt sein würde. Daher solle im Normalfall nach wie vor die Ableitung in den Straßenkanal erfolgen (BA R2/4508, 192–194. Lammers an Finanzminis-

44 Albert Speer, Nürnberg, Seitlicher Pylon der Ehrentribüne des Zeppelinfeldes (WV 32), 10. Okt 1935

gierungssitz so umgestaltet, dass der Kernbestand der Weimarer Republik und Kaiserzeit im Inneren deutlich überformt ist und durch den Anbau des Balkons auch außen das Repräsentationsbedürfnis des neuen Hausherrn seinen Ausdruck findet. Die fortschreitende Machtkonzentration auf die Person Hitlers zeigt sich in der Erweiterung der Reichskanzleiräumlichkeiten in das Palais Borsig und die Verlegung der SA-Führung dorthin, die 1935 abgeschlossen sind. Hitler hat durch Speer und das Atelier Troost im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten seine

dringlichsten Repräsentationsforderungen erfüllen lassen. Eine weitere Steigerung ist unter Berücksichtigung des laufenden Geschäftsbetriebs der Reichskanzlei und der räumlichen Gegebenheiten vorerst nicht möglich. Mit den spätestens ab März 1936 betriebenen Planungen Speers zum Bau der Neuen Reichskanzlei [WV 46] entlang der Voßstraße beginnt sodann die nächste Phase der Umgestaltung des Regierungssitzes unter Hitler.520 In eigener Sache baut Speer sich, nachdem er während der ersten zwei Jahre im Dienst Hitlers in

terium, 17.9.35; Speer an Lammers, 29.8.35). 518 Die Bezeichnung »Historischer Balkon« wurde von Speer geprägt (Speer 1969, 47). 519 BA R2/4508, 181, Kostenvoranschlag für Balkon Reichs-

kanzlei, 15.5.35. 520 Siehe zur »Neuen Reichskanzlei« allgemein: Schönberger 1981, zur Planungsgeschichte 1936 v. a. S. 40/41.

Aufträge 1935 und 1936   |  85

45 Albert Speer, Berlin, Haus Speer Schopenhauerstraße (WV 41), Gartenseite, 1935

46 Albert Speer, Berlin, Haus Speer Schopenhauerstraße (WV 41), Eingangsbereich, 1935

Wannsee zur Miete gewohnt hat, ein nicht sehr gro- tet die unsymmetrische Gartenfassade mit seitlich ßes Haus im vornehmen Berliner Vorort Nikolassee angefügtem Altan auf eine dezidierte Achsausbil[WV 41], das im Juni 1935 fertiggestellt wird. dung [Abb. 45]. Verstärkt wird der Eindruck durch Er folgt dort nicht ausschließlich Troost, sondern das einhüftige Satteldach, das den Nutzwert der garverwendet vielmehr eine eklektizistische Formen- tenseitig liegenden Räume erheblich steigert. Hier sprache, indem er Zitate der Villenarchitektur der manifestiert sich der funktionsorientierte Ansatz letzten Jahrhundertwende wie die Eingangshalle im Tessenows. Die Vorderseite dient hingegen ganz der Inneren und den hervorgehobenen Eingang außen Repräsentation, insbesondere auch im Inneren mit [Abb. 46] mit Gestaltungsprinzipien Heinrich Tes- der für die geringe Größe des Hauses überdimensiosenows verknüpft. Die Straßenfassade wird durch nierten Eingangshalle, die Speer wohl aus Gründen das stark akzentuierte, von klassizistischen Formen der Selbstdarstellung und als Anknüpfung an die gegerahmte Hauptportal dominiert. Dagegen verzich- läufige Ikonografie der Villa unverzichtbar erscheint. 521 BA R43I/1537, 46, [unles.], 3.1.36. 522 Ob er Änderungen anbringt oder ihn ohne Korrektur passieren ließ, geht aus dem Schreiben nicht hervor (BA R43I/1537, 67, Reichskanzlei an Speer, 21[?].1.36). 523 Sigel 2000, 127. – Speer teilt Elaine S. Hochman in einem Interview mit, dass Hitler mit allen Vorschlägen für den Pa-

86 | E tablierung bei Hitler

villon unzufrieden ist und deswegen die Teilnahme abgesagt wird (Hochmann 1997, 738). 524 Gegenüber Elaine S. Hochman gab Speer an, der Ausgang des Wettbewerbes für die Weltausstellung in Brüssel 1935 sei mitverantwortlich für seine Beauftragung (Hochman 1997, 738).

Zudem stellt die Ausprägung des Eingangsbereichs einen Vorgriff auf laufende Planungen dar, da das Gewächshaus im Garten der Reichskanzlei eine vergleichbare Fenstergestaltung aufweist. Das sogenannte Emslandhaus [Abb. 47] steht Speers Wohnhaus nicht nur in Bezug auf die Bauzeit in vielerlei Hinsicht nahe. Wie in Nikolassee wählt Speer eine Backsteinfassade mit schweren, stark profilierten, hell abgesetzten Rahmungen um die Fenster. Dennoch ist sofort zu erkennen, dass es sich nicht um ein Wohnhaus handelt. Somit gelingt es ihm, die am Heimatschutzstil angelehnte Gestal- 47 Albert Speer, Neusustrum, Emslandhaus (WV 45), tung auch für Gebäude mit untergeordneter Repräum 1936 sentativfunktion zu adaptieren. Das Emslandhaus im KZ Papenburg [WV 45  ; Abb. 47] entwirft Speer zu Jahresbeginn 1936 in Hitlers Auftrag als Kame- in Brüssel 1935 ist offiziell an Devisenknappheit geradschaftshaus. Ausschlaggebend für die Errichtung scheitert.523 Ab der zweiten Jahreshälfte 1936 muss ist ein Weihnachtsgeschenk der der im Lagers Inhaf- sich Speer, ohne dass es präziser datierbar wäre, mit tierten an Hitler, das durch eine Abordnung der La- dem Entwurf für den Pavillon beschäftigt haben gerleitung persönlich überreicht worden ist. Da sich [WV 51].524 Die ältesten Pläne sind auf September Hitler dabei sehr für das Lager interessiert gezeigt 1936 datiert.525 hat, verspricht er daraufhin die Entsendung Speers In seinen »Erinnerungen« gibt er an, dass er auf zum Bau eines Aufenthaltshauses für die Wach- den ihm bekannten Plan Boris Iofans für den sowjemannschaften.521 Auch später lässt sein Interesse da- tischen Pavillon reagiert habe [Abb. 48].526 ran nicht nach  : Er begutachtet den Entwurf Speers Nachweisbar ist dies nicht. Eindeutig ist, dass in und erklärt sein Einverständnis.522 beiden Fällen die Grundstücke wenig Spielraum bieSpeers Entwurf für den deutschen Pavillon auf ten und die ähnlichen Konzeptionen durchaus under Weltausstellung in Paris 1937 ist für seinen wei- abhängig voneinander aus den äußeren Umständen teren Aufstieg bei Hitler sicher nicht mehr eminent entwickelt worden sein könnten. Möglicherweise bedeutend, da er mit den Planungen für die Um- stammt der Gedanke, durch die Ausrichtung der gestaltung Berlins schon an dessen größtem Auftrag beiden Pavillons zur zentralen Ausstellungsachse, die tätig ist. Für die Wahrnehmung seiner Führungsrolle über den Pont d’Iéna verläuft, eine Portalsituation in der Öffentlichkeit ist die Tatsache, dass er dem zu bilden, sogar von der Ausstellungsleitung.527 Die Deutschen Reich auf der internationalen Bühne das bauliche Konfrontation von UdSSR und Deutschem Gesicht verleiht, dagegen umso wichtiger. 1933 hat Reich ist von Anfang an vorprogrammiert. ZuminDeutschland vor dem Hintergrund der internatio- dest seitens der Sowjetunion (SU) ist die Forderung nalen Wirtschaftskrise nicht an der Weltausstellung eines prominenten Bauplatzes überliefert.528 Urin Chicago teilgenommen und auch die Beteiligung sprünglich ist jedoch gar nicht geplant, dass die Teil525 Siehe BHStA Rp. Sp. Pl. 2023–2024. 526 Speer 1969, 94. – Sigel gibt zu bedenken, dass Speer möglicherweise direkt von der französischen Ausstellungsleitung den Plan Iofans zugespielt bekam (Sigel 2000, 147). Iofan konnte sich in einem Wettbewerb u. a. gegen Moisei Ginsburg und Konstantin Melnikov durchsetzen. (Sigel 2000,

142). Möglicherweise waren Speer aber auch die Wettbewerbsergebnisse bekannt geworden. 527 Sigel 2000, 127. 528 Sigel 2000, 142.

Aufträge 1935 und 1936   |  87

48 Boris Iofan, Paris, Sowjetischer Pavillon

nehmerländer eigene Pavillons errichten, sondern Bedeutend ist der Pavillon für die Architektur dass sie lediglich Ausstellungsflächen zur Verfügung Speers vor allem deshalb, weil er ein großes Megestellt bekommen sollten. Die Entwürfe hierfür dienecho hervorruft, während – abgesehen von den stammen unter anderem von Léon Azéma [Abb. Nürnberger Bauten – bislang wenig von ihm bekannt ist bzw. große Teile noch geheim sind. Die 49].529 In ihrer Grundkonzeption weisen sowohl Azémas Weltausstellung ist prominentes Thema in der Presse kleinere Pavillons entlang der Seine wie auch die und wird auch von der nationalsozialistischen Propagrößeren dahinter starke Ähnlichkeit zu den reali- ganda für ihre Zwecke verwendet. Der Pavillon wird sierten Pavillons der UdSSR und Deutschlands auf. dabei zusammen mit den im Inneren ausgestellten Die Idee des hohen Eingangsturms, an den sich eine Exponaten genutzt,530 um die Architektenschaft des lang gestreckte, etwas breitere Ausstellungshalle an- Reiches zu schulen. In den deutschen Fachblättern schließt, scheint also nicht nur aus den Vorgaben des wird Wert auf die Tatsache gelegt, dass Hitler selbst Grundstücks oder der Konfrontation bzw. Reaktion die Grundgedanken für den Bau darlegte, und auch auf den Pavillon der SU zu erwachsen, sondern viel- in daraufhin erschienenen Architekturwerken wird mehr scheinen zusätzlich die Vorplanungen Azémas der Pavillon als »Künder gegenwärtigen deutschen Lebensgefühls und Kulturwillens« bezeichnet.531 eine Rolle zu spielen. 529 Sigel 2000, 139. 530 Direkt im Eingangsbereich stand das Modell des Reichspar-

88 | E tablierung bei Hitler

teitagsgeländes und auf dem Ehrenpodium ein Modell des Münchener Hauses der Kunst.

49 Léon Azéma, Paris, Entwurf für das Seine-Ufer, 1935

50 Albert Speer, Paris, Deutsches Haus (WV51), 1937

In Speers Werk markiert das Deutsche Haus für Paris einen Wendepunkt. Haben sich seine Planungen für Hitler bisher eng an Troost orientiert, zeigt die Lösung für das Deutsche Haus mit den ihr zugrundeliegenden Vorbedingungen [Abb. 50] eine größere Entfernung vom Vorbild. Der Ausstellungsraum selbst ist im Außenbau beinahe ungegliedert und tritt für die Besucher kaum in Erscheinung. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Turm an der Hauptachse des Ausstellungsgeländes. Speer überträgt Troosts reduzierten Klassizismus auf den Turm als eine große Gesamtform. Markant sind die großen kannelierten Pfeiler, sie sind eine Übersteigerung der Altanstützen der Königsplatzbauten. Der Turmabschluss ist in der Art Troosts nur aus einer gleich-

mäßigen Stufung aufgebaut, über der die zweifach gestufte Attika das Postament für das Hoheitszeichen bildet. In ähnlicher Weise hat Speer in Nürnberg auch den oberen Abschluss der Luitpoldhalle gestaltet. Auch hier hält er an Troosts Prinzip einer geometrisch durchgebildeten Fassade fest, die aus wenigen sich wiederholenden Elementen konstruiert wird. Die »Ausstellungsfestung«532 steht dabei konfrontierend dem sowjetischen Pavillon gegenüber. Damit zeigt erstmals einer der für die Selbstdarstellung Deutschlands so wichtigen Ausstellungsbauten entgegen den offenen, transparenten Entwürfen der vergangenen Jahre wieder eine aggressive Note.533 Der reduzierte Klassizismus stellt dabei auf dem Ausstellungsgelände keine singuläre Randerscheinung

531 Lotz 1937a; 782; Rittich 1938, 42. 532 von Beyme 2000, 96.

533 von Beyme 2000, 96.

Aufträge 1935 und 1936   |  89

dar und lässt sich auch international in vergleichbare Tendenzen einreihen.534 Neben den Pavillons anderer Nationen ist ein prominenter Bezugspunkt das Palais Chaillot, das die Hauptachse des Ausstellungsgeländes abschließt.

E x k u r s  : M a s se n be e i n f lus s u ng Die drei folgenden Exkurse fallen schwerpunktmäßig in den im Vorangegangenen behandelten Zeitraum, greifen aber zeitlich weiter aus. Aus Verständnisgründen werden die Themen hier in separaten Kapiteln zusammengefasst, um in der Folge die chronologische Schilderung zu entlasten. Ein erstes Betätigungsfeld, das Speer den Aufstieg ermöglicht hat, sind Bauten für Massenveranstaltungen. Die Bauaufgabe ist insofern eine neue, als der Rahmen für politisch motivierte Massenaufmärsche nun nicht wie zuvor meist ephemer, sondern mit dauerhaften architektonischen Mitteln zu schaffen ist. Neu ist vor allem die Dimensionierung der Projekte, insbesondere beim Reichsparteitagsgelände. Die nationalsozialistische Propaganda sieht die Wurzeln ihrer Massenveranstaltungen in Aufmärschen im öffentlichen Straßenraum, der mit seinen Hauswänden zugleich den Rahmen abgibt.535 Ab 1933 werden bestimmte Großveranstaltungen jedoch auch mit größerem Aufwand inszeniert. Speers erster Versuch ist die Gestaltung der Feier zum »Nationalen Tag der Arbeit«536 am 1. Mai 1933, dessen Hauptveranstaltung in Berlin auf dem Tempelhofer Feld stattfindet. Die ephemere Konstruktion aus Holz ist insofern von einiger Bedeutung, als Speer hier viele Elemente einführt, die später zu wiederkehrenden Merkmalen von NSDAP-Festgestaltungen werden. Später wird häufig bewusst der Rückbezug auf die Maifeier als Prototyp gesucht. Insbesondere die Aus534 Siehe hierzu weiterführend: Nüßlein 2012, 138–144; Rosenberg 2011; Nerdinger 2009; Larsson 1978a. 535 Lotz 1937c, 191. 536 Schmiechen-Ackermann 2010, 13.

90 | E tablierung bei Hitler

gestaltung der Haupttribüne mit den hohen, gestaffelten Fahnen wird zum Vorbild für eine Vielzahl von Veranstaltungen  ; nicht zuletzt weil diese Grundidee als geniales Konzept propagiert wird, das keiner Überarbeitung bedarf, da es aus »Sinn und Wesen des Geschehens entstand«.537 Das Bindeglied zwischen den ersten provisorischen Bauten und der Monumentalanlage auf dem Reichs­ parteitagsgelände ist der Festplatz für das Reichserntedankfest auf dem Bückeberg bei Hameln [WV 19]. Hier werden schon 1933 erste Baumaßnahmen nach den Entwürfen Speers durchgeführt, der diesen Auftrag in seiner Funktion als »Unterabteilungsleiter für architektonische und künstlerische Ausgestaltung von Großkundgebungen der Reichspropagandaleitung« wohl direkt von Goebbels erhält.538 1933 zunächst noch provisorisch in Holzbauweise und mit deutlichen Anklängen an die Gestaltung des 1. Mai 1933 realisiert, entwickelt auch dieses Projekt eine Eigendynamik. Die geplanten steinernen Tribünen wären, jemals vollendet, in ihrer Monumentalität mit denen von Nürnberg vergleichbar gewesen. Speer umgibt den Platz 1933 mit einem Ring aus Fahnen und verbindet die zwei einander gegenüberliegenden Tribünen mit einem Mittelweg quer durch die Masse der Teilnehmer [Abb. 51]. Ab 1934 plant er, die Fahnen auf einen Wall zu stellen, der das gesamte Gelände umgeben soll. Nach Gelderblom hält Speer die Platzgestaltung, dem Festcharakter entsprechend, bewusst bäuerlich schlicht.539 Es stellt sich aber die Frage, ob auch die zur Verfügung stehenden Mittel und Rangunterschiede der Veranstaltungen eine Rolle gespielt haben. Die Parteitage in Nürnberg sind das wichtigste Fest im »Feierkalender« der Nationalsozialisten, woraus sich der höhere Aufwand erklärt. Hinzu kommt, dass Hitler dem Nürnberger Projekt außergewöhnliche Aufmerksamkeit widmet, die für den Bückeberg, ein Projekt Goebbels’, nicht nachzuweisen ist. 537 Lotz 1937c, 191. 538 Gelderblom 2002, 25. 539 Gelderblom 2008, 12.

51 Albert Speer, Bückeberg, Mittelweg (WV 19)

52 Albert Speer, Nürnberg, Luitpoldarena von Süden (WV 31)

Weniger klar ist die Zuschreibung des Entwurfs für durch von Tribüne zu Tribüne und dient Hitler auf die Nürnberger Luitpoldarena [Abb. 52]. Was wie dem Weg zu seiner Rede zum Bad in der Menge, hat eine direkte Rezeption des eigenen Konzeptes aus- er in Nürnberg eine völlig gegensätzliche Funktion. sieht, stammt zum geringsten Teil von Speer. Die In die Luitpoldarena integriert ist das Ehrenmal für Grundlagen der Arena sollen gar auf Entwürfe Hit- die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus dem Jahr lers zurückgehen, der Rest scheint hauptsächlich von 1929.543 Während der Veranstaltung schreitet Hitler der Stadtverwaltung Nürnberg entworfen worden still und gemessenen Schrittes mit zwei Begleitern zu sein.540 Die Grundform mit der exedraartigen den Weg zwischen den angetretenen Männern der Tribüne nimmt Bezug auf die ehemalige Parkgestal- SS und SA entlang, um am Ehrenmal der Toten zu tung an dieser Stelle. Die Erdaufschüttungen für die gedenken. Randwälle und die Ehrentribüne werden teilweise Ein Vergleich von Fotos des Parteitags von 1929 schon vor Speers Eingreifen realisiert oder stehen in [Abb. 53] mit einer Aufnahme aus den 1930er-Jahder Planung fest. Ein Wall mit Fahnen umgibt die ren zeigt sehr deutlich die Wirkung von Speers BauAnlage auf drei Seiten. Die Ehrentribüne verzichtet ten. auf die kleinen Fahnen und wird nur durch drei 24 In notdürftiger Ordnung stehen auf dem Foto x 6 Meter541 messende rahsegelartige Flaggen ak- von 1929 Personengruppen vor den gärtnerisch gezentuiert.542 Wie auf dem Bückeberg erhebt sich stalteten Anlagen, die dem gewünschten Bild von die Rednerkanzel aus der Masse der sie umstehen- Ordnung und Disziplin widersprechen und einen den Standartenträger. Allerdings dient die Tribüne ungünstigen Rahmen abgeben. Diese Aufstellung in Nürnberg gleichzeitig als Ehrentribüne, während wirkt trotz der Gliederung in Blöcke bezüglich der diese am Bückeberg am anderen Ende des Veran- seit 1933 explizit mit einkalkulierten Repräsentatistaltungsgeländes angeordnet ist. Hier wie dort ver- onswirkung weit weniger eindrucksvoll als später die bindet ein Mittelweg die beiden Pole des Geländes. exakt ausgerichteten Reihen und Blöcke in der LuitVerläuft er am Bückeberg durch die Teilnehmer hin- poldarena [Abb. 54]. 540 Siehe hierzu: Doosry 2002, 165, Abb. 61; Brugmann 1937, 294. 541 Doosry 2002, 160.

542 Der konkave Grundriss der Tribüne geht auf die vormalige Parkanlage auf dem Gelände zurück. 543 Zur Integration des Gefallenenehrenmals in die Parteitagsplanung siehe: Doosry 2002, 154–155.

E xkurs    : Massenbeeinflussung   |  91

53 Nürnberg, Reichsparteitag 1929 im Luitpoldhain 54 Albert Speer, Nürnberg, Luitpoldarena von Süden (WV 31), 1936

In verschiedener Hinsicht wichtig ist folglich der äußere Rahmen. Er fasst die Teilnehmer zusammen und verhindert ein »Ausfransen« der Menge. Zudem erschwert er das Verschwinden einzelner Teilnehmer oder ganzer Gruppen vor dem Ende der Veranstaltung. Von größerer Bedeutung ist aber, dass für die Teilnehmer auf dem Feld eine gänzlich andere Situation entsteht. Durch das Publikum – bei den »ungefassten« Veranstaltungen der 1920er-Jahre fehlt dieses noch – entwickelt sich eine weitere Beziehungsebene. Die Teilnehmer, vor allem aus den Gliederungen der Partei, bilden auf den ersten Parteitagen gleichsam das Publikum für die Führungsdelegation. Durch die Umfassung, in diesem Fall der Luitpoldarena, aber auch beim Zeppelinfeld oder anderen Veranstaltungsorten, wird das ehemalige Publikum zu – wenn auch teils recht passiv agierenden – Mitakteuren, denen nun dezidierte Zuschauer gegenüberstehen. Somit sieht sich der Einzelne auf dem Feld nicht nur seiner Führung gegenüber, sondern auch als Teil der »aktiv« Handelnden und ge-

winnt daraus ein ganz anderes Zugehörigkeitsgefühl. Seine Erfahrungen aus den Gestaltungen für die Partei verarbeitet Speer 1933 in der Hauszeitschrift der Reichspropagandaleitung »Unser Wille und Weg«544. Er äußert dort, dass das bevorzugte Element der Gestaltung nicht etwa das Baumaterial der Umfassung oder Ähnliches sei, sondern die Menschenmenge an sich, innerhalb derer jedem einzelnen das unbedingte Gefühl vermittelt werden müsse, Teil einer Gemeinschaft zu sein.545 Die teilnehmenden Menschen als wichtiges »Gestaltungsmittel« werden in der Folge durch die Propaganda stets als essenziell beurteilt.546 Anklänge an den Sportstättenbau sind genauso naheliegend wie Elemente aus sakralen Bereichen und somit wenig überraschend. Die Entwicklung eines Zugehörigkeitsgefühls erreicht Speer durch eine bauliche Umfassung der Teilnehmenden. Ein Gemeinschaftsgefühl entsteht umgekehrt aber auch durch das Aussperren der Nichtteilnehmer. Die Gestaltung der Umfassung ist, bezogen auf diese Feststellung, dagegen sekundär und kann auch mit ungewöhnli-

544 Speer 1933. 545 Speer 1933, 299. – Speer lobt sodann seine Inszenierung auf dem Bückeberg und sinniert, dass die riesige Zahl der Teilnehmer besonders auf »einfache Menschen« gewaltige Wirkung hatte und sie sich glücklich schätzten, voll Stolz

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92 | E tablierung bei Hitler

ein kleines Glied der Masse zu sein (Speer 1933, 299). Christoffel 1938a, 131. Wolters 1943, 15. Pehnt 1989, 131. Speer 1933, 300.

chen Mitteln wie etwa den Flakscheinwerfern beim Lichtdom auf dem Zeppelinfeld erfolgen. Fahnen in dichter Reihung bieten sich dazu an, mit vergleichsweise geringem Aufwand auch große Flächen im Freien zu Räumen zu machen. Üblicherweise werden bei den späteren Planungen die Veranstaltungsflächen von hohen Wällen umschlossen, die eine Doppelfunktion besitzen und den Zuschauenden als Tribünen dienen, diese gleichzeitig aber auch nach außen abgrenzen. Beim Märzfeld verstärken, als Bezug auf seine Bestimmung für die Wehrmacht, fortifikatorische Elemente diesen Eindruck zusätzlich. Als besonderes Merkmal der Speer’schen Entwürfe für Massenveranstaltungen kann die Kombination aus Licht, Fahnen und Raum angesehen werden, deren Wirkung Wolters aufgrund ihrer »Primitivität«547 als besonders groß beschreibt. Die Größe der Plätze ist laut Speer einerseits dadurch bedingt, dass Menschen beeindruckt werden sollen – dies ist auch Hitlers Hauptabsicht, wenn er über Architektur spricht –, und andererseits durch den Wunsch Hitlers, der Nachwelt Denkmale zu überliefern.548 In allen seinen Versammlungsentwürfen, ephemeren wie dauerhaften, variiert Speer genaugenommen nur ein einziges Thema. Die Variationen ergeben sich zumeist aus der topografischen Situation vor Ort, wenn beispielsweise vor dem Alten Museum in Berlin für die Maifeiern die Schinkel’sche Treppe mit einbezogen wird. Grundsätzlich schafft er im Freien Räume durch eine Einfassung mit Tribünen, auf denen Fahnen stehen. Ebenso typisch sind ein Feld in der Mitte und die quergelagerte Ehrentribüne, auf die alles ausgerichtet ist. Naheliegenderweise ist die Rednerkanzel stets hervorgehoben. Speer begründet dies damit, dass die stark betonten Haupttribünen zusammen mit den umgrenzenden Fahnenreihungen den Zweck hätten, dem Teilnehmer auf einem flachen Feld zu verdeutlichen, wo das Zentrum der 550 Im ersten Jahr findet die Rede Hitlers noch am Abend statt, wird aber in den folgenden Jahren auf den Mittag verlegt, da die Dunkelheit die Abreise der Teilnehmer gefährdet (Gelderblom 2008, 14). Siehe zu den Lichtinszenierungen Speers auch: Krauter Kellein 2004.

55 Albert Speer, Berlin, Lichtdom über dem Olympia­ stadion beim Staatsbesuch Mussolinis, 1937

Anlage und wie groß ihre Ausdehnung sei. Letztlich solle ihm damit vermittelt werden, dass er ein kleiner Teil einer riesigen Masse sei.549 Die Grundlagen für seine Lichtinszenierungen schafft Speer schon bei der Gestaltung des Bückebergs.550 Der erste Lichtdom wird 1935 auf dem Zeppelinfeld inszeniert. Versuche im Vorjahr auf dem Bückeberg sind aufgrund unzulänglicher Mittel gescheitert – Speer hatte nur Filmscheinwerfer zur Verfügung.551 Der Hauptvorteil der Lichtinszenierungen liegt darin, dass sie verhältnismäßig leicht zu realisieren sind und durch die umgebende Dunkelheit störende Nebensächlichkeiten ausgeblendet werden, weswegen Speer sie vor allem auch für kleinere Veranstaltungen auf lokaler Ebene empfiehlt.552 Der Lichtdom bleibt nicht nur auf Nürnberg beschränkt, sondern kommt auch bei anderen Anlässen zum Einsatz, wie dem Besuch Benito Mussolinis im September 1937 in Berlin [Abb. 55]. Neu sind solche Lichtinszenierungen dabei keinesfalls  ; sie wurden schon vorher für Weltausstellungen, Paraden und Sportereignisse genutzt.553 Neu ist, dass Speer sie in 551 BA N1340/38, Speer an Mosse, 5.7.1973. 552 Speer 1933, 301. 553 Pehnt 2005, 208. Siehe auch: Schivelbusch 1992.

E xkurs    : Massenbeeinflussung   |  93

den Dienst der Politik stellt und dass er mit dem E x k u r s »S c hön h e i t de r A r be i t« u n d Zugriff auf die Flakscheinwerfer des Militärs außer- w e i t e r e Ä m t e r gewöhnlich starke Lichtquellen zur Verfügung hat. Licht wird von Speer als ein Ausdrucksmittel des Im Laufe der 1930er-Jahre kumuliert Speer eine erBauens begriffen und er nutzt damit die technischen hebliche Anzahl von Ämtern. Diese Ämter spielen Möglichkeiten seiner Zeit. Auch bei anderen Wer- eine entscheidende Rolle im Hierarchiesystem des ken legt er großen Wert auf sorgsame Lichtinszenie- Nationalsozialismus, wo man durch Gefälligkeiten rungen. Dies z. B. durch die Entwicklung spezieller und Verpflichtungen, Allianzen und Einfluss seine Kandelaber bei der Ost-West-Achse in Berlin, aber Position zu sichern sucht. Ein Bezug zu Speers Ausauch beim Einsatz in Innenräumen, die in der Regel bildung als Architekt ist bei der Berufung nicht imin ein warmes, dämmriges und damit »weihevolles« mer zwangsläufig gegeben. Licht aus indirekten Quellen getaucht sind. KonDas erste Amt, das Speer übernimmt, ist das des sequenterweise entstehen daher Planungen für die »Unterabteilungsleiters für architektonische und Große Achse bei Nacht, für die sich Speer Nacht- künstlerische Ausgestaltung von Großkundgebungen und Leuchtreklame-Zeichnungen vorlegen lässt.554 der Reichspropagandaleitung«556 [siehe S. 89]. Ein Während die Bauten Troosts vor allem tags abgelich- Schreiben von 1934 belegt, dass er dieses während tet werden, verwendet die offizielle Propaganda für des Parteitages 1933, der am 30. August beginnt, beSpeerbauten häufig Nachtaufnahmen, insbesondere reits innehat.557 Gestaltungen und Baumaßnahmen, vom Zeppelinfeld, hier in Zusammenhang mit dem die konkret auf die Ausübung dieses Amtes zurückLichtdom, aber auch vom Deutschen Haus in Paris zuführen sind, können allerdings 1933 in Nürnberg und der Neuen Reichskanzlei in Berlin. Zu dieser nicht nachgewiesen werden.558 Abgesehen von den wird auch in der offiziellen Propaganda extra er- Entwürfen für den Bückeberg sind weitere Tätigwähnt, dass künstliches Licht im Werk Speers den keiten in diesem Amt nicht zu ermitteln. Ein ZuRang eines Bauelementes einnimmt, das die »bau- sammenhang besteht möglicherweise aber mit den liche Struktur […] eindringlich zur Geltung«555 Arbeiten für die Funk- und Automobilausstellungen [WV 18  ; 23] in Berlin. bringe. Nachdem er bereits einige Zeit bei der Propagandaleitung tätig ist, wird Speer am 30. Januar 1934 554 BA R4606/59, 133. 555 o. A. 1940, 44 u. 53. 556 SAN C7/I/913, NSDAP-Reichsleitung an OB Liebel, 31.1.34, nach Doosry 2002, 361. 557 SAN C7/I/913, NSDAP-Reichsleitung an OB Liebel, 31.1.34, nach Doosry 2002, 361; zum Parteitag 1933 siehe: Zelnhefer 2002, 64. 558 Doosry 2002, 362. 559 »Schönheit der Arbeit« ist in der Gesamtheit bislang nicht erforscht. Es existieren zwar einige Untersuchungen zu diesem Thema, jedoch behandeln diese in der Regel nur Einzelphänomene. Siehe hierzu u. a. Buchholz 1976, Friemert 1979 und Friemert/Haug 1980. Letztere legen auch die Gründung des SdA dar, dabei wird aber Speer nicht erwähnt, sondern nur im Zusammenhang mit einem Aufruf für Grünanlagen im Betrieb und einem Erlass, den Speer (Speer 1935) über die Ankündigung von SdA-Kampagnen herausgibt (Friemert/Haug 1980, 188; 156).

94 | E tablierung bei Hitler

560 Flagmeyer 2009, 122. 561 Flagmeyer 2009, 303. 562 In dieser Funktion lässt er eigener Angabe nach »einfaches, gut geformtes Essgeschirr standardisieren, […] schlichte Möbel [entwerfen], die normiert in größeren Stückzahlen aufgelegt wurden …« (Speer 1969, 71) Speer gibt an – die Quellen scheinen dies zu bestätigen –, dieses Amt aus Zeitmangel immer mehr seinem ständigen Vertreter überlassen zu haben (Speer 1969, 161). 563 Sereny 1997, 134. 564 Die Straße 1934, 256. 565 Privatbesitz in Deutschland. – Schelkes berichtet jedoch nur wenig über seine Tätigkeit. Im Gebäude der Arbeitsfront habe er ein kleines Büro mit Sekretärin und einem Architekten bekommen. Von dort aus besucht er an zwei bis drei Tagen in der Woche Betriebe. Seine Dienststelle macht dann die Pläne für die Verbesserungen, die der Betrieb ausführt und finanziert. Nähere Angaben, wie genau

Leiter der Abteilung »Schönheit der Arbeit« (SdA)559 der Organisation »Kraft durch Freude« (KdF). Die Ernennung geht einher mit einer Restrukturierung der DAF, die nur wenige Tage zuvor verkündet worden ist und durch Einführung des »Führerprinzips« die letzten Reste der Arbeitnehmerselbstbestimmung beseitigt.560 Die Leitung von »Schönheit der Arbeit« ist aber nicht Speers einziges Engagement für die DAF, deren Bauabteilung er als Leiter vorsteht. Er muss früh erkannt haben, dass die Tätigkeiten für die DAF ihm zukünftig erheblichen Einfluss auf architektonischem Gebiet bringen würden, aber auch in der Hierarchie der NSDAP für ihn von Vorteil wären. Die Einsetzung des Aufsteigers Speer ist sowohl für den Leiter der DAF Robert Ley als auch für Hitler von Nutzen. Für Speer, der am Anfang seiner Karriere steht, ist sie Bewährungsprobe und Chance zugleich. Ley erhält die Möglichkeit, über Speer seine Nähe zu Hitler zu festigen, Hitler wiederum kann über Speer seinen Zugriff auf die Bauprojekte der damals größten Organisation des NS-Regimes sicherstellen.561 Konkrete Tätigkeiten Speers für SdA können bisher nur vereinzelt und punktuell nachgewiesen werden.562 Eine der ersten Aufgaben soll der Entwurf eines Barackenlagers [WV 17] für die Arbeiter an den Autobahnbaustellen gewesen sein.563 Speers Beitrag war jedoch mit Sicherheit nur gering.564 Eine der

wenigen nachweisbaren Entscheidungen ist die Einsetzung Willi Schelkes auf ehrenamtlicher Basis als Leiter des Amtes für Baden.565 Die Tätigkeiten für die DAF und SdA finden nur geringen Niederschlag in den Akten der GBI und deuten auf ein sehr selektives Eingreifen Speers hin. Die wenigen Hinweise zeigen aber, dass Speer zumindest am Rande seiner sonstigen Aktivitäten seine Möglichkeit zum Eingriff nutzt.566 Für die Steuerung der Architektur im Reich ist es wichtig, dass ihm die Entscheidung obliegt, wer Vertrauensarchitekt von SdA werden könne.567 Es zeichnet sich aber ab, dass Speer schon früh die Führung der Geschäfte von SdA und der Bauabteilung den Mitarbeitern im Amt überlässt und lediglich in der Art eines Schirmherrn seinen Namen zur Verfügung stellt.568 Eng verknüpft sind die Tätigkeiten für SdA und die Bauabteilung der DAF durch Speers Stellvertreter Julius Schulte-Frohlinde. Im Verlauf seiner ersten Planungen für das Nürnberger Reichsparteitagsgelände hat Speer den Nürnberger Stadtbaurat kennengelernt und ihn gebeten, sowohl sein Stellvertreter bei SdA als auch Leiter der Bauabteilung zu werden.569 Schon im Spätsommer 1935 überträgt er in Absprache mit Ley die entsprechenden Vollmachten an Schulte-Frohlinde, der die Geschäfte fortan weitgehend selbstständig führt und Speer durch regelmäßige Tätigkeitsberichte unterrichtet.570 Trotz des selbstständigen Agierens bleibt

die Verbesserungen aussehen, die Speer vornehmen lässt und inwieweit er sich persönlich engagiert oder gar Entwürfe zeichnet, sind den Quellen nicht zu entnehmen. 566 Ein Hinweis auf Speers Tätigkeit und seine wiederholten Eingriffe bietet der Terminkalendereintrag vom 27. Januar 1938: »Stolper erbittet Termin in Angelegenheit Waldenburg/Schl. Es handelt sich um grössere städtebauliche Angelegenheiten, die früher Herr Pötschke bearbeitet hat und in die Sie schon einmal eingegriffen hätten. (Theater, Volkshalle usw.) Gaudienststelle Schlesien von Sch.d.A. hat durch 2 Architekten Projekte ausarbeiten lassen und macht nun damit Propaganda. Stolper hält die Projekte für unbrauchbar. Ähnlich liegt ein Bauvorhaben in Neckar­ gemünd vor, für das das Schatzamt der DAF. grössere Kredite haben will. [handschriftlich dazu:] nächste Woche Büro! Kube Vorbespr. da keine Zeit« (BA R4606/66, 238, 27.1.38). 567 Speer 1938.

568 Für ein Sonderheft der ursprünglichen Werkbundzeitschrift »Die Form« von 1935 über »Schönheit der Arbeit« steuert Speer lediglich die drei Zeilen eines Grußwortes und seine Unterschrift bei, während die Einführung von seinem Mitarbeiter Karl Kretschmer verfasst wird (Sonderheft Schönheit der Arbeit 1935, 161). Die NS-Propaganda berichtet zwar immer wieder über Verbesserungen, die von SdA erreicht werden, jedoch werden diese dort zumeist nicht mit dem Namen Speers verknüpft. Siehe hierzu: Lotz 1940; Best 1935; Hübbenet 1939, 22–29. 569 Flagmeyer 2009, 276. – Zur Biografie Schulte-Frohlindes und seiner Tätigkeit in der DAF siehe: Flagmeyer 2009, 272–301. Die Leitung von SdA gibt Schulte-Frohlinde schon im September 1936 an Herbert Steinwarz ab (Flagmeyer 2009, 309). 570 Flagmeyer 2009, 278 u. 374.

E xkurs » S chönheit der A rbeit« und weitere Ämter   |  95

Speer prinzipiell die letzte Entscheidung über alle Bauten der Arbeitsfront vorbehalten, obschon er dieses Vorrecht in der Regel nicht wahrnimmt. Die »künstlerische Oberaufsicht« ist Speer aber 1937 schließlich zu aufwendig, sodass seine Begutachtung auf Vorentwürfe eingeschränkt wird.571 Gänzlich verzichtet er auf seine Machtstellung jedoch nicht und behält sich 1938 die fachliche Oberaufsicht über die Bauabteilung weiter vor.572 Er reduziert über die Jahre zwar konsequent seine Arbeitsbelastung durch Tätigkeiten für die DAF, nie gibt er aber das Recht der letzten Entscheidung auf. Durch persönliches Eingreifen bei Ley sichert er den Fortbestand der Bauabteilungen der DAF und damit vor allem seinen Einfluss auf deren Bauvorhaben.573 Wie Peter Reichel im Zuge seiner Forschungen zum »schönen Schein« des NS-Staates, d. h. dessen beiden gegensätzlichen Merkmalen Faszination und Gewalt, nachweisen kann, ist SdA ausschließlich eine Propagandaaktion, um die Arbeiter für den Nationalsozialismus zu gewinnen. Diesen wird eine sich wandelnde Wirklichkeit des Kapitalismus dadurch vorgetäuscht, dass sich das Lebensbild ändert und damit die Wahrnehmung der Realität, obwohl sich an den herrschenden Verhältnissen nichts Grundlegendes ändert, manches sogar schwieriger wird.574 Auf dem Weg zur angeblich klassenlosen Gesellschaft des NS-Staates ist SdA ein geeignetes Instrument, um die Arbeitnehmer am subjektiv empfundenen Anstieg des Lebensstandards teilhaben zu lassen.575 Die meisten Veränderungen, die Speer für sein Amt in Anspruch nimmt, sind jedoch konjunkturell – also durch den allgemeinen Aufschwung – bedingt.576

Bei allen eingeleiteten Veränderungen wird zuallererst an eine Rationalisierung gedacht, in zweiter Linie an die Stabilisierung der politischen Verhältnisse, aber am wenigsten an die Verbesserung der Lebensqualität.577 Dennoch entwickelt sich SdA vom nicht besonders ernst genommenen Außenseiter zu einer erfolgreichen Marke, unter der sich im Umfeld von Industrie und Handwerk vieles verkaufen lässt.578 Ob er sich 1941 wegen des Konfliktes mit Bormann und Giesler von der Leitung von SdA trennt, ist nicht ermittelbar. Konsequent vollzogen wird die Trennung jedoch nicht, denn er versichert sich, weiterhin Einfluss auf die entsprechenden Ämter nehmen zu können.579 Eigenen Angaben nach wird Speer Anfang 1934 durch Rudolf Heß ohne Befugnisse und Dienststelle, nur aus Anerkennung seiner Architektenleistung, zum »Beauftragten für Bauten im Stabe Heß« ernannt.580 Gemäß dem »Archiv für publizistische Arbeit« unterstehen damit alle Bauten der Partei und ihrer Gliederungen seiner Aufsicht.581 Inwiefern er in dieser Funktion Konkretes leistet, ist nicht zu ermitteln. Ein einziger Eintrag im Terminkalender des GBI befasst sich mit einem Vorhaben, das diesem Amt zuzuordnen ist.582 Speer selbst schreibt Martin Bormann, er habe sich »als ›Beauftragter für Bauwesen‹ an den allgemeinen Bauangelegenheiten der Partei (wie z. B. dem Wohnungsbau) laufend beteiligt«.583 Sicher ist, dass er zahlreiche Bauten der NSDAP begutachtet, ohne dass genau getrennt werden kann, ob dies im Auftrag Hitlers geschieht oder Kraft seines Amtes.584 Von Bedeutung ist es vor allem für den Ausbau seiner Machtposition. Anfang

571 Flagmeyer 2009, 284. – Nur wenn der Architekt es ausdrücklich wünscht, befasst sich Speer näher mit der Planung. 572 Flagmeyer 2009, 290. 573 Flagmeyer 2009, 294. 574 Reichel 1991, 236. 575 Flagmeyer 2009, 302. 576 Reichel 1991, 237. 577 Reichel 1991, 237. 578 Siehe hierzu: Friemert/Haug 1980. 579 BA R4606/58, 184. 580 Speer 1969, 69.

581 BA R58/8031, Archiv für publizistische Arbeit (Intern. Biogr.Archiv), Bd. ME-SO, 23.4.1942, S. 7179. 582 Kalendereintrag, Punkt »e) Hilgenfeldt bittet um Bescheid, wann Vorführung der N.S.V.-Bauten beim Führer stattfinden soll.« (BA R4606/66, 205, Eintrag vom 10.3.38). 583 BA R3/1733, 9, Speer an Bormann, 20.1.41. 584 Nach Schneider begutachtet er in seiner Eigenschaft als Beauftragter für das Bauwesen in der NSDAP auf dem Obersalzberg die Pläne des heutigen Salzgitter, damals »Stadt der Hermann-Göring-Werke«. Speer entscheidet hier zwischen zwei ausgearbeiteten Standortalternativen und schlägt die Verlegung eines Stadions vor (Schneider 1979, 72).

96 | E tablierung bei Hitler

1940 sind Tendenzen auszumachen, dass Speer seine Stellung im Baubereich zu festigen oder gar zu erweitern sucht.585 Im Umfeld der Ernennung Leys zum Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau am 15. November 1940 und der daraus resultierenden Verstimmungen bittet Speer darum, seine Amtsbezeichnung zu ändern.586 Er schlägt »Beauftragter des Führers für Baukunst und Städtebau der NSDAP« vor, um darin auch die Neuverteilung der Aufgabenbereiche deutlich zu machen.587 Der Vorstoß, der auch die Akquise weiterer Kompetenzen beinhaltet, scheitert und führt zum offenen Kampf mit Bormann und Giesler.588 Per Schreiben vom 20. Januar 1941 gibt Speer daraufhin sein Amt beim Stab Heß aus Verärgerung über Bormann ab.589 Aus diesem gescheiterten Vorstoß zieht er die Konsequenz, auch alle anderen Parteiämter abzulegen. Neben SdA betrifft dies die Oberaufsicht über alle Bauten der DAF, die von Bormann erhaltene Oberaufsicht über die Errichtung von Gemeinschaftshäusern der Partei, die Begutachtung des baulichen Schrifttums und die Befugnis zur Auswahl von Gau-Vertrauensarchitekten der NS-Volkswohlfahrt.590 Neben den genannten sammelt Speer weitere Ämter an. Er wird unter anderem Mitglied im Senat der Reichskulturkammer (RKK) und Präsidialrat der Reichskammer der bildenden Künste. Weiterhin ist er ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste und der Akademie des Bauwesens. Im November 1938 ernennt ihn Göring in seiner Funktion als Ministerpräsident Preußens zum preußischen Staatsrat.591 Speer ist zudem seit 1941 von Hitler ernannter, also nicht gewählter Reichstagsab-

geordneter des Wahlkreises 2, Berlin West.592 Auch in der Wirtschaft bekleidet Speer wichtige Funktionen und ist etwa stellvertretender Vorstandsvorsitzender im KdF-Werk.593 Nicht als Amt zu bezeichnen, aber dennoch ein Hinweis auf seine wichtige Stellung in der Staats- und Baubürokratie ist seine Verpflichtung, auf Anordnung Hitlers zusammen mit Giesler zu allen Baugesetzen Stellung zu nehmen.594

585 586 587 588 589

593 BA R4606/24, 138, Ley an Speer, 5.2.41. 594 BA R3/1733, 9, Speer an Bormann, 20.1.41; BA R43II/1187a, Bormann an Lammers, 29.1.41. 595 Einen weiteren Datierungshinweis könnte unter Umständen das Bauvorhaben Dr. Frank in Sigrön geben, da Speer es angeblich vor den Aufträgen für Hitler und Goebbels ausgeführt haben will. 596 Meldekarte im Stadtarchiv Mannheim, Mitteilung Stadtarchiv MA vom 26.06.08. – Im RKK-Stammblatt gibt er an, ab 1.3.1933 selbstständig in Berlin tätig gewesen zu sein (BA Sammlung RKK, Speer, Albert. RKK-Stammblatt). 597 Privatbesitz in Deutschland, Vortrag vom 28.02.1985.

Siehe hierzu: S.152. Harlander 1995, 206 u. 209. BA R4606/617, 140, Speer an Bormann, 29.11.40. Siehe hierzu S. 22; 153; 190. BA N1340/83, Typoskript Lebenslauf, wohl Nürnberg 1945/46. 590 BA R3/1733,9, Speer an Bormann, 20.1.41. 591 BA R58/8031, Archiv für publizistische Arbeit (Intern. Biogr.Archiv), Bd. ME-SO, 23.4.1942, S. 7179. 592 Kienast Reichstag 1943, 394. – Hermann Giesler wird 1943 im gleichen Wahlkreis von Hitler zum Abgeordneten ernannt. Siehe hierzu: Früchtel 2008, 257.

E x k u r s  : At e l i e r Spe e r, »L i n de n a l l e e« u n d »At e l i e r h aus Obe r s a l z be rg « Speer unterhält im Laufe seiner Karriere verschiedene Ateliers, deren Spuren nur schwer zu verfolgen sind. Im Gegensatz zur Generalbauinspektion, zu der viele Quellen existieren, zeigt sich bezüglich aller Standorte des Privatbüros genau das Gegenteil. Zu den jeweiligen Büros sind fast keine Angaben zu finden, geschweige denn ein geschlossener Aktenbestand. Das erste eigene Büro eröffnet Speer im Frühjahr 1932 in seinem Mannheimer Geburtshaus, das sich noch im Besitz des Vaters befindet. Von dort aus verlagert er es nach Berlin. Widersprüchlich sind die verfügbaren Daten für die dortige Büroeröffnung.595 Einerseits ist er bis 15. Juni 1933 in Mannheim gemeldet,596 andererseits ist die Aufnahme der Tätigkeit in Berlin im RKK-Stammblatt ab dem 1. März 1933 angegeben. Zudem berichtet Schelkes, das Mannheimer Büro sei schon Ende 1932 aufgegeben worden.597 Man wird wohl von einer »schleichenden

E xkurs   : Atelier S peer, »L indenallee« und »Atelierhaus O bersalzberg«   |  97

56 Albert Speer, Obersalzberg, Atelierhaus von Westen (WV 56), Zustand 2005

Verlagerung« des Büros aus wirtschaftlichen Erwägungen ausgehen müssen. Im Gegensatz zur schwierigen Mannheimer Situation hat Speer in Berlin aufgrund seiner NSDAP-Beziehungen einen neuen Kundenstamm etabliert und zieht dementsprechend das Büro nach. Terminus ante quem für die Eröffnung ist die Tätigkeit Wolters’. Ab dem 15. Juli 1933 ist Wolters Speers einziger Mitarbeiter mit univer-

sellem Einsatzbereich und arbeitet an der Entwurfsund Modellbearbeitung zum »Erntedanktag Bückeberg« mit.598 Speers erster Auftrag nach Eröffnung seines Büros in der Behrenstraße ist der Umbau des Gutshauses von Robert Frank in Sigrön, nahe Perleberg [WV 14].599 Wolters will die Zukunft im Büro Speer aber derart skeptisch beurteilt haben, dass er nach einem Vierteljahr wieder zur Reichsbahn wech-

598 BA N1318/57, 192. – Dort auch eine Gehaltsquittung Wolters »für Reinigung des Zimmers und der Doktorarbeit erhalten RM 150.« 599 BA N1340/76, Bericht Wolters über eine Heidelbergreise, 2.6.43. 600 BA N1318/57, 192. – In Anbetracht der zahlreichen Aufträge Speers, die er in dieser Zeit schon hat, verwundert die skeptische Einstellung Wolters. 601 BA N1318/57, 197. 602 Die Berichte Speers, wonach die Mitarbeiter in der Behrenstraße ohne Rücksicht auf ihr Privatleben arbeiteten, mittags nur mitgebrachten Proviant verzehrten und abends beim Essen in der »Pfälzer Weinstube« die Tagesarbeiten durchsprachen, sind mit Vorsicht zu genießen und beziehen sich wenn überhaupt erst auf die Zeit nach 1934/35 (Speer

1969, 46). 603 Lammers stellt erst am 21.9.34 die Geldmittel für den Garagenanbau der Reichskanzlei zur Verfügung (BA NS2/4508). 604 BA NS2/4508, Plan der Stabswache, 26.5.34. – Dieser wurde von Klinke unterzeichnet. 605 Doosry 2002, 367. 606 Unklar ist, in welcher Rechtsform Speer das Atelier überlassen wird. Die Aktenlage deutet darauf hin, dass er es kostenlos ohne weitere Regelungen zur Nutzung bekommt. Dezidiert als »Staatsatelier« wie etwa das von Thorak in Baldham wird es nie bezeichnet, genauso wenig als Dependance der GBI. Die Verwaltung erfolgt durch Bormanns »Verwaltung Obersalzberg« (BA R4606/104). 607 Nach den »Erinnerungen« zeichnen Speer und seine Mit-

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selt, die ihm im Gegensatz zu früher nun eine bezahlte Stelle bieten kann.600 Als das Büro entgegen Wolters’ Einschätzung erfolgreich bleibt, führt er für Speer hin und wieder Aufträge aus, recherchiert für ihn in der Kunstbibliothek städtebauliche Daten aus aller Welt und leitet für die Umbauten der Wohnungen von Göring und Goebbels eine zweite Schicht von 18 bis 23 Uhr.601 Archivalien, aus denen der Personalbestand Speers und damit das Wachstum des Büros zu ermitteln wäre, existieren nicht. Die Tatsache, dass er sich im Dezember 1933 Friedrich Tamms [siehe S. 99] »ausleiht«, deutet aber auf einen 57 Obersalzberg, Atelierhaus, Speer und Hitler beim BeKapazitätsmangel hin, den er mit Bekannten aufzutrachten der Pläne für die Linzer Oper, 9. Mai 1939 füllen versucht.602 Ein Jahr lang registriert das Berliner Adressbuch den Architekten Speer in der Französischen Straße 8. wachsener, provisorischer Zustand institutionalisiert Mit dem Umzug dorthin, der frühestens um die Jah- und den gegebenen Voraussetzungen nach optimiert. resmitte 1934 stattfindet,603 ist mittelfristig eine Ver- Die genaue Organisation der Arbeitsteilung zwischen größerung des Personalbestandes verbunden. Einzi- Berlin und Berchtesgaden, inklusive der jeweils in ger namentlich nachweisbarer Mitarbeiter ist bereits seine Dependance mitgenommenen Mitarbeiter, ist ab Mitte Mai 1934 Hans-Peter Klinke.604 Zudem nicht mit letzter Sicherheit zu ermitteln. Die weniunterstützen ihn bei den Planungen für Nürnberg gen Quellen legen nahe, dass es sich nicht immer um eine kaufmännische Angestellte und eine Hilfskraft, dieselben Personen handelt. Offenbar rekrutieren bis ab 1. Januar 1935 dann fünf Mitarbeiter mit den sich diese, den gerade bearbeiteten Projekten entEntwürfen für das Reichsparteitagsgelände befasst sprechend, sowohl aus dem Privatbüro als auch aus der GBI. Der Betrieb in Berlin ruht in solchen Fällen sind.605 Neben dem Atelier in Berlin unterhält Speer eine wohl nie vollständig, auch wenn Führungspersonal, Zweigstelle nahe Hitlers Berghof. Seit Ende 1938 im wie etwa Bürochef Otto Apel, temporär im Bergbüro Atelierhaus606 auf dem Obersalzberg [WV 56  ; Abb. stationiert ist.608 Die dortige Tätigkeit unterscheidet 56] untergebracht, entsteht die Dependance nicht sich nicht wesentlich von den Berliner Gewohnheiohne Vorläufer.607 So wird lediglich ein seit 1935 ge- ten. Das Atelierhaus ist, zumindest während der Anarbeiter in einem abgelegenen Jagdhaus im Ostertal im Frühjahr 1935 an seinen »Berliner Plänen« (Speer 1969, 98). Rätselhaft ist, was für Pläne damit gemeint sein könnten. 1935 bearbeitet Speer für Berlin nur den historischen Balkon am Erweiterungsbau der Reichskanzlei und sein eigenes Haus in Nikolassee. Möglicherweise irrt Speer hier einmal mehr in der Datierung und bezieht sich auf die ab Frühjahr 1936 entstehenden Vorplanungen für die Neugestaltung Berlins. Aus diesem Haus zieht er, eigenen Angaben nach, in das Bechsteinhaus und Ende Mai 1937 in das nach seinen Plänen von Bormann auf Geheiß Hitlers errichtete neue Ateliergebäude auf dem Obersalzberg (Speer 1969, 98). Das Haus wird jedoch frühestens gegen Ende 1938 fertig. Im Dezember 1938 bittet Speer das Finanzministerium um Wohnungen für die Angestellten und legt in

diesem Schreiben die Situation dort derart ausführlich dar, dass davon auszugehen ist, dass es die ersten Verhandlungen für den Neubau sind (BA R4606/104, Speer an Staatssekretär Reinhardt, Reichsfinanzministerium, 5.12.1938). Im Februar 1939 bittet Speer, im Jagdhaus Ostertal verbliebene Bilder gut verpackt in das Atelierhaus auf dem Salzberg zu senden (BA R4606/22, 84, Speer an Büro Giesler, 19.2.39). Dies deutet darauf hin, dass das Jagdhaus noch nicht lange geräumt ist. 608 Privatbesitz in Deutschland, Vortrag vom 28.02.1985; BA N1318/58, 244; BA R4606/104, Wittenberg an Johst, 3.4.1941.

E xkurs   : Atelier S peer, »L indenallee« und »Atelierhaus O bersalzberg«   |  99

wesenheit Speers, ein vollwertiges Entwurfsbüro und eine Notwendigkeit, um die Planungen voranbringen nicht nur eine Behelfseinrichtung, um den nötigsten zu können. Er hat damit unter den Architekten ein Betrieb aufrechtzuerhalten. Hier entsteht eine Viel- Alleinstellungsmerkmal, das das enge Verhältnis wizahl von Plänen und es werden wichtige Entschei- derspiegelt. Auch wenn in Berchtesgaden extra eine dungen getroffen, aber auch die Entwürfe anderer Dependance für die Reichskanzlei errichtet wurde,614 Architekten durch Speer geprüft und Hitler vorge- ist es doch bemerkenswert, dass ein Staatschef stets legt [Abb. 57].609. seinen Architekten in seiner Nähe hat. In einem Brief gibt Speer damals an, Hitler habe Aus dem Büro in der Lindenallee 18, dem direkten ihm jenes neue Bürogebäude für etwa 8 bis 10 An- Nachfolger der Französischen Straße 8 ab 1936,615 gestellte errichtet, damit er in der Lage wäre, die existieren keinerlei Dokumente oder Archivalien grundsätzlichen Entwürfe außerhalb der Berliner mehr. Auch in den Akten der GBI finden sich höchst Hast festlegen zu können.610 Offenbar ist der Auf- selten Unterlagen, die einen Hinweis auf die Tätigenthalt trotz idyllischer Lage keine Erholung. Über keit »der Lindenallee«616 geben. Speer berichtet, dass einen Aufenthalt dort berichtet Wolters, dass sie dort ein mit aus Kupfer getriebenem Blätterwerk gewie schon häufiger 14 Tage Stress hätten durchhal- rahmtes Messingschild in gotischen Buchstaben »Alten müssen. Zwar begänne die Arbeitszeit meist erst bert Speer Architekt« verkündete und er dort den Büum 9–10 Uhr, dauere aber oft bis nach Mitternacht, rostuhl seines Vaters nutzte.617 Das Büro befasst sich wenn Speer Hitler die überarbeiteten Pläne nach nicht mit der Stadtplanung für Berlin, die in der GBI dessen abendlichem Spielfilm vorlege.611 Die Auf- entwickelt wird, sondern ausschließlich mit Einzelenthalte können sich für das Personal von wenigen entwürfen zu den in der damaligen Korrespondenz Tagen auf eine Woche oder gar noch länger ausdeh- als »Staatsbauten« bzw. »Staatsbauten des Führers« nen, weswegen dort auch Familienwohnungen für bezeichneten Projekten. Für diese gibt es teilweise die Angehörigen bereitgestellt werden müssen.612 noch keine Namen. Die Bezeichnungen »Nord-SüdEin fester Zyklus der Nutzung ist nicht zu ermitteln. Achse«, »Große Halle«, »Führerpalais« etc. sind von Dies verwundert insofern nicht, als diese sicherlich Speer selbst eingeführte Hilfsbegriffe.618 Die dort kurzfristig und situativ mit dem Terminplan Hitlers entwickelten Entwürfe werden, da Speer in beiden synchronisiert wurde. Fällen der Chef ist, von der GBI naheliegenderweise Im Kontext der engen Zusammenarbeit Speers mit niemals korrigiert oder ihr zur Abnahme vorgelegt.619 Die Größe des Büros bleibt unklar. Speer gibt an, Hitler, der zeitweise fast das halbe Jahr auf dem Obersalzberg verbringt [Abb. 58],613 ist die Filiale Speers nur acht bis zehn Mitarbeiter gehabt zu haben,620 609 Nachzuweisen anhand der auf vielen Plänen befindlichen Datumszeile mit der Ortsangabe »Obersalzberg« im BHStA. Wolters berichtet von einem Aufenthalt, dass die beiden Mitarbeiter aus dem Privatbüro dort die Grundrisse und Ansichten der Großen Kuppelhalle auftragen, während er als Mitarbeiter der GBI an einer Variante der Spreeverlegung arbeitete (BA N1318/58, 244). Auch Besprechungen mit anderen Architekten finden dort statt. Speer bittet etwa, Werner March möge ihm seine Entwürfe nachsenden, da er auf dem Obersalzberg die Möglichkeit habe, sie Hitler vorzulegen (BA R4606/22, 227, Speer an Werner March, 9.6.39). 610 BA R4606/104, Speer an Staatssekretär Reinhardt, Reichsfinanzministerium, 5.12.1938. 611 BA N1318/58, 244. 612 Privatbesitz in Deutschland, Vortrag vom 28.02.1985; BA

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R4606/104, Speer an Staatssekretär Reinhardt, Reichsfinanzministerium, 5.12.1938. 613 Feiber 2008, 176. 614 Dokumentation der Dienststelle bei: Exner 1999. 615 Berliner Adressbuch 1936. – Bemerkenswert ist, dass Speer im Gegensatz zu seinem Kollegen Otto Kohtz keine Großanzeigen schaltet, sondern in den Adressbüchern stets nur mit dem Standardeintrag vertreten ist. 616 Findet sich ein Hinweis, ist stets nur von »der Lindenallee« die Rede. Ein regelrechter Name wie ein etwa dem »Atelier Troost« entsprechendes »Atelier Speer« war nicht zu ermitteln. 617 Das Schild hing schon am Büro des Vaters in Mannheim und wäre ihm immer ein Stück der Jugend gewesen. Als Bürostuhl diente dem Vater eine kühne Konstruktion. Er war grünlich gestrichen mit Nachahmung einer Holzma-

160 140 120 100 80 60 40 20 0 1933193419351936193719381939194019411942194319441945 58 Aufenthaltsdauer Hitlers auf dem Obersalzberg in den Jahren 1933–1945 (nach Feiber 2008)

 

für die er auch eine Hilfskasse unterhalten habe, um bei Krankheit, Todesfällen und »Überalterung« Unterstützung geben zu können.621 Die genannte Mitarbeiterzahl scheint jedoch für die Zeit ab 1938 zu gering, zumal Speer im Juli 1938 auch das Nachbarhaus Lindenallee 17 hinzunehmen will. Mittels sei-

nes Rechtsanwalts Malinowski versucht er den bisherigen Mieter auf freiwilliger Basis zum Umzug zu bewegen, was ihm letztlich gelingt. Speer ist jedoch nicht willens, die Anmietung mit seinen Mitteln als GBI durchzuführen.622 Möglicherweise bezieht sich Speers Personalangabe auf rund zehn Architek-

serung, Sitz aus handgewebtem Teppichstoff und zwei flachen Kissen im Rücken, die mit Bändern und kunstvollen Knoten an diesem Stuhl befestigt waren. Den Stuhl nahm er zur Erinnerung mit nach Berlin, wo er ihm zum Erstaunen manches Besuchers weiter als Arbeitsstuhl diente (BA N1340/405, Jungenderinnerungen, Nürnberg 5.4. – 19.5.47). 618 BA N1340/75, Speer an Richard Winston (Übersetzer der amerik. Ausgabe der »Erinnerungen«), 13.11.69. 619 Schönberger 1981, 52. 620 Speer 1969, 159. 621 Das Guthaben belief sich 1950 auf 11.491,15 RM (BA N1340/108, Ehem. Mitarbeiter Privatbüro Lindenallee (Apel, Rohrer, Letocha, Husmann) an Berliner Disconto Bank, 27.3.50). Gemäß den (undatierten) Statuten der Hilfskasse sollten 15 % der ausgezahlten Gehälter monat-

lich an die Hilfskasse überwiesen werden. Angestellte erhalten Hilfen (1/2 letztes Gehalt) bei Arbeitsunfähigkeit infolge Alters oder Unfalls, bei Tod bekommen die Hinterbliebenen Unterstützung. Bei schweren Krankheiten bezahlt die Hilfskasse 2/3 der Heilkosten, bei Familienmitgliedern 1/3, für Geburten 2/3. Nicht alle Mitarbeiter haben Anspruch auf Zahlungen. 1962 werden als prinzipiell berechtigt folgende Mitarbeiter aufgelistet: Apel, Otto; Rohrer, William; Winter, Gerhard (gefallen); Dieffenbach, Albert (verstorben); Raab, Fritz (verstorben); Klinke, Hanspeter[Hans-Peter?] (gefallen); Letocha, Rudolf; Brühl, Theodor; Husmann, Karl; Schmidt-Gocht,[?]; Weitzel, Ludwig (verstorben), Haeske, Herbert (gefallen) und Purschke, Felicitas, Sekretärin (LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, Abschrift Flächsner an Deutsche Bank, 14.8.62). 622 BA R4606/21, 222, Vorlage Fränk für Speer, 14.7.38. – Für

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ten neben zusätzlichem Personal wie Schreibkräften, am Pariser Platz aufgehalten habe.629 Diese Angabe Lichtpausern und Zeichnern.623 In den von ihm wird gestützt durch seinen Terminkalender, in dem selbst inszenierten Medienkampagnen,624 die den in der Regel nur nachmittags Termine verzeichnet einzigen, wenn auch gesteuerten Einblick in die Ar- sind. Somit ist es wahrscheinlich, dass Speer jebeit der Lindenallee geben, wird sein Atelier im Jahr weils vormittags im Privatbüro tätig ist.630 Wie sich 1938 im Vergleich zu anderen führenden Künstlern seine Bestellung zum Minister auf die Lindenallee als den üblichen Rahmen nicht überschreitend be- auswirkt, ist im Detail unklar. Ab 1942 läuft die schrieben.625 Auch 1941 hat sich diesbezüglich in Kommunikation zwischen Chef und Büro offenbar der Berichterstattung wenig geändert. Betont wird, weitgehend über Aktennotizen.631 Dieser Zustand die Räume seien trotz der Lage in einem bevorzug- scheint zumindest zeitweise auch schon vor der Beten Villengebiet weder schön noch geräumig, eher rufung zum Minister bestanden zu haben. Bereits im nüchtern und eng.626 August 1940 lässt Apel sich in der GBI einen Termin Nach Speer sind seine Angestellten gut auf ihn geben, um seinen Chef zu sprechen.632 Durch Pläne gut dokumentiert ist das Büro eingestellt gewesen und haben seine ersten, noch ungenauen Skizzen in Pläne umgearbeitet – er selbst Speers in der Liechtensteinallee 3/3a, direkt neben zeichnet bei seinen Bauten stets nur die Pläne und dem Neubau der Spanischen Botschaft.633 Hier Details, die ihm für die künstlerische Form wichtig profitiert Speer einmal mehr von der durch ihn erscheinen, z. B. Fassaden, Gesimse, Profile, Grund- vorangetriebenen Enteignung jüdischer Immobilirisse, Fenstergliederungen, Werksteinverkleidungen. enbesitzer.634 Erwägungen Speers, sein Büro nach Bürochef in der Lindenallee ist Otto Apel. Die bau- dem Krieg aus der Lindenallee in die Stadt und soreife Weiterbearbeitung der Pläne mit der Gebäude- mit näher an die Reichskanzlei zu verlegen, lassen technik, sofern sie nicht an spezialisierte Ingenieur- sich seit Juni 1940 nachweisen.635 Der Erwerb des büros abgegeben wird, übernimmt Carl Piepenburg, Hauses durch das Reich wird in aller Stille und mit der als Oberbauleiter für alle Bauten Speers verant- Einverständnis Hitlers durchgeführt.636 Daraufhin wortlich ist.627 Auch Kostenschätzung, Abrechnung beginnen Franz Böhmer und Georg Petrich im Feund Abnahme ließ er anderweitig erledigen.628 bruar 1941 mit den Planungen und überwachen ab Angaben über den Modus der Arbeitsteilung Juli 1941 den tiefgreifenden Umbau.637 Der repräzwischen Lindenallee und GBI gibt es nicht. Speer sentative Altbau enthält im zweiten Obergeschoss schreibt in seinen »Erinnerungen«, dass er sich an eine luxuriöse Wohnung für Speer, die auch über Nachmittagen und in den Abendstunden regelmäßig einen Dachgarten verfügt. Großzügige Flächen im Wilhelm Kreis wird dagegen 1941 eine in jüdischem Besitz befindliche Villa durch die GBI zum »Bereich« erklärt, um sie notfalls enteignen zu können (LArchB A Pr. Br. Rep. 107/349-5). 623 Eine Ausdehnung der Mitarbeiterzahl über jene genannten acht bis zehn impliziert die Beschreibung »vom Erdgeschoß bis unter das Dach …« habe Speer die Häuser in Beschlag genommen (Theunisse 1941). 624 Siehe dazu Kapitel: ›Selbstdarstellung in Öffentlichkeit und Presse‹. 625 Ritgen 3.2.38, o. S. – Es unterscheidet sich dadurch und durch die Tatsache, dass es in einem Altbau untergebracht ist, von den späteren »Staatsateliers«, wie sie andere Künstler innehaben. Der für diese getriebene Aufwand, der eindeutig auch mit der Inszenierung der Atelierinhaber als führende

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Künstler im Reich im Zusammenhang steht, ist sehr gut am Beispiel des Ateliers für Josef Thorak in Baldham ersichtlich. 626 Theunisse 1941. 627 Schönberger 1981, 53. 628 Speer im Gespräch mit Jörg Michael Schiefer am 10.10.1974, Schiefer 2013, 102. 629 Speer 1969, 159. 630 BA R4606/65–69, Tagesprogramme 1937–1941. 631 BA R4606/84, 23. – Einen Hinweis darauf liefert eine Mitteilung Apels an die GBI, die mehrere Punkte umfasst, u. a. den, dass die Modelle für Altranfft fertig seien und den an und für sich relativ belanglosen, wann er Urlaub machen möchte. Dies hätte er seinem Chef wahrscheinlich nicht auf diesem Wege mitgeteilt, hätte er Speer in dieser Zeit häufiger persönlich getroffen (BA R4606/84, 23, Mitteilung

ersten Obergeschoss schaffen in zehn Ateliers Platz für 26 Reißbretter und die Möglichkeit, die Zahl bequem zu erhöhen. Auch die Registratur und die Räume für die Schreibkräfte sind im ersten Obergeschoss untergebracht. Das Erdgeschoss des großen Hauses ist fast ausschließlich von Modellräumen belegt.638 Zur Herstellung dieser Modelle befindet sich eine eigene Gipsformerei im Keller. Ein Bildhaueratelier mit Oberlicht zur Entwicklung von Bauplastik, zu dessen Beschickung auch ein Lastenaufzug von 2 x 2 Metern Grundfläche zur Verfügung stehen soll, ist dagegen im gleichen Geschoss wie die Wohnung Speers untergebracht.639 Im Mai 1943 ist das Bauvorhaben noch um einiges von der Fertigstellung entfernt und wird für »dringlich« erklärt.640 Unmittelbar nach Abschluss der Umbauarbeiten wird das Haus bei Luftangriffen zerstört.641 Für das Privatbüro besteht ohnehin kein Bedarf mehr, da Speer einem Schreiben an den »Zweckverband Reichsparteitaggelände Nürnberg« zufolge sein Büro zum 5. März 1943642 auflöst und damit die Planungen einstellt.

Apel, 19.6.42). 632 BA R4606/68, 69. – Speer hat im Sommer 1940 auch an den Wochenenden Termine und muss von der sonst festgestellten Gewohnheit abweichen, Termine nur nachmittags zu vergeben. Somit ist er in dieser Zeit anscheinend über Gebühr beansprucht. Es kann aber trotzdem mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dies an der generellen Situation des Büros kaum etwas änderte. 633 Siehe hierzu u. a.: BAB R4606/305; BA R4606/108; Larch B Rep. 202/5453; Larch B Rep. 202/5452; Larch B Rep. 202/6011. 634 Arnold/Janick 2006, 148. 635 BA R4606/108, 17. 636 BA R4606/108, 15; Larch B Rep. 202/5453, siehe auch: Breloer 2005b, 273; 403.

637 Larch B Rep. 202/5453. 638 Die Außenmaße betragen 46 m auf 26 m (Larch B Rep. 202/5453). 639 BA R4606/108. 640 Larch B Rep. 202/5453. 641 Die GBI befasst sich daher mit Festsetzungsangelegenheiten für die Miete, die letztlich wegen der kurzen Nutzungsdauer ganz erlassen wird, und dem Diebstahl von Kokosläufern aus der Ruine, die nach behelfsmäßiger Instandsetzung für Angehörige des Hauptausschusses Schiffbau genutzt werden soll (BA R4606/304). Siehe auch Breloer 2005b, 546. 642 SAN C32/259, Speer an ZRN, 22.2.43.

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DER GENERALBAUINSPEKTOR (1937–1942)

Eine wichtige Zäsur im Leben Speers ist seine Ernennung zum »Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt« durch Erlass Hitlers am 30. Januar 1937.643 Die Ernennung, die Größe der vergebenen Bauaufträge und der Umfang seiner Kompetenzen machen ihn nun für alle deutlich wahrnehmbar zum »Führerarchitekten«. Er erhält von Hitler eine Machtfülle über die Architektur im Reich, die ihresgleichen sucht. Die direkte Abhängigkeit von ihm bleibt jedoch bestehen. Wichtig ist für Speer aber, dass er durch diese Behörde nun über eine offiziell legitimierte amtliche Stellung verfügt und nicht mehr nur ausschließlich als Sprachrohr Hitlers agieren muss. Die frühesten Hinweise auf die Einrichtung der Generalbauinspektion (GBI) finden sich in einem Schriftstück von Oktober 1936. Diskutiert wird darin über die Einsetzung eines »Reichsbeauftragten für das Bauwesen«, der unmittelbar Hitler unterstehen solle, als Leiter einer Institution, die zur »Förderung und Befruchtung der Baukunst und des Bauwesens […] geschaffen wird.«644 Die nur wenige Tage jüngeren Stichpunkte Lammers zu einem »Beauftragten für Bauwesen« oder einem »Reichskommissar für die Überwachung des Bauwesens« lassen die Grundzüge

der späteren GBI schon erkennen.645 Die Zuständigkeit ist nunmehr dezidiert auf Berlin beschränkt und es ist unklar, ob Eingriffe in die Zuständigkeiten anderer Ressorts überhaupt zugebilligt werden sollen. Trotz der Beschränkungen bleibt es vorerst bei dem recht allgemeinen Titel des Reichsbeauftragten, der weitergehende Kompetenzen erwarten lässt. Als Speer am 19. Oktober 1936 erstmals in die Diskussion eingreift, steuert er den Titel »Generalinspekteur für den Neubau Berlins« bei und schlüsselt die von ihm gewünschten, äußerst weitreichenden Kompetenzen dezidiert auf. Anhand der einzelnen Forderungen werden die Einzigartigkeit und die Machtfülle der Stellung, die Speer anstrebt, deutlich. Er fordert das Entscheidungsrecht über alle Bauvorhaben und sonstigen Fragen der Neugestaltung in Berlin, die Außerkraftsetzung aller Bauvorschriften und -gesetze, Weisungsrecht gegenüber sämtlichen Behörden, einschließlich der Möglichkeit, deren Personal einsetzen und abberufen zu können, Freigabe aller Bauvorhaben durch ihn mit beliebiger Einflussnahme auch nach der Freigabe sowie das Enteignungsrecht.646 Größere Bedenken wegen der Kompetenzballung bei Speer sind von keiner Seite festzustellen. Vielmehr wird versucht, in dem Erlass allen »Anregungen«647 des Architekten gerecht zu werden. Ein erster Entwurf liegt auf Drängen Hitlers am 29. Oktober 1936 vor. Speers Maximalforderungen werden nur insoweit nicht erfüllt, als nach Freigabe eines Bauvorhabens Rechtssicherheit bestehen muss und keine Änderungen mehr möglich sein dürfen. Zudem können herrschende Baugesetze für Speer nicht einfach außer Kraft gesetzt werden, wohingegen Anpassungen im Rahmen von Gesetzesän-

643 RGBL.I. 1937, 103. 644 BA R43II/1188, 95, Entwurf Erlass über einen Reichsbeauftragten für das Bauwesen, Oktober 1936. 645 BA R43II/1188, 93, Aktennotiz 15.10.36. – Stichpunktartig ist festgehalten, dass es sich um eine oberste Reichsbehörde handeln soll, dass die Befugnisse abzugrenzen seien, welche Ressorts beteiligt sind und auf welches Gebiet sich die Zuständigkeit beschränkt. 646 BA R43II/1188, 97, Entwurf vom 19.10.36. 647 BA R43II/1188, 103, Innenministerium an Lammers, 29.10.36.

648 BA R43II/1188, 104, Entwurf Erlass über die Einsetzung eines Generalinspektors für Bauten in Berlin, 29.10.36. 649 BA R43II/1188, 106, Aktennotiz Willuhn, o. D. 650 BA R43II/1188, 110, Willuhn an Lammers, 28.11.36. 651 BA R43II/1188, 110, Willuhn an Lammers, 28.11.36. 652 BA R43II/1188, 110, Willuhn an Lammers, 28.11.36. 653 Von der Reichsmonopolverwaltung für Branntwein und dem Verwertungsverband deutscher Spiritusfabriken gegründete Gesellschaft, um Agraralkohol als heimischen Treibstoff für Kraftfahrzeuge zu vermarkten. 654 Die Obersten Reichsbehörden im gleichen Rang sind 1939

Grü n du ng u n d Be hör de

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derungen als möglich erachtet werden.648 Unklarheit herrscht über die räumliche Abgrenzung. Speer selbst hat nur die Zuständigkeit für Berlin gefordert. Innerhalb der Behörden wird dagegen zunächst sogar reichsweite Befugnis angenommen. Hitler selbst solle entscheiden, ob er abwarten wolle, bis »praktische Erfahrungen […] vorliegen«,649 oder ob Speer sofort unbeschnittene Kompetenzen bekommen soll. Weniger die Forderungen Speers als vielmehr die Einordnung der GBI in die Administrativstruktur des Reiches bereitet Schwierigkeiten und verlängert die Gründungsphase. Ein grundsätzliches Problem ist die Tatsache, dass eine oberste Reichsbehörde im Gegensatz zu einem Ministerium keine gesetzgeberischen Befugnisse hat und genauso wenig einem Ministerium Anweisungen erteilen kann.650 Die Einrichtung als Ministerium steht aber nie ernsthaft zur Debatte und somit ist das von Speer gewünschte Weisungsrecht nur schwer in einer gesetzeskonformen Regelung zu verankern. Ein Zwischenweg wird in einem »Reichsbeauftragten« gesehen, der gesetzgeberisch und bezüglich des Anweisungsrechts als direkt von Hitler delegiert handeln könnte.651 Da die Zuständigkeit zunächst auf Berlin beschränkt ist, scheint in Anbetracht der kommunalen Tätigkeit auch die Einrichtung als oberste Reichsbehörde überdimensioniert, was aber sicherlich die damals schon geplante Ausweitung des Zuständigkeitsbereiches berücksichtigt.652 Die rechtliche Stellung der GBI bereitet auch nach der offiziellen Einrichtung insofern Schwierigkeiten, als nie eine förmliche Definition als oberste Reichsbehörde erfolgt. Die Reichskanzlei muss gegenüber der »Reichskraftsprit«653 eingestehen, dass der Erlass Hitlers vom 30. Januar

1937 in der Tat keine Bestimmung über die Einrichtung einer obersten Reichsbehörde654 enthalte und die GBI somit formal keine Reichsbehörde sei.655 Trotzdem gibt Lammers an, dass aufgrund der Befugnisse und der Form der Finanzierung die GBI wie eine oberste Reichsbehörde anzusehen sei, und fixiert damit gleichzeitig auch die Stellung für die Zukunft. Damit wird allerdings klar, dass ihr letztlich nie ein fester Status zugeschrieben wird. Dies liegt an der Eile, zu der Hitler drängt, da er am 30. Januar 1937 den endgültigen Erlass verkünden will.656 Zudem werden von den beteiligten Behörden »unter der Hand Gegenfassungen zur Begutachtung übersandt«.657 Hitler und Speer erhalten mit Datum vom 15. Januar 1937 zwei Fassungen des Erlasses. Gültigkeit erlangt schließlich jene Variante, die eine direkte Unterstellung unter Hitler im Sinne des »Reichsbeauftragten« zum Inhalt hat.658 Festgelegt wird darin auch die Amtsbezeichnung »Generalbauinspektor für die Neugestaltung der Reichshauptstadt«. Den Titel schreibt Speer Hitler zu, der lange nach einer »volltönenden, Respekt heischenden Bezeichnung [gesucht habe], bis Funk die Lösung fand«.659 Das Problem liegt jedoch nicht in der Suche nach einer »volltönenden« Bezeichnung, sondern darin, wie die GBI, die Kompetenzen aus mehreren Behörden und Ministerien vereint, verwaltungsrechtlich einzuordnen sei. Der Titel ist diesbezüglich durchaus von Bedeutung, da er unmittelbar das Rechtsverhältnis angibt. Die Archivalien erlauben keinen Aufschluss darüber, wie es letztlich zur Bezeichnung »Generalbauinspektor« gekommen ist. Den ersten schriftlichen Beleg hat Speer im Oktober 1936 selbst geliefert. In den Erlassentwürfen ist dagegen bis zur

der Rechnungshof, der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen und die Reichsstelle für Raumordnung. Die GBI wird im »Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches« nur als dem Führer direkt unterstellt geführt, neben der Reichsbank, dem Generalbaurat Giesler und Reichsbaurat Fick, aber nicht als Reichsbehörde genannt (Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, Hamburg 1939, 44 f., nach Willing 1984, 98). 655 BA R4606/57, Lammers an Reichskraftsprit GmbH, 23.3.37. – In dem Schriftwechsel geht es darum, ob auf den Kraftstoff für die Dienstfahrzeuge der GBI Behördenrabatt

gewährt wird. 656 BA R43II/1188, 114, Aktennotiz Lammers, 22.12.37. 657 BA R43II/1188, 116, Vermerk Innenministerium, Abteilung I, Januar 1937. 658 BA R43II/1188, 135, Aktennotiz Lammers, 15.1.1937; Erlass für einen Generalinspektor für die Reichshauptstadt, unterzeichnet von Hitler und Lammers, 30.1.37. 659 Speer 1969, 90.

G ründung und B ehörde   |  105

letzten Fassung immer nur von einem »Reichsbeauf- det, sich auf die Wünsche Hitlers beziehend, Enttragten« die Rede. würfe für weitere Erlasse.663 Im Zweiten Erlass vom Der Bedeutung dieser Position, die sich auch im 20. Januar 1938 wird die Zuständigkeit des GBI auf Titel ausdrückt, ist sich Speer bewusst. Er verlangt das Berliner Umland ausgedehnt. Der Dritte Erlass daher dementsprechend die gleiche Vergütung wie vom 18. Oktober 1940 erweitert diese noch einmal der Stadtpräsident von Berlin, da seine »Arbeit in auf alle Städte im Reich, für die Hitler es anordnet, ihrer Auswirkung für Berlin nicht geringer einzu- mit identischen Befugnissen wie für Berlin.664 Mit schätzen sein wird«.660 Nur durch die direkte Un- dem in Zusammenarbeit mit Speer ausgearbeiteten terstellung Speers unter Hitler ist das Konstrukt Gesetz über die Neugestaltung deutscher Städte wird GBI verwaltungstechnisch umzusetzen. Angesichts die Durchführung tiefgreifender Umbaupläne in diedes brachialen Eingriffs in die bestehenden Struktu- sen Städten ab dem 4. Oktober 1937 noch einmal ren hätte eine konkretere formale Regelung als die wesentlich vereinfacht, unter anderem durch erweiEinsetzung durch den allgemein gehaltenen »Füh- terte Möglichkeiten für Bauverbote in Interessensgerererlass« erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Es bieten sowie Vorkaufsrechte für Grundstücke durch wäre dazu ein Regelwerk vonnöten gewesen, das so die Gemeinden.665 Um dabei Immobilienspekulaviele Eventualitäten hätte berücksichtigen müssen, tion zu vermeiden und die Kaufsummen nicht zu erdass es – wenn überhaupt – im von Hitler gesetzten höhen, werden die Grundstückspreise vom 1. Januar Zeitrahmen nicht zu realisieren gewesen wäre. Speers 1937 festgeschrieben. Diese Regelung wird nicht nur Kompetenzen werden zwar von Hitler bestimmt, zu- durch die Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt allsätzlich aber auch durch Göring erweitert, der ihn gemein bekannt gemacht, sondern auch populärere einen Tag nach der Ernennung zum GBI zusätzlich Schriften publizieren sie beinahe im Wortlaut.666 Die Notwendigkeit, Speer als GBI einzusetzen, erals »Sonderbevollmächtigten im Rahmen des Vierjahresplanes« beruft. Damit erhält Speer über bau- gibt sich für Hitler aus dem Fortschritt der Planunliche Aspekte hinaus Eingriffsmöglichkeiten in die gen. Schon seit 1933 ist die Stadtverwaltung Berlin mit der Gesamtplanung betraut. 667 Sie erweist sich wirtschaftlichen Planungen der Stadt Berlin.661 Die Option zu einer räumlichen Ausdehnung der in den Augen ihres Auftraggebers Hitler jedoch als Kompetenzen der GBI über Berlins Grenzen hinweg unfähig, seinen architektonischen Träumen Gestalt ist schon in den ersten Vorplanungen für ihre Einrich- zu geben. Martin Wagner, seit 1925 Stadtbaurat, tung angedacht worden.662 Schon im Oktober 1937 scheitert in der Weimarer Zeit bei seinen Versuchen arbeitet Speer an deren Konkretisierung und versen- einer Modernisierung Berlins nicht nur am Geld, 660 BA R43II/1187a, Speer an Lammers, 15.4.37. – Zusätzlich möchte er, da er bei der Arbeit kaum Rücksicht auf seine Gesundheit nehmen kann, seine Familie durch Pensionsansprüche, die denen eines Staatsoberhauptes ähnlich sind, abgesichert wissen. Zudem lässt er sich das Recht versichern, weiter Privat­aufträge auszuführen, und wünscht sich für Repräsentationszwecke zwei Dienstwagen jeweils in Berlin und Berchtesgaden. 661 Geist/Kürvers 1995, 59. 662 BA R43II/1188, 93, Aktennotiz 15.10.36. – Die in den Erlassen genannten Befugnisse werden stets durch ergänzende Verordnungen präzisiert. Weiterführend zu den Inhalten der Verordnungen: Larsson 1978, 28. 663 BA R43II/1188, 174, Speer an Lammers, 6.10.37. 664 RGBL.I. 1938, 135; RGBL.I. 1940, 1387. 665 RGBL.I. 1937, 1054.

106 | D er G eneralbauinspektor

666 667 668 669

Stephan 1939, 12. Reichhardt/Schäche 2008, 64. Larsson 1978, 29. Aus diesem Grund soll Hitler die Idee geäußert haben, die deutsche Hauptstadt als Neugründung an die Müritz zu verlegen, wovon Speer aufgrund des schlechten Baugrundes abgeraten haben soll (Heim/Jochmann 1980, 404). 670 Aus den Honorarforderungen Speers geht hervor, dass er etwa seit März 1936 mit den Planungen befasst ist (BA R43II/1187a, 142), während Speer nach dem Krieg erstmals im Juni 1936 von Hitlers Plänen erfahren haben will (Speer 1969, 87). 671 BA R4606/61, 116; BA R4606/60, 60; BA R4606/41. ­L ArchB A Pr. Br. Rep. 107/54. – Nur durch die Artikel »der« oder »die« ist es möglich, in den Quellen zu unterscheiden, ob Speer als Person oder die Dienststelle, die Ge-

sondern auch an der Bürokratie und der politischen Schwäche der Machthaber.668 Die Einsetzung der GBI ist nötig, um in dieser Behörde sämtliche Kompetenzen für die rücksichtslose Durchsetzung aller mit der Neugestaltung zusammenhängenden Notwendigkeiten zu bündeln und die Stadt ohne äußere Hemmnisse formen zu können. Doch zeigt sich schon früh, dass die Stadtverwaltung nicht bereit ist, die gewohnten Planungswege und Dimensionen zu verlassen.669 Dies wäre aber unbedingt nötig gewesen, um die Forderungen Hitlers baulich umsetzen zu können. Wenngleich der politische Gehalt der Bauten und der Zusammenhang mit Hitlers Machtstreben durchaus evident ist, liegt der Grund für die Einsetzung der GBI vielmehr im Unwillen der bis dahin planenden Stadtverwaltung und Hitlers daraus resultierender Befürchtung, die Vollendung nicht mehr erleben zu können. Die Planungen für Berlin beschäftigen Speers Privatbüro im Januar 1937 schon mindestens ein Dreivierteljahr.670 Mit der offiziellen Ernennung zum GBI671 wird somit eine schon tätige Organisation legalisiert, die sofort die Arbeit aufnehmen kann.672 Rückwirkend wird für 1936 ein Haushaltsplan mit Laufzeit bis März 1937 aufgestellt, der ab Oktober 1936 insgesamt 148.015,49 RM für die Einrichtung des Dienstgebäudes, Sachausgaben und Personal umfasst.673 Quartier bezieht die GBI in der Akademie der Künste am Pariser Platz 4, die nur geringfügig verändert wird.674 Die Kapazitäten reichen dort allerdings,

obwohl 1938 Erweiterungen vorgenommen werden, bald nicht mehr aus.675 Daher wird zur Aufstellung von Modellen und zur Präsentation von Plänen die Ruine des ausgebrannten Reichstages genutzt.676 Dessen Kapazitäten werden Mitte 1939 durch eine hölzerne Modellhalle zusätzlich erweitert.677 Die vorangegangenen Planungen durch die Stadtverwaltung Berlin finden eindeutig nicht Hitlers Zustimmung. Larsson zufolge liegt der Grund, Speer erst 1936 mit der Neuplanung zu betrauen, darin, dass Hitler sich am Beispiel Nürnbergs erst Gewissheit verschaffen wollte, ob Speer in der Lage sei, seine Vorstellungen umzusetzen.678 Aus einer Besprechung zwischen Finanz- und Luftfahrtministerium geht dagegen hervor, dass Hitler die Neugestaltungen zugunsten von Rüstungsaufgaben bewusst verzögert.679 Möglicherweise ist dies aber nur die offizielle Sprachregelung, während Speer ohne Kenntnis der Stadtverwaltung im Verborgenen schon an der Arbeit ist. Hitler verfolgt zu diesem Zeitpunkt aus nicht offensichtlichen Gründen eine Doppelstrategie und hat noch auf dem Neujahrsempfang 1936 die Stadt Berlin mit der Erstellung von Plänen beauftragt. Als der Staatskommissar für Berlin Julius Lippert diese Entwürfe Ende April präsentieren will, lässt Hitler ihm mitteilen, dass der Vortrag bis Herbst warten könne, womit er schließlich obsolet wird.680 Aufgabe der GBI ist, wie es im Erlass heißt, die Erstellung der Gesamtplanung für Berlin, mit einer würdigen Gestaltung aller wichtigen Straßen, Plätze

neralbauinspektion, gemeint ist. 672 Mit Ortsangabe »Berlin-Charlottenburg« schreibt Speer am 29. Januar 1937 an Goebbels, dass er sich und seine Dienststelle gerne für einen Wettbewerb für ein Neues Funkhaus am heutigen Theodor-Heuss-Platz zur Verfügung stellen würde (BA R4606/29, 57). 673 BA R43II/1187a, 25, Haushaltsplan GBI 1936. 674 Speer und seine drei Planungsreferenten Wolters, Stephan und Schelkes sind mit Blick auf den Pariser Platz im ersten Obergeschoss untergebracht. Adjutant und Chefsekretärin arbeiten dagegen in Zimmern zum Hof und auch ein geräumiger Zeichensaal befindet sich in diesem Geschoss. Im rückwärtigen Flügel sind die Rechts- und Personalabteilung sowie weitere Schreibkräfte platziert. Die ehemaligen Ausstellungsräume werden in Modellsäle konvertiert und für die Aufstellung des großen Kartenwerkes im Maßstab

1 : 4.000 genutzt (Privatbesitz in Deutschland). Das Haus Pariser Platz 3 beansprucht das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition, dem Speer ab 1942 vorsteht, seit 1941 (Pröve 2002, 14 u. 159). 675 BA R43II/1187a, 75, Haushaltsplan GBI 1938. 676 Die Vorbesichtigung der Eingänge zum Wettbewerb Hochschulstadt findet im Reichstag in der großen Wandelhalle statt (BA R4606/66, 160, Eintrag vom 20.6.38). 677 BA R43II/1181b; BA R4606/166; BA R4606/67, 214 u. 240. 678 Larsson 1978, 25. 679 BA R43II/1181, 144, Besprechung Ausbau Flughafen Tempelhof, 18.3.36. 680 BA R43II/1181, Staatskommissar der Hauptstadt Berlin an Hitler, [22.4.1936?]; Aktennotiz Lammers, 14.5.36/11.7.36.

G ründung und B ehörde   |  107

und Gebäude nach einheitlichen Richtlinien [Abb. die Stadtstruktur keinesfalls verborgen. Informiert 59].681 Die Reichshauptstadt soll als Ort baulicher werden die Einwohner durch eine sorgsam ausgeMachtdemonstration des Regimes streng hierar- arbeitete Kommunikationspolitik.685 Aufgrund der chisch betrachtet den unübertreffbaren ersten Rang Verpflichtung von Arnold Fanck und Leni Riefeneinnehmen, ausgezeichnet durch ihre umfassende stahl kann Speer sich jedoch sicher sein, dass durch Neuplanung mit ausgesprochen monumentalen, die Inszenierung im Film der Weg für das Großprodenkmalartigen Großbauten und Gebäuden, die als jekt, wenn nicht geebnet, so doch vorbereitet wird.686 Regierungsgebäude singulär im Reich gewesen wä- Die GBI lanciert zudem Artikel in der Tages- und ren.682 Der in der Nachkriegsliteratur oft verwen- Wochenpresse und initiiert große Ausstellungen im dete angebliche Name »Germania« für Berlin ist aus- In- und Ausland. Auch durch (Dia-)Vorträge werden schließlich bei Henry Picker am 8. Juni 1942 und die Neugestaltungsmaßnahmen publik gemacht.687 dann erst wieder in Speers »Erinnerungen«683 im Speer hält, wie nach dem Krieg auch, diese nie selbst. Klappentext nachweisbar, nicht aber in Archivalien. Hans Stephan verwaltet die Anfragen und überGemäß der Schilderung Pickers bringt Hitler »Ger- nimmt auch einen Großteil der Vorträge.688 Unmania« weniger wegen der Neugestaltung Berlins ins terstützung bekommt er dabei von Speers Adjutant Spiel, sondern um für alle Angehörigen des »germa- Nagel. Da die Direktive gilt, dass nur zu besondenischen Rassekerns«684 ein Verbundenheitsgefühl ren Anlässen und in größeren Abständen über das mit der Hauptstadt zu erzeugen. Thema gesprochen werden solle, sind diese Vorträge Die Planungen der GBI bleiben der Öffentlichkeit allerdings nicht sehr häufig.689 Die Großbaustellen aufgrund ihres Umfangs und drastischen Eingriffs in selbst sollen, wie in Nürnberg, ebenfalls zu Propa­ 681 1.–3. Erlass für einen GBI, Reichsgesetzblatt, 30.1.1937, 103; Reichsgesetzblatt 25.1.1938, 35; Reichsgesetzblatt 24.10.1940, 1387. 1. Erlass faksimiliert bei: Schäche 2008, 51. 682 Abgesehen von dem Faktum der Planung, das diesen Anspruch deutlich belegt, soll Hitler dies in seinen Monologen im Führerhauptquartier so bekundet haben (Heim/Jochmann 1980, 405). 683 Picker 1989, 366; Speer 1969, Klappentext. 684 Picker 1989, 366. 685 In den Erinnerungen behauptet Speer dagegen, dass die Planungen größtenteils geheim gehalten wurden (Speer 1969, 154). – Zur Medienpolitik siehe auch: Kropp 2009, 2014. 686 LarchB Pr. Br. Rep. 107, 352/5. – Siehe auch Kropp 2014, 83. 687 BA R4606/7. 688 Hans Friedrich Walter Stephan wird am 2. Juni 1903 in Dramburg/Pommern geboren, heiratet am 9. April 1930 in Berlin Margarete Lehmann (BA RK 20559, Fragebogen Reichsschrifttumskammer, o. D.). Beide gehören zu den »Alten Parteigenossen«, da sie schon 1931 bzw. 1932 eingetreten sind (BA OPG/J 0157, Stephan an oberstes Parteigericht, 14.10.34. – Mitgliedsnummern 830 437 und 1 257 389). Margarete Stephans nicht rein arische Abstammung führt zum Parteiausschluss Stephans, der durch Intervention Hitlers rückgängig gemacht wird. Er verteidigt sich, sich seit 1929 aktiv für die Partei eingesetzt zu haben, und betont schon in dieser frühen Zeit, trotz mehrfacher Ent-

108 | D er G eneralbauinspektor

lassungsdrohungen, sich »… als Angestellter innerhalb der von einem marxistischen Stadtbaurat geleiteten und jüdisch und marxistisch verseuchten Hochbauverwaltung der Stadt Berlin aktiv an dem Aufbau der ersten nationalsozialistischen Zelle beteiligt …« und dabei auch innerhalb des Bekanntenkreises Mitglieder geworben zu haben. Als Mitglied des Kampfbundes für Deutsche Kultur und NSDAP-Mitglied sei er mehrfach als Schulungsleiter und Vortragsrender aufgetreten, als Blockwart tätig gewesen und schrieb Artikel in den »NS-Monatsheften« (BA OPG/J 0157). In der Frühzeit der GBI leitet er die Bearbeitung der »Bauvorhaben Reichsministerien«, erledigt Wettbewerbsvorbereitungen und ist neben der Führung der »zentralen Baukartei« auch noch mit Zeichenarbeit betraut (BA R4606/65, 380, undatierter Geschäftsplan – wohl 1937). Später ist er als Abteilungsleiter zuständig für Wohnungsplanung (BA R4606/29, 9, Speer an OB Berlin, 26.7.37). Im Krieg hat er zusammen mit einigen norwegischen Architekten den Wiederaufbau der norwegischen Städte geleitet (BA N1340/63, Stephan an Speer, 14.1.70). Im weiteren Kriegsverlauf ist er im RMRUK beschäftigt und neben seiner dortigen Tätigkeit leitet er die Unterkunftsbauten für Rüstungsarbeiter im Rahmen der Abteilung Rönneburg (BA R4606/55, Soldatenbrief der GBI, 04.1943). Nach dem Krieg ist er Senatsbaudirektor in Berlin und dort maßgeblich an der Interbau 1957 beteiligt. 689 BA R4606/7, 190. – Hinweise darauf, dass außer Stephan und Nagel auch andere höhere Mitarbeiter der GBI Vorträge halten, gibt es nicht.

59 Albert Speer, Berlin, Modell der Neugestaltungsplanung nach dem Planungsstand von 1942. Im Vordergrund der Südbahnhof, am oberen Bildrand, am Ende der Nord-Süd-Achse, der Große Platz mit der Großen Halle

G ründung und B ehörde   |  109

ganda­zwecken genutzt werden, weswegen Aussichtsplattformen geplant sind.690 Neben Artikeln in der Presse informiert ein extra aufgelegtes dünnes Bändchen, das sich an die Allgemeinheit richtet, über die Planungen. Der Öffentlichkeit werden darin auch die Gründe für die Baumaßnahmen dargelegt. Hans Stephan argumentiert besonders mit allgemeinen städtebaulichen Zwängen, die aus dem schnellen Wachstum der Stadt im 19. Jahrhundert resultieren, und erst in zweiter Instanz mit ideologischen Vorstellungen Hitlers.691 Damit nimmt er ein Argumentationsmuster vorweg, das Speer nach dem Krieg in seinen »Erinnerungen« wieder aufgreift.692 Durch die überlegte und ausgefeilte Öffentlichkeitsarbeit sind die Dimensionen der Planungen in weiten Teilen der Bevölkerung bekannt und auch die Notwendigkeit des Abrisses ganzer Straßenzüge geht aus den publizierten Plänen zweifelsfrei hervor.693 Mit der Einrichtung der GBI für Berlin wird der Stadtverwaltung ihr Recht auf die Stadtplanung genommen. Sie erlaubt Hitler, die Gestaltung der Reichshauptstadt nach Belieben zu beeinflussen.694 Gänzlich neu ist dieser Umstand für die Planer der Stadt Berlin aber nicht, denn auch schon vorher, direkt nach der »Machtübernahme« durch die Nationalsozialisten, hat sich Hitler intensiv in die Stadtplanungen eingeschaltet und Bauvorhaben ohne juristische Grundlage seine Genehmigung versagt.695 Speers Kompetenzen sind umfassend. Dem Arbeitsministerium gegenüber präzisiert er seine Befugnisse  : »[Daher] teile ich Ihnen nochmals mit, dass bei allen die Reichshauptstadt betreffenden städtebaulichen Fragen ich mich dann als allein zuständig betrachte, 690 691 692 693

BA R4606/58,18. Stephan 1939, 12–13. Speer 1969. Stephan 1939, Abbildungsteil am Ende des Bandes. – Auch in Stadtplänen sind die Maßnahmen eingetragen (Silva-Stadtplan Berlin, Ausgabe B. Maßstab 1 : 23.000. Verlag für Heimatliche Kultur Willy Holz, 1938). 694 Larsson 1978, 28. 695 Hitler verhindert die Errichtung einer Kongresshalle bzw. eines Philharmonie-Ersatzbaus unter den Linden und

110 | D er G eneralbauinspektor

wenn ich, wie im Erlass […] vom 30.1.37 vorgesehen, mich in die städtebauliche Maßnahme entscheidend einschalte. Es kann sich hierbei unter anderem um die Festlegung von Baufluchtlinien, um Änderung von Bauzonen, um die Festlegung von Bauplätzen für öffentliche und private Bauten (auch Wohnungsbauten), um die Festlegung neuer, oder der [sic] Änderung vorhandener Verkehrslinien handeln.«696 Damit sind die geltenden Baugesetze praktisch außer Kraft gesetzt. Auch für die privaten Bauherren hat dies erhebliche Konsequenzen, da bei allen größeren Bauvorhaben mit über 50.000 Kubikmeter umbauten Raumes die GBI den Bauplatz bestimmen kann.697 Die Stadt- und Landesplanung in Berlin wird mit Einrichtung der GBI de facto ausschließlich Speer übertragen. Den Versuch, zumindest die reinen Wohngebiete aus der Verantwortung des GBI zu lösen, kontert dieser, indem er behauptet, dass nur er selbst über die geplanten fundamentalen Veränderungen der Gesamtstruktur der Stadt im Bilde sei und damit die Wirtschaftspläne der Stadt Berlin hinfällig seien.698 Der Kompetenzeingriff geht so weit, dass die Stadt Berlin nicht einmal mehr Herr über ihre eigenen Bauvorhaben wie Verwaltungsgebäude und sonstige öffentliche Einrichtungen ist. Das Korsett, innerhalb dessen Neubauten errichtet werden können, ist eng. Zur Umsetzung seiner Planungen muss ein Bauherr schon vor dem Erwerb eines Grundstückes einen Entwurf im Maßstab 1  : 500 und in wichtigen Fällen ein Übersichtsmodell vorlegen. Nach erfolgter Freigabe des Bauplatzes müssen zusätzlich ein Modell und ein Entwurf im Maßstab genehmigt stattdessen ein Gebäude für den Reichsfremdenverkehrsverband (BA R43II/1181, 35, Aktenvermerk 26.10.36). Schon im Februar 1933 schaltet sich Hitler in die Diskussion um die Bebauung des Parks des Prinz-Albrecht-Palais ein und spricht sich gegen diese aus (BA R43II/1181, 43 u. 56). 696 BA R4606/29, 9, Speer an Reichsarbeitsministerium, 19.5.37. 697 RGBL.I. 1938, 135, Erste Ausführungsverordnung. 698 BA R4606/58, 290, Protokoll 10.5.37.

1  : 100 eingereicht werden. Anschließend ist auch den Aufgaben, die Nähe zu Hitler als dem eigentlinach der grundsätzlichen Genehmigung eng mit der chen Machtfaktor und die Umstellung der Tätigkeit GBI zusammenzuarbeiten.699 im Krieg wandelt sich die GBI mehrfach und kann Speer oktroyiert der Stadtverwaltung unmissver- nicht als statisches Gebilde betrachtet werden. Zuständlich seine Bedingungen auf und macht sie ein- dem entfernt sie sich mit der Annahme weiterer schließlich des Oberbürgermeisters zu seinem Aus- Zuständigkeiten immer mehr von den ursprüngliführungsorgan.700 Grundsätzliche »Wünsche und chen Aufgaben einer Baubehörde. Der Wandel der Anregungen, sowie Anweisungen« werde er deshalb internen Organisation ist verschiedenen Übersichten gleich dem »Oberbürgermeister der Reichshaupt- zu entnehmen. Der letzte ermittelbare Stand dieser ­ ebruar stadt Berlin zuleiten«.701 Gleichzeitig behält er sich stetig aktualisierten Aufstellung ist der vom F aber vor, direkt mit den untergeordneten Fachrefera- 1942. Speers Betreiben, die Dienststelle klein zu ten zu kommunizieren. Speer will sich 1937 zusätz- halten, ist durch die ständig wachsenden, auch plalich die eingespielten Verwaltungsmechanismen der nungsfernen Zuständigkeiten zum Scheitern verurverschiedenen Baubehörden zunutze machen und teilt. Der Haushaltsplan sieht für 1937 25 Beschäfplant, neben der Stadt Berlin auch die Reichsbau- tigte vor, darunter nur 5 Architekten.704 1938 sind direktion und die Preußische Bau- und Finanzdirek- schon 87705 Mitarbeiter beschäftigt, womit sich in tion für seine Großbauten heranzuziehen, obwohl weniger als zwei Jahren der Personalstand gegendie Preußische Baudirektion für Bauten des Reiches über dem Anfangsbestand mehr als verdreifacht hat. nominell gar nicht zuständig ist. Die Baubehörden Schelkes gibt für 1939 91 Mitarbeiter an, darunter 28 sollen sich mit Kostenvoranschlägen, Bauleitung und Architekten, 22 Techniker und 41 Büroangestellte,706 Abrechnung befassen, während der Entwurf bei ihm, obschon in diesem Jahr besonders viel geplant wird. mit letzter Entscheidung durch Hitler, verbleiben Das extreme Wachstum im Krieg wäre damit durch solle.702 Hitler ist es, so wird immer wieder deutlich, die Übernahme weiterer Aufgaben bedingt. Eine dessen Genehmigung über allen Entscheidungen der Übersicht aus dem März 1941 [Tabelle 1] belegt GBI steht. Speer erklärt daher auch den Referenten einerseits die Verteilung des Personals, andererseits des Arbeitsministeriums, »dass er aber unter keinen neben der großen Mitarbeiterzahl auch den geringen Umständen anerkennen kann, dass über Pläne, die Stand der Einberufenen mit nur 62 von 814 Beschäfer mit dem Führer bereits durchgesprochen hat und tigten.707 Der Personalhöchststand dürfte gegen Jahresende [die] also vom Führer genehmigt sind, in Diskussion über die Genehmigungsfähigkeit mit dem Arbeits- 1942 erreicht worden sein. Allein die Planungsstelle umfasst zu diesem Zeitpunkt 202 Mitarbeiter, das ministerium eintreten kann.«703 Die Struktur und sämtliche Aufgaben der GBI Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft über 746 zu erörtern, wäre Aufgabe einer verwaltungshistori- Mitarbeiter und die Generalbauleitung ihrerseits schen Untersuchung. Bedingt durch ihre wachsen- über 452 Angestellte und Arbeiter. Die insgesamt 699 BA R4606/19, 98, Speer an OB Berlin, 10.12.37. – Speer legt in seinem Schreiben explizit Wert darauf, dass der Stadtkämmerer angewiesen wird, dass Mittel für Bauvorhaben erst nach seiner Genehmigung erteilt werden dürfen. 700 Ein Beispiel für die Art und Weise gibt ein Schreiben Speers vom 26.7.37, in welchem er dem Stadtpräsidenten von Berlin vier Punkte darlegt und ihn unmissverständlich auffordert, diese an die zuständigen Sachbearbeiter weiterzuleiten (BA R4606/29, 9, Speer an OB Berlin, 26.7.37). 701 BA R4606/19, 98, Speer an OB Berlin, 10.12.37.

702 BA R4606/58, 214. 703 BA R4606/58, 288, Protokoll 10.5.37. 704 Ansonsten handelt es sich um Hilfspersonal wie Vermessungstechniker, Schreibkräfte und Telefonisten sowie acht Arbeiter als Reinigungskräfte, Pförtner, Fahrer und Boten (BA R43II/1187a, 21, Haushaltsplan 1937). 705 BA R43II/1187a, 75, Haushaltsplan GBI 1938. 706 Privatbesitz in Deutschland, Vortrag vom 28.02.1985. 707 Archivkopie, vermutlich BA, ohne Herkunftsangabe, Privatbesitz in Deutschland.

G ründung und B ehörde   |  111

Abteilung

Techn. Angest.

Verw. Angest.

Stenotyp.

Angest. insges.

Dr. Fränk

1

10

8

11

-

Schelkes

30

5

3

35

8

Engel und Krocker Stephan

Dr. Wolters

Clahes Bohr

16 20

10 2 8

4 2 4

1

10

35

21

102

18

Rechtsabt. Wohnungsabt. Räumungsk. Lg. Spandau

1 2 -

10 23 11 30

4 8 3 4

10 24 13 30

2 3 1 8

-

18

3

18

-

Hille

13

Hoffmann

6

Rönneburg Hauptamt II

Jebens O.K.H.

Dr. Winkler Weber

Freiberg

54 48

2

13

2

1

10 3

8

19 12 3 3

16 2 3 1 5

16

13 7 6 1 1 5 2 1 1 2 9

79 68 14 6 4

26 5 8 6

12 21

Schälfrauen

17

Küchenfrauen

6

11 8

7

17

Anmelder

9

24

Arbeiter Heizer

10

48

43

Wächter Boten

2

2

42

10

Fahrer

2

11

37

7

Liebermann

15

Barackenwärt.

Putzfrauen

5

28

5

Jelkmann

16

2

Köche

3

282

5

Bonatz

42

77

Sanitäter Wächter

2

73

3

Jaeckel

41

15

8

260

2

Dr. Zeiger

77

5

77

22

49

Helmeke

8

Lager Spandau

6

28

67

-

Wochenlöhner

3

18

Hauptamt I

Behrend

Wilhelmi

-

Davon eingez. oder abkommandiert

8 Insgesamt

3

117

165

für folgende Häuser:

2 -

Pariser Platz 4

-

Berliner Str. 4-9

-

O.K.H. ( 2 Häuser)

Pariser Platz 6 und 6A

-

Krolloper

1 -

Grunewald-Büro

-

Am Karslbad

Läger:

-

Messedamm

1

Vandalenallee

Bessemerstrasse

Hauptamt III

141

124

50

265

16

Zusammen

230

419

144

649

62

Wochenlöhner

[…].3.1941

165

Potsdamer Strasse

814

Tabelle 1  : Abschrift Aufstellung der Beschäftigten in der GBI im März 1941708

708 Archivkopie, vermutlich BA, ohne Herkunftsangabe, Privatbesitz in Deutschland. 709 Archivkopie, vermutlich BA, ohne Herkunftsangabe, Privatbesitz in Deutschland. Übersicht über die Gliederung der Dienststellen des GBI, 9.2.1943. 710 Archivkopie, vermutlich BA, ohne Herkunftsangabe, Privatbesitz in Deutschland. Dienstanweisung (13/1940). 711 BA R43II/1187a, 99, Haushaltsplan GBI 1938; BA R43I-

112 | D er G eneralbauinspektor

I/1187a, 106, o. A. an Finanzminister, 1.12.38. 712 Aufstellung der Planungsstelle 1938. Archivkopie ohne Herkunftsangabe, vermutlich BA. Privatbesitz in Deutschland. – Ein Organigramm der Planungsabteilung gibt es bis zum Schluss nicht. Der gelegentlich publizierte »Organisationsplan« wird 1941 von der »Fachgruppe Bauwesen e.V.« im NS-Bund deutscher Technik erstellt. Er enthält viele Fehler und durfte daher nicht veröffentlicht werden (Kalen-

rund 1.400 Personen sind zum Großteil mit Ver- ihrer Bereiche agieren die Angestellten weitgehend waltungs- und Kriegsaufgaben befasst. Der Anteil eigenverantwortlich, Speer greift nur selten ein.713 entwerfender Architekten ist in großen Büros immer Er delegiert viele Arbeiten an freie Planer und arbeirelativ gering. Dementsprechend sind als kreatives tet in der Planungsstelle mit einem kleinen eigenen Personal, das direkt im Planungsprozess eingebun- Stab nur die Grundlagen aus. Diese von Speer als den ist, nur die 172 Angestellten der Planungsstelle Erfolgskonzept betrachtete Arbeitsweise empfiehlt zu benennen, denen noch 30 Arbeiter zur Seite ste- er auch dem Hauptamt der Nationalsozia­listischen hen.709 Deutlich wird, dass mit der Ausweitung der Volkswohlfahrt (NSV), das sich mit der Einrichtung Aufgaben auf Kriegsrüstung und Kontingentfragen einer Bauabteilung befasst. Er rät auch hier zu eiüberwiegend juristisches und Verwaltungspersonal nem kleinen Stab und zur Vergabe von Aufträgen angestellt worden ist. Durch das Anwachsen der an Privatarchitekten, um sich nicht in Einzelheiten Dienststelle bis zum Beginn des Krieges muss Speer, zu verlieren. Als mustergültig bezeichnet er die Bauder sich fortwährend gegen Bürokratisierung wehrt, organisation der Hitlerjugend (HJ).714 Wie im Priam 25. November 1940 eine Geschäftsordnung er- vatbüro verfährt Speer auch in der GBI. Konkrete lassen.710 Neben den Personalstatistiken verdeutlicht Ausführungsplanungen werden somit von ihm nie auch der Haushalt das Wachstum der GBI. Umfasst ausgearbeitet, ebenso wenig von seinen leitenden Arer für das erste Halbjahr 1938 noch 148.015,49 RM, chitekten. Baureif weiter bearbeitet bzw. ausgeführt wächst analog zur Mitarbeiterzahl auch dessen Vo- werden die Entwürfe entweder von den der Dienstlumen rasant auf eine Höhe von 1.185.000 RM an stelle angegliederten Bauleitungen oder durch Privat­ und beträgt damit mehr als das Doppelte des bewil- architekten. Speers Architekten, vor allem Stephan, ligten Haushaltssatzes von 445.000 RM.711 Schelkes und Wolters, übernehmen die Vorprüfung der Entwürfe und kommunizieren mit den Architekten.715 Erst bei grundsätzlichen Fragen wird Speer A r be i t s w e ise eingeschaltet, der zunächst auch ausschließlich die Auswahl der Künstler vornimmt. Als er ab 1942 Den Wandel der GBI von einer Art »Baubüro für die mit Kriegsaufgaben befasst ist, vergeben Wolters, Reichshauptstadt« zu einer Baubehörde zeigt auch Stephan und Schelkes die Aufträge an Architekten, der Vergleich der Aufgaben der Mitarbeiter. Direkt Maler und Bildhauer.716 nach der Gründung müssen sich auch die HauptabDie Leistungsfähigkeit der GBI resultiert auch teilungsleiter noch mit Zeichenarbeit befassen.712 aus der Personalzusammensetzung. Den sehr jungen Diese Tätigkeit nimmt zugunsten reinen Bauma- Teams, die mit der entsprechenden Macht zur Durchnagements immer mehr ab, bis im Krieg höhere ad- setzung ausgestattet werden, gelingt es trotz der teils ministrative Aufgaben überwiegen. Ohne dass Speer unberechenbaren Bauherren, erhebliche Planungses offiziell so benannt hätte, arbeitet er in der GBI leistungen zu vollbringen. Schelkes überliefert für nach dem später auch in der Rüstung eingesetzten die Dienststelle den Spitznamen »Speers Kindergar»Prinzip der Selbstverantwortlichkeit«. Innerhalb ten«, da die Korrespondenzpartner der GBI-Angeder 2014, 171 FN 5). 713 BA R4606/58, 234, Protokoll vom 10.6.37. – Einem Architekten, der bislang bei der Bauleitung der Luftwaffenbauten beschäftigt ist und Speer um eine Stelle in der GBI bittet, teilt Speer mit: »Ich mache aber darauf aufmerksam, dass Ihr Einsatz bei diesen Bauleitungen nur von Piepenburg und Kühnell selbst bestimmt werden kann, denn Sie werden einsehen, dass es mir nicht möglich ist, mich in

deren interne Angelegenheiten zu mischen, umso weniger, als diese auch die volle Verantwortung für ihre Bauleitung haben.« (BA R3/1573, 5, Speer an Böddeker, 29.8.40). 714 BA R4606/58, 234, Protokoll vom 10.6.37. 715 Siehe hierzu z. B. LArchB a Pr. Br. Rep. 107/232-2, Protokoll Nr. 189 vom 3.11.38. 716 LArchB Pr. Br. Rep. 107/124-2, Hettlage an [o. Empfänger], 2.6.42.

A rbeitsweise   |  113

hörigen häufig 15 bis 20 Jahre älter als diese sind.717 Dem Personal wird viel abverlangt. Unisono wird berichtet, dass die Arbeitszeit oft bis spät in den Abend ausgedehnt wird, da eilige Aufträge zu bearbeiten sind, oder aber das Pensum insgesamt sonst nicht zu bewältigen ist.718 Dennoch ist eine Tätigkeit in der GBI nicht unattraktiv. Durch die Möglichkeit, außergewöhnlich hohe Gehälter zu zahlen, kann Speer die fachliche Elite verpflichten.719 Neben der Beschäftigung der Etablierten baut er sukzessive junge bzw. weniger bekannte Architekten auf, die gezielt durch Wettbewerbe ausgewählt werden.720 Speer bindet die Privatarchitekten an die GBI, indem er einige dazu verpflichtet, nur nach Rücksprache mit ihm neue Aufträge anzunehmen.721 »[…] um ihnen eine gewisse halbamtliche Funktion zu geben«, ernennt er spätestens ab 1941 einige Architekten zu »Beauftragten des Generalbauinspektors«.722 Diesen wird eine »in einem engen Rahmen«723 gehaltene Geschäftsordnung übermittelt. Offenbar dient diese im Rahmen des Speer’schen Selbstverantwortungskonzepts eher als förmlicher Hintergrund und wird im Einzelfall weniger streng ausgelegt. Speer versichert daher dem um seine Selbstständigkeit fürchtenden Friedrich Tamms, dass trotzdem alle bestehenden Absprachen in Kraft blieben. Aufgrund ihres engen persönlichen Verhältnisses würden aus gelegentlichen Weisungen von den Hauptabteilungen der GBI auch keine »Unzulänglichkeiten« entstehen.724 Speer stellt gegenüber den beauftragten Architekten

zwar klar, »selbstverständlich werden Sie alle diese Arbeiten in ständiger Fühlungnahme mit mir bzw. meiner Dienststelle durchführen«,725 doch obliegt es den Architekten, den jeweils beauftragten Planungsstand (Lageplan, Bebauungsplan, Bauprogramme etc.) selbstständig zur Präsentationsreife zu bringen. Der Aufwand, der für die Planungen getrieben wird, zeigt das Bewusstsein für die große Verantwortung, das Gesicht Berlins für die nächsten Jahrhunderte zu prägen. Im Bestreben, diese Aufgabe entsprechend der ihr damals zugemessenen Bedeutung zu lösen, entwickelt sich ein Perfektionismus mit erheblichen Auswirkungen. Um als Voraussetzung für die Planungen einen Überblick über die Stadt zu erhalten, wird erstmals ein laufend aktualisiertes Kartenwerk im Maßstab 1  : 4.ooo für den ganzen Bereich innerhalb des Berliner Autobahnringes erstellt.726 Zudem erlebt der Bau von Architekturmodellen in jedwedem Maßstab bis hin zur Originalgröße einen enormen Aufschwung.727 Die Planungsprozesse in der GBI laufen auch nicht ohne Anregungen und Vergleiche ab. Die Akten und Protokolle belegen, dass genaue Untersuchungen zur Stadtplanung angestellt werden, in denen die damals modernsten Verkehrssysteme eine wichtige Rolle spielen. Architekten und Stadtbeamte unternehmen zu diesen Zwecken diverse Auslandsreisen nach Italien, Paris728 und in die Vereinigten Staaten.729 Schelkes berichtet von einer Reise mit Speer nach London und einer weiteren mit Kollegen zur Weltausstellung nach Pa-

717 Privatbesitz in Deutschland, Vortrag vom 28.02.1985. 718 Privatbesitz in Deutschland, Dokument o. T./o. D. 719 Reichhardt/Schäche 2008, 53. – Die Höhe der Gehälter wird deutlich, wenn gegenübergestellt wird, dass Wolters, Schelkes und Stephan 1937 monatlich zwischen 700 und 800 RM verdienen, während die Sekretärinnen, Fahrer und Telefonisten mit 200 bis 300 RM auskommen müssen. Putzfrauen, Boten und Pförtner liegen mit nur 120 bis maximal 200 RM noch darunter (BA R43II/1187a, Haushaltsplan 1937). Die Gehälter der Hauptabteilungsleiter verdoppeln sich bis 1941 auf rund 1.500 RM monatlich. Die Tätigkeit der Hauptamtsleiter wird gar mit bis zu 3.000 RM im Monat vergütet (Archivkopie ohne Herkunftsangabe, vermutlich BA, Privatnachlass Schelkes, Auszugsweise Zusammenstellung aus den Gehaltslisten […] Gehälter über

1.000 RM). Neben moderaten Steigerungen um etwa 50 RM im Monat gegenüber 1937 erscheint in einer Aufstellung für 1938 interessant, dass auch der Arzt Karl Brandt, ein enger Freund Speers, mit 800 RM monatlich auf der Gehaltsliste der GBI steht (BA R43II/1187, 79, Nachweisung der Gehaltsbezüge […], 27.1.38) Hierzu zählen: Hans Dustmann, Hans Mallwitz, Franz Böhmer, Peter Koller, Friedrich Tamms. Diese Abmachung wird jeweils in den Architektenverträgen festgehalten und bezieht sich auf jene Architekten, die überwiegend für ihn tätig sind, wie Pinnau, Rimpl, Kreis u. a. (LArchB A Pr. Br. Rep. 107/55, Vermerk Hettlage, 24.1.41). BA R4606/25, Speer an von Schirach, 20.6.41. BA R4606/25, Speer an Tamms, 8.8.41. Die Geschäftsordnung ist im Akt nicht enthalten.

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ris. Bei letzterer gilt das Interesse explizit der Pariser Stadtplanung. Deswegen wird Kontakt mit der dortigen Stadtverwaltung aufgenommen, die ihre Pläne aber erst nach der Zusicherung freigibt, im Gegenzug auch über die Berliner Planungen informiert zu werden.730 Trotz derartiger Recherchen und Kontakte kommt es jedoch nicht zu einer engeren Zusammenarbeit mit ausländischen Städten.

Kon t rov e r se n u m di e N eug e s ta lt u ng – di e S ta d t Be r l i n g e g e n di e GBI Konflikte und Meinungsverschiedenheiten zwischen GBI und der Stadt Berlin prägen die gesamte Planungstätigkeit. Der Staatskommissar der Hauptstadt Berlin, Dr. Julius Lippert, hat große Schwierigkeiten mit Speers Neuplanung, die er nicht unterstützen will. Direkt von Speer am 14. Juli 1940 darüber informiert, verfügt Hitler daher, Lammers müsse Lippert sofort absetzen.731 Hauptgrund für diesen Konflikt sind jedoch nicht etwa die Verwaltungsfragen, um die es vordergründig geht. Zwischen den Zeilen ist ein Hauptproblem Speers zu erkennen, der stets eine mangelnde Anerkennung seiner Leistungen zu erkennen glaubt und eine solche entsprechend einzufordern versucht. Hinzu kommt seine Angst, den späteren Ruhm mit Dritten teilen zu müssen. Die Absetzung Lipperts bedeutet für Speer jedoch kein Ende der Widerstände. Auch mit dem Nach724 BA R4606/25, Speer an Tamms, 8.8.41. 725 BA R3/1574, 20, Speer an Stadtbaurat Bräuning, 2.12.1941. 726 Kartenwerk BA R58/8031. – Insgesamt nehmen alle Karten zusammen eine Fläche von 160 m² ein. In einer Vorrichtung sind die 200 Karten zu je 10 Stk. auf Rahmen aufgezogen, sodass schnell ein Überblick über die zu planenden Gebiete gewonnen werden kann. 727 Siehe weiterführend: ›Exkurs – Modelle als visuelle Entscheidungshilfe für Hitler‹. 728 Stephan übermittelt Speer am 24.6.39 zwei »Bände« über die Studienreise nach Paris (BA R4606/22, 389). 729 BA R4606/58; LArchB E Rep. 400–19/81, Fotoalbum mit Fotos aus Manhattan, Chicago und Washington, datiert 1938.

folger, Ludwig Steeg, gerät er bezüglich der Umbaupläne und der seiner Meinung nach »kitschigen« Ausstattung der Stadt mit Kunstwerken in Konflikt.732 Speer entwickelt gegenüber der Stadt Berlin und insbesondere gegenüber Steeg eine besondere Förmlichkeit. Anstelle der eigentlich gepflegten Gewohnheit der unbürokratischen mündlichen Klärung von Differenzen besteht er ausdrücklich auf einer schriftlichen Beantwortung seiner Schreiben.733 Schon im Dezember 1941 schwelt der Konflikt mehr oder weniger offen.734 Speer beklagt sich bei Steeg, nur »durch den Anstand der SS« von Vorwürfen gegen seinen Mitarbeiter erfahren zu haben, aber auch über die grundsätzlich mangelnde Loyalität der Stadt ihm gegenüber.735 Anschließend stellt er die eindeutige Forderung  : »Ich kann von einem Bürgermeister, der der Neugestaltung treu verpflichtet ist, erwarten, dass er sich […] vor mich und meine Aufgabe stellt und nach aussen eindeutig nicht nur seine HIlfsbereichtschaft [sic] sondern auch seine Verehrung für meine durch ihn durchzuführenden Pläne kundtut.«736 Im weiteren Verlauf des Schreibens droht Speer, noch während des Krieges ein eigenes Amt für Tiefbaufragen zu gründen, wenn die Stadt ihm und seinen Beauftragten gegenüber nicht kompromissbereiter würde. Er resümiert schließlich mit dem Vorwurf  :

730 Privatbesitz in Deutschland, Vortrag vom 28.02.1985. 731 Abdrucke der Dokumente bei Breloer/Zimmer 2006, 69– 73. 732 Archivkopie, vermutlich BA, ohne Herkunftsangabe, Privatbesitz in Deutschland, Speer an Steeg, 18.9.41. 733 Aktennotiz, Anruf Bürgermeister Steeg am 16.1.42, 17:15, Kopie im Privatbesitz in Deutschland aus BA R4606/3985. 734 Steeg spricht offen aus, dass in das gegenseitige »Verhältnis des Vertrauens irgendwie ein Mißklang sich eingeschlichen habe.« BA R4606/3985, Steeg an Speer, 29.12.41. 735 BA R4606/3985, Entwurfsskizze Speer an Steeg, 10.12.41. 736 BA R4606/3985, Entwurfsskizze Speer an Steeg, 10.12.41.

Kontroversen um die Neugestaltung – die Stadt Berlin gegen die GBI  |  115

»Es mag vielleicht der Tradition der Berliner Stadtverwaltung entsprechen, die Neugestaltung nicht als wünschenswert zu sehen. Ich erinnere nur an die Zeit, in der der Führer drei Jahre lang versucht hat, zusammen mit der Berliner Stadtverwaltung seine Pläne zu entwickeln  ; bis er erkennen musste, dass sowohl mangelnde Begeisterungsfähigkeit gepaart mit dem Unvermögen planend den Ideen des Führers zu folgen, in ihm nur den Entschluss lösten diese Arbeiten abzubrechen.«737 Speer sieht sich Kraft seines Amtes als vorgesetzte Dienststelle der Stadtverwaltung mitsamt ihrem Bürgermeister, die sich zudem »glücklich schätzen [sollte, ihm] durch ihre Hilfe bei der Durchführung dieser Aufgabe dienen zu können«.738 Den Konflikt prägt aber auch eine wiederkehrende persönliche Komponente, nämlich Speers Befürchtung, verkannt und in seiner Führungsposition in Frage gestellt zu werden. In einem weiteren Schreiben teilt er Steeg mit  : »Wir wissen Beide, dass die Neugestaltung der geschichtlich wichtigste Einschnitt der Reichshauptstadt sein wird. Ihre Bedeutung ist einmalig. – Ich weiss aber auch, ohne unbescheiden zu sein, dass ausser mir keiner dazu fähig wäre, diese Leistung sowohl künstlerisch als auch organisatorisch oder auch nur machtmässig durchzuführen.«739 In einer Aktennotiz vom 24. Januar 1942 geht Speer noch weiter. Er führt zusätzlich Gründe dafür an, warum nur ihm selbst die Aufgabe der Neugestaltung Berlins obliege. Den Grund der Auseinandersetzungen sieht er darin, dass Steeg die Angelegenheit als eine vom Führer gestellte Aufgabe betrachte, die er in Zusammenarbeit mit dem GBI zu erledigen 737 738 739 740 741 742

BA R4606/3985, Entwurfsskizze Speer an Steeg, 10.12.41. BA R4606/3985, Speer an Steeg, 7.1.42. BA R4606/3985, Speer an Steeg, 7.1.42. BA R4606/3985, Aktenvermerk zum Brief Steeg, 24.1.42 BA R4606/3985, Speer an Steeg, 8.1.42. Goebbels/Fröhlich 1987–2008, Bd. II/3: 1942. 1–3, 162, Eintrag vom 24.4.42. 743 BA R4606/3985, Speer an Steeg, 23.1.42. 744 Am 27. April 1920 beschließt die Preußische Landesver-

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habe. Speer hingegen beharrt darauf, dass Hitler ihm die Planungen zur alleinigen Durchführung übertragen habe und Steeg nur als ausführendes Organ zur Mitarbeit aufgefordert sei.740 Goebbels kommentiert die Affäre in seinem Tagebuch dahingehend, dass Speer deutlich gekränkt sei und sich ständig eingebildeten oder wirklichen Akzeptanzproblemen ausgesetzt sehe. Gleichzeitig glaube er sich in seiner Person und seiner Leistung für die Stadt Berlin nicht ausreichend gewürdigt.741 Angriffe versucht Speer in der Regel zu parieren, indem er damit droht, Hitler zu informieren, oder diesen tatsächlich einschaltet. Da lange ein sehr enges Verhältnis zwischen beiden besteht, zögert er nicht, den Reichskanzler zur Durchsetzung seiner Ziele einzuschalten – offenbar bisweilen auch in weniger wichtigen Angelegenheiten. Goebbels vermerkt hierzu  : »Mit Speer habe ich eine sehr ausgedehnte Aussprache über die Führung der Reichshauptstadt. Er fühlt sich etwas benachteiligt dadurch, daß man ihm in der Stadtverwaltung einige Schwierigkeiten macht und seine Arbeit auch nicht in genügender Weise respektiert. Ich werde das abändern. Auf der anderen Seite verbitte ich mir aber, daß er mit jeder Kleinigkeit zum Führer hinläuft und damit die Berliner Stadtverwaltung zu kompromittieren versucht. Er sieht das ein und wird sich in Zukunft über diese Fragen nur mit mir in Verbindung setzen.«742 Die Unstimmigkeiten zwischen den Kontrahenten werden offenbar nie beigelegt. Bei allen Meinungsverschiedenheiten sind sich beide einig, dass für solche Auseinandersetzungen kaum der richtige Zeitpunkt sei und es sich in der derzeitigen Situation sammlung das »Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin«, das am 1. Oktober des gleichen Jahres in Kraft tritt. Die Städte Berlin, Charlottenburg, Schöneberg, Lichtenberg, Köpenick, Neukölln, Wilmersdorf und Spandau werden einschließlich von 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken zur nach der Einwohnerzahl drittgrößten und flächenmäßig sogar größten Stadt der Welt (Materna 2003, 156–157). Ein Zusammenschluss wurde lange durch die konservative Haltung des Staates Preußen verhindert,

doch um einen mehr rhetorischen Streit handele.743 sondern nur durch den Nahverkehr mit Stadt- und Es zeigt sich aber an diesem Fall, wie stark Speer Ringbahn verbunden.745 trotz seines offiziellen Amtes von Hitler abhängig Versuche zur Behebung dieser Mängel werden ist. Die persönliche Bindung zu diesem ist zwar eine 1908–1910746 mit dem Wettbewerb Groß-Berlin gute Machtbasis, aber kein garantierter Schutz vor und in der Folgezeit durch die städtischen Behörden Gegnern. Für Speer ist es daher wichtig, beweglich unternommen, bleiben aber weitgehend erfolglos. zu bleiben und auf die sich verändernden Macht- Als übergreifende Lösung schlägt der Architekt Marstrukturen zu reagieren. tin Mächler in einer Synthese verschiedener Ideen noch vor Ende des Ersten Weltkrieges eine NordSüd-Achse vor, die durch eine Neuordnung der EiAus w i r k u ng de r N eug e s ta lt u ng au f di e senbahn innerhalb des Stadtgebietes möglich werden S ta d t pl a n u ng i n Be r l i n soll [Abb. 60].747 Wann und wie bei Hitler der Gedanke entstanden Die Durchführung von Speers Plänen hätte einen ist, in Berlin eine Prachtstraße als Nord-Süd-Achse schweren Eingriff in das Gefüge der Stadt Berlin be- bzw. ein Achsenkreuz zu realisieren, ist nicht bekannt. deutet. Bei der Betrachtung der einzelnen Elemente In »Mein Kampf« beklagt er sich nur allgemein über der Neugestaltung muss man sich die damaligen das seiner Meinung nach bestehende Missverhältnis Rahmenbedingungen und Entscheidungsprozesse im Repräsentationswert von Staats- und Wirtschaftsvergegenwärtigen. Für die Entscheidungen ist an bauten.748 Ein Zusammenhang mit dem Wettbeerster Stelle der Wille Hitlers maßgeblich, der die werb Groß-Berlin ist jedoch naheliegend. Die nicht Planungen überhaupt initiiert. Die Vorgaben der umgesetzten Planungen für Groß-Berlin sind direkt städtebaulichen Situation sind dagegen das Resultat nach ihrer Entstehung allgemein zugänglich publivon Problemen, die durch das enorme Wachstum ziert worden.749 Hitler soll sie 1927 auf der Berliner in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und den Kunstausstellung gesehen haben.750 Spätestens in Zusammenschluss verschiedener eigenständiger Ge- der zweiten Jahreshälfte 1933 befasst er sich schon meinden zu Groß-Berlin im Jahr 1920 erwachsen mit einem umfassenden Umbau Berlins.751 Es kann sind.744 Insbesondere im Bereich des Verkehrs zeigt nicht völlig ausgeschlossen werden, dass die Stadt sich großer Nachholbedarf und die Notwendigkeit Berlin ihrerseits die weitere Ausarbeitung der Mächeiner übergeordneten Planung. Die größten Schwie- ler’schen Grundlagenplanung fördert oder unter rigkeiten bereiten der Verkehr in den schmalen Stra- Umständen gar initiiert. Möglicherweise liegt hier ßen des Zentrums sowie das Bahnwesen. Die radial ein ähnlicher Fall vor wie in Nürnberg. Dort erkennt aus Berlin herausführenden Bahnstrecken enden in die Stadt 1933 die Chance, das lang gewünschte, Kopfbahnhöfen, die zum Zeitpunkt ihrer Errich- aber aus Geldmangel vorerst unrealisierbare Vortung im 19. Jahrhundert am Stadtrand liegen. Trotz haben einer Stadthalle durch Einschaltung Hitlers Berlins zentraler Funktion beim Umsteigen sind die zu verwirklichen. Ihr Betreiben führt in der KonseStrecken also nicht in einem zentralen Bahnknoten, quenz zur Anlage des Reichsparteitagsgeländes, das

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der glaubte damit sozialdemokratischen Bestrebungen eher entgegenwirken zu können (Sonne 2000, 67). Die Ringbahn war durchgängig befahrbar seit 15. November 1877. Die Stadtbahn wurde von 1878 bis 1882 erbaut (Materna 2003, 128 u. 131). Drechshage 2000, 22. – Die wichtigsten zeitgenössischen Publikationen des Wettbewerbes bei: Sonne 2001, 153. siehe hierzu: Balg 1986. Hitler 1943, 290.

749 Publiziert bei: Hegemann 1913 und Wasmuth 1910. 750 Bärnreuther 2000, 201. 751 BA R 43II/1028, 50, Bericht über Vortrag beim Reichskanzler, 1.11.33; Bericht über die am Dienstag, dem 19. September 1933 bei […] Hitler stattgefundene Konferenz, faksimiliert bei: Dülffer/Thies/Henke 1978, 90–93.

Auswirkung der Neugestaltung auf die Stadtpl anung in Berlin   |  117

allerdings keine Stadthalle mehr enthält und stattdessen mit enormen Kosten für die Stadt verbunden ist.752 Durch die Vergabe der Planungen an die Stadt Berlin, die sich seit den 1920er-Jahren mit der Problematik einer Erneuerung auseinandergesetzt hat, ist eine gewisse Kontinuität gewährleistet. Auch aus diesem Grund kann man voraussetzen, dass die alten Entwürfe Hitler bekannt sind,753 dies umso mehr, als Paul Schultze-Naumburg 1910 dem Preisgericht angehört hat.754 Auffällig ist diesbezüglich die Verknüpfung der Repräsentationsachse mit Verkehrsplanungen, da eine Achse oder ein Gauforum, etwa im Tiergarten, ohne die Berücksichtigung der Verkehrsfragen mit weniger Aufwand realisierbar gewesen wäre. Diese sind jedoch ein wesentlicher Bestandteil der Planungen und beschäftigen zweifelsfrei auch Hitler, der persönlich einen Straßendurchbruch durch die Ministergärten ablehnt.755 Speer hingegen steigt erst zu einem Zeitpunkt in die Planungen ein, an dem Hitler die wesentlichen Grundzüge bereits festgelegt hat, und muss diese als Voraussetzung akzeptieren. Das Grundkonzept der GBI-Planung sieht ein Achsenkreuz in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung vor, ergänzt durch vier innerstädtische Ringstraßen und mehrere Ausfallstraßen als Nebenachsen. Die Bauhöhen sollen entlang der Hauptachsen abfallen und die Bebauungsdichte soll reduziert werden. Auch bei den anderen Hauptverkehrsstraßen soll die Blockrandbebauung, die auch als Lärmschirm

für die Binnengebiete dient, nach dem Schema der Hauptachsen mit zunehmendem Abstand zum Zentrum immer niedriger werden und in aufgelockerte Bebauung übergehen. Zwischen diesen aufgelockerten Gebieten sollen sogenannte »Grünkeile«756, also Grünflächen wie Parks, aber auch Sportstätten, radial bis in das Stadtzentrum hineinreichen. Dieser »Grünflächenplan«, der auch die Umgestaltung des Grunewaldes durch Aufforstung mit Laubbäumen in einen großen Park vorsieht, ist Teil des Generalbebauungsplans und ein Kernpunkt der Stadtplanung, dessen Realisierung noch während des Krieges beginnt.757 Das Konzept der GBI geht also über den Gedanken einer Prachtstraße in der Nord-Süd-Achse als Einzelelement weit hinaus. Wie zuvor geschildert, unterliegt der Großraum Berlin zum Zeitpunkt der Einsetzung Speers erst seit 17 Jahren einer Gesamtplanung. Die Stadtplanung, die nun von der GBI betrieben werden soll, wird insofern erschwert, als die Nord-Süd-Achse für den Bauherrn Hitler als Hauptmerkmal und Konstante in der Planung feststeht. Nur ihre Ausgestaltung und ihre Einbettung ins städtebauliche Umfeld sind noch durch die GBI vorzunehmen. Durch diese Vorgabe, den von Hitler ausgeübten Zeitdruck und das Ausmaß der Neugestaltung ist es der GBI nicht möglich, eine von grundsätzlichen Fragen ausgehende, strukturierte Gesamtplanung zu entwickeln. So unkoordiniert und rücksichtslos die Achse als Grundidee in die Stadt hineingebrochen werden soll, so unsystematisch verläuft im Detail die Verteilung der Bauplätze

752 Siehe hierzu: Tesch 2005, 15–18. 753 Speer selbst gibt an, die Pläne Mächlers von 1927 erst 1964 kennengelernt zu haben (Speer 1969, 87, FN 1). Bei der Ähnlichkeit des Grundkonzeptes ist es aber als einigermaßen unwahrscheinlich einzustufen, dass Speer und Hitler ihr Konzept unabhängig von allen Vorplanungen entwickelt haben. Im Manuskript der Erinnerungen (»Kapitel VII, korrigierte Fassung«, S. 4) gibt Speer zudem an, dass Hitler die Pläne von 1910 studiert und daraufhin eigene Pläne entwickelt habe (BA N1340/321). Schelkes gibt gegenüber Larsson 1976 an, dass sie in der GBI vom Wettbewerb von 1909, dem Mächler-Plan von 1917 und der Kunstausstellung 1927 keine Kenntnis hatten und durch das Planungstempo auch keine Zeit gehabt hätten, sich mit

der Vergangenheit zu befassen (Privatbesitz in Deutschland, Schelkes an Larsson, 20.1.76). Personelle Kontinuität besteht zudem in der GBI dadurch, dass Wolters bei Hermann Jansen, der 1908 den Auslobungstext des Wettbewerbs vorbereitete und publizierte, Seminare belegt hatte. Sonne 2000, 68. BA R 43II/1181a, Niederschrift vom 29.3.34. Privatbesitz in Deutschland, Grünflächenplan, o. D. BA R4606/28, Speer an OB von Berlin, Mai 1942. – Hierbei ordnet Speer sogar persönlich an, dass fremdländische Arten geschont werden müssen und nur mit seiner ausdrücklichen Genehmigung gefällt werden dürfen (BA R3/1573, 155. Speer an Grunewaldbüro, 20.1.42).

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60 Martin Mächler, Berlin, Plan für eine Nord-Süd-Achse, 1917

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für die Großbauten im Neugestaltungsgebiet. Hier ist es vor allem Hitler, der, ohne vorherige Analysen oder Bedarfskalkulationen, die Bauplätze zuweist.758 Die GBI versucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die Stadtstrukturen insbesondere in verkehrstechnischer Hinsicht759 zu modernisieren. Doch wird nicht das gesamte Stadtgebiet neu geplant, sondern nur einzelne Flächen und Bereiche. Hervorzuheben sind hier das »Hinterland« der Ringe und Ausfallstraßen sowie die Großwohnsiedlungen, die den sich durch die großflächigen Wohnungsabrisse zusätzlich verschärfenden Wohnungsmangel kompensieren müssen. Schon vor dem Krieg ist Wohnraum in Berlin knapp und der Wohnungsneubau kommt nur schleppend voran. Erst recht nach den ersten Zerstörungen durch Luftangriffe werden Wohnungen zur begehrten Handelsware, über die in den Abrissgebieten ausschließlich der GBI verfügen kann.760 Vorwiegend aus propagandistischen Gründen will Speer 1942 nach genau spezifizierten Bedingungen Wohnungen für verdiente Soldaten, d. h. vor allem Träger des Ritter- und Eisernen Kreuzes, zur Verfügung stellen und glaubt, etwa tausend Wohnungen bereithalten zu können, sofern die Luftangriffe nicht den Umfang von 1941 übersteigen.761 Hitler selbst hat angeordnet, die freien »Judenwohnungen« während des Krieges als »Vorrat« für arische Ausgebombte nicht abzureißen.762 Diese Wohnungen sind für Speer einerseits Machtinstrument und andererseits essenziell für die Einhaltung des Zeitplans. Gegenüber Bormann macht er deutlich, dass er die Verantwortung für die »Judenwohnungen« nicht ver-

lieren möchte, da der Verzicht darauf den Start der Neugestaltungen nach dem Krieg um ein bis eineinhalb Jahre verzögern würde.763 Bis zum letzten erhaltenen Planungsstand bleiben die Vorbilder aus der Kaiser- bzw. Weimarer Zeit maßgeblich. Bemerkenswert ist dabei, dass die Einsendungen zum Wettbewerb Groß-Berlin durchaus heterogen sind und es, neben explizit politischen, solche gibt, die sich vor allem auf die Verkehrsprobleme konzentrieren.764 Schon der Mächler-Plan, der maßgeblich auf Hitler gewirkt haben dürfte, verbindet verschiedene Ideen aus dem ursprünglichen Wettbewerb von 1910.765 Die von Speer als »Grünkeile« bezeichneten radialen Grünzüge entstammen der Planung von Bruno Möhring, Rudolf Eberstadt und Richard Petersen und greifen das Vorbild Boston auf.766 Möhrings, Eberstadts und Petersens Entwurf ist zudem politisch aufgeladen, wird doch der neugefasste Königsplatz mit dem Reichstag als Freifläche für patriotische Feiern vorgesehen. Hitlers Verwendung für diesen Platz steht damit in ungebrochener Kontinuität, denn Vorschläge, diesen mit ähnlicher Zielsetzung in einen »Platz der Republik« umzubauen, gibt es auch in der Weimarer Republik.767 Die Idee einer Neuordnung der Bahnanlagen in der Innenstadt bildet ein Hauptelement der eingereichten Entwürfe. Diese Konzentration auf das Verkehrswesen in fast allen Einsendungen ist wenig verwunderlich, da die Verkehrsfrage in dem die Ausschreibung begleitenden Bericht 80 % des Raumes einnimmt.768 Bezüglich der Bahnanlagen folgt der Entwurf der GBI der Einsendung von Joseph Brix

758 Siehe hierzu: BA R4606/58, 234. 759 Eine wichtige Rolle spielt der Umbau in eine autogerechtere Stadt, aber auch der Ausbau der Schnellbahnsysteme. 760 Den Einsatz der Wohnungen als Gefälligkeitsgabe beweist ein Schreiben Speers an Alfred Rosenberg, der Wohnungen für sein Ministerium fordert. Speer lehnt ab, bietet dann aber doch mit der Bitte um vertrauliche Behandlung 15 Wohnungen an (BA R4606/28, 126, Speer an Rosenberg, 26.1.42). Deutlicher wird dies noch in einem Schreiben an Gerhard Engel, Adjutant des Heeres bei Hitler: Speer hat den »Antrag« auf drei Wohnungen wohlwollend geprüft. Engel würde sich sicher wundern, dass Speer dies getan habe, ohne UK-Stellungen als Gegenleistung zu verlangen.

Er bittet daher um Mitteilung, wie viele »Uks« einer Wohnung entsprechen, um Engel gegenüber bei nächster Gelegenheit im Vorteil zu sein. Im Postskriptum wird der informelle Charakter der Abmachung sehr offensichtlich »PS.: Wenn Ihre drei Schützlinge über die Wohnungszuteilung nicht das Maul halten können, werde ich die entsprechenden Häuser zum Abriss bestimmen, dass sie dadurch ihrer Wohnung wieder verlustig gehen!« (BA R4606/24, 162, Speer an Engel, 24.11.41). 761 BA R4606/25, Speer an Chef der Wehrmachtsadjutantur des Führers, Oberst Schmundt, 14.12.41. 762 BA R4606/3383, 5.

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und Felix Gezmer und sieht einen neuen Nord- und Element für Speer und Hitler wird, nimmt auch einen Südbahnhof vor. Besondere Vorbildwirkung Martin Mächler auf. hat mit Sicherheit auch der Entwurf der Firma Es ist nicht nachzuweisen, welche der genannten Havestadt & Contag mit den Architekten Bruno Entwürfe Hitler bekannt gewesen sind. AnzunehSchmitz und Otto Blum.769 Dieser enthält ebenfalls men ist aufgrund seines Interesses und der Bekanntneue Bahnhöfe, sieht aber, für Hitler sicherlich ent- heit des Wettbewerbes, dass ihm mindestens die gut scheidend, die Monumentalisierung des Stadtgebie- publizierten Einsendungen geläufig gewesen sind. tes mit klassizistischem Formenrepertoire vor. Die Ferner ist davon auszugehen, dass die Ansammlung ausgesprochen detaillierten, aber düsteren Perspek- von Monumentalbauten im Entwurf von Schmitz tiven enthalten verschiedene repräsentative Achsen, und Blum Hitler wesentliche Impulse für seine Vordie mit monumentartigen klassizistischen Bauten stellungen der künftigen Reichshauptstadt Berlin geschmückt sind. Türme, Kuppeln und Portiken gegeben haben, da nicht zuletzt die suggestive Art prägen das Bild der Stadt. Die Achsen sind allerdings der Zeichnung seiner Lust an Monumenten entgenicht als den Stadtplan dominierendes Achsenkreuz genkommt. Damit steht die Neugestaltung noch angeordnet, sondern als separate Einfügungen in stärker in der Tradition der Stadtplanung um die den gewachsenen Stadtraum. Als weiteres charakte- Jahrhundertwende als in Verbindung zu den in den ristisches Element, das sich bei Speer wiederfindet, 1920er-Jahren geäußerten Ideen. Radikale Konzepte, sieht der Entwurf die Anlage einer Hochschulstadt wie Ludwig Hilbersheimer sie für Berlin vorgeschlaan der Havel vor. Es ist dieses Konzept, dem am gen hat773 – z. B. der Ersatz der Baublöcke in der stärksten an einer künstlerischen Durchformung Innenstadt durch große Scheibenhochhäuser, den einer Großstadt gelegen ist, und obwohl es oft als in ähnlicher Weise auch Hugo Häring verfolgt –,774 Vorläufer nationalsozialistischer Planung bezeichnet sind unter Hitler kaum vorstellbar. Der Gedanke wird, geht es den Autoren weniger um den Entwurf einer durchgrünten, luftschutzgerechten, d. h. bei einer imperialistischen Hauptstadt als vielmehr ei- Luftangriffen weniger anfälligen Stadt, spielt für die ner monumentalen Kulturstadt.770 Die Zusammen- Berliner Innenstadt keine Rolle. Allenfalls für Wohnfassung der nach Berlin führenden Bahnlinien in je gebiete am Stadtrand werden derartige Überleguneinen Nord- und einen Südbahnhof sind in mehre- gen angestellt. Für die Innenstadt werden bewusst ren Beiträgen enthalten. Nur der Entwurf von Hans keine neuartigen Konzepte entwickelt, da sich diese Bernoulli verbindet diese jedoch mit einer bis zu 230 kaum mit dem von Hitler gewünschten Ausdruck Meter breiten »Prachtstraße« im Verlauf der König- von Klassizität hätten verbinden lassen. Daher domigrätzer Straße und des ehemaligen Potsdamer Bahn- niert, neben den als Einzelmonumenten aufgefassten hofes.771 Diese Achse,772 die später dominierendes Solitärbauten, die geschlossene Blockrandbebauung. 763 BA R4606/24, 57, Speer an Bormann, 13.12.41. 764 Siehe hierzu: Sonne 2001, 155–169. 765 Zusammenfassende Vorstellung der Wettbewerbsbeiträge bei: Durth/Sigel 2009, 111–117, Einordnung, Vorgeschichte und detaillierte Schilderung bei: Sonne 2008, 127–195 und Sonne 2000, 67–77. 766 Sonne 2000, 72. 767 Vergleiche hierfür die Entwürfe Poelzigs und Härings von 1929 (Schirren 2001, 190; Pehnt 2005, 167). 768 Sonne 2001, 154. 769 Kurzportrait des Wettbewerbsbeitrages bei: Drechshage 2000, 22. 770 Sonne 2001, 162. – Zwei Lithografien des Entwurfes be-

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kommt Hitler zum 50. Geburtstag geschenkt (Sonne 2001, 162). Sonne 2001, 168. – Genauere Angaben dazu sind jedoch nicht mehr zu machen, da die Pläne verloren sind. Auf die Inanspruchnahme des Achsenmotives in den verschiedenen politischen Systemen und ihre Umdeutbarkeit weist Sonne hin (Sonne 2001, 169, siehe hierzu auch: Nerdinger 1998). Hilbersheimers Plan von 1928–30 ist in der Radikalität des Vorschlages vergleichbar mit Le Corbusiers »Plan Voisin pour Paris«, wenn er auch zu anderen Lösungen kommt. Kurzportrait des Planes bei: May 2000, 24. Schirren 2001, 184.

Auswirkung der Neugestaltung auf die Stadtpl anung in Berlin   |  121

Neben seiner Tätigkeit als GBI hat Speer die Möglichkeit, als Privatarchitekt Aufträge für die Neugestaltung auszuführen. In Personalunion ist er damit Auftraggeber und Auftragnehmer zugleich. In enger Abstimmung mit Hitler entwirft er den Führerpalast [WV 54] gegenüber dem Reichstag, ebenso die dortige Große Halle [WV 47], den Erweiterungsbau des Reichstages [WV 74], das Oberkommando der Luftwaffe (OKL) [WV 71] an der Kreuzung von Ost-West- und Nord-Süd-Achse sowie in deren weiterem Verlauf den Triumphbogen [WV 52] und als südlichen Abschluss der Achse den Südbahnhof [WV 58]. Entsprechend seiner Stellung unter den deutschen Architekten übernimmt er die herausragenden Bauten, also jene, denen Hitler sein besonderes Interesse entgegenbringt, bevor er den Rest an seine Kollegen weiter verteilt. Für den Triumphbogen und die Große Halle übergibt Hitler Speer eigene, angeblich um 1925 gezeichnete Skizzen [Abb. 61  ; Abb. 64].775

Das erste Projekt, das Speer für Hitlers neue Hauptstadt bearbeitet, ist die Große Halle [WV 47], die den nördlichen Abschluss der Großen Achse darstellen soll. Spätestens im November 1936776 entstehen die ersten Pläne. Zu Hitlers Geburtstag am 20. April 1937 ist ein erster Plansatz fertiggestellt [Abb. 62].777 Auf diesem zeichnet Speer nicht als schöpfender Architekt, sondern er vermerkt dort, dass er nur die Ideen Hitlers umgesetzt habe. Dabei ersetzt er die vorgestellte Tempelfront durch eine Kolonnade mit geschlossenen Seitenwänden, ähnlich wie bei Friedrich Schinkels Altem Museum in Berlin. Zudem verändert er die Proportionen stark. Dominiert auf der Hitler zugeschriebenen Skizze [Abb. 61] der massive, kubische Unterbau, kehrt sich dieses Verhältnis nach dem Planstand von 1937 um. Auf dem Kubus sitzt nun nicht mehr eine flache, gedrückte Kuppel, sondern eine Halbkugel, die den Unterbau in der Höhe um ein Vielfaches übertrifft und zudem eine Laterne trägt. Eng an die Skizze angelehnt ist dagegen die Rustizierung von Sockel und Außenkanten des Unterbaus. Auffällig ist im Vergleich mit der Skizze Hitlers außerdem, dass ein wesentlich größeres Gebäude geplant ist. Die etwas ungelenk wirkende Proportionierung der Halle und deren Außengestaltung werden in der Folge nicht beibehalten. Bis zum Sommer 1940 erfolgt eine weitgehende Umplanung, bei der sich das Verhältnis von Unterbau zu Kuppelhöhe nur wenig verändert. Durch eine schmalere Vorhalle und das Hinzufügen von Ecktürmen, die als vierfache Kolossalpilaster gestaltet sind, wird aber die starke Horizontalität des ersten Entwurfes gebrochen [Abb. 63]. Hinzu kommen der Verzicht auf die Eckrustika sowie ein vermehrter Einsatz von Friesen, Bändern und Metopen neben weiteren Elementen des klassi-

775 Speer 1969, 150 u. Abbildungsteil nach S. 160. – Im Manuskript der »Erinnerungen« werden die Skizzen auf 1924 datiert. Diese Angabe ist handschriftlich auf 1925 korrigiert (BA N1340/321, Kapitel IX, korrigierte Fassung, 3). 776 Larsson 1978, 38. – Im Manuskript zu den »Erinnerungen« gibt Speer an, den Auftrag im Sommer 1936 erhalten zu haben, bevor er mit der Neugestaltung der gesamten Stadt

beauftragt wurde (BA N1340/321, Kapitel IX, korrigierte Fassung, 3). 777 BHStA Rp. Sp. Pl. 2772–2773, 2867–2869, 2883, 3073. 778 BHStA Rp. Sp. Pl. 2892–2895, 2930–2931. 779 Die Aussage Speers, er habe Hitler vergeblich zur Änderung von Proportionen bewegen wollen, ist somit nicht haltbar (Speer 1969, 150).

61 Adolf Hitler, Berlin, Skizze der Großen Halle, nach Speer datiert 1925

B au t e n de r N eug e s ta lt u ng aus de m Bü ro Spe e r

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62 Albert Speer, Berlin, Große Halle, 1937 (WV 47). Rechts am Bildrand der Reichstag

zistischen Formenvokabulars. Der Ansatz der Kuppel wird zudem durch mehrere Stufen kaschiert und der Tambour mit seinen hohen schmalen Rundbogenöffnungen zwischen Pilastern wesentlich erhöht. Der Triumphbogen, der etwa auf halber Strecke die Nord-Süd-Achse überspannen soll, wird in den Quellen nie als solcher bezeichnet, sondern schlichtweg als »Bauwerk T« [WV 52]. Die ältesten Pläne hierfür stammen aus dem Frühjahr 1937.778 Der baureife Entwurf, der im Gegensatz zu der in den Planungen dieser Zeit meist feststellbaren Größensteigerung deutlich schmaler und niedriger ist als die erste Variante, ist in der ersten Jahreshälfte 1941 fertig. Aus dem August des gleichen Jahres liegen die ersten Detailplanungen vor.779

Sofern die Skizze [Abb. 64], deren Echtheit bislang unbestätigt ist, von Hitler stammt, orientiert sich Speer hier sehr viel enger an dessen Vorgaben als bei der Großen Halle.780 Dies betrifft zum einen die Proportionierung und die Grundform mit den kreuzförmigen Pfeilern, zwischen denen sich die Bögen spannen, geht aber bis in Details wie etwa die Schrifttafeln über den seitlichen Durchlässen und die Böschung des Sockels, aber auch die hohen, schmalen Rechtecköffnungen in der Attika oder die Bänderrustika an der Schmalseite.781 Auch die zahlreichen horizontalen Gesimse, die die Massivität des Baukörpers betonen, da sie nur Sockelbereich und Attika umlaufen, während der Hauptteil der Pfeilerflächen ungegliedert bleibt, sind aus der Skizze

780 In den »Erinnerungen« publiziert Speer nur eine Skizze [Abb. 64]. Billy Price publiziert 1983 eine zweite, die exakt den Planungsstand vom 27. Februar 1941 wiedergibt [Abb. 67] (Price 1983, 210 Nr. 534). Es handelt sich hierbei jedoch um einen Plan Speers aus dem BHStA (BHStA Rp. Sp. Pl. 2990). Am oberen Rand hat Hitler in der Tat eine kleine, flüchtige Skizze gezeichnet, die im Druck bei

Price abgeschnitten ist und so den Eindruck erweckt, Hitler habe einen ausgearbeiteten Plan an Speer gereicht. 781 Beim Planungsstand von 1941 laufen die Rechtecköffnungen dann um.

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63 Albert Speer, Berlin, Große Halle (WV 47), 1940

übernommen. Gänzlich unverändert wird der Entwurf dennoch nicht zur Umsetzung bestimmt. Für das endgültige Projekt, das 1939 als Modell hergestellt [Abb. 65] und 1941 nur wenig modifiziert für die Ausführung bereit ist [Abb. 66],782 werden vor allem die Portiken in den Bogenöffnungen der Breitseiten überarbeitet und mit figürlicher Plastik über Rundbogenpassagen bestückt. Die Skizze sieht dagegen hier nur eine einfache Kolonnade vor. Die für die spätere NS-Zeit vermehrt festzustellende Zunahme an Dekor ist auch für den Triumphbogen zu konstatieren. Allerdings bleibt sie hier vergleichsweise beschränkt und findet ihren wesent782 Das Modell von 1939 wird Hitler zu seinem 50. Geburtstag überreicht.

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lichen Ausdruck in den nun mit einer Art Kannelur versehenen Pilastern seitlich der Bogenöffnung an der Breitseite und in der Umgestaltung der Kolonnade im Durchgang. Der Bogen [Abb. 67] folgt formal dem Vorbild des Triumphbogens, wie er seit der Antike überliefert ist. In gleicher Weise dient er der Vermittlung einer Siegesbotschaft. Ein der Dimension geschuldetes neues Element Hitlers ist dabei die eingestellte Kolonnade in der Bogenöffnung der Breitseite. Die Proportionen des Bogens sind gegenüber seinen Vorläufern gestaucht. Überwiegt sowohl bei den antiken Bögen in Rom oder den neuzeitlichen Vorbildern

64 Adolf Hitler, Berlin, Skizze des Triumphbogens (WV 52), datiert nach Speer um 1925

65 Geburtstag Hitlers am 20. April 1939. Modell des Triumphbogens (WV 52) in der Reichskanzlei

66 Albert Speer, Berlin, Triumphbogen (WV 52), 27. Februar 1941

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in Paris der Höhenzug, der die Bauwerke durch die sich Göring zunehmend Speer zu.784 Obschon anhohen Attiken teils sogar kopflastig erscheinen lässt, zunehmen ist, dass die Planungen schon länger in ist der Bogen Hitlers in der Hauptansicht gegen- Gang sind, sind erste Entwürfe nicht vor 1939 nachsätzlich gestaltet. Mit Ausnahme der großen Pilaster zuweisen. Diese belegen, dass die Überbetonung der seitlich der Bogenöffnung verfügt er über keinerlei ausschließlich repräsentativen Elemente schon von vertikale Gliederungen, sondern ausschließlich über Anfang an die Planungen charakterisiert. An keinem horizontal verlaufende Gesimse, Friese und Bänder. anderen Projekt Speers wird zudem der im Krieg einDie Schmal­ seiten dagegen zeigen annähernd die setzende Stilwandel derart deutlich wie am OKL. gewohnten Proportionen. Auffällig ist, dass Hitler In den späten 1930er-Jahren entstehen jene Entweitgehend auf plastischen Schmuck verzichtet. Die würfe, die nachhaltig das Bild der architektonischen Bögen werden in der Antike nicht zum Selbstzweck Selbstdarstellung des NS-Regimes hätten prägen solerrichtet, sondern dienen als Träger für Reliefs, die len, durch den Verlauf des Krieges aber unrealisiert in Bezug zum Triumphator und dessen Siegen ste- bleiben. Speer ist zu diesem Zeitpunkt Nummer eins hen, sowie als eine Art übersteigertes Postament für der deutschen Architekten und unangefochtenes die Aufstellung einer Quadriga. Die Quadriga wird Vorbild, wobei er sich nach wie vor an Troost oriendurch eine Gruppe von zwei Speerträgern mit je ei- tiert und sich an die Wünsche Hitlers anpassen muss. nem Pferd ersetzt, die aber im Verhältnis zum Bogen Aber er gibt die Linie vor, der die anderen Architekten so klein ist, dass sie eher wie ein Akroter wirkt. willig folgen. Im Hinblick auf die politische BedeuDie Ausführung des Südbahnhofes ist eine wich- tung, die äußeren Umstände und auch den Aufwand tige Voraussetzung für die Realisierung der Neuge- ist davon auszugehen, dass diese Planungen, wären staltungsplanungen. Erst wenn dieser den Betrieb sie je realisiert worden, Speers Hauptwerk dargestellt aufgenommen hat, können die bisherigen Bahnhöfe hätten. Im Detail muss bei ihrer Betrachtung mangeschlossen werden und die Gleisanlagen überbaut che Frage ungeklärt bleiben. Beispielweise ist nicht werden. Daher soll er beschleunigt bis 1945 fertig- immer zweifelsfrei zu ermitteln, ob die erhaltenen gestellt werden.783 Neben der konkreten Funktion Entwürfe jeweils den letzten Stand repräsentieren, für den Eisenbahnverkehr kommt dem Südbahnhof weil häufige Umplanungen – auch bei begonnenen auch die Funktion des südlichen Abschlusses der Bauten – eher die Regel als die Ausnahme waren. Achse einerseits und für Bahnreisende die des Ein- Dennoch lassen sich generelle Aussagen treffen. trittsportals – sowohl in die Hauptstadt als auch in Im Vergleich zu den realisierten Entwürfen Speers, die Achse – andererseits zu. Die Planungen werden die noch weitestgehend der troostschen Linie folzu großen Teilen außerhalb des Privatbüros Speer gen, wandelt sich der architektonische Ausdruck geführt, unter anderem im Verlauf des Krieges bei nun nachhaltig, was sich am deutlichsten in der Herbert Rimpl. Einstellung zum Bauschmuck manifestiert. Bei der Mit dem Auftrag für das OKL, an prominenter Grundform der Gebäude hingegen bleibt Speer im Stelle kurz vor dem Achsenkreuz vorgesehen, obliegt Wesentlichen seiner Linie treu. Die Baukörper behalSpeer die Inszenierung der Repräsentanz Görings. ten, auch wenn die Baumassen stellenweise aufgelöst Es gelingt ihm damit, sich gegenüber Ernst Sagebiel werden, ihre ruhende, kolossale Massivität.785 Dadurchzusetzen, der bislang intensiv für Göring und mit dieser Eindruck nicht gestört wird, weicht er bei das Luftfahrtministerium gearbeitet hat. Aufgrund der Hervorhebung bestimmter Punkte am Gebäude der Schwierigkeiten Sagebiels, sich dem neuen Stil auch von den Konventionen ab, indem er beispielsder Repräsentationsarchitektur anzupassen, wendet weise das Hauptportal des OKL nicht durch einen 783 Reichardt/Schäche 2008, 140. 784 Dittrich 2005, 84.

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785 Siehe hierzu auch S. 138.

67 Albert Speer, Berlin, Triumphbogen (WV 52). Im oberen Bereich Skizze Hitlers

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68 Albert Speer, Berlin, OKL (WV 71), Fassadendetail mit Metallapplikationen unterhalb des Kranzgesimses

69 Albert Speer, Berlin, Kapitell der großen Halle (WV 41)

Gebäudevorsprung hervorhebt, sondern es in einer der blockhafte, reduzierte symmetrische Aufbau der engen Nische zurücksetzt [Abb. 70]. Baukörper, die glatt geschnittenen Profile, das EinUm die Wende zu den Vierzigerjahren setzte eine setzen der Fenster sind direkt in der Nachfolge der generelle dekorative Bereicherung der Projekte ein. Troost’schen Architektur zu sehen. Beim Entwurf für Es dominiert nun nicht mehr die weitgehend glatte die Neue Reichskanzlei greift er auf Formen zurück, Wand oder der Baukörper mit sparsamer Binnenglie- die sich bei Troost nicht finden, wie beispielsweise derung. Vielmehr wird dieser zum Träger additiv Dreiecksgiebel als Fensterbekrönung oder metallene hinzugefügten Dekors, teils in monotoner Wieder- Scheiben zur Strukturierung des obersten Mezzaninholung. Auch wenn Speer in der Repetition des glei- geschosses des OKL [Abb. 68]. An der Gartenfront chen Motivs Troost folgt,786 ist der strukturelle Auf- der Neuen Reichskanzlei verwendet er vor Hitlers bau der Fassadenentwürfe grundverschieden. Troost Arbeitszimmer ägyptisierende Palmblattkapitelle arbeitet in München mit einer eigenen Systematik aus Bronze. Ähnliche Kapitelle sieht er auch für die und leitet seine sparsame Bauornamentik aus de- Große Halle vor [Abb. 69]. Gänzlich neu im Vokaren Funktion ab. Die Systematik ergibt sich dabei bular Speers ist auch die Mosaizierung von Nischenaus der Schichtung der Wandfläche und dem Rang gründen. Dennoch fehlen nach wie vor feinere Eleder Form – beispielsweise als geschossübergreifende mente wie etwa Kymatien. Die Formen bleiben grob Großform oder als Detailform, wie etwa einer Fens- und schwer. Deutlich wird außerdem die Konzentraterrahmung. Speer wendet sich zudem von Troosts tion auf Einzelformen – auch in großer Zahl in ReiPrinzip ab, nach dem die Bauten eine starke Struk- hung – ohne eine Systematisierung oder Einbindung tur dadurch erhalten, dass die Gliederung sich im durch übergreifende Großformen. In gleichem Maße, wie sich die Fassaden immer Wesentlichen auf horizontale und vertikale Linien beschränkt. Er erweitert die formale Palette, aber mehr auf historische Vorbilder beziehen, verändert 786 Siehe hierzu: Nüßlein 2012, 134. 787 Siehe insbesondere den Flughafen Berlin-Tempelhof und das Reichsluftfahrtministerium, beide von Sagebiel, aber auch die Ehrenhalle auf dem Berliner Messegelände von Ermisch. Weitere Angaben zum Verhältnis Bau – Plastik bei:

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Pehnt 1989, 141. 788 Dadurch setzte sich dieses Markenzeichen der Partei von den viel stärker normierten Hakenkreuzfahnen ab (Mittig 1979, 38). 789 BA N1340/64, Speer an Taylor, 24.11.67.

70 Albert Speer, Berlin, Fassade des OKL zur Nord-Süd-Achse (WV 71), datiert  : 26. Juni 1939

sich auch der Umgang mit Bauplastik. Auffällig ist ben.789 Speer entwirft also Bauten, die weitgehend dabei zunächst, dass in den ersten Jahren der NS- ohne Bauskulptur auskommen bzw. denen SkulptuZeit Bauornamentik generell, d. h. nicht nur bei ren rein additiv hinzugefügt werden, wie etwa bei der Speer, sehr sparsam zur Anwendung kommt. Noch Neuen Reichskanzlei, wo die Plastiken Arno Brekers seltener aber ist plastischer Schmuck vorgesehen und [Abb. 73], obwohl sie mit zum Bauentwurf gehören, dies höchstens zur Auszeichnung weniger markan- losgelöst vor der Wand im Ehrenhof stehen. ter Punkte.787 Eine Ausnahme ist bei frühen Bauten Ähnlich verhält es sich in Paris beim Deutschen die oft dominierende Anbringung eines »Hoheitszei- Haus, wo die Plastiken Joseph Thoraks, die integraler chens«. Dies trifft vor allem für die Zeit bis 1937/38 Teil des Entwurfs sind, allansichtig auf den Wangen zu. Prägnante Beispiele hierfür sind die Entwürfe für des Podests vor dem Gebäude stehen [Abb. 74]. die Kongresshalle in Nürnberg [Abb. 71], dort auch Eine direkte, physische und den Gesamteindruck die Zeppelinfeldtribüne, die Seitenportale der Neuen des Entwurfs bestimmende Verbindung zwischen Reichskanzlei zur Voßstraße [Abb. 72] oder das Ge- Skulptur und Baukörper ergibt sich erst beim Fühmeinschaftshaus in Braunschweig Mascherode. Je- rerpalast und beim Triumphbogen. Bei keinem jünweils eigens entworfen, wird dem Hoheitszeichen geren Bau hat Speer durch Nischen oder andere Geeine gewisse Individualität als eigene künstlerische staltungselemente die Plastik direkt in die Gestaltung Leistung zugebilligt.788 Das Fehlen reicher Bauplas- der Fassaden einbezogen. Der Fries Brekers in der tik im Sinne figurativen Schmuckes in den frühen Sockelzone umläuft den gesamten Bogen [Abb. 64  ; Jahren lässt sich möglicherweise sogar auf Wünsche Abb. 66].790 Doch selbst hier knüpft die Behandlung Hitlers zurückführen  : Das Pariser Pantheon, das ihm der Bauplastik noch an frühere Speerbauten an. Es gut gefallen haben soll, soll er für die seiner Mei- entsteht eine Zwitterhaftigkeit, die zwischen Relief nung nach zu hohe Zahl der Skulpturen kritisiert ha- und Freiplastik changiert, da sich die Reliefs nicht 790 Glaubt man Speer, dann war dieser Fries besonders stark von Hitler beeinflusst. Hitler soll angegeben haben, die Friese für seinen Triumphbogen nach dem Vorbild des 100 m langen Frieses am Landesmuseum in Linz gezeichnet zu haben. Zudem fände Hitler die Entwürfe Brekers zwar

ausgezeichnet, aber trotzdem nicht besser als die am Landesmuseum (Speer 1975, 260).

B auten der Neugestaltung aus dem Büro S peer  |  129

71 Ludwig und Franz Ruff, Nürnberg, Ostseite der Kongresshalle, Mai 1934

72 Albert Speer, Berlin, Neue Reichskanzlei (WV 46), Eingang Voßstraße, um 1939

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73 Albert Speer, Berlin, Neue Reichskanzlei (WV 46), Ehrenhof mit Blick auf Haupteingang. Rechts »Die Wehrmacht«, links »Die Partei« von Arno Breker, um 1939

74 Albert Speer, Paris, Deutsches Haus (WV51), Treppenwangen mit der Skulpturengruppe »Familie« von Josef Thorak

aus dem Stein heraus entwickeln, sondern fast voll- mit weiteren Projekten, darunter der erwähnte Paplastisch vor dem glatten Reliefgrund ausgearbeitet villon für die Weltausstellung in Paris. Auch an der sind, was eine stärkere Bewegtheit und Zerklüftung Alten Reichskanzlei ist Speer 1937 noch einmal tätig der Gewänder erlaubt, sie aber gleichzeitig von der und baut einen Windfang mit Altan an [WV 57].792 dahinterliegenden Fläche absetzt.791 Vor allem aber entsteht in dieser Zeit mit der Neuen Reichskanzlei [WV 46] in der Voßstraße eines der Hauptwerke des Architekten.793 Pa r a l l e l l au f e n de B au pl a n u ng e n Spe e r s In Aufwand und Größe übertrifft dieser Bau, aus se r h a l b de r N eug e s ta lt u ng Be r l i ns gleichwohl damals nur als Provisorium gedacht, das bald ersetzt werden soll, seine anderen realisierten Neben der Neugestaltung Berlins und den Planun- Werke. Für Speer ist die Reichskanzlei auch insofern gen für Nürnberg, die mit großer Intensität fortge- besonders bedeutsam, als mit den Umbauarbeiten führt werden, beschäftigt sich das Privatbüro Speers am Erweiterungsbau seine Karriere begonnen hat 791 Bushart 1985, 110. 792 BA R2/4508, 253, Kostenvoranschlag für Windfang mit Balkon Alte Reichskanzlei, 23.7.37.

793 Zur Planungs- und Baugeschichte siehe: Schönberger 1981.

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Bauwerk zur anhaltenden Bedeutungssteigerung und verbreitet vorerst den Mythos weiter, die Keller nach Handskizzen habe bauen zu müssen.798 Indirekt gesteht er erst 1978 die seit 1935 laufenden Vorarbeiten ein.799 In der NS-Zeit werden die Vorarbeiten nie dezidiert bestritten, was schon allein durch die Abrisse entlang der Voßstraße ab April 1937800 schwerlich möglich gewesen wäre. Zudem wird bereits im Herbst 1936 ein 1  : 1-Modell zweier Fassadenachsen errichtet, um den Übergang zwischen dem Neubau und dem Palais Borsig zu prüfen.801 Im September 1937 gibt es ein Modell des geplanten Baus, das nicht 75 Albert Speer (r.), Hans-Heinrich Lammers (l.) und etwa unter Verschluss gehalten wird, sondern zuAdolf Hitler (M.) treffen beim Richtfest der Reichsdem nicht besonders berühmten Architekten gezeigt kanzlei im Sportpalast ein. Berlin, 9. Januar 1939 wird.802 Hitler selbst gibt zwar in der Richtfestrede im August 1938 an, dass Speer nur sechs Stunden für und er über die Jahre immer wieder an dem Komplex den »Plan« gebraucht habe, dies lässt sich aber auch in der Wilhelmstraße tätig ist. Im Zusammenhang so verstehen, dass es hier um den Zeitplan geht, da mit dem Bau der Neuen Reichskanzlei steht auch der Hitler fortfährt, Speer habe versichert, »daß bis zum Garagen- und Wohnbau entlang der Hermann-Gö- 15.3. die alten Häuser weggerissen sein würden«.803 ring-Straße am westlichen Ende des Reichskanzlei- Zudem spricht er am Anfang der Rede vom »an sich grundstücks [WV 53], dessen Kostenvoranschlag schon vorgesehenen Neubau der Reichskanzlei«.804 zwei Wochen vor jenem für die Neue Reichskanzlei Zum Empfang der ausländischen Diplomaten wird beim Finanzministerium eingeht.794 am 12. Januar 1939 eine Pressemeldung herausgegeEntgegen der üblichen Verfahrensweise werden ben, die erstmals die Legende von der nur neunmodie Vorarbeiten weitgehend geheim gehalten und auf natigen Planungs- und Bauzeit verbreitet, nachdem eine feierliche Grundsteinlegung sowie jedwede pro- nur drei Tage vorher noch die Abrisse seit 1937 offipagandistische Verwertung wird verzichtet.795 Diese ziell verkündet worden sind. 805 Erste Ideen für eine neue Reichskanzlei gibt es beginnt erst, nachdem im August 1938 das Richtfest schon im März 1934, als der Neubau einer Resi[Abb. 75] gefeiert worden ist.796 Durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen mit denz für Hitler erwogen wird, ohne dass der exakte Farbbildern wird die Neue Reichskanzlei in der Umfang des Vorhabens bereits festzustehen scheint. Folge im In- wie auch Ausland bekannt und steigert Dass auch das Reichspräsidentenpalais mit einbezoSpeers Prominenz.797 Auch nach 1945 nutzt er das gen wird, ist bemerkenswert, da Hindenburg zu die794 BA NS2/4513, Lammers an Finanzminister, 23.3.37; BA NS2/4513, Lammers an Finanzminister, 6.4.37. 795 Schönberger 1981, 45. 796 Schönberger 1981, 45 u. 51. 797 Unter anderem: Wolters/Wolff 1940; Giesler 1939; A. H. 1939. – Berichtet wird den ausländischen Lesern, dass die Reichskanzlei über vierhundert Büros verfügt, und das Arbeitszimmer Hitlers wird mit dem von Mussolini verglichen. Ebenso wird der Presse der Modellsaal vorgeführt, in dem Modelle der »beautification« Berlins stehen.

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798 Speer 1969, 116. 799 Speer 1978, 22. – Die nicht namentlich gekennzeichneten Bildunterschriften und Kapiteltexte sind von Speer verfasst worden. Siehe dazu Kapitel: ›Autor Speer‹. 800 Schönberger 1981, 43. 801 Arnold/Janick 2009, 76, dort auch Abbildung des Modells. 802 BA R4606/58, 160, Protokoll vom 29.9.37. 803 Rede Adolf Hitlers zum Richtfest der Neuen Reichskanzlei, 2.8.38, zit. nach Schönberger 1981, 52.

sem Zeitpunkt noch lebt, Hitler also keine Zweifel an seinem politischen Weg, der das Amt des Reichs­ präsidenten einschließt, hat.806 Dem Vorschlag der Stadt Berlin für einen Neubau entlang der Wilhelmstraße traut sich Hitler zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht zu folgen, da auch das Reichspräsidentenpalais deswegen hätte abgebrochen werden müssen.807 Ab Ende 1934 steht der Bauplatz entlang der Voßstraße fest, aber noch nicht die endgültige Ausdehnung. Eine erhaltene Skizze Hitlers umfasst nur die Hälfte der Grundstücke, nimmt aber die Ausrichtung und die Grunddisposition mit dem »Ehrenhof« und einem langen Anmarschweg zum Arbeitszimmer im Inneren, parallel zur Voßstraße, vorweg [Abb. 76]. Gegenüber dieser Grundidee wird der Neubau im Folgenden wesentlich vergrößert und erstreckt sich letztendlich über die gesamte Länge der Voßstraße. Da die Rechtsverhältnisse Enteignungen nicht zulassen, müssen die Gebäude für 13,5 Millionen RM angekauft werden.808 Als erstes Grundstück wird im Januar 1935 jenes der Voßstraße 2 angekauft.809 Im März 1936 reicht Speer einen Kostenvoranschlag ein und die Häuser Voßstraße 2 und 3 werden abgerissen. Unzweifelhaft ist somit, dass zu diesem Zeitpunkt die Planung schon in einem konkreten Stadium ist, obwohl Speer und Hitler behaupten, sich vor 1938 auf rein theoretischer Basis mit einem Neu- 76 Adolf Hitler, Berlin, Neue Reichskanzlei, Skizze auf älterer Plangrundlage bau befasst zu haben.810 Als Bauzeit für das in vier Abschnitte811 aufgeteilte Vorhaben kalkuliert Speer 3 bis 4 Jahre.812 Einen weiteren Kostenvoranschlag zu einer Beschleunigung von Planung und Ausführeicht er für das damals noch »Erweiterungsbau« ti- rung gekommen zu sein. Im Juli liegen Grundrisse tulierte Projekt mit Datum vom 6. April 1937 ein.813 vor, im September existiert ein Modell und der RäuAuf Drängen Hitlers scheint im Mai 1937 die Wende mungsplan der Grundstücke steht fest.814 804 Rede Adolf Hitlers zum Richtfest der Neuen Reichskanzlei, 2.8.38, zit. nach Schönberger 1981, 52. 805 Arnold/Janick 2009, 81. 806 Schönberger 1981, 38. 807 Arnold/Janick 2009, 62. 808 Schönberger 1981, 39. – Den »Kaufgesuchen« musste seitens der Eigner nachgegeben werden. Die Häuser wurden bis zu ihrem Abbruch vermietet. 809 Schwerin-Krosigk an Deutsche Central-Kredit-Aktiengesellschaft, 25.1.1935, zit. nach Groehler 1995, 73.

810 Schönberger 1981, 40/41. 811 Bauabschnitt 1: Voßstr. 2–5; Bauabschnitt 2: Voßstr. 6–7; Bauabschnitt 3: Voßstr. 8–15; Bauabschnitt 4: Voßstr. 16– 19. 812 BAB R43II/1055a, Schreiben Lammers an Schwerin-Krosigk, 16.10.36. 813 BA NS2/4513, Lammers an Finanzminister, 6.4.37. 814 Schönberger 1981, 43/50; BA R4606/58, 160, Protokoll vom 29.9.37.

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Den offiziellen – nicht aber öffentlich gemachten – Auftrag zum Bau bekommt Speer für sein Privatbüro815 am 27. Januar 1938, dem Tag der Entlassung von Blomberg als letztem Gegner einer Annexion Österreichs.816 Der Bau schreitet unter der Bauleitung von Carl Piepenburg schnell voran, sodass am 2. August 1938 das Richtfest gefeiert wird.817 Daher begrüßt Piepenburg – und nicht Speer – Hitler bei der offiziellen Weihnachtsfeier für die Baubeteiligten am 22. Dezember 1938.818 Wesentlichen Anteil am Bau hat als externer Mitarbeiter auch Cäsar Pinnau, der für die Einrichtung der drei Kanzleibehörden zuständig ist.819 Speer trifft aber dennoch die endgültigen Entscheidungen und prüft die fertigen Pläne für die Einrichtungen – inklusive Stoffmuster etc. –, die er dann genehmigt.820 Die Reichskanzlei wird am 7. Januar 1939 für vollendet erklärt, obwohl ein Teil des endgültigen Mobiliars noch nicht vorhanden ist.821 Auch die Innendekoration ist teilweise noch nicht abgeschlossen. Diese zieht sich noch bis in den Krieg hinein. Speer bittet dafür eigens Generaloberst von Schobert, dass er den Maler Hermann Kaspar, der mit einer Deckengestaltung der Reichskanzlei befasst ist, einmal mit an die Front nehmen möge, damit dieser einen Eindruck davon erhalte, was dort vorgehe.822 Auch den Empfangssaal am Ende der Großen Galerie betrachtet Hitler noch als Provisorium, das nach Kriegsende umgebaut werden soll [WV 67].823 Die Fertigstellung wird dennoch am 9. Januar 1939 gefeiert. Nachdem Hitler vormittags vor den Arbeitern gesprochen hat, werden 7.000 Mittagessen in verschiedenen Lokalitäten spendiert und abends Vorstellungen in verschiedenen Theatern für die Arbeiter gegeben.824 Beim Neubau der Reichskanzlei ist eine Bezugnahme auf die Altbausubstanz aus dem 18. Jahrhundert feststellbar. Er weist viele barocke Elemente auf, wie die Mansarddächer der Gartenseite [Abb. 77,

Abb. 88, Abb. 89], den dortigen Arkadengang, die Mittenzentrierung und Hervorhebung von Hitlers Arbeitszimmer oder die Verteilung der Baumassen mit Ausbildung des Ehrenhofes zur Voßstraße. Wie bei den klassizistischen Zitaten belässt es Speer jedoch auch hier dabei, und folgt darin grundsätzlich Troost, bei teils vereinfacht-reduzierten Versatzstücken, ohne getreu zu kopieren. Am deutlichsten belegen die Seitenportale zur Voßstraße seinen Einfluss. Mit dem angedeuteten Ehrenhof zur Voßstraße zitiert er ebenso ein Schlossmotiv wie mit der langen Galerie im Inneren [Abb. 78]. Variiert wird das Motiv insofern, als die Erschließung der Räumlichkeiten nicht durch diesen Ehrenhof erfolgt, der über keinerlei Zugänge verfügt. Das Hauptportal mit der Wagenvorfahrt wird in den von der Schmalseite aus zugänglichen Innenhof verlegt. Damit wird nicht nur die lange innere Repräsentationsachse ermöglicht, sondern auch der Zugang von der engen, weniger bedeutenden Voßstraße vermieden. In der Tradition der mit dem neuen Gebäude verbundenen Altbauten erfolgt damit der Zugang weiterhin von der Wilhelmstraße. Wichtig ist diese Kontinuität auch insofern, als der Straßenname Synonym für die Reichsregierung ist. Die Neue Reichskanzlei ist eng verknüpft mit Hitlers Politik und mehr als nur ein Bürogebäude zur Unterbringung einer Dienststelle. Tatsächlich ist diese Funktion der Repräsentation untergeordnet. Vor allem durch die zahlreichen Publikationen bekommt sie von Anfang an einen Denkmalcharakter, wenn auch Sie nur als Provisorium für zehn bis zwölf Jahre gedacht ist.825 Die »Kanzlei des Großdeutschen Reiches«826 muss abbilden, dass die angebrochene Zeit nichts mehr mit der Weimarer Republik gemein hat. Die neu erwachsene Stärke des Reiches und seine Leistungsfähigkeit sollte für jeden Betrachter offensichtlich werden. Die kurze Bauzeit und die Le-

815 Aus dem Privatbüro Speers arbeiteten an Planung und Errichtung mit: Otto Apel, Hans Peter Klinke, Albert Dief[f?] enbach, Fritz Raab, Hans Russwurm und als zweiter Bauleiter Walter Kühnell (Wolters/Wolff 1943, 112). 816 Schönberger 1981, 50. 817 Schönberger 1981, 51.

818 BA NS10/127, 255. – Während der rund einstündigen Veranstaltung in der Berliner Deutschlandhalle erhielten alle Arbeiter auch ein Weihnachtsgeschenk. 819 Schönberger 1981, 53. 820 Schönberger 1981, 53. 821 Schönberger 1981, 68.

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78 Albert Speer, Berlin, Neue Reichskanzlei (WV 46), sogenannte lange Galerie, um 1939

77 Albert Speer, Berlin, Neue Reichskanzlei (WV 46), Gartenseite

gende vom spontanen Entwurf sind hierzu bestens geeignet. Selbstverständlich repräsentiert die Architektur nicht nur nach innen, sondern auch nach außen. Bewusst sollte der lange Anmarschweg die ausländischen Diplomaten beeindrucken. Zu durchqueren sind die Vorhalle, der Mosaiksaal, der runde Saal und die Marmorgalerie. Die Raumfolge steigert sich in absolutistischer Weise bis hin zum überdimensio­ nierten Arbeitszimmer, das jedoch rein allegorisch zu sehen ist, weil darin im Normalfall gar nicht gearbeitet wird. Dieser Umstand wird gleichwohl auch damals kommuniziert und belegt zusätzlich den Denkmalcharakter.827 Die Neue Reichskanzlei bietet die Kulisse für Empfänge – auch ausländischer Diplo­ maten –, Hitlers pompös gefeierten 50. Geburtstag und im Krieg zunehmend auch für Staatsbegräbnisse.

Hitlers Großmachtstreben ist der wichtigste Grund für den Bau. Daher sind viele Entscheidungen, die den Bau der Reichskanzlei betreffen, eng mit politischen Gegebenheiten verknüpft. Dies wird auch öffentlich bekannt gegeben.828 Besonders offensichtlich ist der Zusammenhang der Bau- und Planungsgeschichte mit der Annexion Österreichs und der der Tschechoslowakei.829 Dementsprechend verkündet der »Völkische Beobachter« zum Diplomatenempfang 1939 auch, »dem Zuwachs an Macht und Größe Deutschlands entspricht auch der äußere Rahmen.«830 Stark ist der Gegensatz zwischen künstlerischer Innenausstattung, hauptsächlich eine Mischung aus Rückgriffen, sowohl stilistisch als auch von den angewandten Techniken – Gobelins, Mosaiken –, und modernster Technik  : Hebebühne für Kohlentrans-

822 BA R4606/55, Speer an von Schobert, 7.6.40. 823 BA R3/1573, 4, Speeran Kühnell und Piepenburg, 28.8.40. 824 BA NS10/127, 252. – Für die auswärtigen Arbeiter gab es am folgenden Tag noch weitere nicht näher aufgeführte Veranstaltungen. 825 Rede Hitlers zum Richtfest der Neuen Reichskanzlei,

826 827 828 829 830

2.8.1938, nach Schönberger 1981, 179. Lotz 1939, 16. Schönberger 1981, 172. Schönberger 1981, 46. Schönberger 1981, 46; Arnold/Janick 2009, 66. Völkischer Beobachter, 13.1.1939.

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80 Albert Speer, Nürnberg, Modell des Deutschen ­Stadions (WV 44), 1937

79 Albert Speer, Nürnberg, Grundriss Deutsches Stadion (WV 44), 1937

porte mit 16 Tonnen Traglast, Rolltreppen, Eismaschinen, Fernmeldeanlagen u. v. a. m.831 Die Hervorhebung des Kunsthandwerks und das Verstecken der Haustechnik hat seine Gründe in der Struktur des deutschen Faschismus mit seinem Bezug auf das Handwerk. Mit diesem werden Vorstellungen von Heimat, heiler Welt, Tradition etc. verbunden.832 Ähnlich ist es auch in Nürnberg. Die teils riesigen Bauten können nur durch den Einsatz modernster Technik gebaut und betrieben werden. Im Erscheinungsbild spielt diese Technik jedoch keine Rolle. Parallel zum Bau der Reichskanzlei werden die Nürnberg-Planungen vorangetrieben. Die Grundkonzeption des Geländes steht mittlerweile im Großen und

Ganzen fest. Von einem zwischenzeitlich am Ufer des Dutzendteiches geplanten Schwimmstadion wird ab 1937 abgerückt und der Bau eines Stausees im Pegnitztal beschlossen.833 Als Erstes sind der Bau des Zeppelinfeldes und der Umbau der Luitpoldhalle abgeschlossen, ab 1938 wird die Große Straße mit Granit belegt. Der Bau der Kongresshalle reicht Ende desselben Jahres teilweise bis zur Fensterbank des zweiten Obergeschosses.834 Zu diesem Zeitpunkt beginnt auch die Einrichtung der Baustelle für das Deutsche Stadion [Abb. 79, Abb. 80]835 Obwohl bis Kriegsbeginn alle Bauten begonnen sind, wird weiterhin geplant. Teilweise verursachen diese Änderungen hohe Kosten und großen Auf-

831 Arnold/Janick 2009, 102. 832 Schönberger 1981, 150. 833 Doosry 2002, 120.

834 Tesch 2005, 168. 835 Doosry 2002, 318. 836 Doosry 2002, 324.

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81 Albert Speer, Nürnberg, Ansicht Märzfeldturm mit Tribünen (WV35), 20. Oktober 1937

wand. So wünscht Hitler doch noch einen Neubau der Luitpoldhalle. Die Verlängerung des Deutschen Stadions bedingt 1941/1942 den teilweisen Neuaufbau der Baustelleneinrichtung mit Mörtelfabrik und Gleisanlagen.836 Durch den Bau des Deutschen Stadions soll das »Alte Stadion« als Veranstaltungsort der »NS-Kampfspiele« abgelöst werden. Disziplinen sind dabei unter anderem Geländeritt, Ringen, Fuß-, Hand- und Basketball, Schwimmen, Laufwettbewerbe und Wehrsport. Letztere beinhaltet auch einen Mannschaftsfünfkampf. Dieser setzt sich aus einem 20-km-Gepäckmarsch, 250-m-Hindernislauf mit Gepäck, 2.000-m-Hindernisstaffellauf mit Gepäck, 30-m-Wettschwimmen mit leerem Tornister und Handgranatenwurf zusammen. Mannschaftssport ist besonders geeignet und daher bevorzugt vorgesehen, weil die Sichtverhältnisse von den obersten Rängen das Verfolgen einzelner Akteure auf dem weit entfernten Spielfeld kaum zulassen.837 Nicht nur um die Sicht zu überprüfen, wurde an einem Hang bei Oberklausen ein Modell in natürlicher Größe errich-

tet, an dem zwei verschiedene Varianten der Tribünengestaltung getestet wurden.838 Auch gestalterische Fragen wurden dort überprüft. Aus der Größe des als reinem Gewölbebau geplanten Stadions resultierten aber auch weitere Schwierigkeiten.839 Für die Versetzung der schweren Steinblöcke musste eine Lösung gefunden werden,840 die Besucherzahl – bei vollen Rängen entsprach sie einer Großstadt – führte zu Problemen bei Verköstigung, sanitären Einrichtungen, Notfallversorgung und der Aufrechterhaltung der Ordnung.841 In fünf Planungsphasen wird der Entwurf zwischen 1935 und 1942 immer wieder verändert. Über den Aushub der Baugrube kommt der Bau jedoch nicht hinaus. Schon 1936 war mit der Planierung des Geländes für das Märzfeld begonnen worden. Bis Kriegsausbruch sind 13 der 24 Türme und einige Tribünenfelder im Bau,842 deren Bauruinen nach dem Krieg beseitigt werden. Ende 1937 werden die Planungen für das Märzfeld forciert. Vor allem für die Einmündung der Großen Straße und die Ehrentribüne

837 Doosry 2002, 327. 838 Doosry 2002, 318. 839 Doosry 2002, 309.

840 Doosry 2002, 311. 841 Doosry 2002, 336. 842 Doosry 2002, 125.

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82 Albert Speer, Nürnberg, Märzfeld (WV35), Ansicht Haupttribüne, 10. Februar 1940

werden verschiedene Lösungen entwickelt. Da das trum seiner Vorlagen und greift hier, auch durch die Feld für Vorführungen der Wehrmacht bestimmt ist, Bauaufgabe bedingt, auf Zitate aus dem Burg- und wird offensichtlich ein wehrhafter, das Militärische Wehrbau zurück.843 Die Assoziation mit der Fortifiverkörpernder Eindruck gewünscht. Die Türme zi- kationsarchitektur zeigt, dass Speer es versteht, seine tieren mit ihren Rundbogenöffnungen Burg- oder Formen der jeweiligen Bauaufgabe anzupassen und Stadttore und auch die Rustizierungen an den Kan- sich damit etwa an mittelalterlicher Architektur zu ten und im Sockelbereich sind dem Wehrbau ent- orientieren, ohne jedoch Troosts reduzierte Linie zu lehnt [Abb. 81]. In der Detailgestaltung weicht Speer verlassen. jedoch nicht von der Linie des Zeppelinfeldes ab Wie bereits dargelegt wurde, zeigen Speers Werke und gliedert die Baukörper nur sparsam, vorwiegend bis etwa 1937 nur ein sparsames Formenrepertoire. durch Faszierungen und Stufungen, konzentriert Bei der Neuen Reichskanzlei – und nochmals gesteigert bei den folgenden Bauten – wird die aus dem sich also auf wenige, prägnante Großformen. Wie beim Zeppelinfeld wird die Haupttribüne antiken Formenkanon abgeleitete Bauornamentik durch eine hohe Rückwand betont, die hier hohe, variantenreicher, vor allem in Form von Rahmunschmale Rundbogenarkaden aufweist [Abb. 82], aber gen, Kapitellen und Friesen. Diese sind stets massiv und statisch und werden bei der Neuen Reichskanzdurch Plastik zusätzlich akzentuiert ist. Schon die ersten von Hitler zum Bau akzeptierten lei im Vergleich zu späteren Planungen immer noch Entwürfe für Märzfeld und Stadion zeigen deutlich eher sparsam angewendet. Die blockhafte Form des die für den Repräsentationsbau akzeptierte Band- Baukörpers wird in ihrer Massivität an keiner Stelle breite in der Gestaltung. Speer erweitert das Spek­ durch den Bauschmuck kaschiert oder gar aufgeho843 Pehnt sieht hingegen durch die Türme einen Bezug zum Tannenberg-Denkmal (Pehnt 2005, 210).

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83 Albert Speer, Rom, Grundriss Weltausstellungsplanung für 1942 (WV 66)

ben. In troostscher Manier nutzt Speer vor allem ferenzebene bleibt, während Proportionen nur eine Abstufungen und orthogonale Elemente. Kurvige untergeordnete Rolle spielen.844 Troost verzichtete Profile oder Schwünge fehlen im Vokabular fast völ- bei seinen beiden Bauten am Münchner Königsplatz lig. Trotz mancher Bezüge zum Barock finden sich und dem Haus der Kunst darauf, den Gebäuden keine C-Schwünge, Voluten oder gar Rocaillen, auch durch eine Durchgliederung der Baukörper eine genicht in abgewandelter Form. Speer vermeidet jegli- wisse Lebendigkeit zu verleihen. Vielmehr liegt das che Formen, die dem Entwurf seine Schwere neh- Hauptaugenmerk auf blockhaften Großformen und men könnten. Wenn er auch weit entfernt ist von der regelmäßigen Wiederholung des Fenstermotivs. besonders bewegten Grunddispositionen, differenEin weiteres Beispiel für den Rückgriff auf histoziert er gegen Ende der 1930er-Jahre die Baukör- rische Vorbilder sind die Planungen Speers für die per zunehmend, nicht zuletzt, weil die wachsenden Weltausstellung in Rom 1942 [WV 66]. Mit seiner Dimensionen der Bauten, um erfassbar zu bleiben, Dreiflügelanlage greift er schon im Grundriss auf eine Untergliederung erzwingen. Die Verteilung der den barocken Schlossbau zurück. Analog dazu wird Baumassen ist für Hitler dagegen von untergeordne- auch der Hof streng architektonisch gestaltet [Abb. ter Wichtigkeit. Schon früh zählt für ihn vor allem 83]. Gleichzeitig werden die einzelnen Baukörper die schiere Größe, die zeitlebens die wichtigste Re- durchgliedert und verlieren durch geböschte Sockel, 844 Nüßlein 2012, 137.

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Risalite, zurückspringende Obergeschosse und vermehrten Einsatz von Bauplastik – wie etwa Akrotere und Figurengruppen – viel von jenem blockhaften, kompakten, dennoch monumentalen Eindruck, der die früheren Entwürfe prägt [Abb. 84, Abb. 83]. Seit Oktober 1938845 arbeitet Speer an diesem Projekt, das sich vom Pariser Entwurf aus dem Vorjahr deutlich unterscheidet. Wird das Pariser Gebäude gelegentlich noch als »Pavillon« bezeichnet, lässt sich dieser Terminus für die Planungen in Rom nicht mehr anwenden. Für die Selbstdarstellung des nationalsozialistischen Deutschen Reiches im Land des dienstältesten faschistischen Regimes entwirft Speer eine ausufernde Anlage, die auch die Bedeutung Deutschlands und Italiens füreinander kommunizieren soll. Sie besteht aus drei Flügeln, deren gärtnerisch gestalteter Ehrenhof durch einen Verbindungsbau geschlossen wird [Abb. 84  ; Abb. 83]. Zur Akzentuierung der Anlage greift Speer auf das Pariser Muster zurück und lässt die Seitenflügel in hohen, massiven Endpavillons enden, hebt aber gleichzeitig den Mittelbau durch einen Turm hervor. Die erhaltenen Pläne sind nicht sehr detailliert, zeigen aber gegenüber dem Deutschen Haus von 1937 die Tendenz zur reicheren Ausstattung mit dekorativ aufgefassten Baugliedern und üppiger Bauornamentik. Was für Bauglieder und -ornamentik im Detail gilt, gilt gleichermaßen auch für die Projektdisposition allgemein. Speer schöpft aus einem reichhaltigen Fundus und nutzt Erprobtes. Für die pseudosakralen Veranstaltungen auf dem Reichsparteitag zitiert er antike Altarvorbilder, die Neue Reichskanzlei knüpft an barocke Dreiflügelanlagen an. Der eklektizistische Ansatz Speers zeigt sich auch in der Rezeption des Barocks. So weisen die Entwürfe zur Villa Speer Elemente von Landsitzen bzw. Herrenhäusern und

auch kleinen Schlössern auf. Im Zentrum des preußischen Klassizismus orientiert Speer sich bei der Reichskanzlei, nicht nur zum Garten hin, sondern beim Entwurf der Wohn- und Garagengebäude der Reichskanzlei auch längs der Ebertstraße, an barocken Palais. Die Große Halle, in den Grundzügen wohl eher ein Werk Hitlers als Speers, übernimmt den Typus des überkuppelten Zentralbaus mit vorgestellter Portikus vom Pantheon in Rom als ältestem und maßgeblichem Beispiel. Die Disposition des quadratischen Unterbaus mit Kuppel auf Tambour ähnelt dagegen der Potsdamer Nikolaikirche von Karl Friedrich Schinkel. Neben Bauwerken der jüngeren Architekturgeschichte ist ein erheblicher Einfluss durch die Antike feststellbar. Einzelne Entwürfe Speers lassen sich dabei auf konkret benennbare Bauten zurückführen. Andreas Grüner nennt in der Neuen Reichskanzlei beispielsweise das Portal zur Wilhelmstraße nach dem Vorbild der Parodostore des Theaters von Epidauros, kleinere Versatzstücke wie die pergamenischen Kapitelle an der Gartenfassade [Abb. 77] und vor allem den Ehrenhof nach dem Vorbild der hypäthralen Cella des Apollontempels in Didyma.846 Der Ehrenhof als Beginn des Anmarschweges zu Hitlers Arbeitszimmer kann jedoch genauso sein Vorbild im Domitian-Palast haben.847 Als Vorbild für die Zeppelintribüne ist der Pergamonaltar – wenn auch in zahlreichen Details abweichend – genauso unverkennbar, wie der Triumphbogen seinen antiken Ahnen folgt. Scobie zieht weitere Parallelen zwischen Speers Werk und der Antike. Die Neugestaltungsplanung sieht er dabei im Zusammenhang mit antik-römischen Stadtanlagen, und das Deutsche Stadion auf dem Reichsparteitagsgelände führt er auf das des Herodes Atticus in Athen zurück.848 Entscheidend bei allen Vergleichen mit der griechisch-römischen Antike ist, dass bei

845 Sigel 2000, 145. 846 Grüner 2004, 134/145 – Speer verarbeitet, so Grüner, nicht nur den Hofgrundriss, sondern die ganze Tempelkonzeption in seinem Entwurf. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der Zweisäulensaal, der in Didyma zwischen Pronaos und Adyton vermittelt, von Speer in identischer Funktion als Vorhalle, d. h. Verbindungsglied zwischen Ehrenhof und

Mosaiksaal, übernommen wurde ‑ einschließlich der beiden seitlichen Treppenhäuser. Grüner äußert sich zudem kritisch gegenüber den bisher in den Diskurs eingebrachten Vorbildern. Die von Alex Scobie vorgeschlagene Domus Flavia sei allenfalls in der Kombination Eingang-Hof vergleichbar. Das Kopenhagener Polizeipräsidium, zu dem sich schon Mittig kritisch äußert (Mittig 1997, 110), sieht er

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84 Albert Speer, Rom, Deutscher Pavillon für die Weltausstellung 1942 (WV 66). Aufriss der Schmalseite. Vorn quer mit Quadriga der Verbindungsflügel, dahinter der Turm über dem Hauptflügel, Mai 1939

aller formalen Vergleichbarkeit Speer sich mit den Ein weiteres Beispiel für die Übernahme antiker Dimensionen seiner Projekte weit vom Maßstab der Vorlagen ist die Innere Achse der Neuen Reichskanzantiken Bauten entfernt. lei. Ob Speer die Aula Regia der Domus Augustana Die Anregungen aus der Antike nimmt Speer über in Rom bekannt gewesen ist, ist nicht überliefert. Im verschiedene Wege auf. So will er etwa auf seiner ers- Prinzip ähnlich, jedoch weniger übersteigert, wird ten Auslandsreise nach Griechenland im Mai 1935 dort die Idee, durch verschiedene aufwendig gestalspeziell dorische Vorbilder gesucht haben.849 Auch tete Räume Besucher zu beeindrucken, baulich umdie unmittelbare Umgebung bietet ihm reichhalti- gesetzt.852 Nicht nur auf formaler Ebene, auch durch ges Anschauungsmaterial. Barbara Miller-Lane teilt die Materialwahl knüpft Speer hier direkt an die er 1974 mit, dass er oft im Pergamonmuseum gewe- römische Antike an. Die verwendeten Natursteinsen sei und römische Anregungen von Daniel Kren- verkleidungen erzeugen eine rotbraun-goldene Farbcker,850 einem seiner ehemaligen Lehrer an der TH stimmung. Fußend auf dem Umstand, dass rotbrauCharlottenburg, vorderasiatische Anregungen dage- ner Porphyr dem römischen Kaiser vorbehalten war, gen von Wilhelm Kreis oder Peter Behrens bekom- bleibt diese Farbe durch die Epochen hinweg kaisermen habe.851 liches Attribut.853 Speer nutzt sie als leicht verständ-

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ebenfalls nicht als Vorbild. Immerhin ist jedoch fotografisch belegt, dass Speer dieses von einer Exkursion mit Tessenow bekannt ist (Kunstbib. NL-HT. Fotosammlung). Scobie 1990, 100. Scobie 1990, 51; 77. Speer 1969, 76. Krencker wird von Speer später auch mit Rechercheaufga-

ben betraut und erhält im Frühjahr 1940 ein Honorar über 2.000 Reichsmark für die Untersuchung von 45 Kuppelbauten (BA R4606/2831, 19). 851 BA N1340/38, Speer an Miller-Lane, 17.8.1974. 852 Scobie 1990, 98. 853 Nerdinger 2004, 74.

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85 Albert Speer, Baldham. Atelier Thorak (WV 64), Ansicht von Norden, 9.3.1938

liches Mittel, um Hitlers Stellung im Reich auch auf hier sehr an die Voßstraßenfassade der Reichskanzlei, dieser Ebene zu kommunizieren. Nicht zuletzt mit ebenso die Mezzaninfenster unterhalb der Traufe, die diesem Zitat greift er bei der Neuen Reichskanzlei auf wie bei der Reichskanzlei von einem Konsolgesims den historischen Palast- und Schlossbau zurück, ob- getragen wird. Selbst für die Rahmungen der Tore wohl sich Hitler dezidiert dagegen verwahrt, könig- wendet Speer das gleiche Schema an, das für die Tore liche Schlösser zu übernehmen, sondern sich eigene des Innenhofs der Reichskanzlei zum Wilhelmplatz Bauten und Räume erschaffen will.854 Statt aus die- maßgeblich ist, und versieht die nur leicht vorgelegte sen Gründen aber einen eigenen, neuen Bautypus zu Rahmung mit dezenten Faszien [Abb. 85]. entwickeln, enthält die Neue Reichskanzlei schluss­ Das Atelier ist ohne Rücksicht auf die Kosten auendlich in jedweder Hinsicht, d. h. in Grundriss, ßergewöhnlich komfortabel ausgestattet. Die repräAufriss, Bauornamentik und Farbe, so viele Elemente sentative Gestaltung und die Größe kommunizieren der Herrschafts- bzw. vor allem der barocken Schloss­ den Rang Thoraks und seiner Werke. Die Werkstatt architektur, dass sie als offensichtliche Neuinterpreta- wird beinahe wie ein Wohnraum behandelt und ertion des Schlossmotivs zu begreifen ist. Damit wird hält beispielsweise aufwendige Heizkörperverkleizugleich auch der Rang Hitlers unterstrichen, da sie dungen.855 Zudem wird eine Oberlichtdecke in der für jedermann ganz selbstverständlich als Wohnsitz Art von Troosts Königsplatzbauten eingebaut, die eine gleichmäßige Belichtung des 1600 m² großen eines Herrschers verstehbar ist. In formaler Hinsicht eng mit der Reichskanzlei Ateliers ermöglicht.856 Der allgemeinen Mode der verwandt ist das Ateliergebäude für Josef Thorak in Zeit entsprechend soll die Ausstattung zudem sogar Baldham [WV 64], das auf Betreiben Hitlers seit Ende durch einen Tonfilmprojektor erweitert werden.857 Mit seiner Erhebung zum Generalbauinspektor 1937 auf Kosten der bayerischen Finanzverwaltung geplant wird. Die Betonung der Begrenzungslinien 1937 steigt Speers Wille zur Repräsentation. Das erst des verputzten Baukörpers durch Werkstein erinnert zwei Jahre alte Haus in der Schopenhauerstraße ist 854 Rede Adolf Hitlers zum Richtfest der Neuen Reichskanzlei, 2.8.38, zit. nach Schönberger 1981, 52. 855 BHStA Rp. Sp. Pl. 2195–2199.

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856 Nerdinger 2006, 67. 857 BA R4606/3285, 1, Gablonsky an Speer, 16.1.1940.

86 Albert Speer, Berlin, Villa Speer (WV 68), Phase I, 1939

87 Albert Speer, Berlin, Villa Speer (WV 68), Phase I, Grundriss Erdgeschoss, o. D.

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88 Albert Speer, Berlin, Neue Reichskanzlei (WV 46), Arkadengang vor dem Speisesaal 90 Paul Ludwig Troost, München, Königsplatzbebauung

zil auf der Insel nach Entwurf Speers zu errichten.860 Aber auch Speers große Villa [WV 68] wird schluss­ endlich niemals realisiert. Planungen sind zwischen Mai 1939 und März 1940 nachweisbar und zeigen ein auf Repräsentation ausgerichtetes Gebäude mit privater Weinstube im gewölbten Luftschutzkeller. Das Obergeschoss ist ganz dem privaten Wohnen gewidmet und verfügt dazu über ein Wohnzimmer und eine überdachte Loggia. Im Erdgeschoss dagegen finden sich die offiziellen Wohnräume mit teils 89 Albert Speer, Berlin, Gewächshaus im Garten der zeremoniellem Charakter. Neuen Reichskanzlei (WV 46) Die ersten Entwürfe für die Villa Speer stammen noch aus der Zeit des Reichskanzleibaus oder entstehen kurz danach. Die Verwandtschaft mit diesem ihm nun offenbar zu klein. Er »arisiert«858 ein no- Vorbild ist ihnen deutlich anzusehen. Dabei überbles Grundstück auf der kleinen, sehr exklusiven nimmt Speer weniger die repräsentativen Bereiche Halbinsel Schwanenwerder, direkt gegenüber der der Gartenseite oder gar die Straßenfassade, sondern von Joseph Goebbels erworbenen Parzelle.859 Einige hält sich vor allem an jene Teile, die barocke VorbilZeit besteht der Plan, ebenso für Hitler ein Domi- der haben. 858 Siehe dazu: Breloer/Zimmer 2006, 76; Arnold/Janick 2009, 148.

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859 BHStA Rp. Sp. Pl. 2323.

91 Albert Speer, Berlin, Villa Speer (WV 68), Phase II, Ansicht der Gartenseite, o. D.

Darunter sind vor allem der Arkadengang [Abb. 88] das hohe Mansarddach und setzt ein weitaus niedrivor dem Speisesaal und das Gewächshaus [Abb. 89], geres Walmdach auf [Abb. 91]. Zeigt das vorangeaber auch die Gestaltung des rustizierten Sockels zu gangene Projekt noch eine sparsame Verwendung nennen. Auffällig ist die Parallele im Inneren. Speer von Bauzier bzw. als Dekor aufzufassenden Baugliescheint hier seinen eigenen Entwurf zu kopieren und dern, ist die dekorative Ausstattung nun reichlich. lässt die Erschließung seines Wohnzimmers wie bei Besonders auffällig ist dabei die dreibogige PorHitlers zeremoniellem Arbeitssaal über eine Gale- tikus mit darüberliegendem Altan und vorgelegten rie erfolgen [Abb. 87]. Für den Wintergarten über- Halbsäulen an der Eingangsseite, aber auch die Garnimmt er das Motiv des Gewächshauses im Garten tenseite wird wesentlich reicher gestaltet und verfügt der Reichskanzlei. Er wählt kräftige Steinpfeiler zwi- nun über ein Peristyl. Der Kernbau wird durch einen schen großen Fensterflächen, die durch Sprossen ver- angedeuteten Mittelrisalit mit Rundbogenloggia im schiedener Stärke kleinteilig gegliedert sind, und ein Obergeschoss hervorgehoben, die ebenso über Säuhohes Mansarddach. Für den Hauptbau probiert er len verfügt wie der Austritt auf die Terrasse im Erdverschiedene Fensterformen aus. Anklänge an Troost geschoss. Zudem ist die Fassade nun durch verschiezeigen die Fenstervarianten, bei denen Speer, wie bei dene Vor- und Rücklagen aus Werkstein reliefiert. den Bauten am Königsplatz in München, RundboDas dritte Projekt zu Speers Villa behält diese genfenster mit rechteckigen Rahmungen kombiniert Gestaltung im Prinzip bei. Sehr unterschiedlich ist [Abb. 86  ; Abb. 90]. dennoch der Charakter der beiden Varianten dieIn der zweiten Planungsphase wirkt die Reichs- ses Stadiums. Zeigt die eine nun wieder ein hohes kanzlei weniger stark nach und der Entwurf vertritt Walmdach, erscheint die andere als Rezeption des eine klassizistischere Linie. Dazu verzichtet Speer auf Kastelltypus. Bei dieser Variante ist ein niedriges 860 Siehe dazu: Arnold/Janick 2009, 148.

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92 Albert Speer, Berlin, Villa Speer (WV 68), Phase III, Ansicht Eingangsseite, o. D.

Satteldach zwischen zwei Querriegel gespannt, deren Traufgesims auf Firsthöhe liegt und die ihrerseits durch flache Walmdächer gedeckt sind [Abb. 92]. In der Seitenansicht erscheinen die Riegel daher als »Türmchen«, während die Eingangsseite sehr deutlich das Motiv des Triumphbogens zitiert – dies zum einen in der Proportionierung, wobei das Obergeschoss der Riegel die Stelle der Attika einnimmt wie auch in der vertikalen Dreigliederung mit dem mittigen Rundbogendurchgang. Neben den Planungen in eigenem Interesse erhält Speer auch weiterhin von Hitler dringliche Aufträge. Der damalige Adolf-Hitler-Platz [WV 69] soll innerhalb eines knappen Jahres bis zum 1. Juni 1940 voll-

ständig umgestaltet werden und ebenso wie der für den Empfang von Staatsgästen zu errichtende Bahnhof an der Strecke nach Spandau nach Mussolini benannt werden. Das Monument auf dem Platz »wird in Anerkennung der Haltung Italiens anlässlich des Anschlusses Österreichs erbaut und wird Mussolini gewidmet.«861 Nach den Wünschen Hitlers muss »selbstverständlich«862 die Stadt die Kosten für den Platz übernehmen, während die auf 2–3 Millionen RM geschätzten Kosten für das Monument aus den Neugestaltungsmitteln der Reichskanzlei entnommen werden sollen. Mit der Ausführung der von Hitler genehmigten Pläne wird sofort begonnen, da aus außenpolitischen Gründen der Fertigstellungstermin

861 BA R43II/1183a, 21, GBI vertraulich an Lammers, 25.6.39.

862 BA R43II/1183a, 21, GBI vertraulich an Lammers, 25.6.39.

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93 Adolf Hitler, Berlin, Mussolini-Denkmal, wohl Frühjahr 1939

94 Albert Speer, Berlin, Mussolini-Denkmal (WV 69), Gesamtansicht mit Denkmal und Kolonnade, August 1939

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Abb. 95  : Albert Speer, Grabmal Ernst Udet (WV 77)

eingehalten werden muss. Die Richtung der Planungen hat Hitler mit einer Skizze vorgegeben [Abb. 93]. Diese zeigt vor einer Kolonnade einen Pylon auf gestuftem Unterbau, der eine Figur trägt. Hitler variiert hier einmal mehr das Thema des Pylons, das er schon in anderen Dimensionen, aber ähnlichen Grundzügen in München für das Denkmal der Bewegung und das Autobahnmonument in Piding [WV 55  ; Abb. 114  ; WV 60  ; Abb. 116] vorgesehen hat. Im letzten Entwurf wird die Form des Monuments für den Mussoliniplatz insofern modifiziert, als nun der Pylon in Anlehnung an antike Grabmäler durch einen Unterbau ersetzt wird. Ein hoher Sockel trägt 15 Meter hohe dorische Säulen, über denen eine Frieszone sowie ionische Säulen mit Gebälk folgen und darüber erst das eigentliche Postament der in fast 50 Metern Höhe stehenden Kämpferfigur. Die einfache Kolonnade aus dem Entwurf Hitlers wird im Laufe der Planungen durch eine Rundbogenarkatur ersetzt [Abb. 94], die das Denkmal in der Mitte des rechteckigen Platzes kreisförmig umgibt. Dort, wo die den Platz diagonal durchquerende Ost-West-Achse

mündet, ist die Arkadenstellung unterbrochen und durch Kopfbauten ausgezeichnet. Parallel zur Entstehung der Bauten zu Repräsentationszwecken lässt sich im Werk Speers eine etwas abseits stehende kleine Gruppe von Bauprojekten wahrnehmen. Sie stehen zwar außerhalb der Repräsentations- und Staatsarchitektur, jedoch nicht immer im rein privaten Kontext. Besonderes Merkmal dieser Gruppe, zu der das Haus Speer in Berlin-Nikolassee, das Emslandhaus sowie die Entwürfe für Altranft und Schwanenwerder zählen, ist die Verwendung von Backsteinsichtmauerwerk und von häufig weißen, opulenten und schweren Rahmen um die von einem dichten Sprossennetz geteilten Fenster. Obwohl die Zahl der Entwürfe für statistische Aussagen gering erscheint, handelt es sich bei dieser Form der Fenster- bzw. Türakzentuierung und der Materialwahl um Motive, die Speer immer wieder aufnimmt. Es ist allerdings problematisch, deshalb von einem Element seiner bzw. überhaupt einer »persönlichen Handschrift« zu sprechen. Grund dafür ist die starke Einflussnahme seiner Bauherren und

863 Speer selbst schildert die Auswirkungen des Kriegsbeginns in seinen Spandauer Tagebüchern lapidar dahingehend, dass er nun endlich wieder ein Privatleben haben würde, weil das Militär nun die Umgebung Hitlers bilde und er

mit seinem Büro Pläne und Holzmodelle verbessern könne (Speer 1975, 223). 864 Speer 1969, 182. 865 Den Architekten Strohmayr und Reitter teilt er im No-

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einmal mehr die geringe Zahl der Projekte. Deutlich wird an dieser Untergruppe jedoch, dass die angesprochenen Elemente insbesondere bei Bauten zur Anwendung kommen, bei denen der Einfluss von außen als gering anzunehmen ist, d. h. vor allem Entwürfen, die er für sich selbst anfertigt. Noch eher in Tessenow’scher Manier haben die früheren Bauten dieser Gruppe auch in der Bauaufgabe begründete einfache Grundformen, zeichnen sich teilweise aber schon dadurch aus, dass die Fassade als regelmäßige Lochfassade behandelt und nicht nach den Anforderungen des Grundrisses von innen nach außen geplant wird. Die Villa auf Schwanenwerder und das Landgut Altranft sind von der Staatsarchitektur und dem Streben der NS-Elite, sich durch ihre Wohn- und Landsitze wie Carinhall und Bogensee zu repräsentieren, geprägt. Sie verbinden die erwähnten Merkmale der Gruppe mit Zitaten aus dem klassizistischen Formenrepertoire der Repräsentationsbauten. Ein Zusammenhang mit diesen zeigt sich bei beiden Projekten zudem in der Verwendung von Backsteinmauerwerk in Verbindung mit Mauerpartien bzw. Architekturgliedern aus Werkstein. In der obersten Hierarchieebene der Monumentalbauten – Große Halle, Soldatenhalle, OKH, OKL, Führerpalast – wird ausschließlich mit Werksteinfassaden gearbeitet. Gebäude niedrigeren Ranges, die aber dennoch dem engeren Neugestaltungsumfeld entstammen, werden dagegen auch mit Backstein als Fassadenmaterial geplant, wie die Kaserne des Infanterieregiments Groß-Deutschland von Hans Hermann Klaje und Erich Finke [Abb. 96], aber auch die Wehrtechnische Fakultät von Hans Mallwitz zeigen.

96 Hans Hermann Klaje, Berlin, Fassadenmodell der ­Kaserne für das Wachregiment »Groß-Deutschland«

fragen befasst, stellt aber seine Entwurfstätigkeit nicht ein. Er selbst gibt indirekt sogar zu, für Göring tätig gewesen zu sein und dabei selbst die Initiative ergriffen zu haben.864 Der Ausbruch des Krieges ist für Speer keinesfalls überraschend. Die Aufrüstungsbestrebungen bleiben ihm in seiner Posi­tion nicht verborgen, zumal er auch in die Vorbereitungen eingebunden ist.865 Anders als er es später in mancher Aussage darstellt, steht er nicht abseits, sondern drängt sich Hitler förmlich auf. Dieser will das Ansinnen zunächst abgelehnt und die Notwendigkeit nicht gesehen haben.866 Daher dient sich Speer Göring an Tät igk e i t Spe e r s u n d de r GBI i m K r i e g und stellt seine gesamte Dienststelle zur Erfüllung kriegswichtiger Aufgaben bereit.867 PersonaltechInwieweit Speer im Krieg seine Architektentätigkeit nisch wälzt Speer den Auftrag Görings zum Ausbau fortsetzt, ist bislang nicht ermittelt worden.863 Von der Rüstungsindustrie der Luftwaffe auf die DAF Beginn des Krieges an ist er intensiv mit Rüstungs- ab, indem er Robert Ley davon überzeugt, seinen vember 1938 mit, dass sofortige Verwirklichungen nicht erwünscht wären, da der Baumarkt noch vier bis fünf Jahre stark von den Heeresbauten in Beschlag genommen werde (LArchB A Pr. Br. Rep. 107/233-2, Protokoll 201 vom

7.11.38). 866 Speer 1969, 182. 867 Der Einsatz Speers für Göring wird damals keineswegs geheim gehalten. Der breiten Öffentlichkeit wird der Einsatz

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Stellvertreter Herbert Steinwarz als Kontaktmann nungen befasst, da jede fertige Wohneinheit Entlasin der Verbindungsstelle Bau­stab Speer – DAF ein- tung für die Unterbringung von Abrissmietern in der zusetzen.868 Schon vor Beginn der Kampfhandlun- Nachkriegszeit bedeutet.873 gen, am 31. August 1939, legt Speer alle Baustellen, Unmittelbar vor Kriegsbeginn sendet Speer ein als die nicht wehrpolitisch bzw. wehrwirtschaftlich als »Geheime Reichssache« deklariertes Rundschreiben dringlich anerkannt sind, still, um die dort beschäf- an das Finanzministerium, in dem er seine Zustäntigten Arbeiter und das lagernde Baumaterial für die digkeit für den Luftschutz in Berlin mitteilt, was vom nun dringenderen Luftschutzmaßnahmen einzuset- Empfänger zunächst bestritten wird.874 Im Fortgang zen.869 Schnell wird das Personal von den Baustellen der Angelegenheit klärt das Reichsluftfahrtministeabgezogen und für Rüstungsbauten eingesetzt. Am rium darüber auf, dass der GBI »in den Luftschutz­ 4. September 1939 fehlt ihm allerdings noch immer orten I. Ordnung, Berlin, Hamburg, München und der genaue Überblick, welche Baustellen schon still- Nürnberg den Ausbau von Öffentlichen [sic] Luftliegen. Er mutmaßt, dass vier Fünftel der Arbeits- schutzräumen und sonstigen Bauten des Sicherheitskräfte zu diesem Zeitpunkt schon mit »Luftschut- und Hilfsdienstes durchzuführen« hat.875 zumbau und anderen vom Generalfeldmarschall Speer wird im Bereich der Bunker entwerferisch gewünschten Arbeiten zur Luftverteidigung Berlins nicht tätig und gibt die Aufgabe ab. Dennoch wird eingesetzt sind«.870 Die Regelung der Kompetenzen das Bunkerbauprogramm wichtiger Teil der Tätigzu Beginn des Krieges ist nicht eindeutig, sodass es keit der GBI im Krieg und gerät auch in den Fozu Irritationen und Kompetenzüberschneidungen kus Hitlers.876 Er bestellt eine große Anzahl von kommt. Speer unterbricht etwa den Erweiterungs- Luftschutzbauten, deren Errichtung laut Todt gebau des Propagandaministeriums, den Fritz Todt in gebenenfalls auch zulasten anderer Berliner Bauten seinem Amt als »Generalbevollmächtigter für die geschehen müsse.877 Per Erlass vom 30. September Regelung der Bauwirtschaft« dagegen als kriegswich- 1940 ordnet nach Göring nun auch Hitler an, dass tig erklärt hat.871 Doch nicht alle Baustellen werden Speer auf dem Gebiet der Reichshauptstadt für den sofort stillgelegt. Vor allem die im Vergleich zu den Luftschutzraumbau zuständig sei. Der Erlass setzt Repräsentationsbauten material- und ressourcenspa- sich über das private Eigentum hinweg und erlaubt renderen Wohnbauten können zunächst in begrenz- Speer, jedwede geeignet erscheinende Art von Kellertem Umfang weiter ausgeführt und Innenausbauten raum in Anspruch zu nehmen. Zudem sollen »Luftvollendet werden.872 Rund 3.000 Arbeiter sind um schutzsonderbauten« mit Schlafgelegenheiten für je das Jahresende 1939 noch mit dem Bau von Woh- 100 Personen errichtet werden.878 Die Normierung

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spätestens durch Wolters’ Speer-Band bekannt gemacht (Wolters 1943, 11). Flagmeyer 2009, 313. BA R2/9206, Speer an Finanzminister, z. Hd. Geheimrat Reichler, 31.8.39, siehe auch: Dülffer/Thies/Henke 1978, 244. – Im Zuge der Kriegsvorbereitungen sollten Baustellen so gesichert werden, dass keine weiteren Unterhaltungsmaßnahmen nötig werden würden. Luftschutzbauten seien nach Möglichkeit im Zwei- oder Dreischichtbetrieb durchzuführen. Laut den »Erinnerungen« will Hitler über diese Anordnung erbost gewesen sein, sie letztlich aber akzeptiert haben (Speer 1969, 182). BA R4606/19, 126, Speer an Todt, 4.9.39. BA R2/27.458, 153, Aktenvermerk der Reichsbaudirektion, 17.10.39. – Speer genehmigt letztlich eine allmähliche Fortführung des sog. »Gartenflügels«, untersagt aber weiterhin

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den 3. Bauabschnitt, der Abrisse erfordert hätte. 872 BA R2/9206, Speer an Finanzminister, z. Hd. Geheimrat Reichler, 31.8.39. 873 BA R4606/55, Speer an Lippert, 14.12.39. 874 BA R2/9206, Speer an Finanzminister, z. Hd. Geheimrat Reichler, 31.8.39. 875 BA R2/9206, Geheime Kommandosache Reichsministerium der Luftfahrt an Reichsminister der Finanzen, 15.9.39. – Ausdrücklich ausgenommen wird der Selbstschutz der Zivilbevölkerung und der »erweiterte Selbstschutz« (BA R2/9206, Reichsministerium der Luftfahrt an Reichsminister der Finanzen, 15.9.39). 876 Siehe hierzu auch Arnold/Janick 2003, 33–35. – Friedrich Tamms setzte dabei in enger Zusammenarbeit mit Speer Hitlers Wünsche um (Arnold/Janick 2003, 56). 877 Arnold/Janick 2003, 34.

der Bauten und die Aufstellung eines Typenplanes soll die Umsetzung der Planungsziele ermöglichen. Große Erfolge können jedoch nicht erzielt werden. Optimistisch geht Speer in einem Vortrag im November 1941 immerhin davon aus, in »einigen Monaten« die gesamte Bevölkerung Berlins »trümmersicher« unterbringen zu können.879 Die Baupläne für die Bunker, die neben Aufenthaltsräumen 500 oder 2.500 Schlafplätze, jeweils in Sechsbettkojen – ähnlich Eisenbahnliegewagen –, bereitstellen sollen, seien »zum größten Teil nach Skizzen des Führers angefertigt« worden.880 Architektonische Gesichtspunkte oder Gestaltungsvorschriften für die Bunker hat es Speer zufolge nicht gegeben.881 Diese 1978 getroffene, aber einzig verfügbare Aussage zur Gestaltung der Schutzbauten wird schon allein durch den erhaltenen Bestand widerlegt, der sich in mindestens zwei Kategorien teilen lässt. In der Tat gibt es eine große Anzahl nach rein praktischen Erwägungen verwirklichter Zweckbauten, vor allem in Industrieund Bahngebieten882, denen der Wille nach dekorativer Gestaltung nur schwer zu unterstellen ist. Besonders im innerstädtischen Bereich dagegen werden jene Bauten errichtet, die dagegen sparsame Gliederungen zur Betonung von Lüftungsöffnungen und Eingängen oder Kranzgesimse auf kräftigen Konsolen zeigen.883 Zudem gibt es jene Bunker, besonders offensichtlich in Nürnberg, die gestalterisch in die Innenstädte integriert sind und über besonders gestaltete Fassaden sowie auch aus Tarnungsgründen

aufgesetzte Steildächer verfügen. Hinzu kommen als geschlossene Gruppe die großen Flaktürme in Berlin, Hamburg und Wien.884 Für viele Bunker gilt, dass ihnen neben der Schutzfunktion eine Rolle als Monument zugedacht wird. Im Krieg sind sie zunächst Zeichen für die Tatkraft des NS-Regimes, das gestalterisch aufgewertet auch nach dessen Ende an diesen gemahnt. Ob Bunkerbauten von der GBI selbst ausgeführt worden sind, kann aufgrund der Quellensituation an dieser Stelle nicht geklärt werden. Sicher ist, dass die GBI andere Stellen, etwa die Reichsbaudirektion Berlin, mit der Durchführung dieser Arbeiten beauftragt hat.885 Die Verwaltung der Luftschutzfragen in der GBI untersteht Gerhard Fränk. Ihm werden durch Speer die Entscheidungen Hitlers, beispielweise über Deckenstärken von Hotelbunkern und deren weitere Ausführung, oder auch dessen Anweisung zum Bau des Führerbunkers im Garten der Reichskanzlei zugeleitet.886 Neben dem Luftschutz ist Speer ab dem 3. September 1939 durch Göring beauftragt, mit allen Arbeitskräften die dringlichsten Rüstungsbauten der Luftwaffe auszuführen.887 Die sonstigen Bauvorhaben der Luftwaffe, etwa Flugplatzbauten, bleiben hingegen weiterhin in der Verantwortung der Baubehörde der Luftwaffe.888 Um die Aufgaben schnellstmöglich realisieren zu können, stehen Speer dazu die gleichen Vollmachten zur Verfügung, die er als GBI für Berlin erhalten hat.889 Er stellt die Arbeits-

878 BA R2/4513, Lammers zur Kenntnis an die obersten Reichsbehörden, 9.10.40. 879 BA NS18/1060, Notiz für den Parteigenossen Tiessler, 27.11.41. 880 BA NS18/1060, Notiz für den Parteigenossen Tiessler, 27.11.41. 881 BA N1340/525, Gustav-Hermann Seebold u. Wolfgang Werner, Interview Speer, 5.1.78. 882 Als Beispiel genannt seien hier die spitzen Schutztürme »Bauart Winkel«. 883 Ein Beispiel hierfür ist der Bunker in der Berliner Reinhardtstraße nahe des Bahnhofs Berlin-Friedrichstraße. 884 Noch bevor Hitler den Bau der angeführten Zivilschutzanlagen bestimmt hat, gibt er am 9.9.1940 die Anweisung zum Bau großer Flaktürme – letztlich klassischer Flakbatterien, die unter enormen Kosten in die Höhe gehoben wer-

den (Arnold/Janick 2003, 53/54). 885 BA R2/9206, Direktor Reichsbaudirektion an Reichsminister der Finanzen, 11.9.39. 886 BA R3/1507, 35, Führerbesprechung 18. Januar 1943. – Dort auch genaue Entscheidung zu Abmessungen, Betonstärken und der Bauausführung durch Piepenburg. Am 6./7.2.43 lässt Hitler durch Speer sein Einverständnis mit dem Bunkerbau in der vorgelegten Form an Piepenburg, Steffens und Fränk ausrichten (BA R3/1507, 47, Führerbesprechung 6. u. 7.2.1943). 887 BA R4606/19, 126, Speer an Todt, 4.9.39, siehe auch: Dülffer/Thies/Henke 1978, 244. – Nach Wolters ist er mit den gesamten Neu- und Umbauten der Luftwaffenrüstungsindustrie beauftragt (Wolters 1943, 11). 888 BA R4606/25, Speer an Todt, 24.8.41. 889 BA R43II/1188b, Göring an unbekannt, 10.10.39.

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kräfte der Großbaustellen in Berlin, Nürnberg und bauten in Berlin unter einer zentralen Leitung zu kosogar München zur Verfügung, Baustoffe hingegen ordinieren, plant er die Einrichtung einer »Obersten erhält er aus dem Kontingent der Luftwaffe.890 Vor Reichsbauleitung« im Rahmen seiner Dienststelle. dem Hintergrund des sich durch die Mobilmachung Walter Brugmann soll hierzu zum »Reichsbaurat« erverschärfenden Arbeitskräftemangels versucht Speer, nannt werden. Trotz gleichen Titels hätte er eine andie Arbeitskräfte der Großvorhaben zunächst zusam- dere Stellung als Roderich Fick gehabt, dennoch hätte menzuhalten und gegen Ansprüche anderer Dienst- ein zusätzlicher Reichsbaurat dessen Rang erheblich stellen zu verteidigen.891 Er geht im ersten Kriegs- geschwächt.897 Reichskabinettsrat Dr. Leo Killy setzt jahr noch von einem baldigen Kriegsende aus und allerdings durch, dass Brugmann nicht auf dem Erversucht daher, sein Personal für die zu erwartenden lassweg durch Hitler ernannt wird, da es sich um eine Großbauten zu sichern. Priorität haben dabei die rein interne Angelegenheit der Dienststelle handele. Neubauten der Oberkommandos der Wehrmacht Er kassiert zudem den Titel »Reichsbauleitung«, der (OKW) und der Luftwaffe (OKL) [WV 70].892 Ein nicht den Aufgaben entsprecheund wodurch es zu bis zwei Jahre nach diesen sollen dann die Staatsbau- Missverständnissen kommen könne.898 Möglich ist, ten für Hitler am Berliner Königsplatz – der Füh- dass Speer mit seiner Offensive Grundlagen schafrerpalast [WV 54] mit der Reichskanzlei – folgen.893 fen will für die später geplante, doch zum Scheitern Ende 1939 betreut Speer etwa 200 Rüstungsbau- verurteilte Einrichtung eines Beauftragten für Baustellen. Einige besonders dringliche sollen schon im kunst. Dies umso mehr, als er im April 1940 auch beApril des nächsten Jahres fertiggestellt sein. Inner- strebt ist, aufgrund seiner erweiterten Kompetenzen halb von nur sechs Wochen erhöht er seine Arbeiter- nur noch als »Generalbauinspektor« zu firmieren.899 zahl von 8.000 auf 52.000.894 Neben den ausführen- Letztlich bleibt ihm der Zusatz »für die Reichshauptden Bauarbeitern benötigt er auch Fachpersonal auf stadt« aber bis 1945 erhalten. In jedem Fall versucht Leitungsebene. Dazu zieht er zu diesem Zeitpunkt Speer sich auf diesem Wege seinen Machtbereich zu alle Bauleiter der Berliner Neugestaltung nebst Tief- sichern. Die positive Stimmung nach dem Sieg über bauamt und Reichsbahnbaudirektion heran.895 Da- Frankreich und die Wiederaufnahme der Bautätigbei unterschätzt er die Anforderungen, die durch den keit nutzend, startet er im November 1940 den VorKriegsverlauf auf ihn zukommen. Zu optimistisch stoß, sich von Hitler per Erlass zum Beauftragten für hofft er für 1940, wenn das Rüstungsprogramm am Baukunst ernennen zu lassen.900 Mit dem Sieg der deutschen Truppen über FrankLaufen sei, sich wieder vermehrt mit den Vorbereitungen für die Neugestaltung befassen zu können, reich ändert sich die Situation für Speer, der bis um die Planungen weitestgehend zu vervollständi- dahin mit Kriegsaufgaben befasst ist. Am 25. Juni gen, da er nach dem rasch erwarteten Kriegsende mit 1940 ordnet Hitler die Wiederaufnahme der Neueinem besonders hohen Bautempo rechnet.896 Um gestaltungsplanungen der fünf Führerstädte an.901 dann die Bauleitungen für die verschiedenen Groß- Dennoch gerät die Beschäftigung mit den Neupla890 891 892 893 894 895 896 897

BA R43II/1188b, Göring an unbekannt, 10.10.39. BA R4606/19, 126, Speer an Todt, 4.9.39. BA R3/1573, 4, Speer an Kühnell und Piepenburg, 28.8.40. BA R4606/56, 11, Speer an Bauleitung, 28.8.40. BA R4606/55, Speer an Lippert, 14.12.39. BA R4606/55, Speer an Lippert, 14.12.39. BA R4606/55, Speer an Lippert, 14.12.39. Fick hat in Linz eine eigene Dienststelle und ist direkt Hitler unterstellt, während für Brugmann keine neue Dienststelle eingerichtet werden soll. Er wäre weiterhin bei der GBI verblieben und auch nicht Hitler unterstellt,

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sondern Speer. Hitler hatte die Ernennung offenbar schon genehmigt (BA R43II/1188b, 23, unbekannt an Lammers, 21.2.40). 898 LArchB A Pr. Br. Rep. 107/54, Besprechung Dr. Killy und Prof. Hettlage, 29.2.40. 899 LArchB A Pr. Br. Rep. 107/54, Besprechung Lammers, Speer, Dr. Killy, Prof. Hettlage, Dr. Fränk am 13.4.40. 900 Siehe hierzu S. 97. 901 Erlass Adolf Hitlers, 25.6.40, abgedruckt bei Speer 1969, Abbildungsteil zwischen S. 192 und S. 193.

nungen aufgrund der Kriegslage zwangsläufig immer mehr in den Hintergrund. Bis Oktober 1941 unterliegen Speers Aufsicht schon 1.352 Rüstungsbauvorhaben.902 Das Ausmaß seiner Verstrickung in den Krieg wird auch anhand der Arbeiterzahlen deutlich, die er im Februar 1941 angibt, um weitere Einziehungen zur Wehrmacht zu verhindern. Demnach sind 90.000 Arbeiter mit Rüstungsbauten für die Luftwaffe befasst und 30.000 für den Bunkerbau in Berlin eingesetzt.903 Auch die Beseitigung von Fliegerschäden in Berlin obliegt seiner Dienststelle.904 Es erscheint als beinahe logische Konsequenz aus dem Arbeitspensum für die Rüstung, das er im Juli 1941 in einem Schreiben angibt, alle Arbeiten außerhalb Berlins und Nürnbergs niedergelegt zu haben, da er sich seinen kriegswichtigen Aufgaben widmen müsse. Ausnahmen seien Trondheim und Heidelberg.905 Auch wenn die Niederlegung vieler anderer Aufgaben durch den Kompetenzkonflikt mit Hermann Giesler motiviert ist906 und Speer gegenüber Bormann angibt, bei Absagen verschiedene Begründungen vorbringen zu wollen, um die wahren Umstände nicht publik werden zu lassen, erscheint diese Begründung stichhaltig. Die Absage an Paul Baumgarten, sich nicht mit der Neugestaltung Würzburgs zu befassen, ist dagegen ausschließlich durch den Streit mit Giesler motiviert und zeigt, dass Speer in der Tat einen deutlichen Schnitt vollzieht und seine Aufgaben reduziert.907 Kann sich Speer nach dem Sieg über Frankreich wieder stärker Baufragen zuwenden, ändert sich dies um den Jahreswechsel 1941/42 erneut. Zunächst 30.000 Mitglieder des Bau­stabs Speer werden einschließlich Bauleitungen mit sofortiger Wirkung 902 903 904 905 906 907 908

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Breloer/Hoffmeister 2005, 135. BA R4606/25, Speer an Schmundt, 26.2.41. BA R4606/25, Speer an Schmundt, 26.2.41. BA R4606/24, 180, Speer an Staatssekretär Karl Hermann Frank, Prag, 31.7.41. Siehe hierzu auch S. 23; 97. BA R3/1573, 73, Speer an Baumgarten, 3.12.41. BA R4606/82, Abschrift OKW Nr. 3907/41 geh. WFS/ Act.L II Org., FHQ. (Keitel), 27.12.41. – Der Einsatz erfolgt im Rahmen des Heeres zulasten des Kriegshaushaltes. Die Organisation Todt ist die größte Bauformation im NS-

dem Wehrmachtstransportchef für den Einsatz als Wehrmachtgefolge zur Verfügung gestellt.908 Hierbei ist gemäß den Erfahrungen der »Organisation Todt« (OT)909 vorgesehen, die »Baukräfte« geschlossen in Kolonnen einzusetzen.910 Sie sollen in ihrer bisherigen Personalzusammensetzung bestehen bleiben und auch jeweils ihre Geräte mitführen. Personal, das nicht im Osten gebraucht wird, soll während des witterungsbedingten Stillliegens der Baustellen zwar an Rüstungsbetriebe abgegeben werden, aber, damit es der GBI nicht verloren geht, im Beschäftigungsverhältnis bei den von ihr eingesetzten Baufirmen verbleiben.911 Da Speer, mittlerweile zum Rüstungsminister berufen, sich mit seiner ganzen Arbeitskraft auf die gewaltigen Kriegsaufgaben seines Ministeriums konzentrieren muss, stellt er Ende Februar 1942 alle anderen Aufgaben ein, delegiert sie soweit möglich an Mitarbeiter, obgleich er von diesen erwartet, dass auch sie sich in »erster Linie den Kriegsaufgaben des Generalbauinspektors widmen.«912 Immer enger wird die GBI durch die Personalunion der Leitung mit den Aufgaben des Rüstungsministeriums verknüpft. Per Erlass Speers ist sie ab April 1942 auch für den Lagerbau in Berlin zuständig und damit einmal mehr mit der Zwangsarbeit verquickt.913 Ein wesentlicher Grund für das Steckenbleiben des deutschen Vormarsches in Russland 1941 ist das Versagen des Nachschubs.914 Speer erhält persönliche Berichte aus erster Hand, die ihn mit den Mängeln des bestehenden Transportwesens an der Ostfront konfrontieren. Willi Schelkes dient dort in der SS und berichtet, dass er im Juli/August 1941 mehrfach in Sonderflugzeugen von der Ostfront nach Berlin geflogen sei, um für die stark überbean­

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Staat und geht unter der Führung Fritz Todts aus der Errichtung des Westwalls hervor. Siehe hierzu: Singer 1998. BA R4606/82, Abschrift OKW Nr. 3907/41 geh. WFS/ Act.L II Org., FHQ. (Keitel), 27.12.41. BA R4606/26, 4, Speer an »alle Baugruppenleiter«, 17.1.42. BA R4606/1975, Speer an Mitarbeiter GBI, 25.2.1942. – Zur Berufung zum Rüstungsminister siehe auch Kapitel ›Rüstungsminister (1942–1945)‹. Bräutigam 2003a, 37. Breloer/Zimmer 2006, 164 u. 165.

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spruchten Panzer seines Regimentes Ersatzteile zu Gesellschafter Karl Maria Hettlage, Wilhelm Nabesorgen, die dann mit Flugzeugen und Lastwagen gel921 und Speer in Berlin als GmbH gegründet.922 der Transportstandarte Speer an die Front geschafft Gegenstand des Unternehmens ist die Erledigung worden seien.915 Kerngebiet der Tätigkeit des Bau­ der mit der Neugestaltung Berlins zusammenhänstabs Speer sind deswegen zunächst Infrastruktur- genden Transportaufgaben. Zum einen betreibt es maßnahmen im Transportsektor. Eminente Bedeu- als Reederei eine Flotte von Binnenschiffen, zum tung hat aufgrund der teils äußerst schlechten, teils anderen obliegen ihm die Einrichtung und der Befehlenden Straßen vor allem der Eisenbahnbau in der trieb von Werften zum Bau und Unterhalt dieser Ukraine.916 Die Bahnstrecken dort sind essenziell für Schiffe.923 Oberster Dienstvorgesetzter ist Speer, der den Nachschub der Wehrmacht und den Abtrans- sich ein Eingriffsrecht in beliebiger Art und Weise port von Rohstoffen sowie Nahrungsmitteln für die vorbehält.924 Erster Geschäftsführer ist Nagel [Abb. Versorgung des Reiches. Im Januar 1942 ist Speers 97], dem ab April 1942 ein zweiter, technischer GePersonal vor allem damit befasst, provisorische Lok- schäftsführer zur Seite gestellt wird, der vor allem schuppen und Wasserbehälter zur Versorgung der für die Einrichtung einer Werft in Wismar zuständig Dampflokomotiven zu errichten. Speers Vorliebe für ist.925 Auf diese Weise ist Speer insofern in die Führung Rationalisierung lässt sich deutlich daran erkennen, dass er fertige Bausätze, die nach dem Muster der des Angriffskrieges eingebunden, als er bei der AusReichsarbeitsdienst-Baracken schnell montiert wer- beutung der besetzten Gebiete hilft und die Versorgung der deutschen Truppen gewährleistet, damit den können, versenden will.917 Die später im Osten eingesetzten Transporteinhei- diese ihre Kampfhandlungen fortsetzen können. ten hat Speer ursprünglich speziell für den Ausbau Speer handelt dabei nicht als Befehlsempfänger auf Berlins zur Bewältigung des enormen Transportbe- höhere Anordnung hin, sondern bringt sich aktiv ein darfs geschaffen. Ebenso wie sein Baufachpersonal und bietet den Einsatz seines Personals an. Erst »auf stellt er die leistungsfähigen Transportorganisati- Vorschlag des Generalbauinspektors« befiehlt Hitler onen »Transportflotte« und »Transportstandarte »den Einsatz von Baukräften des Bau­stabes Speer für Speer« jedoch bald für Unterstützungsdienste der Zwecke der Wehrmacht im Kriegsgebiet«.926 Speer ist Wehrmacht zur Verfügung.918 Die fünf Regimenter aber nicht nur an der Kriegsführung beteiligt, sonder Transportstandarte dienen dabei nicht nur bei dern auch an den Verbrechen des NS-Regimes. Die Spezialeinsätzen im Osten, sondern auch als reguläre Errichtung der »Durchgangsstraße IV«, die im RahNachschuborganisation der Luftwaffe an allen Fron- men der Infrastrukturprojekte der Erschließung der ten.919 So regelt die Transportstandarte Speer etwa Ukraine dienen und Richtung Kaspisches Meer fühden Nachschub nach Afrika.920 Die Transportflotte ren soll, stellt wohl den Prototypen für die Methode Speer wird am 23. August 1941 in Anwesenheit der der »Vernichtung durch Arbeit« dar.927 Explizit wird 915 Privatbesitz in Deutschland, Familienchronik. 916 Wolters 1943, 11. 917 Einleuchtendes Argument Speers ist, dass das nicht vorbereitete Holz zu viel Wagenraum beansprucht. Da die Transportprobleme erheblich sind, lässt er die bestellten 150 Schuppen und 100 Wasserbehälter so entwickeln, dass sie auf zwei (Schuppen) bzw. einem Güterwaggon (Behälter) untergebracht werden können (BA R4606/28, Speer an Brugmann, 28.1.42). 918 Transportstandarte und Flotte sind eng verzahnt und besitzen eine gemeinsame Kasse (LArchB A. Pr. Br. Rep. 107/ 141-5, »Geschäftsordnung der Transportflotte Speer«,

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15.4.42). Wolters 1943, 11. Breloer/Zimmer 2006, 125. Auch Will, bzw. Willi Nagel. LArchB A. Pr. Br. Rep. 107/141-5 ‑ Hettlage und Nagel übernehmen je 1.000 RM Stammeinlage, während Speer als Vertreter des Reiches 98.000 RM einlegt. In den ersten Entwürfen zum Gesellschaftervertrag sind noch 5.000.000 RM als Einlage vorgesehen. Diskutiert wird aus steuerlichen Gründen ebenfalls eine Gemeinnützigkeit der Flotte. 923 Aufgrund ihrer geschäftlichen Ausrichtung kann Speer die Flotte nicht nach dem Recht eines öffentlichen Betriebes 919 920 921 922

97 Albert Speer im Gespräch mit Wilhelm Nagel, um den Jahreswechsel 1944/1945

sie daher auf der »Wannsee-Konferenz« im Januar 1942 genannt. Die Anzahl derer, die den mörderischen Lebens- und Arbeitsbedingungen zum Opfer fallen, ist nicht mehr ermittelbar. Bis zur Einstellung der Bauarbeiten im Winter 1943/44 werden allein circa 25.000 Menschen bei Massenerschießungen getötet.928 Obschon die Beteiligung der Speer-Dienst-

stellen am Krieg bereits vor Beginn der Kampfhandlungen und auch im weiteren Verlauf nachgewiesen ist, sind bei flüchtiger Durchsicht seines GBI-Tageskalenders929 ­bemerkenswerterweise nur selten Termine zu finden, die direkt mit der Rüstung in Bezug zu bringen wären. Als Einschränkung bleibt hierzu festzustellen, dass diese Tagesprogramme in der Regel

führen, sondern muss sie als Betrieb der privaten Wirtschaft führen (LArchB A. Pr. Br. Rep. 107/ 141-5, Reichsarbeitsminister an Speer, 11.2.42). Die Gründung und der Betrieb der Transportflotte Speer führen in der Binnenschifffahrt anfänglich zu erheblicher Unruhe, vor allem wegen des Lohngebarens. Das Arbeitsministerium ist schließlich froh, dass sich die Flotte als Wirtschaftsbetrieb letztlich doch den Lohngestaltungsverordnungen unterzuordnen hatte ­(LArchB A. Pr. Br. Rep. 107/ 141-5). 924 LArchB A. Pr. Br. Rep. 107/ 141-5, »Geschäftsordnung der Transportflotte Speer«, 15.4.42. – Erst ein Dreivierteljahr nach der Gründung kann die Geschäftsordnung für die

Flotte verabschiedet werden. 925 LArchB A. Pr. Br. Rep. 107/141-5, Transportflotte Speer an Verovsek, Wismar, 17.3.42. 926 BA R4606/82, Abschrift OKW Nr. 3907/41 geh. WFS/ Act.L II Org., FHQ. (Keitel), 27.12.41. 927 Breloer/Zimmer 2006, 164 u. 165. 928 Willems 2002, 434. 929 Es existieren die Tagesprogramme Speers 1938–1941 (BA R4606/66–69). Diese sind stets in vier Rubriken (Vorgemerkte Termine, Erbetene Termine, Fällige Ferngespräche, Erinnerungen und Mitteilungen) gegliedert. Ausgefertigt werden diese getippten Terminübersichten in mehreren

Tätigkeit S peers und der GBI im Krieg  |   155

nur die Nachmittage umfassen. Die militärische Tätigkeit findet in Speers Terminkalender für 1939/40 kaum nennenswerten Niederschlag. Vielmehr werden die Bauprojekte anscheinend unbehindert weiterverfolgt.930 Speer trifft sich dazu mit Architekten und Planern, Dienstgrade oder militärische Stellen finden keine Erwähnung. Das Gleiche ist auch für die erste Jahreshälfte 1941 zu konstatieren. Verwaltungsfragen nehmen nun zwar durch den Verlauf des Krieges gegenüber den Bauprojekten mehr Raum ein, dennoch sind nur wenige offensichtlich auf das Militär bezogene Termine darunter. Auch der Luftschutz nimmt keinen großen Raum ein. Die Bunkerbauten stehen im Terminkalender ausschließlich in Verbindung mit dem Namen Tamms.931

Im Februar 1939 stehen beim OKL offenbar die wesentlichen Grundzüge fest, da aus dieser Zeit schon Entwürfe zum Innenraum existieren.935 Die Planungen werden aber 1941 noch einmal deutlich forciert und dauern bis mindestens April 1942 an.936 Bemerkenswert ist dabei ab Dezember 1940 der Wandel in der klassizistischen Linie. Deutlich wird dies insbesondere an den Fassaden der Höfe, während die Nordfassade zum Tiergarten hin mit sparsamerem Vokabular umgeplant wird. Ob auch die Hauptfassade zur Nord-Süd-Achse entsprechend modifiziert wird, bleibt unklar.937 Die Gliederung der Seitentrakte der Nordfassade wird nur marginal verändert. Da sie die Gliederung der Eckrisalite der Hauptfassade übernehmen und damit eine optische Überleitung darstellen, wäre es möglich, dass zugunsten eines einheitlichen klassizistischen Bildes B au pl a n u ng e n u n d A rc h i t e k t u r i n de r entlang der Achse auf eine Umplanung der HauptK r i e g sz e i t fassade verzichtet worden ist. Viele Bauplanungen, jedoch nicht nur Bauten Der Kriegsbeginn mit dem Angriff auf Polen im im direkten militärischen Zusammenhang, werden September 1939 hat für die Architekten der GBI um den Jahreswechsel 1939/40 modifiziert. Wie zunächst kaum Konsequenzen. Ein großer Teil der das Beispiel des OKL zeigt, werden auch weit fortBeschäftigten ist »UK-gestellt«932 und es wird an den geschrittene Planungen angepasst. Für Dezember begonnenen Projekten weitergearbeitet. Zur Vermei- 1940 sind hier die ersten Entwürfe nachzuweisen, dung des Eindrucks, die Planungen seien eingestellt die sich vermehrt, aber dennoch nicht stilrein kobzw. der Krieg bringe eine ungewollte Pause und pierend, an der Architektur der Renaissance oriLeerlauf in der GBI, wird sogar euphemistisch publi- entieren [Abb. 98  ; Abb. 99  ; Abb. 100]. Es werden ziert, der Krieg ermögliche durch die Unterbrechung Zitate der historischen Wehrarchitektur, wie Mader Arbeiten eine genauere Überarbeitung von De- schikulis unter dem Balkon und Bossenquader in tails und deren Erprobung an Modellen.933 Die teilweise geböschten Sockeln, aufgegriffen. Die Faserhaltenen Pläne und Korrespondenzen zeigen bis sade des OKL erinnert in ihrer Ornamentfülle an 1943 teils deutliche Veränderungen.934 Die stärksten Fantasiebauten des 19. Jahrhunderts wie das Schloss Umplanungen in den ersten Kriegsjahren lassen sich Neuschwanstein. Keine noch so kleine Fläche bleibt für das OKL [WV 70] und den Palast Hitlers [WV undefiniert oder leer. Dort, wo keine Halbsäulen oder andere Zierprofile aufgelegt sind, ist der Fu54] belegen. Durchschlägen. Nicht immer aber ist derjenige, den Speer mit Notizen etc. versehen hat, erhalten. Auf diesen Bögen bekommt Speer auch einen Überblick über den eingegangenen Schriftverkehr und die zu führenden Telefongespräche. Verfasser der Programme ist offenbar Will Nagel. Einen Termin bei Speer zu bekommen ist offenbar nicht leicht. Viele Termine sind lange vorgemerkt – auch viele rein architektonisch-gestalterische, bei denen dringendes Interesse von Speer zu erwarten gewesen wäre. Ob sich Speer auf dem

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Obersalzberg oder in Berlin aufgehalten hat, geht aus den Tagesprogrammen in den seltensten Fällen hervor. 930 BA R4606/66–69. Einen seltenen Hinweis auf einen dezidiert mit der Kriegswirtschaft verbundenen Termin gibt ein Schreiben an den Wiener Künstler Gustinus Ambrosi. Speer teilt ihm mit, Anfang September für 1 bis 2 Tage wegen wichtiger Rüstungsaufgaben, die er nicht näher spezifiziert, nach Wien zu kommen, um bei dieser Gelegenheit auch gestalterische Fragen mit ihm zu klären (BA R3/1571, 34,

98 Albert Speer, Fotografie des Palazzo Vecchio, Florenz, 1938

99 Albert Speer, Fotografie des Palazzo Pitti, Florenz, 1938

genschnitt der Werksteinverkleidung ornamental Das OKL ist ein ausgesprochen aufwendig gestalaufgefasst. Eine derart plastische Durchgliederung tetes Gebäude. Im Vergleich mit den noch nicht der Fassade mit Ausluchten und Risaliten, die ih- lange vollendeten Bauten von Sagebiel oder Wolff, rerseits vor Rücklagen stehen, ist kaum noch mit aber auch mit Speers Neuer Reichskanzlei wird die den Entwurfsprinzipien Troosts in Einklang zu Erweiterung des Formenvokabulars sehr deutlich. bringen. Der signifikanteste Unterschied zu den Noch offensichtlicher ist sie bei der Betrachtung des Bauten Troosts in München besteht darin, dass sich geplanten Wohn- und Regierungssitzes für Hitler dieser auf den konsequenten Einsatz einiger weni- gegenüber dem Reichstag. Dieser wäre das mit Abger Formen konzentriert, während Speer sich eines stand am reichsten gestaltete Gebäude der Reichswesentlich umfangreicheren Spektrums bedient. hauptstadt geworden. In den ersten Planungen von Die Verbindung zum reduzierten Klassizismus be- 1937 ist der Bau noch vergleichsweise schlicht, doch steht aber dennoch fort. Weiterhin kommen nicht sind bestimmte Grundcharakteristika wie die zen­ die kanonischen Säulenordnungen zur Anwendung, trierte Rundbogendurchfahrt und die Säulenstellung sondern nur Versatzstücke. Auch die Symmetrien schon angelegt. In den ersten Kriegsjahren wird die und die Gestaltung der Baublöcke stehen nach wie Planung offenbar besonders vorangetrieben. Die Bezüge zur Renaissance sind im Vergleich zum OKL vor in der Nachfolge Troosts. Speer an Gustinus Ambrosi, 7.8.41). 931 BA R4606/69. 932 D. h, sie sind als »unabkömmlich« vom Wehrmachtsdienst befreit. 933 Petersen 1942. 934 Beispielsweise beim Theaterplatz, der, wie Speer Baumgarten mitteilt, in letzter Zeit leider so oft umgestaltet worden sei. Die Planungen laufen zu diesem Zeitpunkt noch, denn die Gestaltung ist nicht festgelegt (BA R3/1573, 74, Speer

an Baumgarten, 15.10.41). 935 BHStA Rp. Sp. Pl. 1594 vom 16.2.39 zeigt die detaillierte Planung eines Nebenraumes zum großen Festsaal. 936 BHStA Rp. Sp. Pl. 1323, datiert 2.4.1942. 937 Der Planbestand ist äußerst umfangreich, umfasst aber nicht alle Bauteile in allen Planphasen.

B aupl a nungen und A rchitektur in der K riegszeit   |  157

100 Albert Speer, Berlin, OKL (WV 71), Hofansicht, datiert 28.6.1941

geringer. Doch wirkt jenes, von Hitler mit Sicherheit zustellen sind wie beim OKL, finden sie sich hinaus Gründen der Hierarchie beabsichtigt, gegenüber gegen bei anderen Entwürfen am Ende der 1930erdem Palast beinahe schlicht. Ungegliederte Flächen Jahre. Somit steht es im Werk Speers nicht isoliert gibt es auch hier nicht. Vielmehr bedient sich Speer da. Vielmehr zeigt sich Speer wiederholt als reiner ausgiebig am klassizistischen Formenvorrat. Um je- Historist, der Stilformen in ein festes Gehäuse von doch den Rang des Palastes gegenüber den anderen strukturellen Elementen adaptiert. In diesem Fall Bauten überhaupt noch hervorheben zu können, ist es die Renaissance, die Pate steht, bei der Reichsist er dazu gezwungen, die architektonischen Wür- kanzlei ist es der Barock. Durch die Einbindung von deformen beinahe inflationär einzusetzen, wie die Wehrbauzitaten wird beim Märzfeld ein an historiDoppelsäulen der Kolonnade und die Vierfachpilas- sche Wehrbauten erinnernder Eindruck erzielt, der ter des überhöhten Mitteltraktes zeigen. Nur durch aufgrund des Verwendungszwecks erwünscht ist. Hinzunahme von historischen Formen ist eine archi- Nahezu gleichzeitig mit dem OKL unterzieht Speer tektonische Hierarchisierung und Differenzierung in sein Villenprojekt auf Schwanenwerder einer funder riesigen Gesamtplanung zu erreichen. damentalen Umplanung. Wie bereits beschrieben Während die Wehrbau- bzw. Renaissancebezüge wurde, wird dessen Baukörper blockhafter, gedrunbeim Palast Hitlers nicht im gleichen Ausmaß fest- gener und weist Elemente von Triumphbögen und 938 Ausführliche Schilderung der Romreise Hitlers bei Scobie (Scobie 1990, 23–32). Auch in Nürnberg existiert zu dieser Frage keine Korrespondenz. Trotzdem ist beim Kongresshallenbau offensichtlich, dass die Umplanungen, die zu ei-

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ner dekorativen Bereicherung und stärkeren Rückbezügen auf Antike und Renaissance führen, zeitlich eng mit Hitlers Reise nach Italien im Mai 1938 zusammenhängen (Tesch 2005, 77–85).

101 Bilder der Reise nach Italien. Betitelungen  : »Speer im Kompressor vorneweg«, »Frühstück« und »Speer nebst Gattin auf dem Forum Romanum in Rom«

Kastellen auf [Abb. 92]. Die Gründe für diese Weiterentwicklungen innerhalb des Planungsprozesses sind nicht überliefert. Neben einem Ausdruck von Wehrhaftigkeit als allgemeiner Reaktion auf den Krieg, der nicht zuletzt zu historisierend verkleideten Luftschutzbauten in Innenstädten führt, sind mögliche Einflussfaktoren der persönliche Geschmack des OKL-Bauherrn Hermann Göring, aber auch die Italienreise Hitlers 1938, die in Nürnberg nachweislich Umplanungen nach sich zieht.938 Im selben Jahr, jedoch von Hitler unabhängig, reist auch Speer durch Italien. Die zweiwöchige Autorundreise im Oktober 1938 dient nachweislich dem Zweck, Vorbilder der italienischen Architektur zu studieren [Abb. 101]. Offensichtlich wird dies an den Bildern, die Speer und Willi Schelkes auf der ge-

meinsamen Reise aufnehmen. Gezielt haben sie die Hauptwerke der Renaissance abfotografiert.939 Das erhaltene Fotomaterial ist reichlich und zeigt eine Konzentration auf Detailformen wie Sockel oder Gesimse [Abb. 102  ; Abb. 103  ; Abb. 104]. Diese bieten

939 Die Reise, bei der auch Speers Gattin sowie der Bauinge­ nieur Wilhelmi aus der GBI mitfahren, führt von München über Meran nach Verona, Padua, Vicenza, Ferrara, Ravenna, Rimini bis Urbino. Ein Besuch in Rom ist zunächst nicht

vorgesehen, wird aber spontan ins Programm aufgenommen. Über Orvieto, Viterbo, Siena, San Gimignano, Pisa, Florenz, Bologna, Bozen und den Brenner geht es nach Berchtesgaden zurück (Privatbesitz in Deutschland, Familienchronik).

B aupl a nungen und A rchitektur in der K riegszeit   |  159

102 Albert Speer, Fotografie eines Mauerwerksdetails am Palazzo Pitti, Florenz, 1938

103 Albert Speer, Fotografie einer unbezeichneten Tür, Florenz (?), 1938

sich für die Verwendung an den Bauten der Neugestaltung Berlins an, da sie in unzähligen Varianten vorhanden sind und frei in den Proportionen angepasst werden können. Viele dieser Motive finden sich in der Folge auch in den Entwürfen Speers wieder. Schon am Atelier für Thorak rezipiert er Renaissanceportale.940 Insbesondere aber die späten Planungen für das OKL verweisen mit einer Vielzahl von Versatzstücken auf die italienische Palastbaukunst. Zweck der Monumentalbauten ist die Repräsentation. Teilweise mühsam werden die Bauten so gut es eben geht an eine Nutzung durch Dienststellen oder

Firmen angepasst. Die Funktion steht beim Entwurf nicht an erster Stelle. Im Krieg sieht sich Speer daher dem Vorwurf ausgesetzt, dass der Entwurf mancher Gebäude im Wesentlichen von der Fassade ausgehe und erst in zweiter Linie vom Grundriss. Entschieden verwahrt er sich in einem Zeitungsartikel dagegen. Vielmehr seien alle Bauten als Einheit zu sehen. In dem Moment, da der Bleistift aufs Papier gehe, müsse beides, Grundriss und Fassade, Gestalt angenommen haben.941 Die Diskrepanz zwischen Innen und Außen oder zwischen Funktion und Gestaltung ist damals aber bekannt – sowohl bei den Architek-

940 BHStA Rp. Sp. Pl. 2206, datiert 25.3.1938. 941 BA R58/8031, Petersen, Jürgen: Albert Speer. Über einen deutschen Baumeister, in: Das Reich, 2, 11.1.42. 942 BA R4606/3321, Protokoll vom 6.3.1940 ‑ Die Gauanlage in Frankfurt/Oder ist zwar keine Planung des Büros Speer, jedoch ist er in die Planung involviert.

943 Wolters 1929, siehe dazu auch: ders., in: Baugilde. Jg. 12. 1930, H. 5. 944 BA R4606/29, 9, Speer an Reichsverkehrsministerium, 23.7.37. – Noch deutlicher wird die Rangfolge im Sitzungsprotokoll vom Vortag. »An erster Stelle steht die Architektur, an zweiter der Verkehr, an dritter der Betrieb.« Deutlich

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ten als auch bei den beaufsichtigenden Stellen. Für die Gauanlage in Frankfurt an der Oder bestimmt Speer, es müsse »zunächst die Umbauung des Platzes gelöst werden  ; dabei soll [Architekt] Mehrtens sich nicht an Raumprogramme halten, sondern umgekehrt nach der baulichen Gestaltung feststellen, was unterzubringen sei.«942 Der Vorwurf ist demnach also nicht unberechtigt. Von Anfang an ist dieses Vorgehen ein Merkmal der Neugestaltungsplanung. Man könnte annehmen, dass die Form, zumindest bei wichtigen Bauten für die Infrastruktur, entscheidend von den betrieblichen Notwendigkeiten des Verkehrs und damit zusammenhängenden Aufgaben bestimmt wird. Die entsprechende Sachkenntnis ist in der GBI vorhanden, da Wolters über die Gestaltung von Eingangsgebäuden großer Fernbahnhöfe 104 Albert Speer, Fotografie des Palazzo dei Diamanti, promoviert hat.943 Betreffs des Südbahnhofs teilt Ferrara, 1938 Speer dem Reichsbahndirektor 1937 mit  : »[…] der wichtigste Zweck des Bahnhofes ist, architektonisch überragende Eingangshalle für die Reichshauptstadt veränderte Nutzungsbedürfnisse, z. B. bei Aufnahme zu sein. […] Verkehr und Betrieb haben sich dem ar- neuer Forschungsgebiete, kaum noch möglich seien. chitektonischen Zweck unterzuordnen. Dass Verkehr Die Schwierigkeiten einer rationellen, praktischen und Betrieb eine erstklassige Lösung bekommen, ist Nutzung des Baus werden dezidiert im Zusammenkeinesfalls das Wichtigste [sic] sondern lediglich eine hang mit der Monumentalarchitektur gesehen, da es »für die Durchführung der Bauanlage naturgeSelbstverständlichkeit.«944 Dass dieses Vorgehen die spätere Nutzung erschwe­ mäß manche Schwierigkeiten [bringt], wenn es gilt, ren würde, ist bekannt. In einem internen Doku- Raumbedarf und Zweck mit der symmetrischen Moment des Finanzministeriums zum Fall der Wehr- numentalarchitektur in Einklang zu bringen.«946 technischen Fakultät wird offensichtlich, dass die Die für den Außenbau festgestellten Bereicherunäußere Gestaltung »rein symmetrisch angenommen gen gegen Ende der 1930er-Jahre lassen sich auch an und auf rein monumentale Wirkung berechnet« und den Innenraumplanungen Speers feststellen. Auch daher nicht funktional von innen aus der Zweckbe- hierfür ist die Neue Reichskanzlei ein prägnanstimmung der einzelnen Institute heraus entwickelt, tes Beispiel mit Bindegliedfunktion, bei dem noch »sondern bewußt über die innere Raumeinteilung nicht alle Elemente auftauchen, die zu Beginn der gestellt und dem eigentlichen Raumbedürfnis nicht 1940er-Jahre zu finden sind, wohl aber die Grundunter-, sondern übergeordnet«945 ist. Dem gesamten züge erkennbar sind. Das Formenspektrum erweitert Bauvorhaben wird sogar die Zukunftsfähigkeit ab- sich und die glatte, undefinierte Wandfläche wird gesprochen, da Erweiterungen und Anpassungen an zunehmend verdrängt. Die Wände erhalten eine wird an gleicher Stelle auch, wie Speer seine Planungshoheit verteidigt, denn »… Form und Ausbildung des Bahnhofs werden von mir allein bestimmt. […] Sollte die Reichsbahn nicht in der Lage sein die Aufgabe zu meistern, so werde sie von anderen Männern gelöst, die er, Speer, selbst bestimme.« (BA R4606/58, 196).

945 BA R2/457, Bericht Dr. Kollmann, 27.5.40. 946 BA R2/457, Bericht Dr. Kollmann, 27.5.40. – Weiter werden in dem Schreiben die hohen Kosten bemängelt, unter anderem jene für Modellbauten im Maßstab 1 : 1.

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105 Albert Speer, Berlin, Großer Platz (WV 48), Eckpavillon des Verbindungsbaus zwischen Großer Halle und Führerpalast, undatiert, wohl August 1940

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106 Albert Speer, Berlin, OKL (WV 71), großer Festsaal mit Vor- und Nebenhalle, datiert 29. August 1941

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107 Albert Speer, Berlin, Neuentwurf Empfangssaal der Neuen Reichskanzlei (WV 67), datiert Oktober 1940

108 Albert Speer, Berlin (WV 46), Empfangssaal der Reichskanzlei, 1939

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109 Albert Speer, Berlin, OKL (WV 71), Schnitt Treppenhalle, datiert 7.9.1941

stärkere Reliefierung durch verstärkte Anwendung gestaltet [Abb. 108]. Die Wände sind in große Felder von Vor- und Rücklagen sowie flachen Blendnischen. gegliedert, die voneinander durch schlichte aufgeEin vorher von Speer und ganz allgemein auch in legte Bänder geschieden werden. Über den Feldern der NS-Architektur nie in dieser Art verwendetes verläuft ein hoher Fries mit kleinen Rechteckfeldern, Element sind Figuren, die in meist rundbogigen der nach oben durch ein reich gestuftes Gebälk mit Nischen stehen und so der Wand eine tiefe Dreidi- Zahnschnitt abgeschlossen wird. Darüber schließt mensionalität verleihen. Die für den Außenbau zu sich die Voute der Decke an, die ihrerseits durch eine konstatierende Häufung von Baugliedern ist somit dreifache Stufung vom Deckenspiegel getrennt ist. ebenfalls bei der Innengestaltung festzustellen [Abb. Kaum ist der Empfangssaal vollendet, wünscht 105]. Noch stärker als außen bildet Speer förmlich Hitler einen Neubau. Für den Entwurf des »Neuen Ansammlungen von Säulen um Pfeiler und vor Empfangssaals« [WV 67] bedient sich Speer deutWandflächen [Abb. 106]. lich ungezwungener als zuvor am klassizistischen Exemplarisch kann am Empfangssaal der Neuen Formenvorrat [Abb. 107]. Der ehemals schlicht Reichskanzlei der Wandel der Innengestaltungen rechteckige Raum wird durch reichlichen Einsatz Speers dargelegt werden. Der 1939 fertiggestellte von vor der Wand auf hüfthohen Postamenten steEmpfangssaal ist in seiner Gesamtkonzeption, auch henden Doppelsäulen rhythmisiert. Statt flacher im Vergleich zu den sonstigen Räumen, die auf dem Blockrahmen um die Türen kommen nun solche mit offiziellen Weg zu durchqueren sind, zurückhaltend Felderung und gestuftem Gebälkstück, auf dem ein

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Wappenschild angebracht ist, zum Einsatz. Die Supraporten über den Durchgängen, vorher gestalterisch nicht von den übrigen Wandfeldern abgegrenzt, sind nun ebenfalls durch eine doppelte Rahmung hervorgehoben. Glatte Wandflächen spielen bei dieser Planung keine Rolle mehr. Die Bereiche hinter den Doppelsäulen und über den Türen sind mit Werkstein verkleidet, die Bereiche dazwischen mit einer kleinteiligen Feldergliederung, möglicherweise aus Holz. Auch die Decke wird wesentlich aufwendiger gestaltet und präsentiert sich über dem reich gegliederten, mit Karnies und Zahnschnitt versehenen Kranzgesims als vielfach gestufte Kassettendecke. Ist die Neue Reichskanzlei an sich schon Ausdruck des

Großmachtstrebens Hitlers, ist die Neugestaltung des Empfangssaales dessen Fortführung. Die Kriegspläne bedingen eine weitere Steigerung von Hitlers Repräsentationsansprüchen. Dennoch ist auch dieser Umbau nur ein weiterer Zwischenschritt auf dem Weg zum Führerpalast, der der endgültigen Selbstdarstellung dienen soll. Im Vergleich mit Außenbau und Innenausstattung der Neuen Reichskanzlei wird bei den Folgebauten die gleiche Bereicherung des Formenapparats deutlich. Die übermäßige Ausstattung der Innenräume mit Bauornamentik hat ihre Wurzeln jedoch weniger im zurückhaltenden Berliner Klassizismus der Schinkelzeit, sondern rekurriert auf Vorbilder um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Besonders das Innere des Brüsseler Justizpalastes, den Speer besichtigt hat, zeigt die Richtung an, in die sich seine Innengestaltungen immer stärker entwickeln. Die Entwürfe zeigen im Verlauf des Krieges zunehmend eine überbordende Formenfülle [Abb. 109  ; Abb. 110], die bei einem anderen Ausgang des Krieges schließlich die Repräsentationsbauten ersten Ranges geprägt hätte. Trotz Dekorzunahme hätten die Fassaden ihren schweren, massiven Charakter nicht verloren und daher in Kontrast zur Innenausstattung gestanden. Wenn auch eleganter und weniger massiv, ist trotz der reichen Ausstattung jedoch auch für die meisten Innenräume keinesfalls ein leichter Eindruck angestrebt. Verstärkt worden wäre dies durch die Farbgestaltung. Analog zu ausgeführten Innenräumen Speers wie in der Reichskanzlei und der Ehrenhalle der Zeppelintribüne wird auch hier ein schwerer, quasisakraler Eindruck angestrebt worden sein. Damit besteht ein Bezug zur Ausstattung von Hitlers erstem Parteibau, dem Braunen Haus in München.947 In den Entwürfen dominieren daher Werksteinverkleidungen in kräftigen, gedeckten Farben. Speer arbeitet bei der Innenraumgestaltung noch stärker

947 Siehe hierzu: Nüßlein 2012, 86. 948 BA R4606/64, Protokoll Nr. 845 vom 7.8.41. 949 Dies ist kein Widerspruch zur Einstellung der Bahnplanungen durch Verkehrsminister Dorpmüller im Dezember

1941, weil von der Einstellung die fünf Führerstädte ausdrücklich ausgenommen sind. 950 BA R4606/82. 951 Privatbesitz in Deutschland, Schelkes an Reichelt, 2.7.84. –

110 Joseph Poelaert, Brüssel, Innenaufnahme Justizpalast

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historisierend als im Außenbau. Er greift auf überdimensionierte offene Kamine, steinverkleidete und stukkierte Wände bzw. Decken oder sogar Gobelins zurück. Auch seine Möbelentwürfe zeigen eine deutliche Anlehnung an die Vergangenheit. In Räumen privateren Charakters sind dabei oft Anleihen an das Biedermeier zu finden, während er ansonsten in der Nachfolge Troosts mit rechtwinkligen Stufungen und schweren, massiven Profilen arbeitet und reichlich Intarsienarbeiten verwendet. Obschon die Entwurfsarbeiten im Privatbüro fortgeführt werden, verschiebt sich der Tätigkeitsschwerpunkt Speers stetig. Die immer stärkere Entfernung von der Rolle als Architekt beginnt nicht erst mit der Ernennung zum Rüstungsminister, sondern spätestens in der zweiten Jahreshälfte 1941. Letztmalig am 7. August 1941 weisen die GBI-Protokolle eine Sitzungsteilnahme Speers nach.948 Ohnehin wandelt sich im Laufe des Jahres 1941 der Inhalt der Protokolle deutlich. Es werden keine architektonischen Fragen mehr erörtert, nur noch Grünplanung, Verwaltungsfragen und verstärkt Eisenbahn- bzw. allgemein Verkehrsplanung.949 Somit werden vorwiegend jene Grundlagen vorbereitet, ohne die ein schneller Baufortschritt bei Wiederaufnahme der Arbeiten nicht möglich gewesen wäre bzw. bei denen ein erheblicher Abstimmungsbedarf vor Baubeginn nötig ist. So wird unter anderem die Grünplanung vorangetrieben und auch teilweise schon umgesetzt. Zum einen kann die Wuchsgeschwindigkeit der Bäume und Gehölze nicht gesteigert werden, viel wichtiger ist aber, dass zum anderen kaum kriegswichtige Ressourcen in Anspruch genommen werden. Die Kriegsereignisse selbst bringen Speer nur wenig zusätzliche Arbeit im Bereich der Architektur. Ein direkter Bezug ist beim Bau des Führerhauptquartiers in »Ziegenberg« [WV 72] und des Feldquartiers für Joachim von Ribbentrop auf Schloss Kransberg [WV 73] gegeben. Auch bei den beiden letzten

nachweisbaren Projekten, um die sich Speer vor der Ernennung zum Rüstungsminister noch intensiv bemüht, besteht eine direkte Verbindung zum Krieg. Im Herbst 1941 zieht Speer den Entwurf für die Grabmäler des Generalobersten Eugen Ritter von Schobert [WV 76] und von Ernst Udet [WV 77, Abb. 95] an sich. Bei den letzten Entwurfsarbeiten, die nachweisbar im Privatbüro betrieben werden,950 handelt es sich hingegen um private Bauprojekte Speers, darunter im August 1942 die Planungen für seinen Landsitz in Altranft [WV 75]. Obwohl es sich allein um eine Privatangelegenheit handelt, wird dabei augenscheinlich nicht eindeutig zwischen der GBI und dem Privatbüro getrennt. Letzteres zeichnet zwar sämtliche Pläne, die GBI ist aber mit ihren Kapazitäten in die Durchführung involviert. Willi Schelkes ist zudem in die Planung der Gartenanlage eingebunden.951 Das Anwesen soll in beherrschender Stellung auf einem markanten Hügel am Rande des Stadtforstes von Freienwalde zwischen dem Dorf Altranft und dem Abfall zum Oderbruch errichtet werden [Abb. 111].952 Der Entwurf für Altranft ist ein weiteres Beispiel der Selbstdarstellung der NS-Elite. Speer stellt sich damit in eine Reihe mit Göring und dessen Nachahmern.953 Göring hat sich bereits 1933 auf seinem Landsitz in Szene gesetzt.954 Mit dem Burgbzw. Schlossmotiv hebt Speer sich aber weit über die »Landhäuser« und »Bauernhöfe« der Konkurrenten hinaus und zitiert die Ikonografie des Adelssitzes, um mit diesem Bau seine Stellung in der Hierarchie des Regimes deutlich sichtbar zu untermauern [Abb. 112]. Zum Zeitpunkt der Planfertigung ist er, erst vor einem halben Jahr zum Rüstungsminister aufgestiegen, auf dem Weg zum Höhepunkt seiner Macht, was zweifelsohne auch seinen baulichen Ausdruck finden soll. Speer entwirft keine stilreine Burg, sondern greift sich aus Schloss- und Villenbau benötigte Elemente

Die Baumodelle für Altranft werden in Räumen der GBI gelagert (BA R3/1663, 12, Liste in den Modellhallen am Reichstag verbrannter Modelle). 952 Privatbesitz in Deutschland, Schelkes an Reichelt, 2.7.84.

953 Goebbels besitzt einen Landsitz am Bogensee, Außenminister Ribbentrop Gut Sonnenberg ganz in der Nähe von Altranft. 954 Knopf/Martens 2003, 25.

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111 Albert Speer, Altranft (WV 75), Lageplan, undatiert, mit Eintragung der vorhandenen und zu pflanzenden Gehölze

heraus. Der eklektizistische Ansatz bei der Verknüp- »Überakzentuierung« regionaltypischer Details, die fung der Burgmotivik mit klassizistischen Elementen dennoch meist mit einer Simplifizierung der Gestalzeigt sich vor allem in den Detailformen, aber auch tung einhergeht, um gerade bei landwirtschaftlichen im direkten Bezug zur Antike durch die Abwandlung Bauten einen heroisierenden »Blut-und-Boden-Eindes Burghofes zu einer Art Atrium. Hinzu kommt druck« zu erzeugen. Vielmehr scheint sich Speer die Anlehnung an die Ruinenarchitektur der späten hier an einem künstlichen Weiher eine Art perfekte Barockzeit in Form des auf zwei überdimensionier- Landromantik zu schaffen. Der Komplex wäre dabei ten Säulen ruhenden Gebälkstückes seitlich der Ter- sichtbar ein Fremdkörper im Oderbruch geblieben, rasse. Die geplante Einbettung in eine natürlich wir- da Speer einen Bautypus aus seiner süddeutschen kende, aber sorgsam geformte und gestaltete Natur Heimat aufgreift und die großzügige Verwendung als Kontrast zur formalisierten Architektur schafft von Werkstein – ein im Oderbruch gänzlich untypisches Material – eher an landwirtschaftliche Bauten einen Bezug zum englischen Landschaftsgarten. Der zugehörige Bauernhof [WV 78  ; Abb. 113] ist des Odenwaldes denken lässt. weitgehend historisierend gestaltet und gibt dem BeNeben der Arbeit an diesen Einzelprojekten betrachter kaum Anhaltspunkte für eine Datierung in fasst sich Speer auch weiterhin mit Bauten im gandie 1940er-Jahre. Es fehlt selbst die charakteristische zen Reich und den damit zusammenhängenden Pro-

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112 Albert Speer, Altranft (WV 75), Ansicht, datiert August 1942

113 Albert Speer, Altranft, Bauernhof Gut Speer (WV 78), undatiert, wohl 1942

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blemen. Im Verlauf des Krieges wird evident, dass die Ressourcen selbst nach siegreichem Ausgang des Angriffskrieges keinesfalls für die Durchführung aller geplanten Vorhaben reichen werden. Anfang 1941 zählte Speer 41 Städte auf, die neu gestaltet werden sollen.955 Schon ein Jahr zuvor hat er erfolglos versucht, bei Lammers eine Beschränkung auf die von Hitler bevorzugten Städte Berlin, Hamburg, Linz, München und Nürnberg zu erreichen. Während Lammers vor allem finanzielle Bedenken treiben, sieht Speer schon damals seine eigenen Werke durch Material- und Personalmangel gefährdet.956 Erschwerend, führt er an, kommen zu diesem Zeitpunkt die für Speer bereits absehbaren Anstrengungen für den Wiederaufbau der bombenzerstörten Städte und die zunehmend dringlichere Wohnungslage hinzu.957 Um die vorhandenen Ressourcen zu bündeln und auf seine Kernprojekte zu konzentrieren, argumentiert Speer im August 1941, dass die hervorragenden Architekten des Reiches durch seine Planungen gebunden seien und die beinahe obsessiv betriebenen Planungen der Gauleiter in ihren Regionen nur künstlerisch minderwertige und städtebaulich ungenügende Ergebnisse hervorbringen könnten.958 Der vorgebliche Zweck seiner Bemühungen ist, die reinen »Schubladenplanungen« untergeordneter Städte zu unterbinden und deren Personal dem Kriegseinsatz zuzuführen. Der dadurch auflaufende Planungsrückstand bei derartigen Projekten, so das Kalkül, würde ihm Gelegenheit geben, mit der Vorlage baureifer Projekte Fakten zu schaffen und damit seinen Einflussbereich weiter auszudehnen. Deswegen fordert er auch unverblümt eine »gewisse Rangordnung für die vielgestaltigen Aufgaben der Nach-

kriegszeit […], wobei der Vorrang der Aufgaben in den fünf Führerstädten vor allen übrigen ähnlichen Maßnahmen […] nochmals eindeutig festgelegt […]«959 werden soll. Diese Auffassung vertritt er auch nach außen sehr deutlich und erweckt dadurch bei den Gauleitern sicher keine Sympathien. Das Motiv Speers bei seiner Abwertung der Gau­ stadt­planungen ist die Sicherung der vorhandenen Arbeitskräfte und Ressourcen für seine repräsentativen Planungen in Berlin. Jedoch kann er alleine den Gauleitern nicht begegnen und sucht sich naheliegende Verbündete. Dem Münchener Oberbürgermeister Karl Fiehler schreibt er im November 1941  : »Die Auswucherungen des neuen deutschen Städtebaues, so wie er sich gelegentlich in der Phantasie einfallreicher [sic] Zeitgenossen ausnimmt, sollte nach meinem Dafürhalten schon jetzt in aller Ruhe und Klarheit entgegengetreten werden. Was aller Orten geplant wird, ist zu seinem beachtlichen Teil weder sachlich nötig noch künstlerisch wertvoll.«960 Weiter teilt er ihm mit, er sei der Meinung, dass allgemeine Fragen des Städtebaus, außer die fünf Führerstädte betreffend, zu denen auch München zählt, im Augenblick nicht zu stark betrieben werden sollten, und bietet Fiehler damit einen Bund gegen die Gaustädte an. Die Begründung unterscheidet sich nicht stark von der, die er schon Lammers gegenüber angeführt hat. Nachkriegsaufgaben im Wohnungsbau seien momentan sicherlich wichtiger als repräsentativer Städtebau, schreibt Speer, der mit dieser vorgeschobenen Begründung seine eigenen Bauvorhaben sichern will.961 Deren Durchführung wird jedoch zunehmend unrealistischer. Nach der Wiederaufnahme der Neugestaltungsarbeiten im Juni 1940

955 BA R4606/24, Speer an Reichsschatzmeister NSDAP Schwarz, 19.2.41. – Motiviert ist dieses Schreiben durch Speers Aufgabe zahlreicher Ämter im Nachgang der Kontroverse mit Giesler. Dezidiert wird auf 16 Seiten für jede Stadt der Stand der Planung referiert. 956 BA R4606/23, Speer an Lammers, 30.8.40. – In Zusammenarbeit mit Todt, der auf Werksteine ganz zu verzichten bereit und zum Ziegelroh- bzw. Betonbau übergegangen ist, drängt Speer Schatzmeister Schwarz schon zu diesem Zeitpunkt auch bei seinen Planungen vollständig auf Werkstein zu verzichten, um aufwendige Umplanungen zu verhindern

(BA R4606/25, Speer an Schwarz, 8.8.41). 957 BA R4606/25, 5, Speer an Lammers, 28.8.41. 958 »Vom Gauleiter bis zum kleinsten Kreisleiter und Bürgermeister scheint die städtebauliche Initiative als Hauptstück der öffentlichen Arbeit nach dem Krieg und als persönliche Bewährungsprobe zu gelten.« (BA R4606/25, 5, Speer an Lammers, 28.8.41). 959 BA R4606/25, 5, Speer an Lammers, 28.8.41. 960 BA R4606/24,171, Speer an OB München Fiehler, 28.11.41. 961 BA R4606/24,171, Speer an OB München Fiehler,

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gibt es schon Ende 1941 in der Berliner Stadtver- die auch für ihn »ein grosses Opfer bedeutet, in diewaltung erneute Einstellungsbestrebungen. Im Zuge ser Form zurechtgewiesen worden zu sein.«965 Er der personellen Ausdünnung der Verwaltung durch weist die Vorwürfe zurück und hofft zuerst, sich Aufhebung der UK-Stellungen wird dem Innenmi- ohne die Zwischeninstanz Bormann Hitler gegennisterium von OB Steeg der Vorschlag unterbreitet, über in ruhigeren Zeiten einmal persönlich rechtnicht nur auf altersmäßige Umgruppierungen von fertigen zu können.966 Sein Hauptargument für die Gehaltsklassen zu verzichten, sondern auch auf die Einstellung ist, dass Hitler selbst ihn am 27. DeNeugestaltung.962 Speer erfährt von Steegs Vorschlag zember 1941 mit allen verfügbaren Arbeitskräften und weist ihn zurecht  : Schon allein der Wunsch für Einsatzaufgaben im Osten vorgesehen hat. SoSpeers müsse für Steeg Veranlassung sein, alles nur wohl von den Neugestaltungsbauten als auch von Mögliche zu unternehmen – erst recht aber der den Luftwaffenbauten seien ihm damit alle frontWille Hitlers, der die Neugestaltung auch während diensttauglichen Arbeitskräfte abgezogen. Die noch des Krieges wünsche.963 Speer, der zwei Jahre zuvor verbliebenen nicht fronttauglichen Arbeiter habe er selbst die Bauarbeiten zeitweise eingestellt hat, fährt in das Luftwaffenprogramm hinübersetzen müssen, in dieser Angelegenheit zweigleisig. Einerseits weist um die entstandenen Lücken aufzufüllen.967 Seine er Steeg zurecht, andererseits arbeitet er, sich der Si- Maßnahmen sieht er als direkte Folge von Hitlers tuation des Reiches wohl bewusst, erneut selbst an Befehl zum Fronteinsatz und misst ihnen »kriegsentder Unterbrechung der Bauvorhaben. Wie im Vor- scheidende« Bedeutung bei. Er versucht Hitler damit angegangenen geschildert, orientiert sich die GBI in zu beschwichtigen, dass der Rest des Personals noch dieser Zeit immer mehr in Richtung Kriegsdienst kleinere Planungs- und Bauarbeiten weiterführe. und verlegt viel Personal an die Front. Die schließ- Ohnehin machen es die herrschenden Bedingungen lich durch Speer verfügte Stilllegung der Arbeiten zu beinahe unmöglich, die Neugestaltung fortzuführen. Jahresbeginn 1942 führt zu einer erheblichen Mei- Speer schlüsselt Hitler dezidiert die Lage bezüglich nungsverschiedenheit mit Hitler,964 die Speer nicht der Kriegsgefangenen auf und erläutert vor allem persönlich, sondern nur über Bormann klären kann. deren unbefriedigende Leistung im Vergleich zum Hitler wirft dem Generalbauinspektor, der in dieser Aufwand ihres Einsatzes.968 Ebenso verweist er auf Angelegenheit eigenständig und selbstverantwort- den schon herrschenden Mangel an Treibstoffen lich gehandelt und ihn nicht informiert hat, vor, die und Fachpersonal. Der Einsatz in Berlin geht ganz Neugestaltung ohne Not aufgegeben zu haben. Die offensichtlich zulasten seiner Nachschubdienste. InsMaßnahmen seien in diesem Ausmaß nicht notwen- besondere im Osten kommt es durch den Mangel dig gewesen, und falls sie doch unausweichlich seien, an qualifiziertem Aufsichtspersonal zu erheblichen werde er sie selbst anordnen. Verzögerungen. Er verdeutlicht Hitler, dass die ProSpeer wiederum gibt sich tief enttäuscht, »vom bleme zu diesem Zeitpunkt nicht mehr durch die Führer wegen [… seiner] pflichtbewussten ­Haltung«, Zuweisung von Kriegsgefangenen zu lösen seien, da 28.11.41. 962 BA R4606/3985, OB Steeg an Innenminister, 30.7.41. 963 BA R4606/3985, Speer an Steeg, 10.12.41. 964 Auch Verkehrsminister Dorpmüller lässt mit Erlass vom 22.12.41 alle Entwurfsarbeiten, mit Ausnahme der »staatspolitischen Bauten« Berlin, Hamburg, Nürnberg, Linz und München, stilllegen (BA R4606/26, 24, Dorpmüller an Speer, 30.1.42). 965 BA R4606/3985, Speer an General Schmundt, 23.1.42. 966 BA R4606/3985, Speer an Bormann, 23.1.42. 967 BA R4606/3985, Niederschrift Speer, 22.1.41.

968 Seine Meinung zum Einsatz Kriegsgefangener revidiert Speer zumindest zum Teil bzw. sieht sie letztlich doch als Mittel, seine Planungen wenigstens in bescheidenem Maßstab durchzuführen. Im Zusammenhang mit dem Baugelände der SS-Leibstandarte Adolf Hitler bittet Speer seinen Duzfreund und Chef der »Leibstandarte Adolf Hitler« Sepp Dietrich, ob er ihm nicht noch 30–40 Wachmannschaften stellen könne. Er könnte mehr Kriegsgefangene einsetzen, wenn er nicht Schwierigkeiten mit der Gestellung von Bewachung hätte (BA R4606/24, 151, Speer an Sepp Dietrich, 22.5.41).

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allerorten das ausgebildete Fachpersonal fehle, das kaum noch zu ersetzen sei. Speer stellt die Frage der Einstellung der Bauarbeiten als eine Gewissensentscheidung dar. Wahrscheinlich ist, dass er sich dabei sehr sicher sein konnte für Hitler nach wie vor unersetzbar zu sein. Trotz der Zurechtweisung Bormanns gibt er nicht nach, sondern schlägt zusätzlich vor, auch die noch in der Durchführung befindlichen »Kulturbauten« in anderen Städten und Gauen einzustellen.969 Er schließt  :

sie sich darauf, dass die Durchführung des Krieges wichtiger sei als die Neugestaltungsmaßnahmen und Kriegsgefangene nur bei Erdarbeiten und dort, wo Gebäudebestand gefährdet ist, eingesetzt werden sollen.971 Nachdem er Hitler und Bormann hier offensiv die Stirn geboten hat, wird Speer wenige Tage später, am 2. Februar 1942, zum Rüstungsminister ernannt. Der zufällige972 Aufenthalt im Führerhauptquartier (FHQ) Rastenburg an dem Tag, an dem Todts Flugzeug abstürzt, könnte also mit der Ausräumung dieser Verstimmung zu tun gehabt haben. »Dem ungenügenden Ausbau des russischen BahnUnabhängig von dieser Kontroverse hinter vernetzes sind in diesem Winter zahlreiche Soldaten schlossenen Türen muss spätestens am 12. Januar zum Opfer gefallen. Die Berichte meiner Mitarbeiter 1942 auch den letzten Dienststellenangehörigen klar aus dem Osten sind erschütternd. gewesen sein, dass die Zeit der friedensmäßigen VoErschütternder ist jedoch die Tatsache, dass mit rausplanungen zu Ende ist. Ungewohnt bestimmt der Bereinigung von baulichen Kleinigkeiten der schreibt Speer an seine Mitarbeiter  : ganze Betrieb wesentlich hätte verbessert werden können. Ich mache mir nicht den Vorwurf, die Neu- »An alle Gefolgschaftsmitglieder  ! Die umfangreichen gestaltung aufgegeben zu haben. Ich kann mir nur Aufgaben der Dienststelle insbesondere auch die neu den Vorwurf machen, meine Kraft und die meiner übertragenen Aufgaben in den besetzten Ostgebieten Mitarbeiter nicht schon früher für diese Aufgabe an- erfordern die Anspannung aller Kräfte jedes Einzelgeboten zu haben. Ich hätte es jederzeit getan, wenn nen. Es lässt sich nicht vermeiden, dass die Angehöriich davon gewusst hätte und bereue keinen Augen- gen der Dienststelle vorübergehend auch in anderen blick, damit die Neugestaltung vorübergehend ein- Arbeitsgebieten beschäftigt werden. Im Bedarfsfall müssen die Kräfte auch nach Dienstschluß für besongestellt zu haben.«970 dere Arbeiten zur Verfügung stehen. Es ist selbstverEine Antwort aus dem Hauptquartier ist nicht erhal- ständliche Pflicht jedes Einzelnen, diesen Anfordeten. Das Kalkül Speers geht aber offensichtlich auf rungen ohne weiteres und gern nachzukommen.«973 und er erhält sich die Gunst Hitlers. Speer gewinnt diesen Machtkampf insofern, als die Baueinstellung Nur drei Tage später verschärft er Ton und Anweivon Hitler nicht widerrufen wird. Letztlich einigen sungen, als er anordnet, dass alle Abteilungen, ohne 969 Aus den Dokumenten geht nicht hervor, ob Bormann nur weitergeleitet hat, was Hitler ihm diktiert, oder er hier eine Chance sieht, Speer vor Hitler zu diskreditieren. 970 BA R4606/3985, Niederschrift Speer, 22.1.41. 971 BA R4606/25, 155, Aktennotiz Speer, Obersalzberg, 26.2.41. 972 Speer gibt an, eigentlich nach Berlin gewollt zu haben, aber nur ein Flugzeug nach Rastenburg bekommen zu haben, wodurch er das erste Mal in das dortige Hauptquartier gekommen sein will (Speer 1969, 207). 973 BA R4606/82, Mitteilung Speer, 12.1.42. 974 BA R4606/28, 49, Speer an alle Hauptabteilungsleiter, 15.1.42.

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975 BA R4606/28, Speer an OB Berlin, 3.1.42. – Auf Reichs­ ebene bespricht Speer die totale »Einberufung« von mit Friedensaufgaben befassten Architekten und Bauingenieuren schon wenige Wochen nach seiner Ernennung zum Nachfolger Todts am 5./6. März 1942 mit Hitler. Hierbei plant er komplette Bürogemeinschaften als eingespielte Teams zu verpflichten, denen im Gegenzug zugesichert werden soll, dass diese Gemeinschaften nicht zerschlagen werden. Per Anordnung verpflichtet er am 7. März 1942 auch Städte mit über 100.000 Einwohnern zur Abgabe vor allem jüngerer Techniker, die den Strapazen im Osteinsatz gewachsen sein würden. Jede Stadt sollte einen Einsatzstab mit neun Personen und insgesamt 100 Mann mit genau spezifizierten

Abwicklung der laufenden Geschäfte, Personal für ben ist noch umfangreicher und präzisiert zudem, Osteinsätze abgeben müssen. Ein Einspruch dage- dass ihm Angelegenheiten über Friedensaufgaben gen sei nur direkt bei ihm möglich.974 Schon am nur in außergewöhnlich wichtigen Fällen vorzulegen 3. Januar hat Speer dem Bürgermeister von Berlin seien.978 Die vollständige Ausrichtung der Dienstgeschrieben, dass demnächst die UK-Stellung der stelle auf den Kriegseinsatz manifestiert sich in dem jüngeren Jahrgänge aufgehoben werde und er dieses Hinweis, dass Aufträge an Architekten und Künstler Personal, sofern es schon vorher für ihn tätig gewe- zwar weiterlaufen, aber nur wenn sie mit dem vorsen ist, als Wehrmachtsgefolgschaft in seine Orga- handenen Personal noch bewältigt werden könnten, nisation übernehmen werde, um die Kriegsaufgaben da er von allen Mitarbeitern erwarte, »dass sie sich in zu bewältigen.975 Die Konsequenz für die Dienst- erster Linie den Kriegsaufgaben des Generalbauin­ stelle wird in einem Schreiben Stephans deutlich. Er spektors widmen.«979 Ersichtlich wird aus diesem teilt dem im Feld befindlichen Schelkes mit, dass die Schreiben, dass die einschneidenden Veränderungen Planungen nun eingestellt und der Planungsstelle kaum noch als Provisorium aufgefasst werden dürvon ihrem Personal lediglich zwei Personen für Plan­ fen und dass einstweilen nicht damit zu rechnen ist, kammer und Bildarchiv verblieben seien. Auch in neue Mitarbeiter für Planungsaufgaben zu bekomden übrigen Abteilungen, so die Mitteilung, sei die men. Ausdünnung entsprechend.976 Die Mitarbeiter bleiben auch während ihrer Trotz dieser Zäsur für die Dienststelle, durch die Kriegseinsätze administrativ der GBI zugeordnet und fast kein Personal mehr für die Arbeit an der Neu- werden von dieser betreut. Offenbar in regelmäßiger gestaltung zur Verfügung steht, zieht sich Speer Folge werden die »Kameraden« durch »Soldatennicht sofort aus allen Bauplanungen zurück. Die briefe« des Personalamts der GBI über die Vorgänge weiter fortgeführten Planungsaufgaben werden nun in der Dienststelle und private Nachrichten aus der vor allem von seinen Vertrauten, Wolters, Schelkes Belegschaft unterrichtet.980 Im April 1943 machen und Stephan bzw. – soweit sie im Feld sind – von demnach kriegswichtige Einsätze, hauptsächlich mit deren Stellvertretern in weitgehender Selbstständig- oder für die Organisation Todt (OT), den Großkeit koordiniert. Am 26. Februar 1942 erhalten die teil der Tätigkeit der GBI aus. Die Planungsstelle Hauptamts- und Hauptabteilungsleiter von Speer hat naheliegenderweise zu diesem Zeitpunkt ihre eine Vollmacht, die sie in den auf einer beiliegenden Tätigkeit »fast restlos eingestellt«, Angestellte und Organisationsübersicht verzeichneteten Aufgabenge- Hauptamtsleiter sind bis auf wenige Ausnahmen bieten »bis auf Widerruf zur selbstständigeren Füh- zur Wehrmacht oder zur OT »abgewandert«. Über rung der Geschäfte«977 ermächtigt. Der einen Tag die Tätigkeit der Generalbauleitung gibt es keine ältere, unveröffentlichte Entwurf zu diesem Schrei- Angaben, jedoch wird weiterhin berichtet, dass einAusbildungen für sechs Bautrupps (Be- und Entwässerung, Licht- und Kraftstromversorgung, Gas-, Koks- und Brennstoffversorgung, städt. Nahrungs- und Genussmittelindustrie und öffentliche Bauten) stellen. Größere Städte sollten gleich mehrere Stäbe stellen. Gleichzeitig stellt er alle Friedensplanungen im Reich ein (BA R4606/20). 976 Privatbesitz in Deutschland. – Diese Zahlen stehen allerdings in Widerspruch zu den überlieferten Zahlen über die Personalstärke der GBI vom 31.12.1942, die noch immer rund 1.400 Beschäftigte zählt. Siehe hierzu auch S. 111. 977 Archivkopie, vermutlich BA, ohne Herkunftsangabe Privatbesitz in Deutschland. Speer an Hauptamtsleiter und Hauptabteilungsleiter der GBI, 26.2.42.

978 Archivkopie, vermutlich BA, ohne Herkunftsangabe, Privatbesitz in Deutschland. Entwurf Speer an Mitarbeiter der GBI, 25.2.42. 979 Archivkopie, vermutlich BA, ohne Herkunftsangabe, Privatbesitz in Deutschland. Entwurf Speer an Mitarbeiter der GBI, 25.2.42. 980 BA R4606/55, Soldatenbrief, 04.1943. – Der hier zitierte wird vom Mitarbeiter Bohr verfasst. Ob dieser für alle verantwortlich zeichnet, ist nicht klar. Es werden in diesem Brief, der nebenbei auch kleine Geschenke wie Tabak enthält, Geburten bekannt gegeben, aber auch Verwundungen und Todesfälle vermeldet.

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zig das Hauptamt »Verwaltung und Wirtschaft« in Neikes wird von der britischen Militärregierung ein der Berliner Straße seine ursprünglichen Aufgaben Dipl. Kaufmann Merten als Verwalter für die Erfasweitgehend beibehalten hat, da es weiterhin für Per- sungsstelle der Vermögenswerte des GBI in Berlin sonal- und Sachmittel zuständig ist.981 Auch die Ab- eingesetzt.986 In dieser Erfassungsstelle sind sechs teilung »Kontingentsverwaltung«, die zusätzlich die Angestellte und sieben Architekten auf ErfolgshonoAufgaben des »Baubevollmächtigten für Großberlin« rar als freiberufliche Mitarbeiter beschäftigt.987 Nach übernommen hat und sich mit der Prüfung aller Kriegsende ist die Erfassung der noch vorhandenen noch laufenden Bauvorhaben befasst, ist in der Ber- (Bau-)Materialien nur durch die Kenntnis der eheliner Straße verblieben.982 Die Umsiedlungsabtei- maligen Mitarbeiter der Speerdienststelle möglich, lung von Willi Clahes übernimmt derweil wichtige da viele Unterlagen nicht mehr vorhanden sind. Die Aufgaben des Rüstungslieferungsamtes und kommt im Rahmen der Nachforschungen angelegten Unternach einem Zwischenquartier in der Friedrichstraße lagen kommen jedoch bei einem Einbruch am 23. mitsamt dem Munitionsministerium in Behelfsbau- April 1947 abhanden.988 Im Juni 1947 sind 90 %989 ten am Zoo unter. Neben der Inanspruchnahme der der Tätigkeit erledigt und die Mitarbeiter befassen GBI für Kriegstätigkeiten werden an dieser Mittei- sich im Wesentlichen nur noch mit der Feststellung lung auch die Folgen des Bombenkrieges und der von ehemaligen Mitarbeitern und dritten Personen, Mangel an Büroraum deutlich. Die GBI entgeht der die sich widerrechtlich in den Besitz von GBI-Eigenfortschreitenden Zerstörung Berlins nicht, wegen der tum gebracht haben.990 die Abteilungen häufig von einem Ausweichquartier in das nächste umziehen müssen.983 Obwohl ihr Tätigkeitsbereich immer mehr eingeschränkt wird und sie wiederholt Mitarbeiter verliert, wird die GBI während des Krieges nie aufgelöst. Auch mit dem Kriegsende am 8. Mai 1945 wird sie mitnichten sofort liquidiert. Im Auftrag der Alliierten befasst sie sich mit dem Abbau von Luftschutz­ einrichtungen und dem Zuschütten von Splitterschutzgräben. Kommissarischer Leiter ist zunächst Dr. Hans Neikes.984 Dieser erhält am 21. August 1945 den Auftrag vom Finanzamt für Liegenschaften, die Erfassung und Verwertung des Materials der GBI vorzunehmen.985 Nach dem Ausscheiden von 981 BA R4606/55, Soldatenbrief, 04.1943. – Über die Tätigkeit der Generalbauleitung wird nur berichtet, dass sie sich seit der Schilderung im letzten – nicht auffindbaren – Brief nicht geändert habe und sie ihre Behelfsbauten räumen muss, in die die Umsiedlungsabteilung zieht, weswegen sie fortan am Königsplatz angesiedelt ist. Über sonstige Einrichtungen der GBI wird lapidar berichtet, dass auch sie kriegswichtigen Zwecken dienten. 982 Tätigkeitsbereich ist insbesondere die Prüfung der Notwendigkeit und der Dringlichkeit von Bauvorhaben; zudem die Ermittlung der benötigten Baustoffe und letztlich auch die Überwachung von deren Transport. 983 BA R4606/55, Soldatenbrief, 04.1943.

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984 BA DO3/246, 63. – Es herrscht die Meinung vor, dass jene Stelle, die mit dem Rückbau der Anlagen begonnen hat, diesen auch vollenden und dabei nicht nur gewinnträchtige Rückbauten übernehmen soll, die veräußerbare Baumate­ ria­lien versprechen, sondern auch die restlichen Bunker abreißen soll. 985 LArchB C Rep. 800/143, Aktenvermerk 27.6.47. – Zumindest zeitweise hat dieses Amt auch der Leiter des Finanzamtes für Liegenschaften inne. Aus den Akten geht nicht hervor, ob Merten auch Leiter des Finanzamtes ist (BA NS10/127, 34). 986 LArchB C Rep. 800/143, Aktenvermerk 27.6.47. 987 LArchB C Rep. 800/143, Aktenvermerk 27.6.47.

DIE STELLUNG SPEERS I N D E R B AU W I RTS C H A F T DER NS-ZEIT Wie gezeigt wurde, lässt sich Speers Tätigkeit als Architekt grob in drei Perioden gliedern  : das Frühwerk bis 1933, eine Phase des Aufstiegs, die mit der Ernennung zum GBI 1937 endet und – bis seine Tätigkeit durch die Kriegsereignisse abbricht – die Hochphase seiner Architektenkarriere. Drei Personen können benannt werden, die Speer zu verschiedenen Zeiten und auf sehr unterschiedliche Weise besonders beeinflusst haben  : sein Lehrer Heinrich Tessenow, der von Hitler favorisierte Paul Ludwig Troost und schließlich am nachhaltigsten   : Hitler selbst. Einflüsse von anderen Kollegen sind, nicht zuletzt aufgrund von Speers herausgehobener Stellung, kaum wahrnehmbar. Speer ist bis zum Untergang des NS-Regimes dessen führender Architekt, auch Opponenten wie Hermann Giesler gelingt es nicht, seine Stellung ernsthaft zu schwächen. Damit lassen sich viele Eigenheiten von Speers Werk auch auf die NS-Architektur allgemein übertragen. Ein endgültiger Ausdruck ist, wie die zahlreichen Umplanungen zeigen, nicht definiert.991 Die Masse der erhaltenen Pläne zur Neugestaltung Berlins suggeriert zwar eine einheitliche Architektur, da sie mehr oder weniger gleichzeitig entstanden bzw. publiziert worden sind. Einige der im Krieg überarbeiteten Entwürfe zeigen hingegen eine gänzlich andere 988 LArchB C Rep. 800/143, Aktenvermerk 27.6.47. 989 Die Erfassung der restlichen 10 % stößt auf große Schwierigkeiten. Nicht eindeutig geht aus den Akten hervor, ob die Ermittlung noch erfolgt oder die Reste als Verlust abgeschrieben werden. 990 LArchB C Rep. 800/143, Aktenvermerk 27.6.47. 991 In ihrer Wichtigkeit und ihrem Umfang würde diese Frage eine gesonderte Untersuchung rechtfertigen. Fest steht, dass es der Weimarer Republik, auch aus mangelnder Notwendigkeit bzw. nicht vorhandenem Willen, nicht gelang, einen eigenen sofort erkennbaren Staatsstil zu schaffen. Für die Bürger des nationalsozialistischen Deutschlands wird sich das neue Regime weniger durch die großen Projekte aus-

Formensprache mit erheblich erweiterter Zahl der Vorbilder. Mangels dazugehörender Korrespondenz ist es schwer, die Umstände dieser Um- bzw. Neuplanungen zu ermitteln. Somit muss auch unklar bleiben, inwieweit die zunehmende Orientierung an historischer Wehr- und Befestigungsarchitektur eine Reaktion auf den Krieg war. Wie am Werk Speers exemplarisch feststellbar ist, ändern sich die formalen Merkmale der Repräsentationsarchitektur innerhalb der 6 ¾ Friedensjahre der NSDAP-Regierung mehrfach. Deshalb werden viele Entwürfe kontinuierlich überarbeitet, um sie den aktuellen Tendenzen, aber auch den sich wandelnden Wünschen der teils exzentrischen Bauherren anzupassen. Für das OKL Görings sind viele Planwechsel belegt, ebenso für die Kongresshalle in Nürnberg. Letztere wurde, obschon im Bau befindlich, so häufig umgeplant,992 dass im Analogieschluss davon auszugehen ist, dass auch die überlieferten Pläne vergleichbarer Vorhaben keinesfalls abbilden, was letztlich realisiert worden wäre. Die meisten Planungen wurden jedoch ohnehin niemals umgesetzt. Die Forschung stützt sich heute daher auf den durch Zeit- und Erhaltungsumstände in zufälliger Auswahl überlieferten Plan- und Fotobestand, ohne dass im Einzelfall jeweils ermittelt werden kann, inwieweit diese Planzeichnungen schon für die Ausführung bestimmt gewesen sind. Sind fertige Ausführungspläne vorhanden, stellt sich in Anbetracht der Baupraxis unter Hitler dennoch die Frage nach deren Verbindlichkeit.

gezeichnet haben als vielmehr durch die Unzahl kleinerer, aber wirksamer, weil die tägliche Lebenswelt berührender Projekte wie Bahnhöfe, HJ-Heime, Ortsverwaltungen, Schulen etc. Nachzuprüfen wäre anhand einer medienkundlichen Untersuchung, wie hoch der Prozentsatz derer war, die von Neugestaltungen wussten, und zudem ein tieferes Interesse dafür aufbringen konnten. Es ergibt sich die Vermutung, obwohl als umfangreichstes Beispiel die Berliner Planungen in Tageszeitungen veröffentlicht wurden, dass letztendlich trotz erheblicher Propagandaanstrengungen eher das kulturinteressierte Bürgertum als Minderheit über größere Zusammenhänge informiert war. 992 Siehe hierzu: Tesch 2005.

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V e r h ä lt n i s Spe e r-H i t l e r Das Verhältnis zwischen Speer und Hitler ist die Grundlage der Position Speers in der NS-Zeit, im Grunde aber auch für seine gesellschaftliche Stellung nach der Haftentlassung 1966. Daher soll dieses Verhältnis im Folgenden genauer betrachtet werden.993 Es ist offensichtlich, dass es sich nicht allein auf die Architektur reduzieren lässt bzw. reduziert werden darf, da eine zwischenmenschliche Komponente und die persönliche Bewunderung Speers für Hitler mit Sicherheit eine Rolle gespielt hat. Dennoch soll es, soweit dies möglich ist, an dieser Stelle nur unter dem Gesichtspunkt der für die Architektur relevanten Fragen betrachtet werden. Genau genommen müsste die Beziehung zwischen Speer und Hitler jedoch noch viel umfassender, als es hier möglich ist, im Rahmen der wechselnden Koalitionen, persönlichen Abhängigkeiten und Intrigen dargelegt werden, da beide Führungspersonen der herrschenden NS-Elite gewesen sind. Aus der Verbindung zu Hitler ergibt sich auch der bisher nicht ermittelte Grad der künstlerischen Freiheit Speers. Als Grundlage für dessen Bewertung müssen zunächst die Mechanismen der Zusammenarbeit der beiden nachgezeichnet werden. Darauf aufbauend soll geklärt werden, wer der eigentliche Ideengeber für die von Speer gezeichneten Bauten gewesen ist.

Grundvoraussetzung für das enge Verhältnis zu Hitler ist dessen Begeisterung für Architektur. Diese ist allgemein bekannt und auch Speer bemüht sich bei Terminen, dass »eine Zeit dafür ausgesucht wird, in der der Führer freier von militärischen Anforderungen ist und sich auch etwas bei Gesprächen über seine Bauten entspannen kann.«994 Die Tatsache, dass dieser sich im Gespräch über die Planungen entspannen konnte, war der Stellung desjenigen, der diese präsentierte, sicherlich zuträglich. Sie erleichterte es Speer womöglich auch, Hitler mit möglicherweise weniger erfreulichen Nachrichten aus seinen anderen Arbeitsbereichen zu konfrontieren. Nicht minder wichtig ist aber auch Speers Eigenschaft als Künstler und die Rolle des Mäzens, die Hitler ihm gegenüber einnimmt. Die Stellung als Architekt Hitlers wird nie in irgendeiner Form offiziell definiert, sondern ergibt sich daraus, dass sie nicht dementiert wird. Ab Mitte 1935 ist Speer allgemein als »Architekt des Führers« bekannt.995 Anteil daran hat auch die Propaganda, die ihn zusammen mit Hermann Giesler als »Baumeister des Führers«996 bzw. als persönlichen Architekten Hitlers bezeichnet.997 Selbstbewusst zählt er sich daher zu den ersten Architekten des Reiches.998 Speer sieht seine Rolle unkritisch und ist damit im Künstlerumfeld Hitlers zunächst kein Einzelfall.999 Noch nach dem Krieg herrscht unter jenen, die Hit-

993 Speer schildert es seinerseits so, dass er schon nach kurzer Zeit das normale Verhältnis eines Architekten zu seinem Bauherrn gehabt habe und die naive Loyalität des Gefolgsmannes zum politischen Führer im Tagesgeschäft schnell verklungen sei (Speer 1975, 128). Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage lässt sich schwerlich überprüfen, genauso jener Ausspruch von Karl Maria Hettlage, den nur Speer überliefert, dass er [Speer] »Hitlers unglückliche Liebe« wäre (Speer 1975, 216). 994 BA R3/1574, 27, Speer an Brandt, 27.8.1942. 995 In einem Schreiben des Reichsjustizministeriums aus dem Januar 1936 wird Speer als »Architekt des Führers« bezeichnet (BA R43I/1537, 66, Reichsjustizministerium an Reichskanzlei, 23.1.36). 996 Illustrierter Beobachter, 12.01.1939. 997 Wolters 1943, 10. – Speer selbst schreibt hierzu in den »Erinnerungen«, dass er nicht Hitlers Chefarchitekt gewesen wäre, dem alle anderen unterstanden, sondern, dass die

Linz/München-Planer ähnliche Vollmachten besaßen und sich Hitler immer einen größeren Stab von 10–12 Architekten für Sonderaufgaben hielt (Speer 1969, 93). 998 »Auf meinen Vorschlag haben die ersten Architekten des Führers ihn gebeten, in seiner Jugendstadt je einen Bau entwerfen zu dürfen, sodaß außer Prof. Fick, Professor Giesler das Rathaus, Professor Gall die Bibliothek, Professor Kreis die Gauanlage und ich die Galerie und später das Stadion entwerfen sollen.« (BA R3/1733, 22). 999 Genauso wenig selbstkritisch sieht sich auch Hitlers Lieblingsfotograf Heinrich Hoffmann, der genauso wie Speer jederzeit Zugang zu Hitler hat und sich ebenfalls zum unpolitischen Künstler stilisiert, obwohl er nach eigenen Angaben auch diplomatische Missionen durchführt (Hoffmann 1974, 103) und Hermann Giesler (Giesler 1977). 1000 Die Bezüge für Giesler und Fick wurden in Relation zu denen Speers festgesetzt, die sich wiederum an denen eines Hochschulprofessors orientieren. »Dabei werden die Bezüge

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ler nahestanden, Rivalität und Uneinigkeit darüber, sich aber eine stetig wachsende Machtbasis schafwer am beliebtesten gewesen sei. Speer konkurriert fen und ist dabei wesentlich erfolgreicher als Giesler hier nicht nur mit dem Lieblingsfotografen Heinrich und Fick. Erst als er zum GBI ernannt wird, verfügt Hoffmann, sondern vor allem mit Giesler. Vor 1945 Speer über offiziell sanktionierte Amtsgewalt, die alist der Konflikt mit Giesler dadurch motiviert, dass lerdings weiterhin von Hitler abhängt, den er immer beider Position im nationalsozialistischen Machtge- wieder zur Durchsetzung seiner Ziele heranziehen füge von dem Stellenwert abhängt, den Hitler ihnen muss. Sowohl die Befugnisse seines Amtes als auch jeweils zubilligt. Als der Konflikt offenbar wird, hat die Option, im Streitfall Hitler einzuschalten, nutzt Speer eine gefestigte Machtposition inne und steht er aus. So droht er etwa dem »Reichskommissar für dank seiner zahlreichen (Partei-)Ämter auf einer hö- die besetzten norwegischen Gebiete« Josef Terboven, heren Stufe. Zudem ist er für die Reichshauptstadt er werde Hitler auf die Verzögerung seiner Baupläne Berlin zuständig, Giesler dagegen »nur« für Mün- aufmerksam machen, sollte dieser die Werksteinprochen, was sich auch im Gehalt ausdrückt.1000 Speer duktion in Norwegen einstellen.1001 Dieses häufig ist die Bedeutung seines Ranges in Hitlers Gunst praktizierte Verhaltensmuster führt jedoch nicht imohne Zweifel bekannt und verteidigt diesen daher im mer zum Erfolg. Fritz Todt etwa kann im Juli 1939 Bewusstsein, dass er sich seiner Stellung nicht dauer- bei einem Streit über die Zuteilung von Bauholz aufgrund seiner eigenen Stellung in der NS-Hierarchie haft sicher sein kann. Speers Stellung als »Erster Architekt« beruht zu- eine solche Drohung parieren.1002 Das Verhältnis zwischen Hitler und Speer trübt nächst also einzig auf der absoluten Machtposition Hitlers und der Begünstigung, die er durch ihn er- sich gegen Ende des Krieges merklich ein. Die fährt. Sie dient ihm als Basis für den Einstieg in die Gründe hierfür sind schwierig zu ermitteln, da sie NS-Elite, verliert aber später an Bedeutung. Das weniger mit Speers Rolle als Architekt als mit seiner persönliche Verhältnis zu Hitler bildet für Speer Tätigkeit als Rüstungsminister zusammenhängen. zunächst die Grundlage einer nicht durch Erlasse Der Ton eines Schreibens von Bormann vom März und Gesetze gesicherten Position. Im Rängesystem 1944 zeigt jedoch sehr deutlich, dass Speer in der Ander NSDAP hat er – wie auch Giesler und Roderich spannung des fortgeschrittenen Krieges nicht mehr Fick – als Aufsteiger anfangs keine gefestigte eigene die unangreifbare Sonderposition hat, die Hitler Machtposition. Unter Hitlers Protektion kann er ihm einst zugebilligt hat.1003 Zu diesem Zeitpunkt in der Reihenfolge Generalbauinspektor, Generalbaurat und Reichsbaurat angemessen abzustufen sein.« Demnach bekommt Speer weiterhin 1.700 RM im Monat, Giesler dagegen nur 1.350 RM. Die letzte Entscheidung über die Höhe der Bezüge trifft aber Hitler und keiner der Beamten der Reichskanzlei (BA R43II/188, 203, Aktennotiz 19.6.39). 1001 »Lieber Parteigenosse Terboven, es ist bedauerlich, dass es Ihnen nicht möglich ist, die Kapazität der norwegischen Steinindustrie in dem bisherigen Umfang zu belassen. Ich hoffe jedoch, dass Sie davon absehen werden, die Steinbrüche restlos stillzulegen,[…]Ich wäre Ihnen, lieber Partei­ genosse Terboven ausserordentlich dankbar, wenn Sie die Frage der Steinbrüche nochmals überprüfen würden. Es liegt mir fern, mich in irgendeiner Form in Ihre Verantwortung einzumischen, – wenn Sie auch verstehen müssen, dass ich den Führer auf die gegebene Verzögerung aufmerksam machen muss.« (BA R4606/25, Speer an Terboven, 26.8.41).

1002 BA R4606/31, Todt an Speer, 13.7.39. – Anlass des Schreibens war eine Meinungsverschiedenheit um die Zuteilung von Bauholz, bei der Speer sich nicht genügend berücksichtigt fühlt. Todt setzt ihm dann in einem sechsseitigen Schreiben die prekäre Lage auf dem Baustoffmarkt ausein­ ander. In diesem internen Schreiben gibt Todt sogar zu bedenken, dass man in der »Meckerstadt Wien« es hören kann so oft man will, »… daß Seitz und seine roten Bonzen wenigstens Wohnungen gebaut haben, während seit dem Anschluß auf diesem Gebiet nichts mehr erfolgt.« Nebenbei erläutert er auch an anderen Beispielen das Versagen der NS-Politik. 1003 BA R3/1573, 65a–65b, Bormann an Speer, 1.3.44. – In barschem Ton wird Speer unmissverständlich aufgefordert, den Bunkerbau für Diplomaten wieder aufzunehmen, und ihm, bzw. seinen Mitarbeitern, ausdrücklich vorgeworfen einem Befehl Hitlers zuwidergehandelt zu haben, weswegen im Wiederholungsfall mit KZ gedroht

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hat er sich aber schon längst im Netz der Kompeten- im Terminkalender des GBI in der Regel nur offizen eingerichtet. Da er nicht mehr ausschließlich als zielle Termine in der Reichskanzlei, etwa StaatsbanArchitekt tätig ist, sondern die Rüstung kontrolliert, kette oder Empfänge von ausländischen Honoratioverfügt er mittlerweile über einen breiten Einflussbe- ren, vermerkt sind.1006 Belege für die Notwendigkeit, reich. Dieser macht ihn jedoch wiederum angreifba- sich langfristig um Termine bei Hitler zu bemühen, rer, da er jetzt häufig die Interessensphären anderer finden sich im Gegenzug aber auch nicht.1007 Hitler bedroht. seinerseits besucht Speer ohne oder nur mit kurzDen Führungsanspruch Speers unterstützt wir- fristiger telefonischer Voranmeldung. Oft kommt kungsvoll die Tatsache, dass Architekt und Bauherr er zu später Abendstunde in die Dienststelle oder frühestens ab Ende 1934 als gedankliche Einheit auch in das Atelierhaus auf dem Obersalzberg. Bewahrgenommen werden.1004 Es ist für die Archi- sucht Hitler die GBI, muss mindestens einer der tekten im Reich kaum möglich zu unterscheiden, Hauptabteilungsleiter so lange anwesend sein, bis ob Anordnungen, Kritik oder Lob von Speer oder Hitler, häufig wohl in Begleitung Speers, ohne öfdirekt von Hitler kommen. In der Konsequenz ist fentliche Wege benutzen zu müssen, durch die Misomit Widerspruch von vornherein unangebracht, nistergärten kommt.1008 Schlüssig erscheint durch erst recht in den seltenen Fällen, in denen Speer Hit- diese Schilderungen, dass Hitler Speer die Akadeler ausdrücklich als Urheber bestimmter Wünsche mie der Künste als Dienststelle zuwies, weil er sie nennt. Es findet sich folglich auch nirgendwo ein unerkannt und ohne großen Aufwand zu Fuß erreiHinweis darauf, dass Architekten einen Entwurf spe- chen konnte. Die Besuche haben oft einschneidende ziell auf Hitler oder Speer zugeschnitten hätten, zu- Auswirkungen auf die Planung. Generaloberst von mal niemals Meinungsverschiedenheiten zu Gestal- Brauchitsch etwa zeigt sich wenig erfreut darüber, tungsfragen publik geworden sind. Der Eindruck der zu einer spontanen Besichtigung der Generalkomgedanklichen Einheit wird auch dadurch gestützt, mando- und Kriegsakademie-Modelle durch Hitler dass diese nie von einem der beiden bezweifelt oder nicht eingeladen worden zu sein.1009 Dies umso gar zur Umsetzung eigener Ziele benutzt wird. Die mehr, als Speer bei dieser Gelegenheit eine Verlegung Gründe hierfür ergeben sich auch aus der Rangfolge. eines der Gebäude von Zehlendorf an die Nord-SüdHitler hat dergleichen von vornherein nicht nötig, Achse anspricht, der Hitler sofort zustimmt. ProtoSpeer dagegen ist von ihm abhängig. kolliert werden dürfen die Besuche Hitlers nicht.1010 Diejenigen, die nach dem Krieg über den Umkreis Wolters notiert im Nachgang eines abendlichen HitHitlers berichten, zählen Speer zu jenen Personen, ler-Besuches, dass Hitler sich mit Baudetails befasst die sich mehr oder minder ständig bei Hitler auf- und trotz weiterer Anwesender lange Zwiegespräche hielten.1005 Ein Nachweis über die Häufigkeit von mit Speer geführt habe, bis es schließlich mit dem Speers Anwesenheit bei Hitler ist nicht möglich, da Auto zur Modellhalle am Reichstag gegangen sei.1011 wird. Deutlich wird einmal mehr die Stellung Bormanns bei Hitler und dass Speer mit Bormann einen mächtigen Widersacher hat (BA R3/1573, 65a–65b, Bormann an Speer, 1.3.44). 1004 Schneider 1979, 34. 1005 Vgl. dazu die Erinnerungen von Schroeder 2002, Junge 2003, Schaub 2010 und zahlreichen anderen. 1006 Für den März 1938 ist ein Besuch bei Hitler belegt. Die Überlieferung ist insofern zufällig, als Speer hier nicht an den Termin selbst erinnert wird, sondern daran, vorher die mitzubringenden Pläne auf Vollständigkeit durchzusehen (BA R4606/66, 207). Sehr deutlich zeigt auch der Eintrag

vom 1.3.40, dass die Besuche bei Hitler nicht im Terminkalender eingetragen werden. Breker lädt Speer zum abendlichen Radiohören ein, was dieser mit »nein, b. Führer« kommentiert und von seiner Sekretärin absagen lässt (BA R4606/68, 188). 1007 Trotz seines Zuganges bei Hitler erhielt Speer aber auch architektonische Anweisungen via Bormann (BA R4606/369, 2). 1008 Privatbesitz in Deutschland, Vortrag vom 28.02.1985. 1009 BA R4606/23, 39, Speer an Brauchitsch, 6.6.40. – Das Oberkommando des Heeres [OKH] fühlt sich offenbar übergangen und Speer versucht die Wogen mit dem Argu-

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114 Albert Speer, München, »Denkmal der Partei« (WV 60). Vier Varianten für die Gestaltung

Die vorhandenen Quellen und die Äußerungen Speers geben ein disparates Bild der Zusammenarbeit zwischen Hitler und seinem Baumeister, deren genauer Mechanismus nicht durch Protokolle oder sonstige Schriftstücke überliefert ist. Speer schildert, dass Hitler die meisten ihm vorgelegten Entwürfe kritisiere, Korrekturen vornehmen lasse und nur seine, Speers, in der Regel davon verschone, weil er ihn auf ihm ebenbürtiger Stufe akzeptiert habe. Diese Darstellung ist allerdings dem Wunsch nach Bedeutungssteigerung zuzuschreiben.1012 Dass Hit-

ler Speer bevorzugt behandelt hat, lässt sich nicht nachweisen. Hitler greift sehr bestimmt in Planungen ein. In vielen Fällen kommuniziert er über Skizzen, korrigiert in Plänen, gibt mündlich oder schriftlich konkrete Anweisungen, was zu ändern ist, oder aber er wählt zwischen verschiedenen extra gefertigten Alternativvorschlägen aus. Prägnantestes Beispiel aus der Baugeschichte der Nürnberger Kongresshalle ist die Diskussion um die Traufgesimse von Unterbau und Tambour, die am 1  : 1-Fassadenmodell getestet

ment zu glätten, dass Hitler in Hinsicht auf seine Besuche unberechenbar sei, er selbst aber in keinster Weise Ambitionen gehabt habe, Führerentscheide ohne vorherige Rücksprache mit dem OKH zu provozieren (BA R4606/23, 39, Speer an Brauchitsch, 6.6.40). 1010 BA N1340/76, »Typoskript Rudolf Wolters, Kurzer Lebensabriß«, handschriftlich datiert 25.12.66. 1011 Siehe Gedächtnisprotokoll Wolters bei Breloer/Zimmer 2006, 118–120. – In seinen Memoiren gibt Wolters an, den Bauherrn Adolf Hitler einige Male bei Besprechungen und auch bei gesellschaftlichen Anlässen wie einem Essen nach der Grundsteinlegung des Hauses des Fremdenverkehrs am

15.6.1938 getroffen zu haben. Er überliefert weitere Treffen mit Hitler am 6.11.1937 – allerdings in einer zweifelhaften Abschrift, am 3.12.1938 eine Besprechung am Pariser Platz, in der Hitler die Bahnanlagen von München und Köln sowie den Südbahnhof genehmigt, außerdem ein letztes Treffen am 11.9.40 (BA N1318/58, 247–254). 1012 Speer 1969, 68. – Nach Speer hat sich Hitler die Pläne für die Reichskanzlei immer wieder zeigen lassen, aber bemerkenswert selten in den Bau eingegriffen (Speer 1969, 117).

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werden. An der 40 Meter hohen Wand des Unter- 1945 viele dieser Originale in seinem Besitz, nicht baus werden bis August 1939 in mehreren Schrit- anders Giesler und Fick.1016 Ob es eine besondere ten insgesamt vier, am Tambour dagegen nur zwei Ehre war, eine Originalskizze zu erhalten oder ob es verschiedene Gesimse angebracht, zwischen denen noch andere Gründe für Reproduktionen davon gibt, Hitler entscheidet.1013 Der Analogieschluss von der ist nur zu vermuten. Belegbar ist mindestens ein Fall, Kongresshalle, bei deren Bau diese Vorgehensweise in dem Wilhelm Kreis nur Fotografien und keine fest etabliert ist, auf die Projekte Speers ist insofern Originale erhält.1017 Die Skizzen sind zwischen Hitzulässig, als auch dieser häufig mehrere Varianten ler und seinen Architekten ein wichtiges Kommunientwickelt, aus denen Hitler auswählt oder weitere kationsmittel, mit dem er viel genauer und effektiver Änderungen fordert. Beleg dafür sind die sieben auf als im Gespräch seine genauen Wünsche übermitteln zwei Plänen nebeneinander gezeichneten Entwürfe kann. Wie in der GBI mit den Skizzen umgegangen für das »Denkmal der Partei« in München [Abb. wird, lässt sich nicht zweifelsfrei ermitteln. Erst ab 114]. Drei davon unterscheiden sich nur marginal in 1940 werden sie in einem Panzerschrank verwahrt. der Detailausprägung des Sockels. Dies gilt prinzipi- Aber auch vorher scheint der Zugriff limitiert geell auch für die vier weiteren, nur sind sie gegenüber wesen zu sein.1018 Ob Speer selbst die Skizzen in den erstgenannten deutlich größer.1014 Anweisungen für sein Büropersonal umsetzt oder Wie weitgehend Hitler sich mit Architektur be- dieses ohne ihn als Zwischeninstanz direkt mit den schäftigt, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht dar- Originalen arbeiten kann, ist aus dem vorhandenen gestellt werden. Relevant ist, dass ihm eine archi- Archiv­material nicht ersichtlich. Eine umfassende Beurteilung der künstlerischen tektonische Begabung nicht abzusprechen ist und er als Dilettantenarchitekt durchaus in der Lage ist, Freiheit Speers in Hitlers Diensten gibt es bislang an Entwurfsprozessen mitzuwirken. Eine Vielzahl nicht.1019 Die Betrachtung der überlieferten Skizvon Skizzen Hitlers ist erhalten und wartet auf eine zen Hitlers und deren Vergleich mit den Entwürfen gründliche Auswertung. Jene, die Projekte Speers be- Speers lässt keinen einheitlichen Umgang mit den treffen, stammen hauptsächlich aus dessen Nachlass. Zeichnungen erkennen.1020 Speers erste Umsetzung Problematisch ist dabei, dass diese bislang nicht wis- einer Idee Hitlers ist der Anbau des Filmraums an senschaftlich untersucht werden konnten, sodass alle die Dienstvilla Goebbels’ [WV 21  ; Abb. 22  ; Abb. weiteren Schlüsse unter Vorbehalt erfolgen. Belast- 23], bei der er aus der Vorlage nur noch einen Planbare Aussagen können aus diesen Skizzen nicht ohne satz mit den nötigen Ansichten und Grundrissen erBedenken gewonnen werden, da in manchen Fällen stellt und zur Genehmigung einreicht. Ein eigenes Zweifel an ihrer Echtheit angebracht sind. Zu tren- schöpferisches Zutun ist in diesem Fall nicht nachnen sind eigenständige Entwurfs- bzw. Ideenskizzen zuweisen und in Anbetracht seiner damaligen Posiund Korrekturen in Plänen.1015 Speer hat auch nach tion gegenüber dem mächtigsten Mann des Reiches 1013 SAN C32/652. 1014 BHStA Rp. Sp. Pl. 2948 u. 2949. 1015 Zu den bekanntesten Entwürfen zählen die Skizzen zur Großen Halle und zum Triumphbogen für Berlin. Plankorrekturen sind für den Umbau der Villa Goebbels’ in der Hermann-Göring-Str. 20 durch Baumgarten 1937–1938 belegt (BA R4606/66, 255). 1016 Zu den Skizzen Gieslers siehe Früchtel 2008, 296; zu Fick: Schmidt-Imkamp 2011. – Speer besaß nach eigenen Angaben 125 Skizzen (Speer 1969, 157). Teilweise verkauft er diese nach seiner Haftentlassung, teilweise verschenkt er sie und teilweise befinden sie sich noch heute in Privatbesitz

(siehe Korrespondenz im Nachlass BA N1340). Eine gegen Ende der 1970er von Speer initiierte Ausstellung von Hitlerskizzen im Stadtmuseum Linz kommt nicht zustande. Daher existieren dort aber zahlreiche Reproduktionen sowie ein mit einiger Sicherheit erst nach 1945 entstandenes Verzeichnis der Hitlerskizzen im Besitz Speers. Zu den Hitlerskizzen siehe auch: Price 1983. 1017 »Führer skizzierte am späten Abend seine Pläne für das Waffenmuseum in Linz und stellte fest, dass Professor Kreis den Entwurf übernehmen soll. Er solle gelegentlich ins Führerhauptquartier kommen. Die Skizzen sind ihm in Photographie von mir [Speer] zu übergeben.« (BA R3/1504, 38).

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115 Adolf Hitler, diverse Detailskizzen. Links im Bild die Bogenlaibung des Triumphbogens

auch nicht anzunehmen. Als er in Hitlers Kreis und Gunst etabliert ist, erhält er die Aufträge zu den Achsenbauten. Da er die Kernpunkte von Hitlers Achsenfantasie realisieren soll, überreicht dieser ihm, so schildert er es, die beiden Skizzen von 1925.1021 Die Skizzen für den Triumphbogen belegen eine ausgesprochen konsequente Übernahme der Entwürfe Hitlers.1022 Der Triumphbogen ist zudem ein

Beispiel dafür, dass Hitler bis in Details in Planungen eingreift. So setzt Speer etwa die skizzierte Hohlkehle an der Laibungskante des Bogens mit ihrem Auslauf oberhalb des Kämpfers unverändert um [Abb. 115]. Die gestalterischen Alternativen sind naheliegenderweise umso geringer, je konkreter die Vorstellungen Hitlers sind. Deren exakte Übernahme manifestiert sich im Vergleich der Skizze Hitlers für das »Denk-

1018 Offenbar ist der Umgang mit den Skizzen zuerst weniger sorgsam. Dennoch scheinen sie nicht frei zugänglich gewesen zu sein, da sie abseits der anderen Zeichnungen aufbewahrt werden. Die »… losen Führer-Skizzen hat Frl. Hildebrandt inzwischen in Ihrem Kassettenschrank entdeckt.« Nachdem diese Skizzen sechs Wochen vermisst worden waren, wird daraufhin die Verwahrung geändert (BA R4606/67, 323; 347). Im März 1940, die Gefahr durch Luftangriffe könnte auch eine Rolle spielen, wurde ein Panzerschrank angeschafft, der endgültig einen freien Zugriff aller Mitarbeiter ausgeschlossen erscheinen lässt (BA R4606/68, 174).

1019 Vergleiche diesbezüglich: Backes 1984, 214. 1020 Speer ist nicht der einzige Architekt, der Skizzen Hitlers umsetzt. Friedrich Tamms fühlt sich beim Entwurf der Großbunker stark an die Skizzen Hitlers gebunden und übernimmt dessen Vorschläge wie einen Befehl (Angerer 2000, 80). 1021 Speer 1969, 167 und Abbildungsteil nach S. 160. 1022 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Dekorzunahme um 1938/1939 entwerferischer Beitrag Hitlers ist oder nur in Absprache geschah, da für diese Zeit keine Skizzen mehr vorliegen.

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116 Adolf Hitler, München, »Denkmal der Partei«, Skizze

117 Albert Speer, Berlin, Erweiterungsbau der Reichskanzlei, Ansicht des Balkons (WV 42)

mal der Partei« in München und der Umsetzung durch Speer [WV 60  ; Abb. 114  ; Abb. 116]. Dennoch gibt es Gegenbeispiele  : Gänzlich anders verhält es sich beim Anbau des Balkons an den Erweiterungsbau der Alten Reichskanzlei. Der realisierte Entwurf [Abb. 117] hat mit der erhaltenen Skizze [Abb. 118] kaum mehr gemeinsam als den Ort der Anbringung und die stützenden Konsolen.1023 Speer verkürzt ihn und ersetzt das Gitter gegen eine massive Brüstung.1024 Als sicher anzunehmen ist, dass dies nicht ohne Kenntnis und Zustimmung Hitlers geschieht. Deutlich wird hier ein Problem  : Nicht zu

allen Bauten Speers, die Hitlers besondere Aufmerksamkeit haben, existieren Skizzen, die es ermöglichen würden, den gesamten Planungsverlauf nachzuvollziehen.1025 Mit einiger Sicherheit in der Überlieferungssituation begründet, wäre es methodisch voreilig, bei dem Balkonanbau eine größere Freiheit Speers zu vermuten. Beispielsweise existieren nur zwei Skizzen des Theaters für den Führerpalast [WV 54  ; Abb. 119]. Gerade aber bei seinem eigenen Wohnsitz erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass Hitler, der sich auch bei sehr viel weniger wichtigen Bauten um Details sorgt, hier nicht die Grundzüge vorgibt.

1023 Siehe WV 42. 1024 Inwieweit hier Sicherheitsbedenken, in der Brüstung war eine Stahlplatte eingearbeitet, eine Rolle spielen, kann mangels entsprechender Korrespondenz nicht beurteilt werden. 1025 Das trifft ebenfalls für den Führerpalast zu, für den nur zwei Skizzen (Slg. Sp. 19, 63) existieren. Beide zeigen das Thea­

ter, dessen Konzeption Speer eng an der Skizze orientiert umsetzt. 1026 Besonders deutlich am Beispiel der Großen Halle WV 47. 1027 BHStA Rp. Sp. Pl. 838. Plan des Führerbaus mit handschriftlichem Vermerk Speers »vom Führer genehmigt«; BHStA Rp. Sp. Pl. 838, Fassade Innenhof OKW mit handschriftli-

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119 Adolf Hitler, Berlin, Führerpalast, Skizze Theater

118 Adolf Hitler, Berlin, Erweiterungsbau der Reichskanzlei, Balkon

Da Korrespondenz nur zu wenigen Projekten vor- ganz dem »Führerprinzip« entsprechend auf ihn aushanden ist, lässt sich die Frage nicht endgültig klären. gerichtet sind. Nicht nur künstlerisch, sondern auch administraDie wenigen erhaltenen Bruchstücke belegen jedoch die enge Zusammenarbeit. Ein Fehlen von Zeich- tiv ist Speer in bestimmten Bereichen nicht befugt, nungen ist also kein zwingender Hinweis darauf, die letzte Entscheidung zu treffen. So liegt die Komdass Hitler keinen Einfluss ausgeübt hätte. Eine an- petenz, Bauplätze an der Nord-Süd-Achse zuzuweidere Frage, die mangels Skizzen oder Notizen Speers sen, einzig bei Hitler.1028 Speer kann versuchen, ihn nicht eindeutig zu beantworten ist, betrifft die Ein- in einem günstigen Moment umzustimmen, hat aber schätzung, inwieweit Hitlers Zeichnungen jeweils nicht die Macht, dessen Entscheidungen zu übergeReaktionen auf Vorschläge Speers gewesen sind. Auf hen oder gar rückgängig zu machen.1029 Vielmehr jeden Fall erhält Speer von seinem Bauherrn nicht verweist er als GBI häufig darauf, dass er bestimmte nur Skizzen, die dessen vorgefasste Wünsche vor Entwürfe zwar so akzeptiere, wie sie von den ArchiProjektbeginn zeigen, sondern auch solche, die in tekten eingereicht seien, er die Genehmigung aber laufende Entwurfsprozesse eingreifen.1026 Obgleich von der Zustimmung Hitlers abhängig machen Speer in einigen Fällen alternative Lösungen entwi- müsse.1030 Dessen Meinung wird nicht in Frage geckelt, formuliert im Repräsentationsbereich grund- stellt. Wolters berichtet in seinen Memoiren  : sätzlich Hitler die Ideen zu dem, was gebaut wird. Trotz seiner Führungsposition ist auch Speer nicht »Kritik, auch wenn es sich um durchaus begründbare davon befreit, Hitler seine Entwürfe vorzulegen.1027 künstlerische Meinungsäußerungen handelte, war Hitler sieht sich ohne Zweifel als obersten Bauherrn ausgeschlossen, besonders dann, wenn Hitler sein Urvon Repräsentationsbauten im Reich. Dies hat für teil gefällt hatte oder es in bestimmter Richtung zu alle Architekten, auch – wenn nicht gar besonders – erwarten war. Das galt ein für alle Mal selbstverständfür Speer, die Konsequenz, dass Hitler sich stets die lich auch für uns, die Mitarbeiter, denen von Haus aus, letzte Entscheidung vorbehält und damit die Struk- also vom Fach her, durchaus ein Urteil zustand.«1031 turen der baulichen »Erneuerung« Deutschlands chem Vermerk Speers: »v. Führer genehmigt, 5.XI 40«. 1028 BA R4606/58, 234, Protokoll 10.6.37. 1029 Die Anordnung, den Bau von Schutzräumen für Diplomaten einzustellen, trifft offenbar Mitarbeiter der GBI. Zudem handelt es sich dabei nicht um architektonische Fragen. Siehe auch S. 220. (BA R3/1573, 65a–65b, Bormann an

Speer, 1.3.44). 1030 Dem NSV gegenüber bestätigt Speer, dass er bereit sei, einen Baubeginn vor Hitler zu vertreten. Auf Änderungen müsse man sich aber einstellen (BA R4606/58, 234. Protokoll vom 10.6.37). 1031 BA N1318/58, 225.

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Es ist sehr stark anzunehmen, dass es Speer in diesem Fall nicht anders ergeht als seinen Mitarbeitern. Vielleicht kann er in günstigen Momenten noch auf Änderungen dringen. In den erhaltenen Dokumenten zum Südbahnhof wird der Prozess der Projektentwicklung zwischen Speer und Hitler besonders deutlich. Gegenüber der Reichsbahn erklärt Speer  :

Genehmigungen keine ernsten Gedanken ­machen muss. Dafür unterliegt er aber dem Zwang, sich Hitlers Zustimmung zu erhalten. Genauso wie ­Hitler Kraft seiner Entscheidungen jedes Hindernis aus dem Weg räumen kann, hängt Speers gesamte ­Karriere nur von dessen Willen ab.1034 Somit unterliegt er im Gegensatz zur großen Freiheit gegenüber Behörden und Finanzen besonders engen Einschrän»Unter allen Entwürfen ist vor allem der gründlich zu kungen, wenn seine Planungen Gegenstand von untersuchen, wie ihn der Führer vorgeschlagen hat. ­Hitlers persönlichem Interesse sind. Das geschilderte System der direkten Abhängig[…] Diese Aufgabe ist mit allen technisch zur Verfügung stehenden Mitteln (ausgedehnte Rolltreppen- keit Speers von Hitler ist keineswegs ein Geheimnis, anlagen u.s.w.) durch Anheben des Vorplatzes oder sondern wird im Führerstaat offen kommuniziert. In Höherlegen der Strassen u.ä. in eine verkehrs- und der offiziellen Publikation zum Deutschen Haus auf betriebstechnisch einwandfreie Form zu bringen.«1032 der Weltausstellung in Paris wird betont, dass die wesentlichen Ideen von Hitler stammen.1035 Es ist Zuallererst ist es somit Hitler, der ein Konzept für den in der Bevölkerung, mindestens aber in Fachkreisen, Bahnhof vorlegt, das Speer an die Zuständigen weiter- als bekannt vorauszusetzen, dass Hitler die Richtlileitet. In diesem Fall wird zwar nicht ausgeschlossen, nien der Neugestaltung vorgibt. In den Schreiben an dass es bessere Möglichkeiten gibt, doch diese sollen die diversen, mit in die Neuplanungen involvierten zunächst nicht weiter behandelt werden. Der Entwurf Dienststellen und Institutionen finden sich häufiger Hitlers ist nicht die für den Betrieb günstigste Vari- Floskeln wie »auf Wunsch des Führers«, gar dezidierte ante, aber dennoch vor allen anderen zu überprüfen. Anweisungen unter Bezug auf Hitler oder der direkte Um aber wenigstens die wesentlichen betrieblichen Hinweis, dass der Entwurf von diesem stammt.1036 Forderungen erfüllen zu können, muss mit erhöhtem Am eindrücklichsten zeigt sich dies an der PlanbeAufwand der Entwurf durch vielfältige – auch techni- schriftung auf den Entwürfen für die große Halle  : sche – Hilfsmittel tauglich gemacht werden. Hitlers »Berlin, Kuppelhalle. Ausgearbeitet nach den Ideen Plan steht dabei explizit als Konstante fest und wird des Führers durch  : Speer, Architekt.«1037 nicht an die Umgebung angepasst, sondern diese an Durch die Nähe zu Hitler entgeht Speer, wie die den Bahnhof, etwa durch Anheben des Vorplatzes. anderen Führerarchitekten auch, der Notwendigkeit, Vermutlich war kaum je ein Architekt so unabhän- sich einen ideologischen Überbau aus der Literatur gig von Geld und Behörden wie Speer, konstatiert oder anderen Quellen herleiten zu müssen. ErwäLarsson.1033 Diese Aussage ist insofern zutreffend, gungen in diese Richtung spielen ganz sicher nur als Speer sich um Finanzierungen und behördliche in der Frühzeit eine Rolle, werden aber eher in in-

1032 BA R4606/29, 9, Speer an Reichsverkehrsministerium, 23.7.37. 1033 Larsson 1978, 29 – auch weitergehend zur Stellung der Stadtbauräte May (Frankfurt am Main) und Wagner (Berlin) im demokratischen System. 1034 Interessant für den Grad der Freiheit ist, dass Speer seine Auslandsreisen stets von Hitler persönlich genehmigen lassen muss, was eine Mitteilung belegt: Hewel habe aus dem FHQ angerufen und mitgeteilt: Hitler sei mit Speers Reisen nach Lissabon und Rom einverstanden, möchte ihn

aber kurz vorher im FHQ sprechen (BA R4606/69, 101, Mitteilung Wittenberg an Speer, 14.10.41). Im gleichen Sinne: Speer könne nicht nach Norwegen kommen, weil der Führer es nicht erlaube. Speer sei für ihn unersetzlich und die Verhältnisse noch nicht gesichert (BA R4606/458, 158, Speer an Kayser, 7.6.1941, Feldpost 10 492 G). 1035 Offizielle Bilddokumentation von Heinrich Hoffmann. Hoffmann 1937, 5. 1036 Beleg für die direkte Entwicklung eines Südbahnhofkonzepts durch Hitler: BA R4606/29, 9, Speer an Reichsver-

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formellen Gesprächen diskutiert oder von Speer aus Hitlers Monologen hergeleitet. Späterhin, ab 1937, stellt sich die Lage anders dar, weil Speer ab diesem Zeitpunkt als GBI selbst intensiv in die Architekturdebatte eingreift – er steuert den Teil »Baukunst« der »Kunst im Deutschen Reich« – und als Vorbild wahrgenommen wird. Damit muss er seine Entscheidungen nur noch vor Hitler und nicht mehr anhand ideologischer Konzepte oder einer eigenen Architekturtheorie rechtfertigen. Unübersehbar ist in den Plänen Speers die Tendenz zu immer größeren Bauvolumina.1038 In den erhaltenen Korrespondenzen existieren keine Hinweise auf den Urheber der Größensteigerung.1039 Allerdings beeindrucken Hitler schon von Jugendzeit an mehr die Größe von Bauten oder deren Dominanz im Stadtraum als spezifische Eigenheiten des Entwurfs.1040 Die Maßstabssteigerung ist dennoch kein isoliertes Phänomen der von Hitler beauftragten Bauten Speers und damit nicht ausschließlich als Ergebnis der Interaktion zwischen beiden zu betrachten, sondern sie steht im Zusammenhang mit der Machtkonsolidierung der NSDAP, den anderen Großbauten im Reich, wie den Gauforen, und internationalen Tendenzen. Hitler begründet seine Dimensionierungen  : »Warum immer das Größte  ? Ich tue es, um dem einzelnen Deutschen wieder das Selbstbewusstsein zurückzugeben. Um auf hundert Gebieten dem Einzelnen zu sagen  : Wir sind gar nicht unterlegen, sondern im Gegenteil, wir sind jedem anderen Volk absolut ebenbürtig.«1041

kehrsministerium, 23.7.37. 1037 BHStA Rp. Sp. Pl. 2772. 1038 Gegenüber Fest gibt Speer an, sich angeblich gelegentlich über Hitlers Größenwahn lustig gemacht zu haben (Fest 2005a, 79). 1039 Speer versucht dagegen Hitler als den Urheber darzustellen, indem er angibt, dass sich diese Tendenzen angeblich schon früh zeigen, als Hitler einem Modell der Zeppelintribüne zustimmt, das weit über den gestellten Auftrag hinausgeht (Speer 1969, 68).

Somit ist die Hauptmotivation für die Übergröße der Bauprojekte in einer Machtdemonstration gegenüber dem Ausland und für das eigene Volk zu sehen, das diese Leistungen selbstverständlich mit dem Bauherrn Hitler verknüpfen soll. Dabei ist ganz wesentlich  : Hitler monopolisiert mit seinen Staatsbauten den Großbau wieder und stellt ihn in staatliche Dienste, sodass zukünftig vor allem die Staats- und Parteibauten unübersehbar den Städten ein Gesicht geben sollen. Er polemisiert, dass derzeit – und ohne sein Eingreifen auch in Zukunft – die Stadtbilder von Kaufhäusern und ähnlichem geprägt seien und eben nicht mehr als »Kulturstätten«1042 von großartigen Monumenten.1043 Dem privaten Kapital wird der Großbau aber nicht versagt, sondern dieser wird in die staatlichen Pläne integriert, wo er sich unterzuordnen hat.1044 Zudem wird innerhalb der Staatsbauten eine Hierarchie entwickelt, in der Berlin im Maßstab nicht zu übertreffen ist. Damit müssen die dortigen Bauten eine enorme Größe erreichen, um Gebäuden in Gaustädten wie Weimar auch noch beeindruckende Ausmaße zu ermöglichen, bei denen zu den Berliner Bauten aber ein wahrnehmbarer Abstand bestehen bleiben soll. Hans Stephan begründet die Dimensionierung der Nord-Süd-Achse weiterhin damit, dass Abertausende bei den Kundgebungen des Reiches nicht auf »Straßen und Plätzen aufmarschieren [können], deren Abmessungen landläufigen und verkehrsüblichen Maßen entsprechen«.1045 Die Straßen der Hauptstadt, so Stephan, könnten nicht nach heutigen Bedürfnissen oder denen des Verkehrs bemessen werden. Die Bauten müssten in ihrer Größe und Schönheit würdige Repräsentanten des Reiches sein. Deutlich wird dadurch, dass die Di1040 Nüßlein 2012, 137. 1041 Unveröffentlichte Rede Hitlers vor Bauarbeitern der Reichskanzlei am 9. Januar 1939, zit. nach: Schönberger 81, 184. 1042 Hitler 1943, 288. 1043 Hitler 1943, 291. 1044 Siehe etwa die Bauten der AEG oder von Maggi im Rahmen der Neugestaltung für Berlin. 1045 Stephan 1939, 11.

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120 Albert Speer, Vergleich des Triumphbogens (WV 52) mit nationalen und internationalen Großbauten, u. a. dem Pantheon und St. Peter in Rom, dem Arc de Triomphe in Paris, sowie den Pyramiden von Gizeh

mensionierung bewusst eingesetzt, aber auch für die lung besonders groß sind, ist kein genuin deutsches Öffentlichkeit thematisiert wird, weil diesbezüglich und genauso wenig ein zeitlich neues Phänomen. offenbar Bedarf besteht. Auf die historischen Beispiele, wie herrscherliche Den Stellenwert, der den Dimensionen beige- und klerikale Repräsentation seit dem Mittelalter messen wird, zeigen Pläne, auf denen die Umrisse oder gar der Antike, soll hier nicht weiter eingeganbekannter nationaler und internationaler Gebäude gen werden. Wesentlich ist, dass Hitler, der noch mit denen geplanter Neugestaltungsbauten vergli- in der Monarchie aufgewachsen ist, derartige Mochen werden [Abb. 120]. Derartige Zeichnungen numentalbauten aus eigener Anschauung kennt. Er waren lange eingeführte Mittel im internationalen entwickelt somit keine neue Idee, sondern führt Leistungsvergleich.1046 Die großen Transatlantik- eine ihm bekannte Tradition übersteigert fort. Bedampfer als seegehende Aushängeschilder der Natio- sonders bei Gerichtsgebäuden als Repräsentanzen nen wurden ebenfalls regelmäßig mit ihren Konkur- der staatlichen Macht lässt sich eine Tendenz zur renzschiffen und großen Bauwerken verglichen.1047 Größensteigerung feststellen. Prägnantestes, allerSpeer zeigt Hitler in seinen Vergleichszeichnungen dings in dieser Form auch einzigartiges internatinur historische Bauten. Über aktuelle internationale onales Beispiel ist der Justizpalast in Brüssel [Abb. Tendenzen muss dieser sich anderweitig informiert 121], der in beherrschender Monumentalität die haben. umliegende Bebauung dominiert. Während des Die Errichtung von Gebäuden, die im Verhältnis Krieges sendet Hitler seinen GBI extra nach Brüssel, zu ihrem Umfeld aus Gründen der Machtdarstel- um sich den Palast anzusehen – wie Speer 1967 an1046 Hans Ernst Mittig verweist hierzu auf einen Vergleich des Eiffelturms mit bekannten Großbauten von 1889 (Mittig 1979, 42). 1047 Die Vergleiche (BHStA Rep. Speer Pläne 2863, 2864,

2865) mit anderen Kuppeln (Pantheon, St. Peter, beide Rom, sowie der des Florenzer Doms) sind wohl weniger wegen des Übertreffens als vielmehr der Formgebung oder des statischen Verständnisses wegen gemacht worden.

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121 Joseph Poelaert, Brüssel, Justizpalast, historische Postkarte.

gibt, weil dieser der gewünschten Größenordnung entspricht.1048 Hitler sind aus seiner Jugend sicher nicht nur die Bauten der Wiener Ringstraße bekannt, sondern auch der Justizpalast Friedrich von Thierschs am Münchener Karlsplatz,1049 der mit seiner eindrucksvoll inszenierten Treppenhalle ein Element aufweist, das in Berlin wenige Jahre später gesteigert worden ist. Dort wurde von 1896–1905 entlang der heutigen Littenstraße der Komplex des »Stadtgerichts« mit 53 Achsen um elf Höfe gebaut.1050 Noch eindeutiger in der Intention der Machtinszenierung ist jedoch das in unmittelbarer Nähe des Stadtgerichts gelegene Stadthaus Berlin, erbaut 1902–1911 von Ludwig

Hoffmann.1051 Als Erweiterungsbau des Roten Rathauses wurde es in jenem Bereich der Berliner Altstadt errichtet, in dem mit dem Krögel eine der ärmlichsten und gleichzeitig am dichtesten besiedelten Gassen der Stadt lag. Dem darin hausenden, nicht selten kleinkriminellen Milieu wurde das Stadthaus, das die Fachwerkbebauung deutlich überragt, als städtebauliche Dominante und Ausdruck der Staatsgewalt gleichsam ins gewachsene Quartier hereingesetzt, wofür eine große Zahl von Altstadtparzellen planiert werden musste. Bei den genannten Gebäuden handelt es sich ausnahmslos um ausgeprägte Machtarchitekturen. Neben ihrem praktischen Zweck, große Büroflächen

1048 BA N1340/64, Speer an Taylor, 24.11.67. 1049 Nach Entwurf Thierschs wird in städtebaulich beherrschender Lage der Justizpalast 1890–1897 in neubarocken Formen errichtet (Götz [u. a.] 1996, 146).

1050 Badstübner-Gröger [u. a.] 2000, 76. 1051 Badstübner-Gröger [u. a.] 2000, 76.

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unterzubringen, verfolgen sie eindeutig das Ziel, mit ihrer Größe zu beeindrucken. In der Regel sprengen sie den Maßstab der umgebenden Bebauung. Die Feststellung, dass die Größenordnung der NS-Bauten nicht einzigartig ist, soll sie keinesfalls verharmlosen. Sie zeigt nur, dass die schiere Größe nicht als besonderes Merkmal der NS-Architektur gelten kann.

gestaltungsstädte hinzukommen. Darüber hinaus nimmt er die Rolle des beauftragten Prüfers auch bei Bauten wahr, die formal in keinen seiner eigentlichen Geschäftsbereiche fallen, aber das Interesse Hitlers erregen. Ganz selbstverständlich nutzt er hierfür die Möglichkeiten, die die ihm unterstellte Behörde bietet. Dass es für die Architekten im Resultat unerheblich ist, ob er tatsächlich im gesetzlichen Rahmen seines Auftrags handelt oder nur durch einen mündlichen Auftrag Hitlers ermächtigt ist, wurde bereits Be au f t r ag t e r f ü r da s B au w e se n  ? dargelegt. Unerheblich ist für Speers Aufträge auch, welchen Rang sein Verhandlungspartner hat, da er Speers Vorbildwirkung ergibt sich aus seiner Funk- sich im Zweifel stets darauf berufen kann, die Meition als Hitler vorgeschaltete Entscheidungsinstanz nung Hitlers zu vertreten. So unterrichtet Speer etwa für architektonische und künstlerische Fragen.1052 den Architekten Laub über Hitlers Überlegungen Im Laufe der mittleren 1930er-Jahre wird er von ei- zur Neuplanung Wiens1054 oder Minister Goebbels nem Architekten, den Hitler mit konkreten (Um-) darüber, dass der geplante Bau eines neuen FunkBauaufgaben betraut, zu einem Berater für allge- hauses in Berlin nicht Hitlers Zustimmung finde, meine architektonische Angelegenheiten. Dabei ist weswegen er einen Wettbewerb unter seiner Leitung der eigentliche Umfang der Aufträge gleichgültig vorschlägt.1055 und variiert stark. Speers Tätigkeitsfeld reicht von Speer erreichen auch Mitteilungen, die die Arbeit der Planung der neuen Reichshauptstadt Berlin bis anderer Architekten zum Gegenstand haben. Die zum Transport eines Teppichs aus dem Münchner Reaktion Speers auf den folgenden Vorgang ist unFührerbau in die Berliner Reichskanzlei.1053 Auch bekannt. Er zeigt dennoch, dass sein Einflussbereich wenn er demnach gelegentlich mit Dingen beauftragt bis ins Ausland reicht und alle deutschen Archiwird, für die es keines Architekten bedarf, ist seine tekten sowie jegliche Bereiche der Architektur einHauptaufgabe doch die Kontrolle der Entwurfstätig- schließt. Woldemar Brinkmann schwärzt Otto Bartkeit. Durch seine Parteiämter hat er für die Prüfung ning bei Speer an, er kritisiert dessen Entwurf für von Entwürfen bestimmter Parteibauten auch eine die Kirche der deutschen Evangelischen Gemeinde Legitimation, die nicht direkt von Hitler abhängig in Barcelona. Er verlangt, man solle doch einmal ist. Mit der Berufung zum GBI 1937 erweitert sich prüfen, ob Bartning in »unserem Sinne Kultur ins sein Zuständigkeitsbereich qua Amtes erheblich, erst Ausland trägt, oder in seinem Systemstil weiterbaut. recht als im dritten Erlass 1940 noch weitere Neu- […] Wenn es uns auch lieb sein kann, dass andere 1052 Ein Beispiel ist die Besprechung am 28.1.38, in der Speer die Führerskizze für den Innenraum der Luitpoldhalle in Nürnberg mit Benno von Arent bespricht (BA R4606/66, 245). 1053 BA R4606/66, 141, Eintrag vom 18.7.1938. 1054 LArchB A Pr. Br. Rep. 107/233-2, Protokoll 226 vom 14.11.38. 1055 Noch deutlicher wird er Goebbels gegenüber in Bezug auf den Entwurf für ein Rundfunkhaus in Stuttgart, von dessen Bau er dringlichst abrät (BA R4606/29, Speer an Goebbels, 29.1.37). 1056 BA R4606/24, 112, Brinkmann an Speer, 11.10.41.

1057 BA R4606/58, 108, Protokoll der Besprechung vom 5.11.37. – Gemeint ist damit wahrscheinlich, dass der Bau in Grund- und Aufriss mehr in die Tradition der Adelspalais der Barockzeit gestellt werden und sich vom Typus des Vorgängerbaus, dem gehobenen Wohnhaus, entfernen soll. 1058 BA R4606/58, 108, Protokoll der Besprechung vom 5.11.37. – Baumgarten erhält die konkrete Anweisung, umgehend einen neuen Entwurf, Maßstab 1 : 200, nur skizzenhaft aufzustellen und mit Modellen vorzulegen. Im März 1938 ist der Bau noch nicht im Gange und Speer fordert Baumgarten auf, Sorge dafür zu tragen, dass er am 1.4.1939 bezugsfertig sei. Auch diesmal bekommt Baumgarten sehr

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Länder Mist Verzapfen [sic], damit wir um so besser zugunsten der heutigen Lage.1061 Derartiges Eindastehen, so kann es uns aber nicht egal sein, dass greifen in Planungen ist keineswegs unüblich, auch dieses ›Deutsche‹ tun.«1056 wenn der umgekehrte Fall, dass Speer sich von selbst Die Mittlerfunktion Speers wird am Beispiel einmischt und nicht wie hier zu Hilfe geholt wird, des Neubaus der Dienstvilla Goebbels’ an der Her- häufiger vorkommt. mann-Göring-Straße deutlich. In unmittelbarer Bedingt durch die Hierarchie im NS-System hat Nachbarschaft der Reichskanzlei gelegen und als Speer wenig Einfluss auf Hitler. Gewisse indirekte Wohnung eines seiner wichtigsten Minister, ist Hit- Eingriffsmöglichkeiten hat er im Zusammenwirken lers Interesse an diesem Bau außerordentlich. Er lässt mit anderen Personen in dessen Umkreis dennoch, Speer dem Architekten Paul Baumgarten übermit- etwa wenn Lammers Hitler neu zu ernennende Neuteln, dass ihm dessen Entwurf nicht gefalle und er gestaltungsstädte nur dann vorschlägt, wenn Speer wünsche, dass er sich mehr am »Palaisstil«1057 an- im Voraus sein Einverständnis dazu gibt.1062 Dieser lehne. Er bemängelt die Säulenstellung, will den Seitenweg ist offenbar mehr oder minder bekannt, Saalbau vom Wohngebäude trennen und das alte denn Speer wird immer wieder bewusst als VermittWohnhaus abreißen.1058 Aktiv greift er in Details ler eingeschaltet. Obwohl eigentlich nicht zuständig, ein, fügt Korrekturen in die Baumgarten-Pläne ein soll er oft die Behandlung von Eingaben bei Hitler und gibt diese an Speer zurück, der alles weitere er- beschleunigen, beispielsweise als Göring Baumateledigen soll.1059 Das folgende Beispiel zeigt, dass es rial für das Gauforum in Augsburg verweigert.1063 für das Interesse Hitlers und damit das Eingreifen Trotz der Mitteilung, dass sich Speer mit Dingen wie Speers völlig bedeutungslos ist, welches Bauvolu- einem Regierungsgebäude in Aussig nicht mehr bemen ein Projekt hat. Bearbeiten beide bei Goebbels’ fasse, versucht der dortige Regierungspräsident, über Villa noch Details, geht es im Zusammenhang mit die GBI einen Termin bei Hitler zu erlangen.1064 der »Stadt der Hermann-Göring-Werke«, dem heu- Dort legt man ihm nahe, sich über den Gauleiter und tigen Salzgitter, und der »Stadt des KdF-Wagens bei Bormann um einen solchen zu bemühen.1065 Zudem Fallersleben«, heute Wolfsburg, um Stadtplanungen wird er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Speer im großen Rahmen. Die »Gezuvor«1060 muss wegen von den Planungen keine Kenntnis habe und er sich der Konkurrenz durch die Reichswerke Hermann bei der Vorlage bei Hitler nicht auf Speer berufen Göring um die Realisierung des Wolfsburger Projek- dürfe. Der Nachsatz impliziert, dass Letzteres offentes fürchten und schaltet Speer ein. Dieser, in seiner sichtlich häufiger geschieht und eine Prüfung durch Eigenschaft als Beauftragter für das Bauwesen in der Speer einem »Gütesiegel« gleichkommt. NSDAP von der Gezuvor nur rudimentär informiert, Die Meinung Speers hat Gewicht, wenn eine Entlegt ohne umfassende Kenntnis des Sachverhaltes scheidung von Hitler direkt nicht zu erlangen ist. Er Hitler die Standortfrage vor und dieser entscheidet tritt nicht nur als Vermittler auf, sondern auch als eindeutige Anweisungen: Baukörper länger, Terrasse größer bzw. breiter, Öffnung der Halle durch einen Raum nach Süden, Verlegung der Treppe in die Achse des Raumes (BA R4606/59, 75, Protokoll 29.3.38). 1059 Mitteilung in Speers Terminplan: »Führerskizzen in Baumgarten-Zchng.: s. Zeichentisch«. (BA R4606/66, 255). 1060 Gezuvor: Gesellschaft zur Vorbereitung des deutschen Volkswagens mbH. 1061 Schneider 1979, 38. 1062 Belegbar ist dies am Beispiel von Würzburg (BA R4606/19, Speer an Lammers, 20.1.39). Fraglich muss bleiben, inwieweit Speer hier seine Bedeutung übertreibt, da das Schrei-

ben durch den Konflikt um den »Beauftragten für Bauwesen« motiviert ist (BA R3/1733, 9, Speer an Bormann, 20.1.41). 1063 Wolf 1999, 182. 1064 BA R4606/83, 6. Petrick, Regierungsgebäude Aussig, 18.3.41. – Regierungspräsident Krebs aus Aussig spricht trotz Absage in der GBI vor und will Speer wenigstens in großen Zügen von der Bonatz-Planung unterrichten. 1065 In einem anderen Fall schreibt Speer nach Lüneburg, dass sich der Gauleiter selbst um einen Termin bei Hitler kümmern möge (BA R3/1573, 32).

B eauftragter für das Bauwesen   ?   |  189

eine Art Sprachrohr für Hitlers Vorstellungen. So versucht man in der Generalbauinspektion für das deutsche Straßenwesen bei einer Autobahnbrücke für die Prager Südtangente unnötige Fehlplanungen zu vermeiden, indem man von vornherein einen mutmaßlichen Wunsch Hitlers zu berücksichtigen versucht, wodurch sich alle weiteren Diskussionen erübrigen sollen. Speer, so glauben die Verantwortlichen, müsse zuerst über solche Dinge Bescheid wissen. Da auch ihm kein Führerwunsch bekannt ist, antwortet er, dass ihm die Linienführung zu nahe an der Stadt erscheine.1066 Das übliche Verfahren, die Zustimmung Hitlers zu erlangen, ist zweistufig. Zuerst prüft Speer für Hitler die Entwürfe auf ihre Übereinstimmung mit dessen Wünschen und fordert gegebenenfalls Verbesserungen.1067 Entspricht das Projekt Speers Meinung nach den Kriterien, wird es Hitler präsentiert, wobei die Architekten im Vorhinein teilweise dezidierte Anweisungen erhalten, welche Punkte anzusprechen sind und welche vermieden werden sollen.1068 Gefördert wird diese Praxis auch von der Adjutantur Hitlers, die offenbar die Zeit, die dieser für Gaustadtplanungen aufwendet, reduzieren will. Vorträge von Gauleitern über ihre Gaustadtprojekte lässt die Adjutantur 1941 nur noch zu, wenn durch Speer eine Vorprüfung erfolgt ist.1069

Einen einheitlichen Ablauf für die Präsentationen gibt es nicht. Einige Architekten können ihre Pläne selbst präsentieren, für andere legt Speer an ihrer Stelle die Pläne vor, so etwa Baumgartens Entwurf für die Linzer Oper.1070 Offenbar gibt es aber auch Fälle, bei denen weder der Generalbauinspektor noch der Planverfasser anwesend sind.1071 Teilweise kümmert Speer sich auch nur um die Koordination der Termine bzw. gibt sogar lediglich das Signal, sich selbst um einen Termin zu bemühen. Bis zu seiner Kontroverse mit Giesler 1941 ist es die Regel, dass sich die Architekten an Speer wenden, wenn sie einen Termin bei Hitler für nötig erachten. Auch nachdem er in der Auseinandersetzung mit Giesler und Bormann um die Einrichtung des Amtes eines »Beauftragten des Führers für Baukunst und Städtebau der NSDAP« unterliegt und sich daraufhin vieler Ämter entledigt,1072 ist Hitler weiterhin der Meinung, dass Speer »es nicht vermeiden könne, ab und zu einmal [sic  !] einen Rat zu geben.«1073 Er stellt dabei aber auf Bitte Speers fest, dass es diesem überlassen sei, wann und wie weitgehend er Rat erteilen wolle. Obwohl durch die kriegsbedingte Einstellung der Bauplanungen die Zahl der Vermittlungsdienste abnimmt und sich das persönliche Verhältnis abkühlt, hat Speer die Mittlerfunktion zu Hitler grundsätz-

1066 BA R4606/25, 462, Generalinsp. f. d. dt. Straßenw. Lorenz an Speer, 22.12.41; Antwort Speer, 2.1.41. 1067 Zeichnungen, die mit Hitler besprochen werden müssen, werden in der Dienststelle der GBI dazu eigens in einer separaten Mappe gesammelt: »Führer-Mappe u. besprochene Zeichnungen durchsehen!« (BA R4606/66, 231, Eintrag vom 7.2.38). 1068 LArchB A Pr. Br. Rep. 107/233-2, Protokoll 201 vom 7.11.38. 1069 »Vorträge der Gauleiter beim Führer liess im allgemeinen seine Adjutantur nur zu, wenn ich vorher die Pläne begutachtet hatte.« (BA R3/1733,9, Speer an Bormann, 20.1.41). Belegbar ist diesbezüglich auch der Fall, dass der Gauleiter von Westfalen Hitler im Juli 1938 das Modell von Münster zeigen will und Speer ausdrücklich um eine Vorbesichtigung bittet (BA R4606/66, 146, Eintrag vom 7.7.38). 1070 Speer bestätigt auch, Baumgarten sofort zu unterrichten, sobald er Näheres wisse. Diese Frage wird offenbar der ganzen Führungsebene der GBI zur Kenntnis gegeben,

wie handschriftlich auf dem Schreiben steht. »Kenntnis genommen, Neikes, Brugmann, Wolters, Hettlage, Fränk« (BA R3/1573, 75, Speer an Baumgarten, 23.8.41). Die Besprechung der Pläne mit Hitler durch Speer dürfte auch der Grund sein, weswegen sich im Planbestand Büro Speer des BHStA diese Pläne finden. 1071 »Engel hat U-Bahnpläne bereits in die Reichskanzlei schaffen lassen. Soll er vor Führerbesichtigung zur Erklärung kommen oder nicht?« (BA R4606/66, 184. Eintrag vom 22.4.38). 1072 Siehe auch S. 23; 153. 1073 BA R3/1733, 34. – Er legt weiter Wert darauf, dass bei allen Plänen, die Hitler von dritter Seite gezeigt würden, die Verantwortung immer restlos beim jeweiligen Architekten liege, auch wenn der sich auf Speer berufe. 1074 Die Bauleitung für den Führerbunker der Reichskanzlei hat Piepenburg, der die von Hitler diktierten Maße umsetzen muss. Dennoch legt Speer Hitler in der Nacht vom 6. auf den 7. Februar 1943 die Pläne für den Bunker vor (BA

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lich bis 1945 inne.1074 Speer dient Hitler außerdem Werke zur »Großen Kunstausstellung 1937« im Haus bis mindestens Mai 1944 nach wie vor als Ansprech- der Kunst in München geltend machen.1077 Zudem partner in Baufragen, etwa als er sich um ein Ge- greift er in die Autonomie der Hochschulen ein und bäude für Theodor Morells Elektronenmikroskop versucht dort seine Vertrauensarchitekten zu platkümmern soll.1075 Die Wahrnehmung in der Öf- zieren. Um die Neugestaltung Berlins mit der unifentlichkeit hat sich nicht geändert, was sich daran versitären Lehre zu verknüpfen,1078 betreibt er die zeigt, dass ebenfalls im Mai 1944 das Stadtplanungs- Ernennung Hans Dustmanns zum ordentlichen amt Mannheim auf seine Nachfrage hin von Speer Professor für »Entwerfen« an der Technischen Hochdarauf hingewiesen wird, dass es nicht richtig sei, das schule Berlin1079, versucht Julius Schulte-Frohlinde Schloss sofort abzureißen,1076 da die endgültige Ent- dort ebenfalls einen Lehrstuhl zu verschaffen1080 und soll von Hitler den Auftrag bekommen haben, scheidung von Hitler gefällt würde. die Baufakultät der Hochschule zu reformieren.1081 In der Konsequenz geht er weit über seinen eigentE i n f lus s Spe e r s au f K u lt u r p ol i t i k u n d lichen Auftrag hinaus und plant die Einsetzung von A rc h i t e k t e n Speziallehrstühlen, z. B. für Brückenbau, Industriebau, Innenarchitektur etc., an einigen Hochschulen Durch seine persönliche Nähe zu Hitler kann Speer des Reiches, da die gesamte Breite des Bauwesens die Kulturpolitik ungleich stärker beeinflussen, als unmöglich an einem Ort gelehrt werden könne.1082 er es von einem anderen Posten gekonnt hätte. Den- Ebenfalls weit über seine entwerferische Tätigkeit für noch tritt er nicht als »Politiker« in Erscheinung, Hitler hinaus geht im Krieg auch sein Bemühen, die sondern agiert aus dem Hintergrund. Erwartungsge- Architekten besetzter Länder in ihrer Architekturmäß engagiert er sich besonders in Angelegenheiten, auffassung zu schulen. Dies beabsichtigt er sowohl die mit der Architektur zusammenhängen. Im Be- durch direkte Einladungen zu Besichtigungen als reich der Bildkünste – sonst nicht sein Betätigungs- auch durch die von Wolters organisierten großen feld, soweit es sich nicht um Bauzier und Innenaus- Ausstellungen.1083 Speer beschränkt sich nicht nur stattung handelt – kann er zumindest 1937 seinen auf die Tätigkeit des Architekten und auf seine StelEinfluss im Prüfungsgremium für die Auswahl der lung als GBI, sondern sichert sich seinen Einfluss in R3/1507, Eintrag vom 6./7.2.43). 1075 BA R3/1573, Bormann an Speer, 23.5.1944. – Hitlers Leib­arzt Theodor Morell bekommt von Hitler ein Elektronenmikroskop geschenkt und Speer muss sich um ein Gebäude für dessen Unterbringung kümmern. 1076 Schenk 2006, 95. 1077 BA R4606/21, 113, Haus der Kunst an Speer, 20.5.1937. 1078 Speer will einen Teil der Neugestaltungsarchitekten auch der TH als Professoren zur Verfügung stellen, damit auch die Studenten an den grossen Bauaufgaben der Neugestaltung teilhaben könnten. Er findet es bedauerlich, dass der augenblickliche Lehrkörper der Neugestaltung abseits stehe. Dies sei u. a. deshalb zu bedauern, weil die Studenten damit die Fühlung zum praktischen Geschehen verlören (BA R4606/83, 161, Protokoll Wolters, 25.10.39). 1079 BA R4606/25, 293, Speer an von Schirach, 20.6.41. – Zwischen Speer und von Schirach kommt es hierüber zu einer schwerwiegenden Meinungsverschiedenheit, die letztlich dadurch entschieden wird, dass Dustmann, nach Einstel-

lung der Wiener Planungen zu Beginn des Jahres 1942, sich ausschließlich seinen Berliner Projekten widmet. Speer hält zudem Dustmanns Büro für die Rüstung ungeeignet und will den Teil, der hierfür zu gebrauchen ist, für eigene Zwecke verwenden, die er als weitaus bedeutender betrachtet als von Schirachs Vorhaben (BA R4606/28, 137, Speer an von Schirach, 2.4.42 und Antwort Schirach in BA R4606/26, 59 vom 10.4.42). 1080 Flagmeyer 2009, 295. – Dies lehnte Schulte-Frohlinde, der lieber nach München möchte, ab. Speer setzt dann eine Ernennung zum Professor in München durch (Flagmeyer 2009, 300). 1081 BA N1340/76. »Typoskript Rudolf Wolters, Kurzer Lebensabriß«, handschriftlich datiert 25.12.66. 1082 BA N1340/76. »Typoskript Rudolf Wolters, Kurzer Lebensabriß«, handschriftlich datiert 25.12.66. 1083 BA R4606/23.

E influss S peers auf K ulturpolitik und A rchitekten   |  191

weitreichenden Gebieten der Bauwirtschaft. So geht er mit der reichsweiten Verwaltung der Eisen- und Stahlzuteilungen weit über seine Kernkompetenz hinaus und macht aus seiner regionalen Planungsbehörde eine nationale Verwaltungsstelle. Durch die Übernahme der Kontingentverwaltung sichert er sich nicht nur die Möglichkeit, seine eigenen Bauten bevorzugt voranzutreiben, sondern ebenso eine beherrschende Stellung in Bezug auf reichsweite Bauvorhaben, die etwa Hermann Giesler durch die Verweigerung von Baumaterial deutlich zu spüren bekommt.1084 Kulturpolitik betreibt Speer aber vor allem durch seine Medienpolitik. Als ein wesentliches Mittel der Einflussnahme auf die Architekten des Reiches verfügt er über eine weitreichende Kontrolle der Medien.1085 Von seinen Zeitgenossen wohl kaum wahrgenommen, hat er für den Bereich der »Staatsbauten« ein Monopol zur Architekturberichterstattung. Aus dem Hintergrund kann er über seine Mitherausgeberschaft der »Kunst im Dritten/Deutschen Reich« die Berichterstattung steuern, erst recht mit der ab Oktober 1938 erschienenen »Baukunst«, die sich in besonderem Maße der »Staatsbaukunst« widmen soll.1086 Zudem kontrolliert er die Veröffentlichungen seiner Projekte, wie des Reichsparteitagsgeländes oder der Neugestaltung Berlins, aber auch Publikationen über Projekte, die nicht unter seiner Federführung laufen, wie etwa das spätere VW-Werk in Wolfsburg. Auch Roderich Fick muss bei Speer anfragen, ob er etwas über Linz veröffentlichen darf.1087 Inwieweit Hitler bei der Freigabe von Publikationen mitwirkt oder Speer von diesem Direktiven emp-

fängt, ist nicht belegt. Es liegt aber nahe, dass Hitler mindestens grundsätzliche Richtlinien für die mediale Verwertung vorgibt, einen Überblick über die Veröffentlichungen hat und vor allem bestimmt, was nicht veröffentlicht werden darf. So untersagt er, obwohl zu diesem Zeitpunkt die wesentlichen Grundzüge der Achsenplanung mehrfach publiziert sind, die zugehörigen Modelle und Zeichnungen dem italienischen Minister Cobolli-Cigli bei dessen Besuch vorzuführen.1088 Mehr noch als durch die Kontrolle der Medien oder über die Vorbildwirkung seiner eigenen Bauten kann Speer die Architektenschaft durch die gezielte Vergabe von Aufträgen beeinflussen und Kraft seiner Ämter mittels Eingriff in die Planungen anderer die Architektur der NS-Zeit prägen. Auf diese Weise sichert er seine Vormachtstellung und stellt sich als überlegener Architekt dar, der unzulängliche Entwürfe notfalls selbst verbessert. Im Fall der Siedlung für Peenemünde, der sogenannten »Stadt X für 20.000 Einwohner«, überträgt er die Planung zwar Heinrich Eggerstedt, lässt aber publizieren, dass er »persönlich in Skizzen die Grundzüge der neuen Stadtplanung fest[legte], da die bisher vorgelegten Entwürfe nicht als geeignet angesehen werden konnten«.1089 Den Berliner Baumarkt bringt er, bezogen auf größere Projekte, vollständig unter seine Kontrolle und unterhält beim Oberbürgermeister der Stadt eine Liste, die jene Architekten verzeichnet, welche durch die Stadt bevorzugt mit Aufträgen zu versehen seien.1090 Zudem weist er die Stadt in konkreten Fällen an, Aufträge an ihm jeweils geeignet erscheinende Architekten zu vergeben.1091 Dabei

1084 Zur Sperrung von Baumaterialien Gieslers durch Speer, siehe: Früchtel 2008, 261. 1085 Siehe hierzu weiterführend: Kropp 2009. 1086 Siehe: Amt Schrifttumspflege und der Hauptstelle Bildende Kunst beim Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP 1940. 1087 BA R4606/563. 1088 BA R4606/27, Speer an Reichsarbeitsminister, 8.8.39. 1089 Hans Stephan: »Gründung einer neuen Stadt«, in: Der soziale Wohnungsbau in Deutschland, 1942, H.3, S. 77, zit. nach: Flagmeyer 2009, 531.

1090 BA R4606/56, Speer an OB Berlin, Stadtplanungsamt z. Hd. Stadtbaudirektor Petrick, 19.5.38: Speer bittet, die Architekten Schallenberger und Schmidt in die gemeinsam mit ihm aufgestellte Architektenliste zu übernehmen. Er bittet zudem um Informationen, welchen Architekten schon Aufträge zugegangen sind. 1091 BA R3/1573, 134, Speer an Oberbürgermeister Berlin, 1.7.41. – In diesem Fall handelt es sich um ein Gruppendienstgebäude am geplanten Reichsarchiv, das Stadtbaudirektor Ermisch entwerfen soll. 1092 Harlander 1995, 173. – Koller hat sich geweigert bei den Berlin-Planungen mitzuarbeiten und ist Speer zwar noch

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verteilt er nicht nur die Berliner Aufträge, sondern Die Architekten sind sich darüber im Klaren, was mischt sich auch reichsweit in die Vergabe ein. Für von ihnen erwartet wird. Speer lässt keinen Zweifel Wolfsburg bringt er beispielsweise den Architek- daran, dass er sie bei Nichtbeachtung der Vorgaben ten Peter Koller ins Spiel und sichert sich dadurch durchaus von den Planungen entbinden kann.1098 maßgeblichen Einfluss auf die Planungen.1092 Bei Schwer zu definieren ist in diesem Zusammenhang wichtigen Personalentscheidungen ist Speer eine In- der Unterschied zwischen stilistischem Vorbild oder stanz, die kaum zu umgehen ist. Das Gauforum in weisungsbefugtem Vorgesetzten. Sicher ist, dass sich Weimar etwa ist als Prototyp für diese Bauaufgabe Speer in der Regel Gegenvorschläge vorbehält,1099 von größter Bedeutung für die Verwirklichung von falls die Entwürfe ihm nicht zusagen. Offenkundig Hitlers Vorstellungen. Auch hier kann Speer 1936 illustriert dies das Stildiktat, das er qua Amt ausüben mitwirken und für den beschränkten Wettbewerb kann. Die Möglichkeit, durch einen GegenvorArchitekten vorschlagen.1093 Übertragen wird die schlag Speers den Auftrag entzogen zu bekommen, Planung Hermann Giesler, der möglicherweise von veranlasst die Architekten mit Sicherheit nicht zu Speer eingeladen wurde.1094 besonders gewagten Gestaltungen. Dass Speers VorDie Ausbildung des Nachwuchses ist für die Ver- bildfunktion allgemein akzeptiert ist, zeigt die Neuankerung des Neuen Baustils in der Architekten- gestaltungsplanung für Innsbruck. Zügig nach dem schaft ein wesentlicher Punkt. Gezielte Eingriffe in »Anschluss« werden hier umfassende Stadterneuedie Schulung ermöglicht Speer seine Stellung in der rungen angestoßen. Die Beauftragung Peter Kollers DAF, die er deshalb beibehält, auch wenn sein En- durch den Innsbrucker Oberbürgermeister erfolgt gagement dort sonst eher gering ist. Auch treibt er explizit in der Hoffnung, dass sie »Gewähr dafür 1939 die Gründung eines neuen Architektenbundes bietet […], daß die gesamte bauliche Gestaltung im voran.1095 Dabei kommt es aber über die künftige Sinne des Generalbauinspektors Prof. Speer entwiAusbildung der Architekten zu einer Kontroverse, in ckelt wird«.1100 der sich Speer nicht gegenüber Todt durchzusetzen Die von Speer beauftragten Architekten erarbeivermag.1096 ten ihre Entwürfe weitgehend selbstständig. Es gibt Als GBI dient Speer automatisch als Vorbild der keine Hinweise darauf, dass sie über Skizzen mit deutschen Architekten. Die seiner Meinung nach Speer kommunizieren. Die Quellen ergeben vielmehr Besten kann er dank reichlicher Finanzmittel in sei- den Eindruck, dass Speer stets ausgearbeitete Pläne ner Behörde einstellen.1097 Während die Stellung als erhält. Oftmals gibt er mehrere Varianten in Auftrag GBI vor allem für den Repräsentationsbau wichtig und wählt, wie es im Vorangegangenen für Hitler geist, kann Speer über seine Ämter in der Partei und schildert wurde, eine davon zur Weiterbearbeitung der DAF auch auf andere Bauaufgaben einwirken aus. Andererseits erlässt er sehr konkrete, detaillierte und hier seine Richtlinienkompetenz durchsetzen. Anweisungen für die Überarbeitung der vorgelegten aus dem Studium, nicht aber in Fachkreisen bekannt (Schneider 1979, 31). Koller selbst vermutet in der Rückschau, dass seine Bekanntschaft mit Speer ein gewichtiger Grund für seine Beauftragung war (Schneider 1979, 32). 1093 Loos 2000, 59 – Auch später greift er hier ein, als die Stelle des Stadtbaurates neu besetzt werden soll, und plädiert für Rudolf Rogler, der unter anderem in der Bauabteilung der DAF tätig ist (Loos 2000, 91). 1094 Früchtel 2008, 75. 1095 BA R4606/411; BA R4606/442. 1096 Flagmeyer 2009, 429. 1097 Spätestens ab August 1940 ist es ihm nach Anordnung Hit-

lers gestattet, außerhalb der Tarifordnungen die Gehälter seiner Beschäftigten selbst festzusetzen und im Rahmen seines Haushaltes zu verwalten (Lammers an GBI, 13.8.40). 1098 BA R4606/58, 160. 1099 Speer bittet die Stadtverwaltung Berlin »… zu veranlassen, dass der Entwurf von Stadtbaudirektor Ermisch aufgestellt wird. Ich behalte mir jedoch vor, evtl. einen Gegenvorschlag machen zu lassen.« (BA R4606/1476). 1100 OB Innsbruck Dr. Denz an Gauleiter Hofer, 2.12.39, zit. nach Klotz 1984, 184.

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Entwürfe.1101 Damit zeigt sich die Architektur der sogenannten Gauforen – hat Speer zunächst nur NS-Zeit von zwei Faktoren bestimmt. Zum einen im Hintergrund eine Rolle gespielt. Im Januar 1935 versuchen die Architekten von vornherein Entwürfe entscheidet er sich bei der Besichtigung zweier Vorzu erstellen, die die Zustimmung des GBI finden, projekte für das Weimarer Gauforum dafür, den Vordies auf der Grundlage von Äußerungen Speers zum schlag Schultze-Naumburgs weiterzuverfolgen.1107 Bauvorhaben,1102 den Veröffentlichungen in Fach- Hitler befiehlt jedoch im Juli desselben Jahres die publikationen und der in Fachkreisen als bekannt Weiterbearbeitung des Konkurrenzvorschlags von vorauszusetzenden grundsätzlichen Architekturli- Stadtoberbaurat August Lehrmann.1108 Schlussendnie. Zum anderen greift Speer durch Detailkorrek- lich wird das Gauforum durch Hermann Giesler turen direkt und schöpferisch in die Planungspro- geplant, der auch in Augsburg eine wichtige Rolle zesse ein und steuert auf diese Weise die Gestaltung. spielt. Als Hitler dort das städtische Projekt eines Die Zusammenarbeit zwischen dem GBI und den Stadthallenbaus zu einem Gauforum erweitert, inArchitekten ist von einer klaren Rollenverteilung dem er die Grundzüge in einen Plan skizziert,1109 ist bestimmt und sicherlich nicht immer harmonisch. es zunächst ebenfalls Speer, der dieses beaufsichtigt, Klagen über diesen Arbeitsmodus sind jedoch nicht bis er Mitte 1936 durch Giesler abgelöst wird.1110 auffindbar.1103 Der Augsburger Architekt Thomas Diese Beteiligungen, parallel zu Speers eigenen PlaWechs beschreibt die Zusammenarbeit vielmehr als nungen in Nürnberg, sind sicherlich eine wichtige recht gut, wenn auch die Architektur vorgeschrieben Grundlage für seine Ernennung zum GBI und die sei.1104 Die Zusammenarbeit mit Giesler dagegen Übertragung der reichsweiten Verantwortung bei sei von Konfrontationen bestimmt gewesen.1105 Im solchen Bauten. In diesem Aufgabenbereich kann er Zuge der Bemühungen um eine vorzeitige Haftent- seine organisatorischen Fähigkeiten demonstrieren lassung versichert auch Paul Bonatz, dass Speer in und zeigen, dass er in der Lage ist, die Entwürfe auf der Art und Weise, wie er als fürsorglicher Betreuer deren Übereinstimmung mit den Vorstellungen Hitseine Mitarbeiter und Beauftragten selbstständig ar- lers zu prüfen. Eine deutlich größere Rolle spielt Speer nur zwei beiten ließ, nicht nur deren Achtung, sondern auch Jahre später bei der Konzeption einer Gauforumsan»Liebe gewann«.1106 Bei der Ausprägung einer der besonders charak- lage in Frankfurt an der Oder. Er führt dort die Plateristischen Bauaufgaben der NS-Herrschaft – der nungen im Alleingang, unter völliger Übergehung 1101 »Lieber Herr Bestelmeyer, […] Die beiden Fassadenentwürfe habe ich mir angesehen. Die Türme mit den wenigen Fensteröffnungen gefallen mir besser; auch die von Ihnen umgeänderte Turmspitze scheint mir richtiger zu sein. Ich möchte Ihnen lediglich noch einen Vorschlag für die Änderung des Anschlußes Mittelteil – Turm machen. Der senkrechte Mauerschlitz könnte meiner Ansicht nach etwas breiter sein. Dazu müßten jedoch außerdem wohl auf beiden Seiten in den oberen Geschossen je eine Fensterachse fortfallen, während die Achse bei dem Repräsentationsgeschoß nicht nur bleiben müßte, sondern nach außen hin auch eine Verstärkung durch doppelte Säulenstellung erhalten könnte. […] Mit besten Grüßen Heil Hitler Ihr Speer« (BA R3/1573,177, Speer an Bestelmeyer, 5.9.1941). 1102 Vergleiche hierzu die Planungsgeschichte der Nietzsche-Gedächtnishalle in Weimar, die aus dem Fokus von Speer und Hitler gerät. Schultze-Naumburg und Sauckel bemühen sich dann explizit bestehende Forderungen zu erfüllen und

einen Hitler genehmen Bau zu errichten. Siehe hierzu: Loos 2000, 188. 1103 Elke Dittrich kann zwar belegen, dass das Verhältnis zwischen Ernst Sagebiel und Speer schwierig ist, direkte Klagen gibt es aber offenbar auch von Sagebiel nicht (Dittrich 2005, 83). 1104 Wolf 1999, 177. 1105 Wolf 1999, 178. 1106 BA N1340/408, Paul Bonatz, Befürwortung des Gesuchs der Frau Margarete Speer, 25.5.55. 1107 Loos 2000, 56. 1108 Wolf 1999, 71. – Wolf folgert hieraus, dass Speers Autorität bei Hitler noch nicht entsprechend gefestigt war. Zusätzlich bestätigt wird dies ihrer Meinung nach dadurch, dass Speer die Episode in seinen »Erinnerungen« gänzlich anders darstellt und hier Schultze-Naumburgs Entwürfe, obschon damals von ihm bevorzugt, nachträglich in Frage stellt. Im Übrigen, so Wolf, irre Speer mit dem Datum. Anstelle von

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der städtischen Instanzen und der Gauverwaltung, den Subzentren und trägt dazu bei, diese Grundsätze die nur noch repräsentierende Funktionen überneh- im ganzen Land zu verankern. Kaum verwunderlich ist in diesem Zusammenmen darf.1111 Für Speer, der zu diesem Zeitpunkt schon Generalbauinspektor ist und damit aus einer hang, dass Speer, wie Arndt schon 1984 darlegt, gänzlich anderen Position agiert, dient die Tätigkeit auch Wettbewerbe stark kontrolliert.1114 Seinen dort nicht mehr dem Aufstieg, sondern der Festi- Einfluss baut er auf diesem Gebiet bereits früh gung seiner Stellung. Ein weiteres Betätigungsfeld aus.1115 Schon 1934 sind Speer und Tessenow Mitsind die kleineren Versionen der Gauanlagen, wie glied einer Jury für den Wettbewerb eines »Hauses etwa die Landratsamt- und Kreisanlage in Bernau. der Arbeit«.1116 Paul Sigel berichtet im ZusammenAuch hier greift der Mechanismus, dass Speer Hit- hang mit der Ausschreibung für den Deutschen ler die Pläne vorlegt und sich dann mit den anderen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel 1935 – Beteiligten auseinandersetzt.1112 Er kontrolliert so unter Bezug auf Ludwig Mies van der Rohes Mitauch die regionalen bzw. lokalen Repräsentanzen des arbeiter Sergius Ruegenberg –, dass sich Speer im NS-Staates und die ortsansässige Architektenschaft. Sommer 1934 möglicherweise dafür einsetzt, dass Er ist dort dadurch nicht nur durch das Beispiel Mies teilnehmen kann.1117 1935 tritt er beim Wettseiner Planungen für Berlin ein Vorbild, sondern bewerb für das Horst-Wessel-Denkmal auf dem nimmt vielfach auch direkt durch die Korrektur von Süntel bei Hameln als Preisrichter auf.1118 Auch im Entwürfen Dritter Einfluss. Damit befördert er die Bereich der Gauforen ist Speer in die AusschreibunEtablierung einer wachsenden Anzahl von regime- gen involviert, jedoch nicht in führender Rolle. Im konformen Lösungsmöglichkeiten bei Bauvorhaben November 1935 wählt er, in Zusammenarbeit mit untergeordneten Ranges. Monumentale Zentren der Gauleitung Thüringen und dem Atelier Troost, sind nicht nur für Großstädte vorgesehen, sondern die Architekten für den Wettbewerb für das Weiim entsprechenden Maßstab auch für kleinere Ge- marer Gauforum aus,1119 scheint bei der Entscheimeinden.1113 Somit werden die architektonischen dung hingegen keinen Einfluss gehabt zu haben.1120 Grundsätze, in Form und Aufwand dem Rang des Wie Arndt feststellt, handelt es sich bei den meisBauvorhabens angepasst, an zahlreiche Orte trans- ten Wettbewerben nicht um freie Gestaltungsaufportiert. Dies fördert reichsweit die Identifikation gaben. Vielmehr geht es darum, sich einem schon mit den Großbauten auch bei der Bevölkerung aus entwickelten Gesamtkonzept anzupassen. Dies gilt Herbst 1934 kommt Frühjahr/Sommer 1935 in Frage (Wolf 1999, 71). Womöglich datiert Speer einmal mehr seine Tätigkeit vor, um seinen Aufstieg rasanter erscheinen zu lassen. 1109 Früchtel 2008, 126. 1110 Wolf 1999, 45. 1111 Wolf 1999, 46. – 1937 entscheidet Hitler, dass die preußische Provinzialverwaltung der Provinz Brandenburg und die Gauleitung nach Frankfurt/Oder verlegt werden sollen. Praktischer Nebennutzen war, dass der bisherige Sitz des Oberpräsidiums in der Victoriastraße ohnehin im Zuge der Neugestaltung abgerissen werden soll. Wolf sieht in der Verlagerung politischer Mittelinstanzen und politischer Stabilisierung von Städten im östlichen Reich einen ersten Schritt Hitlers hin zur Ostexpansion. Der Gauleiter wird von Heß darüber informiert, dass er sich »… umgehend und ohne großes Aufsehen direkt an Albert Speer zu wenden habe und daß Hitler in Kürze erste Pläne erwarte.« (Wolf 1999, 207). Speer verweist Gauleiter Martin Stürtz zunächst an

Giesler, »… der eine gleiche Anlage für Weimar projektiert hat …« und von mir »… im Rahmen meines Auftrages im Stab des Stellvertreters des Führers – mit der Bearbeitung der Baufragen ›Gauleitung‹ betraut worden ist.« (Wolf 1999, 208). 1112 BA R4606/59, 100, Protokoll 9.3.38. 1113 Nerdinger 2004, 113. 1114 Arndt 1984, 153. 1115 Schelkes berichtete, von Speer zu Wettbewerben in Hameln (Horst-Wessel-Ehrenmal, 1935), Saarbrücken (Rundfunkgebäude, 1935) und Goslar (Hauptverwaltung der Reichsbauernschaft) eingeladen worden zu sein (Privatbesitz in Deutschland, Dokument o. T./o. D.). 1116 de Michelis 1991, 137. 1117 Sigel 2000, 128. 1118 Tietz 1999, 182. 1119 Früchtel 2008, 74. 1120 Wolf 1999, 91.

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sowohl für die ersten Projekte wie das Gauforum »Allerdings muß besonders betont werden, daß diein Weimar 1935 als auch für die Folgezeit, wie den jenigen, die sich in ihrer Planung außerhalb dieser Wettbewerb für die Hochschulstadt in Berlin. Die Gesinnung stellen, sich gleichzeitig aus dem Kreis Grundmechanismen lassen sich aber auch auf weni- derjenigen ausschalten, die an der Lösung der groger umfangreiche Vorhaben als die Hochschulstadt ßen Bauaufgaben Berlins beteiligt werden. übertragen. Stets sind es Speer bzw. seine Dienststelle, die einen Vorentwurf erarbeiten lassen, der Der hier ausgeschriebene Wettbewerb hat also nicht die Grundlage für die eingereichten Vorschläge dar- nur den Zweck, die vorliegende Aufgabe zu lösen. stellt und durch weitere Bedingungen ergänzt wird. Er ist darüber hinaus einer der ersten großen WettDer eigentliche Sinn dieser Wettbewerbe wird am bewerbe, die dazu dienen sollen, diejenigen Kräfte Beispiel der Ausschreibung für ein Verwaltungsge- zu finden, die der Führer zur Durchführung seiner bäude in Kreuzberg deutlich. Speer gibt dazu im Pläne für den Ausbau der Reichshauptstadt brauMärz 1937, also kurz nach seiner Einsetzung zum chen wird.«1122 GBI, zunächst bekannt, dass es seine Aufgabe sei, Wer zu diesem Zeitpunkt die nun herrschenden »dafür Sorge zu tragen, daß die neuen Bauten Ber- Grundsätze des Entwerfens noch nicht verinnerlicht lins in ihrer Haltung dieselbe klassische Strenge, hat, wird damit sehr deutlich auf sein Versäumnis Klarheit und Reinheit haben werden, wie sie in die- hingewiesen. Diese Festschreibung Speers, dessen sen ersten nationalsozialistischen Bauten Münchens Stellung zu diesem Zeitpunkt allgemein bekannt und Nürnbergs Gestalt gefunden haben. Dabei darf ist, wird mit Sicherheit als eindeutiger Hinweis auf nicht an eine Nachahmung dieser Bauten gedacht die künftige Richtung des Repräsentationsbaus verwerden.«1121 Nachdem er damit die stilistische standen. Die neue Linie wird nicht mit offiziellen Richtung sehr konkret festgelegt hat und trotz der Anordnungen diktiert, sondern über solche Wettengen Vorgaben vor Kopien warnt, wird den Archi- bewerbsausschreibungen, die Veröffentlichungen tekten klar gewesen sein – das künftige Bauvolu- in der Presse und direkte Eingriffe in Entwurfspromen der GBI dürfte man in Fachkreisen sehr wohl zesse. Dass Speer persönlich bei einem Vortrag in der als erheblich erkannt haben –, dass es bei diesem Reichskanzlei den Architekten die veränderten BeWettbewerb durchaus um ihre Zukunft ging. Denn dingungen für das Gauforum in Weimar präsentiert, Speer umreißt in zeittypischer Bestimmtheit den ei- zeigt in besonderer Weise die Bedeutung bestimmter gentlichen Zweck des Wettbewerbs  : Wettbewerbe.1123

1121 BA R4606/65, 335, Grundsätzliches zum Wettbewerb »Verwaltungsgebäude Kreuzberg«, 19.3.37. 1122 BA R4606/65, 335, Grundsätzliches zum Wettbewerb »Verwaltungsgebäude Kreuzberg«, 19.3.37. 1123 Loos 2000, 60. – Der Vortrag fand am 5. März 1936 statt. 1124 Wettbewerbsunterlagen in BA Kl. Erw. 864/24, BA Kl. Erw. 864/1, BA Kl. Erw. 864/2, BA Kl. Erw. 864/3. Siehe zudem: BA R4606/67, BA R4606/66, BA R4606/22, BA R2/27454, BA R2/27761, BA R43II/1028, BA R43II/1027. 1125 Wolf 1999, 209. – Im weiteren Verlauf wird festgestellt, dass ein Umbau der Eisenbahnbrücke über die Oder den Blick von der Reichsautobahn auf die geplante Forumsanlage verdecken würde, weswegen Speer, respektive Hitler, um eine Entscheidung gebeten wird.

1126 Wolf 1999, 209. – Eugen Kube ist offenbar seit Gründung Mitarbeiter der GBI. Im Juli 1937 ernennt Speer ihn zum zuständigen Sachbearbeiter für die Planung des 3. und 4. Ringes (BA R4606/29, 9, Speer an OB Berlin, 26.7.37). Kube ist auch für die Landkreise um Berlin zuständig (BA R4606/69, 244 ff.). Im mutmaßlich ersten Geschäftsplan ist er für die Betreuung der Bauvorhaben der Stadt Berlin und Wehrmachtsbauten verantwortlich. Neben der Zeichenarbeit befasst er sich mit der Klärung architektonischer Fragen mit dem Stab Heß sowie der DAF und innerhalb der GBI auch mit der Betreuung des Wettbewerbes für Frankfurt/Oder (BA R4606/65, 380, undatierter Geschäftsplan, wohl 1937). 1127 Die ältesten Modelle für die Kongresshalle in Nürnberg datieren vor Dezember 1934. In der Folge wird eine Vielzahl

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Während seiner gesamten weiteren Tätigkeit für Hitler, ohne dass sie hier in aller Ausführlichkeit dargelegt werden könnte, bleibt Speer in die großen Wettbewerbe eingebunden bzw. veranstaltet sie gar selbst, wie jenen für die Berliner Hochschulstadt.1124 Dennoch zeigt sich auch hier, dass Speer nicht allein verantwortlich handeln kann. Das nach seinen Korrekturen ausgearbeitete Ausschreibungsprogramm für das Gauforum in Frankfurt an der Oder muss er beispielsweise Hitler zur Genehmigung vorlegen.1125 Interessanterweise streicht Speer, selbst auch Preisrichter, bei der Vorbereitung dieses Wettbewerbs neben Ernst Sagebiel auch seinen Lehrer Heinrich Tessenow aus dem Preisgericht. Stattdessen beruft er seinen Mitarbeiter Eugen Kube und Hermann Giesler in die Jury.1126

E x k u r s – Mode l l e a l s v i s u e l l e E n t s c h e i du ng s h i l f e f ü r H i t l e r Ein großer Teil der unter dem NS-Regime entstandenen Planungen sind nur durch Modellfotos überliefert. Erheblich ist sowohl die Anzahl der Modelle als auch der Aufwand, mit dem diese angefertigt werden. Die Produktion von Modellen steigt in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre sprunghaft an. Nachweisbar ist dies für die Nürnberger Bauten, die Linz-Planung, die Neugestaltung Berlins, das Gauforumsprojekt in Weimar und viele weitere von Modellen mit teils nur geringen Änderungen hergestellt (Tesch 2005, Abb. 57). Im Februar 1934 berichtet OB Liebel aus Nürnberg, dass für die Luitpoldarena Hitler anhand eines Modelles seine Wünsche geäußert habe (Doosry 2002, 362). 1128 Früchtel kann nachweisen, dass Hermann Giesler, noch bevor er den Auftrag zum Bau der Ordensburg Sonthofen erhält, zu einer Tagung der Gauschulungsleiter ein Holzmodell des späteren ersten Planungsschrittes der Ordensburg mitbringt und daraufhin unverzüglich beauftragt wird (Früchtel 2008, 45). Als nächstes für die Ordensburg erstelltes Modell nennt Früchtel erst für November 1937 ein 1 : 1-Fassadenmodell (Früchtel 2008, 49). Erste Modelle für das Gauforum in Weimar entstehen in Zusammenhang mit dem Wettbewerb im zweiten Quartal 1936 (Früchtel 2008, 75).

Bauvorhaben. Wer die verstärkte Arbeit mit Modellen fördert oder gar ins Leben ruft, ob Hitler, Speer, Ruff1127 oder Giesler,1128 ist nicht mehr eindeutig zu beantworten. Geht es tatsächlich nur um die Klärung gestalterischer Fragen, oder zeigt sich daran womöglich, dass sich Hitler mit einem Modell leichter beeindrucken bzw. überzeugen lässt   ?1129 Die Produktion von Modellen ist jedenfalls stark auf Hitler zugeschnitten. Präsentiert werden sie üblicherweise in der Reichskanzlei. Der im Neubau der Reichskanzlei vorgesehene Modellsaal verdeutlicht gleichzeitig den enormen Stellenwert, der dieser Form der Visualisierung beigemessen wird, und dass es sich um ein oft genutztes Verfahren handelt.1130 An Speers Verantwortlichkeit für die Belegung des Modellsaals zeigt sich einmal mehr seine umfassende Koordinierung des Entwurfswesens.1131 Er hat damit eine weitere Schlüsselstellung inne, da er bestimmen kann, welche Planungen Hitler vorgestellt werden. Offensichtlich hält auch die Presse die Nutzung von Modellen für berichtenswert.1132 Demnach ist die Prüfung der Entwürfe an Modellen bis zur Originalgröße nötig, weil die Planungen Größenordnungen aufweisen, die in der Baukunst der letzten Jahrhunderte nicht zu finden sind und neu entdeckt werden müssen. Zugleich wird dem Leser versichert, dass der Künstler stets Herr über die Monumentalität bleibe, die nicht maßlos sei, sondern Ausdruck einer Baugesinnung aus politischem Willen zur Re1129 Nach Loos wird das Modell der Nietzsche-Gedächtnishalle explizit zu dem Zweck angefertigt, Hitlers erlahmendes Interesse wiederzuerwecken (Loos 2000, 189). 1130 Einen Vorgänger hat der Modellsaal auch im Altbau. Wo die Aufstellung stattfand, kann nicht nachgewiesen werden. Es muss sich um einen großen Raum gehandelt haben, da für Anfang März 1938 die Modelle von Wolfsburg, Breslau, Coburg, Stettin, dem Wehrtechnischen Institut und dem Berghof als in der Reichskanzlei noch verblieben genannt werden (BA R4606/66, 211). 1131 BA R4606/66, 184, Eintrag vom 22.4.38. 1132 Theunisse 1941.

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präsentation.1133 Die Bedeutung der Skizze für den Erfahrungen bei der Errichtung aufwendiger GroßEntwurfsprozess wird zwar nicht in Abrede gestellt, modelle im Maßstab 1  : 1, die nicht selten mehrere das Modell aber hervorgehoben. Speer äußert in glei- Fensterachsen umfassen, könnte Speer schon in seiner chem Sinne, dass – insbesondere bei Überschneidun- Ausbildung gesammelt haben.1139 Für den Umbau gen – die Zeichnung niemals die natürliche Gestalt der Neuen Wache in Berlin lässt Tessenow 1931 ein eines Baues zu spiegeln vermöge.1134 Aus seinem 1  : 1-Modell errichten und folgt damit einer Tradition Umkreis wird den Lesern der Modellbau schon früh des 19. Jahrhunderts, als es üblich war, zumindest als ein Qualitätsmerkmal der Speer-Planungen dar- eine Ecke eines Bauwerks 1  : 1 aufzustellen.1140 Speer gestellt, das deren Sorgfalt verdeutliche.1135 Um ihn kommt somit während seiner Assistenz bei Tessenow durch einen historischen Vergleich zusätzlich zu no- mit diesem Verfahren zur Prüfung von Entwürfen in bilitieren, wird dargelegt, dass ein derartiger Umfang Berührung. In der Folge wird es nahezu allgemein im Modellbau sonst nur in der Renaissance prakti- üblich und auf allen Baustellen Speers angewandt.1141 ziert worden sei.1136 Die Modelle sind in der Regel Unter Ruff entstehen mehrere, teils 60 Meter hohe1142 nicht nur zur Präsentation vor der Öffentlichkeit Modelle für die Kongresshalle, und auch Clemens gedacht. Der Aspekt einer anschaulichen Vermitt- Klotz errichtet solche in Prora auf Rügen.1143 Der Platzbedarf der Großmodelle, die sehr lange lung für ein Publikum, das keine Pläne lesen kann, ist gleichwohl ein wichtiger Beweggrund.1137 Neben Standzeiten haben, ist enorm. Neben einem Modellder Prüfung von Lösungen für den Bau- und Gestal- platz in Treptow [Abb. 122], auf dem unter anderem tungsprozess dienen sie auch zur Generierung einer das Modell des OKL aufgestellt wird, werden weitere eigenen Geschichtlichkeit, da sie für spätere Präsen- Plätze benötigt. Die GBI bittet deswegen im April 1941 darum, ihr tationen aufbewahrt werden sollen.1138 Vortrefflich eignen sie sich zudem für die Ablichtung der Bau- ein 1.200 Quadratmeter großes Grundstück unmitherren vor Modellen von Bauten, deren Realisierung telbar neben der Strafanstalt Plötzensee zur Anlage noch lange dauern wird [Abb. 123]. Schon bei der eines Modellplatzes zu überlassen.1144 Ein weiteres, Publikation repräsentieren sie den Bauherrn so wie noch größeres wird im September 1941 gefordert. dereinst der vollendete Bau. In der NS-Zeit, in der Diese Forderung ist äußerst eng mit der Person Hitdie Repräsentationsfunktion der Architektur eine lers verknüpft und zeigt, dass die Modelle – wenn so große Rolle spielt, aber gleichzeitig nur wenige nicht ausschließlich, so doch mit entscheidend – für Projekte vollendet werden, haben die Modellfotos in Hitler errichtet werden. Der Platz soll groß genug dieser Hinsicht fast den gleichen Wert wie realisierte sein, um sämtliche Modelle für die Neugestaltung Architektur. Die Fotos der Bauherren vor ihren Mo- aufnehmen zu können, um ein unnötiges Umherdellen bilden schon vor Baubeginn den Vergleichs- fahren Hitlers zu vermeiden.1145 Das wohl größte Modell der Neugestaltungsmaßstab für den Rang des Abgebildeten, der sich mit planung, das seit März 1938 zur Überprüfung der diesem Entwurf verewigen will. 1133 Theunisse 1941. 1134 Petersen 1942. 1135 Petersen 1942, o. S. – Bezüglich der Kongresshalle in Nürnberg schreibt Speers Mitarbeiter Walter Brugmann 1937: »Mit welcher Sorgfalt und welch hohem Verantwortungsgefühl bei der Planung zuwege gegangen wird, zeigt das naturgroße 60 m hohe Holzmodell, an dem die Wirkung des Ganzen und seiner einzelnen Teile peinlich genau studiert wird« (Brugmann 1937, 296). Baumodelle würden zu Versuchszwecken gegenübergestellt und im Entwurf die Maße eines

Baues klein und differenziert gehalten, um damit die monumentale Wirkung eines anderen Baues zu steigern – etwa bei dem der Soldatenhalle gegenüberliegenden Gebäude, was dessen Wucht noch deutlicher macht (Petersen 1942, o. S.). 1136 Petersen 1942, o. S. 1137 Christoffel 1938, 140. 1138 BA R3/1504, 38. 1139 Anknüpfungspunkt für Hitler könnten die 1 : 1-Zeichnungen von Möbeln sein, die Paul Ludwig Troost herstellte (Freundl. Mitteilung Timo Nüßlein, 15.3.2012).

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122 Modellwände in einer Kleingartenkolonie in Berlin-Treptow, Berlin um 1939

Abfolge der Platzanlagen dient, ist eine 8 Kilometer 1939 ein weiteres Modell angelegt. Auf einer Länge lange Schneise im Wald bei Niederlehme, die von zu- von 300 Metern werden dazu auch Bäume gepflanzt, nächst 70 Metern gegen den erbitterten Widerstand die Straße für Fahrproben befestigt und an einigen militärischer Dienststellen auf die Breite der Nord- Stellen Bürgersteigplatten verschiedener Muster geSüd-Achse von 120 Metern verbreitert wird.1146 Da legt. Trotz dieses Aufwandes befindet Wolters, dass aus Luftschutzgründen dort die Verlegung von Stra- es außerordentlich schwer sei, eine Vorstellung vom ßenpflaster nicht möglich ist, wird auf dem Gelände Gesamtraum der Achse zu bekommen, da die Modes heutigen Flughafens Berlin-Tegel im Frühjahr dellstraße nur 300 Meter lang sei und Hauswände 1140 de Michelis 1991, 307. – Zu weiteren möglichen Vorläufern wie u. a. Mies van der Rohe siehe: Schäche 1989, 205. 1141 Mit eingeschlossen sind Neugestaltungsbauten, die nicht von Speer stammen. Speer besichtigt im Juli 1939 die Modelle der IHK und der Allianz (BA R4606/67, 339) im November 1939 das der AEG (BA R4606/83, 81), über ein Jahr später ist das 1 : 1-Modell von Benno von Arendt fertig (BA R4606/68, 3). 1142 Tesch 2005, 160–165. 1143 Zu Prora siehe: Flagmeyer 2009, 749.

1144 LArchB Pr. Br. Rep. 107/353-8, Clahes an Bezirksbürgermeister Charlottenburg, 28.4.41. 1145 LArchB Pr. Br. Rep. 107/353-8, Bau­stab Speer, LS-Baugruppe Wilhelmi an GBI Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft, 23.9.41. – Die Entscheidung ist bis November nicht gefallen, bekommt aber eine neue Dringlichkeit, als Speer den Bau eines 40 m hohen Modells anordnet (LArchB Pr. Br. Rep. 107/353-8, Bau­stab Speer, LS-Baugruppe Wilhelmi an GBI Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft, 1.11.41). 1146 BA R4606/1204.

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Abb. 123  : Speer und Göring auf dem Modellplatz in Treptow. Im Hintergrund die Stützkonstruktion eines 1  : 1-Modells

fehlen – die stattdessen errichteten Lattengerüste sind nur 5 Meter hoch.1147 Die Herstellung von Modellen als Entscheidungshilfe für den Bauherren ist selbstverständlich keine Erfindung der NS-Zeit.1148 Die Zahl, der ­Aufwand sowie die Größe der einzelnen Modelle haben ­jedoch keine historische Parallele, genauso wenig die m ­ ediale Verwertung durch die Umsetzung in Filmen. Bemer­ kenswerterweise lässt sich für den größten Teil der

Modelle nachweisen, dass sie nicht der Entscheidungs­ findung und Variantenüberprüfung seitens der entwerfenden Architekten dienen, wozu einzelne Achsen oder Details ausgereicht hätten, sondern der Vorführung vor Hitler, weswegen häufig ganze Fassaden errichtet werden.

1147 BA R4606/1204, 14, Aktennotiz Wolters, 1.4.1939. 1148 Siehe hierzu mit weiterführender Literatur auch: Schäche 1989, 205. 1149 how 1942. 1150 Im Manuskript der »Erinnerungen« behauptet Speer, dass Hitler ihm angekündigt habe, dass er Bereiche Todts übernehmen müsse, falls diesem etwas zustoße (BA N1340/322,

III. Fassung, 10). Gegenüber Sereny erklärt er 1978, dass er die Ernennung angeblich nicht wollte, da er nichts von Waffen verstünde (Sereny 2002, 373). 1151 Tooze 2007, 586 u. 636. 1152 Naasner 1994, 1. 1153 BA R4606/26, 34, Göring an Speer, 10.2.42. 1154 BA R4606/27, 68, Todt an Speer, 3.2.42.

200 | D ie S tellung S peers in der B auwirtschaft der NS - Zeit

RÜSTUNGSMINISTER (1942–1945) Ausb au de r M ac h t p o si t ion Eine Zäsur im Leben Speers bedeutet die Berufung zum Minister. Als der »Reichsminister für Bewaffnung und Munition« Fritz Todt am 8. Februar 1942 bei Rastenburg in Ostpreußen durch einen Flugunfall aus Dienst und Leben scheidet, ernennt Hitler Speer zu dessen Nachfolger in allen Ämtern. Die Presse begründet die Ernennung in der Folge unter anderem damit, dass Speer als Künstler kein »Paragraphenreiter« sei und somit am ehesten geeignet, das rechte Maß zu finden.1149 Die Entscheidung Hitlers, seinen Architekten zum Rüstungsminister zu ernennen, ist aufgrund der dargelegten von Speer bereits verantworteten Rüstungstätigkeiten weit weniger abwegig, als es zunächst erscheinen mag.1150 Hinzu kommt Speers unzweifelhafte Loyalität, die in der sich zuspitzenden Krise der Rüstungswirtschaft – in der der Krieg bis in oberste Führungsebenen zunehmend als verloren betrachtet wird – für Hitler eine besondere Rolle spielt.1151 Es ist zu diesem Zeitpunkt bereits offensichtlich, dass das etablierte politische Personal nicht in der Lage ist, die Krise zu lösen.1152 Unter diesen Voraussetzungen erscheint die Idee Hitlers, mit unverbrauchten Kräften neue Wege zu versuchen, weitaus weniger ungewöhnlich. Für die noch laufende Bautätigkeit ist die Ernennung nicht ohne Folgen. Speers Einfluss auf die Bauwirtschaft steigt gewaltig, denn Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan ernennt ihn als Nachfolger Todts auch zum »Generalbevollmächtigten für die Regelung der Bauwirtschaft« (GBBau).1153 1155 BA R4606/26, 35, Göring an Speer, 02.1942. 1156 Boelke 1969, 7. 1157 Minister Julius Dorpmüller war erkrankt (Boelke 1969, 17 u. 469). 1158 In der Folge dieser Übernahme wird das zunächst beim OKW verbliebene Wehrwirtschaftsamt Anfang 1943 von Keitel aufgelöst, um einer aussichtslosen Konfrontation mit

Damit wird zudem ein Konflikt entschärft, der in den symptomatischen Kompetenzüberschneidungen des NS-Regimes für Unruhe gesorgt hat. Noch am 3. Februar 1942 sieht sich Todt dazu veranlasst, Speer zu einer Klärung von Zuständigkeiten aufzufordern, da sich die Verantwortungsbereiche ihrer beiden Dienststellen zu häufig überschneiden.1154 Auch wenn Speer viele Kompetenzen Todts übernimmt, wird er nicht in allen Bereichen direkter Nachfolger. Göring verzichtet beispielsweise darauf, ihn als »Generalbevollmächtigten für die Energiewirtschaft« einzusetzen. Durch einen Erlass Hitlers ist Speer jedoch ohnehin schon zum »Generalinspektor für Wasser und Energie« ernannt worden.1155 Fritz Todt war mit seinen zahlreichen Ämtern bereits überlastet. Speer beließ es jedoch nicht bei den von Todt geerbten Kompetenzen, sondern erweitert seine Machtposition zusätzlich im Infrastruktur- und Baubereich.1156 Schon vor der Ernennung zum Minister hat er erhebliche Befugnisse im Verkehrswesen, die unter seinem Adjutanten Wilhelm Nagel zusammengeführt sind und am 14. Februar 1945 in der Übertragung der kommissarischen Leitung des Verkehrsministeriums an diesen gipfeln.1157 Zudem trachtet er danach, auch im technischen Bereich eine beherrschende Stellung zu erreichen. Erste Schritte sind im Februar 1942 die Eingliederung des Hauptamtes Technik der NSDAP und des Amts für technische Wissenschaft der DAF in das »Speer-Ministerium«. Mit Unterstützung Hitlers gelingt es Speer außerdem, im Mai 1942 das Rüstungsamt des OKW in sein Ministerium einzugliedern.1158 Besonders wichtig ist die Übernahme der »Organisation Todt« (OT). Durch diese verfügt Speer fortan über die größte ausführende Bauorganisation im Reich und kann seine beherrschende Stellung im Bauwesen nachhaltig festigen.1159 Weiterhin hat Speer aus dem Weg zu gehen, da Speers Ministerium weitere Aufgabengebiete von diesem beansprucht (Boelke 1969, 15). 1159 Die Organisation Todt ist bisher nur unzureichend erforscht. Einen Überblick bietet: Singer 1998.

Ausbau der Machtposition  |   201

er aufgrund von Erlassen Hitlers einen gewissen Einfluss auf den Außenhandel, das Ernährungsministerium, das Arbeitsministerium und das Propagandaministerium, mit denen zusammen er einen eigens im Januar 1943 geschaffenen »Sonderpropagandastab Rüstung und Bau« unterhält.1160 Nicht zuletzt zur Vermeidung von Konfrontationen mit anderen Ressorts versucht Speer auch die Steuerung von Arbeitskräften und Produktion sowie die Rohstoffbewirtschaftung aus dem Aufgabenbereich des Reichswirtschaftsministeriums zu lösen und erlangt letztlich durch einen »Führererlass« am 2. September 1943 diesbezüglich wesentliche Kompetenzen.1161 Um die Jahreswende 1943/44 wird sein machtpolitischer Einfluss erstmals in nennenswertem Umfang geschwächt, worauf Speer sich Rückendeckung bei der Industrie sucht.1162 Mit Fortschreiten des Krieges zieht Speer die Steuerung der Produktionskapazitäten zunehmend an sich. Die Übertragung der gesamten Luftrüstung an das »Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion« (RMRUK), zu der Göring durch die Erfolge des »Jägerstabes«1163 gezwungen ist, stellt einen weiteren Schritt in diese Richtung dar.1164 Im Sommer 1943 unterstehen Speer 45 % des Rüstungsbereichs, die immerhin einem Sechstel der gesamten Industrieproduktion entsprechen.1165 Zwar erlangt er zu keinem Zeitpunkt die vollständige Kontrolle über alle Produktionskapazitäten, doch ist Speers Dienststelle im Sommer 1944 – als ihm auch die Luftwaffenrüstung unterstellt wird – für kurze Zeit die größte Ministerialbürokratie, bevor sie im Herbst 1944 auseinanderzufallen beginnt.1166 Seit

Ende 1944 ist Speer kaum noch in seiner Zentrale anzutreffen, bis er es ab Februar 1945 weitgehend seinem Kontrahenten Karl Otto Saur überlässt, den Zusammenbruch der Kriegswirtschaft zu verwalten.1167 Zu einem gewissen Anteil beruht der »Ruhm« Speers auf dem sogenannten »Rüstungswunder«. Innerhalb kurzer Zeit nach seiner Amtsübernahme weisen die Statistiken tatsächlich einen beträchtlich höheren Ausstoß von Kriegsgerät und Munition aus. Die Verkündung von immer neuen Produktionsrekorden und ihre ausgiebige Verwertung in der Propaganda dienen nach der Winterkrise 1941/42 dazu, kritische Fragen zum Kriegsausgang zu vermeiden.1168 Die Steigerungen sind jedoch nicht so außergewöhnlich wie dargestellt und haben ihre Grundlagen in Reorganisierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen, die schon vor Speers Amtsantritt eingeleitet worden sind.1169 Der Mythos, die Kriegswirtschaft sei bis 1942 unorganisiert und bar jeglicher Effizienz gewesen, wird von Speer bewusst verbreitet. Rationalisierungsansätze sind – in einem kapitalistischen System schon allein aus Gewinnstreben – jedoch nicht unbekannt und sind auch zuvor genutzt worden.1170 Speer gelingt es zwar, die Kriegswirtschaft für einige Zeit zu stabilisieren, gewisse Hemmnisse zu beseitigen und auf die immer schwierigeren Rahmenbedingungen zu reagieren, letztlich aber sind die Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Zwei­frontenkrieg nicht gegeben und damit seine Bemühungen zum Scheitern verurteilt. In der Zeit als Rüstungsminister muss Speer seine künstlerisch-entwerferischen bzw. planerischen Tä-

1160 Boelke 1969, 15. 1161 Boelke 1969, 16. Im Zuge dieser Erweiterung, bei gleichzeitiger interner Umorganisation, wird das Ministerium in »Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion« (RMRUK) umbenannt. 1162 Naasner 1994, 449. 1163 Der Jägerstab ist eine von Speer geschaffene Organisation aus verschiedenen staatlichen Stellen und Wirtschaftsunternehmen mit dem Zweck, die Herstellung von Jagdflugzeugen zu verbessern. 1164 Boelke 1969, 20. 1165 Tooze 2007, 641.

1166 Boelke 1969, 21. 1167 Boelke 1969, 21. – Karl Otto Saur, 1902–1966, Mitarbeiter Speers im Rüstungsministerium, Chef des Jägerstabes, von Hitler in seinem Testament als Nachfolger Speers bestimmt (Stockhorst 2000, 358). Vergleiche auch: Saur 2007. 1168 Tooze 2007, 636. 1169 Tooze 2007, 639. 1170 Tooze 2007, 662. 1171 Speer schreibt, dass er seit 1942 nicht mehr zum Zeichnen gekommen wäre (Speer 1975, 135). Datierte Zeichnungen Speers sind ohnehin selten, sodass diese Nachkriegsaussage mit fraglichem Quellenwert nicht überprüft werden kann.

202 | Rüstungsminister

tigkeiten einstellen und sich auf Kriegsaufgaben konzentrieren. Den letzten eigenhändigen Entwurf fertigt er nach eigenen Angaben 1942.1171 Doch obwohl er durch das große Ministerium stark in Anspruch genommen ist, tritt er auch in seiner Zeit als Rüstungsminister noch immer als »Kunstbeauftragter« Hitlers auf und regelt kleinere Angelegenheiten.1172 So legt er Hitler im Januar 1943 Wilhelm Kreis’ Entwürfe für Kriegsgräber vor,1173 erkundigt sich, ob er Göring zum Geburtstag die Breker’sche Wagner-Büste schenken könne, leitet Führerskizzen an Kreis weiter1174 und kümmert sich um die Verstimmungen bei der Linz-Planung.1175

Aus den Vorgängen um die Einrichtung eines Bauministeriums und den Bestrebungen, weitere Kompetenzen im Bauwesen in seiner Person zu vereinen, wird deutlich, dass Speer langfristig plant. Er sieht das Rüstungsministerium nur als eine ihm zugeteilte, vorläufige Aufgabe und plant nicht, auf Dauer ein anderes als das Bauministerium zu leiten. Auch wenn die Berufung zum Rüstungsminister durch Hitler wegen der vielfältigen Verbindungen Speers zur Kriegswirtschaft nicht unbegründet ist, gibt es dennoch keine Hinweise darauf, dass Speer darauf hingearbeitet hätte, in diesem Bereich umfangreich tätig zu werden. Vielmehr versucht er, wie bereits im vorangegangenen Kapitel gezeigt wurde und im Folgenden offensichtlich wird, im Bereich des Bau-

wesens weitere Zuständigkeiten zu erlangen und hier seine Stellung zu festigen. Sein Ziel ist es, sich eine entscheidende Machtposition in sämtlichen Baufragen zu verschaffen, die ihn durch Opponenten unangreifbar machen soll. Der Wohnungsbau ist dabei ein Gebiet, in dem Speer immer mehr Kompetenzen an sich zieht und das ihm ob seiner Dringlichkeit und der Wahrnehmung durch die Bevölkerung nach dem Krieg eine wichtige Stellung garantieren soll. Die Methode Speers wie auch seiner Gegenspieler, möglichst viele Aufgabenbereiche im Bauwesen auf ihre jeweilige Person zu vereinen, erklärt sich vor dem Hintergrund der Interessenslage Hitlers. Im Machtgefüge des NS-Staates ist allgemein bekannt, dass sich mit Baufragen bei Hitler leicht Interesse hervorrufen lässt. Da Speer im Bereich des Repräsentationsbaus vorerst unanfechtbar ist, bleibt für seine Gegenspieler vor allem der Wohnungsbau als Möglichkeit, sich zu profilieren und im Baufach Fuß zu fassen bzw. Einfluss zu behalten. Schon vor dem Krieg sind die Zuständigkeiten für den Wohnungsbau stark zergliedert. Hauptakteure in dem Streit darüber sind das Reichsarbeitsministerium und die DAF, vor allem in Person Robert Leys. Die Befürchtung, dass Speer eine Bündelung seiner Ämter und Erweiterung seiner Kompetenzen in Form eines Bauministeriums zu erreichen sucht, kommt schon im Sommer 1938 auf.1176 Sie ist offenbar berechtigt, denn Speer soll Schelkes in diesem Bauministerium die Stelle des Stabschefs, also des Ministerstellvertreters, angeboten haben.1177 1940 machen sich Speer, Ley und Heß erneut Gedanken über ein zu gründendes

1172 Seine eigenen Angaben ergeben kein zweifelsfreies Bild. Fest gegenüber gibt er zum einen an, dass er in seiner Ministerzeit immer wieder wie zufällig, Pläne in seinen Unterlagen gehabt habe, um nach einem Architekturgespräch sonstige Unstimmigkeiten zu beheben (Fest 2005a, 47). Andererseits schreibt er, ebenfalls an Fest, er habe Hitler, nachdem er Minister wurde, keine Pläne mehr vorgelegt. Hitler bestellte dafür des Öfteren Giesler. Er wäre noch bis Mitte 1944 gelegentlich dabei gewesen, wenn im FHQ Pläne gezeigt werden. Giesler zeigt dort vor allem die Entwürfe für Linz. An München sei Hitler nicht im selben Maße interessiert gewesen und Mitte April 1945 habe Speer mit ihm noch einmal

die Pläne dieser Städte durchgeblättert. Pläne von Berlin oder Hamburg dagegen hätte er sich nicht mehr angesehen (BA N1340/17, Speer an Fest, o. D. [August 1969?]). 1173 BA R3/1507, 23, Führerbesprechung 3., 4., 5. Januar 1943. 1174 BA R3/1504, 38. 1175 BA R3/1505, 133, Führerbesprechung 20.–22.9.1942. 1176 Hierbei ging es um eine Auseinandersetzung bezüglich stadtplanerischer Grundsätze am Fall Wolfsburgs (Schneider 1979, 44). 1177 Schelkes gibt nicht an, wann sich dies zugetragen haben soll. Wahrscheinlich erst im Krieg (Privatbesitz in Deutschland, Familienchronik).

R e ic h sb au m i n is t e r i u m u n d s ta at l ic h e r Woh n u ng sb au

Reichsbauministerium und staatlicher Wohnungsbau   |  203

Reichsbauministerium.1178 Für die anderen Inhaber von Baukompetenzen würde ein solches allerdings einen empfindlichen Machtverlust bedeuten. Zwischen 1940 und 1942 vollzieht sich eine langsame Entmachtung des Reichsarbeitsministeriums und mit der Berufung Leys zum Reichswohnungskommissar eine Übertragung der Zuständigkeiten an die DAF. Ley scheitert jedoch mit einer umfassenden »Sozialisierung« und Verstaatlichung der Wohnungspolitik.1179 Hauptgrund dafür ist, dass sich die Kompetenzen Speers und Leys, bzw. der DAF, im Bereich des Wohnungsbaus aufgrund der Führer­ erlasse überschneiden.1180 Todt versucht diese gegenseitige Blockade von Sondervollmachten Hitlers durch eine einheitliche Führung zu verhindern.1181 Speer schließt das Reichsarbeitsministerium aus der Diskussion um die Führung aus, äußert sich aber ebenfalls verhalten gegenüber dem Machtanspruch der DAF, die den Wohnungsbau zwar formell einem Bauministerium unterordnen, aber in der Praxis in der DAF belassen will.1182 Einig sind sich alle Beteiligten darin, dass ein solches Bauministerium nur von Todt geführt werden kann.1183 Für die Dauer des Krieges muss in jedem Fall eine andere Lösung gefunden werden, da Todt nicht verfügbar ist.1184 Speer vertritt mit Todt und großen Teilen der Ministerialbürokratie den pragmatischen Standpunkt, dass der Wohnungsbau weiter auf der Zusammenarbeit von Privatinitiative und Industrie aufbauen soll und

nicht auf deren Ausschaltung und Übernahme durch staatliche Stellen. Den Erlass über einen »Reichswohnungskommissar« billigt Hitler Mitte Oktober 1942 und stärkt damit Speers Position, nach der eine dezentrale Verantwortlichkeit bei Gemeinden und Gauleitern angebracht sei.1185 In Bezug auf Berlin muss Speer keine Konkurrenz von Ley befürchten, weil er sich per »Führererlass« vom 15. November 1940 die Alleinverantwortung für den dortigen Wohnungsbau gesichert hat.1186 Dieser ist allerdings insofern ein Sonderfall, als er als Maßnahme der Neugestaltung gilt und damit eigentlich ohnehin Speer untersteht.1187 Ernsthafte Verbesserungen der Situation liegen im Fokus seines Interesses – wohl nicht nur, um den Fortgang der Neugestaltung nicht zu gefährden. Goebbels erklärt er, dass er den Wohnungsbau auch im Krieg im Rahmen des Möglichen fördere und weiter fördern werde.1188 Die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist katastrophal. Obwohl Speer sich für den schon länger herrschenden Missstand vorgeblich nicht zuständig fühlt, wird er hier sehr aktiv. Zur ohnehin problematischen Lage durch die Zerstörungen kommt erschwerend hinzu, dass zahlreiche Dienststellen Wohnraum zu Büroraum umnutzen, obwohl schon vor dem Krieg 300.000 Wohneinheiten fehlen.1189 Zudem siedeln sich neben den schon in Berlin ansässigen Behörden, die sich teilweise im Rahmen der Kriegsbürokratie erheblich vergrößern,

1178 BA R4606/341. 1179 Harlander 1995, 256. 1180 Speer verteidigt seine Kompetenzen im Wohnungsbau und hier insbesondere die Materialbeschaffung eisern gegenüber der DAF (Harlander 1995, 240). Siehe weiterführend hierzu: Durth 1995, 139 und Harlander 1995, 11 u. 189. 1181 Nebeneffekt ist der Versuch Todts, dem Machtzuwachs der DAF, die einen Monopolanspruch auf viele Lebensbereiche anstrebt, zu begegnen. 1182 Harlander 1995, 190. 1183 BA R4606/341; R4606/371. – Da dieser aber durch seine Ämter bereits überlastet ist, soll Hitler, berichtet Speer, ihm angeblich schon im Sommer 1940 das gesamte Bauwesen angetragen haben, was er jedoch abgelehnt haben will, da seiner Meinung nach Bau und Rüstung in einer Hand bleiben sollten (Speer 1969, 210). 1184 Siehe hierzu: Harlander 1995, Kapitel V.3 ab S. 194.

1185 BA R3/1506, 26, Führerbesprechung 13. u. 14.10.42. 1186 BA R3/1573, 119. 1187 BA R3/1573, 120. 1188 BA R4606/26, 41, Speer an Görlitzer, 10.12.41. – In dieser Tätigkeit fühlt sich Speer deutlich angegriffen und von höheren Parteirängen und -dienststellen mit Geringschätzung bedacht. Ausdrücklich schreibt er Artur Görlitzer, dass er sich über ein Wort der Anerkennung gefreut hätte, weil den meisten die Schwierigkeiten des Wohnungsbaues im Krieg nicht bekannt wären (BA R4606/26, 43, Speer an Görlitzer, o. D. [wohl Jahreswechsel 41/42]). 1189 Der Reichsarbeitsminister spricht am 29.7.41 ein Verbot der Umwandlung von Wohn- in Büroraum aus, schon am 2.8.41 werden durch ihn aber die alten Vorrechte vor allem für Partei- und Militärdienststellen wieder eingesetzt und die Anordnung bleibt weitgehend wirkungslos. 1190 BA R4606/26, 37, Stellv. Gauleiter Berlin Görlitzer an

204 | Rüstungsminister

weitere Stellen an, die anstelle eines dezentralen Sit- stelle des Reichswohnungskommissars durch Speer, zes im Reich einen Platz in der Reichshauptstadt be- der auch direkt äußert, dass nach dem Krieg der anspruchen. Durch deren zuziehendes Personal wird Wohnungsbau selbstverständlich von ihm übernomdie Wohnungsnot noch zusätzlich verschärft.1190 men werden müsse, scheint kaum noch zu verhinMit dem Wohnungsbau als Verwaltungs- und Pla- dern.1196 Inwieweit Speer mit der Beschaffung von nungsaufgabe befasst sich Speer über die gesamte Ersatzwohnraum lediglich Politik machen will oder Kriegsdauer. Er stellt sich dabei gegen das Reichs- wie sehr es sich um ein persönliches, fürsorgliches arbeitsministerium, das die Wohnungsnot im Rah- Interesse handelt, lässt sich aus dem Aktenmaterial men eines bevorzugt durchgeführten, intensivierten seiner Dienststelle kaum herauslesen. Offensichtsozialen Wohnungsbaus lösen will. So ordnet er an, lich – und für diese Arbeit essenziell – wird dadurch bei der Wohnraumbeschaffung für Ausgebombte in jedem Fall aber, dass Speer damit bis zuletzt dem nur Primitivbauten zu errichten, die ausschließlich Bauen verpflichtet bleibt. für eine Übergangszeit gedacht sind.1191 Im Auftrag Speers entwickelt Ernst Neufert einen »Kriegseinheitstyp« für die Massenproduktion, der am 5. Juni O s t s tä d t e 1943 verbindlich wird.1192 Letztlich können für Ausgebombte aber nur sehr wenige Wohnmöglichkeiten Durch seine Stellung als »GBBau« wird Speer per geschaffen werden, was wohl auch mit den geringen »Führererlass« am 9. Juni 1942 die Verantwortung Materialkontingenten, die Speer zur Verfügung stellt, für den zivilen Hochbau in den Ostgebieten überzusammenhängt.1193 Über das Instrument der Mate- tragen.1197 Für das »Reichskommissariat Ostland« rialkontingente kann er, wie vorher auch schon bei gründet Speer für alle Bauvorhaben das »Techniden Großbauten Gieslers,1194 entscheidend in den sche Planungsamt Ost«, das sich für die Ausführung Wohnungs- und vor allem Behelfsheimbau eingrei- der OT bedient.1198 Speer sichert sich hiermit ein fen und regelt darüber de facto den Wohnungsbau weiteres wichtiges Aufgabengebiet für die Zeit nach in den letzten Kriegsmonaten.1195 Zu diesem Zeit- einem gewonnenen Krieg, das langfristigen Einfluss punkt erleidet Ley einen dramatischen Machtver- an Hitlers Seite und weitere Bedeutung als Planer lust und auch Bormann muss einsehen, dass einem der Ostgebiete sichern soll. Nachdem die von ihm Machtzuwachs des Speer-Ministeriums kaum noch initiierte Einsetzung des »Beauftragten für Baukunst entgegenzuwirken ist. Die Übernahme der Dienst- und Städtebau« gescheitert ist, bietet diese neue ZuSpeer, 20.1.42. 1191 Harlander 1995, 262. 1192 Neufert 1943, in: Der Wohnungsbau in Deutschland 13/14, 233 f. 1193 Harlander 1995, 265. 1194 Siehe dazu: S. 27; 243. 1195 Harlander 1995, 271. 1196 Harlander 1995, 276. 1197 BA R2/31690, 225, Aktenvermerk Abteilung VII, 19.9.42. – Grund der Vermerke ist der Wunsch der SS, ihre Bauverwaltung speziell für die Ostgebiete zu vergrößern. Hier bekommt sie von Speer vorerst nur geringe Kompetenzen im Rahmen der Kontingente des GBBau, v. a. für Bauten zur Unterstützung der kämpfenden Truppen wie Unterkünfte etc., zugesprochen. Andere Vorhaben seien zurzeit unter den herrschenden Umständen kaum möglich. Im Namen Speers wird betont, dass er nicht gewillt sei, im Krieg

irgendwelche Organisationsänderungen vorzunehmen und die Regelung des gesamten Hochbaus im Inland nach dem Krieg ihm vorbehalten bleiben müsse. Damit lehnt er den Wunsch der SS nach Übernahme der Hochbauverwaltung der Polizei ab. Im weiteren Verlauf wird Klarheit darüber erreicht, dass die SS für Militärbauten vollkommen freie Hand habe, da militärische Bauten in den Ostgebieten nicht von Speer durchgeführt werden. Die Oberhand über die Bauten der SS gibt er aus der Hand, da eine immer engere Einheit von Polizei und SS nach einer einheitlichen Bauverwaltung verlangen. Speer schlägt vor, dass eine Trennung zwischen Militär- und Verwaltungsbauten vorgenommen wird, wobei letztere von den Bauverwaltungen des Reiches und der Länder ausgeführt werden können (BA R2/31690, 248, Aktenvermerk, 7.10.42). 1198 BA R3/31690, 38, Vermerk Abteilung VII, 31.8.42.

O ststädte  |  205

ständigkeit eine günstige Ausgangsposition in Bezug auf ein potenzielles Bauministerium und gleichzeitig eine Chance, seinem Konkurrenten Giesler zuvorzukommen. Die Kolonisation des Ostraumes als Ziel verkündet Hitler schon in »Mein Kampf«.1199 Durch die Neugründung von Städten und deren Besiedlung mit Deutschen will die NS-Führung die im Osten eroberten Gebiete langfristig sichern. Die angestammten Bewohner sind für die Planer des NS-Staates keine Hindernisse und werden nicht berücksichtigt. Laut Wolters’ Tagebuch findet Speer an den Oststädten immer mehr Gefallen.1200 Er befasst sich mit diesem Thema aber nicht erst seit der Ernennung zum GBBau und diktiert 1941 Richtlinien für neue Städte in der Ukraine. Die GBI wirkt schon Ende 1940 an den Planungen für Łódź mit. Aus dem Protokoll der Sitzung geht eindeutig hervor, welch geringen Stellenwert die einheimische Bevölkerung hatte.1201 Auch Himmler hat bereits ein Siedlungskonzept. Als »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums« wird unter seiner Führung der »Generalplan Ost« entwickelt, der im Januar 1940 vorliegt.1202 In der Diskussion dabei sind spätestens seit Ende 1941 Vorschläge, wie etwa finanzielle Förderungen für Siedlerfamilien mit vielen Kindern.1203 Maßgeblich bearbeitet werden die »Richtlinien für die Planung und Gestaltung der Städte in den angegliederten Ostgebieten« von Josef Umlauf.1204 Nur drei Tage nach Speers Ernennung zum Rüstungsminister entsteht unter Federführung von Wolters und Stephan eine Denkschrift, die die Eckpunkte der Germanisierung des Ostens darlegt.1205 Der

Wiederaufbau von Städten kann demnach grundsätzlich durch die Reichsbauverwaltung erfolgen, abgesehen von einigen kulturhistorisch wertvollen Städten. Die Neuplanungen hingegen, die als Neugründungen des »Führers« in die Geschichte eingehen sollen, müssen diesem Anspruch auch gerecht werden. Als Schwierigkeiten werden die Einplanung von Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Gefahr der »Uniformität« genannt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Schubladenbauten entstünden, ähnlich den Bahnhöfen und Postämtern des 19. Jahrhunderts, wird hoch eingeschätzt, denn »schon vor dem Krieg konnte man feststellen, dass ein einmal vom Führer genehmigter und veröffentlichter Entwurf allen weiteren Entwürfen zum Vorbild diente«.1206 Um dies zu vermeiden, wird ein »Partnerstadt-Konzept« entwickelt, bei dem bestimmte dazu geeignete Städte im Reichsgebiet die Neugründungen personell durch ihre Verwaltung und Handwerker betreuen sollen. Deren Charakteristika sollen übertragen werden, um für die Retortenstädte eine Geschichtlichkeit und Identifikationsmerkmale zu generieren. Durch das Partnerkonzept soll eine Uniformierung der Neustädte ebenso vermieden werden wie eine zentrale Planungsstelle, an die die einzelnen Verwaltungen Personal hätten abgeben müssen. Damit wären gut eingespielte Arbeitsgruppen zwangsläufig auseinandergerissen worden.1207 In seinen »Spandauer Tagebüchern« schreibt Speer Hitler die Idee zum Nachbau von Kleinstädten wie Dinkelsbühl oder Rothenburg ob der Tauber in der russischen Ebene zu.1208 Dies ist nicht glaubhaft und Teil der Speer-Legende, da in der Denkschrift nicht von Kleinstädten die Rede ist, sondern Großstädte

1199 Nach Breloer/Zimmer 2006, 156. 1200 Breloer/Zimmer 2006, 157. 1201 Besprechung über die »Planung Litzmannstadt« beim GBI, 13.12.1940, Abschrift bei: Breloer/Zimmer 2006, 159. 1202 Gutschow 2014, 128. – Zum »Generalplan Ost« sind mehrere Untersuchungen veröffentlicht, die aber in der Regel die Rolle Speers kaum thematisieren. Siehe hierzu: Heinemann/Wagner 2006; Madajczyk 1994; Rössler 1993; Wasser 1993, detailliert zu Planungen in Polen: Gutschow 2001.

1203 BA NS19/1596, Himmler an Greifelt. 20.11.41; BA NS19/1596, Reichskommissar für die Festigung des Deutschen Volkstums an Reichsführer SS, 10.8.42; BA NS19/1596, Generalplan Ost. – Von Siedlern, denen der Staat eine Siedlerstelle zuweist, konnten nach Auffassung Himmlers auch mehr Pflichten erwartet werden, in diesem Fall die Geburt von vier oder sechs Kindern – darunter mindestens zwei Söhnen (BA NS19/1596, Generalplan Ost). 1204 Gutschow 2014, 114.

206 | Rüstungsminister

wie Stuttgart, Nürnberg, Hamburg, Köln und viele entgegnet hat, dass er seine Friedensplanungen weweitere genannt werden. Ausschließlich Städte die- gen der Überlastung auf kriegswichtigen Gebieten ser Größenordnung wären überhaupt in der Lage vollkommen eingestellt habe und im Krieg daher nur gewesen, eine solche »Patenschaft« zu übernehmen, notdürftigste Wiederherstellungen in Primitivbauda nur sie das nötige Personal hätten stellen können. weise möglich seien – die aber späteren Gestaltungen Zu konkreten Planungen kommt es jedoch nicht, da daher auch nicht im Wege seien –, setzt sich die ErAlfred Rosenberg den Plänen seine Zustimmung ver- kenntnis durch, dass auf eine übergreifende Planung nicht verzichtet werden kann.1213 sagt.1209 Hitler wird von Speer erstmals am 20. März 1943 Die »deutsche Stadt« wird als »Herrschaftsmittel im Osten« begriffen.1210 Dass man sich insgesamt im mit dem Plan zu einem zentral gesteuerten WieKlaren ist, dass es sich im Nachgang der Invasion um deraufbau konfrontiert. Im Protokoll der Führerdie dauerhafte Besetzung eines fremden Landes han- besprechung ist im ungewöhnlich langen Eintrag delt und nicht um harmlose Architektenfantasien zu diesem Punkt sogar schon der Entwurf für den für die heimische »Grüne Wiese« zeigt schon allein von Hitler zu unterzeichnenden Erlass niedergelegt. die Ausprägung der Planungen. So plant, im Auftrag Speer bietet an, seine schon in Stadtplanungsbelange Speers, der Architekt Werner Gabriel festungsartige eingearbeiteten GBI-Mitarbeiter zur Verfügung zu Straßenmeistereien und Raststätten in Russland so- stellen und die Planungsstelle durch Wolters und wie eine Autobahn, die bis zum Ural führen sollte.1211 Stephan beaufsichtigen zu lassen. Personalhilfe soll vor allem kleineren Städten gewährt werden. Hitler selbst wünscht ausdrücklich die Wiederherstellung G ru n dl ag e n de s W i e de r au f b aus i m K r i e g der Stadtkerne von historischen Städten, dabei jedoch ihre Anpassung an die Zukunft durch die VerBereits vor den großen Bombenangriffen, die oft die breiterung der Straßen, soweit dies möglich ist.1214 Zerstörung ganzer Stadtteile zur Folge haben und Den Umbau der gewachsenen urbanen Strukturen die Dringlichkeit der Aufgabe offensichtlich machen, in die autogerechte Stadt bejaht Speer später ebenmacht sich Speer Gedanken über die kommenden falls, da seiner Meinung nach ein Wachstum nur Schwierigkeiten beim Wiederaufbau. Zunächst je- noch möglich ist, wenn die schon vor dem Krieg doch vor allem, um die Ausführung seiner Monu- überlasteten städtischen Verkehrsstrukturen den mentalbauten nicht zu gefährden.1212 Aufbau begleitend, wenn nicht sogar vorher, angeMit Zustimmung Hitlers beginnt Speer 1943 mit passt werden.1215 Der Aufbau Berlins liegt Speer als der Aufstellung eines Stabes unter der Leitung von GBI natürlich besonders nahe und ist auch für seine Wolters und Stephan, der den Wiederaufbau der Neugestaltungsplanung von essenzieller Bedeutung. Städte koordinieren soll. Auch wenn er noch im Juli Daher beauftragt er seinerseits Hans Stephan mit der 1942 auf Vorschläge des Deutschen Heimatbundes Bearbeitung der Planung, die er soweit erforderlich 1205 BA R4606/82, 118, Denkschrift »Neugründung deutscher Städte im Osten, 11.2.42. 1206 BA R4606/82, 118, Denkschrift »Neugründung deutscher Städte im Osten, 11.2.42. 1207 Man war der Meinung, der Erfolg eingespielter Apparate ließe sich bei den Westwallbauten erkennen, bei denen die eingespielten OT-Gruppen stets effektiver gewesen seien als die Wehrmachtsbataillone (BA R4606/82, 118, Denkschrift »Neugründung deutscher Städte im Osten, 11.2.42). 1208 Speer 1975, 238.

1209 Gutschow 2001, 32. 1210 Gutschow 2014, 131. 1211 Gutschow 2014, 97. 1212 BA R4606/25, 5, Speer an Lammers, 28.8.41. 1213 BA R4606/28, 48, Speer an Vorsitzenden des Deutschen Heimatbundes SA-Obergruppenführer Heinz Haake, 21.7.42. 1214 BA R3/1507, 80, Führerbesprechung 20.3.1943. 1215 BA N1340/203, »Reichsminister Speer auf der Tagung der Gau- und Kreispropagandaleiter«.

G rundl agen des W iederaufbaus im K rieg   |  207

auch persönlich fördern will. Da er nicht mehr über um die Übernahme des von ihm gewünschten Baudie nötigen Dienstkräfte verfügt, lässt er sich diese ministeriums nach dem Krieg.1219 Dieser »Führervon der Stadt Berlin zur Verfügung stellen.1216 erlass« überträgt ihm die Kompetenz, Städte ausDringlicher als der Bau von Monumenten ist die zuwählen, in denen schon im Krieg mit Planungen Schaffung von Wohnraum. Auf der Tagung der Gau- begonnen werden soll, diese Planungen zu lenken und Kreispropagandaleiter 1944 unterstreicht Speer, und durch technische Kräfte zu unterstützen.1220 dass es notwendig sei, »wie jeder Feldzug seine Vor- Auf einen solchen Erlass hat Speer gedrängt und mit bereitung im Generalstab erfordert, […] auch hier ihm die Befugnis erhalten, die 43 am schwersten geStadt für Stadt die Möglichkeiten und Notwendig- troffenen Städte im Reich zu »Wiederaufbaustädten« keiten« durchzuorganisieren, um sofort handeln zu zu deklarieren.1221 Am 30. November 1943 gibt er können.1217 Großen Wert legt er darauf, dass nach erstmals die neuen Prinzipien des Wiederaufbaus bedem Krieg die in der Vergangenheit für die Rüstung kannt. Er betont, dass Hitler Wert darauf lege, vor belegten Kapazitäten in den Wohnungsbau fließen dem Aufbau der Stadtkerne die Wohn- und Siedsollen. Während zu Friedenszeiten 300.000 Arbeiter lungsgebiete aufzubauen. Der historischen Bausubspro Jahr 300.000 Wohnungen fertigstellten, will er tanz wird dabei ein gewisser Wert zugemessen. Speer nun die durch Wegfall der Rüstungsbauten frei wer- fordert daher die entsprechenden Stellen in einem denden Arbeiter hinzuziehen. Eine Million Beschäf- Rundschreiben auf, Ruinen historischer Gebäude tigte sollen eine Million Wohnungen errichten, die und Kirchen nicht einfach abzureißen. Erst wenn zudem durch vier- bis sechshunderttausend vorfabri­ Wiederaufbaupläne für die Städte vorlägen und zierte Fertighäuser ergänzt werden sollen. Speer ist Hitler damit selbst über deren Schicksal entscheide, aber realistisch genug, einzusehen, dass allein mit könne über den Umgang mit den Ruinen befunden Neubauten der Bedarf nicht gedeckt werden kann. werden.1222 Allererster Planungsschritt soll aber die Daher beauftragt er den Architekten Martin Elsaesser Verkehrsplanung sein.1223 Entgegen seiner sonstiim Sommer 1944, an einem Wohnblock drei unter- gen Linie verkündet Speer, dass von den bisherigen schiedliche Wiederaufbaumöglichkeiten – a) »Repa- Grundsätzen der Stadtplanung abgewichen werden ratur«, b) »Bedingter Neubau« und c) »Neubau« – müsse und nicht in jeder Stadt ein Achsenkreuz rea­ zu untersuchen. Reparatur bedeutet in diesem Fall, lisierbar sei. Vielmehr ginge es darum, vorhandene nicht mehr bewohnbare Teile zu entkernen und im Straßenzüge zu nutzen und auszubauen.1224 Eine Zuge der Wiederherstellung auch im Grundriss zu einheitliche Linie für den Wiederaufbau wird nicht modernisieren, bedingter Neubau dagegen verlangt festgelegt. Speer bleibt seinem pragmatischen, flexieine Weiternutzung vorhandener Untergeschosse, blen Kurs treu und wendet sich gegen die Aufstelwährend beim Neubau keine Substanz mehr verwen- lung eines Dogmas.1225 Zur Verbilligung einerseits det wird. Inklusive der Reparatur zerstörter Gebäude und zur Kapazitätssteigerung andererseits setzt er auf sollen so rund zwei Millionen Wohnungen pro Jahr Rationalisierung und prüft daher die entwickelten geschaffen werden. 1218 Mustergrundrisse und Normungsvorschläge. Ziel Ein »Führererlass« vom 11. Oktober 1943 ver- ist es, das als ineffizient betrachtete handwerkliche schafft Speer einen weiteren Vorsprung im Rennen Bauen durch maschinelle Verfahren zu ersetzen.1226 1216 BA R3/1573, 145–155. 1217 BA N1340/203, »Reichsminister Speer auf der Tagung der Gau- und Kreispropagandaleiter« am Montag, den 10.1.1944 in Berlin-Lichterfelde. 1218 LArchB A Pr. Br. Rep. 107/124-8, Vertrag GBI mit Martin Elsaesser, 27.6.1944. 1219 Auch Bormann, Ley, Himmler und Goebbels erheben in

208 | Rüstungsminister

unterschiedlichem Maßstab zumindest auf Teilbereiche Anspruch (Harlander 1995, 277). 1220 Boelke 1969, 243. 1221 Harlander 1995, 279. 1222 BA R3/1573,105, Speer an Bormann, 26.6.44. – Offenbar gab es eine Meinungsverschiedenheit zwischen Bormann und Mitarbeitern Speers über Sicherung und Wiederaufbau

Speer geht davon aus, dass ihm die Leitung des Wiederaufbaus zufällt. Das Kriegsende ändert die Situation jedoch tiefgreifend. Er ist Mitglied der Regierung Dönitz, die nach Hitlers Selbstmord die Staatsführung übernommen hat. Der Zusammenbruch ist auch Speer klar und er schlägt, so Dönitz, den Rücktritt der Regierung vor.1227 Seine Verhaftung durch die Alliierten in Glücksburg macht schließlich jedwede Planung hinfällig.1228

von Kirchen. Speer teilt Bormann mit, dass Bormann seinen Standpunkt ja kenne und ihn der Aufbau von Kirchen nur in so weit interessiere als es sich um Baudenkmäler nationalen Ranges handele (BA R3/1573,105, Speer an Bormann, 26.6.44). 1223 Harlander 1995, 279. 1224 Durth 2001, 206.

1225 Harlander 1995, 280. 1226 BA NS6/276, 119. 1227 Dönitz 1997, 463. 1228 Klaus Kastner gibt als Ort der Verhaftung Flensburg-Mürwick an (Kastner 2005, 50). Dönitz gibt an, dass er sich zur Verhaftung mit Jodl und Friedeburg auf der »Patria« habe melden müssen (Dönitz 1997, 465).

G rundl agen des W iederaufbaus im K rieg   |  209

NACHKRIEGSKARRIERE (1945–1981)

Am 23. Mai 1945 werden die Mitglieder der Regierung Dönitz, in der Speer zuletzt das Wirtschaftsund Produktionsressort geführt hat, verhaftet [Abb. 124].1229 Speer entschließt sich zur Zusammenarbeit mit den Siegern, bietet sich als Kronzeuge an und entwickelt nach der Anklage eine effektive offensive Verteidigungsstrategie. In den nun folgenden Nürnberger Prozessen rechnet er angeblich fest mit einem Todesurteil.1230 In diesem Verfahren,1231 das vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 dauert und der Welt neben der Aburteilung der Hauptverbrecher auch eine anschauliche, soziologisch differenzierte Vorstellung von führenden Vertretern der NS-Führung geben soll,1232 wird Speer zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe verurteilt. Heute belegbare Sachverhalte, die mit Sicherheit zu einer Strafverschärfung geführt hätten, waren damals nicht bekannt und hätten wahrscheinlich zur Hinrichtung geführt. Aber auch so war es für Speer knapp. Nur weil sich Biddle umentschloss, entging er dem Strang. Dazu beigetragen hat sicher auch Speers Auftreten, der amerikanische Richter Francis Biddle bezeichnete ihn als den menschlichsten und anständigsten Angeklagten. Ein Gnadengesuch reicht er im Gegensatz zu den meisten anderen Verurteilten nicht ein.1233 Alle Angeklagten, auch Speer, bekennen sich im Sinne der Anklage als »nicht schuldig«. Speer gelingt es, nicht zuletzt durch die genaue Kenntnis seiner Dienststellen und des erhaltenen Aktenmaterials,

eine Entlastungsstrategie aufzubauen, bei der ihm seine ehemaligen Mitarbeiter Hilfe leisten. Für diese übernimmt er zwar als ihr Vorgesetzter die Generalverantwortung, lehnt die Verantwortung aber in den heiklen Fällen mit dem Verweis auf seine Unkenntnis der Verbrechen ab.1234 Speer erhält keinerlei Haftverkürzung und verbringt die zwanzigjährige Haftzeit auf den Tag genau im Kriegsverbrechergefängnis von Berlin-Spandau. In dieser Zeit gewinnt er dort zahlreiche Helfer, wobei ihm nicht zuletzt sein Bild in der Öffentlichkeit und sein Ruf aus der NS-Zeit zugutekommen. Zudem kann er sich auf seine alten Freunde verlassen, die zum einen für den Unterhalt seiner Familie sorgen und andererseits über Kassiber in engem Schriftverkehr mit ihm stehen.1235 Der in Coesfeld wohnende Rudolf Wolters übernimmt die Aufgabe des Verbindungsmannes. Er archiviert den Schriftverkehr und lässt durch seine Sekretärin die handschriftlichen Zettel Speers abtippen. Die Spenden werden auf dem sog. »Schulgeldkonto« gesammelt. Teilweise dient dieses tatsächlich der Versorgung der Familie, der weitaus größte Teil jedoch wird für Freilassungsbemühungen verwendet.1236 Da er offiziell bereut und seine Strafe nicht in Frage stellt, wird um diese Bemühungen naheliegenderweise kein Aufheben gemacht. Entlassungsbestrebungen, die besonders Speers Tochter Hilde koordiniert, haben trotz Unterstützern in der Bundesregierung und des in dieser Hinsicht günstigen politischen Klimas in Westdeutschland keinen Erfolg.1237 Sie scheitern am Viermächtesta­ tus des Spandauer Gefängnisses, vor allem an der blockierenden Haltung der UdSSR. Für die Bundesregierung wäre es brisant gewesen, sich allzu laut für die Gefangenen in Spandau einzusetzen, da ihr dies im herrschenden kalten Krieg vonseiten der Sowjetunion propagandistisch vorgehalten werden konnte.

1229 Breloer/Zimmer 2006, 320 & 336. 1230 Fest 2005a, 207. 1231 Siehe hierzu: Fußnote 114. 1232 Reichel 2007, 49. 1233 Goda 2009, 226. 1234 Nach Reichel ist er auf der Suche nach Anerkennung der-

jenige, der erst der »Lieblingsarchitekt«, sodann der »Lieblingsminister« Hitlers sein wollte und darauf hinarbeitete, auch vor dem Gericht der »Lieblingsangeklagte« zu sein, um nach seiner späten Entlassung auch noch der »Lieblingsspätheimkehrer« zu werden (Reichel 2007, 56). 1235 Archivierte Korrespondenz aus der Haftzeit im Nachlass BA

V e ru r t e i lu ng u n d H a f t

210 | N achkriegskarriere

124 Verhaftung von Großadmiral Karl Dönitz, Generaloberst Alfred Jodl und Albert Speer durch englische Soldaten am 23. Mai 1945

Schließlich hat das Kriegsverbrechergefängnis auch politisch im Sinne der Parteipropaganda gemeint noch eine strategische Bedeutung und war für die war«.1240 Er schränkt aber ein, dass »er mit seinen Aufrechterhaltung des Viermächtestatus in Berlin Bauten […] ›der Größe des Dritten Reiches‹, an die wichtig. Angesichts der tausenden noch in Kriegs- er ehrlich glaubte, Ausdruck verleihen wollte.«1241 gefangenschaft befindlichen – geringer belasteten – Auch Friedrich Tamms stellt dem Zweck seines Deutschen genoss Speer ohnehin keine Priorität.1238 Schreibens entsprechend den Maßstab der PlanunHilfe erhält Speer sowohl von Wirtschaftsführern gen zur Diskussion, bestätigt aber, dass Speer in ersund Militärs als auch von Architektenkollegen. Paul ter Linie Künstler sei und nur durch äußeren Zwang Bonatz etwa bescheinigt Speer, ein Idealist zu sein, Todt in dessen Ämtern nachgefolgt sei.1242 »ein klarer, sauberer Charakter, […] immer gütig, Auch während der Haftzeit versucht sich Speer seiverständnisvoll und hilfsbereit.«1239 Bonatz will nem Beruf entsprechend zu beschäftigen. In seinen nicht ein einziges Wort von Speer gehört haben, »das eigenen Äußerungen erweckt er das Bild eines zwar N1340, vor allem N1340/408. 1236 Goda 2009, 266. 1237 Siehe hierzu die zahlreichen Schreiben im Nachlass: BA N1340. Zum politischen Klima generell Reichel 2007 und Reichel/Schmid/Steinbach 2009. 1238 Goda 2009, 21/22; 235.

1239 BA N1340/408, Bonatz an Wolters, 13.8.50. 1240 BA N1340/408, Bonatz an Wolters, 13.8.50. 1241 BA N1340/408, Bonatz an Wolters, 13.8.50. 1242 BA N1340/408, Tamms an [nicht genannten] Botschafter, 11.6.55.

Verurteilung und Haft   |  211

von Krisen gebeutelten, aber ungebrochenen Häftlings, der weiter eine seinem hohen Bildungsstand und seiner ehemaligen Stellung adäquate Beschäftigung sucht.1243 Später erhält er die Möglichkeit, aus öffentlichen Bibliotheken Bücher zu entleihen, was es ihm ermöglicht, sich über aktuelle Entwicklungen im Bereich Architektur auf dem Laufenden zu halten.1244 Speer führt in einem die Haftzeit abdeckenden Werkverzeichnis ein großes und ein kleines Wohnhaus 1951, zwei Steingärten in Spandau (1951 und 1961) sowie ein klassisches Wohnhaus auf.1245 Zu den wenigen realisierten Entwürfen Speers zählt das Wohnhaus, das er für den amerikanischen Kommandanten des Spandauer Gefängnisses Eugene Bird entwirft, das mittlerweile aber abgerissen ist.1246 Praktischen Tätigkeiten geht er in seiner Haftzeit vor allem im Außenbereich des Gefängnisses nach, dessen Garten im Rahmen mehrerer Umgestaltungen zu seiner Hauptbeschäftigung wird.1247 Noch im Gefängnis wird Speer, zeitgleich wie seine Mitinsassen Dönitz, Funk und von Schirach, einem Spruchkammerverfahren zur Entnazifizierung unterzogen.1248 Die Zustellung der Eröffnungsbeschlüsse vom 12. September 1951 für das Spruchkammerverfahren Speers soll über den regierenden Bürgermeister erfolgen.1249 Speer selbst erhält diesen Beschluss jedoch erst 1955, während seine Frau davon sogar nur aus der Presse erfährt. Unterstützung bei der Korre-

spondenz mit der Spruchkammer bekommt sie von der ehemaligen Sekretärin ihres Mannes, Annemarie Kempf. Gegenstand des Verfahrens ist vor allem die Feststellung von Vermögenswerten in Berlin, die für eventuelle weitere Sühnemaßnahmen herangezogen werden könnten. Speers Anwalt Hans Flächsner beantragt sofort die Einstellung des Verfahrens, da dem einsitzenden Angeklagten der Eröffnungsbeschluss nicht zugestellt worden sei.1250 Zunächst ruht das Verfahren daher aus formalen Gründen, unter anderem auch deshalb, weil die Leitung des Gefängnisses Speer keine Erlaubnis zur Ausstellung von Vollmachten erteilt und er somit im Verfahren keine Anträge stellen kann.1251 Speer selbst gibt später an, dass Flächsner die Verschleppung als bewusste Taktik angewendet hat.1252 Im sich rapide wandelnden Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten in Westdeutschland, die zunehmend mit Milde rechnen können, erweist sich diese Strategie, der Ausgang des Verfahrens belegt dies, als Vorteil. Schließlich bestätigt Speer 1955 doch noch die Zustellung der Eröffnung, ist aber nicht bereit, auf seine persönliche Anwesenheit in der Verhandlung zu verzichten.1253 Nach fast zehn Jahren Verfahrensdauer teilt der Innensenator Berlins im Juni 1966 der Spruchkammer mit, dass er keinen Wert mehr auf das Verfahren lege, und bittet um eine Bestätigung, dass es damit seine Erledigung gefunden hätte.1254 Aufgrund der aus der

1243 Speer 1975. 1244 Speer 1975, 389. 1245 BA N1340/16, Speer an Ian Hamilton-Finlay, Wild Hawthorn Press, Schottland, 16.11.79. 1246 Angeblich entwirft Speer das Haus und stellt einen Kostenvorschlag auf, der genauer war als der des ausführenden Architekten. Als Honorar habe er Bird gebeten, seiner Frau einen Blumenstrauß zu senden (Sereny 1997, 756). 1247 Speer 1975, 508. 1248 Spruchkammer des Landkreises Berchtesgaden-Bad Reichenhall an Margarete Speer, 22.3.47. – Margarete Speer, wohnhaft Salzberg, Königsseestr. 26, wird als Mitläuferin eingestuft und durch die Weihnachtsamnestie amnestiert (BA N1340/94). 1249 LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, 5a. 1250 LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, 31. – Margarete Speer versichert nach einem Besuch in Spandau Ende Oktober 1952 an Eides statt, dass ihr Mann bis dahin noch keine

Kenntnis von der Verfahrenseröffnung hat (LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, 29). 1251 LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, 44, Beschluss vom 3.12.1952. 1252 Speer 1975, 451. – Das gesteht Speer auch in einem Briefwechsel ein, der mit den durch Robert Frank veruntreuten Bildern zusammenhängt (BA N1340/95). 1253 LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, 137. Flächsner an Spruchkammer Berlin, 17.12.57. 1254 LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, 139. 1255 Speers Auftritt in Nürnberg wirkt hier noch nach und man konstatiert, dass er keinen Anteil an Kriegsvorbereitungen und am Kriegsausbruch gehabt habe. Daher und weil er seine besten Jahre im Zuchthaus verbracht hat, die Verurteilung im Ausland als zu hart angesehen wird und ein Verfahren zum damaligen Zeitpunkt nur noch wenig Erfolgsaussichten gehabt hätte, wird das Verfahren nicht weiter verfolgt (LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, Vermerk vom

212 | N achkriegskarriere

Blockadehaltung der Gefängnisleitung resultierenden Unmöglichkeit, Speer den Eröffnungsbeschluss zuzustellen, ist formaljuristisch die gesamte Zeit kein wirksames Entnazifizierungsverfahren gegen ihn anhängig. Aufgrund des Desinteresses1255 des Innensenators wird es kurz vor seiner Entlassung auch nicht mehr eröffnet.1256 Die Vermögenswerte, darunter fast 20.000 DM von diversen Vorkriegskonten und das Grundstück seines Hauses in der Schopenhauerstraße, werden im Januar 1967 freigegeben, sodass Speer nach der Entlassung nicht mittellos ist.1257

Be ru fs tät igk e i t n ac h 1966

er anfangs durchaus optimistisch, was den Wiedereinstieg in das Bauwesen angeht.1261 Zunächst vermeidet er absichtlich, unter eigenem Namen in Erscheinung zu treten. Gegenüber seinem Brieffreund Leonhard Schwarz, dem Landesvorsitzenden des »Verbandes Demokratischer Widerstandskämpfer und Verfolgter Schleswig-Holstein«, begründet er dies folgendermaßen  : »Übrigens lasse ich alle diese Arbeiten unter dem Namen eines befreundeten Architekturbüros gehen, dessen Inhaber früher langjährige Angestellte in meinem Privatbüro waren. Nicht um auszuweichen, sondern weil ich das Gefühl habe, dass mir zunächst noch die notwendige Erfahrung fehlt und ich damit nicht einen Bauherrn belasten möchte.«1262

Speer verfolgt unter Ausnutzung alter Kontakte konsequent sein Ziel, sich nach Ende der Strafe eine Existenz als Architekt aufzubauen.1258 Noch vor Weniger wird damit die Belastung des Bauherrn mit Ende seiner Haftzeit will er entsprechende Verein- der mangelnden Erfahrung als jene durch den Nabarungen mit Carl Piepenburg und Otto Apel ge- men Speer gemeint sein. Bei dem genannten Büro troffen haben, die aber dadurch, dass beide vor 1966 handelt es sich um jenes seiner ehemaligen Privatbüversterben, hinfällig werden.1259 Unterstützt wird romitarbeiter William Rohrer und Rudolf Letocha Speer von seinem Anwalt, einigen ehemaligen Ange- in Frankfurt am Main. Auch Willi Schelkes, damals stellten aus dem Privatbüro Lindenallee und der GBI Vorsitzender des Kammerbezirks Südbaden und sowie Kontakten aus der Wirtschaft, mit denen er als ebenso des Bundes Deutscher Architekten, SüdbaRüstungsminister zusammengearbeitet hat. Kleinere den, ist bereit, mit Speer eine Arbeitsgemeinschaft Schwierigkeiten lassen sich verhältnismäßig schnell einzugehen.1263 Speers Bemühungen konzentrieren durch die Hilfe alter Freunde lösen1260 und so ist sich vor allem auf den südwestdeutschen Raum, auf9.6.66). 1256 LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, 141. 1257 LArchB B. Rep. 031.02.01, 12697, Senator für Finanzen an Senator für Inneres, 11.1.67. – Im Laufe dieses Verfahrens wird auch die deutliche Entfremdung Speers zu seinem Bruder Hermann deutlich, der im Zuge sich anbahnender Erbangelegenheiten im direkten Kontakt mit der Spruchkammer eigene Ziele verfolgt. 1258 Auch sein Anwalt Flächsner unterstützt ihn, indem er seine familiären Verbindungen zur Preussag einsetzt, da Speer Interesse an Industriebauten bekundet (BA N1340/18, Flächsner an Speer, 22.5.67). 1259 Speer 1975, 619, 649, 652. 1260 Unter anderem ist Speers Diplomurkunde verloren gegangen und er ersucht Hans Stephan um eine eidesstattliche Versicherung darüber, dass er das Diplomexamen abgelegt hat (BA N1340/63, Speer an Stephan, 30.11.66). 1261 BA N1340/26, Speer an Generaloberst (sic!) Heinrici,

9.2.67. 1262 BA N1340/61, Speer an Schwarz, 31.10.67. – In gleicher Weise schreibt Speer auch an Dr. Wagner (Bundesarchiv): Er übersendet eine Liste mit Referenzen der Frankfurter Architektengemeinschaft Letocha und Rohrer, Schillerstr. 12. Er fände es schön, wenn er in Gemeinschaft mit diesen beiden ehemaligen Mitarbeitern etwas bauen könne, wobei es ihm gleichgültig wäre, ob er in dieser Zusammenarbeit namentlich erwähnt würde oder nicht (BA N1340/71, Speer an Dr. Wagner, 13.6.67). 1263 BA N1340/71, Speer an Dr. Wagner, 13.6.67. – Rudolf Letocha, geboren am 17.7.1911 war zunächst bei Wilhelm Kreis angestellt. Im Krieg wohnt er in unmittelbarer Nähe des Büros in der Lindenallee 9 (BA PK »Letocha, Rudolf«). Nach dem Krieg lässt er sich in Frankfurt am Main nieder und eröffnet dort zusammen mit William Rohrer ein erfolgreiches Büro. Rohrer (1904–1984) leitet den Modellbau für das »Deutsche Stadion« vom Büro in der Lindenallee

B erufstätigkeit nach 1966   |   213

grund alter Beziehungen hat er aber auch Kontakte nach Schleswig-Holstein und Hamburg. Der Neustart ist für Speer nicht leicht. Er resümiert in einem Schreiben an Richard Neutra, er habe versucht, ein Verwaltungsgebäude zu entwerfen, es sei aber nur eine der üblichen Seifenkisten herausgekommen.1264 Als er 1968 an seine schon vor dem Krieg gepflegten Rationalisierungsmaßnahmen anknüpfen will und sich mit einer Turnhalle in Fertigbauweise befasst, die er verschiedenen Kommunen anbieten will, zeigt sich sein Nachholbedarf.1265 Er muss sich zunächst eingehend über die Zahlungsmodalitäten im Industriebau informieren und sich diesbezüglich nicht nur an Schelkes, sondern auch an verschiedene andere Stellen wenden.1266 Spätestens ab Juni 1967 versucht Speer aktiv an Aufträge zu gelangen. Vertraulich teilt er seinen ehemaligen Mitarbeitern Rohrer und Letocha mit, er habe mit Gerd Stieler von Heydekampf1267 gesprochen, der seinerseits Karl Winnacker1268 gebeten habe, ihrem Büro Aufträge der Hoechster Farbenwerke zu verschaffen. Sowohl von Heydekampf als auch Winnacker kennt Speer aus seiner Zeit als Rüstungsminister. Offenbar geht jedoch nie ein Auftrag ein, obschon die Antwort Winnackers positiv ist. Die folgende Aufstellung seiner Projekte von 1967 zeigt, dass sich Speer nicht auf bestimmte Bauaufgaben konzentriert, sondern breit aufgestellt versucht, in der Branche wieder Anschluss zu finden. Eher aus traditionellen Gründen – die Familie Speer besaß seit langer Zeit Anteile am Unternehmen – wird er von der Dortmunder Union-Bräu (DUB) gebeten, die

Erweiterung der Brauereianlagen mit zu begleiten [WV 87]. Hier arbeitet er unter der Federführung Ernst Neuferts, mit dem er schließlich über Honorarfragen in heftigen Konflikt gerät. Aufgrund einer alten Bekanntschaft mit dem Investor Dr. Robert Koppe1269 ist er an der Konzeption von kleinen Einkaufszentren und sogenannten »Handwerkshöfen« beteiligt, deren Prototypen im schleswig-holsteinischen Rendsburg errichtet werden sollen [WV 97]. Zusammen mit einem Hamburger Architekten befasst er sich mit Studien für ein Altersheim in Hamburg [WV 98]. Aus verschiedenen Gründen wird schlussendlich keines der Projekte realisiert und die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Kontakten bleibt fruchtlos. Es gelingt Speer nach der Entlassung nicht, wieder in den Baubetrieb einzusteigen und eigene Entwürfe zu realisieren, sieht man vom Umbau seines eigenen Hauses im Allgäu ab [WV 95]. Trotz seiner Verbindungen fällt es ihm also keineswegs leicht, eine dauerhafte Beschäftigung zu finden. Im November 1966 klagt er, die Industrie wolle noch immer nichts von ihm wissen. Ein Beratervertrag mit dem Flick-Konzern sei trotz Ankündigung nicht zustande gekommen, ein anderer sei ihm gekündigt worden.1270 Viele Weggefährten sind bereit ihm zu helfen und so kommen die Beraterverträge, wenn überhaupt, eher aus alter Verbindlichkeit und Dank für frühere Begünstigungen Speers zustande denn in Erwartung konkreter Leistungen. Wirklich ernsthafte Tätigkeiten Speers, die die teils hohen Honorare rechtfertigen würden, sind nicht nachzuweisen.1271 Die Beraterverträge haben nicht immer

aus (A R4606/3384, 25, Fa, Gustav Neuhaus an die GBI, 2.8.1939). 1264 BA N1340/40, Speer an Neutra, 6.6.68. 1265 BA N1340/52, Simon an Speer, 13.5.68. 1266 BA N1340/55, Schelkes an Speer, 10.6.68; Dipl.-Ing. Walter Schilling, Stadtoberbaudirektor HD, 1.8.68. 1267 Gerd Stieler von Heydekampf ist zu dieser Zeit bei den NSU Motorenwerken in leitender Funktion tätig. 1268 Karl Winnacker, geboren 1903, arbeitet von 1933 bis 1945 bei der I.G. Farben (Stockhorst 2000, 450). 1269 Die Dr. Koppe Co KG errichtet mit ihren Tochtergesellschaften Westbauträger GmbH, Westaufbau GmbH, Bensberg, Gefabau mbH, Mainz, Gesellschaft für Fami-

lienheime (Geffah) Mainz, Baufinanz Ahrendsburg und Heimfinanz Mainz von ihrer Gründung 1953 bis Ende 1967 5.133 Mietwohnungen und 7.182 Eigenheime im Gesamtvolumen von 624,6 Mio. DM. Die Gruppe will auch auf dem Gebiet der Stadtsanierung in Mittelstädten tätig werden und bekundet ihr Interesse an Gemeinschaftskaufhäusern nach skandinavischem Vorbild auch öffentlich in der Presse. Die Koppe-Gruppe muss Ende 1974 nach dem Zusammenbruch der Herstatt-Bank den Liquidationsvergleich beantragen. Koppe wird am 25.7.1914 in Leipzig als Sohn eines Architekten geboren und stirbt am 13.7.1974. Er studiert Jura in Leipzig, Rostock und Freiburg. Promotionsthema ist die Förderung des Kleinsiedlungsbaus

214 | N achkriegskarriere

architektonische Fragen zum Inhalt, wie etwa bei der Firma Benckiser.1272 Vielfach wollen die Firmen auch von Speers Wirtschaftskenntnissen und, mehr noch, von seinen Verbindungen profitieren. Den längsten Vertrag hat er für die Beratung der Firma Kugelfischer und der Pegulan-Werke. Vorstandsvorsitzender der Pegulan-Werke ist Dr. Fritz Ries, ein alter Bekannter von Speer. Pegulan zahlt ihm durchgängig vom 1. März 1968 bis zum 14. März 1980 monatlich 3.000 DM als Berater.1273 Für den Hersteller von Fußbodenbelägen versucht Speer durch Nutzung alter Kontakte, die Beschleunigung einer Baustahllieferung 1969 zu erreichen,1274 aber auch neue Kundenkreise zu erschließen. Er reist dafür unter anderem zu Konstanty Gutschow, Helmut Hentrich und Cäsar Pinnau, versucht zudem, auch von Herbert Rimpl einen Auftrag zu erwirken.1275 Gegenüber Pinnau rekurriert er auf vergangene Zeiten und zeigt sich seiner ehemaligen Stellung gemäß fordernd  : »Lieber Herr Pinnau, vor einigen Tage war ich mit Herrn Dr. Ries, Vorstandsvorsitzender der Pegulan-Werke, zusammen. Ich sprach ihn darauf an, ob sein Besuch bei Ihnen Erfolg hatte. Herr Dr. Ries würde sich sehr freuen, wenn er aus Gründen der Werbung einen Auftrag auf der Jacht von Niarchos erhalten könnte. Lässt sich das nicht bewerkstelligen  ? Sie würden mir persönlich damit einen grossen Gefallen tun. Denken Sie dabei einen Moment daran, dass Sie vor vielen Jahren mich immer bereitfanden, Ihnen einen Wunsch zu erfüllen.«1276 (Allgemeine Zeitung Mainz, 30.8.68, 16.7.74, 17.7.74, 9.10.1974). 1270 BA N1340/44, Speer an Peiner, 20.11.66. 1271 BA N1340/10, Speer an Eugene Davidson, Chicago/Santa Barbara, 24.9.70. 1272 Für Benckiser nutzt er die Verbindungen zu Dr. jur. Robert Koppe, mit dem er auch die oben erwähnten Projekte in Rendsburg vorantreibt. 1273 BA N1340/192, Pegulan an Speer, 13.4.68; BA N1340/57. 1274 BA N1340/192, Ries an Speer, 13.10.69. – Aufgrund Speers Intervention bei Thyssen bekommt Pegulan nun doch die Stahlträger, die eigentlich auf längere Zeit nicht lieferbar sind. Diese werden für einen dringend benö-

Über die Verbindung zu von Heydekampf versucht Speer, die Pegulanprodukte auch bei den NSU Motorenwerken und in gleicher Weise bei der Streif Eigenheimbau unterzubringen.1277 Zudem will er in Zusammenarbeit mit Streif und Pegulan Untersuchungen anstellen, ob es möglich ist, Fertighäuser auf Kunststoffbasis zu produzieren.1278 Nach 1970 lassen sich keine weiteren Tätigkeiten mehr nachweisen. Auch für die Firma Kugelfischer sind nur wenige Leistungen dokumentiert. Dazu gehören die betriebliche und architektonische Beurteilung von Werken der Kugelfischer AG nach einer Betriebsbesichtigung und die Beratung der Firma beim Umzug in ein neues Industriegebiet 1974.1279 Seit August 1967 ist Speer für die Firma Streif Eigenheimbau, Vettelschloß über Linz/Rhein, beratend tätig.1280 Streif Eigenheimbau stellt für Neckermann Fertighäuser her und plant Ende der 1960er-Jahre diese auch unter eigenem Namen zu vermarkten. Speer berät beide Firmen, wobei aus dem erhaltenen Material nicht klar wird, ob die Initiative von Streif oder von Neckermann ausgeht und inwieweit diese Doppeltätigkeit zu Loyalitätskonflikten führt. In entwaffnend offener Weise nutzt Speer für die Beratung das Ansuchen eines amerikanischen Sammlers, der ihn um eine Skizze gebeten hat, für seine Zwecke und antwortet ihm, dass er zwar keine Zeichnungen weitergebe, sehr wohl aber Interesse an amerikanischen Fertighauskatalogen habe.1281 Die darüber hinaus vorhandenen wenigen Nachweise zu dieser Tätigkeit ergeben einen Eindruck, der dem seiner sonstigen Beraterverträge entspricht  : Am Anfang betigten Anbau gebraucht (BA N1340/192, Ries an Speer, 13.10.69). 1275 BA N1340/192. 1276 BA N1340/192, Speer an Pinnau, 17.4.69. 1277 BA N1340/192, Speer an Dr. Ries, 29.6.68. 1278 BA N1340/192, Speer an Ries, 26.2.70. 1279 Weiterhin sind noch seine Bedenken gegen einen Wegzug des Dürkopp-Nähmaschinenwerkes aus Bielefeld heraus erhalten (BA N1340/57). 1280 BA N1340/63. 1281 BA N1340/63, Speer an David Staton, Great Falls, 3.3.69.

B erufstätigkeit nach 1966   |   215

müht Speer sich, der Bezahlung gemäße Leistungen tekt ausscheide, »da ich es aufgegeben habe, diesen zu erbringen. Die Zusammenarbeit mit der zu bera- Beruf auszuüben«.1287 Ganz unumstößlich ist diese tenden Seite nimmt aber immer mehr ab, letztlich so Entscheidung allerdings nicht. 1972 gibt er an, dass weit, dass Speer quasi bittet, dass man sich für das er sich bemühe, nicht nur seine »Fähigkeiten als Arbezahlte Geld auch seines Rates bedienen möge.1282 chitekt, sondern auch als Organisator nutzbringend Die offenbar nicht konfliktfreie Zusammenarbeit zu verwenden«.1288 Im Weiteren beklagt er seine Bemit Neckermann endet im April 1970, als Speer von rufsaussichten  : »Es ist allerdings bei meinem Alter sich aus die Verlängerung des Vertrages ablehnt.1283 schwer, als Berater Erfolg zu haben.«1289 Vielleicht Bei Streif ist er noch einige Zeit länger tätig, jedoch auch aus diesem Grund orientiert er sich mit der scheint er bis zum stillen Auslaufen der Mitarbeit schleichenden Aufgabe seiner Architektenpläne immer mehr in Richtung des Autors und Zeitzeugen, auch hier nur wenig geleistet zu haben.1284 Spätestens mit dem Erscheinen der »Erinnerun- was später die Erinnerung an ihn prägen wird. Speer verbringt die Nachkriegszeit im Spandauer gen« 1969 ist für Speer klar, dass er nicht mehr in den Architektenberuf zurückkehren wird, obgleich Gefängnis. Die meisten prominenten Architekten er gelegentlich noch Anfragen erhält, wie die von aus seinem Umkreis können dagegen schon bald wieHans-Georg Schu, ob er Interesse habe, bei einem der tätig werden. Einige werden mit der Ausführung Großunternehmen in Stuttgart für dessen beachtli- bereits vorbereiteter Wiederaufbauplanungen betraut che Bauvorhaben »hinsichtlich Konzeption, Stil und und können sich erneut etablieren. Dank der großzükünstlerische Ausstattung womöglich die General- gigen Vergabe von »Persilscheinen«, nicht zuletzt aufaufsicht zu übernehmen«.1285 Die Antwort Speers grund der guten Vernetzung der Architektenschaft, findet sich nicht in den Akten, aber nach zwei Brief- gelingt es einigen Mitarbeitern aus den großen Büros, wechseln über Terminfragen scheint die Angelegen- in die Bauverwaltung zu wechseln, aber auch in den heit im Sande verlaufen zu sein. Die Architekten- Behörden bleiben höhere Beamte im Amt.1290 Speers pläne will er schlussendlich aufgegeben haben, weil Schicksal ist es, für seine Tätigkeit als Rüstungsminiser seinem Sohn nicht im Weg habe stehen wollen ter und Mitglied der Regierung in der NS-Zeit, nicht und nicht gleichzeitig Publizist und Architekt sein aber für seine Tätigkeit als Architekt verurteilt workönne.1286 Anscheinend hat er sich schon 1968 von den zu sein und damit den Anschluss an die übrige der Vorstellung, wieder als Architekt tätig zu sein, Architektenschaft der Bundesrepublik Deutschland getrennt, denn im Zusammenhang mit seinen Fer- verpasst zu haben. Sein großer Konkurrent Giesler, tighausprojekten schreibt er, dass er selbst als Archi- der eine vergleichbare Stellung in der NS-Hierarchie 1282 Erhalten ist eine dezidierte Kritik Speers am Fertighaustyp »Consul« sowie der Vorschlag an Neckermann, in das Luxussegment vorzustoßen, da er dort die größten Chancen sehe. Diesbezüglich verweist er auf Pinnau als »Luxusarchitekt« (BA N1340/194). Bedingt durch Eigentümerwechsel existiert kein Archiv der Firma Streif mehr, das weitere Aufschlüsse über die Tätigkeit Speers bieten würde (Freundl. Mitteilung Fa. Streif, 09.09.2009). 1283 BA N1340/194, Speer an Neckermann, 7.4.70. – Er fügt noch hinzu, dass ihm der Vertrag während der Abfassung seiner »Erinnerungen« viel Rückhalt gegeben habe (BA N1340/194, Speer an Neckermann, 7.4.70). 1284 Speer steht auf dem Standpunkt die vereinbarten 12.000 DM nicht annehmen zu können, da er nichts geleistet habe, obschon er einen Rechtsanspruch darauf hätte – freuen

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würde er sich darüber trotzdem. Letzlich läuft der Vertrag anscheinend aus, ohne dass Streif jemals wirklich Nutzen daraus zog. Speer beurteilt ihn ohnehin als finanziell wenig verlockend (BA N1340/63, Speer an Streif, 21.8.72). 1285 BA N1340/59, Hans-Georg Schu (Unternehmensberatung der Industriepraktiker), München an Speer, 13.1.70. 1286 BA N1340/34, Speer im Gespräch mit Friedrich Sönch(?) am 2.6.1975. – Glaubwürdig erscheint diese Äußerung dadurch, dass Speer 1967 an Dr. Wagner schreibt, dass er für den beschränkten Wettbewerb zur Aufschließung des Heidelberger Emmertsgrunds vorschlagen würde, dass sein Sohn aufgefordert wird, was nicht ausschließe, dass er sich mit einem Hochbauentwurf beteiligt (BA N1340/71, Speer an Dr. Wagner, 13.6.67). 1287 BA N1340/ Speer an Neckermann, 2.8.68. – Fest dagegen

innehatte, wird ebenfalls nicht als Architekt, sondern als ranghohes Mitglied der OT und wegen der Teilnahme an Massengräueltaten im KZ Mühldorf zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Da im Gegensatz zu Speers Fall kein Viermächtestatus seiner Entlassung entgegensteht, wird er bereits 1952 entlassen und kann wieder als Architekt tätig werden.1291 Schon die GBI-Mitarbeiter der Hierarchieebene direkt unter Speer kommen weitgehend ungestraft davon. Wolters baut in Coesfeld, Stephan wird Senatsbaudirektor in Berlin und Schelkes eröffnet ein erfolgreiches Büro in Freiburg. Speers ehemaliger Baugruppenleiter Walter Schlempp arbeitet wieder als Architekt und entwirft unter anderem das Universitätsklinikum München-Großhardern. Friedrich Tamms, der seit Studientagen mit Speer verbunden ist, wird Leiter des Stadtplanungsamtes in Düsseldorf, was schließlich eine heftige Kontroverse auslöst.1292

Memoiren verlegen will, erreicht.1295 Die zweite Anfrage mit dem gleichen Anliegen wäre Mitte 1950 vom Tübinger Heliopolis-Verlag gekommen.1296 Speer beginnt, nach eigenen Angaben im März 1953, seine Erinnerungen niederzulegen, und am 29. Dezember 1954 vermerkt er in seinem Tagebuch, dass er damit fertig sei. Dennoch konstatiert er, dass es nur ein Rohentwurf sein könne.1297 Schon während der Haft plant Speer nicht nur seine Memoiren, sondern auch einen Architekturband und die gesammelten Kassiber aus Spandau zu veröffentlichen.1298 Mit dem Heranrücken des Entlassungstermines wächst erneut das Interesse an den beiden Häftlingen von Schirach und Speer, deren Haftzeit gleichzeitig endet. Beide sind in den Medien der vergangenen Jahrzehnte gelegentlich präsent gewesen, durften sich jedoch aus dem Gefängnis nie selbst äußern. Daher bemühen sich namhafte Verlage um die ersten Interviews und langfristigere Publikationsrechte. Die Verhandlungen führt stellvertretend Au t or Spe e r Speers Frau Margarete, obwohl Speer über die Kassiber stets das letzte Wort behält. Margarete überlässt Speers Karriere als Autor beginnt lange vor seiner dem Nachrichtenmagazin »Stern« – Henri Nannen Haftentlassung. In seinen Spandauer Tagebüchern kümmert sich persönlich – die Rechte an der Entgibt er vor, schon 1948 sei der Gedanke gereift, dass lassung. Der »Stern« darf die Familie drei Tage lang er nach der Hinrichtung der meisten anderen Zeu- begleiten. Im Gegenzug muss er eine Zahlung von gen aus dem engsten Umkreis Hitlers der Einzige 10.000 DM leisten und alle Kosten übernehmen, die sei, der eine Hitlerbiografie schreiben könne.1293 Im während der Rückführung entstehen.1299 Auch der gleichen Jahr habe ihn als Kassiber auch der Brief »Spiegel«1300 steht bereit und will zusätzlich zu einer der Witwe Alfred A. Knopfs1294, New York, die seine Zahlung von 30–40.000 DM für vier bis fünf Wo-

schreibt, dass er und Siedler Speer davon abgeraten hätten, denn jemand, der Germania entwarf, könne nicht Bierfabriken in Schleswig-Holstein entwerfen (Fest 2005a, 154). 1288 BA N1340/59, Speer an Günther Schuber, Frankfurt, 21.1.72. 1289 BA N1340/59, Speer an Günther Schuber, Frankfurt, 21.1.72. 1290 Nerdinger 2009, 381. 1291 Siehe hierzu: Früchtel 2008, 330–337. 1292 Nerdinger 2009, 382. 1293 Speer 1975, 138. – Eine halbe Seite darauf liest man, dass sich Speer die Frage stellt, ob er das schriftstellerische Vermögen und genug Abstand aufbringen könne (Speer 1975, 138). 1294 Speer gibt keinen Vornamen an.

1295 Speer 1975, 169. 1296 Speer 1975, 233. 1297 Speer 1975, 340 u. 406. 1298 Bis ins Detail legt Speer fest, wie die Einnahmen verteilt werden sollen (BA N1340/414). 1299 BA N1340/78, Vertrag mit dem Stern und Margarete Speer, 2.9.66. 1300 Mit dem »Spiegel« sollte Speer später noch aneinandergeraten. Er schreibt an Rudolf Augstein: »Das Zerrbild, das Sie in ihrem Nachrichtenmagazin verbreiten (›Grosse Aufregung‹ – Nr.16, 29. Jahrgang) veranlasst mich, den ›Spiegel‹ abzubestellen. Ich werde ihn an Kiosken kaufen. Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung, Speer. P.S.: Eben merke ich, dass ich auf den ›Spiegel‹ gar nicht abonniert bin. Ich abonniere ihn also hiermit, um ihn abbestellen zu

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chen ein Haus zur Verfügung stellen.1301 Nicht nur sage legt Speer aber schon im Februar 1967 in einem an der journalistischen Verwertung der Entlassung Brief mit Vertragscharakter erste Vereinbarungen mit in den aktuellen Medien herrscht großes Interesse, Siedler fest. Demnach soll Speer für die nächsten sondern auch aufwendigere Buchprojekte mit Speer vier Jahre einen monatlichen Unkostenbeitrag von versprechen lohnende Gewinne. Mit Näherrücken 1.000 DM für die Veröffentlichungsrechte erhalten. des Entlassungstages steigt das Interesse der Verlage. Beabsichtigt ist schon zu diesem frühen Zeitpunkt Schon 1963 fühlt Wolf Jobst Siedler, Neffe des Ar- eine umfassende mediale Verwertung Speers mit chitekten des Reichskanzleierweiterungsbaus Eduard der Veröffentlichung eines Tagebuches und eines Jobst Siedler, bei Margarete Speer bezüglich der Ab- Memoirenbandes sowie ergänzend der Publikation fassung Speer’scher Memoiren vor.1302 Unmittelbar eines Bilder- und Dokumentenbandes.1305 Den Genach der Entlassung gibt Speer Siedler vorerst einen danken, auch als Architekt arbeiten zu können, hat abschlägigen Bescheid  : Speer jedoch noch nicht aus den Augen verloren, denn ausdrücklich wird darauf eingegangen, dass »Ich habe zunächst nicht die Absicht, meine Erinne- sich wegen beruflicher Verpflichtungen die Abfasrungen fertigzustellen  ; ich sehne mich nach frischer sung noch einige Zeit hinziehen könne und daher zuBauluft, es [unles.] mir etwas bei dem Gedanken, in erst der Tagebuchband erscheinen solle.1306 Auf der allernächster Zeit die Stickluft der Vergangenheit Basis dieser Abmachung wird am 18. Oktober 1967 durch Niederlegung der Memoiren heraufbeschwö- zwischen Siedler und Speer ein Vorvertrag geschlosren zu müssen. Jedoch bin ich mir wohl bewußt, daß sen.1307 Weitere Korrespondenzen, die Korrekturen ich die Verpflichtung einzulösen habe, mich durch am Manuskript zum Inhalt haben, legen den Schluss ein Buch ernsthaft mit der Vergangenheit auseinan- nahe, dass Speer spätestens im ersten Quartal 1968 dersetzen zu müssen.«1303 ernsthaft mit der Niederschrift begonnen hat.1308 Auf die Problematik der »Erinnerungen« wurde Zu diesem Zeitpunkt geht Speer noch davon aus, eingangs1309 bereits hingewiesen. Die Entstehungsdass er zunächst als Privatmann und Architekt leben umstände sollen an dieser Stelle etwas ausführlicher könne und der Öffentlichkeit, abgesehen von den dargelegt werden. Schon das erste Manuskript, 1954 sofort nach der Entlassung gegebenen Interviews, in Spandau für den »Fall der Fälle«1310 abgeschlosvorerst nicht mehr zur Verfügung stehen müsse.1304 sen, zeugt von Speers Wunsch, seine eigene ApoloEntgegen der ein halbes Jahr vorher getroffenen Aus- gie zu verfassen. Damit ist eine dem späteren Erfolg können. Zunächst auf ein halbes Jahr. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Speer.« (BA N1340/78, Speer an Augstein, 19.4.75). 1301 Der Spiegel will Speer nach der Entlassung für 4–5 Wochen ein Haus südlich von München zur Verfügung stellen, damit er wieder zu sich kommen könne. Beim Honorar für ein Interview könne man sich zwar nicht mit Illustrierten messen, aber 30.000 bis 40.000 DM wären schon machbar (BA N1340/78, Spiegel an Willy Schlieker, 1.7.66). 1302 BA N1340/53. 1303 BA N1340/53, Speer an Siedler, 7.10.66. – Im gleichen Sinne antwortet er rund einen Monat später Ferency Associates, München: »Ich habe zwar die Absicht, ein Buch zu schreiben, jedoch werde ich zu dieser Arbeit nicht vor mehreren Jahren kommen, da ich zunächst versuchen möchte, mir als Architekt eine angenehmere Zukunft aufzubauen, als dies die dauernde Beschäftigung mit der Vergangenheit

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sein würde.« (BA N1340/78, Speer an Ferency Associates; München, Herrn von Ferency, 12.11.66). Speer in gleichem Sinne in einem weiteren Schreiben: »… es ist mir leider nicht möglich, Ihnen einen Beitrag für Ihre ›Kleine Anfrage‹ zur Verfügung zu stellen. Das Gespräch mit dem ›Spiegel‹ war ein Abschluss, und ich werde mich für mehrere Jahre nicht mehr zu dem Problem der Vergangenheit oder der Gegenwart äußern.« (BA N1340/78, Speer an Kanzlit, Internationales Pressebüro, 12.11.66). 1304 Er habe zwei deutschen und einer ausländischen Zeitung Auskünfte erteilt – weil er sich diesen verpflichtet fühlt –, möchte sich aber für die nächsten Jahre nur noch mit seinem Beruf beschäftigen und von weiteren Ausführungen in der Öffentlichkeit Abstand nehmen (BA N1340/78, Speer an André Coutin, Lectures pour tous, 12.11.66). 1305 BA N1340/53, Siedler an Speer, 3.2.67. – Speer fürchtet sich genauso wie Schinkel davor, dass die Überlieferung sei-

dienliche Grundbedingung von vornherein gegeben. Sicher ist aber, dass auf die endgültige Fassung der Speer’schen Memoiren von unterschiedlicher Seite teils erheblich eingewirkt worden ist.1311 Vor allem vier Personen haben das Manuskript auf ganz unterschiedliche, aber entscheidende Weise geprägt. Unbestritten ist die deutliche Einflussnahme durch Joachim Fest und Wolf Jobst Siedler.1312 Siedler kritisiert beispielsweise die zu starke Einbindung der GBI-Chronik und attestiert dem ersten Teil den stärksten Überarbeitungsbedarf, da in den folgenden Abschnitten allein die Zeitumstände – also die Gegebenheiten des nationalsozialistischen Deutschen Reiches – für Spannung sorgen würden.1313 Nach der Veröffentlichung mutmaßt der Journalist Walter Görlitz von der »Welt«, dass Speer einen Ghostwriter gehabt habe, worauf Siedler entgegnet, er und Fest hätten nur unnötig Privates gestrichen und zur Vertiefung einiger wichtiger Stellen, etwa der Reichspogromnacht, gedrängt.1314 Der Verdacht einer weitgehenden Überarbeitung durch Dritte regt sich nicht nur von außerhalb, sondern auch in Speers engerem Umkreis. Schon vor der Drucklegung schreibt Leonhard Schwarz offen an Speer, er glaube, dass das Kapitel »Folgerungen« nicht aus dessen Feder stamme. Dieser antwortet ihm, der Eindruck komme daher, dass er es schon in Spandau geschrieben habe.1315 Neben Schwarz, der auf einem Vorwort besteht, ist auch Dr. Alfred Wagner vom Bundesarchiv wesentner Architektur abbrechen könnte (Pehnt 1989, 51). 1306 BA N1340/53, Siedler an Speer, 3.2.67. 1307 BA N1340/53, Siedler an Speer, 3.2.67. – Dem Akt kann zudem entnommen werden, in welcher Weise Siedler die Abfassung der »Erinnerungen« begleitet. Er weist Speer an, weniger die Chronik der GBI zu zitieren, die für Speer eine neutrale historische Instanz darstellt und zu oft anstelle der eigenen Erinnerungen bemüht wird. Geplant ist 1969 zudem die Chronik der GBI zu edieren. Im Auftrag des Ullsteinverlages soll dies durch Gregor Janssen geschehen (BA N1340/53, Siedler an Speer, 25.11.68). 1308 BA N1340/53. 1309 Siehe Kapitel: ›Selbstinszenierung Speers – Speer als Quelle‹. 1310 BA N1340/414. 1311 Auch Familienmitglieder Speers haben Korrektur gelesen. Nach einer Notiz auf einem Manuskript im Bundesarchiv (N1340/346) haben die Kinder Hilde und Fritz neben Wolf

lich an der Korrektur der Manuskripte beteiligt. Er bewundert Speer dafür, in welcher Ordnung er Primär- und Sekundärquellen verwahren würde, und urteilt schon nach der Durchsicht der ersten Kapitel  : »Es sind echte ›Erinnerungen‹ eines damals führenden Mithandelnden, die nichts von den typischen und so unangenehmen Zügen vieler Memoiren aus dem höheren politischen Aktionsbereich an sich haben – selbstgefällige Arroganz, gepaart mit aufdringlicher Apologetik einerseits – anspruchsvoller Versuch einer objektiven Geschichtsschreibung andererseits. […] der s.Zt. ›Mit-Führende‹ [läßt] gerade das rechte Maß an Selbstgefühl spüren, – ein Selbstbewußtsein von hoher Warte die eigene Person anscheinend unbefangen sine ira et studio (agierend, reagierend, beobachtend) mitten ins Kraftfeld des Geschehens hineingestellt. So sieht sich der Leser versetzt in die beiden Perspektiven des Mit-Handelnden und -Leitenden von damals wie in die des (kritisch distanziert korrigierend) Rückblickenden von heute  ; […] er folgt des Vf.’s Wirken, das an wenigen interessant ausgewählten Beispielen nur eben skizzenhaft charakterisiert wird. Sehr gelungen ist m.E. die Form  : eine flüssig geschriebene Erzählung, welche – scheinbar en passant plaudernd – stets zu fesseln […] zuzuspitzen weiß  ; schlüssige Gliederung der Kapitel […]«.1316

Jobst Siedler und »Heinr.« das Manuskript korrigiert. Siehe hierzu auch Hilde Schramm (Breloer 2005b, 88), Wolf Jobst Siedler (Breloer 2005b, 475) und Joachim Fest (Breloer 2005b, 440) im Gespräch mit Heinrich Breloer. 1312 Fest und Siedler beschreiben die Entstehungsumstände in: Fest 2005a und Siedler 2004. Korrekturen im Manuskript, vermutlich von Fest und Siedler in: BA N1340/330. 1313 BA N1340/53, Siedler an Speer, 10.4.68/25.11.68. 1314 BA N1340/53, Siedler an Görlitz, 20.8.69. 1315 BA N1340/61, Schwarz an Speer, 25.10.68. – Schwarz bringt Speer offenbar dazu, die Episode über den Tod Hankes zu verändern und klärt Speer über die im Umlauf befindlichen Gerüchte diesbezüglich auf (BA N1340/61, Schwarz an Speer, 6.5.69; Speer an Schwarz, 25.5.69). 1316 BA N1340/71, Dr. Wagner an Speer, 28.6.68.

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Bereits zwei Monate früher hat Wagner Speer im Nachgang zu einem Besuch in Heidelberg in einem langen Schreiben dargelegt, wie er sich die »Erinnerungen« vorstellen könne. Speer hält sich sehr eng an diese Empfehlungen, kommen sie doch dem von ihm angestrebten Bild sehr nahe, insbesondere, da Wagner vorschlägt, den »Rückblick […] unter eine doppelte Perspektive zu stellen   : die des (distanzierten) Künstlers einerseits, die des (engagierten) führenden Politikers (Organisators und Leiters der Wirtschaft) andererseits«.1317 Die Grundrichtung skizziert er ebenfalls und legt Speer natürlich nahe, gerade seine Distanz zum Regime zu betonen. Ob bewusst oder nicht, nimmt Wagner schon fast einen Grund für den Erfolg der Memoiren vorweg, indem er Speer auffordert, die systemkritischen Gedanken zu betonen  :

Schon von fachlich ausgewiesener Seite mit Vorschusslorbeeren bedacht, wundert es kaum, dass sich

die »Erinnerungen« ausgezeichnet verkaufen – auch im Ausland ist der Erfolg, teilweise mit angepasstem Inhalt,1319 groß – und Speer letztlich einen komfortablen Lebensabend sichern.1320 Die Tantiemen sind jedoch nicht seine einzigen Einnahmen. Die über den Krieg geretteten Hitlerskizzen verkauft Speer in kleinen Chargen, hinzu kommt das Entgelt der Beraterverträge. So hat er ein deutlich überdurchschnittliches Einkommen und kann seine letzten Jahre im großen Haus seiner Eltern in Heidelberg und seinem Refugium in den Bergen des Allgäus verbringen. Das Lob Prominenter ist nicht der einzige Grund für den prächtigen Verkaufserfolg. Der Wert der »Erinnerungen« liegt wie eingangs geschildert weniger in einer wahrheitsgetreuen Schilderung des »Dritten Reiches« oder in ihren literarischen Qualitäten, sondern vor allem darin, dass sie für viele Deutsche eine Art »Generalpardon« für Verbrechen in der NS-Zeit bieten. Speer wird so zu de r Entschuldungsfigur der Nachkriegszeit, quasi geadelt durch eine Vielzahl von Prominenten,1321 die ihm die Reue und Offenheit abnehmen. Wenn Peter Reichel schreibt, dass Speers »fortgesetzte öffentliche Selbstprüfung«1322 keineswegs nur Beifall fand,1323 ist ihm zwar zuzustimmen, dennoch bleiben die Kritiker1324 in der Unterzahl. Speers gebetsmühlenartiges Beteuern seiner Unkenntnis vom Holocaust und seine Verharmlosungen bieten vielen anderen Kompromittierten einen Schild, unter dem sie sich verstecken können. Für ihn selbst bedeuten sie vor allem eine gute Einnahmequelle, was ihm den Vorwurf einträgt, »auf ’s Lukrativste« bereut zu haben.1325

1317 BA N1340/71, Dr. Wagner an Speer, 28.4.68. 1318 BA N1340/71, Dr. Wagner an Speer, 28.4.68. 1319 Sereny 2002, 374. – Insbesondere die Thematik der Judenverfolgung ist in der amerikanischen Ausgabe deutlich verändert (Sereny 2002, 374). 1320 Dr. Wagner urteilte: »Ich glaube wirklich, daß die Memoiren – eben im Sinne der oben formulierten Thematik – einzig dastehen, festes Bildungsgut werden und für die Jugend, nicht nur Deutschlands, Pflichtlektüre sein sollten.« (BA N1340/71, Wagner an Speer, 23.5.70). 1321 Zusätzlich zu den im weiteren Textverlauf noch genannten auch Waldemar Besson – Besson 1978, Elias Canetti – Canetti 1978, Golo Mann – Mann 1978 oder Friedrich Wil-

helm Korff – Korff 1978. 1322 Reichel 2007, 58. 1323 Besonders deutlich wies Jean Améry Speer zurecht: Er stellt die öffentliche Buße Speers in Frage und konstatiert, Sühne und Umkehr würden nur in Einsamkeit würdig vollzogen (Améry 1975). 1324 Hierzu gehören auch »Altnazis«, die sich noch immer nicht von ihrer Überzeugung trennen mochten und in Speer einen Verräter sahen – etwa Hitlers ehemaliger Adjutant Nicolaus von Below (siehe S. 17) und Speers Konkurrent Hermann Giesler (Giesler 1977). 1325 Carl Améry, zitiert nach Nerdinger 2009, 393. 1326 BA N1340/21, Speer an Fromm, 13.4.76.

»[…] keine Apologie  ; und dabei doch deutlich genug darlegen, wo und wann immer Sie distanziert und kritisch waren, oder gar kämpfend entgegentraten. […] Und doch wird gerade diese Memoiren-Konzeption des mächtigsten Überlebenden aus der Zeit – gelingt sie Ihnen überzeugend – Ihre Veröffentlichung vor der Masse der übrigen Nachkriegs-Erinnerungen, seien sie nun mehr als ›objektive Darstellungen‹ oder mehr als ›Verteidigungsschriften‹ aufgemacht, auszeichnen, – Ihr Erfolg und bleibenden Wert geben.«1318

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Die Ambivalenz Speers zeigt sich darin, dass er einen Teil der Einnahmen aus dem Verkauf der »Erinnerungen« an wohltätige, vor allem jüdische Organisationen spendet. Gegenüber Erich Fromm gibt er an, vom Erlös der englisch-amerikanischen Ausgabe der »Erinnerungen« 200.000 DM gespendet zu haben. Nach Abzug von Steuern, Unkosten und Zuwendungen an ehemalige Gefängniswärter seien ihm noch 134.000 DM geblieben.1326 Ein genauer Überblick über die Beträge, vor allem im Vergleich zu seinem Einkommen, lässt sich anhand des im Bundesarchiv vorhandenen Materials nicht gewinnen. Ebenso wenig sind alle Empfänger der Zuwendungen, darunter auch Amnesty International, zu ermitteln. Offenbar ist es Speer aber ein Anliegen, erhebliche Summen zu spenden, denn er hat mit dem Finanzamt in Heidelberg eine Sondervereinbarung, die ihm gestattet, mehr als 5 % seines Einkommens steuerfrei zu spenden.1327 Speer steht als quasi berufsmäßiger Zeitzeuge mit bekannten Personen im In- und Ausland in regem Kontakt. Er korrespondiert mit Simon Wiesenthal, Erich Fromm und Carl Zuckmayer. Simon Wiesen­ thal,1328 der Speer in einem Brief vorab mitgeteilt hat, dass ehrliche Bücher – gemeint sind die »Erinnerungen« – Erfolg haben sollten,1329 wird auch in den USA zum Multiplikator für Speers Selbstsicht, als er dort auf eine Frage antwortet  : »Es gibt heute eine grosse Anzahl ehemaliger Nationalsozialisten, die gegen Hitler sind. Vor allem deswegen, weil er den Krieg verloren hat. Ich kenne 1327 Das Finanzamt ermöglicht ihm einen Großteil seines Einkommens an Wohltätigkeitsverbände abzuführen und verzichtet, solange Speer keinen Einfluss auf die Verteilung der Spenden nimmt, auf eine Besteuerung (BA N1340/21, Speer an Fromm, 13.4.76). 1328 Jüngstes Werk zur nicht unumstrittenen Bedeutung Wiesenthals und seinen teils fragwürdigen Methoden: Śegev 2010. 1329 BA N1340/74, Wiesenthal an Speer, 8.7.75. Es verwundert in der Tat, dass gerade Wiesenthal Speer nicht durchschaut. 1330 BA N1340/74, Wiesenthal an Speer, 9.4.76. 1331 BA N1340/74, Speer an Wiesenthal, 10.4.76. 1332 BA N1340/77, Carl Zuckmayer an Speer, 7.7.70.

aber bisher nur einen, der ausser anderen Gründen deswegen gegen Hitler ist, weil dieser den Krieg begonnen hat. Dieser Mann heisst Albert Speer.«1330 Speer hat Wiesenthal vorher eine zur Veröffentlichung bestimmte zweiseitige Abhandlung über seine Schuld übermittelt, in der er die juristische als geahndet bezeichnet, nicht aber die moralische, die ihn bis an sein Lebensende verfolgen werde.1331 Nicht minder positiv als Wiesenthal äußert sich Carl Zuckmayer  : »Gerade weil Sie garnicht [sic] erst den Versuch gemacht haben, sondern frei und ohne Selbstverschonung erzählt haben, was Sie mit ihm, durch ihn, an ihm erlebten, gelingt Ihnen die Realisation einer glaubwürdigen, wenn auch kaum erklärbaren Erscheinung.«1332 Zu den Spandauer Tagebüchern, bei denen Speer ähnlich verfährt wie bei den Erinnerungen und die Druckfahnen von Prominenten durchsehen lässt, schreibt ihm der später zu seinem Freund gewordene Carl Zuckmayer, dass es für die Tagebücher nur eine Stimme geben könne – die der uneingeschränkten Hochachtung.1333 Die Bücher Speers profitieren nicht nur vom Lob der Prominenz, sondern auch von intensiven Werbemaßnahmen. Taktischen Überlegungen folgend, startet Siedler den Verkauf der Spandauer Tagebücher, die er mit allen Mitteln zum größten Bucherfolg der Nachkriegszeit machen will, mit einer großen Werbeaktion.1334 Wie auch bei den Erinnerungen ist der 1333 BA N1340/77, Zuckmayer an Speer, 9.6.75. 1334 BA N1340/54, Siedler an Speer, 26.2.76 ‑ Läden, die eines ihrer Schaufenster mit vom Verlag geliefertem schwarzen Stoff ausschlagen und dort zahlreiche Exemplare der Tagebücher mit einem monumentalen Foto von Speer acht Tage lang präsentieren, sollten ihre Erstbestellung signiert bekommen. Siedler setzt deswegen außerdem die Startauf­ lage auf 100.000 Stück hoch. In Deutschland werden bis Februar 1976 263.180 Exemplare der »Erinnerungen« und 229.000 der Tagebücher verkauft (BA N1340/54, Siedler an Speer, 26.2.76).

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Zeugniswert der Spandauer Tagebücher in Frage zu und Neugestaltung Berlins –, die Bildlegenden und stellen. Dies illustriert die Feststellung des Histori- die Seitentitel ebenfalls von Speer verfasst sind.1341 kers Eberhard Jäckel, der Speer die Verwendung eines Obschon die in sich geschlossenen Beiträge der etafiktiven Goebbels-Zitates nachweisen kann.1335 Bei blierten Wissenschaftler am Ende des Buches vom der Darstellung der täglichen Abläufe des Gefängnis­ vorangehenden Bildteil abgesetzt sind, wird durch alltags sind die Tagebücher dagegen sehr exakt und die Anonymisierung Speers eigener Texte dem Buch lassen sich mit Archivmaterial abgleichen.1336 ein seriöser Charakter gegeben, da eine unabhängige Die Publikationen Speers sind entscheidend für Wertung suggeriert wird. Die Nobilitierung durch die Verankerung seines Selbstbildes in der Öffent- unabhängige Wissenschaftler kann das offensichtlilichkeit. Dessen gezielte Steuerung liegt auch in den che Ziel letztlich aber nicht verdecken. Speer versucht Händen seiner Vertragspartner. So ist der 1978 ver- besonders mit diesem Buch, sich und sein Werk zu öffentlichte, heftig kritisierte Architekturband mit verharmlosen und die politische Komponente seiner dem Charakter eines sehr selektiven Werkverzeich- Tätigkeit geflissentlich zu unterschlagen. Indem er nisses,1337 wie ein Schreiben Siedlers von 1976 nahe- sich Siedlers Vorschlag entsprechend als Nachfolger legt, ebenfalls aus einer bestimmten Intention heraus Schinkels geriert und einen Zusammenhang mit inentstanden und von Siedler deutlich beeinflusst. Er ternationalen klassizistischen Tendenzen herstellt, schreibt an Speer  : nimmt er seiner Architektur den entscheidenden Unterschied – nämlich, dass sie baulicher Ausdruck »Ich möchte Sie ja sozusagen, noch stärker als Sie es des NS-Regimes ist –, um sie zu banalisieren.1342 in Wirklichkeit sind, auf die Schinkelsche Linie festDie bewusste Steuerung seiner Außenwirkung legen, und hier und dort das Theatralische zurück- wird ferner deutlich, als 1977/78 der Hildesheimer drängen. Gerechtigkeit können dann spätere Ge- Gerstenbergverlag Speer bezüglich einer Neuveröfnerationen üben. Im Augenblick wird man wirken, fentlichung von »Das Bauen im Neuen Reich« und wenn man die Dinge noch vergeistigt, und wie Sie der »Neuen Deutschen Baukunst« anschreibt. Speer wissen, liegt mir immer ein wenig an Wirkung.«1338 sieht zunächst Probleme, weil die Veröffentlichungsrechte seiner Entwürfe beim Ullsteinverlag liegen. Der Wirkung wird viel Beachtung geschenkt und da- Schwerer wiegt aber, dass die antisemitischen Äußeher die buchkünstlerische Bearbeitung an Prof. Kurt rungen entfernt werden müssen. Speer glaubt  : Weidemann übergeben.1339 Obschon er sich anfangs schwer tut, verfasst Speer letztlich doch für sein eige- »Niemandem wird es auffallen, aber auf der andenes Werk ein Vorwort, das ihn als Autor ausweist.1340 ren Seite wuerde es doch viel Aerger geben, wenn sie An keiner Stelle im Buch wird aber erwähnt, dass die stehenblieben. Mich wuerde es in dem Vorwort in einleitenden Kurztexte zu den jeweiligen Baukom- Verlegenheit setzen, wenn sich der Verlag nicht dazu plexen – wie etwa Nürnberg, Neue Reichskanzlei entscheiden koennte.«1343 1335 BA N1340/304, Jäckel an Speer, 11.2.76 – Speer hat in den Spandauer Tagebüchern auf Seite 105 ein Goebbels-Zitat übernommen, das aus den Nürnberger Nachrichten vom 7.5.47 stammt. Diese wiederum haben es aus einem 1946 in Berlin/Ost erschienenen Buch von Max Fechner, der im Nachwort schreibt, dass Goebbels so hätte schreiben müssen, wäre er ehrlich gewesen. 1336 Goda 2009, 220. 1337 Siehe dazu: Vogt 1980 und Máčel 1980. 1338 BA N1340/54, Siedler an Speer, 19.8.76. 1339 BA N1340/54, Vertrag, 30.11.77.

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1340 BA N1340/54, Speer an Siedler, 1.5.78. 1341 BA N1340/65, Vorschläge Speer-Weidemann zur Anlage des Bandes, 19.7.77. 1342 Nerdinger 2009, 393. 1343 BA N1340/67, Speer an Gerstenbergverlag, 25.4.78. 1344 Speer 1986. 1345 BA NL1340/43, Speer an Oesch, 26.4.1978. 1346 BA N1340/54, Speer an Siedler, 5.3.79. 1347 Speer 1981. 1348 BA N1340/75, Speer an Clara Winston, 4.10.80.

Letztlich sagt er doch ab und bedauert in einem Wenn auch von einigen Annehmlichkeiten begleinach seinem Tode auch in der »Zeit«1344 veröffent- tet, ist Speers Leben nach der Haftentlassung denlichten Brief, ein Vorwort »zu dieser geistigen Ober- noch nicht spannungsfrei. Er erhält Drohbriefe von flächlichkeit, der [er] auch […] einst huldigte«1345 reaktionären Vereinigungen, weswegen er unter annicht schreiben zu können. Er habe sich an die Ar- derem 1978 einen Waffenschein beantragt.1349 Ein beit begeben, dabei erstmals Text und Abbildungen wirklich ernster Konflikt entwickelt sich mit dem zur Kenntnis genommen und schließlich mit stei- britischen Journalisten David Irving. Beide verbingendem Widerwillen den Text zu den Abbildun- det zunächst beinahe eine Art Freundschaft. Umso gen gelesen. Nach Kritik an den Leistungen der ungehaltener reagiert Speer daher auf Irvings VeröfNS-Architektur weist er darauf hin, dass das Buch, fentlichungen, in denen er sich diffamiert sieht.1350 wollte es einen umfassenden Eindruck bieten, auch Beistand leistet ihm dabei Siedler, der die Rechte an die Konzentrationslager mit ihren Baracken zeigen einem Buch Irvings gekauft hat, die eine Veröffentmüsse. Das Manuskript endet in einem durchgestri- lichungspflicht einschließen. Dieser muss er nachchenen, dramatisch-pathetischen Absatz, der in der kommen. Er habe es aber um 100 Seiten gekürzt »Zeit« fehlt. Speer schreibt darin, dass er die Augen und so umgeschrieben, dass einige Passagen ganz ins der Insassen von Auschwitz, die ihn in einem russi- Gegenteil verkehrt würden, berichtet er Speer.1351 schen Film über die Opfer anblickten, nicht vergesNoch problematischer und belastender werden für sen könne. Speer erste Enthüllungen. Offenbar nicht unberechAufgrund der Verkaufserfolge und seiner Po- tigterweise hat er Angst, für neu aufgedeckte Tatbepularität als Zeitzeuge ersinnen Speer und Siedler stände in irgendeiner Weise erneut haftbar gemacht immer neue Buchprojekte. Das ihm von Siedler in werden zu können. Im Zusammenhang mit der Diszeitlicher Nähe zum eigenen Architekturband vor- kussion um seine Teilnahme an der Gauleiterkonfegeschlagene Buchprojekt über »Hitler als Architekt« renz in Posen 19431352 lässt er von seinem Anwalt lehnt er jedoch ab, da er nicht mit Hitler konkur- klären, ob hier ein neuer Tatbestand vorliegen könne, rieren wolle.1346 Ein Jahr vor seinem Tod erscheint der mit den Nürnberger Prozessen noch nicht ab»Der Sklavenstaat«1347 als Auseinandersetzung mit gegolten sei.1353 Entweder fürchtet Speer um seinen der SS, das aber weit weniger Beachtung findet als Ruf, oder aber er befürchtet tatsächlich eine neue die vorangegangenen Werke. Sein letztes Buchpro- Anklage, weil er bei der Konferenz anwesend war jekt kündigt er wenige Monate vor seinem Tod Clara und sich der Tragweite der Vorwürfe bewusst ist. Auf Winston, der Witwe des Übersetzers der amerikani- der Suche nach Unterstützung wendet er sich unter schen Ausgabe der »Erinnerungen«, an. Es soll 1986 anderem an Walther Rohland1354. Er schickt diesem, unter dem Projekttitel »Noch einmal zwanzig Jahre« um ihm »die Mühe zu ersparen seine Wünsche erveröffentlicht werden und Speers Erlebnisse und Un- raten zu müssen«1355, einen Entwurf für eine eideszuträglichkeiten der letzten 20 Jahren enthalten.1348 stattliche Erklärung, dass er mit Speer zusammen im 1349 BA N1340/45, Speer an Amt für Öffentliche Ordnung Heidelberg, 20.4.78. 1350 BA N1340/30. 1351 BA N1340/54, Siedler an Speer, 28.6.74. – Unklar ist, um welches Buch Irvings es sich handelt, möglicherweise um »Hitler und seine Feldherren«, das 1975 im Ullsteinverlag erschien. 1352 Auf dieser Konferenz im Oktober 1943 referiert Himmler vor den versammelten Gauleitern über die Judenvernichtung (Schwendemann/Dietsche/Górczyńska-Przybyłowicz 2003, 133). Wegen seiner Behauptung von der Judenver-

nichtung nichts gewusst zu haben, ist es für Speer essenziell, belegen zu können, nicht dort gewesen zu sein. 1353 BA N1340/196, RA Dr. Schlatter an Speer, 9.12.71. – Nicht nur in eigener Sache muss sich Speer mit der Justiz befassen. Speer muss auch als Zeuge im sog. »KZ-Dora-Prozeß« aussagen (BA DP3/1681). 1354 Walther Rohland, 1888–1981. Von Fritz Todt mit der Durchführung des Panzerprogramms beauftragt, später stellvertretender Amtschef des Rüstungsamtes im Rüstungsministerium (Klee 2011, 505). 1355 BA N1340/196, Speer an Rohland, 8.5.73.

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Auto nach Rastenburg gefahren sei, und fügt hinzu  : »Natürlich will ich Sie damit nicht beeinflussen, aber ich glaube alles ist ohnehin klar.«1356 In einem Brief an seine Brieffreundin Hélène Jeanty Raven schreibt er sogar entgegen aller Beteuerungen und Bemühungen, seine Abwesenheit zu belegen  : »Es besteht kein Zweifel. Ich war zugegen, als Himmler am 6. Oktober 1943 ankündigt, dass alle Juden umgebracht werden würden.«1357 Tatsächlich spielt es wohl kaum eine Rolle, ob er an der Konferenz teilgenommen hat oder nicht. In seiner Position als Minister ist er nicht nur über den Genozid im Bilde, sondern beteiligt sich etwa mit den Planungen für Auschwitz aktiv daran.

1356 BA N1340/196, Speer an Rohland, 8.5.73. – Rohland übernimmt für seine Erklärung den Wortlaut der Vorlage Speers.

224 | N achkriegskarriere

1357 Zit. nach: Thomas 2007, 33.

FAZIT

Albert Speer ist sicherlich eine der zwiespältigsten Figuren der deutschen Architekturgeschichte. Seine Biografie unterscheidet sich von allen anderen Architekten dieser Zeit und räumt ihm eine Sonderstellung ein. Tief in das NS-Regime eingebunden, hat er die größte Machtfülle und die höchste politische Position inne, die je ein Architekt in Deutschland eingenommen hat. Die ihm heute zugemessene historische Bedeutung beruht aber gerade nicht auf seinen Leistungen im Bereich der Architektur. Sie liegt vielmehr in seiner Tätigkeit als Rüstungsminister sowie in seiner Verteidigungsstrategie bei den Nürnberger Prozessen 1945/46 und deren Fortführung nach seiner Haftzeit 1966, die maßgebend den Umgang mit der NS-Vergangenheit in der noch jungen Bundesrepublik beeinflusst hat, begründet. In der Architekturgeschichte bleibt sein Name eher durch seine Stellung im Bauwesen des »Dritten Reiches« und im Zusammenhang mit einer Architekturpropaganda, wie es sie nie zuvor gegeben hat, im Gedächtnis als durch seine – zumal nur in geringer Zahl realisierten – Entwürfe. »Speer« wurde vielfach zum Synonym für die NS-Architektur – nicht zuletzt durch seine Darstellung in der nationalsozialistischen Architekturpropaganda, die ihre Fortsetzung in der medialen Selbstinszenierung in und nach den Nürnberger Prozessen fand. Diese verselbstständigte sich derart, dass Speer schlussendlich als der NS-Architekt wahrgenommen wurde. Bis zu seiner Begegnung mit Hitler ist Speers Lebenslauf durchaus vergleichbar mit denen vieler Fachkollegen. Er erhält eine fundierte Ausbildung bei Heinrich Tessenow und wird nach weiterer Vertiefung in der sogenannten »Privatpraxis« dessen Assistent an der TH Charlottenburg. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Weimarer Republik wirken sich für die Architekten verheerend aus. Speers erstes Büro scheitert mangels Aufträgen, ohne Tätigkeit ist er von den wohlhabenden Eltern finanziell abhängig.

Wie viele andere Architekten ist er in der Folge der Weltwirtschaftskrise ab 1929 händeringend auf der Suche nach Beschäftigung. Er findet sie schließlich bei der NSDAP, der er 1931 beitritt. Der Grundstein für seine singuläre Architektenkarriere ist die persönliche Bekanntschaft mit Hitler 1933, die ihn aus dem Kreis seiner Zeitgenossen hervorhebt. Ermöglicht wird diese Bekanntschaft durch jene Kontakte, die er noch zu Zeiten der Weimarer Republik geknüpft hat. Er verkehrt bzw. ist eng befreundet mit Parteimitgliedern, die später ausnahmslos für ihre politische Radikalität bekannt werden. Aus diesem Zirkel erhält er seine ersten Aufträge. Speer ist für Hitler fortan Ansprechpartner in jedweder Art von Baufragen. Er beginnt seine Karriere mit kleineren Umbauarbeiten an derReichskanzlei, zunächst noch als Bauleiter für Paul Ludwig Troost, später eigenständig. Dank seiner Beharrlichkeit und seiner schnell offensichtlichen Fähigkeit zur Anpassung an die Wünsche seines Auftraggebers gelingt es ihm, die Nachfolge des im Januar 1934 verstorbenen Troost als übergeordneter Vertrauensarchitekt Hitlers anzutreten. Speers Bedeutung für Hitler liegt darin, dass er in ihm einen loyalen und organisationsbegabten Architekten für die Umsetzung seiner Wünsche gefunden hat. Dafür schafft er ihm 1937 mit der GBI eine Institution, die sich über alle administrativen und finanziellen Zwänge hinwegsetzen kann. Seine Machtfülle übt Speer bedingungslos aus und setzt alle verfügbaren Machtmittel ohne Skrupel ein. Seine Machtbasis, die ihn beinahe unangreifbar macht, ist das persönliche Verhältnis zu Hitler. Seine Sonderstellung als Architekt – zwar Mitglied des engsten Umkreises um Hitler, aber nicht Teil der eigentlichen Führungselite des NS-Regimes zu sein – verliert er mit der zunehmenden Verflechtung im Machtapparat. Spätestens mit der Ernennung zum Rüstungsminister 1942, die aufgrund der starken Einbindung von Speers Dienststellen in der Rüstungswirtschaft und der militärischen Nachschuborganisation weniger überraschend ist, als es zunächst erscheinen mag, ist Speer Teil der Herrschaftselite des NS-Regimes. Er führt im Krieg zeitweise das größte Ministerium,

Fazit  | 225

verfügt damit über weitreichende Kompetenzen und in Nürnberg und auf dem Bückeberg oder der Umist auch Teil wechselnder Koalitionen innerhalb der bau des Borsigpalais für die SA zeigen, dass Speers Führung. Als Rüstungsminister stellt er Hitler seine Aufstieg gerade wegen der politischen Komponente Fähigkeiten genauso bedingungslos zur Verfügung gelingt. Mit dem Reichsparteitagsgelände in Nürnwie zuvor als Architekt. Das sogenannte Rüstungs- berg, dem Deutschen Haus auf der Pariser Welt­ wunder ist zwar von der Forschung mittlerweile ausstellung, der Neuen Reichskanzlei in Berlin und relativiert worden, dennoch gelingt es Speer, die der Neugestaltungsplanung für Berlin, noch mehr Kriegswirtschaft zu reorganisieren und einen Impuls aber qua Amt als GBI durch die Kontrolle sämtlizu setzten, der in einem Aufbäumen den aussichtslo- cher wichtiger Bauvorhaben im Reich prägt Speer in sen Krieg noch einmal verlängert haben dürfte. Mit führender Position den Ausdruck der architektonidem »Sonderprogramm Prof. Speer«, das Auschwitz schen Selbstdarstellung des Regimes im Sinne Hiterst zum Vernichtungslager macht, dem Einsatz von lers. Dabei ist er zu keinem Zeitpunkt der innovativ Zwangsarbeitern auf Baustellen und bei der Roh- aus eigenem Impuls schöpfende Künstler-Architekt, stoffgewinnung sowie der Deportation der Berliner als der er sich gerne sehen will. Vielmehr steht er eiJuden auf seine Initiative hin, spielt er eine zentrale ner Organisation vor, die nach den Wünschen seines Rolle bei den NS-Verbrechen. Spätestens dadurch ist Hauptauftraggebers Hitler konventionelle Konzepte er keinesfalls mehr der unpolitische Künstler, als der vielfach aus Versatzstücken zusammensetzt. Die Zusammenarbeit ist äußerst eng und Hitler wendet er sich gerne dargestellt hat. Nach Kriegsende wird Speer verhaftet und im weitaus mehr Zeit für die Beschäftigung mit ArchiNürnberger Prozess zu einer 20-jährigen Haftstrafe tektur auf, als angesichts seiner Auslastung durch die verurteilt, die er ohne Strafminderung absitzen muss. Führung der Regierungsgeschäfte zu erwarten wäre. Im Gegensatz zu den meisten ehemals führenden Ar- Seine Vorgaben gehen dabei bis zu Detailentwürfen, chitekten der NS-Zeit, die nur kurze Zeit mit Sank- die in Skizzen eigenhändig niedergelegt werden. In tionen und Schwierigkeiten bei der Berufsausübung manchen Fällen beschränkt sich die Entwurfstätigzu kämpfen haben, gelingt ihm der beabsichtigte keit Speers nur noch darauf, Hitlers Skizzen durch Wiedereinstieg in den Beruf nicht mehr. Vor allem sein Atelier in maßstabsgetreue Pläne umsetzen zu durch seine schriftstellerische Tätigkeit prägt er aller- lassen, die dann für alle statischen und technischen dings – lange Zeit unwidersprochen – als Kronzeuge Fragen an andere Büros weitergereicht werden. Die aus dem engsten Umkreis Hitlers entscheidend die Mittlerfunktion, die Speer als Bindeglied zwischen Architektur- und Zeitgeschichtsschreibung. Ein kri- Hitler und den deutschen Architekten innehat, führt tischer Blick auf seine Aussagen wird lange verhin- schließlich auch dazu, dass Speer und Hitler vonseidert. Mittlerweile sind viele Manipulationen offen- ten der Entwürfe einreichenden Architekten als gesichtlich und das selbst gezeichnete Positiv-Bild ist dankliche Einheit wahrgenommen wurden. Speers in fast allen Bereichen revidiert. Talent ist weniger das Entwerfen als das Delegieren Im Rückblick wird deutlich, wie eng Speers Werk und Organisieren. Dies kommt Hitler entgegen, der von Anfang an mit der Politik verknüpft ist. Schon für die Gestaltung eigene Vorstellungen hat, für die die ersten Ämter, die er in der Reichspropagandalei- Ausführung aber einen Baumanager benötigt, der tung und bei der DAF übernimmt, dienen – auch für sich der vorgegebenen Linie gemäß um DetailplaSpeer offensichtlich – explizit der Verknüpfung von nung und Ausführung kümmert. Darüber hinaus Politik und Architektur sowie der Konsolidierung sorgt Speer auch dafür, dass Hitlers Vorstellungen der Macht der NSDAP. Nicht anders sind die ers- selbst bei Bauprojekten, die nicht direkt in dessen ten Aufträge zu bewerten, deren Ausführung maß- Fokus stehen, durchgesetzt werden. geblich für seine Karriere sind. Gerade Entwürfe Übernimmt Speer zunächst vieles von seinem wie der für den 1. Mai 1933 in Berlin, die Tätigkeit Lehrer Tessenow, der einerseits einen dem kleinstäd-

226 | Fazit

tischen Ideal verpflichteten, schlichten Heimatstil pflegt, andererseits aber der Moderne nicht gänzlich ablehnend gegenübersteht, orientiert er sich nach 1933 eng an Troost. Von diesem Vorbild emanzipiert er sich gegen 1936 mit einem schlichten Eklektizismus, in dem Troost weiterhin nachwirkt, um schließlich nach 1938 überreich dekorierte Monumentalbauten zu planen. Dennoch wendet er sich nie zur Gänze vom Reduktionismus Troosts ab und simplifiziert an vielen Stellen die Bauglieder. Auch die sogenannten Staatsbauten lassen sich nur als eklektizistisch kategorisieren, da Speer die Entwurfsprinzipien und den Formenschatz verschiedener Epochen vermengt. Ein eindeutiges System ist dabei nicht zu erkennen, etwa in der Art, dass eine Epoche für die Grunddisposition, eine andere dagegen für den Bauschmuck Pate steht. Zu Beginn der 1940er-Jahre werden einige Planungen Speers von Renaissanceformen, aber auch von Elementen des historischen Wehrbaus geprägt. Dafür werden auch weit fortgeschrittene Planungen modifiziert, wie das Oberkommando der Luftwaffe für Göring. Daher sind Zweifel angebracht, ob ein verbindlicher Ausdruck für die steinerne Repräsentation des Regimes zu diesem Zeitpunkt schon feststeht bzw. inwiefern es sich um einen dynamischen Prozess handelt, der auch bei in Ausführung befindlichen Großbauten wie der Kongresshalle auf dem Reichsparteitagsgelände zu konstatieren ist. Speers Planungen sind ein Produkt der spezifischen Struktur der NS-Diktatur, für die folgende Epoche aber vor allem politisch kontaminierter Ballast. Er ist die führende Person einer kurzen architektonischen Epoche, deren Planungen zum größten Teil nie realisiert worden sind und mit dem Ende des Krieges sofort obsolet werden. In Deutschland setzt sich eine Entwicklung fort, die durch die Nationalsozialisten unterbrochen worden ist. Angeknüpft wird an die Moderne und den internationalen Stil, die schließlich das Bild des Wiederaufbaus prägen. Für Hitler ist Speer ein Glücksfall, da er sich unkritisch in dessen Pläne einbinden lässt und diese mit großem Engagement zur Umsetzung bringt. Die enge Zusammenarbeit mit Hitler bildet die Grund-

lage seiner einzigartigen Position, schränkt ihn in seiner schöpferischen Freiheit jedoch gleichzeitig ein. Daher zeigen die zwischen 1933 und 1945 entstandenen Planungen deutlicher Hitlers als Speers Vorstellungen. Durch den Untergang des NS-Staates 1945 bleibt er weniger wegen seiner Tätigkeit als Architekt, sondern vielmehr wegen seiner engen Verbindung zu Hitler, seiner verschleiernden Exkulpationsstrategie und der daraus resultierenden Beeinflussung von Öffentlichkeit und Forschung bei der Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Erinnerung.

Fazit  | 227

WERKVERZEICHNIS

Status  : Quellen  :

unbekannt Speer 1969, 30  ; BA, Sammlung RKK, Speer, Albert. Aufnahmeantrag BDA  ; BA Sammlung RKK, Speer, Albert. RKK-Stammblatt. kein Nachweis

Im Werkverzeichnis werden nur jene Bauten aufgenommen, die Speers Privatbüro entstammen. Die Literatur  : Aufzählung erfolgt chronologisch nach dem frühesten auffindbaren Nachweis zum jeweiligen Projekt. Zu diesen beiden auch im RKK-Antrag Speers aufEntwürfe, die nur jahrgenau datiert werden kön- geführten Garagenbauten bzw. Hausanbauten sind nen, stehen stets vor den präziser datierten. Nicht keine Informationen zu ermitteln. aufgeführt werden Bauten, die nur unter Leitung Speers firmierten oder von ihm beeinflusst wurden, 2 Haus Weber Heidelberg, Hausackerweg 21 nicht aber genuin als Aufträge des Privatbüros zu Ort  : II.1929 verstehen sind. Nicht aufgeführt werden weiterhin Planung  : Baubeginn 8.7.1929, Fertigstellung RohInnenausstattungen Speers sowie Möbelentwürfe. Status  : bau 09.1929, bezugsfertig 01.19301358, Im Haupttext erwähnte Sachverhalte werden in der erhalten Regel nicht erneut aufgeführt, sondern nur ergänzt. StadtA Heidelberg  ; Speer 1933b. Sowohl die Ausführlichkeit als auch die Bebilderung Quellen  : der Einträge hängt neben deren Relevanz und der Literatur  : Schmitt 2002, 560–568. verfügbaren Quellen auch von der schon vorhandenen Literatur ab. Die Aufzählung von Quellen und Der älteste realisierte und erhaltene Entwurf Speers Literatur zu den einzelnen Werken erhebt keinen ist eng orientiert am Vorbild seines Lehrers Tessenow. Anspruch auf Vollständigkeit, sondern verzeichnet Ein erstes Baugesuch nach dem Entwurf Franz Sales nur die wichtigsten Nachweise. Auf eine allgemeine Kuhns reichen die Bauherren bereits 1910 ein, woBibliografie zu den Werken wird verzichtet. Sekun- rauf ein erneuter Bauantrag erst im Februar 1929, därliteratur wird nur soweit erwähnt, als dort Infor- diesmal schon von Speer gezeichnet, erfolgt.1359 mationen verfügbar sind, die über die bloße Nen- Nachtragspläne legt Bauherr Weber im Mai 1929 nung des Projektes und die Rezeption von Speers vor, mit der Intention, durch Vereinfachung von AuAngaben hinausgehen. Dies gilt insbesondere auch ßenform und Innenausstattung einem »moderneren für zeitgenössische Publikationen, in denen ein Bau Auffassungsgeiste« zu entsprechen.1360 Der Rohbau lediglich erwähnt, die aber, was für einen Großteil wird im September 1929 fertiggestellt, sodass das der NS-Presse gilt, keinen darüber hinausgehenden Haus kurz nach dem Jahreswechsel im Januar 1930 bezogen werden kann.1361 Quellenwert besitzen. Am steilen Hang inmitten ähnlicher Gebäude gelegen, steht das Zweifamilienhaus hoch über dem B au t e n vor 1933 Neckartal am Stadtrand. Speer entwirft einen zweigeschossigen Bau auf rechteckiger Grundfläche mit 1 Zwei Hausanbauten mit Gartenanlage mäßig steilem Satteldach. Die Ostfassade mit ihren Ort  : Berlin-Nikolassee um ein halbes Geschoss versetzten TreppenhausPlanung  : 1929/1930 fenstern sowie den zur Firstachse hin zusammenge1358 Schmitt 2002, 562. 1359 Schmitt 2002, 562.

228 | Werkver zeichnis

1360 Schmitt 2002, 562. 1361 Schmitt 2002, 562. – Das Datum erschließt sich, obwohl die Speerpläne einen Stempel vom 29.5.1928 tragen, aus

125 Albert Speer, Heidelberg, Haus Weber (WV 2), Grundriss Wohngeschoss, 1929

rückten Fenstern des Dachgeschosses offenbart, dass Speer bewusst auf eine streng axiale oder in sich symmetrische Gliederung verzichtet. Jeder der Weber-Brüder besitzt eine Etage als abgeschlossene Wohneinheit mit identischem Grundriss [Abb. 125], während das ausgebaute Dachgeschoss von beiden Parteien genutzt werden kann. 126 Albert Speer, Heidelberg (WV 2), Haus Weber, Konstruktionsdetail Jede Wohnung verfügt über drei Zimmer, Küche, Bad, Eingangsflur und Balkon. Das Interieur ist mit deutlichen Anklängen an das Bauhaus nach 3 Wettbewerb Pfarrhaus, Kirche und Gemeindehaus Entwürfen Speers gefertigt worden, etwa durch die Rheinfelden Verwendung von Satztischen nach Entwurf Marcel Ort  : vor IV.1929, Breuers und Frankfurter Normdrückern an den Tü- Planung  : Status  : Ankauf, nicht realisiert ren.1362 Konstruiert ist das Gebäude nach dem Patent der Quellen  : BA Sammlung RKK, Speer, Albert. RKK-Stammblatt  ; o. A. 1929, 14–16. sog. »Tessenow-Wand«, einer Holz-Fachwerk-Baukein Nachweis weise, die erhebliche Materialeinsparungen ermög- Literatur  : licht. Die Ständer aus Kanthölzern mit den Maßen 8 x 18 cm fassen zangenartig die waagrechten Rie- Speer erzielt bei dieser Wettbewerbsteilnahme einen gel. Für die Ausfachung werden Zementdielen, für Ankauf. Einsendeschluss war am 1. April 1929. Die die Innenverkleidung Leichtbauplatten und für die Kirche wird schließlich ab 1935 nach Plänen der Außenverkleidung Rabitzdrahtgewebe, das verputzt Architekten Preschany und Adler errichtet und am wurde, verwendet.1363 10.10.1937 geweiht. den am 29.5.1929 von Friedrich Weber eingereichten Nachtragsplänen. 1362 Schmitt 2002, 565.

1363 Speer 1933b, 292.

B auten vor 1933   |  229

128 Albert Speer, Rheinfelden (WV 3), Wettbewerbsbeitrag, Aufriss Kirche

127 Albert Speer, Rheinfelden (WV 3), Wettbewerbsbeitrag, Lage­plan

Das Grundstück ist als unregelmäßiges Trapez geformt und grenzt an einen Platz [Abb. 127]. Auf dem städtebaulich hervorgehobenen Grundstück richtet Speer die Kirche mit der Eingangsfassade zum Platz hin aus und lässt die geforderten Nebengebäude der Flucht der diagonal in der Platzecke abgehenden Straße folgen, wodurch eine dreieckige Gartenfläche zwischen Kirche und Nebengebäuden entsteht. Die Kirche ist als einfache Saalkirche mit mäßig steilem Satteldach über rechteckiger Grundfläche gedacht. Der Turm auf quadratischer Grundfläche erhebt sich, durch einen überdachten Gang mit der Kirche verbunden, seitlich des Chorraumes. Ausgerichtet ist er auf eine dort einmündende Querstraße. Die Gestaltung des Gotteshauses ist minimalistisch. Die Langseiten werden von schmalen, beinahe über die gesamte Höhe des Kirchenraumes reichenden Fenstern mit enger Sprossenteilung dominiert, die durch eine nicht zweifelsfrei ersichtliche Rahmung umgeben sind [Abb. 128]. Die Eingangsseite dominiert ein großes Kreuz oberhalb der drei in die Mitte gerückten Portale auf der ansonsten gliederungslosen Wandfläche. Seiten1364 Cante [u. a.] 1997, 198.

230 | Werkver zeichnis

flügelartig ordnet Speer zwei Nebengebäude so an, dass vor den Portalen ein Eingangshof entsteht, der gegenüber dem öffentlichen Platzraum durch eine fünfjochige Pergola in Traufhöhe der zweigeschossigen Flügelbauten abgegrenzt ist. Der Turm weist einen ungegliederten Schaft auf. Darauf sitzt ein durch drei sehr schmale, hohe rechteckige Fenster geöffnetes Glockengeschoss. Abgeschlossen wird er durch ein steiles Zeltdach [Abb. 129]. Kirche und Turm zeigen eine stark auf geometrische Grundformen reduzierte Gestaltung. Besonders fällt hierbei die Kirche auf, bei der Speer das gleichschenklige Dreieck des Giebels ohne erkennbaren traufseitigen Dachüberstand auf den Kirchenraum setzt. Die Nebengebäude zeigen eine ebenso schlichte Gestaltung wie Kirche und Turm, sind aber weniger auf geometrische Grundformen reduziert. Die beiden Flügelbauten seitlich des Eingangshofes sind nicht ganz konsequent durch Achsen gegliedert und von einem äußerst flachen Walmdach, ebenfalls ohne erkennbaren Dachüberstand, gedeckt. Für die Fenster wählt Speer hochrechteckige Formate mit Sprossenteilung. Der sowohl in Grund- wie Aufriss durch sein größeres Volumen abgesetzte Gemeindesaal nimmt für die Durchfensterung das Motiv der Kirche mit großen, hochrechteckigen, feingeteilten Sprossenfenstern auf, die überhaupt die einzige Gliederung des Baus bilden.

129 Albert Speer, Rheinfelden (WV 3), Wettbewerbsbeitrag, Eingangsseite Kirche

4 Wettbewerb Wohnhaus Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Elberfeld VI/VII 1929 unbekannt BA N1318/68, Tagebuch Wolters, Bd. 4, S. 177. kein Nachweis

Die gemeinsame Wettbewerbsteilnahme von Speer und Wolters kommentiert Wolters mit »Riesenarbeit, später durchgefallen.« Weitere Informationen waren nicht zu ermitteln. 5 Wettbewerb für die Ernst-MoritzArndt-Kirche Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berlin, Onkel-Tom-Straße 80 1931 nicht realisiert Winterstein 1931  ; Die Form 8, 1993, H. 11, S. 343. Cante [u. a.] 1997.

Zehlendorf beginnt durch die Verlängerung der U-Bahn zu florieren. Nachdem die Evangelische Kirche das Grundstück erworben hatte, errichtet sie zunächst eine Baracke als Betsaal.1364 Der Wettbe-

werb zu einem Neubau von Kirche nebst Pfarr- und Gemeindehaus wird seit 1930 vorbereitet. Im Sachverständigenrat sitzen neben drei Mitgliedern kirchlicher Körperschaften auch Professor E. Blunck und Stadtbaurat a. D. Prof. H. Winterstein.1365 Insgesamt gehen 104 Einsendungen ein. Speers Entwurf wird nicht prämiert, die Jury konstatierte aber, ähnlich wie bei den prämierten Beiträgen, eine Verbindung aus der Nüchternheit der Neuen Sachlichkeit mit einer Tendenz zum Monumentalen. Speer plant auf dem trapezförmigen Grundstück, begrenzt von Onkel-Tom-Straße im Nordosten, Wilskistraße und der U-Bahn nach Dahlem im Nordwesten, eine Anlage bestehend aus Kirche, Gemeindehaus und Kindergarten. Die Kirche richtet er mit der Eingangsseite orthogonal zur Wilskistraße aus und schafft an der Straßenkreuzung einen Vorplatz, indem er die Kirche hinter die Bauflucht rückt. Das Kirchenschiff und der neben dem Altarraum im Norden stehende Turm an der Brücke über den hier offenen U-Bahngraben bilden eine eindrucksvolle städtebauliche Dominante entlang der Onkel-Tom-Straße. Entlang der Wilskistraße nach Südosten gliedert er das Grundstück in zwei Bereiche  : Unmittelbar neben der Kirche stehen die Gebäude dicht an der Straße. U-förmig reichen sie bis zur Hälfte der Grundstückstiefe und umschließen einen Garten mit hohen Bäumen, der bis an den U-Bahn-Graben heranreicht. Der zweite Gebäudekomplex ist ebenfalls u-förmig disponiert, öffnet sich aber genau gegensätzlich zur Straße hin und nimmt – wegen der offenbar schon vorhandenen Baracke – nur die hintere Grundstückshälfte ein. Durch die sich berührenden Seitenflügel entstehen zwei getrennte Gärten. Die Andeutung biegesteifer Ecken lässt bei Turm und Kirche an eine Stahlbetonskelettkonstruktion mit unbekannter Ausfachung denken [Abb. 130]. Der Turm auf rechteckiger Grundfläche steht frei neben dem Altarraum und gliedert sich in fünf Geschosse. Das oberste ist durch drei hohe, rechteckige Öffnungen pro Seite als Glockengeschoss zu identifizieren. Turm wie auch Kirche sind flachgedeckt.

1365 Winterstein 1931, 9.

B auten vor 1933   |  231

130 Albert Speer, Berlin, Wettbewerbsbeitrag Ernst-­ Moritz-Arndt-Kirche (WV 5)

131 Albert Speer, Berlin, Wettbewerbsbeitrag Ernst-Moritz-Arndt-Kirche, Pfarrhaus, Gemeindesaal und Kindergarten (WV 5)

Die Kirche erhebt sich über rechteckiger Grundfläche. Zentraler Teil ist ein annähernd kubisches Langhaus. Diesem angelagert ist nach Norden ein zweifach eingezogener Chorbereich mit Sakristei an der Gartenseite und ein Abschnitt mit basilikalem Aufriss im Süden. Als durchfenstert scheinen nur der quaderförmige Teil und die Chorstirnwand gedacht, bei welchen bis auf die Stützen die Wände komplett durch Glas aufgelöst sind. Die übrigen Nebengebäude sind ebenfalls flachgedeckt. Zweistöckig und mehrfach gestuft umgeben sie die beiden Gartenteile. Beim Pfarrhaus unmittelbar neben der Kirche dominieren stehende Fensterformate, während sonst auch liegende vorkommen. Besonders der westliche Teil der Anlage ist großzügig verglast [Abb. 131]. Aufgrund der schlichten Gestalt des Entwurfs sind die verwendeten Baumaterialien entscheidend für den Eindruck. Leider gibt es keine Informationen, ob Speer hier Putzflächen vorschlägt oder das später von ihm oft bevorzugte Material Backstein einsetzen will.

6 Projekt für ein Siedlungshaus

1366 Speer 1969, 35.

232 | Werkver zeichnis

Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt 1930/1931 unbekannt, wohl reines Projekt Baugilde 1931, 23, 1766. Schmitt 2002, 560–568.

Speer veröffentlicht 1931 das Projekt für ein massives Doppelhaus mit seitlichem Anbau in Leichtbauweise. Dieser soll zur Kleintierhaltung dienen und die Subsistenzwirtschaft des Siedlers ermöglichen. Das Haus selbst soll in zwei Räume aufgeteilt werden, zwischen denen eine optionale, später einbaubare Treppe in das Dachgeschoss führt. Nach dem Ausbau des Dachraumes, der zunächst nicht vorgesehen ist, hätten laut Speer 6–8 Personen in dem Haus wohnen können. Er legt Wert darauf, dass es ein besonders günstiges Haus sei, ohne dass das Hauptaugenmerk auf einer Verknappung des Grundrisses gelegen habe, da generell weniger die Vergrößerung der Grundfläche, sondern vor allem der Einsatz von Bauteilen wie Türen, Fenstern, Öfen und Installationen zu einer Steigerung der Kosten führe. 1367 BA, Sammlung RKK, RKK-Stammblatt Albert Speer.

7 Wettbewerb für einen Gemeindesa al Ort  : Planung  : Status  : Verweise  :

Mannheim 1931 Ankauf, nicht realisiert BA Sammlung RKK, Speer, Albert. RKK-Stammblatt. kein Nachweis

Quellen  :

Literatur  :

BA, Sammlung RKK, Speer, Albert. Aufnahmeantrag BDA  ; LarchB A Pr. Br. Rep. 030-07, 180  ; Speer 1969, 30. kein Nachweis

Die Villa in der Klopstockstraße wird 1891 durch den Architekt H. Techow für den Landschaftsmaler Ernst Koerner errichtet. Speer erzielt mit diesem Wettbewerbsbeitrag einen AnDie Bauakte zu dem Gebäude ist umfangreich und kauf. Weitere Informationen waren nicht zu ermitteln. die Datenlage für die Zeit um 1932 sehr gut.1369 In der Korrespondenz vom August 1931 um illegal an8 Geschäftsstelle des Bezirks West der geschlossene Gasfeuerstellen im Haus, die im Januar NSDAP 1932 mit dem Ersuchen einer Genehmigung für weiOrt  : Berlin-Grunewald, Beymestraße tere Gasfeuerstätten endet und einen Grundriss der Planung  : 1931 Firma Stock mit einschließt, finden sich keine SpuStatus  : unbekannt ren Speers. Seine Tätigkeiten vor Ort können nicht Quellen  : BA Sammlung RKK, Speer, Albert. sehr weitreichend gewesen sein, da der Grundriss RKK-Stammblatt  ; BA R58/8031, 28.1.38  ; von 1932 gegenüber jenem der Erbauungszeit keiWolters 1943, 8  ; Speer 1969, 35. nerlei Veränderungen anzeigt. Spätestens ab Februar Literatur  : kein Nachweis 1933 nutzt der Deutsche Akademische Austauschdienst e. V. die Immobilie nicht mehr. Die Geschäftsstelle ließ sich nicht lokalisieren, sodass keine weiteren Angaben zum Umbau verfügbar 10 Ladenumbau Fels Mannheim sind außer denjenigen, die von Speer selbst stammen. Ort  : 1932, Frühjahr Diesen zur Folge habe ihm Karl Hanke nach dem Planung  : unbekannt Wahlerfolg vom 14.9.1930 im Zuge der Salonfähig- Status  : keitsmachung der Partei angeboten, die angemietete Quellen  : RKK-Akte, Nachlass HT, Quellen in Privatbesitz in Deutschland. Villa ohne Honorar herzurichten. Bauhaustapekein Nachweis ten, rote und gelbe Wände hätten nach Speer eine Literatur  : »Menge Lärm« gemacht und wären auf geteiltes Speer baut den Laden, der offenbar in einem Haus Echo gestoßen.1366 Die Datierung Speers bereitet jedoch Probleme, aus dem väterlichen Besitz gelegen war, in seiner da im RKK-Stammblatt das Projekt gleichzeitig mit kurzen Mannheimer Zeit um. dem »Adolf-Hitler-Haus« in der Voßstraße auf 1932 datiert wird.1367 Im BDA-Antrag wird dieses En- 11 Umbau Hinterhaus Ort  : Mannheim, Stresemannstraße. gagement überhaupt nicht erwähnt.1368 Literatur  :

9 Umbau eine Hauses für ausländische Studierende Ort  : Planung  : Status  :

Berlin, Klopstockstraße 55 1931/1932 zerstört

1368 BA, Sammlung RKK, Speer, Albert. Aufnahmeantrag BDA.

Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

1932, Frühjahr unbekannt, Gebäude erhalten BA N1340/405, Jungenderinnerungen, Nürnberg 5.4.–19.5.47. Sereny 1997, 119.

1369 LarchB A Pr. Br. Rep. 030-07, 180.

B auten vor 1933   |  233

Speer baut für sich und seine Frau das rückwärtige Ankleide- und Badezimmer der elterlichen Wohnung zu einer kleinen Wohnung um. 12 Umbau »Adolf-Hitler Haus« Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berlin, Voßstraße 11 frühestens VIII.1932 fertiggestellt XI.1932, 1938 abgebrochen für die Neue Reichskanzlei BA R58/8031  ; N1340/10  ; Speer 1969, 38  ; Wolters 1943, 7. Singer 1998, 355  ; Sereny 1997, 122  ; ­Goebbels 1994 Bd. 2/I.

Ab 1. Mai 1930 befindet sich die Geschäftsstelle von Goebbels in der Hedemannstraße im Regierungsviertel zur Miete von 18.000 RM.1370 Der SA wird im April 1932 von Albert Grzesinski, zu diesem Zeitpunkt Berlins Polizeipräsident, befohlen, die Räume in der Hedemannstraße zu räumen.1371 Am 30. Dezember 1931 besichtigt Goebbels das Palais des Prinzen Albrecht, das seine neue Arbeitsstätte in Berlin werden sollte.1372 Am 18. Januar besichtigt auch Hitler das Palais und zeigt sich sehr eingenommen, will aber die Seitenflügel abreißen lassen, um dort neue Bürohäuser zu bauen. Goebbels hält dies zum damaligen Zeitpunkt für einen allzu hochgesteckten 132 Albert Speer, Entwurf für ein Gärtnerhaus (WV 13), Plan, dessen Realisierung Goebbels’ Meinung nach Ansicht, Grundriss OG und EG erst nach der Machtübernahme der Partei würde umgesetzt werden können.1373 Letztlich entscheidet man sich mit dem Umbau haus um, anstelle eine längst geplante Paddeltour in des Hauses in der Voßstraße für eine bescheidenere Ostpreußen zu machen. Nach der verlorenen Wahl Lösung. Dort ergibt sich 1932 – laut den Aussagen hätte sodann die Partei aber kein Geld mehr zur Speers –angeblich die groteske Situation, dass der Verfügung, um die Handwerker zu bezahlen, wie sie Vermieter der antisemitischen Partei, ein Herr Blum- auch schon vorher immer wieder von Finanznöten feld, Stoffgroßhändler in der Leipziger Straße, selbst geplagt worden sei.1375 Die Arbeiten fallen wenig Jude ist.1374 Bauakten zum Gebäude sind nicht auf- anspruchsvoll aus und beschränkten sich auf einen findbar, alle verfügbaren Angaben basieren daher auf Neuanstrich, kleinere Renovierungsarbeiten und die Aussagen Speers. Er baut demnach das Berliner Gau- Möblierung von Sitzungssaal und Gauleiterzimmer, 1370 Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2/I, 127–128. Weitere Angaben dazu auch ebd., 146. 1371 Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2/II, 256. 1372 Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2/II, 184.

234 | Werkver zeichnis

1373 Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2/II, 198. 1374 BA N1340/10, Speer an Eugene Davidson, Chicago/Santa Barbara, 9.9.[?] 1375 Speer 1969, 38; Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2/I,

die teils noch unter dem Einfluss Tessenows stehen, teils wegen Mangels an finanziellen Mitteln noch recht einfach ausfallen.1376 13 Entwurf für ein Gärtnerhaus Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Heidelberg vor 1933 unbekannt, wohl Projekt Die Form 8, 1933, 343. Troje 1933  ; Schmitt 2002.

Weitere Informationen zu diesem Projekt, etwa inwieweit es konkret zur Realisierung gedacht ist, exis- 133 Albert Speer, Berlin, RMVP, Arbeitszimmer Goebtieren nicht. Publiziert sind lediglich die Grundrisse bels 1933 (WV 15) von EG und OG sowie eine Perspektive. Quellen  :

B au t e n a b 1933

Literatur  :

BA Sammlung RKK, Speer, Albert. RKK-Stammblatt  ; Speer 1969, 37. Die Form 8, 1933  ; Sereny 1997, 126.

14 Gutshaus Dr. Robert Fr ank

Der Umbau im Auftrag Goebbels’ ist nur durch ein Ort  : Bad Wilsnack, Ortsteil Sigrön 1933 veröffentlichtes Foto [Abb. 133] und Berichte Planung  : 1933 von Speer bzw. Goebbels dokumentiert. Status  : unbekannt In seinen Tagebüchern lobt Goebbels den Stuck Quellen  : BA Sammlung RKK, Speer, Albert. als wunderbar.1377 Dennoch wird das Gebäude inRKK-Stammblatt  ; Speer 1969, 160. nen umfassend verändert. Literatur  : kein Nachweis Der Auftrag, das Gebäude umzubauen, wird angeblich, so Speer, sofort nach der Besichtigung Speer gibt an, noch vor den Aufträgen für Hitler erteilt, ohne einen Kostenvoranschlag abzuwarten für seinen späteren Freund Dr. Robert Frank dessen oder die Bereitstellung von Mitteln, denn das neue Gutshaus in Sigrön umgebaut zu haben. Weitere Hin- Ministerium habe noch gar keinen Etat gehabt.1378 weise zu diesem Bauvorhaben sind nicht aufzufinden. Der Umbau schreitet schnell voran und am 22. März 1933 notiert Goebbels  : »Meine Zimmer im Ministe15 Umbau Propagandaministerium rium sind fertig. Wunderbar geworden. Sonne, Luft, Ort  : Berlin, Wilhelmstraße 61a, Wilhelmplatz 9 Licht. Da kann man arbeiten.«1379 Der Rest des UmPlanung  : II.1933 baus wird am 30. März 1933 fertiggestellt.1380 Es ist Status  : Umbau Speers schon vor dem Krieg erneut jedoch nicht dokumentiert, welche Rolle Speer daüberformt. Gebäude nach Kriegszerstöbei einnimmt, d. h. ob er auch diesen Umbau leirung abgebrochen. tet. Schon wenige Monate nach dem Umbau durch Speer, der wohl nur als Provisorium begriffen wurde, 240, 249, 252. 1376 Speer 1969, 38. 1377 Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2, 141, Eintrag vom 7.3.33.

1378 Speer 1969, 39. 1379 Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2/III, 153. 1380 Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2/III, 158.

B auten ab 1933   |  235

gibt es erste Pläne für einen Neubau.1381 Laut Sereny findet Speer, obwohl Goebbels sehr zur Eile drängt, dennoch Zeit, einige Möbel zu entwerfen.1382 16 Dekor ation Tempelhofer Feld Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berlin, Tempelhofer Feld III./IV.1933 ephemer LArchB A Rep.001-02/ 1809–1813, 3575– 3577  ; Speer 1969, 40. Ueberhorst 1989, 165  ; Goebbels 1994 Bd. 2/III, 178–181.

Nicht nachprüfbar sind die Angaben Speers, er habe auf Hankes Schreibtisch die Pläne für die Dekoration, die seinen architektonischen wie revolutionären Auffassungen widerstrebt, gesehen. Da sie angeblich wie eine Schützenfestdekoration ausgesehen haben soll, will er in der gleichen Nacht noch einen Gegenentwurf angefertigt haben.1383 Der realisierte Entwurf findet, gleich wie es letztlich dazu kam, die Zustimmung Goebbels   : »Alles fertig. Gigantisch. Vom Kommandoturm schaue ich auf das phantastische Gelände herunter. Man schwindelt fast vor diesen Dimensionen (sic).«1384 Das Tempelhofer Feld wird auch in den folgenden Jahren durch Speer bespielt. Wolters schreibt hierzu, dass der Entwurf »… in zäher Arbeit […] Jahr für Jahr geschlossener, strenger, baumeisterlicher«1385 wurde. 17 Bar ackenlager Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt frühestens ab VI.1933, möglicherweise Eröffnung XII.19341386 unbekannt BA N1340/282, 138  ; Die Straße, Jg. 1934, 222  ; 256  ; 292  ; Speer 1969, 47. Geist/Kürvers 1995, 58  ; Sereny 1997, 135.

1381 Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2/III, 177. Eintrag vom 30.4.33 und Eintrag vom 11.7.33. 1382 Sereny 1997, 126. 1383 Speer 1969, 40. 1384 Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2/III, 178.

236 | Werkver zeichnis

Dieser Auftrag wird nur durch den Umkreis Speers bzw. ihn selbst überliefert. Quellen hierzu sind nicht auffindbar. Einzig ein Hinweis im Nachlass Speers deutet darauf hin, dass das Lager möglicherweise nahe Berlin errichtet wird.1387 Angeblich erhält Speer den Auftrag, ein neuartiges Barackenlager zu entwerfen, nachdem er »Schönheit der Arbeit« übernommen hat.1388 Die relative Datierung »Wenige Monate später …«1389 entstammt jedoch der Feder seiner Korrektoren. Speer schreibt ursprünglich nur »ein andermal«.1390 Den Entwurf bezeichnet er als erfolgreich.1391 Publiziert wird damals, dass Hitler die bisherige Unterbringung der Autobahnbauarbeiter beanstandet habe.1392 Daher habe er die Entwicklung eines Typus in Auftrag gegeben, der für alle Lager verwendet werden kann. Mit Küchen-, Waschund Duschräumen, mit einem Aufenthaltsraum und Kabinen zu je zwei Betten soll sich der Entwurf nach Speer von den bis dahin üblichen Baustellenquartieren unterschieden haben. »Hitler kümmerte sich bis in die Details um diesen Musterbau und ließ sich von mir über die Wirkung auf die Arbeiter berichten.«1393 Tatsächlich berichtet das amtliche Organ Todts in der zweiten Jahreshälfte 1934 mehrmals über die Lager. »Schönheit der Arbeit« wird dort als für die wohnliche Gestaltung zuständig erwähnt, nicht aber Speer. Die Grundrisse zeigen abweichend zu Speers Angaben eine truppweise Unterbringung der Arbeiter und den Rückgriff auf Reichsarbeitsdienstbaracken. 18 Künstlerische Ausgestaltung Funk ausstellung 1933 Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berlin vor VIII.1933 ephemer BA Sammlung RKK, Speer, Albert. RKK-Stammblatt  ; BA R58/8031. kein Nachweis

1385 Wolters 1943, 15. 1386 Die Straße 1934,256. 1387 BA N1340/282, 138. 1388 Sereny 1997, 135. 1389 Speer 1969, 47.

Die Funkausstellung in Berlin findet vom 18.–27. August in Berlin statt. Auf allen Ständen der Gerätehersteller ist die verordnete Gemeinschaftsproduktion des »Volksempfängers VE 301« zu sehen.1394 Diese Tatsache weist darauf hin, dass seitens des RMVP ein erhöhtes Interesse an der propagandistischen Verwertung bestanden haben muss. Ein Zusammenhang mit Speers Tätigkeit für Goebbels liegt 134 Albert Speer, Bückeberg (WV 19), Skizze der unteren Tribüne. 1933 nahe, auch wenn Details unbekannt bleiben. 19 Festplatz R eichserntedankfest Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

Bückeberg, nordöstlich von Hagenohsen Phase 1  : ab VIII.1933 Phase 2  : nach X.1933 teilweise realisiert, Reste unter Denkmalschutz erhalten BA B/II 6144  ; N1318/57  ; BA R58/8031, BA R4606/25  ; BA R4606/22, BA R4606/15  ; LarchB A Rep. 001-02/3577. Gelderblom 2002  ; Gelderblom 2008  ; Winghard 2010.

135 Albert Speer, Bückeberg (WV 19), Modell »Reichs­ thingplatz« Bückeberg 1934

Phase 1  : Die erste Phase umfasst die Festgestaltung für 1933. Ab August muss innerhalb von rund zwei Monaten der Platz bis zum Veranstaltungsbeginn hergerichtet werden. Eine Skizze Speers zeigt den von zahlreichen Fahnenmasten gesäumten Platz, dessen Eckpunkte von vier Fahnen, talseitig 14 m hoch, zum Gipfel hin 8 m hoch, akzentuiert werden [Abb. 134]. Ein Mittelweg führt durch die Besucher bergan zu einer Tribüne. Den Auftrag für die Gestaltung des Festgeländes er136 Albert Speer, Bückeberg (WV 19), obere Tribüne für hält Speer von Goebbels direkt, der ihm die bis dahin Ehrengäste 1933 unbekannte Bauaufgabe stellt, ein bäuerliches Volksfest in einer bisher ungekannten Größe in der freien Phase 2  : In der zweiten Phase, die zu einem unbeNatur zu entwerfen.1395 Die Arbeit mit Lichteffekten kannten Zeitpunkt nach dem Ende des ersten Fesim ersten Jahr weist Parallelen zu anderen Inszenie- tes startet, wird begonnen, aus dem Provisorium des rungen Speers auf. Jedoch wurde die Veranstaltung Jahres 1933 eine dauerhafte Anlage zu machen. Speer stellt eine Kontinuität zur Gestaltung von 1933 her bald vorverlegt und endete schon gegen Mittag.1396 1390 BA N1340/330, 6. 1391 Sereny 1997, 135. 1392 Die Straße 1934, 222. 1393 Speer 1969, 47. 1394 http://www.drm-berlin.de/technikgeschichte/­machtueber

nahme/nazi/nazi.html, 8.9.09, 11:26. 1395 Gelderblom 2002, 25. 1396 Gelderblom 2008, 16.

B auten ab 1933   |  237

die bereitgestellten Sonderzüge zur Besetzung der Tschechoslowakei umgeleitet.1399

137 Bückeberg Zustand 2001. Die Fundamentreste der oberen Tribüne sind durch eine Buschzone angedeutet  ; auch der »Mittelweg« hebt sich deutlich im Gelände ab.

Überreste  : Betrachtet man heute das Gelände des Bückeberges, so kann die Gesamtanlage gut nachvollzogen werden. Erkennbar ist der leicht erhöhte »Führerweg« und die Planierungen im Gelände, die Fundamente der Tribünen oben am Berg und hinter den Tribünen ein Parkplatz.1400 Als Zufahrt zum Parkplatz wird eigens der »Hellweg« gebaut, für Fußgänger führt von Hagenohsen eine Treppe mit breiten Sandsteinstufen den Berg hinauf.1401 Weiterhin sichtbar ist die gepflasterte Straße zwischen der Domäne Hagenohsen und ihrem Vorwerk.1402 Weniger offensichtlich sind heute wie damals Infrastrukturausbauten in der Umgebung, wie etwa Kapazitätssteigerungen bei Bahnhöfen, Straßen und Wasserbehältern, etwa bei jenem, der im Wald oberhalb des Festplatzes erhalten ist.

und entwickelt ein Modell [Abb. 135], das deren wesentliche Elemente aufgreift. Wie bei allen seinen Massenaufmarschplätzen plant Speer einen umlau- 20 Umbau Dienstgebäude der R eichsk anzlei fenden Wall, der zugleich Tribüne, Umfassung und Berlin, Wilhelmstraße 78 Aufstellungsort der Fahnen sein soll. Zudem können Ort  : ab X.1933, Fertigstellung wohl III.1934 darin nötige Einrichtungen wie Sanitätsstationen, Planung  : zerstört Sanitäreinrichtungen und Betriebseinrichtungen für Status  : Lautsprecher, Rundfunk u. v. m. untergebracht wer- Quellen  : BA R43I/1587, BA R2/4507, BA R2/4513  ; Speer 1969, 42–47. den. Das Konzept der sich gegenüberliegenden TriSchönberger 1981  ; 22–30. bünen, nun nicht mehr aus Holz, sondern Stein, be- Literatur  : hält er bei, ebenso den Mittelweg. Die obere Tribüne verfügt dabei über 3.0001397 Sitzplätze, während die Hitler will das erst zwei Jahre alte Dienstgebäude den untere neben der Rednerkanzel nur Standplätze für veränderten Regierungsstrukturen anpassen lassen. Mit Fahnenträger aufweist. Gebaut wird am Bückeberg dem Umbau befasst sich Speer ab Oktober 19331403 bis 1937, dabei bleibt der Reichsthingplatz unvol- und engagiert dazu aushilfsweise Friedrich Tamms.1404 lendet, die Tribünen und Treppen sind weiterhin Der Umbau beginnt im ersten Obergeschoss,1405 wähHolzbauwerke und die mächtigen Wälle und Trep- rend das zweite Obergeschoss in einer zweiten Umpen werden nie gebaut.1398 1938 wird das Reichsern- bauphase verändert wird. Speer verlegt eine Anzahl tedankfest nur zwei Tage vor Beginn abgesagt und von Büros und verändert den Grundriss, greift aber

1397 Gelderblom 2002, 25. 1398 Gelderblom 2002, 30. 1399 Gelderblom 2008, 59. 1400 Gelderblom 2002, 20–21. 1401 Gelderblom 2002, 22. 1402 Gelderblom 2002, 22.

238 | Werkver zeichnis

1403 BA R43I/1587, 9, Lammers an Dr. Münzel, 10.10.35. 1404 BA R43I/1587, 44, Lammers an OB Sahm, 14.12.33. 1405 BA R2/4507, 236, Lammers an Finanzminister, 29.11.33. 1406 BA R2/4507, 264, Lammers an Finanzminister Schwerin-Krosigk, 29.11.33. 1407 BA R2/4507, 236, Lammers an Finanzminister, 29.11.33.

138 Albert Speer, Berlin, Erweiterungsbau der Reichskanzlei (WV 20), Planausschnitt mit Arbeitszimmer Hitlers im ehemaligen Roten Saal

139 Albert Speer, Berlin, Dienstwohnung Goebbels, Saalanbau (WV 21), Grundriss

nicht tiefgreifend in die bestehende Struktur des Gebäudes ein. Die Finanzierung ist reine Formsache und mit großer Wahrscheinlichkeit beginnt der Umbau wie geplant Mitte Dezember.1406 Die Fertigstellung, nicht vor März 1934, zieht sich länger hin als erwartet und auch die Kosten verdoppeln sich gegenüber dem Kostenvoranschlag nahezu.1407

Speer datiert den Umbau der Wohnung Goebbels’ in den Frühsommer 1933.1408 Der Anbau an die Dienstvilla wird im Tagebuch Goebbels’ zum ersten Mal am 26.11.1933 erwähnt  : »Führer bei uns mit Gesellschaft. Sehr nett. Wir haben beschlossen, unser Haus zu erweitern. Hitler hat den Entwurf gezeichnet. Fabelhaft  !«1409 Ein zweiter Eintrag vermerkt am 27.11.33  : »Zu Hause Ruhestunde. Mit Speer Anbau besprochen.«1410 Die erste archivalische Spur des Saalanbaus ist der interne Verwaltungsvorgang der Stadtverwaltung mit Datum vom 9.12.33. Der Bauschein wurde am 24.1.1934 erteilt.1411 Ob bzw. welche Veränderungen im Inneren durch Speer vorgenommen werden, geht aus der Bauakte nicht hervor. Möglich ist auch, dass der von Speer genannte Umbau der Wohnung, den er innerhalb von zwei Monaten geschafft haben will,1412 mit dem Anbau des Filmraumes nicht in Zusammenhang steht. Erhalten sind die ­undatierten

21 Umbau Dienstwohnung Goebbels Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

Berlin, Hermann-Göring-Str. 20 (im Garten von Wilhelmstraße 72) ab XII.1933 zerstört BA R55/360  ; BA N1318/57  ; Goebbels/ Fröhlich 1987–2008, Bd. 2/III, 324  ; ­LArchB Rep. 010-02/6802  ; Speer 1969, 40. Sereny 1997, 127.

1408 Speer 1969, 40. – Er gibt an, dass er wenige Wochen nach dem 1. Mai 1933 den Auftrag für Goebbels’ Dienstwohnung bekommt (Speer 1969, 40). Kaum hat er diesen fertiggestellt, sei er im Juli 1933 nach Nürnberg gerufen worden (Speer 1969, 41). 1409 Goebbels/Fröhlich 1987–2008, Bd. 2/III, 324.

1410 Goebbels/Fröhlich 1987–2008, Bd. 2/III, 324. 1411 Speer selbst datiert den Umbau in den Sommer, »einige Wochen« nach dem 1. Mai 1933 (Speer 1969, 40). 1412 Sereny 1997, 127.

B auten ab 1933   |  239

Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

140 Albert Speer, München, Wettbewerbsentwurf Reichsführerschule München-Grünwald (WV 22), 1933

Pläne für einen »Saalneubau« von Speer. Dieser misst ohne den Projektorraum für Filmvorführungen 8 x 10 m, der nur von außen zugängliche Projektorraum selbst 2 x 3 m [Abb. 139]. Auf dem Dach des Anbaus befindet sich eine rundherum von einer Pergola umgebene Terrasse. Angeblich wetten Hitler und Goebbels, ob Speer den Umbau in nur zwei Monaten schaffen kann.1413 Goebbels habe Speer daher dazu angespornt, den Termin zu halten, und mit Dreischichtbetrieb und dem Einsatz einer Trocknungsanlage sei es schließlich gelungen.1414 22 Wettbewerb R eichsführerschule München-Grünwald Ort  :

München Grünwald, Hermann-Göring-­ Str.

1413 Sereny 1997, 127. 1414 Speer 1969, 40. – Ein weiterer Umbau der Dienstwohnung ab dem 1.4.35 ist in BA R2/27451 und BA R2/28194 belegt. Dieser wird von Regierungsbaurat Schäfer durchgeführt. Der im zweiten Weltkrieg zerstörte Neubau der Dienstvilla Goebbels’ wird ab etwa April 1938 durch Baumgarten errichtet (BA R2/27451). Letzteres Bauvorhaben wird stark von Speer beeinflusst. Genaue Angaben in irgendwelcher Weise haben sich nicht erhalten, aber die häufige Eintragung von Besprechungsterminen im Kalender mit Baumgarten und dem Thema »Wohnung Dr. Goebbels« deuten auf erheblichen Klärungsbedarf hin (BA R4606/66). 1415 Nerdinger 1985, 94.

240 | Werkver zeichnis

IX.1933 nicht realisiert Nonn 1934, 511–514  ; Speer 1969, 51. Nerdinger 1985  ; Arndt 1995, 154  ; Lauterbach/Rosefeldt/Steinle 1995.

Zu dem Wettbewerb gab es insgesamt 683 Einsendungen. Einhundertzehn von ihnen kamen in die engere Wahl.1415 Speer reicht einen Entwurf ein, der einen Bau vorsieht, der einen Hof umschließt und über zwei Seitenflügel verfügt. Realisiert wird er nicht. 23 Automobilausstellung 1934 Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berlin II.1934 ephemer Kunstbibliothek Berlin NL-HT kein Nachweis

Für die Automobilausstellung greift Speer auf Sessel nach Entwurf Tessenows und in einer speziellen »Tessenow-Farbe« zurück. Aus den vorhandenen Quellen entsteht der Eindruck, dass Speer nur einen einzelnen, kleinen Bereich gestaltet und ein Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für das RMVP erwartet werden kann. 24 Wohnung Hermann Göring Ort  : Planung  : Status  :

Berlin, Leipziger Straße 3–4[  ?] II.1934 unbekannt

1416 Sereny 1997, 134. 1417 Prüft man den Bericht in den »Erinnerungen« (Speer 1969) sehr genau, wird offensichtlich, dass die relative Chronologie erhebliche Widersprüche aufweist. Speer schreibt, er sei im Herbst 1933 dem Büro Troost durch Hitler – wegen des schnellen Umbaus der Goebbelswohnung – als ortsansässiger Architekt empfohlen worden (42). Nachdem Hitler die Baustelle wohl 20–30 Mal besucht habe, dies aber auch nicht täglich, lädt er Speer zum Mittagessen ein (43/44). Dabei nimmt er ihn zum ersten Mal persönlich wahr (44). Sofort im nächsten Absatz beschwert Speer sich, nur eilige Gelegenheitsarbeiten anstelle von Großaufträgen bekommen zu haben, wie etwa den Umbau des Roten Saales zum

Quellen  : Literatur  :

BA ZB/II 6144/26  ; Goebbels 1994 Bd. 2/ III, 342  ; Speer 1969, 49. kein Nachweis

Status  : Quellen  : Literatur  :

zerstört und abgetragen BA R2/4508 kein Nachweis

Speer datiert den Umbau in den Winter 1933.1416 Die Korrespondenz mit dem Finanzministerium entDie Datierung ist nicht sehr glaubhaft, da es keine hält weder genaue Angaben noch Zeichnungen, sonBelege dafür gibt, dass Speer schon weit genug in Hit- dern berichtet lediglich, dass auch die Kosten für die lers Gunst aufgestiegen ist. Zudem erscheint es un- Wohnung des Staatssekretärs Lammers, lange vor der wahrscheinlich, dass sich Göring noch zu Lebzeiten Fertigstellung, die in einer Liste mit Aufträgen Speers Troosts von dessen »Zuarbeiter« Speer seine Wohnung genannten 75.000 RM schon um 10.000 RM übereinrichten lässt.1417 Der Umbau muss daher in der steigen. Den 22.000 RM für reine Baukosten stehen ersten Jahreshälfte 1934 begonnen worden sein. Die über 63.000 RM an Ausstattungskosten gegenüber.1420 Schilderungen Speers, er habe Wände herausgerissen und ohne Budget arbeiten können, lassen sich nicht 26 Umbau ehem. Palais Borsig Ort  : Berlin, Voßstraße 1 belegen. Der Umfang der Tätigkeit bleibt unklar. Über die Wohnung Görings berichtet Speer, dass Planung  : ab IV.1934 fertiggestellt X.1934, nach Kriegsschäden sie Hitler nicht gefallen habe. Göring habe ihn da- Status  : abgebrochen her kommen lassen, um sie im Stile Troosts einzuBA R58/8031  ; BA R43II/1049a  ; BA richten. Speer beschreibt die Wohnung als eng und Quellen  : R2/4508  ; BA R2/4513 LArchB A Rep. verschachtelt und zudem als würde dort stets etwas 010-02, 8027  ; Petersen 1942  ; Speer 1969, tragisch-feierliches vorgehen.1418 Eine ähnliche Beschreibung notiert Goebbels am 22.12.33   : »Gö66. Schönberger 1981, 27–30. ring zeigt uns seine Wohnung. Pompös, mit bunten Literatur  : Scheiben, vielen Kerzen, Schwertern und sonstigen Feierlichkeiten. Eine wahre Schreckenskammer. Da Wie später bei der Neuen Reichskanzlei zeigt sich hier die Gleichzeitigkeit von Baumaßnahmen und könnte ich nicht wohnen, ich würde ersticken.«1419 politischen Entscheidungen, denn die Umbaupläne 25 Sta atssekretärswohnung in der liegen schon vor dem sogenannten Röhm-Putsch R eichsk anzlei fertig in der Schublade. Speer beginnt die Arbeit Ort  : Berlin, Wilhelmstraße 78 (Erweiterungsgleichzeitig mit der Anerkennung Hitlers als Oberbau der Reichskanzlei) befehlshaber der Wehrmacht, da Hitler die oberste Planung  : ab IV.1934 SA-Führung in seiner unmittelbaren Nähe haben Arbeitszimmer (46/47). Bis die Kanzlerwohnung fertig ist, wohnt Hitler in der Staatssekretärswohnung im Siedlerbau. Bei einem Mittagessen dort, Speer datiert es in den Winter 1933, fragt ihn Göring, ob er auch seine Wohnung machen wolle. Es ergeben sich für die Bauabfolge folgende gesicherte Datierungen: Speer gibt an, um näher bei seinem Bauherrn zu sein – gemeint ist entweder die NSDAP allgemein oder sein Gönnerduo Goebbels/Hanke, Hitler kann noch nicht gemeint sein –, eröffnet er das Atelier in der Behrenstraße. Dies geschah spätestens im Juli 1933. Der Kostenvoranschlag für die Wohnung datiert vom 20. November 1933, der für den Umbau des Dienstgebäudes auf den 29. November 1933. Baubeginn für das Dienstge-

bäude soll am 12. Dezember 1933 sein. Die Pläne datieren vom 2. Januar 1934. Dies würde bedeuten, glaubt man den Angaben Speers, bis Hitler oft genug auf der Baustelle war, um ihn zu besagtem Essen einzuladen, und Speer sich im Kreis etabliert hatte, sodass Göring ihn fragen konnte, ist der Winter 1933 längst vorbei und Troost verstorben (†21.1.34). Die Frage Görings noch zu Lebzeiten Troosts erscheint zudem höchst unwahrscheinlich. 1418 Speer 1969, 49. 1419 Goebbels/Fröhlich 1987–2008 Bd. 2/III, 342. 1420 BA R2/4508, 113, Reichsbaudirektion an Finanzminister, 3.1.35.

B auten ab 1933   |  241

141 Albert Speer, Berlin (WV 26), Grundriss Voßstr. 1, Erdgeschoss, 1934

will.1421 Angeblich wird, überliefert Speer, dem Vizekanzler und seinen Beamten keine Zeit zum Auszug gelassen, sondern er wäre sofort mit Handwerkern angerückt, die möglichst viel Dreck und Staub machten, sodass das Gebäude nach einem Tag geräumt gewesen sei.1422

Die Pläne für diesen Umbau werden schon seit April 1934 entwickelt, aber längere Zeit zurückgehalten.1423 Im August bemängelt die Reichsbaudirektion, dass der Kostenvoranschlag derart lückenhaft und ungenau sei, dass er schwer prüfbar sei. Ein Erläuterungsbericht fehle weiterhin ebenso

1421 Schönberger 1981, 28/29. 1422 Speer 1969, 66. 1423 BA R43II/1049a, nach Schönberger 1981, Plan 5. Planausfertiger ist wiederum Klinke. 1424 BA R2/4508,9, Reichsbaudirektion Berlin an Reichsminister der Finanzen, 22.8.34.

1425 BA NS2/4513, Staatssekretär i. d. Reichskanzlei an Reichsbaudirektion, 20.7.34. 1426 BA R2/4508,94, Staatssekretär i. d. Reichskanzlei an Reichsminister der Finanzen, 19.12.34. 1427 Petersen 1942.

242 | Werkver zeichnis

wie Massenberechnung. Der zuständige Beamte der Erst lange nach Abschluss der Arbeiten wird AnReichsbaudirektion setzt sich wegen der vergleichs- fang 1942 über den Umbau des Borsigpalais verbreiweise hohen Baukosten mit Speer ins Benehmen tet, dass durch den Umbau und damit dessen Bewahund kann durch detailliert aufgeführte Maßnahmen rung ein architektonisches Dokument der vorletzten eine Reduktion der Baukosten auf 562.000 RM er- Generation bewahrt worden sei.1427 reichen. Eingespart wird dennoch nichts, denn die Einsparungen werden durch gegenüber dem Kosten- 27 Einbau Wachr äume in die Kr aftwagenhalle des anschlag schon vorgenommene Umplanungen trotzErweiterungsbaus dem benötigt.1424 Berlin, Wilhelmstraße 781428 Die Bauarbeiten finden im Sommer statt, nach- Ort  : dem die Baupolizei erst am 7. September ihre Ge- Planung  : ab V.1934 bzw. Fortführung/Wiederaufnahme VIII.1934 nehmigung erteilt. Anfang Oktober 1934 stehen die zerstört 34 Räume für die SA-Führung und die übrigen 12 Status  : BA R2/4508 durch die Präsidialkanzlei genutzten bereit.1425 Über Quellen  : Literatur   : Schönberger 1981, Wilderotter 1998. den Jahreswechsel 1934/35 werden durch den Ausbau des Dachgeschosses zusätzliche Büroräume geschaffen.1426 Speer war bei seinen Maßnahmen zu Die Wachräume im Erweiterungsbau der Neuen einem großen Teil an das Raster des Bestandes ge- Reichskanzlei werden in die Kraftwagenhalle – auch als bunden. Dem neuen Nutzungszweck entsprechend Garage bezeichnet – eingebaut. Diese Fahrzeugunterteilt er die großen Säle und Büros des Erdgeschosses stellmöglichkeit wird bei Errichtung des Erweiterungsin kleinere Einheiten auf. Der große, drei Achsen baus geschaffen und erweitert die vormalige Remise der einnehmende Konferenzraum zum Wilhelmplatz Alten Reichskanzlei an gleicher Stelle beträchtlich. wird in drei Büros geteilt. Nicht anders verfährt Speer mit den großen Büros der Direktion entlang 28 Einbau R eichswehrwache Berlin, Wilhelmstraße 78 der Voßstraße. Jeweils eine Achse breit, bringt er Ort  : dort sieben Büroräume unter, zwischen denen ein Planung  : ab V.1934 bzw. Fortführung/Wiederaufnahme X.1934 Eingang auf die Voßstraße führt. Der größte Eingriff zerstört ist die Verlegung und Reduzierung der Treppenhäu- Status  : BA R2/4508  ; BA R43I/1532 ser sowie die Teilung des großen Kassensaales an der Quellen  : Schönberger 1981, Wilderotter 1998. Brandmauer zum Erweiterungsbau der Reichskanz- Literatur  : lei. Fast die Hälfte des Saales entfällt zugunsten einer Anbindung an den Erweiterungsbau durch eine Erste Pläne für den Einbau der Wache gibt es im Mai breite Treppe. Der Rest bleibt als Rudiment erhalten 1934.1429 Die Planungen werden durch Einrich[Abb. 141]. Im Untergeschoss werden eine Haus- tung der Wache in der Garage zwischenzeitlich obmeisterwohnung, die Telefonzentrale sowie fünf Tre- solet, auf Anordnung Hitlers aber doch ausgeführt. Die Bauarbeiten beginnen schon am 29. Oktober sorräume eingerichtet. 1934,1430 obwohl die Pläne vom Mai anscheinend

1428 Baurechtlich liegt die Kraftwagenhalle noch auf dem Grundstück Wilhelmstraße 78. Die Grenze zwischen den beiden Grundstücken verläuft in etwa in der Achse Durchfahrt-Südmauer Roter Salon. In der Ansicht von der Wilhelmstraße aus markiert die Nordmauer des Turmes die Grenze. Aufgrund des Bauzusammenhanges wurde dieser

Bauteil auch zur Hausnummer 77, das heißt dem Erweiterungsbau hinzugerechnet. 1429 BA R2/4508,40, Staatssekretär i. d. Reichskanzlei an Reichsminister der Finanzen, 22.9.34 1430 BA R43I/1532, 79, Speer an Lammers, 2.11.34.

B auten ab 1933   |  243

142 Albert Speer, Berlin, Alte Reichskanzlei (WV 28), Reichswehrwache, Grundriss, datiert  : 20. Oktober 1934

Reichspräsident Paul von Hindenburg stirbt am 2. August 1934. Speer erhält angeblich noch am Sterbetag von Hitler den Auftrag, die Beisetzungs-

feierlichkeiten im Tannenberg-Denkmal auszugestalten.1432 Weil die Zeit drängt und Speer sich in Ostpreußen nicht auskennt, zieht er die Brüder Krüger hinzu.1433 Speer benutzt schwarzen Stoff. Zum einen umhüllt er damit die hell abgesetzten Dachaufbauten der Türme, zum anderen hängt er an die Türme große Banner. Der dem Eingang gegenüberliegende Turm wird auf fast der gesamten Fläche mit schwarzem Stoff verhüllt, auf welchem ein riesiges Eisernes Kreuz prangt. Obwohl das Ehrenmal als Zentralraum entworfen wurde, gibt Speer im Inneren durch die Aufstellung der angetretenen Ehrenformationen, die Anordnung von Sarg, Kreuz und Rednertribüne und die Hervorhebung des Turmes mit dem Eisernen Kreuz eine eindeutige Richtung vor [Abb. 143].

1431 BA R2/4508, 66, Grundriss Reichskanzlei Berlin, Umbau der Kellerräume in Wachräume, 20.10.34.

1432 Speer 1969, 66. 1433 BA R43I/581, 151.

erst am 20. Oktober 1934 entsprechend aktualisiert werden [Abb. 142].1431 29 Dekor ation Tr auerfeier Hindenburg Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Tannenberg-Nationaldenkmal, bei Hohenstein (heute Olsztynek) in Ostpreußen VIII.1934 Dekoration ephemer, Denkmal 1945 gesprengt und bis 1953 abgetragen BA, R43I/581, BA N1340/38, Speer an Mosse, 5.7.73  ; Speer 1969, 66. Tietz 1999.

244 | Werkver zeichnis

143 Tannenberg, Beisetzungsfeier für Paul von Hindenburg (WV 29)

Speer hat noch vor der Trauerfeier von Hitler den 30 Gar agengebäude der R eichsk anzlei Berlin, Herman-Göring-Str. 16 Auftrag erhalten, den Einbau einer Gruft für Hin- Ort  : VIII.1934 denburg zu entwerfen.1434 Der Entwurf Speers ist Planung  : 1937 abgebrochen für Neubau Wachnicht überliefert.1435 Er selbst gibt an, eine Stufen- Status  : mannschaftshäuser entlang der Heranlage vorgeschlagen zu haben, die das Hofniveau mann-Göring-Str. deutlich tiefer legt. Hitler sei dann aber eingefallen, dass der Verdienst der Architekten Johannes und Quellen  : BA NS2/4513, BA R2/4508, BA R43II/1055a, BA R43/4272, LArchB A.Rep. Walter Krüger so groß sei, dass nur diese es verän010-02, 6801. dern dürften.1436 Nach Aktenlage verhielt es sich aber vielmehr so, dass Speer versucht, den Auftrag Literatur  : Schönberger 1981  ; Arnold 2005. alleine durchzuführen, wogegen die Brüder Krüger erfolgreich protestieren, sodass Speer letztlich am Nachdem der Garagenbau schon länger vorgesehen ist, wird mit Datum vom 8. August 1934 ein PlanUmbau nicht mehr beteiligt ist.1437 1434 Tietz 1999, 90. 1435 Tietz 1999, 91.

1436 BA N1340/38, Speer an Mosse, 5.7.73. 1437 BA R43I/581.

B auten ab 1933   |  245

144 Albert Speer, Berlin, Garagenbau der Reichskanzlei (WV 30), Grundriss Erdgeschoss, im Plan oben die Hermann-Göring-Str.

145 Albert Speer, Nürnberg RPG (WV 31), Gesamtplan, datiert Dezember 1934

satz bei der Baupolizei eingereicht [Abb. 144]. Um den Jahreswechsel 1934/35 ist der Bau fertiggestellt. Neben den nötigen Einrichtungen für die Kraftfahrzeuge enthält er auch Wachräume, Aufenthaltsräume für die Fahrer und Dienstwohnungen. Spätestens im März 1937 wird beschlossen, dass das kaum drei Jahre alte Garagengebäude abgerissen werden muss.1438 Die Räumung hatte schließlich bis zum 1. April 1938 zu erfolgen.1439 31 R eichsparteitagsgelände Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Nürnberg X.1934 teilweise erhalten BHStA Rp. Sp. Pl. 1, 2, 3, 5, 8, 9, 11,

1438 BA NS2/4513, Lammers an Finanzminister, 23.3.37.

246 | Werkver zeichnis

Literatur  :

12, 13, 15, 16, 25, 27, 29, 31, 32, 35, 36, 38, 41, 43, 55, 56, 59, 65, 69, 70, 70, 72, 79, 81, 81, 83, 85, 86, 87, 89, 90, 91, 93, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 103, 104, 106, 107, 111, 112, 123, 124, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 134, 135, 136, 137, 138, 141, 146, 147, 150, 151, 152, 496, 501, 513, 516, 518, 520, 521, 525, 530, 542, 3021, 3022, 3023, 3024, 3025, 3025, 3029, 3030, 3031, 3134  ; SAN Bestand C32  ; Speer 1969, 67–71  ; Speer 1978, 12–17. Dülffer/Thies/Henke 1978  ; Nerdinger 1993b  ; Doosry 2002, 114–146  ; Zelnhefer 2002  ; Dietzfelbinger/Liedtke 2004.

1439 BA R43II/1055a, Zeitplan vom 30.9.38.

146 Albert Speer, Nürnberg RPG (WV 31), Große Straße mit tribünenartigem Bordstein, datiert 17. November 1936

Südöstlich der alten Kaiserstadt Nürnberg befindet sich ein großes parkartiges Naherholungsgebiet mit Teichen, Zoo, Kleingärten, Restaurants etc., das umgewidmet wird. Als Speer die Planung für das RPG übertragen bekommt sind das später sogenannte »Alte Stadion«, entworfen von Otto Ernst Schweizer, vollendet 1928, sowie Luitpoldarena und -halle [Umbau durch Speer  : WV 43] schon vorhanden. Auch das Gefallenenehrenmahl, Entwurf Fritz Mayer 1927–1930, ist bereits fertiggestellt. Die Errichtung der Kongresshalle durch Ludwig Ruff steht ebenso schon fest – nicht aber deren Einbettung in das noch zu planende Parteitagsgelände. Speer entwickelt im Oktober 1934 einen ersten Plan [Abb. 39]. Zwei Monate später im Dezember stehen die wesentlichen Grundzüge fest [Abb. 145]. An den Enden der im Büro Speer gestalteten »Großen Straße« [Abb. 146], die die Hauptachse des Geländes bildet,

liegen sich im Süden das Märzfeld [WV 35] und im Norden die Luitpoldarena gegenüber. Die Straße ist als Damm durch den Dutzendteich geführt, an dessen Nordende die Kongresshalle und die Kulturhalle einander gegenüberstehen. Die Große Straße wird 1935 begonnen und ab 1938 mit Granit belegt.1440 Das Zeppelinfeld [WV 32] im Osten des Geländes liegt schrägt zur Hauptachse und ist am »Alten Stadion« orientiert. Ende 1935 kommt westlich der Großen Straße als letzter und größter Bau das »Deutsche Stadion« [WV 44] hinzu. Damit stehen die zu errichtenden Großbauten fest. Diese werden in Lage und grundsätzlicher Disposition somit früh festgelegt und im Laufe der Planungsgeschichte auch nicht mehr verändert [Abb. 37]. Die Umplanungen konzentrieren sich daher vor allem auf die Gestaltung der Platz- bzw. Freiflächen zwischen den Bauten, die Verkehrsführung, die Anordnung

1440 Dietzfelbinger/Liedtke 2004, 56.

B auten ab 1933   |  247

der Lager für die Teilnehmer und die landschaftsgärtnerische Ausgestaltung. Die Ansammlung neuer Großbauten und vorhandener Veranstaltungsstätten führt letztlich dann auch dazu, dass 1942 intern konstatiert wird, das Gelände lasse »als Ganzes eine Gestalt vermissen.«1441 Zu diesem Zeitpunkt ist der Umbau der Luitpoldhalle und -arena und der Bau des Zeppelin­felds abgeschlossen, vom Kongressbau stehen der hufeisenförmige Baukörper und Teile der Kopfbauten, während die Dachkonstruktion über dem Parkett erst begonnen ist. Auch ein Teil der Märzfeld­türme und Tribünen ist vorhanden. Für das Deutsche Stadion ist die Baugrube ausgehoben. Auch die Lager und sonstigen infrastrukturellen Maßnahmen werden nicht zu Ende geführt.1442 Neben den Anlagen direkt auf dem Parteitagsgelände sind zudem tiefe Eingriffe in die Stadtstruktur Nürnbergs geplant, da dessen Altstadt auch als Kulisse dient. Die Vergangenheit Nürnbergs ist historischer Anknüpfungspunkt, weswegen bei der Gestaltung des Geländes durch Sicht- und Verkehrsachsen darauf Rücksicht genommen wird. Darüber hinaus ist ein dringliches Problem der Verkehr. Menschenmengen in der Größenordnung einer Großstadt müssen in annehmbaren Zeiten zu den Veranstaltungsorten und wieder zu den Quartieren gebracht werden. Umfangreiche Bauarbeiten betreffen daher den Ausbau des Nah- und Fernverkehrs, hauptsächlich der Straßen- und Eisenbahn, aber auch den Automobilverkehr durch Anschluss an die Autobahn. Auch die technischen Einrichtungen für die Versorgung müssen in ihrer Kapazität gesteigert werden. Deutlichstes Zeugnis hierfür sind das Umspannwerk [WV 49] und der Ausgleichsbehälter für die Wasserversorgung [WV 50]. Zum Vergnügen der Teilnehmer wird östlich des Geländes am Valznerweiher die »KdF-Stadt« mit großen hölzernen Festhallen errichtet. Im letzten Planungsstand befinden sich die Lager für die Teilnehmer südlich von Märzfeld und Bahnhof Märzfeld. Zunächst sind verschiedene andere

Das Zeppelinfeld verdankt seinen Namen der Landung eines Luftschiffs des Grafen Zeppelin im Jahre 1909.1444 Er wird, da er sich eingebürgert hat und Bezug zu einer großen technischen Leistung aus Deutschland hatte, weiterverwendet. Das Zeppelinfeld entwickelt sich vorerst zum Zentrum der Parteitage, da es als Einziges fertiggestellt wird. Die letztlich errichtete steinerne Ausführung ersetzt ein hölzernes Provisorium. Die Bauarbeiten beginnen im April 1935 mit der Aufschüttung der Wälle und sind erst zum Parteitag 1937 vollendet.1445 Die ältesten erhaltenen Pläne stammen aus dem Juli

1441 SAN C32/236, Grundsätzliches zu den Planungsarbeiten, zit. nach Doosry 2002, 120. 1442 Doosry 2002, 125.

1443 Dietzfelbinger 1994, 67/68. 1444 Zelnhefer 2002, 80. 1445 Doosry 2002, 372.

248 | Werkver zeichnis

Anordnungen, unter anderem auch östl. bzw. westl. des Märzfeldes, untersucht worden. Die Unterbringung ist in Zelten, teilweise auch Baracken, vorgesehen. Nach 1945 wird das Gelände hauptsächlich durch die US-Streitkräfte genutzt. Die Luitpoldarena wird 1959/60 zugunsten einer Konzerthalle abgerissen, der südliche Bereich mit Märzfeld und den Lagern ab 1956 mit einer Trabantenstadt überbaut und die Pfeilerkolonnade der Zeppelintribüne 1967 gesprengt. Teilweise erhalten ist die Große Straße und der Torso des Kongressbaus.1443 32 Zeppelinfeld Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

Nürnberg, Reichsparteitagsgelände X.1934 teilweise erhalten BHStA Rp. Sp. Pl. 1–3, 5, 8–9, 11–13, 15–16, 25, 27, 29, 31–32, 35–36, 38, 41, 43, 55–56, 59, 65, 69–70, 79, 152  ; SAN C32  ; Speer 1969, 67–71  ; Speer 1978, 12–17. Nerdinger 1993b, Dietzfelbinger 1994, Doosry 2002, 114–117, 124  ; Zelnhefer 2002  ; Dietzfelbinger/Liedtke 2004, 47– 50  ; Breloer 2005b, 271  ; Zustandsbericht 2009.

1935.1446 Im Vergleich zu anderen Repräsentationsbauten fällt auf, dass es während des Bauverlaufs keine wesentlichen Änderungen mehr gab. Vorgesehen ist es für den Aufmarsch der politischen Leiter und den Appell des Reichsarbeitsdienstes. Die Tribünen fassen 70.000 Zuschauer, während auf dem Feld bis zu 250.000 Akteure auftreten.1447 Nach 1945 dient die Tribüne für diverse Großveranstaltungen u. a. für Motorsportveranstaltungen. 1967 wird wegen Baufälligkeit die Pfeilerkolonnade gesprengt.1448 33 Erweiterung Heizungsanlage der R eichsk anzlei Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berlin, Wilhelmstraße 77–78, Voßstraße 1 XI.1934, Ausführung anschließend zerstört BA R43I/1587. kein Nachweis

Durch die Einrichtung der SS- und der Reichswehrwache wird die bestehende Heizungsanlage überlastet. Speer hat zudem das Gebäude Voßstraße 1 mit an die Warmwasseranlage der Alten Reichskanzlei angeschlossen, sodass das Wasser nicht mehr genügend aufgeheizt wird. Die Anlage wird durch die Heizungsfirma Riefenstahl für 4.700 RM erweitert. 34 WC-Anlage für SS-Wache der R eichsk anzlei Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berlin, Wilhelmstraße 78, Lichthof 2 am Durchgang zum Garten ab XI.1934 zerstört BA R43I/1587. kein Nachweis

Nach der Einrichtung der SS-Wache in der ehemaligen Kraftwagenhalle des Erweiterungsbaus der Reichskanzlei wird schon nach kurzer Nutzungs1446 BHStA Rp. Sp. Pl. 2, datiert auf den 3.7.1935. 1447 Doosry 200, 125. 1448 Dietzfelbinger 1994, 67.

147 Albert Speer, Berlin, Erweiterungsbau der Reichskanzlei (WV 34), Grundriss mit WC-Haus, Mai 1935

zeit die Notwendigkeit zur Einrichtung einer Toilettenanlage deutlich. Am 19.11.34 legt Speer den Kostenvoranschlag für einen kleinen eigenständigen Bau im Lichthof vor, der von der Durchfahrt in den Garten aus zu erreichen ist [Abb. 147].1449 Dieser wird in der zunächst projektierten Form nicht genehmigt. Es muss die Innenaufteilung des nur 3,43 m auf 2,65 m messenden WC-Häuschens verändert werden und der Vertrag über die Hofgemeinschaft mit der Bayerischen Gesandtschaft entsprechend modifiziert werden. Der Bauschein wird am 29.1.35 erteilt. 35 Märzfeld Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Nürnberg, Reichsparteitags­gelände XII.1934 begonnen, Reste 19671450 gesprengt BHStA Rp. Sp. Pl. 89–91, 93, 97–98, 100–101, 103–104, 160–107, 111–112, 123–124, 126–131, 134–138, 141, 146– 147, 3021–3026, 3029–3031  ; Price 1983, 230 Nr. 621 + 231 Nr. 628, 629  ; Speer 1969, 80  ; Speer 1978, 18–21.

1449 BA R43I/1587, 149.

B auten ab 1933   |  249

149 Adolf Hitler, Nürnberg RPG, Märzfeld (WV 35), Skizze der Ehrentribüne, laut Speer am 22. Oktober 1936 von Hitler auf dem Obersalzberg gezeichnet

148 Adolf Hitler, Nürnberg RPG, Märzfeld (WV 35), Skizze eines Turmes, von Price Hitler zugeschrieben

geht Speer noch von zwei gegenüberliegenden Tribünen aus, von denen die nördliche später wegfiel und stattdessen eine Öffnung in der Umwallung die Einführung der »Großen Straße« in das Feld ermöglicht. Als Aufmarschfeld der Wehrmacht und Ort für Ab November lassen sich dann erstmals die charakKampfvorführungen vor rund 200.000 Zuschauern teristischen Türme auf dem Wall feststellen, die auf ist das 610 m x 955 m große sog. Märzfeld gedacht. einer Skizze Hitlers beruhen sollen [Abb. 148]. Auch Es wird erstmals auf dem zweiten Gesamtgeländeplan für die Ehrentribüne und ihren Aufsatz existieren aus dem Dezember 1934 eingezeichnet, nachdem im Skizzen, die Speer Hitler zuschreibt, die aber nur Oktober des gleichen Jahres das Zeppelinfeld dessen schwer mit den Planungen in Übereinstimmung zu Funktion anscheinend noch mit übernehmen sollte. bringen sind [Abb. 149]. Bis 1937 wird es in allen Plänen nur als »Großes Verstärkt wird ab Ende 1937 am Märzfeld geAufmarschfeld« bezeichnet, bekommt aber schon im plant. Die Grundform des Walls mit den Türmen Februar 1935 die Grundform, die nicht mehr verän- ist schnell gefunden und auch die Gestaltung der dert wird. Beim ersten Entwurf im Dezember 1934 Türme selbst steht schon im Oktober 1937 fest. Seit Literatur  :

Nerdinger 1993b  ; Dietzfelbinger 1994, Doosry 2002, 125  ; Zelnhefer 2002, 82  ; Dietzfelbinger/Liedtke 2004, 56–57.

1450 Doosry 2002, 125.

250 | Werkver zeichnis

1451 Doosry 2002, 125.

150 Albert Speer, Nürnberg RPG, Märzfeld (WV 35), Varianten für die Einführung der Großen Straße

Frühjahr 1938 ist ebenfalls die Gestaltung der Eh- Literatur  : kein Nachweis rentribüne festgelegt. Größerer Planungsaufwand ist lediglich für die Beim Umbau des Dienstgebäudes durch Speer beMündung der »Großen Straße« in das Gelände fest- kommen alle Referentenzimmer einen Kleider- und stellbar [Abb. 150]. Hier werden verschiedene Va- Waschschrank eingebaut. Das Zimmer von Minisrianten mit einem Turm, zwei zusammengerückten terialrat Wienstein jedoch nicht, da er unmittelbar Türmen oder Torbauten, die mit hoher, schmaler nebenan über eine Toilette verfügt. Da diese beim Rundbogenarkatur an der Ehrentribüne orientiert Umbau des Gebäudes Voßstraße 1 entfernt wird, sind, untersucht. Erste Vorarbeiten zur Baustellen­ muss nun ein Waschmöbel nachgerüstet werden. einrichtung und Planierung des Geländes werden Speer übersendet am 9.2.35 den Kostenvoranschlag noch 1936 begonnen, sodass im September 1939 und rechnet am 11.5.35 sein Honorar in Höhe von 13 der 24 Türme und einige Tribünenfelder im Bau 181,12 RM ab. waren.1451 Nach 1945 gab es kein Konzept und keine Verwendung für das unvollendete Märzfeld. 37 Gartengestaltung & Ger äteschuppen Berlin, Wilhelmstraße 77/78 Zunächst nutzen es die amerikanischen Streitkräfte Ort  : XII.1934 und schließlich werden die Türme 1966/67 ge- Planung  : Realisierung unbekannt sprengt, um die Trabantenstadt Langwasser zu er- Status  : Quellen  : BA R43I/1587. richten.1452 Literatur  :

kein Nachweis

36 Waschschr ank für R eferentenzimmer Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Berlin, Wilhelmstraße 78, Dienstgebäude der Reichskanzlei, 1. Obergeschoss XII.1934, Ausführung bis spätestens Mai 1935 zerstört BA R43I/1587.

1452 Dietzfelbinger 1994, 67.

Durch die Errichtung des Garagengebäudes an der Hermann-Göring-Straße [WV 30] wird der bisherige Geräteschuppen mit WC entfernt. Speer soll, so Lammers, bei der »… in Aussicht genommenen neuen Gartengestaltung …«1453 einen Aufenthaltsraum mit WC und Geräteschuppen vorsehen. Ob

1453 BA R43I/1587, 163.

B auten ab 1933   |  251

Speer die projektierte Gartengestaltung durchführt sucht werden. Die Kulturhalle ist in ihrer Konzepoder diese anderweitig, z. B. an einen Gartengestal- tion nicht verändert worden und zeigt mit Stand ter, übergeben wird, ist den Quellen nicht zu ent- vom 27.5.41 einen Rechteckbau mit Schmalseite nehmen. zum Platz. Eine Treppe führt zur sechssäuligen Vorhalle hinauf, die auf Höhe des Kolonnadendaches 38 Umbau Sta atssekretärswohnung liegt. Die Gebäudekanten werden durch Pylonen Ort  : Berlin, Wilhelmstraße 78 mit rustizierten, geböschten Sockeln betont, die Planung  : V.1934 die figürliche Plastik tragen. Nur marginal unterStatus  : zerstört scheidet sich der Stand vom 1.9.41. Die figürliche Quellen  : BA R2/4507  ; BA R2/4508. Plastik ist von den Spitzen der Pylone, die nun mit Literatur  : kein Nachweis Flammenschalen besetzt sind, in Nischen auf Höhe des Hauptgeschosses versetzt worden. Das HauptDie Wohnung des Staatssekretärs in der Reichskanzlei geschoss wurde etwas abgesenkt und innerhalb der nutzt Hitler, bis seine Wohnung im alten Reichskanz- Vorhalle führen nun drei Türen in das Innere, wolerpalais durch Speer und das Atelier Troost fertigge- bei die mittlere höher liegende über eine zweiläufige stellt ist. Ab Mai 1934 führt Speer die Renovierung Treppe zu erreichen ist. durch. Die vergleichsweise niedrige Bausumme und die Tatsache, dass das Gebäude erst wenige Jahre alt 40 Fenster für Bildwerferr aum Ort  : Berlin, Alte Reichskanzlei ist, deuten nicht auf große Eingriffe hin. 39 Kulturhalle Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Nürnberg, Reichsparteitagsgelände XII.1934 nicht realisiert BHStA Rp. Sp. Pl. 513, 520, 521, 525, 530, 3134. Doosry 2001, 120.

Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

1934/1935 zerstört R43I/1532. kein Nachweis

Zu diesem Projekt ließen sich keine weiteren Informationen ermitteln. 41 Haus Speer

Die Kulturhalle gegenüber der Kongresshalle ist seit 1934 Bestandteil der Planungen. Stets erscheint sie bis April 1941 als rechteckiger Bau, dessen östlicher, zum Platz zeigender Schmalseite eine Treppe vorgelagert ist. Erst im Zuge einer umfassenden Neuplanung der Gesamtanlage zu Beginn des Jahres 19411454 wird die Anlage erheblich erweitert. Nur von dieser Projektphase sind Pläne erhalten, die jedoch vor allem die Gesamtanlage des Platzes mit einer umlaufenden Kolonnade und zwei Türmen zu beiden Seiten der Kulturhalle wiedergeben. Die Kolonnade überquert auch die Große Straße, für deren Durchfahrt verschiedene Lösungen unter-

Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

1454 Doosry 2002, 120. 1455 Speer 1969, 47.

1456 In der Propaganda wird ebenfalls 1934 genannt (o. A. 1940, 12).

252 | Werkver zeichnis

Literatur  :

Berlin, Schopenhauerstr. 31 1935 im Krieg zerstört BA N1340/94  ; BA N1340/18  ; Nissen 2005, 17  ; Speer 1969, 76  ; Speer 1978  ; 54  ; Wolff 1939, 973  ; Wolters 1943, 60. Davidson 1995 Abb. 769–771  ; Krier 1985  ; Stabenow 2000, 257  ; Breloer 2005b, 25  ; Schmitz 2007, 155 + 343.

Nach Speer wird sein Haus im Juni 1935 fertig, als er mit der Familie nach Berlin zieht. Eine Bauakte oder sonstige Pläne existieren nicht mehr, sodass

151 Albert Speer, Berlin, Haus Speer (WV 41), Grundriss Erdgeschoss

152 Albert Speer, Berlin, Haus Speer (WV 41), Ansicht Schopenhauerstraße

keine Angaben zur Baugeschichte gemacht werden können. 42 »Historischer Balkon« Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

Berlin, Wilhelmstraße 78 V.1935, bald darauf Realisierung zerstört, nach 1945 mit Reichskanzlei abgebrochen Speer 1969, 47  ; Hitler 1983, 228 Nr. 613  ; o. A. 1940, 12  ; BHStA Rp. Sp. Pl. 1727– 1731. Schönberger 1981, 35  ; Arnold/ Janick 2009, 59.

Der »Historische Balkon« wird im Sommer 1935 angebaut. Die Rückdatierungen – Speer gibt in den »Erinnerungen« 19331455, Hitler 19341456 an – zeigen, welche Bedeutung dieser Balkon für die Selbstinszenierung Hitlers hat. Er muss als architektonisches Attribut von Hitlers Machtübernahme gesehen werden.1457 Hitler nennt ihn das erste architektonisch eigenständige Element.1458 Er setzt damit erstmals auch am Außenbau ein Zeichen, denn alle bisherigen Veränderungen, die er vornahm, sind für Passanten nicht wahrnehmbar. 1457 Schönberger 1981, 35. 1458 Schönberger 1981, 34.

153 Albert Speer, Berlin, Erweiterungsbau der Reichskanzlei, Balkon (WV 42), Schnitt und Ansicht von Norden. Im Schnitt deutlich erkennbar die Stahlarmierung

B auten ab 1933   |  253

154 Albert Speer, Berlin, Erweiterungsbau der Reichskanzlei, Balkon (WV 42), Ansicht von Osten

Speer entwickelt den Balkon aus einer Skizze Hitlers vorspringen lässt und diesen durch sechs aufgelegte [Abb. 118], die er erheblich abwandelt. Hitler skiz- flache Felder zusätzlich gliedert [Abb. 117]. ziert drei Gitterfelder mit eng gestellten senkrechten Nach Speer hält Hitler den Balkon für nötig, weil Stäben zwischen Pfeilern mit Kugelaufsätzen vor drei ihm einerseits das Fenster zu unbequem ist und er Fensterachsen, die von insgesamt vier Konsolen ge- andererseits in diesem nicht von allen Seiten gesetragen werden. hen werden kann.1460 Speer berichtet weiterhin, dass Speer verkürzt ihn in der Ausführung dahinge- Siedler angeblich gegen den Anbau des Balkons Einhend, dass er, nur von zwei Konsolen getragen, le- spruch wegen Urheberrechtsverletzung erhob, den diglich über zwei Achsen reicht [Abb. 154]. Dass Hitler verworfen haben will, da Siedler schon den die Schutzfunktion durch Stahlplatteneinlagen1459 ganzen Wilhelmplatz verschandelt habe, die Reichsausschlaggebend für die Wahl einer geschlossenen kanzlei sähe zudem aus wie die Verwaltung eines SeiBrüstung anstelle des Gitters war, kann angenom- fenkonzerns.1461 men werden [Abb. 153]. Speer verleiht dem Balkon dadurch eine architektonische Gestaltung, dass er im Bereich zwischen den Konsolen die Brüstung leicht 1459 Schönberger 1981, 35. 1460 Speer 1969, 47.

254 | Werkver zeichnis

1461 Speer 1969, 47. 1462 Zur Luitpoldhalle siehe: Doosry 2002, 184–206.

43 Umgestaltung Luitpoldhalle Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Nürnberg, ehem. Reichsparteitagsgelände ab IV.1935, Ausführung ab VII.1935 zerstört SAN C32 Doosry 2002, 184–206.

Die Luitpoldhalle wird 1906 im Rahmen der Baye­ rischen Jubiläums-Landesindustrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung errichtet und wurde schon 1929 für den NSDAP-Parteitag genutzt. Sie besitzt mit einer Länge von 180 m und einer Breite von 49 m, bei 13–17 m Höhe, für Kongresse ungünstige Ausmaße. 1933 werden noch keine tiefgreifenden Umbauten durchgeführt, sondern es wird lediglich die Halle dekoriert. 1934 mahnt Speer nach dem Parteitag den Einbau einer Lüftungsanlage an, die 1935 bestellt wird. 1935 wird die Halle dann mit neuen Stirnfronten versehen, wozu ein im Prinzip eigenständiger Baukörper vor die Halle gestellt wird. Die neue Eingangsfassade ist dreigegliedert in einen hohen sogenannten ›Führerturm‹ und niedrigere Seitentrakte, die während der Parteitage kaum in Erscheinung treten, da sie von lamellenartigen, orthogonal zur Fassade aufgehängten Hakenkreuzbannern, die nachts aus Scheinwerfergruben angestrahlt werden, verdeckt sind. Auch die Seitenwände, bei denen eine Anzahl Schuppen durch feste Anbauten ersetzt und die Zahl der Eingänge erhöht werden, werden während der Parteitage mit Flaggen geschmückt. Im Inneren ist es wegen des Einbaus der Klimaanlage nötig, die Beleuchtungsanlage zu verändern, was in Absprache mit Speer geschieht. 1936 werden die Nordfassade und die Langseiten auf Vorschlag Speers mit Naturstein verkleidet. 1938 gibt Speer den geplanten Umbau des Inneren an Benno von Arent ab. Da es der Halle von ihrer Grundform her an Eignung mangelt, beauftragt Hitler ihn damit, einen Neubau zu untersuchen, mit dem Speer ihn spätestens im Sommer 1941 beauftragt.1462 1463 Dietzfelbinger/Liedtke 2004, 46 1464 Doosry 2002, 206.

Im Verlauf des Krieges wird wird die Luitpoldhalle durch Bomben zerstört und nicht wiederaufgebaut.1463 44 Deutsches Stadion Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

Nürnberg, Reichsparteitags­gelände XI.1935 begonnen, Baugrube erhalten Speer 1969, 81–82  ; Hellwag 1937  ; siehe vor allem aber Doosry 2002, dort auch Datierung und räumliche Zuordnung der meist unbezeichneten Pläne. Wesentliche Planbestände finden sich im BHStA, Rp. Sp. Pl. und im SAN, Bestand C32. Dietzfelbinger 1994, Kerscher 2000  ; Doosry 2002, 206–350  ; Zelnhefer 2002, 82  ; Dietzfelbinger/Liedtke 2004, 58–60.

Auf den Lageplänen des RPG ist das Deutsche Stadion zum ersten Mal im November 1935 eingezeichnet. Hitler soll den Bau des Stadions kurz vor dem Parteitag 1935 angeordnet haben.1464 Der Grundstein wird während des Parteitages am 9. September 1937 gelegt, Baubeginn ist unter anderem wegen fehlender Planunterlagen und Arbeitskräftemangel erst ein Jahr später im Herbst 1938.1465 Die Grunddisposition des Stadions als nach Osten offener Hufeisenbau steht schon im November 1935 und wird nicht mehr verändert. Die Umplanungen betreffen vor allem die innere Struktur, die Gestaltung von Ehrenhof sowie Standartenhalle und werden 1940 intensiviert. Sie werden bis 1941 fortgeführt, auch schon mit Details zur Innengestaltung, aber nie endgültig abgeschlossen.1466 Wichtige Änderungen sind unter anderem die Einteilung der Ränge in sog. Ringe, die Organisation der vor allem in den Obergeschossen gering bemessenen Verkehrsflächen, Ersatz der Rolltreppen durch Aufzüge und spätestens ab Juni 1939 eine deutlich reichere Gestaltung des Außenbaus.

1465 Doosry 2002, 206. 1466 Siehe hierzu: Doosry 2002, 208–302.

B auten ab 1933   |  255

Das Stadion sollte rund 400.000 Zuschauern Platz ein­richtung und erst recht nicht den vorgesehebieten.1467 Die Außenmaße werden mehrfach verän- nen Filmprojektor enthält.1471 Bei seinen Berechdert. Von anfangs 522 m x 448 m 1937 werden sie nungen geht Speer davon aus, dass die Häftlinge auf rund 650 m x 430 m vergrößert. Die Höhe ohne Hilfsarbeit leisten.1472 Das Eigentum an Gebäude Plastiken beträgt im letzten Planungsstand 129 m.1468 und Baugrund wird der NSDAP, Gau Weser-Ems, Die Fertigstellung ist zunächst für 1943 gefordert, übertragen.1473 Mit der Fertigstellung kann im jedoch wird letztlich mit einer Bauzeit von 15–20 Spätsommer 1936 gerechnet werden, da Speer Jahren gerechnet.1469 Die Baustelle wird zwar noch am 1. September 1936 sein Honorar in Höhe von eingerichtet und die Baugrube auch teilweise aus- 3.177 RM einfordert.1474 Das Haus steht in einer Art »Vergnügungspark« gehoben, weiter jedoch schreitet der Bau nicht fort. Heute wird die Baugrube, mit Wasser vollgelaufen, für Wachmannschaften, von dem noch ein See, ein als Silbersee bezeichnet. Problematisch ist die Funda- Denkmal und Teile der Bepflanzung erhalten sind.1475 Das Haus wird im April 1945 durch Beschuss mentierung auf dem sehr unterschiedlichen, im Großen und Ganzen aber sehr schwierigen Baugrund.1470 stark beschädigt und teilweise zerstört. Bis Anfang der 1950er-Jahre dient es als kleiner Bauernhof, 45 K amer adschaftshaus der dann geht es in den Besitz des Landes Niedersachsen Wachmannschaften, sogenanntes über und wird abgetragen.1476 »Emslandhaus« Ort  : Papenburg – Lager V (Neusustrum) 46 Neue R eichsk anzlei Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

ab I.1936 eingeweiht 1936, nicht erhalten BA R43II/1537, 46+48  ; Staatsarchiv Osnabrück Slg. 50, 167, 170, 171, 173  ; K 52 Neu-Sustrum Nr. 1 H, Rep. 675 Meppen, 784  ; Rep. 430-904-8/65, 168  ; Rep. 430306-8/65, 87. Suhr/Boldt 1985,24  ; Akten der Reichskanzlei 2002, Bd.III, 806/810.

Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

Berlin, Voßstraße 2–19, Hermann-Göring-­ Str. 15 III.1936 nahezu vollendet, im Krieg zerstört, dann abgebrochen Aufstellung bei Schönberger 1981, 267– 270. Wolters und Wolff 1940  ; Speer 1969, 116–121. Schönberger 1981, Kernd’l 1993, Groehler 1995, Kellerhoff 2003, Grüner 2004, Köpstein 2006, Arnold/Janick 2009.

Hitler hat dem Kommandanten des Lagers versprochen, das Gebäude aus seinen privaten Mitteln zu finanzieren. Speer rechnet mit einer Bausumme von 48.558,41 RM, die aber noch keine Innen­

Die Vorarbeiten für den Bau der neuen Reichskanzlei beginnen schon 1934. Erster Bauabschnitt ist

1467 Dietzfelbinger 1994, 65. 1468 Doosry 2002, 210. 1469 Doosry 2002, 206. 1470 Doosry 2002, 307. 1471 BA R43I/1537, o. S., Aktenvermerk 12.8.36. 1472 BA R43I/1537, 48, Speer an Lammers, 21.1.34. 1473 BA R43I/1537, 84, Lammers an Speer, [unleserlich). 8.36. 1474 BA R43I/1537, 87, Speer an Lammers, 1.9.36. 1475 http://www.gedenkstaette-esterwegen.de/index.php?con_ cat=56&con_lang=1&sid=83f58d575ac9cdb69888877 be8294fe. 1476 Freundliche Mitteilung von Herrn Sebastian Weitkamp,

Gedenkstätte Esterwegen. Diesem sind auch die Signaturen aus dem Staatsarchiv Osnabrück zu verdanken. 1477 Schönberger 1981, 42–43; 68. 1478 Bericht über einen schweren Bombenangriff und den darauffolgenden Raummangel in: BA R43II/1044. 1479 Boelke 1969, 362. 1480 Speer 1969, 130. 1481 Für die sowjetischen Ehrenmale, vor allem jenes im Treptower Park, werden in großer Anzahl die für die Neugestaltung Berlins beschafften Rohquader verwendet. Diese lagern in Fürstenberg an der Oder, wo Speer im Frühjahr 1941 ein 20 ha großes Gelände erwirbt und bis 1943 Stein-

256 | Werkver zeichnis

die Errichtung des Garagengebäudes entlang der Hermann-Göring-Straße [WV 53]. Ab April 1937 beginnen die ersten Abrisse in der Voßstraße. Im Januar 1939 sind die Bauarbeiten weitgehend abgeschlossen.1477 Kurz nach der Einweihung werden jedoch schon die ersten größeren Umbauten geplant, bei denen unter anderem der Empfangssaal wesentlich vergrößert werden soll [WV 67]. Schon im Mai 1943 ist die Reichskanzlei durch Luftangriffe offenbar so schwer getroffen,1478 dass Speer bei Hitler erreichen kann, dass einige seiner Mitarbeiter wieder für das Büro freigegeben werden, um sich mit der Wiederherstellung zu befassen.1479 In ihrer Substanz übersteht die Reichskanzlei, mit Ausnahme des alten Palais, den Krieg den Umständen entsprechend gut. Spätestens seit Veröffentlichung der »Erinnerungen«1480 gibt es die Legende, dass seit Sommer 1945 aus der Kriegsruine Baumaterialien für den Aufbau des sowjetischen Ehrenmahls im Tiergarten entnommen würden, ab 1946 auch für jenes in Treptow.1481 Die Breker-Statuen (Partei und Wehrmacht) würden eingeschmolzen, um daraus die Figur des sowjetischen Soldaten am Tiergartener Ehrenmahl zu gießen. Mitte 1947 werden demnach die sowjetischen Ausschlachtungen durch den Magistrat Berlins fortgesetzt und der Restmarmor für den U-Bhf. Mohrenstr. genutzt1482. Dem entgegen legt Helga Köpstein dar, dass das Steinmaterial der Reichskanzlei weder für das Treptower Ehrenmal noch für jenes im Tiergarten1483 genutzt wird – schon aus praktischen Gründen, da die Rohblöcke des Fürstenwalder Steinlagerplatzes

der GBI sich als wesentlich einfacher umzuarbeiten anbieten.1484 Sie bezieht sich hierbei auch auf die Aussagen zweier am Bau in leitender Funktion beteiligter Angehöriger der Roten Armee.1485 Verbürgt hingegen ist die Aussage, dass der Reichskanzleimarmor für den Bahnhof Gomel (Weißrussland) verwendet wird.1486 Dass der U-Bahnhof Mohrenstraße, ehemals Kaiserhof, dann Thälmannplatz, wie Köpstein vermutet,1487 auf Anweisung der Besatzungsmacht mit Spolien des Speer-Baus wiederhergestellt worden ist, ist nach den Forschungen Mittigs eher unwahrscheinlich, kann dieser doch immerhin mit Zeitungsartikeln aufwarten, die eine Lieferung der Wandplatten aus Thüringen verkünden.1488 Am 14. Oktober 1948 erscheint eine kurze Zeitungsmeldung, dass die SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland) das Bezirksamt Mitte angewiesen habe, die baulichen Reste der Reichskanzlei zu beseitigen, was im Februar 1949 zur Sprengung führt.1489 Der Westflügel wird am

blöcke einlagert. Das Gelände liegt verkehrsgünstig an der Oder und dem Oder-Spree-Kanal sowie in der Nähe eines Zwangsarbeiterlagers (Stalag III B) (LA Berlin, Rep. 110/ Akte 408, Bl. 20–21 und Akte 409). Reste des Reichskanzleimarmors sollen auch in der Eingangshalle der Humboldt-Universität Berlin verbaut worden sein, was die Universität jedoch bestreitet (Kellerhoff 2003, 84). 1482 LarchB, Rep. 110/Akte 408, Bl. 20–21 und Akte 409. 1483 Die Forschungslage für den Tiergarten stellt sich durch die Bauzeit in den unmittelbaren Nachkriegsmonaten als äußerst kompliziert dar, sodass sichere Aussagen nur schwer möglich sind (Köpstein 2006, 37).

1484 Köpstein 2006, 106. 1485 Köpstein 2006, 106. 1486 Köpstein 2006, 37/106. – Diese gibt dazu an, dass ihr hierzu keine Primärquellen vorlägen. 1487 Köpstein 2006, 37/106. 1488 Auf die eingeschränkte Verwendbarkeit von Zeitungsartikeln als Quellen für die Nachkriegsgeschichte der Reichskanzlei ist hingewiesen worden. Mittig schränkt daher ein, dass zumindest, sollte Marmor der Reichskanzlei verwendet worden sein, er nicht als Trophäe vorgezeigt, sondern entsemantisiert worden wäre (Mittig 2005, 181). 1489 Köpstein 2006, 107.

155 Berlin, Lageplan der Bebauung des Reichskanzleiareals mit Überlagerung durch die rezente Bebauung

B auten ab 1933   |  257

Abb. 156  : Adolf Hitler, Berlin, Große Halle, 18.3.37 157 Adolf Hitler, Berlin, Große Halle, 28.3.37

Der älteste Plan, auf dem die Halle eingezeichnet

ist, ist vom 10.11.1936 datiert und zeigt auf einem Lageplan der Nord-Süd-Achse einen Rundbau.1492 Dieser verfügt zum Platz hin über eine Portikus ähnlich dem Pantheon in Rom. Die Hitlerskizze vom 5.11.1936 [Slg. Speer Nr. 6], datiert durch Speer, zeigt dagegen schon einen quaderförmigen Unterbau mit einer flachen Kuppel, die merkwürdig über den hohen Tambour herausragt. Präzisiert werden deren Grundelemente in der Hitlerskizze vom 18.3.37 [Slg. Speer Nr. 115], wiederum überliefert durch Speer. Die Kuppel ist noch immer sehr flach gehalten und fußt ohne Tambour nur auf einigen Stufen auf einem Unterbau, der breiter ist als ihr Durchmesser. Der Unterbau ist in etwa doppelt so hoch wie die Kuppel und besitzt einen Vorbau, der nur wenig schmaler und niedriger ist als der Unterbau selbst. Vor diesem steht, unter einem Hoheitszeichen, eine nochmals schmalere, niedrige Portikus mit massiven Seitenwangen, auf denen Feuerschalen angedacht sind [Abb. 156]. Zehn Tage später, vorausgesetzt die Datierungen stimmen, ändern sich die Proportionen deutlich. In einer Skizze [Slg. Speer Nr. 66] werden zwei Lösungen mit und ohne Tambour untersucht. Die hohe Kuppel entspricht in ihrer Höhe etwa dem Unterbau. Der Unterbau wirkt nun schmaler, die Portikus ist dafür nur noch wenig niedriger als der

1490 LarchB, Rep. 110/Akte 408, Bl. 20–21 und Akte 409.

1491 Kernd’l 1993, o. S.

21.1.1949 gesprengt, der restliche Granit soll dann als Bordstein an der Weidendammer Brücke genutzt worden sein.1490 Die Abrissarbeiten werden 1950 vorläufig eingestellt und die Arbeiter werden zum Abriss des Schlosses umkommandiert. Erst 1956 können die verbliebenen Trümmer beseitigt werden. Das Gelände der Reichskanzlei ist heute als solches nicht mehr zu erkennen. Etwa ein Drittel des ehemaligen Grundstücks wird in den späten 1980er-Jahren mit Wohnbauten überbaut, während der westlich gelegene Teil im Sperrgebiet des Mauerstreifens liegt [Abb. 155]. Hier werden im Sommer 1990 bei der Munitionssuche bauliche Reste und der sog. »Fahrerbunker« gefunden.1491 47 Grosse Halle Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

Berlin, Spreebogen (heute Platz der Republik) XI.1936 Vorarbeiten begonnen, nicht realisiert BHStA Rp. Sp. Pl. 2766–2799  ; 2801–2808, 2811–15, 2817–2832, 2838–42, 2845, 2846, 2848–2879, 2881–2887, 2975, 3003, 3065, 3066, 3073, Speer 1969, 169, Hitler Skizzen Slg. Sp. Nr. 6, 63, 66, 112, 115. Larsson 1978, Schäche 1998.

258 | Werkver zeichnis

158 Albert Speer, Berlin, Große Halle (WV 47), Ansicht Unterbau und Portikus

Vorbau. Detailliert ausgeführt auf der ansonsten Der erste Entwurf Speers hat eine Höhe von 260 m recht flüchtigen, groben Skizze ist die Gestaltung mit Laterne und eine halbkugelige Kuppelform des geböschten Rustikasockels und der rustizierten von 235 m Innendurchmesser.1493 Ähnlich wie der Triumphbogen wird auch dieser Bau über die geGebäudekante. Am gleichen Tag entsteht eine zweite Skizze [Slg. samte Planungszeit dann nur noch in Details moSpeer Nr. 108], die grundsätzlich der vorangegange- difiziert. Die Umplanung der Halbkugelkuppel in nen ähnelt, jedoch die Lösung mit Tambour festlegt eine parabelförmige Kuppel und deren Planung als und auch erstmals die Ausprägung der Kuppel mit zweischalige Stahlkonstruktion anstelle der massiRippen wiedergibt [Abb. 157]. ven Steinkuppel hat statische Gründe. Dabei wird Zum 20.4.37 wird ein Plansatz des damals noch die Außenhaut so konstruiert, dass von außen die als »Kuppelhalle« bezeichneten Baus fertig, der die Halbkugelform beibehalten werden kann. Die VorSkizzen vom 28.3.37 ohne Veränderungen umsetzt. schläge für die Kuppelkonstruktion entwickelt das 1492 Larsson 1978, 38.

1493 BHStA Rp. Sp. Pl. 2862.

B auten ab 1933   |  259

Ingenieurbüro Gerhart im Laufe des Jahres 1939.1494 1846,1870–1874, 1970, 1979–1982, 2774–2796, 2801–2806, 2817–2822, Ebenfalls 1939 finden Planungen zur Fassadenge2825–2827, 2840–2844, 2867, 2884– staltung statt, die wohl weniger eine dekorative Um2886  ; 2961. gestaltung des Entwurfs von 1937 sind als vielmehr dessen konkrete Ausarbeitung  ; insbesondere da im Literatur  : Larsson 1978  ; Schäche 1998. Plansatz von 1937, vermutlich aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen Skizze und Überreichung zu In den Kompetenzbereich des Privatbüros von Speer Hitlers Geburtstag, keine Details festgelegt werden fallen alle Bauten am Großen Platz und dessen Geund der obere Teil des Baus zu diesem Zeitpunkt nur staltung. Hierzu zählen auch die Flügelbauten, die als schematische Zeichnung zu verstehen ist. Da- den Führerpalast und den Erweiterungsbau des bei werden verschiedene Lösungen untersucht, wie Reichstages mit der Großen Halle verbanden. Eine Zeichnung Hitlers1498 gibt laut Beschreietwa für die Anzahl der Pilaster an den Ecken des Unterbaus oder die Proportionierung des Unter- bung Gieslers angeblich die Situation am Großen Platz wieder. Fraglich ist, wie und vor allem warum bau-Kranzgesimses.1495 1940 steht die Außengestaltung fest und es wird die Skizze in Gieslers Besitz gelangt. Die Beschreimit den Detailplanungen begonnen [Abb. 63, 158]. bung Gieslers wirft ebenfalls Fragen auf, weil doch Unter anderem wird in dieser Zeit der Adler auf der der angeblich erste Entwurf die Skizze der Großen Laterne umgestaltet und steht ab November 1940 Halle von 1925 ist. nicht mehr mit ausgebreiteten Schwingen auf einem Hakenkreuz, sondern mit angelegten Flügeln auf der 49 Umspannwerk Nürnberg, ehem. Reichsparteitagsgelände, Weltkugel. Die Grundsteinlegung am 1.5.40 findet Ort  : Regensburgerstraße wegen des 10 Tage später beginnenden Frankreich1936 feldzuges jedoch nicht mehr statt.1496 Die Detailpla- Planung  : erhalten, unter Denkmalschutz nungen werden auch 1941 fortgeführt. Es entstehen Status  : kein Nachweis in dieser Zeit verschiedene Vorschläge für die Wand- Quellen  : gestaltung der Vorhalle und gleichzeitig werden in Literatur  : Doosry 2002, 125 + 137  ; Dietzfelbinger/ Liedtke 2004. kleinen Maßstäben die teilvergoldeten Kapitelle der Vorhallensäulen und die Steinpläne für den Sockelbereich fertiggestellt.1497 Offenbar werden die Planun- Der Stromverbrauch bei den Veranstaltungen auf gen 1942 nicht mehr weitergeführt, es finden sich dem Parteitagsgelände bringt große Anforderungen zumindest keine datierten Pläne mehr aus dieser Zeit. an das Stromnetz mit sich. An mehreren Stellen muss daher die Infrastruktur erweitert werden. Sichtbar 48 Grosser Platz ist heute davon noch das Umspannwerk an der ReOrt  : Berlin, heute Platz der Republik gensburger Straße. Dieses stellt unter anderem die Planung  : 1936 für den Lichtdom benötigte Energie bereit und wäre Status  : nur Bauvorleistungen, diese teilweise ervon der Leistung in der Lage gewesen, eine Großhalten stadt mit mehreren hunderttausend Einwohnern zu Quellen  : BHStA NL Hitler 57 (36), BHStA versorgen.1499 Fertiggestellt wird das Umspannwerk Rp. Sp. Pl. 500, 926–930, 1804–1817, 1936.1500 Heute dient es äußerlich weitgehend un1819–1820, 1841–1842, 1845– verändert als Schnellrestaurant. 1494 Die Pläne im BHStA datieren hauptsächlich von April, Juli und November 1939. 1495 BHStA Rp. Sp. Pl. 2796; 2768; 3066.

260 | Werkver zeichnis

1496 Reichhardt/Schäche 2008, 117. 1497 BHStA Rp. Sp. Pl. 2838; 2829; 2828.

159 Albert Speer, Nürnberg RPG (WV 49), Umspannwerk, um 1940

160 Albert Speer, Nürnberg RPG, Wasserausgleichsturm (WV 50), um 1940

50 Wasserbehälter und Ausgleichsturm Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Nürnberg, Oelser Straße 1936 [  ?] erhalten, Denkmalschutz kein Nachweis Doosry 2002, 125 + 136.

Die städtischen Anlagen reichen zur Wasserversorgung nicht aus, weswegen die Kapazität der Anlagen gesteigert werden muss. In dem Ausgleichsturm endet eine mehrere Kilometer lange Leitung. Das 1498 BHStA NL Hitler 57 (36). 1499 Doosry 2002, 138.

Wasser gelangt von dort zu einem Hochbehälter am Hohen Bühl und soll von dort durch ein verzweigtes Rohrnetz auf dem Lagergelände verteilt werden.1501 51 Deutsches Haus Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Paris, Weltausstellungsgelände am Eiffelturm IX.1936 ephemer BA R43II/340, R2/9277  ; BHStA Rp.  Sp.  Pl. 1762–1767  ; 2010–2012  ; 2015–2018  ; 2021–2024, 3039, BSB

1500 Dietzfelbinger/Liedtke 2004, 62. 1501 Doosry 2002, 136.

B auten ab 1933   |  261

161 Albert Speer, Paris, Deutsches Haus (WV 51), Grundriss

162 Albert Speer, Paris, Deutsches Haus (WV 51), ­Längsschnitt

Nach Speer lehnt Hitler die Teilnahme an der Welt­ausstellung 1937 angeblich zunächst schroff

ab, obwohl die Einladung und der Bauplatz längst angenommen waren. Weil Hitler alle vorgelegten Entwürfe für den Deutschen Pavillon missfallen, behauptet Speer, hätte ihn das Wirtschaftsministerium um einen Entwurf gebeten.1502 Speer schildert zudem, dass er zufällig den Plan des sowjetischen Pavillons zu sehen bekommen habe.1503 Tatsächlich findet sich im BHStA zwischen den Speerplänen ein französisch beschrifteter, undatierter Plan mit Ansichten des Pavillons von Boris Iofan, ohne dass bekannt wäre, wie dieser in den Bestand gelangte.

1502 Speer 1969, 94. 1503 »Zufällig verirrte ich mich bei einem Besuch in Paris in den Raum, in dem der geheimgehaltene Entwurf des Sowjetpavillons ausgestellt war: Auf hohem Podest schritt eine Figu-

rengruppe von zehn Metern Höhe triumphal auf den deutschen Pavillon zu. Daraufhin entwarf ich eine in schwere Pfeiler gegliederte, kubische Masse, die diesen Ansturm aufzuhalten schien, während vom Gesims meines Turmes ein

Literatur  :

Photoarchiv Hoffmann  ; Lotz 1937  ; Lotz 1937a  ; Hoffmann 1937  ; Harbers 1937  ; Library of Congress  : Source  : Prints and Photographs  ; Speer 1969 94 f. Ades 1996a, 58  ; Nerdinger/Brüning 1993  ; Fiss 1996  ; Durth/Sigel 2009, 322  ; Fruechtel 2008, 210  ; Nerdinger 1993, 43  ; Bärnreuther 1993, 222  ; Sigel 2000 mit umfassendem Literaturüberblick.

262 | Werkver zeichnis

163 Albert Speer, Paris, Deutsches Haus (WV 51), Turm in Untersicht 1937

164 Albert Speer, Paris, Deutsches Haus (WV 51),­ ­Luftbild 1937

Der Plan, der das Grundstück definiert, stammt vom 29.7.36. Durch dieses ist die Grundform des Gebäudes vorgegeben. Es ist mit 160 m x 20 m extrem ­schmal und lang gestreckt, da eine Straße, die in einer neu angelegten1504 Unterführung die Hauptachse des Ausstellungsgeländes unterquert, überbaut werden muss. Der Eingangsbereich muss also zwangsläufig an der südlichen Schmalseite liegen. Für das gegenüberliegende Grundstück des sowjetischen Pavillons gilt dasselbe. Die ältesten Pläne Speers liegen aus dem Dezember 1936 vor und zeigen, wie das nur vage datierte Foto, das Hitler bei der Betrachtung des Modells zeigt,1505 das später realisierte Gebäude, sodass zum Entwurfsprozess und etwaigen Alternativentwürfen keine Angaben gemacht werden können. Insbesondere nicht dazu, inwieweit Speer auf den ihm möglicherweise bekannten Plan Iofans reagiert. Durch die Überbauung der Straße liegt das Niveau des Ausstellungsraumes zwangsläufig rund fünf Meter über dem umgebenden Park [Abb. 162]. Speer bleibt für den Zugang gar nichts anderes übrig, als über dem Gefälle der Unterführung eine Treppenanlage einzuplanen. Eine Erschließung von der Längsseite und eine dementsprechende Querausrichtung des Gebäudes ist nicht möglich, da dort kein Platz für die notwendige Treppenanlage zur Verfügung steht.

Im Innenraum versucht Speer dadurch eine gewisse Spannung zu erreichen, dass er am nördlichen, der Eingangshalle gegenüberliegenden Ende ein erhöhtes »Ehren-Podium«1506 anordnet [Abb. 166]. Die Innengestaltung selbst übernimmt jedoch Woldemar Brinkmann. Der lange Raum ist durch eine Felderung der Wand gegliedert, die die Größe der Ausstellungskojen vorgibt, welche ihrerseits mit etwas über mannshohen, nicht nach einheitlichen Vorgaben gefertigten Stellwänden und Vitrinen voneinander getrennt sind [Abb. 165]. Vergleicht man den Inneneindruck von Speers Pavillon mit dem Mies van der Rohes in Barcelona 1929 oder Mies’ Entwurf für Brüssel 1935 wird, überspitzt gesagt, der Wandel von einer begehbaren Skulptur hin zu einer mehr kaufhausartigen Architektur deutlich. Die feine Noblesse, die Mies aus der Form und Art des Gebäudes gewinnt, versuchen Speer und Brinkmann im Innenraum vergebens durch aufgelegte Dekorformen zu erreichen. Im Turm über der Eingangshalle befinden sich Küchen und Toilettenräume, Büros und der Zugang zum Dachgarten mit Terrassenrestaurant, der um das große Oberlicht über dem Ausstellungsraum herumläuft. Über die Weiterverwendung des Pavillons nach Ausstellungsende gibt es verschiedene Berichte. Ka-

Adler mit dem Hakenkreuz in den Fängen auf das russische Paar herabsah. Für den Bau erhielt ich eine Goldmedaille, mein sowjetischer Kollege ebenfalls.« (Speer 1969, 95). 1504 Ades 1996b, 58.

1505 BSB hoff 16554. 1506 Bildbeschriftung Photoarchiv Hoffmann, 15369.

B auten ab 1933   |  263

165 Albert Speer, Paris, Deutsches Haus (WV 51), ­Innenaufnahme nach Süden

166 Albert Speer, Paris, Deutsches Haus (WV 51), Ehren-­Podium

ren A. Fiss spricht von einem Wiederaufbau auf dem 52 Bauwerk »T« Berlin, Nord-Süd-Achse südlich der KoRPG in Nürnberg,1507 während andere Hinweise ei- Ort  : lonnenbrücke nen Wiederaufbau in New York zur Weltausstellung II. 1937 1939 angeben.1508 Am wahrscheinlichsten ist, dass Planung  : nicht realisiert, nur »Schwerbelastungskörder Pariser Pavillon in München wieder aufgestellt Status  : per« erhalten. werden soll. Speer selbst kann sich nach 1945 nicht BA R4606/25  ; BHStA Rp. Sp. Pl. 2890– mehr genau erinnern zu welchem Zweck und mut- Quellen  : 2905, 2907–2908, 2910–2923, 2925– maßt, zur Unterbringung des Theatermuseums.1509 2927, 2929–2931, 2990, 2991. BHStA NL Gemäß den Wünschen Hitlers wäre der Pavillon am Hitler Nr 55 (31), Speer 1969, 149. Ende der Leopoldstraße wieder errichtet worden Larsson 1978  ; Bushart 1985  ; Bezirksamt und sollte mit dem Turm deren Abschluss bilden. Literatur  : Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005  ; In den jüngsten Plänen bleibt nur noch der Turm Reichhardt/Schäche 2008. als Kampanile und städtebauliche Dominante übrig.1510 Jedoch scheint es noch weitere Umplanungen gegeben zu haben, denn die Errichtung zur ge- Die ältesten Pläne für das sog. »Bauwerk T«, für das planten Kölner Internationalen Verkehrsausstellung Granit aus Norwegen verwendet werden soll,1513 da1940 erscheint vor dem Hintergrund der Tatsache, tieren von Februar und März 1937 [Abb. 167]. Zu dass ein Großteil des Pavillons in Köln eingelagert diesem Zeitpunkt stehen die wesentlichen Merkmale wurde, durchaus glaubhaft.1511 Überlegungen, die schon fest, die sich im Laufe der Planungsgeschichte Bauteile nach 1945 beim Wiederaufbau der Oper bis zum letzten ermittelbaren Planstand von 1941 in Köln zu verwenden, werden nicht umgesetzt und kaum noch ändern. Die vorgenommenen Modifikaüber den Verbleib der Bauteile ist weiter nichts be- tionen betreffen vor allem Details, wie die konkrete Ausbildung von Sockelstufungen oder das Hinzufükannt.1512 gen von hochrechteckigen Öffnungen in der Attika, aber auch die in die Bogenöffnung der Breitseiten 1507 Fiss 1996, 109. 1508 Sigel 2000, 149. 1509 BA N1340/7, Speer an Brandl 5.4.1967.

264 | Werkver zeichnis

1510 Früchtel 2008, 210. Siehe hierzu auch: Nerdinger 1993, 43; Bärnreuther 1993, 222. 1511 Sigel 2000, 149.

167 Albert Speer, Berlin, Triumphbogen (WV 52), 1.3.37

eingestellten Portiken. Anfangs als Kolonnade mit Doppelsäulen geplant, werden ab 1939 je zwei Achsen zu Rundbogendurchgängen umgestaltet, über denen stehende Gewandfiguren mit Speeren geplant sind. Die Pläne von 1939 entstehen, auch wenn konkrete archivalische Belege fehlen, mit hoher Wahrscheinlichkeit für das Modell, das Hitler anlässlich seines 50. Geburtstags überreicht wird. Auffällig ist, dass entgegen des im Zusammenhang mit Bauten Speers häufig zu beobachtenden Größenwachstums die Entwürfe von 1937 eine Gesamthöhe von 130 m vorsehen, die schon 1939 auf 118 m reduziert wird und auch für den letzten Planstand von 168 Albert Speer, Berlin, Triumphbogen (WV 52), 1941 verbindlich bleibt.1514 ­ nsicht Schmalseite, 27. April 1941 A 1941 wird nur noch Detailplanung betrieben. Im Stadium April 1941 soll die Breitseite an den »Pfei1512 Sigel 2000, 149. 1513 BA R4606/25, Speer an Terboven, 26.8.41.

1514 In gleicher Weise wird die Breite von 188 m auf 170 m zurückgenommen und ebenfalls die Durchlassbreite der seitlichen Rundbogenöffnungen von 41 m auf 35 m reduziert.

B auten ab 1933   |  265

169 Albert Speer, Berlin, Triumphbogen (WV 52), Grundriss auf Höhe der Aussichtsplattform, 26. Februar 1941

170 Albert Speer, Berlin, Triumphbogen (WV 52), Grundriss auf Bodenniveau, 10. März 1941

lern« kanneliert werden, die Schmalseiten nicht. Der Gewicht von 12.650 Tonnen soll in 18,20 m Tiefe ein Detailplan vom August 1941 legt nahe, dass zu die- Bodendruck von 1,26 Meganewton pro Quadratmeter sem Zeitpunkt das Projekt von künstlerischer Seite erreicht werden.1521 Die Versuche sollen ursprünglich weitgehend baureif ist [Abb. 168  ; Abb. 169  ; Abb. nur etwa ein halbes Jahr dauern und der Probekör170]. Das Grundstück wird am 31. Januar 1939 in per daraufhin im Erdreich verschwinden, da an dieder »Bereichserklärung Nr. 40«1515 zum Baubereich ser Stelle eine Erhöhung des Straßenniveaus um 14 m erklärt und damit festgelegt. 1941 wird mit der Bil- vorgesehen wird.1522 Erkenntnisse über zu erwartende dung eines Konsortiums begonnen, das »T« bauen Setzungen an den Gebäuden sind wichtig, weil die Repräsentationsbauten sofort nach der Errichtung mit soll.1516 Schwerbelastungskörper   : Speer erwähnt den einer Werksteinverkleidung mit äußerst dünnen FuSchwer­ belastungskörper in seinen »Erinnerungen« gen versehen werden sollten, um nicht als Rohbauten und nennt ihn als Vorarbeit für die Große Halle, dazustehen, bis die Setzungen abgeklungen sind.1523 was aufgrund der dort herrschenden anderen Unter- Ergebnis der Forschungen am Probekörper ist, dass grundverhältnisse abwegig ist.1517 Der noch bis 1977 eine Gründung ohne zusätzlich verdichtende Behandfür Versuche genutzte Schwerbelastungskörper ist seit lung des Untergrundes nicht möglich ist.1524 1995 als Baudenkmal ausgewiesen.1518 Er wird 1941 durch die Degebo (Gesellschaft für Bodenmechanik) 53 Wohn- und Gar agengebäude Berlin, Hermann-Göring-Str. 16 errichtet, um die Tragfähigkeit des Untergrundes für Ort  : II. 19371525 den Triumphbogen zu prüfen.1519 Die Messreihen Planung  : zerstört können jedoch erst 1946, als die Notwendigkeit nicht Status  : Speer 1978  ; BA R43II  : 1051b  ; 1051c, mehr gegeben war, ausgewertet werden.1520 Mit einem Quellen  : Nach Schäche hatte Hitler sich schon in den ersten Neugestaltungsgesprächen Ende 1936/Anfang 1937 auf die Maße des Bogens festgelegt (Reichhardt/Schäche 2008, 136). 1515 Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005, 7. 1516 Larsson 1978, 53. 1517 Speer 1969, 169. 1518 Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005, 4 f.

266 | Werkver zeichnis

1519 Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005, 5. – Für die Große Halle sind die Versuche an dieser Stelle nicht gedacht, da zum einen im Spreebogen ein gänzlich anderer Untergrund ansteht und zum anderen die Halle im Vergleich zum Bauwerk T 92t/m² anstelle von 114t/m² in den Boden eingebracht hätte (Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005, 26). Ähnliche Probekörper werden

171 Albert Speer, Berlin, Wohn- und Garagengebäude der Reichskanzlei (WV 53), um 1940

Literatur  :

BA R43I  : 1598–1601, 1050, 1047c  ; BA R43/4274a. Schönberger 1981, 42.

Die Errichtung des großen Wohn- und Garagenbaus an der Herrmann-Göring-Str. gehört schon zum ersten Bauabschnitt der Neuen Reichskanzlei, wofür der erst 1934 von Speer gebaute Garagenbau weichen muss. Am 23.3.37 teilt Lammers dem Finanz- Abb. 172  : Adolf Hitler, Berlin, Führerpalast, Ausschnitt aus Skizze, Dezember 1937 ministerium mit, dass Hitler Speer damit beauftragt hätte, entlang der Hermann-Göring-Str. einen Neubau als Garagen- und Wohnbau für die Reichskanz- 54 Führerpalast Berlin, Königsplatz lei aufzuführen.1526 Zu diesem Zeitpunkt wird das Ort  : IV.1937 Honorar für Speer und Piepenburg für den Neubau Planung  : der Wachmannschaftsgebäude auf 4,5 % bzw. 1,5 % Status  : nicht realisiert der Kostenanschlagssumme festgelegt.1527 Fertigge- Quellen  : BHStA Rp.  Sp. Pl. 1794–1796  ; 1797  ; 1799  ; 1800–1803  ; 1818  ; 1828  ; 1831  ; stellt wird das Gebäude noch gegen Ende 1937.1528 1833  ; 1845  ; 1851–1853  ; 1857  ; 1869  ; Es enthält Dienstwohnungen, vor allem für Wach3062 mannschaften und Fahrpersonal. Literatur  :

schon in der Weimarer Zeit eingesetzt, aber auch für die Hamburger Elbhochbrücke oder die Wehrtechnische Fakultät im Grunewald errichtet (Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005, 5). 1520 Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005, 5. 1521 Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005, 14. 1522 Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005, 18.

Reichhardt/Schäche 2008  ; Larsson 1978.

1523 Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005, 26. 1524 Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin 2005, 35. 1525 BA R43II/1051c. 1526 BA NS2/4513, Lammers an Finanzminister, 23.3.37. 1527 BA R43/4272, Lammers an Speer/Lammers an Piepenburg, Juli 1937. 1528 Schönberger 1981, 42.

B auten ab 1933   |  267

173 Albert Speer, Berlin, Führerpalast (WV 54), Grundriss Phase II

Über die Namensgebung dieses Gebäudes herrscht Uneinigkeit. Im Juli 1939 wird es sowohl als »Führerbau«1529 und »Neue Reichskanzlei«1530 als auch als »Haus des Führers«1531 bezeichnet. Zwei Skizzen Hitlers sind erhalten, eine davon datiert Speer auf den Dezember 1937 [Abb. 172]. In den Plänen zur Anlage des Großen Platzes ist der Bau seit April 1937 nachweisbar und die Platzfassade zeigt auch schon den charakteristischen Rundbogen und die Säulenstellung. Korrespondenz, die die Planungsgeschichte erklären würde, existiert nicht. Anhand der Pläne sind vier Phasen auszumachen.

Phase I  : Pläne, die direkt den Palast zum Inhalt hätten, sind aus dieser Phase nicht erhalten. Vielmehr zeigt sich dieser auf Modellen und großen Lageplänen als rechteckige Vierflügelanlage. Die Anzahl der Lichthöfe und ebenso die Anzahl bzw. Ausbildung der Quergebäude variiert. Der Nachfolgebau der »Neuen Reichskanzlei« und der Palast Hitlers sind noch selbstständige Bauten, die nur durch eine schmale Passage miteinander verbunden sind. Die Hauptcharakteristika der Platzfassade sind schon angelegt, die Gestaltung ist verglichen mit anderen gleichzeitigen Entwürfen Speers

1529 BHStA Rp. Sp. Pl. 1795 »Führerbau«, 7.1939.

1530 BHStA Rp. Sp. Pl. 3062.

268 | Werkver zeichnis

174 Albert Speer, Berlin, Führerpalast (WV 54), Grundriss Phase III

reich, im Vergleich zu späteren Planphasen jedoch schlicht. Phase II  : Die Pläne für Phase II sind allesamt undatiert, müssen aber vor August 1940 entstanden sein [Abb. 173].1532 Sie zeigen Reichskanzlei und Führerpalast nun als Einheit infolge von dessen Vergrößerung Richtung Süden. In der Grundstruktur wird der Führerpalast in dieser Phase zur unregelmäßigen Dreiflügelanlage. Der Nordflügel ist wesentlich schmaler als der Südflügel und nimmt im Erdgeschoss nur eine seitliche offene Halle mit darüberliegender Terrasse auf. Der Mittelbau gruppiert sich um vier Lichthöfe. Die Asymmetrie im Grundriss ist dadurch, dass der Südflügel die Breite des Reichskanzleibaus aufnimmt und der südlichste Lichthof zur Hälfte in

dessen Breite liegt, für den Betrachter, sowohl von der Platz- als auch von der Gartenseite aus, nicht wahrnehmbar. Das Tor in der Platzfassade führt in einen Eingangshof. In der Achse des Zugangs liegt im gartenseitigen Westflügel ein großes ovales Treppenhaus. Der Südflügel enthält neben kleineren Büros zum Garten hin auf der Südseite einen Saal, der in einen Vorsaal mündet, von dem aus das am Kopf­ ende des Flügels liegende Arbeitszimmer Hitlers zu erreichen ist. Obergeschossgrundrisse sind nicht erhalten. Eine Skizze deutet an, dass für die Wohnung Hitlers der Gartenflügel südlich des großen Treppenhauses vorgesehen ist. Geplant sind dort lediglich zwei Schlafzimmer, jeweils mit Bad und Ankleiden, ein kleines Wohnzimmer, ein weiteres Arbeitszimmer und eine Bibliothek. Der Querflügel, der ebenfalls skizziert

1531 BHStA Rp. Sp. Pl. 1794 »Haus des Führers«, 9.1940.

1532 BHStA Rp. Sp. Pl. 1852; 1857.

B auten ab 1933   |  269

175 Albert Speer, Berlin, Führerpalast (WV 54), Grundriss Phase III

270 | Werkver zeichnis

176 Albert Speer, Berlin, Führerpalast (WV 54), Aufriss Saal

ist, dient der Aufnahme von Wachmannschaften und Offizieren. Parallel zur großen Galerie befinden sich weitere Schlafzimmer mit Bad. Weitere Pläne und Skizzen zeigen Varianten des großen Treppenhauses und ein über dem Eingangshof liegendes Theater.1533 Phase III  : Phase III, datiert auf August 1940, übernimmt die Grunddisposition von Phase II, erweitert aber nochmals die Grundfläche und das Raumprogramm [Abb. 174].1534 Das in den Varianten von Phase II schon vorhandene Theater wird an die Westspitze des Nordflügels verlegt, wozu dieser, wie auch der Südflügel, abgewinkelte Kopfbauten erhält, die den Garten zangenartig umfassen. Wesentlicher Unterschied ist die Lage von Hitlers Arbeitszimmer. Dieses liegt nun nicht mehr am Kopfende des Südflügels, sondern, grundsätzlich ähnlich wie bei der Neuen Reichskanzlei, in der Mitte der Gartenfassade des Südflügels. 1533 BHStA Rp. Sp. Pl. 1851; 1853. 1534 BHStA Rp. Sp. Pl. 1831. 1535 Damit wäre es nur etwa einen Meter höher gewesen als jenes in der Neuen Reichskanzlei. Dieses maß 24 m in der Länge, 14,5 m in der Breite und 9,75 m in der Höhe

Der Saal von Phase II wird nun zu einer langen, schmalen Galerie, die etwa die halbe Flügelbreite einnimmt und in einen quadratischen Saal mündet, von dem aus Hitlers Arbeitszimmer nach einem Rechtsschwenk um 90° zugänglich ist. In der Verlängerung der Achse der Galerie liegt ein als »Diplomatensaal« bezeichneter Raum, während der Kopfbau Räume für das OKW und einen Kartensaal aufnimmt. Die innere Organisation des Flügels bleibt auch im letzten erhaltenen Projekt gleich. Er soll im Erdgeschoss neben dem 11 m1535 hohen Arbeitszimmer Hitlers noch die Räume der Adjutanten aufnehmen, die allerdings mit 4 m Raumhöhe wesentlich niedriger ausfallen. Darüber werden offenbar die Wohnräume der Adjutanten und im zweiten Obergeschoss die Sekretariate untergebracht. Phase IV  : Von der vierten Projektphase sind ausgearbeitete Grundrisse von allen vier Geschossen erhalten.1536 Noch im August werden die in Phase III angedeuteten (Schönberger 1981, 104). 1536 BHStA Rp. Sp. Pl. 1796; 1797; 1799; 1802. – Bindeglied zwischen Phase III und IV ist die Skizze BHStA Rp. Sp. Pl. 1869, bei der die zangenartigen Kopfbauten schon fehlen.

B auten ab 1933   |  271

177 Albert Speer, Berlin, Führerpalast (WV 54), Saalstirnwand

Änderungen ins Reine gezeichnet, sodass am 3. SepDer Aufriss der Seitenschiffe ist zweizonig und tember 1940 der Erdgeschossgrundriss vorliegt und am korrespondiert in seiner Gliederung mit der Kämp12. des Monats die anderen. Im Vergleich mit Phase III ferhöhe des Mittelschiffs. Getrennt werden die Zonen fällt das Fehlen der zangenartigen Kopfbauten auf. von mehrfach gestuften Gurtgesimsen, die ihrerseits Nur vier Pläne sind mit Sicherheit dem Inneren des ihre Pendants in Sockel- und Abschlussgesimsen unter Führerpalastes zuzuordnen. Sie geben dennoch einen der Decke finden. Ungegliederte Wandflächen finden guten Eindruck davon, wie die Innengestaltung zu er- sich ausschließlich in den Zwickelflächen über den warten gewesen wäre. Die Pläne zeigen einen 135 m Arkaden. Ausnahmslos sind alle anderen Bereiche der auf 67 m messenden Saal. In den Gesamtgrundrissen Wände, einschließlich der Gurtbögen des Gewölbes, ist er nicht wiederzufinden. Da er aber erst nach dem mindestens durch eingetiefte Felder, teils mit dort letzten erhaltenen vom 3. September 1940 entsteht – angebrachten Beleuchtungskörpern oder vorgestelldatiert ist er vom 20. September 1940 –, wird deutlich, ten Vollsäulen, untergliedert. Beide Außenwände der dass die Planung am Palast noch nicht abgeschlossen Seitenschiffe sind großzügig durchfenstert, hätten jeist und nur ein wohl zufälliger Planungsstand überlie- doch keinen direkten Ausblick durch die stehenden fert ist. Der Saal ist dreischiffig mit einem tonnenge- Rechteckfenster erlaubt, da die Sohlbänke etwa drei wölbten Mittelschiff und flachgedeckten Seitenschif- Meter über dem Boden eingeplant sind. Jeweils drei fen. Diese sind im Vergleich zum Mittelschiff (29 m) Achsen entsprechen einem Joch des Mittelschiffes. In sehr schmal (11 m) und durch acht breite Scheidar- der unteren Zone ist die jeweils mittlere Achse blind kaden, beinahe schon als Quertonnen anzusprechen, und weist nur ein eingetieftes Feld mit Beleuchtungszugänglich [Abb. 176]. Sämtliche Tonnengewölbe körpern auf, während oben ein Fenster eingesetzt ist. sind mit oktogonalen Kassetten versehen. Die beiden Achsen daneben werden durch vor der ei-

272 | Werkver zeichnis

178 Albert Speer, Berlin, Führerpalast (WV 54), Ansicht der Fassade zum Großen Platz

gentlichen Wandfläche stehende »dorisierende« Voll- eine Überhöhung der rechteckigen Figurennische säulen gerahmt, die auf dem etwa mannshohen So- erreicht, die zudem durch eine Schrifttafel und ein ckel stehen, der dazu vor den Fenstern entsprechend Hoheitszeichen akzentuiert ist. Die seitlichen Figuvorspringt. Auf dem über die Säulen gelegten Archi­ rennischen nehmen dagegen das Konchenmotiv der trav stehen die Säulen der oberen Fensterädikulen, die Seitenschiffe auf. Entwürfe für die Hauptfassade zum Großen Platz ebenfalls von einem Architravstück komplettiert werden. Die Stirnwände zeigen sich gesondert behandelt, hin existieren vom 24. Juli 1939 und vom 19. Mai die Gliederung der Seiten läuft nicht um [Abb. 177]. 1941. Der Unterschied zwischen beiden ist marginal Übernommen wird das Prinzip der übereinander­ und beschränkt sich auf die Änderung der Rustika gestellten Ädikulen, die anstelle der Fenster in den des Sockels, das Durchstoßen eben jenes Sockels Seitenschiffen Konchen rahmen. durch die Rustikarahmung des Portals und das HinDie Stirnwand des Mittelschiffs zur langen Ga- zufügen eines Fahnenmastes auf dem erhöhten Mitlerie dagegen weist drei Achsen auf, die doppel- telbau [Abb. 178]. Der einmal aufgestellte Entwurf stöckig mit Ädikulen versehen sind. Diese stehen wird also nicht mehr verändert, sondern nur noch bühnenartig auf einem Podest, das die Höhe des der Grundriss dahinter. umlaufenden Sockels vorgibt. Die drei unteren sind Auffällig ist, dass sämtliche Stellen, an denen dies grundsätzlich identisch gestaltet bis auf die Tatsa- möglich ist, mit Dekorformen versehen sind. Wie che, dass die beiden äußersten Säulen verdoppelt schon beim Außenbau soll die Würde bzw. der Rang sind, also nur die Mittelädikula in sich symmetrisch des Gebäudes nicht nur durch die verwendeten Einist. Unter den Architraven hindurch führen hohe, zelformen, sondern vielmehr durch deren Anzahl hochrechteckige Durchgänge in die lange Galerie. gesteigert werden. Im Zuge der Dekorzunahme Im oberen Geschoss wird die Mittelachse durch gibt es bei den simultan nach einheitlichen Vorga-

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ben geplanten Bauten anscheinend schlichtweg das führen das Zitat »Die Zentrale des Reichs […] muß Problem, dass es schwierig wird, die Stellung des wie eine Festung verteidigt werden können«, das Gebäudes in der Hierarchie noch eindrücklich zu Speer Hitler in den Mund legt, ad absurdum und vermitteln. lassen an eine nachträgliche Dichtung Speers denAuch wenn der Anmarschweg für die Diploma- ken.1537 ten im Vergleich zur Neuen Reichskanzlei beinahe doppelt so lange werden sollte, fehlt ihm dessen 55 Anfang R eichsautobahn Salzburg Piding bei Salzburg spannungsreicher Wechsel zwischen Räumen ver- Ort  : VI.1937 schiedenen Charakters. Die Vorfahrt erfolgt nicht Planung  : nicht realisiert in einem umschlossenen Hof, der als erster »Raum« Status  : BHStA Rp. Sp. Pl. 1737–1750  ; 1754– der Abfolge betrachtet werden muss, sondern in der Quellen  : 1755  ; Völkischer Beobachter, 34, 3.2.38. äußersten Ecke eines riesigen Platzes in einem Winkein Nachweis kel zwischen dessen Zaun und dem Gebäude. Die Literatur  : Raumfolge der Neuen Reichskanzlei in der Voßstraße entsteht nicht zuletzt wegen der Form des In der nationalsozialistischen Presse wird behauptet, Grundstücks. Sie erhält deswegen den »Mosaiksaal«, dass das Bauwerk auf Skizzen Hitlers beruht, die der, nur weil seitlich Büroräume angeordnet waren, jedoch nicht überliefert sind. Errichtet werden soll nicht durchfenstert ist und den »Runden Saal«, der es in Piding an der Grenze zu Österreich. Geplant in dieser Form nötig ist, um den Knick in der Achse sind zwei 68 m hohe Türme aus rotem Königseer zu kaschieren. Das Arbeitszimmer Hitlers dagegen Marmor. Ähnliche Eintrittspforten in das nationalmuss in der Mitte der Galerie liegen, weil an dessen sozialistische Reich sollen an allen Endpunkten der Ende der Diplomaten- bzw. der Empfangssaal liegt, Autobahnen entstehen und der Blick von deren Ausder den maximalen Anmarschweg haben sollte. Ge- sichtsplattformen über die Grenze reichen.1538 Die ersten Entwürfe datieren vom Juni 1937 und nau dieses Grundmotiv soll für den Nachfolgebau wieder aufgenommen werden, nachdem im II. Pro- zeigen einen runden Platz, der zwischen der RAB jekt zunächst das Arbeitszimmer Hitlers am Ende und dem schräg zu deren Achse liegenden Zollhof der Achse gelegen hätte. Mit einer variantenreichen vermittelt [Abb. 179]. Der runde Platz wird von Raumfolge wie in der Neuen Reichskanzlei kann einem Ring aus Parkplätzen, einem Restaurant im der Führerpalast nicht aufwarten, diese wird durch Norden und einer Werkstatt mit Tankstelle im Süschiere Größe abgelöst. Es ist immer noch ein Wech- den umgeben. Im Zentrum steht ein einzelner Pfeisel von größeren und riesigen Räumen zu durchque- ler mit einem weit ausladenden Hoheitszeichen auf ren, dennoch sind diese in einer Achse angeordnet der Spitze [Abb. 180].1539 Parallel dazu wird frühestens ab August 1937 und dürften in der Abfolge der immer gleichen Dekorationsformen in zwanzig und mehr Jochen nicht eine Variante mit zwei Pfeilern entwickelt, zwischen die gleiche Spannung aufweisen wie die Achse in der denen eine 13 m hohe Inschriftentafel steht [Abb. Neuen Reichskanzlei. Da dieser Weg für ein ratio- 182]. Um diese sinnvoll einbinden zu können, wird nelles Regieren unter Normalbedingungen mehr als der Zollhof in Verlängerung der Autobahn geplant. unpraktisch gewesen wäre, wird im Gegensatz zur Gaststätte und Tankstelle nehmen nun auch nicht Neuen Reichskanzlei direkt gegenüber des »Führer- mehr den gesamten runden Platz ein, sondern sind arbeitszimmers« ein Portal angeordnet. Diese Tatsa- auf schmale Sektoren im Norden und Süden beche und die reiche Durchfensterung der Südfassade grenzt [Abb. 181]. 1537 Speer 1969, Abbildungsteil nach S. 160. 1538 BA R58/8031, Völkischer Beobachter, 34, 3.2.38.

274 | Werkver zeichnis

1539 BHStA Rp. Sp. Pl. 1742 u. 1738.

179 Albert Speer, Piding, Anfang der Reichsautobahn (WV 55), 15.6.1937

180 Albert Speer, Piding, Anfang der Reichsautobahn (WV 55), 21.10.1937

181 Albert Speer, Piding, Anfang der Reichsautobahn (WV 55), August 1937 182 Albert Speer, Piding, Anfang der Reichsautobahn (WV 55), August 1937

183 Albert Speer, Piding, Anfang der Reichsautobahn (WV 55), 21.10.1937

184 Albert Speer, Piding, Anfang der Reichsautobahn (WV 55), 7.1.1938

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185 Albert Speer, Piding, Anfang der Reichsautobahn (WV 55), nach März 1938

In einer weiteren Variante, die ab Oktober 1937 nachzuweisen ist, wird die Disposition der Pfeiler und der 186 Albert Speer, Obersalzberg, Atelierhaus (WV 56), mutmaßlich erstes Projekt, undatiert Schrifttafel beibehalten, der Platz jedoch deutlich verändert. Gaststätte und Werkstatt bleiben an ihren Plätzen, der Platz jedoch wird nun als lang gestrecktes Rechteck geplant [Abb. 183]. Diesem Entwurf scheint letztlich der Vorzug gegeben worden sein, denn obwohl das Monument als gigantischer Grenzstein mit dem »Anschluss« Österreichs am 12.3.1938 in seiner eigentlichen Funktion natürlich hinfällig ist, wird der Entwurf dahingehend aktualisiert, dass der Zollhof wegfällt und nur noch eine äußerst aufwen187 Albert Speer, Obersalzberg, Atelierhaus (WV 56), dige Autobahnraststätte übrig bleibt [Abb. 185]. Juli 1937

56 Atelierhaus Obersalzberg (Meisterlehen)

Zum Bau des Atelierhauses existieren außer den Plänen keine weiteren direkten Quellen. Aus den Plänen geht zumindest hervor, dass anfangs nicht geplant ist, an dieser Stelle ein Ateliergebäude zu errichten, sondern zunächst ein reines Wohnhaus vorgesehen wird. Dieses ist im Grundriss ausschließlich dem familiären Wohnen angepasst und Speers Korrektur im Grundriss vom

Juli 1937 ist dahingehend zu deuten, dass er drei Kinderschlaf- und ein Spielzimmer im Obergeschoss unterbringen will. Daraus kann erschlossen werden, dass Speer zunächst an den Neubau eines Wohnhauses für sich denkt. Ein vermutlich erster, undatierter Plan1540 [Abb. 186] zeigt das Haus noch als reine Holzkonstruktion mit umlaufendem Balkon im ersten Obergeschoss. Die datierten Pläne ab Juli 1937 zeigen dagegen eine Mischkonstruktion mit einem Erdgeschoss aus Bruchstein und einem Obergeschoss in Blockbauweise, das dem später realisierten Bau schon recht nahekommt [Abb. 187]. Dieser Entwurf ist zudem gegenüber dem undatierten wesentlich vergrößert. Erst ab November 1937 sind Planungen für das »Waltenbergerheim« [WV 59] nachweisbar. Diese gehen einher mit der zweiten Planungsphase für das

1540 BHStA Rp. Sp. Pl. 2168.

1541 BHStA Rp. Sp. Pl. 2287.

Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

Berchtesgaden, Obersalzberg ab VI.1937 erhalten BA R4606/22, 84, BA R4606/104  ; BHStA Rp. Sp. Pl. 2167–2175, 2261, 2265–2273, 2287, Speer 1969, 98. Hartmann 1989, 72–73.

276 | Werkver zeichnis

189 Albert Speer, Obersalzberg, Atelierhaus (WV 56), Ansicht von Westen. Februar 1938 188 Albert Speer, Obersalzberg, Atelierhaus (WV 56), Grundriss 1. Obergeschoss, Juli 1937

190 Albert Speer, Obersalzberg, Atelierhaus (WV 56), Grundriss Untergeschoss. Februar 1938

191 Albert Speer, Obersalzberg, Atelierhaus (WV 56), Grundriss Erdgeschoss. Februar 1938

»Bürohaus«, die ab Februar 1938 Niederschlag im erhaltenen Planmaterial findet [Abb. 189]. Es ist dann offenbar geplant, das sogenannte »Bergbüro« aus der Stadt Berchtesgaden herauf auf den Obersalzberg zu verlegen. Dazu wird die Wohnnutzung aufgegeben, das »Waltenbergerheim« für die Familie Speer umgebaut und das ganze Gebäude zu einem funktionalen Bürogebäude umgeplant. Im Keller wird eine eigene Modellwerkstatt eingerichtet [Abb. 190], das Erdgeschoss künftig von zwei großen Zeichenräumen, dem Büro der Sekretärin und Speers Arbeitszimmer eingenommen [Abb. 191]. Das Dachgeschoss 192 Albert Speer, Obersalzberg, Atelierhaus (WV 56), Grundriss Dachgeschoss. Februar 1938 beherbergt zentral einen großen Modellraum und weitere Arbeitsräume [Abb. 192]. Im Gegensatz zum vorangegangenen Projekt zeigt dieser, frühestens ab März 1938 ausgeführte Entwurf auch die charakteristischen »Atelierfenster«.1541 Der Entwurf ist sta-

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tisch schwierig und widerspricht dem Prinzip, alle Lasten auf möglichst kurzem Weg in das Fundament einzuleiten.1542 Einige Pläne im BHStA tragen einen Atelierstempel von Roderich Fick. Das Haus steht auf dem Grund und Boden der »Arbeitsgemeinschaft Obersalzberg«. Möglicherweise deshalb, weil auch sonst für die AG tätig, ist Fick auch bei dieser Planung mit eingebunden. Die Fertigstellung dürfte nicht vor Ende des Jahres erfolgt sein, denn das Haus im Ostertal wird offenbar erst in den ersten Monaten des Jahres 1939 vollständig geräumt.1543

Der Südbahnhof soll Endpunkt der Nord-Süd-Achse werden und einen Großteil des Verkehrs aufnehmen, der bislang von den dann stillgelegten Kopfbahnhöfen im Zentrum abgewickelt wird. Ohne dieses Bauvorhaben ist die Achse nicht möglich, da sonst keine Bahnflächen in der Innenstadt frei werden. Daher besitzt der Bahnhof für die Realisierung der Neugestaltungsplanungen eine Schlüsselfunktion und muss bevorzugt gebaut werden. Die Fertigstellung ist für 1945 vorgesehen,1546 denn die Inbetriebnahme ist Voraussetzung für alle anderen Baumaßnahmen. Der Anteil Speers bei diesem Bauvorhaben ist 57 Windfang mit Altan schwer zu quantifizieren. Speer tritt in jedem Fall als Ort  : Berlin, Wilhelmstraße 77, Alte ReichsVermittler der Wünsche Hitlers auf.1547 Nach Fest kanzlei übergibt ihm Hitler eine Skizze, die er als Nr. 123, Planung  : VIII.1937 datiert »etwa 1924«, in seiner Liste der FührerskizStatus  : Ruine der Alten Reichskanzlei nach 1945 zen führt. Später soll Hitler angeblich nicht mehr abgebrochen auf seine Skizze zurückgekommen sein, rühmt sich Quellen  : BA R2/4508, 252–253  ; BA R43II/1056a. Speer, weil ihm der Speer-Entwurf so gut gefiel.1548 Literatur  : Arnold/ Janick 2009, 61. Er selbst führt den Bau als ein Projekt, das in seinem Privatbüro entworfen wird. Dafür finden sich Der Antrag für diesen Anbau erreicht das Finanzmi- allerdings kaum Anhaltspunkte. Vielmehr sieht es nisterium am 9. August 1937 und beinhaltet eine so aus, als wenn er schon in einem frühen ProjektBausumme von 40.000 RM.1544 Vor dem ehemali- stadium auf andere Arbeitskräfte zurückgreift. Die gen Kabinetts- bzw. Kongresssaal wird ein Altan auf ersten Entwürfe zeichnet Emil Kleinschmidt, davier Säulen errichtet.1545 mals noch bei der Reichsbahnbaudirektion Berlin beschäftigt.1549 Im Krieg werden die Entwürfe dann 58 Südbahnhof im Privatatelier Rimpl,1550 unter anderem vom dort Ort  : Berlin Nord-Süd-Achse tätigen Bauhaus-Schüler Gerhard Weber,1551 weiter­ Planung  : X.1937 entwickelt. Dementsprechend finden sich in der Status  : nicht realisiert Plansammlung Speer im BHStA auch keine Pläne Quellen  : BA R4606/58  ; BA R4606/1094, Bauwelt, des Südbahnhofs. Heft 42/1938, S. 962  ; Bauwelt, Heft Die einzelnen Projektstadien sind bislang noch 38/1937. nicht aufgearbeitet. Gemeinhin wird davon ausgeLiteratur  : Larsson 1978, 52  ; Nerdinger 1993a, 162  ; gangen, dass ein Stahlskelett mit KupferplattenverBartetzko 1997, S. 214  ; Kuhlmann 2006  ; kleidung und Glasausfachung errichtet werden soll  ; Keilmann 2006  ; Reichhardt/Schäche 2008, auf der Nord-Süd-Seite soll das oberste Geschoss 140. etwas zurückgenommen werden, um die Eingangs1542 Har[t?]mann 1989, 72. 1543 BA R4606/22, 84, Speer an Büro Giesler, 19.2.39. 1544 R2/4508, 252, Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei an Reichsminister der Finanzen, 6.8.1937. 1545 Arnold/ Janick 2009, 61. 1546 Larsson 1978, 53.

278 | Werkver zeichnis

1547 R4606/58, 196. 1548 Fest 2005a, 34. 1549 Emil Kleinschmidt ist zunächst Hochbaudezernent der Reichsbahndirektion Mainz und wird Mitte 1937 zur »Leitung der Umgestaltung der Hochbauten auf den Berliner Bahnhöfen« nach Berlin berufen. Siehe hierzu: Bauwelt,

193 Albert Speer, Obersalzberg, Haus Speer (WV 59), Grundriss Obergeschoss, 12. November 1937

194 Albert Speer, Obersalzberg, Haus Speer (WV 59), Möblierungsplan Erdgeschoss, 15. November 1937

hallenfronten – quadratische Glasflächen zwischen breiten Mauerflächen – etwas hervorzuheben.1552 59 Umbau Haus Speer (Waltenbergerheim) Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berchtesgaden, Obersalzberg XI.1937 erhalten BHStA Rp. Sp. Pl. 2049, 2085–2088, 2104, 2105, 2116, 2117. Chaussy 1995, 144  ; Breloer 2005b, 205.

Das schon länger bestehende »Waltenbergerheim«, das Speer in unmittelbarer Nähe des Atelierhauses bezieht, ist nicht außergewöhnlich groß. Der geringen Größe Heft 38/1937. 1550 Siehe hierzu: Keilmann 2006. 1551 Nerdinger 1993a, 162. 1552 Siehe hierzu: Reichhardt/Schäche 2008, 140; Larsson 1978, 52.

195 Albert Speer, Obersalzberg, Haus Speer (WV 59), Deckenplan und Wandabwicklung

B auten ab 1933   |  279

196 Albert Speer, München, Denkmal der Partei (WV 60), drei Varianten des Denkmals, 18. November 1937

entgegen steht allerdings der Aufwand, der beim Umbau im Inneren betrieben wird. Alle Zimmer, von denen Pläne erhalten sind, zeigen vertäfelte oder mit Stoff bespannte Wände. Unklar ist jedoch, inwieweit die Entwürfe im Büro Speer selbst entstehen. Einige Pläne entstammen sicher dem Büro Speer (z. B. BHStA Rp. Sp. Pl. 2088), andere dagegen ebenso zweifelsfrei dem Büro Roderich Ficks (z. B. BHStA Rp. Sp. Pl. 2104, 2105). Vor allem für die Details der wandfesten Innenausstattung und die Möblierung zeichnet Speers Mitarbeiter Albert Dieffenbach verantwortlich. Die Inneneinrichtung wird zumindest in Teilen auch von den Vereinigten Werkstätten in München konzipiert. Die Baugeschichte ist aus den Akten des BHStA nicht zu ermitteln. Die ältesten datierten Pläne entstammen dem November 1937. Die Inneneinrichtung ist nicht vor April 1938 abgeschlossen.1553 Das Haus gehört Speer nicht persönlich, sondern es ver1553 BHStA Rp. Sp. Pl. 2085.

280 | Werkver zeichnis

bleibt im Besitz der NSDAP, die auch die Renovierungsarbeiten bezahlt.1554 60 Denkmal der Partei Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

München, Ost-West-Achse, anstelle des alten Hauptbahnhofes XI.1937 nicht realisiert BHStA Rp. Sp. Pl.: 3054, 2946–2957  ; Speer 1969, 158. Früchtel 2008, 191.

Das »Denkmal der Partei« wird von Früchtel aufgrund des Zusammenhangs mit der Neugestaltung Münchens in seiner Giesler-Monografie detailliert aufgearbeitet. Speer setzt 1937 nur die Skizze Hitlers in Pläne um und liefert ihm verschiedene Varianten. Ab Mitte 1939 scheint sich Giesler mit dem 1554 Chaussy 1995, 144.

Denkmal befasst zu haben. In den ersten Kriegsjahren erfolgt die baureife Durchplanung. Er orientiert sich aber weiterhin am Entwurf Speers, der auf der Skizze Hitlers beruht.1555 61 Autobahnmonument Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Mannheim, Augustaanlage XII.1937 nicht realisiert SA-MA, Ratsprotokolle 21.12.37 + 12.12.38. Rings 1994.

197 Albert Speer, Entwurf für ein Bürogebäude (WV 62)

Um den Repräsentationscharakter der Mannheimer Autobahnauffahrt noch zu erhöhen, erhält Speer den Auftrag, die Auffahrt durch ein Dienstgebäude der Wehrmacht und der Partei zu flankieren. Die beiden Bauten sollen als Eingangsportal zur repräsentativen Augustaanlage dienen. 62 Entwurf für ein Bürogebäude Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berlin, Nord-Süd-Achse unbekannt, wohl nach 1937 nicht realisiert Speer 1978, 99. kein Nachweis

Zusammen mit der Skizze für einen Justizpalast veröffentlicht Speer diese Skizze 1978 in seinem Architekturband. Weitere Angaben zu diesem Entwurf, insbesondere auch zur Echtheit der Skizze, können nicht gemacht werden. Der Arkadengang im Erdgeschoss erinnert an das »Haus des Fremdenverkehrs« am Runden Platz. Abweichend von anderen Entwürfen für Bauten an der Achse verfügt er über ein Mansarddach.

198 Albert Speer, Entwurf für einen Justizpalast (WV 63)

Zusammen mit der Skizze für ein Bürogebäude veröffentlicht Speer diese Skizze 1978 in seinem Architekturband. Weitere Angaben zu diesem Entwurf können nicht gemacht werden. 64 Sta atsatelier Thor ak

63 Entwurf für einen Justizpalast

Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Literatur  :

Berlin, Nord-Süd-Achse unbekannt, wohl nach 1937 nicht realisiert Speer 1978, 99. kein Nachweis

Baldham, Fichtenstraße 44 I.1938 erhalten BA R4606/68, 138 + 139  ; BA R4606/3285  ; BHStA Rp. Sp. Pl. 1768– 1781  ; 2189–2192, 2194, 2195, 2198, 2201, 2204,2206, 2209, 2211–2213, 2216, 2217, 2226, 2227, 2229, 2255. Breloer 2005b, 223  ; Nerdinger 2006.

1555 Früchtel 2008, 191.

B auten ab 1933   |  281

199 Albert Speer, Baldham, Staatsatelier Thorak (WV 64), Aufriss, 16.1.1938

200 Albert Speer, Baldham, Staatsatelier Thorak (WV 64), Aufriss, 16.1.1938

282 | Werkver zeichnis

201 Albert Speer, Baldham, Staatsatelier Thorak (WV 64), Grundriss Erdgeschoss.

Der Vorlauf der Planung ist offensichtlich länger, denn Anfang Dezember 1937 beklagt sich Joseph Thorak über den schleppenden Fortgang seines Atelierbaus. Er fürchtet gar, dass dieser gar nicht mehr realisiert wird. Trotzdem will er sich nicht direkt an Hitler wenden und wählt den Weg über Speer.1556 Thoraks Sorge ist unbegründet, denn Hitler weist die bayerische Finanzverwaltung dazu an, das 5,5 ha große Gelände in Baldham anzukaufen und dort dann die Errichtung des Ateliers zu finanzieren.1557 Kostendisziplin ist für keinen der am Bau Beteiligten ein Thema, und so teilt Fritz Gablonsky Speer mit, dass er hofft die Gartengestaltung nebst Schwimmbecken für rund 250.000 RM noch durchführen zu können. Genehmigt seien 1,3 Mio. RM, weswegen ohnehin mit 1,55 Millionen RM zu rechnen sei.1558 Zwei Entwurfsphasen können ausgemacht werden. Das erste Projekt vom Januar 1938 zeigt einen kompakten Bau auf rechteckiger Grundfläche [Abb. 199 – Abb. 201]. Der große Atelierraum wird L-förmig von Nebenräumen umgeben. Für dieses Projekt werden zwei Torlösungen entwickelt. Die dreitürige Lösung nimmt mit der asymmetrischen Anordnung der Tore Rücksicht auf den Grundriss. Reicher gestaltet ist die Lösung mit zwei Toren, die in einem nur wenig vor1556 BA R4606/3285, 14, Thorak an Speer, 2.12.37. 1557 Nerdinger 2006, 67.

202 Albert Speer, Baldham, Staatsatelier Thorak (WV 64), Ansicht von Norden

203 Albert Speer, Baldham, Staatsatelier Thorak (WV 64), Aufriss Südfassade, März 1938

tretenden Risalit angeordnet sind. Die symmetrische Fassade wird zudem durch drei figürliche Plastiken neben und zwischen den Toren gegliedert. Realisiert wird das zweite Projekt, das ab März 1938 nachweisbar ist [Abb. 202 – Abb. 205]. Der große Atelierraum liegt nun zentriert im Gebäude und der Kranz von Nebenräumen läuft durchgehend um. Er wird zudem um eine Fensterachse über die Flucht der Toranlage hinausgezogen. Der größte Unterschied offenbart sich in der Außenansicht. Die 1558 BA R4606/3285, 1, Gablonsky an Speer, 16.1.1940.

B auten ab 1933   |  283

204 Albert Speer, Baldham, Staatsatelier Thorak (WV 64), Grundriss

ehemals zweigeschossig angelegten Nebenräume steinglieder gemeinsam haben. Die Tore messen sind nur noch eingeschossig und hinter diesen steigt 4 x 11,5 m und täuschen Massivität vor, sind aber in beinahe basilikaler Manier der hohe Atelierraum als leichte Aluminiumkonstruktion ausgeführt und auf. Im Unterschied zum zweitorigen Entwurf ist der können so problemlos von Hand geöffnet werden.1559 Der Bau muss bald nach Vorliegen der Pläne beerrichtete Bau nicht durchgängig mit Werkstein verkleidet, sondern nur Sockel, Gebäudekanten und ein gonnen worden sein, wie Probleme mit der Baustoffniedriger Streifen unterhalb des Traufgesimses sind versorgung im Juni 1938 andeuten, die durch das von der verputzten Wand abgesetzt. Für alle Fassa- Kontingent des Führers gelöst werden.1560 Ausgeführt den werden verschiedene Fenster- und Türlösungen wird der Bau nicht von Speer selbst, sondern durch untersucht, die jedoch stets die gleiche Grunddis- den beauftragten Architekten Josef Schatz, aus Grünposition und eine identische Gestaltung der Werk- wald bei München.1561 Knapp ein Jahr später wird das 1559 Nerdinger 2006, 67. 1560 BA R4606/3285, 12. 1561 BA R4606/3285, 12, Speer an Lammers, 22.6.38.

284 | Werkver zeichnis

1562 »mein lieber speer ich muss dir sagen/ du hättest doch die fahrt sollen wagen/ mein haus wird gut mein richtfest besser/ mein bier färbt uns die jungen naesser/ die stunden

205 Albert Speer, Baldham, Staatsatelier Thorak (WV 64), Aufriss Nordfassade

Richtfest am 23.2.1939 gefeiert, zu dem neben Speer auch Hitler eingeladen ist. Beide nehmen jedoch nicht teil.1562 Der Krieg führt zu Stockungen im Bauverlauf. Vornehmlich aber aus finanziellen Gründen sind im Januar 1941 die Innenausstattung sowie Gartengestaltung und Schwimmbecken noch nicht vollendet.1563 Nach dem Krieg, den es unbeschadet übersteht, dient es verschiedenen Zwecken und wird unter anderem als Kulissenlager der Bayerischen Staatsoper genutzt. Heute dient es als Depot des Denkmalamtes. 65 Gemäldegalerie und Stadion Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Linz 1938, Frühjahr nicht realisiert BA R3/1733, 22  ; Speer 1969, 113 + 163. kein Nachweis

Über die geplante Gemäldegalerie und das Stadion ist nicht viel zu erfahren. Auffällig ist, dass Speer sie werden schoener mit jedem schlag/ es grüßt dich herzlich = dein thorak« (BA R4606/3285, 2 u. 5, Telegramm Thorak an Speer, 23.2.39).

zweimal in seinen »Erinnerungen« erwähnt. Zum einen schreibt er, dass Hitler ihm die Entwürfe »zugedacht« habe, zum anderen erklärt er, dass die Entwürfe Teil eines Handels gewesen seien, weil er ansonsten eine Rede zur Eröffnung der Ost-WestAchse hätte halten müssen.1564 In den Archivalien stellt es sich jedoch so dar, dass Speer zusammen mit anderen Architekten Hitler bittet, ihm in seiner Lieblingsstadt einen Bau errichten zu dürfen. »Auf meinen Vorschlag haben die ersten Architekten des Führers ihn gebeten, in seiner Jugendstadt je einen Bau entwerfen zu dürfen, so daß außer Prof. Fick, Professor Giesler das Rathaus, Professor Gall die Bibliothek, Professor Kreis die Gauanlage und ich die Galerie und später das Stadion entwerfen sollen.«1565 Zeichnungen Speers sind nicht erhalten, wohl aber eine größere Anzahl von, bislang nicht auf Echtheit 1563 BA R4606/3285, 1, Gablonsky an Speer, 16.1.1940. 1564 Speer 1969, 113 u. 163. 1565 BA R3/1733, 22.

B auten ab 1933   |  285

206 Albert Speer, Rom, Projekt für die Weltausstellung 1942 (WV 66), Seitenansicht. Links der zentrale Turm, rechts die massigen Endpavillons der Seitenflügel, Mai 1939

überprüften, Skizzen Hitlers, der sich mit beiden Bauten intensiv beschäftigt. 66 Weltausstellung 1942 Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

Rom V.1939 nicht realisiert BA R43II/340  ; BA NS6/232  ; BA NS6/333, BA R 55/1365  ; BA R55/178, BHStA Rp. Sp. Pl. 1783–1793. Scarrocchia 1999, 52  ; Sigel 2000.

67 Erweiterung Empfangssa al Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Literatur  :

Berlin, Neue Reichskanzlei 1939 nicht realisiert, Neue Reichskanzlei nach 1945 abgebrochen BHStA Rp. Sp. Pl. 1628-7, 1662, 1663, 1665, 1666  ; BA R43/II 1119a  ; BA R43/II 1056b  ; Speer 1969, 128. Schönberger 1981, 94  ; Arnold/Janick 2009, 106.

Speer gibt vor, dass Hitler der Empfangssaal zu klein 1937 hat Deutschland in Paris an der Weltausstel- geraten ist. Daher habe er die Vergrößerung angeordlung teilgenommen, plant aber keine Beteiligung in net, für die die Pläne zu Kriegsbeginn bereitlagen.1567 Die Breite des Saales von 16,50 m1568 wird durch New York 1939. 1942 ist in Rom eine Weltausstellung geplant, die gleichzeitig eine 20-Jahr-Feier für den Umbau kaum verändert, die Länge wächst dagedas faschistische Regime werden soll.1566 Die erhal- gen von 24,50 m1569 auf 44 m1570 an. Die Realisietenen Planungsunterlagen Speers geben als Moment- rung hat für die Zeit nach dem Sieg größte Priorität. aufnahme der Planungen ausschließlich den Stand Hinweise darauf, dass der Alte Empfangssaal von vornherein nur als Provisorium gedacht ist, waren vom Mai 1939 wieder. nicht aufzufinden. In Anbetracht dessen, dass der 1566 Sigel 2000, 144. 1567 Speer 1969, 128.

286 | Werkver zeichnis

1568 Schönberger 1981, 94. 1569 Schönberger 1981, 94.

207 Albert Speer, Berlin, Neue Reichskanzlei, Empfangssaal (WV 67), Grundriss, rechts unten der direkte Zugang von der Galerie, 1939

vergrößerte Saal deutlich über die Flucht der garten- 68 Villa Speer Berlin, Inselstraße (Schwanenwerder) seitigen Terrasse herausragt, erscheint dies zusätzlich Ort  : unwahrscheinlich. Die Fläche soll auf gut 870 m² Planung  : V.1939 verdoppelt und mit einer Holzdecke der Vereinigten Status  : nicht realisiert BHStA Rp. Sp. Pl. 2302–2322. Werkstätten München für 900.000 RM überspannt Quellen  : Literatur  : Breloer 2005b, 95  ; Breloer/Zimmer 2006. werden.1571 1570 BHStA Rp. Sp. Pl. 1666. 1571 Arnold/Janick 2009, 106.

B auten ab 1933   |  287

208 Albert Speer, Berlin, Neue Reichskanzlei, Empfangssaal (WV 67), Aufriss Stirnwand, wohl nach März 1940

Speer kann das Grundstück kaufen, weil die Eigen­ Phase I  : Die Pläne von Phase I [BHStA Rp. Sp. Pl. tümerin Marie-Anne von Goldschmidt-­Rothschild 2310, 2312, Abb. 210] sind nicht datiert. Die AuGeld zur Begleichung der Reichsfluchtsteuer ßenansicht zeigt einen eingeschossigen Bau unter hobraucht.1572 Die Planung der Villa zieht sich über hem Mansarddach. Der längsrechteckige Hauptbaulängere Zeit hin. Es existieren daher verschiedene körper wird im Osten durch niedrigere Seitenflügel Planungsstände, denen die häufig unbezeichneten ergänzt, die eine ehrenhofartige Eingangssituation Pläne nicht immer zweifelsfrei zuzuordnen sind. schaffen. Im Westen angebaut ist ein eingeschosRealisiert wird nichts. Das Grundstück wird 1943 siger, flachgedeckter Anbau. Aus den Grundrissen schon wieder abgestoßen – bis dahin hat Speer ein geht hervor, dass die Flügel am »Ehrenhof« KraftwaBootshaus und einen Bunker errichtet –, möglicher- gen- und Wirtschaftsräume aufnehmen sollen. Die weise weil Hitler nicht nach Schwanenwerder ziehen Erschließung der nach Süden gelegenen Wohnräume will.1573 erfolgt durch eine fast über die gesamte Hausbreite 1572 Breloer/Zimmer 2006, 76.

288 | Werkver zeichnis

1573 Breloer/Zimmer 2006, 77.

209 Albert Speer, Berlin, Neue Reichskanzlei, Empfangssaal (WV 67), Grundriss, nach März 1940

210 Albert Speer, Berlin, Villa Speer (WV 68), Phase I

B auten ab 1933   |  289

211 Albert Speer, Berlin, Villa Speer (WV 68), Phase II

reichende Galerie. In einer Variante des Grundrisses ist der Anbau im Osten durch ein Peristyl ersetzt.

Phase III  : Planphase III [BHStA Rp. Sp. Pl. 2317, 2320] ist nicht datiert und nur in Grundrissen überliefert. Sie zeigt wesentliche Umplanungen im InnePhase II  : Phase II [BHStA Rp. Sp. Pl. 2303–2305, ren. Die Erschließung im Erdgeschoss erfolgt nun 2307–2309, Abb. 211] datiert von Mai und Juni nicht mehr durch eine lange Galerie entlang der 1939. Die älteste datierte Außenansicht der Villa Nordwand, sondern die Räume nutzen die gesamte Speer stammt vom 9. Mai 1939,1574 die dazugehö- Haustiefe und sind meist als Durchgangszimmer rigen Grundrisse vom 11. Juni 1939. Sie zeigen ei- ausgebildet. nen Bau auf T-förmiger Grundfläche mit eineinhalb Geschossen unter einem niedrigen Walmdach. Als Phase IV  : Phase IV [BHStA Rp. Sp. Pl. 2302, 2306, Variante gibt es einen Entwurf mit anderer Fenster- 2311, 2315, 2318, 2319, 2321, Abb. 212  ; Abb. 213] lösung am Wintergarten im Westen und höherem repräsentiert den letzten Planungsstand und zeigt Walmdach mit Gaupenreihe. Die Autogarage ist aus gegenüber Phase I-III deutliche Umplanungen. Audem Nordflügel in das Kellergeschoss des Haupt- genfälligster Unterschied ist der Verzicht auf seitlibaus verlegt, sodass nun im quergelagerten Kopfbau che Flügel oder Querbauten, die über die Haustiefe beiderseits der Eingangshalle Platz für die Wirt- ausgreifen. Die Grundfläche ist nun längsrechteckig schaftsräume ist. Vorgelagert sind dem Gebäude ein und wird durch wenig vortretende »Ecktürme« akzentuiert. Das Peristyl liegt nun in der Achse des GePeristylhof und eine Terrasse.1575 bäudes und reicht über dessen ganze Breite.1576 Die 1574 BHStA Rp. Sp. Pl. 2303. 1575 BHStA Rp. Sp. Pl. 2309 Grundriss Erdgeschoss und BHStA

290 | Werkver zeichnis

Rp. Sp. Pl. 2307 Grundriss OG. – Obwohl die Treppenlösungen von Plan 2307 und Plan 2309 nicht zusammenpas-

212 Albert Speer, Berlin, Villa Speer (WV 68), Phase IV

213 Albert Speer, Berlin, Villa Speer (WV 68), Phase IV, Grundriss Erdgeschoss

Fassade ist dem Grundriss angepasst und ist dementsprechend nicht mehr in der Höhe gestaffelt. Wie ein blockhafter Riegel wirkt die Fassade, die in ihrer sen, gehören beide zum Plan der Fassade BHStA Rp. Sp. Pl. 2303.

Dreiteilung mit mittigem Rundbogeneingang und dem zweiteiligen Aufriss mit hohem Untergeschoss, niedrigerem Obergeschoss unter flachem Walmdach 1576 BHStA Rp. Sp. Pl. 2314.

B auten ab 1933   |  291

214 Albert Speer, Berlin, Mussoliniplatz (WV 69), 20. Juni 1939

eindeutig Triumphbogenmotive zitiert und zudem Formen des historischen Wehrbaus aufnimmt. Im Obergeschoss befinden sich die Schlafräume mit Ankleiden und Badezimmer sowie zusätzlich ein privates Wohnzimmer mit Zugang zur überdachten Terrasse.1577 Der Lageplan zeigt eine aufwendige Gartengestaltung mit großen Terrassen und Schwimmbecken.1578 69 Mussolini-Platz und MussoliniMonument Ort  : Planung  : Status  :

Berlin, Adolf-Hitler-Platz, vormals Reichskanzlerplatz, heute Theodor-Heuss-Platz VI.1939 nicht fertiggestellt, geringe Reste erhalten

1577 BHStA Rp. Sp. Pl. 2319. 1578 BHStA Rp. Sp. Pl. 2321.

292 | Werkver zeichnis

Quellen  : Literatur  :

BA R43II/1183a. Dülffer/Thies/Henke 1978, 150  ; Backes 1984  ; Scarrocchia 1999, 49  ; Preßler 2010.

Speer beginnt im Juni 1939 mit den Planungen, da der Platz bis zum 1. Juni 1940 fertiggestellt sein soll. Aus diesem Grund ist mit der Ausführung schon begonnen worden. Der erste datierte Plan zeigt eine Reihung von Pylonen, die nur mit einer niedrigen Mauer auf Sockelhöhe verbunden sind [Abb. 214]. Diese ähneln in ihrer Grundgestalt dem später zur Realisierung vorgesehenen Entwurf für das Monument in der Platzmitte. Wie dieses sind sie zweizonig aufgebaut, setzen sich je nach Ansicht im unteren Bereich aus zwei kannelierten Pfeilern zusammen, die ein Ge1579 Nach Preßler (Preßler 2010, 119) gab die herstellende Firma Lauster 1964 an, die Säulen seien für den Mussolini-

215 Albert Speer, Berlin, Mussoliniplatz (WV 69), ­Modellfoto der Gesamtanlage 216 Albert Speer, Berlin, Mussoliniplatz (WV 69), 21. Juni 1939

217 Albert Speer, Berlin, Mussoliniplatz (WV 69), 24.6.39

218 Albert Speer, Berlin, Mussoliniplatz (WV 69), 12.2.40

schoss mit vier Säulen tragen. Über diesem sollten auf einigen Stufen Flammenschalen Aufstellung finden. Der nur einen Tag später vom 21. Juni 1939 datierte Alternativentwurf nimmt die Zweigeschossigkeit auf und lässt über einer Rundbogenarkatur eine Kolonnade umlaufen [Abb. 216]. Bei diesem Entwurf wird die Ost-West-Achse nicht überbaut, stattdessen wird der Kreisbogen der Arkatur an dieser Stelle unterbrochen [Abb. 217]. Im fertigen Entwurf, der spätestens im Februar 1940, wohl aber schon im August 1939 feststeht, fehlt die Kolonnade und stattdessen werden Flam-

menschalen über den Pfeilern eingesetzt. Zudem wird für die Durchführung der Achse durch die 18 m hohe Umrahmung eine aufwendigere Portalsituation vorgesehen [Abb. 215  ; Abb. 218]. Obschon mit dem Bau begonnen wird, wird das Monument nicht fertiggestellt. Geringe bauliche Reste sind heute in die Platzgestaltung integriert. Im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt stehen vor dem »Kraftwerk Münster« die dort gefertigten Säulen, die nicht mehr abgeholt werden.1579

platz gedacht gewesen und 1936 in Auftrag gegeben, dann noch 1937 bearbeitet worden. Vermutlich irrte die Firma

damals, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Planungen nachzuweisen sind.

B auten ab 1933   |  293

220 Albert Speer, Berlin, OKW (WV 70), Wandgestaltung eines »Normalzimmers«, 22. Juli 1940

219 Albert Speer, Berlin, OKW (WV 70), Grundriss eines »Normalzimmers«, 18. Juli 1940

70 Oberkommando der Wehrmacht (OKW) Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Berlin, Großer Platz ab 1939 nicht realisiert BHStA Rp. Sp. Pl. 545, 582, 651, 671, 773, 782, 805, 807, 830, 838, 839, 861, 915, 919, 926, 927, 928, 930, 1030, 1625, 1807, 1814, 1815, 1841, 1842, 1845, 1846, 1861, 1979, 1980, 1981, 1982, 2867, 2884, 2885, 2980, 2981, 2983, 2984, 2989. Larsson 1978  ; Reichhardt/Schäche 2008.

Die Hauptplanungsarbeiten finden offenbar 1940/1941 statt. Das OKW ist zudem der einzige Entwurf Speers, für den ein Entwurf für die Ausstattung eines normalen Büros erhalten ist. Dieser zeigt, dass auch die Büros repräsentativ ausgestattet werden sollten, wenn naturgemäß auch nicht so üppig wie die Repräsentationsräume [Abb. 219  ; Abb. 220]. 71 Oberkommando der Luftwaffe (OKL)

Das OKW bildet, gegenüber dem Reichskanzlei­ flügel von Hitlers Führerpalast gelegen, mit diesem zusammen eine Torsituation an der Einmündung der Nord-Süd-Achse in den Großen Platz. Für diese sind zahlreiche Varianten bekannt, unter anderem eine, die mit Hochhäusern den Blick von der Achse auf die Große Halle gerahmt hätte.

Berlin, Nord-Süd-Achse ab 1939 nicht realisiert BHStA Rp. Sp. Pl. 1051–1053, 1057, 1061–1063, 1065–1070, 1072–1078, 1080–1085, 1087–1088, 1153, 1155, 1156, 1159–1161, 1188, 1189, 1191–1195, 1200–1204, 1207, 1215, 1270–1273, 1276, 1277, 1279, 1280, 1293–1297, 1299, 1313, 1317, 1318, 1319, 1321–1325, 1369, 1370, 1400–1409, 1412–1450, 1453–1456,

1580 Möglicherweise für die Durchführung der überbauten Bellevuestraße.

1581 Der Großteil der Pläne im BHStA stammt aus dem Jahr 1941. Entweder werden die Planungen besonders forciert

Literatur  :

294 | Werkver zeichnis

Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Das Oberkommando der Luftwaffe (OKL) sollte in der letzten Planungsstufe beinahe das gesamte Grundstücksdreieck zwischen der Nord-Süd-Achse, der OstWest-Achse und der Potsdamer Straße einnehmen. Im Bestand der Speerpläne im BHStA bilden die Pläne des OKL mit Abstand die größte Gruppe. Die Zeitspanne der erhaltenen Grundrisse reicht von 1939 bis 1942. Aus diesen waren zehn verschiedene Planungsphasen herauszulesen, die hier nicht dargelegt werden können. Grundsätzlich ist zu bemerken, dass die Grunddisposition sich nicht verändert, sondern nur im Detail die Anordnung von Sälen, deren Größe und innenarchitektonische Behandlung – also die Binnenform der Säle, die Ausstattung mit Säulen und auch die Lage von Nebentreppen und -räumen. Mittelpunkt des Gebäudes bleibt über alle Phasen das große Treppenhaus im Westflügel, das von der Nord-Süd-Achse zugänglich ist. Als Hauptgeschoss wird stets das zweite Obergeschoss bezeichnet, das entlang der Ost-West-Achse die »offizielle« Wohnung Görings beherbergt, während die »private«, nicht nur zeremoniellen Zwecken dienende Wohnung sich ein Geschoss höher befand. Über den Dächern erstrecken sich Gartenanlagen mit Portiken, Springbrunnen und Tennisplätzen, die einerseits als Privatgarten Görings ausgewiesen sind, andererseits aber auch dem Personal zur Verfügung stehen sollten. Eine genaue Betrachtung der Grundrisse des OKL entlarvt dieses als gigantische Hülle für Görings Repräsentationszwecke. Büros sind vor allem im Erd- und ersten Obergeschoss eingeplant. Darüber dienen Nord und Westflügel ausschließlich der Re-

präsentation. Diese Trennung ist im Südflügel entlang der Potsdamer Straße nicht ganz so ausgeprägt. Der Hauptteil der erhaltenen Aufrisse stammt von 1941. Die Pläne von 1939 belegen, dass die Hauptmerkmale der Planung, insbesondere die Lage, Größe und Gestaltung der Treppenhalle, schon seit Längerem festgestanden haben müssen. Der Entwurf der Treppenhalle bleibt bis September 1941 gültig. Nicht entschieden ist der Umgang mit der Bellevuestraße und ihrer Einmündung in die verlängerte Voßstraße. Von 1940 sind nur sehr wenige Pläne überliefert. Bemerkenswert ist, dass im Dezember die ersten Pläne für die Hoffassade gezeichnet werden. Diese zeigen eine Abkehr vom Klassizismus hin zu einer stark an der italienischen Renaissance orientierten Gestaltung (BHStA Rp. Sp. Pl. 1271/1273), die ausschließlich für das OKL festzustellen ist und somit auch mit dem Bauherrn Göring zusammenhängen könnte. Diese ist in weniger expliziter Form auch am Außenbau für die Nordfassade zum Tiergarten hin – entlang der projektierten Verlängerung der V0ßstraße – festzustellen. Diese ist insgesamt schlichter gehalten und die Zahl der Einzelformen begrenzt, womöglich weil es sich nicht um die Hauptfassade handelt. Auffällig ist zum einen das Zitat eines Triumphbogens1580 in der Fassadenmitte und zum anderen die kräftig rustizierten und nach unten breiter werdenden Nebenportale, die Festungsportale nachempfinden. Der Mittelbau fällt schon allein dadurch auf, dass er nur Rundbogenfenster hat und dass das zwei Geschossen der Seitentrakte entsprechende Erdgeschoss mit Bossenrustika versehen ist. Vorläufer dieser am 19.11.41 noch immer gültigen Planung ist der undatierte Plan BHStA Rp. Sp. Pl. 1509, auf dem die lange Front durch einen breiten Mittelrisalit und seitliche Eckrisalite gegliedert ist. Die Gliederung in den beiden unteren Geschossen wird dabei von der Hauptfassade übernommen. 1941 werden entweder die Planungen stark forciert, oder aber im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren verstärkt auf dem Obersalzberg durchgeführt.1581 Die Gestaltung der Hoffassade wird

und daraus ergibt sich die große Menge, oder sie findet in diesem Jahr vor allem auf dem Obersalzberg statt, weswe-

gen besonders viele Pläne von dort nach Nürnberg ausgelagert werden und letztlich in das BHStA kommen.

Literatur  :

1472, 1484–1486, 1492–1500, 1503–1506, 1508–1510, 1512–1523, 1528–1533, 1544–1547, 1550, 1551, 1553, 1554, 1574, 1579–1581, 1584–1586, 1588–1599, 1602–1606, 1608, 1612–1618, 1620–1623, 1625, 1627, 2984, 3063, 601, 602, 630. Larsson 1978  ; Reichhardt/Schäche 2008.

B auten ab 1933   |  295

222 Albert Speer, Ziegenberg, Schloss (WV 72), Plan ­einer Wohnbaracke, 1.11.1939 221 Albert Speer, Ziegenberg, Schloss (WV 72), Lageplan, 10.10.1939

überarbeitet und weist nun nur noch eine Durch- Fritz Todt, Rudolf Schmundt (Adjutant bei Hitler) fahrt auf, dennoch ist der Festungscharakter nicht und Speer unterstützt. Gemeinsam sollen Speer und mehr der beherrschende Eindruck, da nun der Sockel Todt das ausgewählte Schloss Ziegenberg bei Bad weitaus stärker durchfenstert ist (BHStA Rp. Sp. Pl. Nauheim im Taunus unter dem Tarnnamen »A« für 1272). Die Planungen für die Treppenhalle (BHStA »Adlerhorst« entsprechend umbauen.1582 Rp. Sp. Pl. 1189, 1191) haben auch 1941 noch ihre Letztlich befindet Hitler Ziegenberg aber als zu Gültigkeit. luxuriös und zu weit von der Front entfernt, sodass bei Rodert, in der Nähe von Münstereifel, ein weit72 Schloss Ziegenberg aus primitiveres Quartier eingerichtet wird.1583 Ort  : Ziegenberg Dem Vorhaben fehlt bei aller ländlichen TarPlanung  : X.1939 nung jede Art von Bescheidenheit. Bspw. wurden Status  : teilweise erhalten aufwendige Kamine eingebaut (BHStA Rp. Sp. Pl. Quellen  : BA N1340/45  ; BA N1340/48  ; eine An2513) und die wohl meisten Räume mit Eiche, Kiezahl Pläne ist im BHStA Rp. Sp. Pl. erhalfer, Rüster oder Nussbaum vertäfelt und/oder mit ten, diese sind aber nicht immer sicher zuStoff bespannt. Die verwendeten Lampen folgen geordnet, BHStA Rp. Sp. Pl. 2485–2489, stilistisch den in der Reichskanzlei eingebauten 2556–2557, 2530–2531. Wandarmen. Literatur  :

Heim/Jochmann 1980  ; Rack/Rhode/Sünkel 1998  ; Neumärker [u. a.] 2008.

Noch im Oktober 1939 ergeht der Befehl an Erwin Rommel, einen Standort für ein Führerhauptquartier für den Frankreichfeldzug einzurichten. Bei der Erkundung eines geeigneten Standortes wird er von 1582 Neumärker [u. a.] 2008, 23.

296 | Werkver zeichnis

73 Schloss Kr ansberg Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

Usingen, Ortsteil Kransberg IX.1939 teilweise erhalten Eine Anzahl Pläne ist im BHStA Rp. Sp. Pl. erhalten, diese sind aber

1583 Neumärker [u. a.] 2008, 23.

223 Albert Speer, Kransberg (WV 73), Schloss, 27.9.1939

224 Albert Speer, Kransberg, Schloss (WV 73), Lageplan

Literatur  :

nicht immer sicher zugeordnet, BHStA Rp. Sp. Pl. 2563, 2635, 2642, 2685. Heim/Jochmann 1980  ; Rack/Rhode/Sünkel 1998  ; Neumärker [u. a.] 2008, Breloer 2005b, 338.

Schloss Kransberg wird von Speer für Göring als dessen Sitz während der Westoffensive ausgebaut. 74 Neuer R eichstag Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berlin, »Großer Platz«, heute Platz der Republik spätestens ab III.1940 in enger Zusammenarbeit mit Woldemar Brinkmann nicht realisiert BHStA Rp. Sp. Pl. 1935–1971, 2867, 2884, 2885. kein Nachweis

225 Albert Speer, Kransberg, Schloss (WV 73), Bunkeranlagen

B auten ab 1933   |  297

226 Albert Speer, Berlin, Neuer Reichstag (WV 74), Ansicht vom Großen Platz aus, rechts der Reichstag

227 Albert Speer, Berlin, Neuer Reichstag (WV 74), Fassadendetail, 4.3.1940

298 | Werkver zeichnis

228 Albert Speer, Berlin, Neuer Reichstag (WV 74), Portalsituation, 5.8.1940

75 Landsitz Speer

rem wegen Versorgungsschwierigkeiten, weil noch keine für schwere Lkw geeignete Straße dorthin existierte und genereller Benzinmangel herrscht. Dagegen soll mit der Pflanzung anderer Gehölze schon begonnen werden. Als Planungsgrundlage wird der Beschluss gefasst, eine Waldbestandskarte zu erstellen. Die Säuberung der teilweise schon gepflanzBei den Planungen für den Landsitz in Altranft ten Bestände müssen französische Kriegsgefangene handelt es sich keineswegs um ein Luftschloss oder übernehmen, deren Zahl dazu erhöht wird.1584 Am ein Gedankenspiel Speers. Vielmehr ist diese Form 10.12.41 besichtigt der Obstbaumexperte Kronberg der Selbstdarstellung ein Projekt, das er vehement das Gelände und äußert sich am 16.12. gutachtervorantreibt. Vor der Aufnahme konkreter Baumaß- lich. Danach sei das Gelände gut für Obstbäume nahmen schreckt er im Krieg allerdings zurück und geeignet. Eine Pflanzung im Frühjahr 1942 ist jesorgt sich vor allem darum, den Garten soweit als doch wegen Baummangels nicht möglich. Bis zum möglich vorzubereiten. Aus gärtnerischen Gründen Herbst, wenn möglicherweise Bäume verfügbar sind, sollte zwar während des Krieges auf die Anpflanzung wird eine Nutzung durch Vorfrucht (Kartoffel) vorvon Rhododendren verzichtet werden, unter ande- geschlagen.1585 Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Altranft Ende 1942 nicht realisiert, Vorarbeiten begonnen BA R4606/3383  ; 458  ; 69  ; 82  ; 84  ; 25. kein Nachweis

1584 BA R4606/3383.

1585 BA R4606/82, Gutachten Kronberg, 16.12.41.

B auten ab 1933   |  299

Ende des Jahres 1941 sind die Pläne von Gebäu- kommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel das den und der Teichanlage soweit fertig, sollen aber Grabmal ausführen zu dürfen. »… mit Herrn General­ nach den Weihnachtsfeiertagen nochmals überarbei- oberst Ritter von Schobert und dessen Gattin war ich tet werden.1586 Die Überarbeitung zieht sich min- seit einigen Jahren befreundet. Im Einvernehmen mit destens ein halbes Jahr hin, denn erst im Juni 1942 dem Generalbaurat für die Gestaltung der deutschen teilt Otto Apel Speer bei der Übersendung der Bau- Kriegerfriedhöfe wäre ich Ihnen dankbar, wenn festgeernhofpläne mit, dass das Holzmodell von Altranft legt werden könnte, dass das für Generaloberst Ritter fertig in der »Lindenallee« stehe.1587 Offenbar war von Schobert vorgesehene Ehrenmal von mir entworzu diesem Zeitpunkt die endgültige Form gefunden, fen wird.«1590 Erst nachdem Keitel sein Einverständdenn der im BHStA archivierte Planbestand stammt nis gibt – Bedingung ist, dass die Ausführung wie bei vor allem aus dem August und September 1942 und allen anderen gefallenen höheren Wehrmachtsführern scheint weitgehend baureif zu sein, denn er enthält bis Kriegsende zurückgestellt wird –, wendet er sich im Januar 1942 an Frau von Schobert.1591 Diese dankt auch schon Detailplanungen. Im Oktober 1942 sind nicht näher bestimmbare für die Mitteilung das Grab betreffend und ist froh, Tätigkeiten in Gang, die von russischen Zwangsar- dass Speer die Arbeit durchführen wird, da er ihren beitern ausgeführt werden müssen. Speer erhält die Mann kannte und verstand.1592 Mitteilung, dass die von der Transportgruppe gewählten Zivilrussen für die Arbeit in Altranft nicht 77 Gr abmal Ernst Udet vermutlich Berlin geeignet seien und in den acht Tagen »… praktisch Ort  : XI.1941 fast überhaupt nichts geleistet« haben. Ein Herr Planung  : nicht ausgeführt Geitz von der Transportgruppe sagt daraufhin zu, die Status  : BA R4606/24, 214  ; BA N1340/6  ; BHStA Zivilrussen gegen Kriegsgefangene auszutauschen Quellen  : 1756–1761. und transportiert sie noch am Morgen ab.1588 Die kein Nachweis gärtnerischen Vorbereitungen dauerten auch 1943 Literatur  : noch an und Mitte März wurden 3–4 Wochen lang Speer äußert in einem handschriftlichen Schreidie Frühjahrspflanzarbeiten durchgeführt.1589 ben an Göring vom 23.11.41 selbst den Wunsch, 76 Gr abmal Gener aloberst R itter von das Grabmal für Udet, der am 17. November 1941 Schobert Selbstmord begeht, zu gestalten [Abb. 95]. Speer Ort  : unbekannt schreibt Göring, dass dessen Trauer um Udet ihn Planung  : nach IX.1941 stark erschüttert habe. Er möchte dazu beitragen, »… Status  : unbekannt das Gedenken an Ihren Kameraden zu verewigen …« Quellen  : BA R4606/458, 170, Speer an GeneralDaher bittet er, ihm «… die ehrenvolle Aufgabe, sein feldmarschall Keitel, 24.10.1941  ; BA Grabmal zu gestalten, anzuvertrauen  !«1593 In der R4606/25, 318–325. Folge entstehen Entwürfe für ein schlichtes Grabmal, Literatur  : kein Nachweis die jedoch nicht verwirklicht werden. Generaloberst Ritter von Schobert kommt 1941 in 78 Bauernhof Altranft Folge eines Flugzeugabsturzes ums Leben. In einem Ort  : V.1942 Schreiben bittet Speer zunächst den Chef des Ober- Planung  : 1586 BA R4606/82, Mitteilung Heine, 24.12.41. 1587 BA R4606/84, Apel an Speer, 19.6.42. 1588 BA R4606/84, 3, Hentzen an Speer, 10.12.42.

300 | Werkver zeichnis

1589 BA R4606/458, 144, Dr. Hentzen an Obergärtner Kater, Berlin Charlottenburg, Pestalozzistr. 92, 16.2.1943. 1590 BA R4606/458, 170, Speer an Generalfeldmarschall Keitel,

229 Albert Speer, Altranft, Gut Speer (WV 78)

231 Albert Speer, Altranft, Gut Speer (WV 78) 230 Albert Speer, Altranft, Gut Speer (WV 78)

Status  : Quellen  : Literatur  :

nicht realisiert BHStA Rp. Sp. Pl. 2385–2394, 3092– 3105, 3107–3113. kein Nachweis

24.10.1941. 1591 R4606/25, Keitel an Speer, 31.12.41; Speer an Alice v. Schobert, 9.1.42.

Die Planung für den Bauernhof auf Speers Landgut Altranft fand offenbar hauptsächlich im Mai und August 1942 statt. Sie zeigt eine Bauernhofanlage, die in ihrer Art der Gebäudeanordnung bzw. ihrer Aus1592 R4606/25, Alice von Schobert, München, an Speer, 18.1.42. 1593 BA R4606/24, 214.

B auten ab 1933   |  301

233 Albert Speer, Altranft, Gut Speer (WV 78), Lageplan

N ac h k r i e g sproj e k t e Die Nachkriegsprojekte Speers sind für das Ermessen seiner Bedeutung als Architekt kaum von Belang. Sie sind dennoch Beleg dafür, dass Speer sich auch nach 1945 weiterhin mit Architektur beschäftigt. Viele Projekte werden nur aufgrund von Erwähnungen Speers, einzelnen Zeichnungen oder Skizzen in das Werkverzeichnis aufgenommen. Weitere Informationen sind in den meisten Fällen nicht zu ermitteln. 232 Albert Speer, Altranft, Gut Speer (WV 78), Grundriss Erdgeschoss

gestaltung süddeutsche Vorbilder zitiert und keine Bezüge zur Landschaft des Oderbruchs aufweist.

302 | Werkver zeichnis

79 Haus für einen amerik. Sergeant Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt nach 1945 nicht realisiert kein Nachweis Van der Vat 1997, 482.

80 Kleines Haus mit umgebender Landschaft Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt XI.1946 nicht realisiert Speer 1975, 36. kein Nachweis

81 Perspektive Doppelhaus Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt XI.1946 nicht realisiert Speer 1975, 36. kein Nachweis

Den Entwurf für ein Sommerhaus stattet Speer mit einer übergroßen US-Flagge aus, die seinen Angaben zur Folge den amerikanischen Patriotismus darstellt. 85 Mittelgrosses Haus Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

86 Gefängnisgarten Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

82 Haus für den Koch Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt XII.1946 nicht realisiert Speer 1975, 41. kein Nachweis

Laut Speer wünscht sich der österreichische Koch ein kleines Haus zu bauen, wofür Speer ihm eine Entwurfsskizze verspricht. 83 Haus für K alifornien Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt II.1947 nicht realisiert Speer 1975, 81. kein Nachweis

Speer entwirft nach eigenen Angaben für einen ihm sympathischen Leutnant ein Haus, das in Kalifornien gebaut werden soll. 84 Haus in Maine Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt II.1947 nicht realisiert Speer 1975, 81. kein Nachweis

unbekannt XII.1947 nicht realisiert Speer 1975, 135. kein Nachweis

Literatur  :

Berlin, Spandau, Wilhelmstraße. II.1948 zerstört, einige Bäume erhalten BA N1340/85, 90  ; Speer 1969, Speer 1975. kein Nachweis

Nach eigenen Angaben zeichnet Speer den Plan für die Umgestaltung im Februar 1948 im Auftrag der Gefängnisdirektoren in Spandau. 87 Grossbürgerliches Haus Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt V.1949 nicht realisiert Speer 1975, 203. kein Nachweis

Offenbar als Fingerübung entwirft Speer ein Wohnhaus, inklusive Ausarbeitung maßstäblicher Detailzeichnungen. Die Südseite sollte aufgelockert sein, während die Straßenfront abweisend sein sollte. 88 Grösseres Landhaus Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt IV.1950 nicht realisiert Speer 1975, 232. kein Nachweis

89 »Haus Speer« Ort  :

unbekannt

N achkriegsprojekte  | 303

Literatur  :

kein Nachweis

Die Fotografie einer Skizze zeigt Ansicht und Grundriss eines Wohnhauses. Sie wird als Entwurf von Albert Speer beschrieben und auf den 26. Juni 1950 datiert. Abb. 234  : Albert Speer, Berlin, Gefängnisgarten (WV 86) Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

V.1950 nicht realisiert Speer 1975, 232. kein Nachweis

Speer gibt an, zur Erholung von kleinen Maßen (Haus Donaho), die ihm als Architekt nicht liegen, ein größeres Haus entworfen zu haben, wie er es sich später bauen wollte. 90 Haus Donaho Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt V.1950 nicht realisiert Speer 1975, 232. kein Nachweis

Der Bungalow im Ranch-Stil ist den Angaben Speers zufolge angepasst an das geringe Einkommen des Wärters Jack Donaho.

92 »Haus« Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

unbekannt IV.1951 nicht realisiert Speer 1975, 266. kein Nachweis

Speer hat eigenen Angaben zufolge über viele Monate dieses Haus entworfen und dabei auch Details geplant. 93 Haus Bird Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Berlin-Kladow nach 1964 realisiert, mittlerweile abgerissen kein Nachweis Sereny 1997, 756  ; Van der Vat 1997, 482  ; Breloer 2005b, 370.

Das Privathaus des Spandauer Gefängniskommandanten soll durch einen anderen Architekten nach Entwürfen Speers errichtet worden sein. 94 Wettbewerb Verwaltungsgebäude

91 Wohnhaus Ort  : Planung  : Status  : Quellen  :

unbekannt VI.1950 nicht realisiert http://fachkataloge.bsb-muenchen.de/img/ hoff-62014.jpg

1594 BA N1340/41, Felix Eckhardt, Dortmunder Union Bräu an Neufert, 15.1.67. 1595 BA N1340/41, Vertragsentwurf vom 2.6.67; BA N1340/41, Neufert an Speer, 13.3.68. 1596 BA N1340/41, Neufert an Speer, 13.3.68. 1597 BA N1340/42, Speer an Eckhardt, 31.8.69; Eckhardt an

304 | Werkver zeichnis

Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Ludwigshafen nach, 1966 nicht realisiert kein Nachweis Pehnt 1989, 136.

Speer, 12.9.69; Speer an Eckhardt, 13.9.69, Aktennotiz Speer, 13.9.69. – Der Tenor der erhaltenen Schreiben ist, dass Neufert allgemein als guter Architekt, aber als äußerst kleinlich gilt. 1598 BA N1340/193, Koppe an Speer, 30.1.67. Speer in einem anderen Zusammenhang über das Projekt: »Er betreibe […]

95 ›Haus Speer‹ Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Rettenberg nach 1966 Erhaltungszustand unbekannt kein Nachweis Sereny 2002, 362  ; Breloer/Hoffmeister 2005b, 210  ; Nissen 2005, 157.

Privathaus Speers, in dem Fragmente der Neugestaltung Berlins als Kamin verbaut sind. Sereny beschreibt es als schlicht mit alten Möbeln und einem zu einem riesigen Wohnzimmer umgebauten ehemaligen Stall.

wären.1596 Speer und Neufert geraten schließlich in Streit über die Speer zustehende Summe. In diesen Streit schaltet sich auch Speers Exmitarbeiter Schelkes ein, um seinen ehemaligen Vorgesetzten zu unterstützen.1597 97 Projekt für einen Handwerkerhof Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Rendsburg [u.  a.] I.1967 nicht realisiert BA N1340/193  ; BA N1340/61  ; Stadtarchiv Rendsburg. kein Nachweis

96 Dortmunder Union Br äu

Der Mainzer Investor Dr. Koppe hat Interesse, ein Ort  : Dortmund aus Schweden stammendes Konzept in Deutschland Planung  : I.1967 umzusetzen. Dort sei man, schreibt er an Speer, dazu Status  : nicht realisiert übergegangen, nicht nur Einzelhandels­kaufhäuser zu Quellen  : BA N1340/40 + 41. errichten, sondern auch die entsprechenden Höfe für Literatur  : kein Nachweis Handwerks­betriebe. Da er nicht wisse, wie er das in Griff bekommen solle, frage er an, ob Speer nicht InIm Januar 1967 schreibt der Direktor der Dortmun- teresse habe, einen Entwicklungsauftrag zu übernehder Union Bräu (DUB) Felix Eckhardt an Speer, men. Zunächst ist an einen kleinen Handels- oder dass gemäß einer alten Tradition – schon der Vater Handwerkshof oder sogar eine Kombination aus Speers besitzt Aktien der DUB – die Familie Speer beidem gedacht.1598 Als Ort der Realisierung ist zuin Baufragen gehört werden würde und man ihm nächst Rendsburg in Schleswig-Holstein vorgesehen. zudem beim Neustart in den Beruf behilflich sein Speer wird einmal mehr wegen seiner organisawolle.1594 Unter der Leitung Ernst Neuferts und sei- torischen Fähigkeiten angesprochen und nicht als nes Mitarbeiters Wolfgang Rösel wird Speer darauf- Künstler, worüber sich der Investor auch bewusst ist  : »Ich bin mir darüber im Klaren, daß Sie selbsthin als freier Mitarbeiter beteiligt. Zunächst sollte er mit 25 % am Honorar beteiligt werden, was später, verständlich als Architekt primär die Aufgabe gestellt aufgrund der sich wandelnden Baupraxis, im gegen- erhalten möchten, wäre Ihnen aber doch darüber seitigen Einvernehmen auf 10 % gekürzt wird.1595 hinaus dankbar, wenn Sie gerade die großen wirtLetztlich scheitert die Ausführung des Projektes an schaftlichen Kenntnisse, die Sie in Ihrem bisherigen den Kosten, die sich von projektierten 40 Millionen Berufsleben ansammeln konnten, für die Gestaltung DM auf geschätzte 70 Millionen DM erhöht hat- dieser Probleme mit zur Verfügung stellen, denn ten und beim Bau sicher noch übertroffen worden letztlich tasten wir alle etwas im Nebel […].«1599

ein Gutachten zur alten, immer wieder gescheiterten (und […] weiter zum Scheitern verurteilten) Idee, durch Zusammenschließen von Handwerkern und Einzelhandel unter einem Dach diese konkurrenzfähiger zu machen.« (BA N1340/194, Speer an Neckermann, 18.5.67). 1599 BA N1340/193, Koppe an Speer, 23.2.67. – In mindestens

einem weiteren Fall wird Speer für Koppe tätig, als Koppe nahe Speers Villa in Heidelberg ein Altersheim bauen will. Speer spricht sich aufgrund von Bauvorschriften und der Topografie gegen das Projekt aus und rät zu dichter Eigenheimbebauung (BA N1340/193).

N achkriegsprojekte  | 305

Das Projekt scheitert letztlich nicht an Schwierigkeiten zwischen Koppe und Speer und auch nicht mit der Stadt Rendsburg,1600 sondern daran, dass die Eigentümer ihre am Marktplatz gelegenen Liegenschaften nicht verkaufen wollen.1601 Die Quellen lassen sich möglicherweise auch dahingehend deuten, dass in Rendsburg zwei verschiedene Projekte liefen  : einmal ein Umbau am Marktplatz und ein Neubau in einem Neubauviertel. Wolf Jobst Siedler berichtet dagegen von einem Rathausneubau.1602 98 Projekt für ein Altersheim Ort  : Planung  : Status  : Quellen  : Literatur  :

Hamburg II.1967 nicht realisiert BA N1340/44. kein Nachweis

Der Hamburger Pastor Dr. Richard Pawelitzki, der vermutlich in Kontakt mit Speers ehemaliger Sekretärin Annemarie Kempf steht, plant den Neubau eines Altersheims und fragt daher bei Speer an. Speer tut sich daraufhin mit dem Hamburger Architekten Grosser1603 zusammen, um keine Schwierigkeiten wegen seiner süddeutschen Provinienz zu bekommen.1604

1600 BA N1340/61, Speer an Schwarz, 31.10.67. 1601 Freundliche Mitteilung des Stadtarchivs Rendsburg, 26.03.2009. 1602 Breloer 2005b, 490. 1603 Der Vorname Grossers ist genauso wenig zu ermitteln wie

306 | Werkver zeichnis

weitere Informationen (freundliche Mitteilung des Hamburgischen Architekturarchivs). 1604 BA N1340/44. Pastor Dr. Richard Pawelitzki an Speer, 3.2.67; Speer an Pawelitzki, 10.3.67.

DANK

Eine derartige Arbeit ist ohne Unterstützung nicht meiner Familie, die mich über lange Jahre mit auszu realisieren. Daher möchte ich an dieser Stelle al- dauernder Geduld und Zuspruch unterstützte. len danken, die dies ermöglicht haben. Einen ganz besonderen Dank möchte ich meinem Doktorvater Raphael Rosenberg aussprechen. Er gab nicht nur den Anstoß zu diesem Thema, er hat darüber hinaus meine Forschungen zu Albert Speer über die Jahre nicht nur wohlwollend und kritisch begleitet, sondern, was nicht selbstverständlich ist, auch die Rahmenbedingungen geschaffen, die diese Studien erst möglich gemacht haben. Auch mein Zweitgutachter Winfried Nerdinger hat dieses Projekt von Anfang an voll unterstützt. Seine Anregungen, fachliche Expertise und auch Zuversicht war mir stets eine wertvolle Hilfe. Bei beiden fand ich immer ein offenes Ohr für meine Anliegen und erhielt konstruktive Antwort. Dies gilt in gleicher Weise für meine Kollegen im DFG-Projekt »Hitlers Architekten« Lioba Schmitt-­ Imkamp, Timo Nüßlein und Michael Früchtel, die in so mancher Sackgasse noch einen Durchschlupf fanden. Der regelmäßige fachliche Austausch bei den Projekttreffen war nicht nur anregend, sondern hat darüber hinaus auch großen Spaß gemacht. In Bezug auf die Veröffentlichung bin ich dem Böhlau-Verlag, insbesondere Eva Reinhold-Weisz, für ihr großes Interesse und die Unterstützung bei der Publikation dankbar. In den Archiven traf ich stets auf freundliches und hilfsbereites Personal, das immer bemüht war meine Wünsche zu realisieren und mit Rat und Tat zur Seite stand. Zu Dank verpflichtet bin ich auch jenen, die Material aus Privatsammlungen und Nachlässen zur Verfügung stellten. Darüber hinaus danke ich  : Karl Arndt, Theodor Böll, Familie Botzenhardt, Matthias Fanck, Linde Hohn, Florian Langenbeck und Verena Kohlbrenner, Alexander Kropp, Lars-Olof Larsson, Andreas Matschenz, Reinhard Schelkes, Christina Schulenburg, Ann-Katrin Sester, Annette Siegel, Albert Speer, Rebekka Tiefert, Moritz Wullen. Ausgesprochen dankbar bin ich schlussendlich vor allem

N achkriegsprojekte  | 307

ANHANG

Inside the third Reich, London (Sphere) 1971. Inside the third Reich, London (Book Club Associates) 1971. Inside the third Reich, 3. Auflage, London (WeidenF r e m dspr ac h ig e Aus g a be n de r feld and Nicolson) 1971. »E r i n n e ru ng e n« Inside the third Reich, London (Cardinal) 1975. Inside the third Reich, London (Sphere) 1977. China [Übersetzt von Shusheng Deng] Inside the third Reich, London (Sphere) 1978. Ti san ti kuo nei mu, Beijing  ; Xianggang (Sheng huo, Inside the third Reich, London (Sphere Books)1979. du shu, xin zhi san lian shu dian) 1982. Inside the third Reich, London (Sphere Books) 1981. Inside the third Reich, London (Sphere Books) 1985. Dänemark [Übersetzt von Mogens Boisen] Inside the third Reich, London (Warner Books) Fra triumf til katastrofe. Erindringer 1933–1945, 1993. København (Nyt Nordisk Forlag A. Busek) 1970. Inside the third Reich, London (Phoenix) 1995. Fra triumf til katastrofe. København (Statens Biblio- Inside the third Reich, London (Phoenix) 1997. tek og Trykkeri for Blinde) 1987, Anmerkung  : Hör- Inside the third Reich, London (Phoenix) 2003. buch. Erindringer. erindringer 1933–1945, Ausgabe   : 4. Italien [Übersetzt von Enrichetta und Quirino Maffi] opl., København (Schønberg) 2003. Memorie del Terzo Reich, Ausgabe  : 5. ed., Milano Erindringer. erindringer 1933–1945, Ausgabe   : 4. (Mondadori) 1972. opl., København (Schønberg) 2006. Memorie del Terzo Reich, Milano (Club degli EdiErindringer. erindringer 1933–1945, Ausgabe   : 4. tori) 1976. opl., København (Schønberg) 2006. Anmerkungen  : Memorie del Terzo Reich, Ausgabe  : 1. ed., Milano Text gekürzt. (A. Mondadori) 1997. Estland [Übersetzt von Ülle Pahla] Mälestused, Tallinn (Varrak) 2005. Finnland [Übersetzt von Matti Mannerkorpi] Diktaattorin työkaluna, Helsinki (Kirjayhtymä) 1969.

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308 | A nhang

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A bkür zungen  |  309

LArchB Landesarchiv Berlin LoC Library of Congress NL-HT Nachlass Heinrich Tessenow NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt o. A. Ohne Absender o. D. Ohne Datum o. V. Ohne Verfasser OB Oberbürgermeister OT Organisation Todt OKL Oberkommando der Luftwaffe OKH Oberkommando des Heeres PG Parteigenosse RAB Reichsautobahn RAD Reichsarbeitsdienst RFSS »Reichsführer SS« RGBL Reichsgesetzblatt RLM Reichsluftfahrtministerium RM Reichsmark RMfBM Reichsminister für Bewaffnung und Munition RMRuK Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion RMVP Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Rp. Sp. Pl. Repertorium Speer Pläne SA-MA Stadtarchiv Mannheim SAN Stadtarchiv Nürnberg SU Sowjetunion (UDSSR) UDSSR Union der sozialistischen Sowjetrepubliken USA United States of America ZRN Zweckverband Reichsparteitaggelände

2010), 62 (Rp. Sp. Pl. 2772), 63 (Rp. Sp. Pl. 3066), 66 (Rp. Sp. Pl. 2898), 67 (Rp. Sp. Pl.2990), 68 (Rp. Sp. Pl. 1195), 69 (Rp. Sp. Pl. 1195), 81 (Rp. Sp. Pl. 89), 82 (Rp. Sp. Pl. 141), 83 (Rp. Sp. Pl. 1793), 84 (Rp.Sp.Pl. 1791), 85 (Rp. Sp. Pl. 2212), 86 (Rp. Sp. Pl. 2312), 87 (Rp. Sp. Pl. 2309), 91 (Rp. Sp. Pl. 2308), 92 (Rp. Sp. Pl. 2318), 94 (Rp.Sp.Pl.1899), 95 (Rp. Sp. Pl. 1757), 100 (Rp. Sp. Pl. 1279), 105 (Rp. Sp. Pl. 2842), 106 (Rp. Sp. Pl. 1446), 107 (Rp. Sp. Pl. 1666), 109 (Rp. Sp. Pl. 1157), 111 (Rp. Sp. Pl. 2416), 112 (Rp. Sp. Pl. 2335), 113 (Rp. Sp. Pl. 2393), 114 (Rp. Sp. Pl. 2949), 115 (NL Hitler Nr. 55), 120 (Rp. Sp. Pl. 1071), 145 (Rp. Sp. Pl. 72), 146 (Rp. Sp. Pl. 132), 150 (Rp. Sp. Pl. 97, 98, 100), 153 (Rp. Sp. Pl. 1727), 154 (Rp. Sp. Pl. 1731), 158 (Rp. Sp. Pl. 2797), 162 (Rp. Sp. Pl. 1766), 167 (Rp. Sp. Pl. 2892), 168 (Rp. Sp. Pl. 2904), 169 (Rp. Sp. Pl. 2903), 170 (Rp. Sp. Pl. 2901), 173 (Rp. Sp. Pl. 1857), 174 (Rp. Sp. Pl. 1833), 175 (Rp. Sp. Pl. 1831), 176 (Rp. Sp. Pl. 1803), 177 (Rp. Sp. Pl. 1800), 178 (Rp. Sp. Pl. 1856), 179 (Rp. Sp. Pl. 1742), 180 (Rp. Sp. Pl. 1738), 181 (Rp. Sp. Pl. 1744), 182 (Rp. Sp. Pl. 1739), 183 (Rp. Sp. Pl. 1737), 184 (Rp. Sp. Pl. 1745), 185 (Rp. Sp. Pl. 1750), 186 (Rp. Sp. Pl. 2168), 187 (Rp. Sp. Pl. 2173), 188 (Rp. Sp. Pl. 2170), 189 (Rp. Sp. Pl. 2171), 190 (Rp. Sp. Pl. 2268), 191 (Rp. Sp. Pl. 2267), 192 (Rp. Sp. Pl. 2266), 193 (Rp. Sp. Pl. 2104), 194 (Rp. Sp. Pl. 2105), 195 (Rp. Sp. Pl. 2088), 196 (Rp. Sp. Pl. 2948), 199 (Rp. Sp. Pl. 1771), 200 (Rp. Sp. Pl. 1770), 201 (Rp. Sp. Pl. 1774), 203 (Rp. Sp. Pl. 1779), 204 (Rp. Sp. Pl. 2211), 205 (Rp. Sp. Pl. 1778), 206 (Rp. Sp. Pl. 1783), 207 (Rp. Sp. Pl 1628-7), 208 (Rp. Sp. Pl 1662), 209 (Rp. Sp. Pl Nürnberg 1666), 210 (Rp. Sp. Pl. 2310), 211 (Rp. Sp. Pl. 2303), 212 (Rp. Sp. Pl. 2303), 213 (Rp. Sp. Pl. 2314), 214 (Rp. Sp. Pl. 1908), 216 (Rp. Sp. Pl. 1909), 217 (Rp. A bbi l du ng e n Sp. Pl. 1924), 218 (Rp. Sp. Pl.1930), 219 (Rp. Sp. Pl. 915), 220 (Rp. Sp. Pl. 919), 221 (Rp. Sp. Pl. 2557), Architekturmuseum TU Berlin: 60 (Archi- 222 (Rp. Sp. Pl. 2489), 223 (Rp. Sp. Pl. 2642), 224 tekturmuseum TU Berlin, Inv. Nr. 8093.) (Rp. Sp. Pl. 2563), 225 (Rp. Sp. Pl. 2685), 226 (Rp. Sp. Pl. 1953), 227 (Rp. Sp. Pl. 1943), 228 (Rp. Sp. Bayerisches Hauptsta atsarchiv: 37 (Rp. Sp. Pl. 1953), 229 (Rp. Sp. Pl. 2393), 230 (Rp. Sp. Pl. Pl. 496), 38 (Rp. Sp. Pl. 70), 39 (Rp. Sp. Pl. 85), 40 2389), 231 (Rp. Sp.Pl. 2388), 232 (Rp. Sp. Pl. 2386), (Rp. Sp. Pl. 151), 44 (Rp. Sp. Pl. 38), 48 (Rp. Sp. Pl. 232 (Rp. Sp. Pl. 2394)

310 | A nhang

Bundesarchiv: 1 (Bild 146-2011-0122), 2 (Bild 146-2011-0123), 17 (Bild 102-02375), 21 (R43II/1046a), 24 (Bild 183-2004-0312-502), 28 (R2/­ 4508), 30 (R43II/1532, 78), 32 (Bild 146-1979074-36A.), 35 (Bild B 145 Bild-P018383), 59 (Bild 146III-373), 71 (NS1/594-K-7), 75 (Bild 1461979-026-14), 97 (Bild 146-1968-017-06), 124 (Bild 146-1985-079-31), 138 (R43II/1046a), 142 (R43I/1532, 91), 143 (Bild 183-2006-0429-502), 147 (R43II/1046), Bayerische Staatsbibliothek, 41 (hoff-20455), 51 (hoff-16134), 52 (hoff-67975), 54 (hoff-13807), 55 (hoff-16064), 57 (hoff-25288), 65 (hoff-24364), 77 (hoff-22810), 88 (hoff-22788), 89 (hoff-22787)

meister 9, 1937, 271), 53 (Zelnhefer 2002, 41), 58 (Feiber 2008, 176), 61 (Price 1983, 209), 64 (Price 1983, 210), 70 (Reichhardt/Schäche 2008, 122), 72 (Bauen im Neuen Reich, 39), 73 (Bauen im Neuen Reich, 44), 74 (Baumeister 9, 1937, 272), 76 (Schönberger 1981, Plan 24), 78 (Bauen im Neuen Reich, 45), 79 (Bauten der Bewegung 1938, 001), 80 (Neue Deutsche Baukunst 1943, 37), 90 (Bauen im Neuen Reich, 20), 93 (Price 1983, 244), 96 (Bauen im Neuen Reich, 61), 33 (Bauen im Neuen Reich, 63), 108 (KiDR 3, H9 1939, 400), 110 (Toman 2000, 151), 116 (Price 1983, 238), 117 (Speer 1969), 118 (Price 1983, 228), 125 (Die Form 8, 1933, 292), 126 (Die Form 8, 1933, 292), 127 (Speer o. A. 1929), 128 (Speer o. A. 1929), 129 (Speer o. A. 1929), 130 Internet: 43 (Stefan Wagner [http://de.m.wikipe (Die Form 8, 1933, 343), 131 (Die Form 8, 1933, dia.org/wiki/Datei:Reichsparteitagsgelaende_Zeppelin 343), 132 (Die Form 8, 1933, 343), 133 (Die Form feld_63.JPG]) 8, 1933, 266), 140 (Bürokratie und Kult 1995, 154), 148 (Price 1983, 230), 149 (Price 1983, 231), 151 Kunstbibliothek Berlin: 4, 5, 6, 7 (NL-HT) (Speer 1978, 54), 155 (Kernd’l 1993, Plan 3), 159 (Speer 1978, 14), 161 (Bauten der Bewegung 1938, Landesvermessung Niedersachsen: 137 81), 163 (Baumeister 9, 1937, 272), 164 (Baumeister (Landesvermessung Niedersachsen, Hannover) 9, 1937, 269), 165 (Bauten der Bewegung 1938, 82), 166 (Bauten der Bewegung 1938, 82), 171 (Speer o. Landesarchiv Berlin: 27 (A. Rep 010-02, 6801) A. 1940, 44), 197 (Speer 1978, 99), 198 (Speer 1978, 141 (A. Rep 010-02, 8027), 144 (A. Rep. 010-02, 99), 202 (Neue Deutsche Baukunst, Berlin 1941, 6801), 26 (A. Rep. 010-02, 6801), 31 (A. Rep. 010- 82), 215 (Krier 1985, 123) 02, 6801), 139 (A. Rep. 10-02, 6802), 23 (A. Rep.1002, 6802,4), 122 (F Rep. 290, O4 A, 273557) Postk arte: 25, 34, 121 Libr ary of Congress, Washington DC: 123 (LoC, Lot 3128-38 p. 145, no. 3)

Privatbesitz: Abb. 99, 98, 101, 102, 103, 104, 134 (Foto  : Gelderblom), 135 (Foto  : Gelderblom), 136 (Foto  : Gelderblom), 119 (Speer Slg. Sp. Nr.19), 172 (Speer Slg. Sp. Nr. 63), 157 (Speer Slg. Speer Nr. 108), 156 (Speer Slg. Speer Nr. 115)

Liter atur: 3 (Willems 2015, 200), 8 (Baugilde 1931, 23, 1766), 9 (Die Form 8, 1933, 290), 10 (Die Form 8, 1933, 343), 12 (De Michelis 1991, 120), 13 (Speer o. A. 1929), 14 (Die Form 8, 1933, 343), 15 Verfasser: 56, 160 (Bildarchiv Monheim 60785.jpg), 16 (Kähler 2000, 75), 18 (Bürokratie und Kult 1995, 155), 19 (Büro- Sollte es trotz sorgfältiger Recherchen nicht in allen kratie und Kult 1995, 154), 20 (Pünder 1928, 75), Fällen gelungen sein, den Rechteinhaber einer in 22 (Price 1983, 227), 29 (Wilderotter 1998, 304), diesem Buch gedruckten Abbildung zu ermitteln, so 36 (Heiss 1934, 96), 42 (Bauen im Neuen Reich, bitten wir diesen, sich mit dem Verlag in Verbindung 23), 45 (Speer 1978, 54), 46 (Speer 1978, 54), 47 zu setzen. (Suhr/Boldt 1985, 24), 49 (Sigel 2000, 99), 50 (Bau-

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332 | A nhang

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PESONENREGISTER

Clahes, Willi 19, 112, 174, 199 Coutin, André 218

Aufgrund ihrer regelmäßigen Nennung im Text wurde auf ein Auflistung von Joseph Goebbels, Adolf Hitler, Albert Speer, Heinrich Tessenow, Paul Ludwig Troost und Rudolf Wolters verzichtet

Davidson, Eugene 48, 62, 215, 234, 252 Dieffenbach, Albert 1, 101, 280 Dietrich, Otto 26, 27 Dietrich, Sepp 171 Dönitz, Karl 8, 24, 209–212 Dorpmüller, Julius 166, 171, 201 Dustmann, Hans 114, 191

Adler, (?) 229 Ambrosi, Gustinus 156, 157 Améry, Carl 220 Apel, Otto 17, 99, 101–103, 134, 213, 299, 300 Arent, Benno von 89, 188, 255 Augstein, Rudolf 217, 218 Azéma, Léon 88, 89 Bartning, Otto 39, 42 ,188 Baumgarten, Paul 4, 153, 157, 180, 188–190, 240 Behrens, Peter 31, 63, 141, Below, Nicolaus von 17, 220 Beneke, R. 46 Bernoulli, Hans 121 Bestelmeyer, German 194 Biddle, Francis 210 Bird, Eugene 212, 310 Blum, Otto 121 Blunck, Erich 231 Böhmer, Franz 31, 102 114 Bohr, Erwin 112, 173 Bolte, (?) 52 Bonatz, Paul 23, 45, 112, 189, 194, 211 Bormann, Albert 18 Bormann, Martin 18, 23, 30, 96,–99, 120, 121, 153, 171, 172, 177, 178, 183, 189–191, 205, 208, 209 Brandl, Michael 22, 264 Brandt, Karl 19, 23 ,114, 176 Brauchitsch, Walther von 178, 179 Braun, Eva 22 Breker, Arno 18, 23, 50, 51, 129, 131, 178, 203, 257, Bretz, (?) 23 Breuer, Marcel 229 Brinkmann, Woldemar 33, 47, 188, 263, 297 Brix. Joseph 36, 120 Brugman, Walter 9, 20, 21, 83, 91,152, 154, 190, 198, Brühl, Theodor 101 Capone, Al 18

334 | Pes onenRegister

Eberstadt, Rudolf 120 Eckfeld, Gust(av) Ad(olf ) 31 Eckhardt, Felix 301, 304, 305 Eggerstedt, Heinrich 192 Elsaesser, Martin 208 Engel, Gerhard 120 Fanck, Arnold 108 Fest, Joachim 2, 3, 16, 17, 20, 22, 23, 25, 90, 175, 185, 203, 210, 216, 217, 219, 278 Fick, Roderich 8, 105, 152, 176, 177, 180, 192, 278, 280, 285 Fiehler, Karl 170 Finke, Erich 149 Flächsner, Hans 101, 212, 213 Fränk, Gerhard 9, 15, 101, 112, 151, 152, 190, Frank, Robert 97, 98, 253 Frank, Karl Hermann 153 Fromm, Erich 30, 220, 221 Funk, Walther 63, 105, 212 Gablonsky, Fritz 142, 283, 285 Gabriel, Werner 207 Gall, Leonhard 53, 176, 285 Gezmer, Felix 121 Giesler, Hermann 7, 8 ,15, 22, 23, 96, 97, 105, 132, 153, 170, 175–177, 190, 192, 194, 195, 197, 203, 205, 206, 216, 220, 260, 278, 280, 285 Goldhagen, Erich 48 Goldschmidt-Rothschild, Marie-Anne v. 288 Göring, Hermann 9, 13, 18, 25, 65–71, 96, 97, 99, 106, 126, 132, 149–152, 159, 167, 175, 180, 189, 200–203, 237, 239,–241, 245, 246, 251, 256, 257, 266, 267, 295, 300, Görlitz, Walter 219 Görlitzer, Artur 24, 204 Görres,(?) 52 Greifelt, (?) 206 Gruber, Otto 28

Grzesinski, Albert 234 Gutschow, Konstanty 215 Gutterer, Leopold 60, 61 Haake, Heinz 207 Hacker, Werner 47 Haeske, Herbert 101 Hamilton-Finlay, Ian 212 Hanke, Karl 18, 19, 24, 37, 48, 49, 60, 219, 233, 236, 241 Häring, Hugo 45,121 Hausam(?) 47 Heinrici, Gotthard 213 Hentrich, Helmut 29–33, 215 Hentzen, (?) 24, 300 Heß, Rudolf 49, 50, 96, 97, 195, 196, 203 Hettlage, Karl Maria 19, 113, 114, 152, 154, 176, 190 Hewel, Walter (?) 184 Heydekampf, Gerd Stieler von 214, 215 Heydrich, Reinhard 18, 19 Hilbersheimer, Ludwig 121 Hildebrandt, (?) 181 Hilgenfeldt, (?) 96 Himmler, Heinrich 5, 23–25, 46, 206, 208, 223, 224 Hochmann, Elaine 86 Hofer, Franz 193 Hoffmann, Heinrich 176, 177, 184 Hoffmann, Ludwig 187 Hommel, Conrad 63 Husmann, Karl 101 Iofan, Boris 87, 88, 262, 263 Irving, David 223 Jansen, Hermann 28, 118 Kaltenbrunner, Ernst (?) 22 Kaspar, Hermann 18, 134 Kater, (?) 24, 300 Kehrl, Hans 15 Keitel, Wilhelm 153, 155, 201, 300 Kempf, Annemarie 212, 306 Kempff, Wilhelm 18 Killy, Leo 152 Kinna, Heinrich 47 Klaje, Hans Hermann 149 Kleinschmidt, Emil 278 Klinke, Hans-Peter 31, 47, 48, 66, 98, 99, 101, 134, 242 Klopfer, Gerhard 15, 18

Klotz, Clemens 193, 198, Knopf, Alfred A. 217 Köhler, Hans 32 Kohtz, Otto 100 Koller, Peter 31, 114, 192 Kollmann, (?) 161 Kopp, (?) 47 Koppe, Robert 214, 215, 304–306 Kötzler, Wilhelm 26 Krahn, Johannes 42 Kreis, Wilhelm 64, 102, 114, 141, 176, 180, 181, 196, 203, 213, 285 Krencker, Daniel 23, 141 Kretschmer, Karl 19, 30, 31, 35, 95 Krosigk, Johann Ludwig Graf Schwerin von 56, 133, 238 Krüger, Johannes 65, 244, 245 Krüger, Walter 65, 244, 245 Kuhn, Frans Sales 228 Kühnell, Walter 113, 134, 135, 152 Lammers, Hans Heinrich 54–59, 66–72, 84, 85, 96, 97, 104– 107, 115, 132, 133, 146, 151, 152, 170,189, 193, 207, 238, 241, 243, 245, 251, 256, 267, 284 Langer,(?) 11 Laub, (Georg ?) 188 Läuger, Max 28 Le Corbusier 39, 121 Lehrmann, August 194 Letocha, Rudolf 101, 213, 214 Ley, Robert 95–97, 149, 203–205, 208 Liebel, Willy 19, 94, 197 Lippert, Julius 22, 24, 107, 115, 150, 152, Loeffler, Walter 32–34, 37 Löffler, Martin 29 Lorenz, (Hans?) 190 Lotz, Wilhelm 9, 50, Lübke, Heinrich 9 Mächler, Martin 117,121 Mallwitz, Hans 114, 149 May, Ernst 28, 184, Mayer, Fritz 247 Merten, (?) 174 Möhring, Bruno 120 Morell, Theodor 191 Muche, Georg 39 Münzel, (?) 55, 238 Mussolini, Benito 7, 93, 132, 146–148, 292, 293

PesonenRegister | 335

Nagel, Wilhelm 18, 19, 48, 49, 60, 108, 154–156, 201 Nannen, Henri 217 Neikes, Hans 174 Neufert, Ernst 15, 205, 214, 301, 304, 305 Neutra, Richard 214 Olbrich, Joseph Maria 63 Paulick, Richard 39 Pawelitzki, Richard 306 Petersen, Richard 120 Petrich, Georg 102 Piepenburg, Carl 20, 36, 102, 113, 134, 135, 151 ,152, 190, 213, 267 Pinnau, Cäsar 114, 134, 215, 216 Poelaert, Joseph 166, 187 Poelzig, Hans 29–33, 45, 121 Posener, Julius 29, 36, 38 Pötschke,(?) 95 Preschany, Wilhelm 229 Puiggari, Federico Ulsamer 28 Purschke, Felicitas 101 Raab, Fritz 101, 134 Raven, Hélène Jeanty 224 Reinhardt, Fritz 99, 100 Reitter, Otto 148 Ribbentrop, Joachim von 167 Richter, Hellmuth 33 Riefenstahl, Leni 17, 20, 108, Ries, Fritz 215 Rimpl, Herbert 114, 126, 215, 278 Röchling, Hermann 15 Rogler, Rudolf 193 Rohe, Ludwig Mies van der 29, 195, 199, 263 Rohland, Walther 223, 224 Rohrer, William 101, 213, 214 Rommel, Erwin 23, 296 Rönneburg, Heinrich 15, 108, 112s Rösel, Wolfgang 305 Rosenberg, Alfred 25, 120, 207, Rosskotten, Heinrich 52 Roth, Alfred 30, 31, 34, 35, 38, Ruegenberg, Sergius 195 Ruff, Franz 64, 79, 130, 197, 198 Ruff, Ludwig 64, 65, 78, 79, 82, 130, 247 Russwurm, Hans 134

336 | Pes onenRegister

Sackur, Adolf 28 Sagebiel, Ernst 64, 65, 74–78, 126, 128, 157, 194, 197 Sahm, (?) 56, 58, 238 Sauckel, Fritz 14, 194 Saur, Karl Otto 202 Schallenberger, (?) 192 Scharoun, Hans 39 Schelkes, Willi 20, 21, 23, 37, 38, 47, 49, 94, 95, 97, 107, 111–114, 118, 159, 166, 167, 173, 195, 203, 213, 214, 217, 305, 307 Schinkel, Karl Friedrich 49, 93, 122, 140, 166, 218, 222 Schirach, Baldur von 23, 114, 191, 212, 217 Schlempp, Walter 9, 217 Schlieker, Willy 218 Schmeer, (Rudolf?) 23 Schmeling, Max 17 Schmidt, (?) 192 Schmidt-Gocht, (?) 101 Schmitthenner, Paul 45, 64 Schmitz, Bruno 121 Schmundt, Rudolf 120, 153 ,171, 296 Schobert, Eugen Ritter von 134, 135, 167, 300, 301 Schu, Hans-Georg 216 Schuber, Günther 217 Schuhmacher, Fritz 45 Schulte-Frohlinde, Julius 19, 78, 95, 191 Schultze-Naumburg, Paul 19, 53, 59, 64, 65,118, 194 Schwarz, Leonhard 22, 51, 213, 219,3 305, Schwarz, Rudolf 42,44 Schwarzer, Erwin 34, 35 Schweizer, Otto Ernst 247 Schwippert, Hans 42 Siedler, Eduard Jobst 29,53, 54, 71, 218, 254 Siedler, Wolf Jobst 17, 217, 218, 219, 221–223, 306, Simon, Otto 37, 214, Sonnenfeldt, Richard 14 Speer, Hilde 15, 210, 219 Speer, Margarete 34, 194, 212, 217, 218 Speidel, Hans 23 Staton, David 215 Steeg, Ludwig 115,116, 171 Steinwarz, Herbert 95, 150 Stephan, Hans 6, 9, 10, 16, 20–22, 106–108, 110, 112–115, 173, 185, 192, 206, 207, 213, 217 Stephan, Margarete 108 Stolper, (?) 95 Streicher, Julius 20, 64 Strohmayer, Otto 148

Stührk, Gustav 23 Stürtz, Martin 195 Suhrkamp, Peter 23 Tamms, Friedrich 22, 28, 31, 56, 99, 114, 115, 150, 156, 181, 211, 217, 238 Techow, H, 233 Terboven, Josef 177, 265 Teuffel, Gisbert von 28 Thiersch, Friedrich von 187 Thorak, Josef 18, 98, 102, 129, 131, 142, 160, 281–285 Tiessler, (?) 151 Todt, Fritz 150–153, 170, 172, 173, 177, 193, 200, 201, 204, 211, 223, 236, 296 Troje, Ralph 32, 235 Troost, Gerdy 62, 63 Udet, Ernst 148, 167, 300 Umlauf, Josef 206 Wagner, Alfred 213, 216, 219, 220, Wagner, Martin 39, 45, 106, 184, Wahl, Karl 17 Wallot, Paul 200 Wallraff, Helene 32, 33 Weber, Friedrich 228, 229 Weber, Gerhard 278 Wechs, Thomas 194 Weidemann, Kurt 222 Weitzel, Ludwig 101 Wersin, Herthe von 60 Wiesenthal, Simon 221 Wilhelmi, (?) 112, 159, 199, Willuhn, Franz 104 Winnacker, Karl 214 Winston, Clara 222, 223 Winston, Richard 101 Winter, Gerhard 101 Winterstein, Hans 231 Wittenberg, Annemarie 99, 184 Wolff, (?) 27, 47 Wolff, Heinrich 76–78, 132, 134, 157 Zuckmayer, Carl 221

PesonenRegister | 337

TIMO NÜSSLEIN

PAUL LUDWIG TROOST (1878–1934) (HITLERS ARCHITEKTEN: HISTORISCH-KRITISCHE MONOGRAPHIEN ZUR REGIMEARCHITEKTUR IM NATIONALSOZIALISMUS, BAND 1)

In der Reihe Hitlers Architekten: Historisch-kritische Monographien zur Regimearchitektur im Nationalsozialismus werden Biographie und Werk jener Baumeister untersucht, die mit dem Diktator persönlich zusammengearbeitet und somit das architektonische Gesicht des Regimes geprägt haben. Durch die erstmalige Erschließung umfangreicher Archiv- und Quellenbestände liefern die einzelnen Bände die Grundlage für die Kenntnis und das bessere Verständnis von Akteuren, Planungen und historischem Kontext. Als erster Architekt Hitlers hat Paul Ludwig Troost die architektonische Schauseite des Nationalsozialismus nachhaltig geprägt. Seine 1930 bis 1934 entworfenen Bauten und Interieurs werden im »Dritten Reich« vielfach rezipiert und zählen heute zu den bekanntesten baulichen Hinterlassenschaften des NS-Regimes. Troosts Leben und Werk sind erstmals in diesem Buch dargestellt, für das eine Vielzahl bislang unbekannter Quellen ausgewertet wurde. 2012. 324 S. 156 S/W- UND 16 FARB. ABB. GB. MIT SU. 210 X 280 MM. € 49.00 | ISBN 978-3-205-78865-2

böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, 1010 wien. t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com wien köln weimar

LIOBA SCHMITT-IMKAMP

RODERICH FICK (1886–1955) (HITLERS ARCHITEKTEN: HISTORISCH-KRITISCHE MONOGRAPHIEN ZUR REGIMEARCHITEKTUR IM NATIONALSOZIALISMUS, BAND 3)

Roderich Fick (1886–1955), der seit Beginn seiner Tätigkeit als Architekt eine handwerklich geprägte, traditionalistische Bauweise pflegt, wird neben Paul Ludwig Troost, Albert Speer und Hermann Giesler zu einem der mit Adolf Hitler eng vertrauten Architekten. Er zeichnet für die Bebauung des Obersalzberges verantwortlich und wird in Hitlers Jugendstadt Linz als Reichsbaurat eingesetzt. Das vorliegende Buch erläutert, wie und warum Fick Aufträge der Nationalsozialisten bekam, beleuchtet die Zusammenarbeit mit Hitler, erklärt die Gründe für seinen Kompetenzverlust ab 1942/43 und verortet Fick darüber hinaus in einer spezifisch süddeutschen Bautradition. Sein architektonisches Gesamtwerk wird in einem Katalog erstmals zugänglich gemacht. Lioba Schmitt-Imkamp, geboren 1981, studierte Kunstgeschichte in Bamberg und Heidelberg. Im Rahmen des Forschungsprojekts ,Hitlers Architekten‘ untersuchte sie seit 2007 Leben und Werk des Architekten Roderich Fick und wurde darüber im Jahr 2012 an der Technischen Universität München promoviert. 2014. VIII, 331 S. 186 S/W-ABB. GB. MIT SU. 210 X 280 MM. ISBN 978-3-205-79594-0

böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, 1010 wien. t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com wien köln weimar