Alban Berg. Biographie [1. ed.] 9783826063916


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German Pages 346 [345] Year 2023

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Alban Berg. Biographie [1. ed.]
 9783826063916

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Barbara Meier — Alban Berg

Barbara Meier

Alban Berg Biographie

Königshausen & Neumann

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2018 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier Umschlag: skh-softics / coverart Umschlagabbildung: Alban Berg, 1924. Image ID: FXEGXJ. Alamy.com Bindung: docupoint GmbH, Magdeburg Alle Rechte vorbehalten

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in Germany

ISBN 978-3-8260-6391-6

www.koenigshausen-neumann.de www.libri.de www.buchhandel.de www.buchkatalog.de

Meinem Lehrer Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Kraft

Inhalt Ein Familienfoto ............................................................................ 7 In der Oberrealschule .................................................................. 11 Auf dem Berghof ......................................................................... 18 Der Lehrer.................................................................................... 22 In Schönbergs Schule .................................................................. 30 Bei Karl Kraus .............................................................................. 37 Noch ein Familienbild ................................................................. 40 Kaffeehausbesucher ..................................................................... 44 Das macht, es hat die Nachtigall die ganze Nacht gesungen .... 48 Eine Passion ................................................................................. 56 Ein Akt der Notwehr .................................................................. 63 Schlafen, Schlafen, nichts als Schlafen ........................................ 66 Für Helene ................................................................................... 69 Der Skandal .................................................................................. 72 Unwillkommene Hommage ....................................................... 79 Schönbergs Schatten.................................................................... 82 Ein Geburtstagsgeschenk ............................................................ 90 Krieg ............................................................................................. 96 Der Öffentlichkeit entrückt ..................................................... 115 Familienszenen .......................................................................... 120 Musikschriftstellerei .................................................................. 126 Das vierblättrige Kleeblatt ........................................................ 131 Eine echte Theatermusik ........................................................... 140 Wozzeck..................................................................................... 144

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Für fünfzig Jahre ....................................................................... 165 Ein Denkmal .............................................................................. 173 Inflation...................................................................................... 179 Sommerquartiere ....................................................................... 184 Die herrische Norm .................................................................. 189 Ewigkeitsmomente .................................................................... 193 De profundis clamavi................................................................. 200 Eine ganze Oper aus einer Tonreihe ........................................ 208 Kunstfahrten .............................................................................. 213 Glückwünsche zum ‚Akademiker‘............................................ 224 Fort in das leuchtende All ......................................................... 227 Der blaue Vogel ......................................................................... 230 Ein Wunder erzwingen .............................................................. 232 Da wohnt das Glück .................................................................. 237 Im selbstgewählten Exil ............................................................ 248 Abschied..................................................................................... 257 In schwärzester Zeit .................................................................. 264 Lulu ............................................................................................ 269 Anmerkungen. ........................................................................... 296

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Ein Familienfoto Die Familie hat sich um den Mittagstisch versammelt, Conrad Berg, seine Frau Johanna, die Kinder Karl, Alban und Smaragda. Ein Fotograf ist bestellt worden, um die Szene festzuhalten. Das Esszimmer, im neobarocken Stil eingerichtet, macht trotz der Überfülle an Dekor einen behaglichen Eindruck. In Ölgemälden, Vasen, Büsten, in edlem Geschirr und barocken Verzierungen an Möbeln und Türrahmen sind Wohlstand und Kunstsinn ausgestellt. Conrad Berg, ein wenig zurückgelehnt, wirkt mit seinem fein geschnittenen Gesicht wie ein Künstler oder ein Gelehrter. Er ist engagierter Freimaurer, Protestant, sammelt Antiquitäten, liebt Bücher und Musik, die Wiener Klassik, Konzerte im Volksgarten. Moderne Kunst lehnt er entschieden ab, mit Wagner darf man ihm nicht kommen. Unter eigenem Namen leitet er als Kommissionär der amerikanischen Firma George Borgfeldt & Co. ein Import- und Exportunternehmen. Ende der sechziger Jahre kam er aus Wöhrd bei Nürnberg nach Wien, arbeitete als Buchhändler und heiratete 1870, mit 24, die neunzehnjährige Johanna Maria Anna Braun, Tochter des Wiener Hofjuweliers Franz Xaver Melchior Braun. Der Buchhandel war erfolgreich, zwei Jahre nach der schweren Wirtschaftskrise schon eröffnete Conrad Berg eine Filiale und übernahm ein Jahr später L. Wallner’s Verlagsbuchhandel. Auf einem Marmorsockel im Esszimmer steht seine Bronzebüste, ein Jubiläumsgeschenk von Wiener Fabrikanten, bei denen Conrad Berg hohes Ansehen genießt. Trotz seiner Herzschwäche und einer steten Müdigkeit arbeitet er immer noch mit großer Disziplin. Seine Frau wirkt viel robuster. Unbeeindruckt von der Kamera, spricht sie lebhaft mit dem Hausmädchen, das gerade den Likör bringt. Tüchtig, resolut, praktisch denkend, setzt sie sich als Geschäftsfrau über Grenzen hinweg, die eine Gattin in der gehobenen Bürgerschicht eigentlich zu beachten hätte. Statt ein Leben in Muße zu führen, betreibt sie neben ihrem großen Haushalt noch ein ehemaliges Geschäft ihres Mannes, in dem

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Ölbilder – Originale wie Kopien –, Gebetbücher und Devotionalien verkauft werden. Der Laden liegt auf der Rückseite ihres Wohnhauses, so ist sie immer für ihre Kinder erreichbar. Die sollen sich möglichst frei entwickeln, gegen alles Unnatürliche hat sie eine Abneigung. Sie werden katholisch erzogen, so ist es im Ehekontrakt vereinbart. Die Kinder sind gekleidet wie Erwachsene, die Brüder tragen Anzug und Krawatte, Smaragda ein Kleid mit üppigem Kragen, ihre dunklen Haare sind zu einem dicken Zopf geflochten. Artig bedient sie ihren Vater. Sie ist schon eine sehr gute Klavierspielerin, später wird sie Schülerin des berühmten polnischen Pianisten Theodor Leschetizky. Auf dem Foto mag sie zwölf sein, anderthalb Jahre jünger als Alban. Karl dagegen, den sie Charly nennen, vier Jahre älter als Alban, ist fast schon ein junger Mann, temperamentvoll, musikalisch, ein leidenschaftlicher Verehrer von Karl Kraus und Richard Wagner. Seine Begeisterung steckt an. Wenn er am Bösendorfer in Wagners Opern schwelgt, dabei mit seinem schönen Bariton gleich alle Partien selbst singt, hockt Alban hinter ihm und liest die Musik im Klavierauszug mit. Außer dem Flügel gibt es im Salon noch eine alte Pfeifenorgel aus dem Bestand der ehemaligen Hofbühne. Manchmal, nach seinen Besuchen im Devotionaliengeschäft, improvisiert Anton Bruckner an dem eigenartigen Instrument. Die Kinder küssen dem Herrn Professor die Hand. Musikalisch begabt wie die drei jüngsten Kinder war schon Johanna Bergs Vater, der Juwelier Franz Xaver Melchior Braun, Freund des Klavierfabrikanten Bösendorfer. Er konnte, so erzählt man, Melodien aus Opern und Konzerten nach Gehör auf dem Klavier wiedergeben, ohne eine Note zu kennen. Albans besondere Begabung lässt sich noch nicht erkennen, er ist ein wenig schüchtern, zeichnet gern, liest viel und möchte am liebsten Schriftsteller werden. Die Geschwister hängen mit großer Zuneigung an ihm. Auf dem Bild fehlt der älteste Bruder Hermann, der Amerikaner, wie sie ihn nennen, New Yorker Import- und Exportkaufmann. Er ist dreizehn Jahre älter als Alban und wurde schon mit vierzehn Praktikant in der New Yorker

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Firma Borgfeldt & Co. Ein-, zweimal im Jahr kommt er zu Besuch. Den Eltern gegenüber sitzt eine jüngere, schlanke Frau im hochgeschlossenen Kleid, die Gouvernante Ernestine Götzlik, eine Elsässerin. Sie unterrichtet Smaragda im Klavierspiel und in Französisch. Zuweilen lässt sie die Kinder Dramen mit verteilten Rollen lesen, und zu festlichen Anlässen inszeniert sie mit Fantasie und Geschick lebende Bilder oder kurze Szenen, in denen die Geschwister kostümiert auftreten und Lieder, kleine Arien und Duette vortragen. Manche Kinderfotos von Alban und Smaragda zeigen, mit welchem Vergnügen die beiden sich verkleidet haben. Das Familienbild lässt nichts ahnen vom baldigen Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie, die der alte Kaiser Franz Joseph I. nun schon über ein halbes Jahrhundert lang regiert. Seit Jahrzehnten ist die Stabilität seines Reiches gefährdet, der Nationalitätenstreit wird heftiger, das soziale Elend der Unterschicht nimmt zu. Die Kinder der Bergs aber scheinen abgeschirmt gegen Existenzsorgen. Noch dürfen sie ihren spielerischen und künstlerischen Neigungen nachgehen und ein Leben führen, wie es sonst nur in aristokratischen Kreisen möglich war. Als Alban Berg am 9. Februar 1885 geboren wurde, wohnte die Familie in der Wiener Innenstadt, Tuchlauben 8, im dritten Stock des alten Schönbrunnerhauses, des Visendischen Palais, das im 18. Jahrhundert ein prächtiger Bau gewesen war, damals noch mit barocken Ornamenten über den hohen Fenstern. Im Erdgeschoss gab es eine Musikalienhandlung, die ersten beiden Etagen hatte der „Wiener Kunstverein“, eine Malervereinigung, gemietet, und im vierten Stock wohnte die Witwe des Barons von Salzgeber. Gegenüber hatte sich der Musikverleger Haslinger niedergelassen. Auf der Rückseite des Schönbrunnerhauses, Milchgasse 2, hinter der Pfarrkirche St. Peter, befand sich die Buchhandlung Conrad Bergs, zugleich Verlagsgeschäft und Devotionalienhandlung. Albano Maria Joannes Berg, so ist es im Taufregister zu lesen, wurde am 1. März in St. Peter getauft. Alban heißt er nach

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dem Baron von Salzgeber, einem Freund der Familie. Den griechischen Namen seiner Schwester, Smaragda, hatte Konsul Koimzoglu angeregt, ein Geschäftsfreund des Vaters und Taufpate der beiden Jüngsten. Als das alte Schönbrunnerhaus abgerissen wurde, 1898, bezog die Familie eine geräumige Wohnung im VII. Bezirk, Breitegasse 8. Am 30. März 1900 stirbt Conrad Berg nach einem Herzanfall. Mit seinem plötzlichen Tod ändert sich das Leben der Familie schlagartig. Es stellt sich heraus, dass der Nachlass zu einem großen Teil passiv ist. Die Firma wird aufgelöst, Schulden sind zu begleichen, einige Zimmer der Wohnung müssen vermietet werden. Für den Lebensunterhalt der Kinder steht nur eine geringe Summe zur Verfügung. Die Aufregung und der Schmerz um den Vater führen bei Alban zu schweren rheumatischen Anfällen.1 Hermann kommt aus New York – ein wenig später wird er Albans Vormund –, und man denkt daran, Alban aus der Schule zu nehmen, ihn ebenfalls nach Amerika zu schicken, wo er unter Hermanns Aufsicht eine kaufmännische Lehre absolvieren könnte. Diesen frühen Schulabbruch verhindert Albans Taufpatin, Maria Bareis, Edle von Barnhelm, eine vermögende Verwandte Johanna Bergs. Sie unterstützt fortan seine Schulausbildung finanziell, aber Geldsorgen überschatten noch die nächsten fünf Jahre.

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In der Oberrealschule Im September 1895 wechselte Alban Berg nach fünf Volksschuljahren in die k. k. Staats-Realschule, Schottenbastei 7, eine siebenklassige Oberschule mit abschließender Matura. Der Stundenplan sah als Fremdsprachen nur Französisch und Englisch vor, kein Latein, die Realschule diente eher zur Vorbereitung auf technische Berufe. So studierte Hermann Broch, ein Mitschüler Bergs, zunächst Textiltechnik, um in der Textilfabrik seines Vaters zu arbeiten. Zu den Schulfächern zählten noch Freihandzeichnen, Schönschreiben, praktische Übungen im Labor, nicht aber Musikunterricht. Hier wie in der k.k. Monarchie überhaupt wurden die Schüler mit Zensuren und Strafen zu Untertanen erzogen, zur fraglosen Anerkennung der Autorität des Lehrers, der von seinem erhöhten Katheder aus das vorgeschriebene Pensum des Lehrstoffs vortrug und anschließend abfragte. Wer das Vorgetragene in der nächsten Stunde nicht wusste, bekam einen Schinkwe (eine Fünf), wie Alban Berg einem Freund berichtete.2 Die Lehrer wechselten fast jedes Schuljahr, ihre monotone Pflicht erledigten sie meist lustlos. Alban ist ein stiller Schüler. Gemeinsam mit etwa sechzig Kindern der Eingangsklasse bringt er täglich vier bis fünf Stunden in dieser Kaserne zu. Er fühlt sich unglücklich, ist häufig krank und fehlt dann lange. In der dritten Klasse steht zum ersten Mal ein „Nicht genügend“ auf dem Zeugnis, Alban muss eine zusätzliche Prüfung im Geometrischen Zeichnen ablegen. Welch ein Glück, dass es die Bücher gibt und die Musik. Mit Heißhunger liest er Homers „Ilias“, Dramen von Goethe, Schiller, Shakespeare, Grillparzer, vor allem Schauspiele von Ibsen. Nach den öden Schulstunden ist das Lesen eine Befreiung. Er schreibt sich Zitate aus der Literatur auf, vorwiegend aus Werken von Ibsen und Strindberg, und gibt der Sammlung den Titel Von der Selbsterkenntnis. Gustav Mahler und Henrik Ibsen werden seine lebenden Ideale.

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1907 entsteht der erste Akt eines Dramas.3 Ich war einmal im Bleiberger Bergwerk, das hat mir einen solchen Eindruck gemacht, daß ich ein ganzes Bergwerksdrama geschrieben hab. Als junger Bursch natürlich – unter dem Einfluß Ibsenscher Dramen! [...] Bevor ich komponierte, wollte ich überhaupt Dichter werden.4 Die fünf geplanten Akte, von denen nur der erste fertig geworden ist (die restliche Handlung ist skizziert), entwerfen ein analytisches Drama nach Ibsens Vorbild, in dem ein Verbrechen aus der Vergangenheit erst allmählich ans Licht gelangt. In einem Kohlebergwerk kommt es durch den Wassereinbruch in einem Schacht zur Katastrophe. Zehn Jahre zuvor hatte es, durch die Schuld des damaligen Direktors, schon einmal einen Wassereinbruch mit vielen Toten gegeben. Dabei wurde die Leiche des Betriebsleiters gefunden, der, wie man erst am Ende erfährt, aus Eifersucht von dem Sekretär Voigt erschlagen worden ist. Was die anderen nicht wissen: seine Frau hat einen Sohn von dem Ermordeten. Christoph, der nie auftritt, ist kränklich, kann nicht mehr im Schacht arbeiten, glaubt, er sei unrettbar verloren. Er liest Bücher, in denen von der Schande der Eltern, vom Fluch, von Vererbung die Rede ist. Lili, Voigts Tochter, hat die Veranlagung ihres Vaters geerbt, sie treibt grausame Spiele. Man erkennt den Einfluß der „Gespenster“ von Ibsen.5 Der satirische Blick auf die Gesellschaft zeigt sich an allen Figuren: dem verantwortungslosen Direktor, der die Abhängigkeit der „schönen Hertha“, der Frau des Sekretärs, benutzt, um sie zu seiner Geliebten zu machen, während ihn die Probleme in seinen Gruben kalt lassen; am Pfarrer, der nie fromm werden wird, verlogene Predigten hält, viel Wein trinkt und immer in der Begleitung der Lehrerin zu sehen ist; am Apotheker, einem klatschsüchtigen Zyniker; an Hertha, die ihre Skrupel, sich dem Direktor hinzugeben, mit dem Satz verdrängt: „Sind wir doch alle Verbrecher“. Zentrale Person des Dramas ist der Sekretär Voigt, ein von Rachegelüsten Beherrschter, der, als er hinter den erneuten Ehebruch seiner Frau kommt, auch noch den Direktor erschlägt. Das ist grob gezeichnet. Bergs Interesse richtet sich vor allem darauf, ein Gesellschaftspanorama zu entwerfen und Elemente des Sozialdramas aufzunehmen: nach der

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Explosion im Bergwerk sammeln sich die Arbeiter und ihre Familien, stürmen das Haus des Direktors und verlangen seine Absetzung. Schon früh hat Alban Berg begonnen, Gedichte zu schreiben. Dass er in der fünften Klasse dann ausgerechnet in Deutsch ein „Nicht genügend“ bekommt, ist ein Schock. Denk Dir lieber Hans, ich habe im I. Semester Zeugnis in Deutsch eine 5. Welche Demüthigung einem Dichter wie ich bin, schreibt er an den Mitschüler Johannes Huber. Der Brief schließt mit acht Hexametern Gleich dem Versmass der schönen und nie vergessenen Ilias.6 Jetzt ist er fünfzehn, hoch aufgeschossen, sehr schmal, gesundheitlich labil. Immer geht er ein wenig vorgebeugt – „als wolle er sich auf elegante und bescheidene Weise seiner Umwelt gegenüber verbeugen“, fand der Verleger Hans Heinsheimer.7 Sein Gesicht ist von fast femininer Schönheit: große, hellgraue Augen unter hohen Brauen und schweren Lidern, ein weich geschwungener Mund, die schmale Nase leicht gebogen, üppiges dunkles Haar, das er in Augenblicken der Erregung hastig aus dem Gesicht streicht. Er ist ein genauer Beobachter, hat einen Blick auch für Komisches, mit Geschick zeichnet er Porträts und Karikaturen. Immer stärker wendet er sich nun der Musik zu, wird ein leidenschaftlicher Opern- und Konzertbesucher. Nach den Einschüchterungen in der Schule beginnt in der freien Zeit das eigentliche Leben. Gemeinsam mit Charly und einigen Freunden steht er fast jeden Abend für Karten an, für einen Stehplatz auf der „Vierten“ in der Hofoper, wo die Geschwister im Licht einer Taschenlampe die Musik im Klavierauszug mitlesen und halblaut kommentieren, fürs Stehparterre im Musikvereinssaal, für billige Karten im Burgtheater. Und nachher wird leidenschaftlich über die Aufführungen diskutiert. Durch Gustav Mahlers Leitung war die Wiener Hofoper zum berühmtesten und besten Opernhaus der Welt geworden. Es gelang Mahler, begabte junge Sänger zu verpflichten, Anna von Mildenburg, Marie Gutheil-Schoder, Leo Slezak. Und in der Zusammenarbeit mit dem Maler und Bühnenbildner Alfred Roller, sozusagen unter moderner Opernregie, wenn der Regis-

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seur auch damals auf dem Theaterzettel noch gar nicht vorkam, entstanden Aufsehen erregende Inszenierungen mit subtilen Licht- und Farbwirkungen. Den bisherigen Aufführungsstil, das übertriebene Pathos und das steife Singen an der Rampe, löste jetzt eine lebendige Darstellung ab. Mahler kämpfte gegen die Claque, den bestellten und gekauften Beifall, und bei ihm konnten die Zuschauer nicht mehr beliebig zu spät kommen – Verspätete wurden ausgesperrt. Eine Aufführung des „Fidelio“ in der Spielzeit 1900/1901 beeindruckt Alban tief. Nach der Uraufführung der vierten Symphonie von Mahler, 1902, gelingt es ihm, einen Taktstock des Komponisten zu ergattern. Mit einigen Schulfreunden, Johannes Huber, dem Gedichte schreibenden Paul Hohenberg und mit Hermann Watznauer, mit ihm vor allem, tauscht er seine Gedanken und Empfindungen aus, oft in langen Briefen. Watznauer, zehn Jahre älter als Alban und angehender Bauingenieur, leitet in Wien einen „Verein junger Männer“, in dem man gemeinsam Sport treibt, Radfahrten unternimmt, sich mit künstlerischen und gesellschaftlichen Fragen befasst. Die Jugendlichen reden ihn mit „Meister“ an. Als Alban ihn bei der Baronin Salzgeber kennenlernt, erfährt er, dass Watznauer vor Jahren dieselbe Realschule besucht hat, in die er jetzt geht, mit ähnlich trostlosen Erfahrungen. Nach Conrad Bergs Tod sieht sich Hermann Watznauer als Albans Beschützer, trifft sich fast täglich mit ihm nach der Schule. Er wird später sein erster Biograf. Nach den Ferien auf dem Berghof, dem Gut der Familie Berg in Kärnten, beginnt wieder der quälende Schulalltag, erneut mit einer Nachprüfung in Geometrie. In der sechsten Klasse absolviert Alban nur das erste Halbjahr. Der Tod des Vaters im März, das beschämende Gefühl, nichts zu leisten, die Unsicherheit, was aus ihm werden soll, stürzen ihn in eine Krise. Er verlässt die Schule. Erst sechzehn ist er, als er Vater wird. Marie Scheuchl, ein Küchenmädchen, bringt am 4. Dezember 1901 ein Mädchen zur Welt. Da ist sie freilich nicht mehr auf dem Berghof, sondern bei ihren Verwandten in Linz. Als sie schwanger war, wurde sie entlassen, wahrscheinlich mit einer

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Abfindung, nichts Ungewöhnliches damals. Bürgerliche Familien duldeten sexuelle Kontakte ihrer heranwachsenden Söhne mit dem Hauspersonal, ermöglichten sie wohl gar und entließen die Frauen, wenn sie schwanger wurden. In der Familie Berg wird über diese Angelegenheit nicht gesprochen, obwohl alle davon wissen. Alban weiß zunächst gar nicht, dass er Vater geworden ist. Marie, die ihre Anhänglichkeit noch im Namen bekennt, den sie dem Kind gibt – Albine –, schickt ihm ein Foto der Tochter und sogar ihre Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit der Schwangerschaft. Alban reagiert hilflos, Schuldgefühle treiben ihn zu einem pathetischen, geradezu theatralischen Antwortbrief. Von Schuld schreibt er, vom Unrat seiner Sünden. Anstatt daß ich hinaustrete in die Welt und laut verkünde „Seht das ist mein Kind – das ich gezeugt – es ist mein 2tes Ich“! anstatt dessen verberge ich alles hinter einem lügnerischen Schleier – – und bin vor der Welt der liebe unschuldige Alban ...8 In einem Brief an Watznauer, ein Jahr später, steht der Satz: Ich hielt mich für ideal, fand aber wie unideal – wie fleischlich sinnlich ich bin!9 Er unterschreibt am 8. Dezember 1903 eine Vaterschaftsbestätigung,10 und eine Zeitlang muss er noch Kontakt zu Marie Scheuchl gehabt haben, immerhin hat er ein Porträt seiner zweijährigen Tochter in Aquarell gemalt,11 die Beziehung aber hat er sein Leben lang vor seiner späteren Frau geheimgehalten. Schon länger hat Alban Klavierstunden bei Ernestine Götzlik, der Hauslehrerin. Ein besonders guter Techniker ist er nicht, aber er beginnt, am Klavier zu improvisieren, Klänge zu probieren, bald auch, 1900/1901, zu komponieren, melancholische Lieder in getragenen Tempi über Liebe, Sehnsucht, Fremdheit, Einsamkeit. Es sind einfache Kompositionen, oft in C-Dur, die Begleitung läuft im Diskant meist parallel zur Singstimme, was das Musizieren mit den Geschwistern natürlich erleichtert. Der Klaviersatz ist noch ungeschickt, expressive Stellen werden immer wieder durch tremoli unterstützt. Was aber schon die ersten Lieder heraushebt aus bloßer Hausmusik, ist der Ausdruckswille, der sich in den harmonischen Farben, der Verwen-

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dung von alterierten Akkorden, Medianten und Modulationen in entfernte Tonarten zeigt, auch die formale Gestaltung ist eigenwillig. Die Spielleute auf einen Text von Ibsen sind voller überaus genauer dynamischer Zeichen und ungewöhnlicher Vortragsanweisungen – geheimnisvoll, wild, gehaucht, düster, aufflackernd –, Ausdruck eines hohen künstlerischen Anspruchs, den der Notentext noch nicht erfüllen kann. Seit dem Februar 1900 besitzt Alban das „Goldene Buch der Musik“, ein Geburtstagsgeschenk von Hermann Watznauer, aus dem er sich die allerersten theoretischen Kenntnisse holt, Vorbilder findet er ja in Partituren. Im Lied Heiliger Himmel12, das er mit der Opuszahl 1 versieht, entwerfen die ersten 12 Takte – Sommerträume, ihr purpurne Abende – mit sparsamen Mitteln ein eigenartiges Stimmungsbild: Nach einer träumerisch schattierten Kadenz lassen aufeinanderfolgende terzverwandte Nonenakkorde den Purpur glühen, die Singstimme spannt einen expressiven Bogen innerhalb einer None, das Klavier führt ihn verlöschend in die Tiefe. Der abrupte Wechsel zum Dramatischen zeigt dann die handwerkliche Unerfahrenheit des Sechzehnjährigen. Im Herbst sitzt er erneut in der 6. Klasse, kann das 2. Semester aber erst nach den Ferien abschließen, da er zu häufig gefehlt hat. Er bekommt scheinbar grundlos Fieberanfälle, ist zudem anfällig für Abszesse. Symptom seiner nervösen Angespanntheit ist das Nägelkauen, mit dem er auch später nicht mehr aufhören kann. Beim Nachholen des Schulstoffs auf dem Berghof hilft Paul Hohenberg. Doch auch die 7. Klasse, die letzte, muss Alban wegen ungenügender Leistungen in Deutsch und Mathematik wiederholen. Schicksalspossen nennst Du mein Fiasko in der Schule, schreibt er an Hermann Watznauer. Ich finde so wenig Possenhaftes daran, daß ich weinen möchte, wenn ich daran denke –, es ist ein Drama mit traurigstem Ausgang – – – eine Tragödie – – – trauriger als viele Trauerspiele – – –!!! Der Ausblick in meine Zukunft ist äußerst trübe ... wenn ich nur fort sein könnte – – –! Selbst die Musik macht mir nicht mehr die Freude wie sonst – – – Ich bringe nichts zustande – – – das Lied, das ich hier schrieb, ist miserabel – – – wieder so ein trauriges Gebrumm!!!! Der 13. Juni 03 [Tag der schriftlichen Prüfung] hat

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mir meine ganze Lust abgeschnitten – ich bin ein öder Mensch – – – es liegt wie eine große Schuld auf mir ...13 1903 wird ein Unglücksjahr. Im Februar trauert er um Hugo Wolf, sein Vorbild für die eigenen Lieder, geht zum Begräbnis auf dem Zentralfriedhof. Im Oktober nimmt sich der Philosoph Otto Weininger das Leben – geradezu spektakulär im Sterbehaus Beethovens. Alban und Hermann Watznauer suchen sein Sterbezimmer auf. 1903 erst hatte er sein Hauptwerk, „Geschlecht und Charakter“, veröffentlicht. Die Idealtypen, die er zur Erklärung der Geschlechter entwarf, seine Thesen über die Sexualität der Frau und ihre Amoralität empfanden viele, besonders konservative Bürger, als skandalös. Vielleicht schätzte ihn Alban, weil Karl Kraus etwas von ihm hielt, vielleicht auch, weil Weininger sich intensiv mit Ibsens „Peer Gynt“ befasst hatte. Eine unglückliche Liebe stürzt Alban in fast krankhafte Depressionen, der „Werther“ ergreift ihn, und in einem gerade erschienenen Roman von Emil Strauß, „Freund Hein“, entdeckt er sein Spiegelbild, einen musikalisch begabten Schüler, der trotz redlicher Anstrengungen in der Schule wie im Leben scheitert und sich erschießt. Im Februar hat sich einer seiner Klassenkameraden erschossen. Auch Alban denkt an Selbstmord. Die Texte, die er dieses Jahr vertont, handeln von unglücklicher Liebe, Verlassenheit, Weltverlust. Für die Niederschrift benutzt er manchmal purpurfarbene Tinte. Ein wenig gefällt er sich in seinem Weltschmerz, ein Foto des Neunzehnjährigen zeigt ihn, seiner Wirkung durchaus bewusst, in der Pose des dandyhaften Ästheten. Seine wortreichen Briefe an Hermann Watznauer unterzeichnet er manchmal mit einem schwarzen Kreuz. Im Fach Deutsch verlässt er sich auf Paul Hohenbergs Hilfe, der Freund soll ihm doch bitte irgendetwas zusammenschmieren. Der verfasst „lobenswerte“ Hausaufsätze für ihn, Besinnungsaufsätze über den „richtigen“ Weg zur Selbsterkenntnis oder die „Ziele des Menschen“. Endlich, am 8. Juli 1904, nach neun Jahren, erhält Alban Berg das Reifezeugnis.

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Auf dem Berghof 1894 hatte Conrad Berg einen „Huben“ am Südufer des Ossiachersees in Kärnten gekauft, den Berghof. Dort, am „Heiligen Gestade“, machte die Familie im Sommer Urlaub, oft waren auch Freunde eingeladen. Besonders die Kinder genossen die Ferien auf dem Berghof, man konnte Radtouren unternehmen, rudern, schwimmen, gemeinsam musizieren. Vom Fenster aus ging der Blick über einige Felder, zwei drei Dächer, auf einen selten schönen Kobaltblauen See, umrahmt von farben reichen Wäldern.14 Ruderte Berg abends auf den See hinaus, veränderte sich das Bild. Die langsam gleitenden Wolken erglänzten orangeroth im dunkelblauen Himmel und meine Augen blickten ganz märchenbefangen, hinweg über den schwarzgrünen sanft bewegten See, auf das leis wogende Schilf am Ufer der schattenhaften Berge.15 Der Bergrücken gegenüber war selbst im Sommer manchmal von Schnee bedeckt, die dicht bewaldeten Ossiacher Tauern verlockten zum Bergwandern. Der See und die Nähe der Hohen Tauern, hinter denen es oft regnete, schafften nachts Abkühlung.16 Mit seiner Vorliebe für trübe Naturstimmungen fand Alban den Anblick im Winter nur noch unglaublicher. Der schwarze See sei für ihn, schreibt er später an seine Frau, wie die tiefen tiefen, neuen Klänge, die immer so wogen u. voller wahnsinnigsten Äußerungsbedürfnis sind, von Pierrot lunaire. Ich höre immer s i e , wenn ich den See sehe.17 Ein Badehaus und ein Bootshaus gehörten zum Hof, außerdem ein Hühnerhaus und, eine Besonderheit, ein Eishaus, ein gut isoliertes Holzhaus, das man, wahrscheinlich auf Hermanns Vorschlag, nach amerikanischem Vorbild hatte bauen lassen. Eine Veranda bot Raum für abendliche Gesellschaften, dort nahm man bei gutem Wetter auch die Mahlzeiten ein. Nach Conrad Bergs Tod wurde der Hof eine Jausestation für Touristen, der Landungssteg des Dampfschiffs war nicht weit. Zu den Sommergästen auf dem Berghof zählten Hermann Bahr, Anna von Mildenburg, Adolf von Eger, Smaragdas späterer

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Mann, meist auch Hermann Watznauer. 1900, auf dem Weg nach Italien, hatte sich Sigmund Freud dort mit seiner Schwester Anna Bernays und ihren Kindern einquartiert. Im Sommer 1903 sind Gäste aus Amerika angekommen, zwei Collegestudentinnen, Frida Semler, Tochter des Präsidenten der Borgfeldt-Versicherungsgesellschaft, und ihre Freundin Nora Kahle. Sie bleiben zwei Monate, im nächsten Jahr kommen sie wieder. Jeden Morgen schwimmen sie zu viert, Alban, Smaragda, Frida, Nora. Alban ist ein guter Schwimmer, er schafft es, den See in 40 Minuten zu überqueren, fast doppelt so schnell wie Frida, die manchmal im Kahn neben ihm dahingleitet. Wenn Frida schwimmt, umkreist Alban sie ständig mit dem Boot, während er Konversation mit imaginären Personen macht, nicht im gewohnten Wiener Dialekt, sondern in feiner Hochsprache: Ach ja – Frau Gräfin, Sie schwimmen auch zu Besuch zu Frau X – wie nett! – Guten Tag, Herr Rittmeister – wie geht es heute Ihrem schönen Fräulein Tochter?18 Er hat Vergnügen an Neckereien, auch an Klatsch, zum Beispiel darüber, wer mit wem Urlaub macht und vielleicht eine Liäson hat. Es ist, als sei in solchen Momenten sein Unglück vergessen. Am 18. August 1904 ist wieder einmal ‚Kaiserfest’, für Alban eine jener Komödien, die da sind, den Leuten einen Schwindel vorzumachen von Gefühlen, die man nicht hat. Und für viele eine Gelegenheit, Nationalitätenhass und Parteilichkeit zu zeigen. Alle ungarischen Gäste im Nachbarort weigern sich, am Geburtstagsfest teilzunehmen, denn auf der Einladung des Hoteldirektors fehlt bei der Erwähnung des Kaisers Franz Joseph I. der Titel „König von Ungarn“, und am Landungsplatz weht nur die österreichische Fahne. Aus Protest gegen öffentliche Scheinheiligkeit schlüpfen Alban und Smaragda mit Vorliebe in komische Rollen. Diesmal staffieren sie mit Frida ihr Boot in grotesker Buntheit aus, an beiden Enden je eine Fantasiefahne zum Totlachen. Sich selbst verkleiden sie als Neger in den geschmacklosesten Kostümen. Im Hotel ist der Effect großartig, erst hält man sie für Neger, dann für Juden – Ungarn – Böhmen – Polen und schließlich Wiener. Der Ball am Abend ist furchtbar: schlechte Musik – ordinäres Villacher Publikum.19

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Die Mahlzeiten auf dem Berghof nehmen sie meist im Freien ein. Nach dem Mittagessen schreibt Alban an seinen Liedern. Die pobiert er dann gleich mit Smaragda. Nachher spielen sie vierhändig, eine Menge sinfonischer Musik entdecken sie dabei. Beide sind gute Vom-Blatt-Spieler, das Vierhändigspiel bleibt für Alban immer eine Lieblingsbeschäftigung. Über die Werke, die er dabei kennenlernt, legt er ein alphabetisches Verzeichnis an, sehr sorgfältig, oftmals mit kritischen Bemerkungen. Das Requiem von Brahms ist ihm höhere Offenbarung, die dritte Sinfonie findet er wunderschön, das 3. Heft der Ungarischen Tänze dagegen fad, den „Don Quichote“ von Richard Strauss hält er für entsetzlich schwer, unspielbar und nicht zu beurtheilen, sein „Heldenleben“ für ultramodern. Bei aller Begeisterung für Wagner fällt die Kritik an seinem Kaisermarsch vernichtend aus: geschmacklos, zudem empörend, da einige Stellen aus Liszts „Tasso“ und der „Hl. Elisabeth“ stammten.20 Die Texte für seine Lieder sucht er sorgfältig aus. Einsamkeit, Melancholie, Sehnsucht, erloschene Liebe, Tod, Abschied, schwer zu bestimmende Gefühlslagen – das sind Themen, die ihn anziehen. Die fünf Lieder, die er Schönberg zeigen wird, sind alle in ruhigem Tempo gehalten, bis auf eines bleiben sie ohne vorgezeichnete Tonart und lösen sich auch vom Strophenbau der Gedichte. Die Art der deklamierenden Singstimme hat Berg bei Hugo Wolf kennengelernt. Im Lied Es wandelt, was wir schauen nach Versen von Eichendorff ist e-Moll vorgezeichnet, aber sogleich verlassen Akkorde ohne Ziel, nur durch chromatische Stimmführung verbunden, die Tonart, verdeutlichen wie die engen Melodieschritte und das schleppende Tempo das Lähmende der Stimmung: Ins Leben schleicht das Leiden / sich leise wie ein Dieb. Das Lied Im Morgengrauen begleitet eine Ostinatofigur im Bass, der pochende Puls des Sterbenden. Frappant ist der harmonische Farbwechsel vom matten, fast verlöschenden Schein der Lampe zur Ankündigung des neuen Tages in leuchtendem Fis-Dur. Ganz anders die Vertonung des Gedichts Liebe von Rilke mit der emphatischen A-Dur-Klimax am Ende. Dem fragenden Ton der ersten drei Verse entspre-

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chen lauter Septakkorde, durch Halbtöne verbunden, neben denen die Takte in traditioneller Harmonik besondere Ausdruckskraft gewinnen. Wagnersche Harmonik ist im Lied Grabschrift zu erkennen. Auch der Klaviersatz zeigt Fortschritte, er erhält eigene Motive und größere Klangfülle. Wie die Erinnerung, die sich beim Lesen der Grabschrift einstellt, Vergangenes allmählich gegenwärtig werden lässt, wird in den fünf Takten zwischen beiden Strophen hörbar, bevor mit erregten Klavierarpeggien zu einer expressiven Melodielinie ein geradezu dramatischer Schmerzensausbruch entsteht. Da fällt es dann nicht mehr ins Gewicht, dass die Rückkehr zur Anfangstonart unterbleibt. Frida ist eine aufmerksame Zuhörerin, Albans Lieder begeistern sie. Sie merkt, vieles nehmen die Geschwister leicht, Musik aber ist ihnen heilig. Später lesen sie Dramen mit verteilten Rollen, Ibsens „Rosmersholm“, Schnitzlers „Reigen“, Wedekinds „Erdgeist“. Wenn Frida aus ihrem selbstverfassten Stück „The Governor’s Lady“ vorträgt, ist Alban ein geduldiger Zuhörer. Eines ihrer Gedichte, „Traum“, hat er vertont. Abends, am See, sprechen sie von den Sternen, von der großen Sehnsucht, vom Weltschmerz.21

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Der Lehrer Noch immer weiß er nicht, was er werden soll. Gewiss kein Kaufmann wie die Brüder, eher Ingenieur, zeichnen kann er ja, und Technik interessiert ihn. Am sichersten, das betont Johanna Berg immer wieder, ist die Beamtenlaufbahn, die man freilich nicht ohne Protektion einschlagen sollte. Durch Vermittlung der Baronin Salzgeber und nachdem dokumentiert worden ist, dass er körperlich, geistig und moralisch geeignet sei, wird er am 17. Oktober 1904 als Rechnungspraktikant in der Niederösterreichischen Statthalterei eingestellt. Zugleich schreibt er sich an der Wiener Universität ein, wo er Staatsverrechnungswissenschaft hört und nach einem Jahr eine Prüfung in diesem Fach ablegt. Vom Militärdienst wird er wegen seines Gesundheitszustands und seiner Magerkeit befreit. In einer trüben, schlecht gelüfteten Kanzlei füllt er Tabellen aus über Destillerien, Schotterprismen sowie den Import und Export von Schweinen. Da er sich anpasst und sorgfältig arbeitet, wird er nach einem unbezahlten Probejahr als Beamter angestellt und kann endlich, mit einem Jahresgehalt von 1.600 Kronen, seine Familie finanziell ein wenig unterstützen. Zwei Jahre lang, schreibt er später, habe er für die Aussicht einer Besoldung und Pension [...] mit jedem Gruß, mit jeder Antwort gelogen.22 Am 8. Oktober 1904 findet Smaragda in der Neuen musikalischen Presse, unter „Vermischtes“, eine Anzeige, dass in den Räumen der Schwarzwaldschule, Wallnerstraße 2, in den Abendstunden musiktheoretische Kurse von Arnold Schönberg, Alexander von Zemlinsky und Elsa Bienenfeld abgehalten werden. Dieses private Gymnasium, in dem auch Mädchen das Abitur machen konnten und Musikerziehung im Zentrum des Lehrplans stand, hatte Dr. Eugenie Schwarzwald, eine Pädagogin mit sozialreformerischen Ideen, gegründet. Sie zählte viele Künstler und Wissenschaftler zu ihren Bekannten wie Adolf Loos, Oskar Kokoschka, Robert Musil und Rainer Maria Rilke, mit Smaragda Berg war sie befreundet. Adolf Loos hatte die Einrichtung

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ihres Gymnasiums entworfen, Oskar Kokoschka war dort als Zeichenlehrer angestellt und verdiente sich etwas Geld mit Porträts, zu denen ihm Frau Dr. Schwarzwald die Aufträge verschaffte. Endlich könnte Alban einen Lehrer bekommen. Da er zu schüchtern ist, sich zu bewerben, er kann ja auch das Geld nicht aufbringen, ergreift der resolute Charly die Initiative und macht sich, einige Lieder Albans unter dem Arm, auf den Weg in die Liechtensteinstraße zu Arnold Schönberg. Nach der Durchsicht der Blätter – Es wandelt, was wir schauen (Eichendorff), Liebe (Rilke), Wandert, ihr Wolken (Avenarius), Im Morgengrauen (Stieler), Grabschrift (Jakobowski), Traum (Semler) – bestellt Schönberg den jungen Komponisten zum Unterricht. Auf ein Honorar verzichtet er vorläufig. Etwa fünf Jahre später bescheinigt er Alban Berg in einem Brief an Emil Hertzka „ein außerordentliches Kompositionstalent. Aber in dem Zustande, in dem er zu mir gekommen ist, war es seiner Phantasie scheinbar versagt, was anderes als Lieder zu komponieren. Ja selbst die Klavierbegleitungen zu diesen hatten etwas vom Gesangsstil. Einen Instrumentalsatz zu schreiben, ein Instrumentalthema zu erfinden, war ihm absolut unmöglich.“23 Alban Berg bleibt Schönbergs Schüler bis zu seiner Heirat im Mai 1911. Aber eigentlich bis an sein Lebensende.24 Seit seiner Rückkehr aus Berlin, 1903, wo er als Kapellmeister am Kabarett Überbrettl angestellt war und Operetten instrumentiert hatte, wohnte Schönberg mit seiner Frau Mathilde und der kleinen Tochter Gertrud in dem ein wenig düsteren Haus in der Liechtensteinstraße, IX. Bezirk, im selben Stock wie sein Schwager Alexander von Zemlinsky. Neben dem Studierzimmer, aus dem man in einen dunklen Hof blickte, gab es nur noch zwei weitere Zimmer und eine Küche. Begabtere Schüler unterrichtete Schönberg von 1905 an zu Hause. „Das Fenster war selbst im Winter geöffnet, und Schönberg ging, so wie es sein Selbstporträt zeigt, vorgebeugt, die Hände auf dem Rücken, eine Zigarette nach der anderen rauchend, unruhig im

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Zimmer umher, mit seiner dunklen, immer etwas heiseren Stimme Erklärungen für seine Theorien hervorstoßend. Es waren meist abgebrochene Sätze, in seinem starken Wiener Dialekt, von Pausen unterbrochen; anfangs mehr ein lautes Selbstgespräch, bis er dann aus einer Art Trancezustand wieder zu sich kam und mit dem Schüler sprach. Wenn er ein Beispiel auf dem Klavier geben wollte, so schlug er nervös jeden Akkord mehrfach an.“25 Er war klein, hatte schon als junger Mann nur noch einen Haarkranz, und das füllige, kreisrunde Gesicht ähnelte einer unfertigen Plastik. Erst später wurden die Konturen deutlicher, auch schärfer. Etwas Suggestives ging von ihm aus, von den glänzenden dunklen Augen, von der Eindringlichkeit seines Sprechens, seiner Vitalität und witzigen Schlagfertigkeit. „Ein Apostel, der nicht glüht, predigt eine Irrlehre“26, hat er in seinem Vortrag über Mahler gesagt. Was ihn besonders kennzeichnete, war sein Selbstbewusstsein, ein Bewusstsein des eigenen Werts, das er niemals verbarg und das mit einem oft schwer erträglichen Sendungsbewusstsein verbunden war. Mit dem Egoismus derer, die alle Anstrengung in ihre Werke legen, forderte er geradezu Beachtung und Anerkennung, von den Freunden verlangte er unbedingte Loyalität und Anteilnahme, bloßer Respekt genügte ihm nicht. Er forderte bedingungslose Treue, wurde argwöhnisch, wenn Briefe ausblieben oder Aufträge nicht sofort erledigt wurden. Ohne Bescheidenheit, die wenigstens vorzugeben die Höflichkeit nahelegen könnte, ließ er die anderen wissen, dass er sich für ebenso bedeutend halte wie Gustav Mahler und Albert Einstein. Kleinlaut machte ihn auch der ständige Kampf um seinen Lebensunterhalt nicht. Die alltäglichen Sorgen in der Familie und die Erziehung der Kinder – 1906 wurde noch ein Sohn geboren – überließ er nicht seiner Frau, sondern kümmerte sich selbst um alles, in den Hungerjahren schaffte er Kartoffeln und Kohlen ins Haus. Während die Kinder und der Hund durch die Zimmer rannten, führte er Gespräche mit Freunden und Schülern, Mathilde Schönberg aber saß, in einen Schal gehüllt, immer frierend, in einer Ecke des Sofas, still, unscheinbar. Dennoch, „mit wenigen Worten verstand sie komplizierte Knoten

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zu lösen“27. Er liebte sie. Einmal, 1908, war sie ausgebrochen aus ihrem zurückgezogenen Leben. Dass sie ihn und die Kinder, die sechsjährige Gertrud und den zweijährigen Georg, über Nacht verließ wegen eines Fünfundzwanzigjährigen, des Malers Richard Gerstl, der sich, so empfand es Schönberg, in sein Haus gedrängt hatte, erschütterte sein Selbstverständnis. Er konnte diesen Treubruch nicht glauben. Der hochbegabte Gerstl, von den Bildern Van Goghs und Munchs beeinflusst, hatte ihm und seiner Frau Malunterricht erteilt und Porträts von ihnen gemalt, seit zwei Jahren gehörte er zum Freundeskreis der Familie, verbrachte die Sommerurlaube mit ihnen in Gmunden am Traunsee. Zwar handelte Schönberg vernünftig, fuhr seiner Frau nach und holte sie zurück, aber dann, in den Jahren darauf, machte er mehrmals sein Testament, weil er nicht mehr leben wollte. Am 4. November 1908 beging Richard Gerstl Selbstmord. Im Schülerkreis schwieg man über diese Geschehnisse. Nach dem frühen Tod des Vaters, eines jüdischen Kaufmanns, der in der Leopoldstadt, dem Arbeiterviertel, einen kleinen Schuhladen betrieben hatte, musste Schönberg die Realschule vorzeitig verlassen, um Geld zu verdienen. Im Alter von acht Jahren begann er mit dem Violinspiel und komponierte bald auch einige kleine Stücke, aber eine musikalische Ausbildung hat er nie erhalten. Bis er den drei Jahre älteren Alexander von Zemlinsky kennenlernte. Das war 1895, als er in dem kleinen Orchester Polyhymnia das einzige Cello spielte, ein Instrument vom Trödelmarkt, mit Zithersaiten bespannt, das er feurig misshandelte, wie Zemlinsky, der Dirigent dieses Dilettantenorchesters, erzählte. Im Hauptberuf dirigierte Zemlinsky damals, nach einem Klavier- und Kompositionsstudium am Wiener Konservatorium, Operetten am Carltheater. Als Komponist wurde er 1900 mit der Uraufführung seiner Oper „Es war einmal“ unter Mahlers Leitung bekannt. Mittlerweile, 1904, war er Kapellmeister an der Wiener Volksoper und Vorstandsmitglied des Wiener Tonkünstlervereins, seine Premieren erregten Aufsehen. Alles Wissen um die Technik und die Probleme des Komponierens verdanke er Zemlinsky, bekannte Schönberg. Als er dessen Schwester Mathilde heiratete, wurde die

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Freundschaft zwischen den beiden Männern enger. Häufig wurden sie im Café Griensteidl gesehen, wo man Adolf Loos, Peter Altenberg, Hermann Bahr, Alfred Polgar, gelegentlich auch Karl Kraus antreffen konnte. Später waren sie manchmal gemeinsam bei den Mahlers eingeladen. Nicht nur gegen Zemlinsky begehrte Schönberg oft auf, sogar gegen Mahler, den damals einflussreichsten Operndirektor in Europa. „Plötzlich – irgendein hochmütiges Wort von Schönbergs Seite, von Mahler eine etwas von oben herab betonte Zurechtweisung – und es krachte auf allen Seiten“, erinnerte sich Alma Mahler. „Schönberg sprang auf und lief mit kurzem Gruß davon. Zemlinsky folgte kopfschüttelnd.“28 Unter dem Pseudonym Jens Quer (Jenseitiger Querkopf) schrieb Schönberg Artikel für die Zeitschrift „Pult und Taktstock“, Polemiken gegen mittelmäßige Musik, „Musike“, und gegen ignorante Kritiker. „Sooft ich etwas sehe, regt sich in mir Widerspruch“29, gestand er Berg einmal. Verbindliches Taktieren, Komplimente bloß aus Höflichkeit lagen ihm fern. Das Liebenswerte, das Gustav Mahler und Alban Berg hatten, fehlte Schönberg, erst recht die höfliche Eleganz Strawinskys. Aber er neigte auch nicht zum Hochmut, mit dem Karl Kraus andere auf Distanz hielt. Schönberg lernte schnell. Den Theorieunterricht lösten bald schon lebhafte, oft hitzige Diskussionen ab, denn Zemlinsky war ein leidenschaftlicher Anhänger Wagners, während Schönberg damals noch in Brahms sein Vorbild sah. In ihrer Reizbarkeit und Nervosität waren sie einander ähnlich, und wenn sie gestikulierend diskutierten, schien es beinahe, als ob sie stritten. Schönberg arbeitete mit Ausdauer und ungewöhnlich schnell, oft brauchte er nur ein paar Wochen für seine schwierigen Partituren. Bekannt wurde er 1902, da war er siebenundzwanzig, durch die Uraufführung seines Streichsextetts „Verklärte Nacht“. In Bergs noch ungeschickten Liedern erkennt Schönberg eine „überströmende Wärme des Fühlens“30, die sich in Musik auszudrücken vermag. Diesen begeisterungsfähigen Schüler zu unterrichten ist eine Freude, Berg arbeitet langsam, aber eifrig und

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macht Fortschritte. Trotz seiner faden Beschäftigung mit Schweineverkäufen tagsüber in der Kanzlei ist er glücklich. Schönberg – – das ist einer von den vorsorglichen Gärtnern, von denen, die aus Liebe an dem Heil unserer Seele arbeiten31, schreibt er 1910 an Helene Nahowski. Und doch, wie die meisten anderen Schönbergschüler empfindet er Bewunderung und Angst zugleich, denn Schönberg ist fordernd, ungeduldig, schnell erregt, Fehler betrachtet er als persönliche Kränkung. Seine Kritik kann vernichtend sein. Alle sind ihm ergeben, auch Hanns Eisler, bis 1912 noch Busonischüler, mit dem er so oft über Politik streitet. Er streitet überhaupt gern, glänzt gerade in Auseinandersetzungen. Fast gleichzeitig mit Alban Berg wird Anton von Webern Schönbergs Schüler. Der Versuch, bei dem in Berlin lehrenden Hans Pfitzner Unterricht zu nehmen, ist an Meinungsverschiedenheiten über Mahler gescheitert. Guido Adler, Direktor des musikwissenschaftlichen Instituts der Universität, hat Arnold Schönberg empfohlen, so dass sich noch weitere seiner Studenten bei Schönberg melden, zunächst Josef Polnauer, Erwin Stein und Heinrich Jalowetz, Doktorand bei Adler. Webern studierte seit dem Wintersemester 1902 bei ihm Musikwissenschaft, im Nebenfach Philosophie und später Kunstgeschichte. Er dachte daran, Dirigent zu werden, Dirigent namhafter Orchester. Vielleicht auch Komponist, konkrete Vorstellungen von seinem künftigen Beruf hatte er nicht. Noch lange nach seiner Promotion im Juni 1906 mit einer Arbeit über Heinrich Isaacs „Choralis Constantinus“ lebte er vom Geld seines Vaters, auch noch nach seiner Heirat im Februar 1911. Er war bescheiden und arbeitete mit größter Sorgfalt. Wie in gut situierten Familien üblich – er entstammte einer Familie aus dem Beamtenadel ̶ , hatte er beizeiten, mit elf Jahren, regelmäßig Klavierstunden, auch Cellounterricht erhalten, indes ist er nie ein wirklich guter Instrumentalist geworden. Er habe eben zu kleine Hände, lerne auch nur schwer auswendig, erklärte er. Immerhin spielte er vier Jahre lang Cello in einem Orchester. Jetzt, in Wien, gehört er zu den Chorsängern des „Akademischen Wagnervereins“ und ist in der Oper und bei Konzerten auf der vierten Galerie anzu-

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treffen. Weil Professor Adler und Mahler befreundet sind, können die Studenten fast jederzeit Stehplatzkarten bekommen, manchmal sogar die Erlaubnis, bei Mahlers Konzertproben dabei zu sein. Elementarunterricht in Harmonielehre und Kontrapunkt braucht Webern nicht mehr, im Vergleich zu den andern ist er als Komponist schon fortgeschritten, kann sogleich mit Kompositionsaufgaben beginnen, Sonaten- und Variationssätzen nach klassischen Vorbildern, meist für Streichquartettbesetzung. Während des Unterrichts bei Schönberg entstehen vor allem Streichquartettsätze, Lieder und zuletzt eine Passacaglia für Orchester, deren Uraufführung er 1908 im Großen Musikvereinssaal selbst leitet. Im Vergleich zu der auffallenden, eleganten Gestalt Alban Bergs wirkt Webern fast unscheinbar, immer auch ein wenig abwesend mit seinem wie nach innen gerichteten Blick hinter der randlosen Brille. Bei den Kindern eines Bekannten32 heißt er seines ernsten Gesichts wegen „der Herbst“. Wenngleich er unter Freunden von einer bezaubernden Leichtigkeit und Heiterkeit sein kann, reagiert er manchmal hitzig, im Zorn auf Schönbergs Feinde auch ausfallend. Er ist leidenschaftlicher Bergwanderer, und dieser Sport ist ihm nicht „Vergnügen, sondern ganz was anderes: Suchen von Höchstem, Auffinden von Korrespondenzen in der Natur für alles das, was“ ihm „vorbildlich ist.“33 Seine Bewunderung gilt dem Strengen, Ernsten, Erhabenen. Er will zu jemandem aufblicken, bringt Schönberg sein Leben lang eine grenzenlose, beinahe kindliche, zuweilen unterwürfige Verehrung entgegen, eine Ergebenheit bis zur Selbstverleugnung. Was Schönbergs Schüler außer der gemeinsamen Begeisterung für Wagner so eng aneinander bindet, ist nicht allein die Verehrung, die sie ihrem Lehrer entgegenbringen. Es sind auch die gemeinsamen Feinde. Schönbergs Gegner, die verständnislose Presse und das oberflächliche Publikum, machen eine verschworene Gemeinschaft aus ihnen. Mancher Beobachter mokiert sich über das Rudel der Jünger, die dem Meister noch auf dem Weg zur Tram folgen. Zu den Schönbergschülern zu gehö-

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ren, empfinden alle als eine Auszeichnung, sehen sich als Auserwählte. Bereitwillig übernehmen sie Arbeiten für ihren Lehrer, helfen ihm bei seinen zahlreichen Umzügen, kopieren und kollationieren Stimmen, lesen Korrektur, fertigen Klavierauszüge an, die zu Proben gebraucht werden, suchen Sponsoren für ihn. Sie seien eben alle „vernarrt“ in ihn gewesen, sagte Helene Berg später. Immer habe einer der Schüler ihm den Aschenbecher hinterhergetragen.34 Erwin Stein regelt meist die Angelegenheiten mit Schönbergs Verlag, der Universal Edition, Eduard Steuermann, ein Busonischüler und der einzige professionelle Pianist, ist, seit er von 1912 an bei Schönberg studiert, unentbehrlich bei Schüleraufführungen, und besonders Alban Berg und Anton Webern sind Schönberg eine verlässliche und liebevolle Stütze. Alban Berg wird Schönbergs Faktotum, auf ihm lastet die meiste Korrektur- und Kopierarbeit. Er glaubt an den Lehrer wie an einen Propheten, der seinem Leben endlich eine Richtung gibt. Schönbergs Festhalten am einmal eingeschlagenen Weg gegen alle Widerstände hat etwas Heroisches. Gegen Dummheit, Verlogenheit und Bosheit zu kämpfen, sich zu keinem Zugeständnis hinreißen zu lassen, auch darin ist er Vorbild. Trotz aller Angriffe, die ihn in eine ständige Abwehrbereitschaft versetzen, neigt er weder zu Schwermut noch zu Verbitterung. Er ist Lehrer aus Leidenschaft, mit einer regelrechten Gier zu forschen und zu lehren. „Wenn ich mir 1000mal gesagt habe: »nun habe ich fast vierzig Jahre unterrichtet« und es kommt ein neuer Schüler, so vergesse ich sofort alle guten Vorsätze, stürze mich ins neue Abenteuer.“35 Die Gespräche mit den Schülern ersetzen ihm den ausbleibenden Nachhall in der Öffentlichkeit. Er hängt an allen seinen Schülern, Anton Webern aber ist ihm der liebste. 1912 bietet er ihm das Du an, Berg gegenüber bleibt er noch sechs Jahre länger beim Sie. Webern folgt ihm wie einem Heiligen, scheut nicht vor dem Vergleich der Schönbergschüler mit den Jüngern Christi zurück.36 Solch übergroße Verehrung nimmt Schönberg wie selbstverständlich entgegen.

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In Schönbergs Schule Sonate für Klavier op. 1 „Dieses Buch habe ich von meinen Schülern gelernt“, schrieb Schönberg im Vorwort zu seiner 1911 veröffentlichten Harmonielehre. Er gründete eine Schule, wie es sie zuvor nie gegeben hatte, ohne ein Curriculum, ohne feste Kompositionsregeln.37 Nach dem Vorbild alter Malerschulen, in deren Ateliers Lehrer und Schüler gemeinsam arbeiteten, wünschte er sich einen beständigen und zwanglosen Kontakt mit seinen Studenten. Er wollte sie bilden, nicht nur ausbilden, erzog sie zum Beispiel auch zu präzisem Sprachgebrauch. Noch 1913 kritisierte er an Bergs Briefen deren Weitschweifigkeit, auch die unleserliche Schrift: „Fassen Sie sich kürzer. Sie schreiben immer so viele Entschuldigungen, Zwischensätze, »Durchführungen«, »Ausarbeitungen« und Stilisierungen, daß man immer erst sehr spät weiß, was Sie wollen.“38 In Gesprächen, die er mit brillanten Bemerkungen beherrschte, zeigte er sich politischen, moralischen und sozialen Fragen, nahezu allen Themen gegenüber aufgeschlossen, diskutierte gern noch nach dem Unterricht mit seinen Schülern. Ein Regelwerk will er nicht vermitteln, dennoch brauchen die meisten zu allererst eine gute Handwerkslehre. Für Berg ist selbst die Harmonielehre jedesmal ein Abenteuer, auch wenn es zunächst nur um Akkordverbindungen in verschiedenen Lagen geht, um Septakkorde, Kadenzen, Modulationen bis zu den leiterfremden Akkorden, den vagierenden Akkorden an der Grenze der Tonalität. Bei den Hausaufgaben, die Schönberg streng kontrolliert, sind zu Beginn noch die klassischen Regeln zu beachten, die Tonalität muss eingehalten werden, jede unmotivierte Fortschreitung ist ein „Schmutzfleck“. Aber zugleich gilt, dass Regeln „keine ewigen Gesetze sind, sondern solche, die die nächste Tat immer wegspült“39, wenn Gehör und Formgefühl genügend entwickelt sind und wenn es das Ausdrucksbedürfnis

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verlangt. So sind Dissonanzen nicht länger mehr Klänge, die immer nach Auflösung in Konsonanzen verlangen. Überhaupt seien ja die Begriffe Konsonanz und Dissonanz unberechtigt. Die Konsonanz sei in ihren Verhältnissen zum Grundton einfacher, die Dissonanz komplizierter, in der Obertonreihe entfernter, nur darin liege der Unterschied, ein bloß gradueller. An den Hausarbeiten der Schüler zeigt er, worauf es ankommt. Ist eine neue Harmonie innerlich begründet, hat sie Folgen? Alban Berg begreift, was Lernen heißt: Schönberg lässt die Schüler selber finden, lehrt keine Kunstmittel. Die müsse jeder einzelne Schüler selbst entwickeln, der Lehrer könne höchstens Anweisungen zu deren Gebrauch geben. Das einzig Wichtige für die jungen Musiker sei, zu lernen, sich auszudrücken. Sich selbst auszudrücken, indem sie neue, aus der Tradition hergeleitete künstlerische Möglichkeiten entdeckten. Darin, in der Entwicklung musikalischer Darstellungsmethoden, bestehe der Fortschritt. Schönberg spricht anschaulich, scheint einen Gedanken im Augenblick erst zu entwickeln, und mit Leichtigkeit improvisiert er Notenbeispiele an der Tafel. Unter seinem Blick wird das vermeintlich Selbstverständliche eigenartig. Wenn er in einzelnen Werken, am liebsten von Bach, Beethoven oder Brahms, den feinsten thematischen Beziehungen nachgeht, ist es, als würden sie im Moment erst geschaffen. Durch solche Einblicke in die Werkstatt der Klassiker entsteht auf einmal eine unerwartete Nähe zur Musik der Vergangenheit. Dieser Blick auf die Kunstwerke, „als wäre man der Erste, der sie ansieht“40, ist verblüffend neu und aufregend. Man gewinne, schreibt Berg in einem Brief, durch Schönbergs enormes Können einen grandiosen Überblick über die ganze Musikliteratur und ein gesundes und richtiges Urteilsvermögen.41 Und wenn Schönberg eine ganze Stunde lang allein über die Instrumentation des ersten Taktes einer Symphonie von Beethoven sprechen könne, dann begreife man, was Analysieren heißt.42 Immer wieder betont Schönberg den „musikalischen Gedanken“, den Zusammenhang zwischen einzelnen Strukturelementen und dem Werkganzen, das gedankliche Zentrum eines Werks. Moderne Musik kommt im Unterricht kaum vor, zeitgenössische Komponisten, die Kolle-

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gen, werden nicht verhandelt, ungeliebte wie Strawinsky oder Hindemith auch nicht kritisiert. Im Gegensatz zu den vernichtenden Bewertungen, die Karl Kraus in seinen Lesungen vornahm, hält er sich im Urteil über Zeitgenossen zurück, die späteren Attacken Adornos gegen Strawinsky, in der „Philosophie der Neuen Musik“, haben ihn geradezu empört. Eigene Werke zieht Schönberg nur sehr selten als Beispiele heran, er will keine Abhängigkeiten, fürchtet sie sogar. Die Hartnäckigkeit, mit der ihm die Schüler bald auf den Fersen sind und ihn zu überbieten versuchen, erschreckt ihn. „Sie bringen gleich alles zur zehnten Potenz erhoben.“43 Als Schönberg in der Konzertsaison 1906/07 den Chormusikverein leitet, singt Berg selbstverständlich dort mit, bei den Bässen. Im Sommer 1907 hat er nach der Harmonielehre auch seine Kontrapunktstudien abgeschlossen. Seine fünfstimmige Doppelfuge für Streichquintett mit Klavierbegleitung, die im November 1907 im Kaufmännischen Festsaal aufgeführt wird, steckt voller Kunststücke. „Mit ihm konnte ich Kontrapunkt arbeiten wie mit nicht vielen meiner Schüler“44, erzählte Schönberg später. Im letzten Jahr erhält Berg Unterricht in Komposition, schreibt Klavierstücke, Sätze für Streichquartett, immer wieder Lieder und arbeitet lange an seiner Sonate für Klavier, der er jetzt die Opuszahl 1 geben wird. In seinen Zwölf Variationen über ein eigenes Thema ist die Absicht unverkennbar, möglichst viel von dem bei Schönberg Gelernten unterzubringen: kontrapunktische Finessen – doppelten Kontrapunkt, drei Kanons – sowie die vielfältige Veränderung des Kopfmotivs. Zu beobachten ist aber auch die Disziplin, zu der Schönberg die Schüler anhielt: das Thema ist streng periodisch gegliedert, die C-Dur-Tonart bis auf zwei Variationen durchgehalten. Erst in der letzten, viermal so lang wie das Thema, weitet sich der harmonische Raum, die Ganztonleiter sowie eine Häufung von Quarten sind zu hören, und die größere Virtuosität des Klaviersatzes betont den Finalcharakter. Die Arbeiten seiner Studenten kritisiert Schönberg mit Schärfe und Witz, vor allem, wo er Bequemlichkeit, Unredlichkeit und Eitelkeit vermutet. „Heben Sie sich das für Ihre nächs-

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te Operette auf!“45 ist sein Kommentar zu sentimentalem Melodisieren. Arbeiten, im Übereifer mit vielem Beiwerk angefüllt, regen ihn zu einem seiner lakonischen Lehrsätze an: „Die Musik soll nicht schmücken, sie soll bloß wahr sein.“46 Zornig macht den Lehrer eine nur vorgegebene Modernität, etwa die unreflektierte Anhäufung von Dissonanzen oder grundlose Verstöße gegen Formgesetze. In polyphonen Arbeiten bemängelt er bedeutungslose Kontrapunkte und ungenaue Imitationen, „Rhabarber“-Kontrapunkte, fordert Kürze und Präzision der Themen. Trotz aller Kritik setzt er in jedem Studenten den möglichen Künstler voraus, versucht, seinen schöpferischen Eigensinn zu wecken. „Lassen Sie Ihre Persönlichkeit das aussprechen, wozu Sie sich mit aller Gewalt gedrängt fühlen.“47 Sein Verhältnis zu ihnen ist herzlich. Er ist stolz auf sie, notiert 1912 im Tagebuch: „Meine Schüler taugen mehr als Busonis. Sind viel mehr Musiker. Ich glaube, es sind auch gescheitere Menschen.“48 Oft begleiten sie ihn nach dem Unterricht auf seinen Spaziergängen, auch da lehrt er noch. Berg erzählt, wie er ihn nach dem Abschluss seines Studiums oftmals auf dem Weg von der Haltestelle am Karlsplatz zum Musikverein begleitete, wo Schönberg unterrichtete: Der Lärm der Stadt ging unter vor dem Dröhnen seiner Worte,49 und Berg konnte mit ihm von allem sprechen, was ihm nahe ging.50 Manche seiner Studenten, Berg ist oft dabei, lädt Schönberg samstags nach Hause in die Liechtensteinstraße ein, zu Quartettproben, zu Kammermusik, zu einem „Streichquartett mit Ananasbowle“51, auch Smaragda ist gelegentlich unter den Gästen. Begierig verfolgen die Schüler, welche neuen Wege Schönberg in seinen Werken einschlägt. In der „Verklärten Nacht“, einem Streichsextett mit einem poetischen Programm, sowie in der symphonischen Dichtung „Pelleas und Melisande“, beide in d-Moll, ist noch die Nähe zu Wagners „Tristan“ zu spüren. Den Personen und ihren Gefühlen sind Leitmotive zugeordnet, aber anders als bei Wagner erzählen sie, durch Variationen, von Veränderungen und Entwicklungen. Schönberg nennt diesen Prozess der Veränderung „entwickelnde Variation“. Die unverän-

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derte Wiederholung von Motiven diene zwar der Verständlichkeit, die entwickelnde Variation aber verbinde Gedanken. 1908, im letzten Unterrichtsjahr, wird Bergs Sonate in hMoll fertig. Er hat in den Sommerferien 1907 und 1908 auf dem Berghof daran gearbeitet. Ursprünglich sollten es drei Sätze werden, aber wie die anderen fünf im Unterricht geschriebenen Klaviersonaten bleibt das Werk einsätzig. Von zarter Expressivität, ist es kein Allegro, sondern Mäßig bewegt, mit vielen ausgeschriebenen Rubati und differenzierten Spielanweisungen. Wechselnde Tempi akzentuieren die Formteile. Die ersten vier Takte schon lassen die Schulung durch Schönberg erkennen, sein Insistieren auf Prägnanz, Kürze, Dichte. Sie enthalten das harmonische und rhythmische Programm der Sonate im Nukleus. Und dass dann die Themen in immer komplexeren Varianten erscheinen, zeigt, wie stark die Sonate bestimmt wird vom Prinzip der „entwickelnden Variation“. Das Hauptthema mit dem Sprungmotiv aus zwei Quarten, rein und übermäßig, die Entfernung einer großen Septime überspannend, schlägt sogleich einen neuen Ton an. Sein Ort ist noch unbestimmt, der erste Akkord, ein halbverminderter Septakkord mit Vorhalt, kadenziert erst nach drei Takten durch chromatische Bassführung nach h-Moll. Überhaupt bleibt durch die chromatischen Akkordverbindungen die Tonalität in der Schwebe, wenn der Satz auch an entscheidenden Stellen dem harmonischen Programm der traditionellen Sonate entspricht. Der auffliegenden Bewegung folgen chromatisch fallende Motive, darunter im gedehnten Anfangsrhythmus ein Klagemotiv. Die Spannung zwischen Aufschwung und Resignation, Sehnsucht und Trauer prägt den ganzen Satz. Dadurch, dass die Akzente selten auf den Taktschwerpunkt fallen, fließt die Musik längere Zeit beinahe schwerelos. Leidenschaftliche Steigerungen auf dem Höhepunkt der Durchführung und jeweils vor dem Seitenthema und dem Adagio-Abgesang sind gekennzeichnet durch rhythmische Vehemenz und freie Harmonien, Quartenakkorde und Ganztonklänge. Auf eine finale Steigerung aber ist das Werk nicht angelegt, im Adagio der Coda entfernt sich das

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auffliegende Motiv in immer weitere Höhen, bevor der Satz regelrecht verstummt. Am 24. April 1911 werden im Ehrbar-Saal Streichquartette aus der Schönberg-Schule vorgetragen, von Berg, Horwitz und Webern, von diesem auch die vier Stücke für Violine und Klavier, und zum ersten Mal wird Alban Bergs Klaviersonate öffentlich gespielt. Die vernichtende Konzertkritik im Illustrierten Wiener Extrablatt über das „Tongestammel“ richtet sich vor allem gegen den Lehrer Arnold Schönberg, „den Chef der Wiener Kakophonen“. Er dränge Musiker wie Alban Berg, der in seiner Sonate immerhin eine gewisse Begabung erkennen lasse, auf Irrwege. Diesem Artikel, das steht für Berg fest, muss unbedingt etwas entgegengesetzt werden, und er schlägt Webern ein Projekt zur Verteidigung Schönbergs vor, ein Huldigungsbuch „in höchster Verehrung“ soll es werden mit Beiträgen von Schülern und Freunden Schönbergs. Im Februar 1912 erscheint der Sammelband im renommierten Piper-Verlag, Wassily Kandinsky und der Maler und Schriftsteller Paris von Gütersloh haben Artikel über Schönbergs Bilder beigesteuert. Den umfangreichsten Beitrag über „Schönbergs Musik“ liefert Webern, Jalowetz schreibt über Schönbergs Harmonielehre, und die übrigen schildern Eindrücke von ihrem Lehrer. Bergs Beitrag ist kaum länger als eine Seite. In unkritischer und übersteigerter Verehrung bezeichnet er den Lehrer als Propheten und Messias52. Unter seiner Schwerfälligkeit im Schreiben leidet er selbst: dass aus dem Riesenmaterial schließlich nach langem Herumarbeiten etwas ganz Kurzes, Schönbergs Wesen als Lehrer nicht im Millionsten Teil erschöpfendes geworden sei. Ähnlich gehe es ihm ja mit dem Komponieren.53 Die redaktionellen Arbeiten hat Berg fast allein zu erledigen, er wirbt um Mitarbeiter, korrespondiert, verhandelt mit dem Verlag, kümmert sich um Abbildungen der Gemälde, die Korrekturabzüge und die letzte Gesamtkorrektur. Schönberg findet diese emphatische Hommage „viel zu überschwenglich“, für so viel Lob sei er zu jung – er ist siebenunddreißig -, habe „noch zu wenig und zu wenig Vollendetes geleistet“.54 Aber natürlich ist er gerührt und glücklich, als Webern ihm in Prag, wo Schönberg auf Einladung Zemlinskys und in

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Gegenwart noch anderer Schüler (Berg, Polnauer, Horwitz, Königer, Schmid) sein Orchesterwerk „Pelleas und Melisande“ dirigiert hat,55 das Buch feierlich überreicht, „fast wie ein Schuljunge“56 gegen die eigene Ergriffenheit kämpfend.

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Bei Karl Kraus Am 15. Juni 1905 sind die Geschwister Berg eingeladen zu einer privaten Vorführung im Trianon-Theater, dem späteren Nestroyhof. Angekündigt ist „Die Büchse der Pandora“ von Frank Wedekind, deren österreichische Erstaufführung am 29. Mai im selben Saal stattgefunden hat. Die Uraufführung in Nürnberg ein Jahr zuvor hatte einen Skandal verursacht, eine weitere Aufführung kurz darauf im Münchner Schauspielhaus zog eine Anklage gegen Autor und Verleger wegen Verbreitung einer unzüchtigen Schrift nach sich. Im erzkonservativen Wien darf die Aufführung keinesfalls öffentlich sein, auf einem handgeschriebenen Plan sind den Gästen ihre Plätze zugewiesen.57 Mit seiner Theatertruppe Trianon hat Karl Kraus das Stück einstudiert. Die Rollen sind prominent besetzt, Wedekind selbst spielt den Mörder Jack, Tilly Newes, seine künftige Frau, die Lulu, Adele Sandrock die Gräfin Geschwitz. Karl Kraus tritt in der Rolle des Kungu Poti auf; er hält einen einleitenden Vortrag. Im Publikum sitzen Alban und Hermann Berg. Es ist das erste Mal, dass Alban dem bewunderten Autor und Herausgeber der Fackel begegnet, einer schmalen Gestalt mit blassem, feingezeichnetem Gesicht und wachem Blick. Sobald Kraus das Wort ergreift, beherrscht er den Saal. Er spricht Bühnendeutsch wie die Schauspieler am Burgtheater, das heißt mit überscharfer Artikulation, starken Akzenten, dramatischen crescendi, plötzlichen Tempowechseln und bewegter Gestik. Sein Vortrag über Lulu, die alles zerstört, weil sie von allen zerstört wurde, ist eine leidenschaftliche Anklage gegen gesellschaftliche Heuchelei, gegen die Vorstellung von einer „Frauenanmut“, die nur im „Prokrustesbett“ der gesellschaftlichen Moralbegriffe ihren Platz habe – Lulu aber sei eine „Nachtwandlerin der Liebe“.58 1907, zwei Jahre danach, schreibt Berg an Frida Semler: Wedekind – die ganze neue Richtung – die Betonung des sinnlichen Moments in modernen Werken!! [...] Wir sind endlich zur Erkenntnis gekommen, daß Sinnlichkeit keine Schwäche ist, kein

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Nachgeben dem eigenen Willen, sondern eine in uns gelegte immense Kraft – der Angelpunkt alles Seins und Denkens. ( Jawohl: alles Denkens!)59 24 Jahre später wird er mit der Oper Lulu beginnen. Die Vorlesungen, die Kraus von 1910 an hielt, im Kleinen oder im Großen Konzertsaal, besuchte Berg, so oft er konnte, später häufig mit seinem Schüler Theodor Wiesengrund-Adorno. Kraus trug ganze Dramen vor, manchmal über drei Stunden lang – Shakespeare, Goethe, Hauptmann, Komödien von Nestroy, Lyrik, eigene Texte. Bei Offenbach-Lesungen sang er auch. Die Zuhörer empfingen ihn jubelnd wie eine Primadonna, verfolgten im überfüllten Saal atemlos seine Lesung, begierig auf die sarkastischen Pointen und bissigen Anspielungen, am Ende brach der Beifall los wie ein Sturm. Elias Canetti, Ernst Křenek und viele andere Künstler zählten zu seinen Gefolgsleuten. Und Schönberg bekannte, durch Karl Kraus habe er das Schreiben, ja das Denken gelernt. Die Fackel kannte Alban Berg durch seinen Bruder Charly, der sie von ihrem ersten Erscheinen 1899 an regelmäßig las. Sobald wieder eines der kleinen roten Hefte erschien, auf dem Titelblatt eine brennende Fackel vor der Silhouette Wiens, verschlangen die Brüder begierig sämtliche Beiträge, nicht nur von Kraus, auch von Autoren wie Altenberg, Dehmel, Strindberg, Wedekind, Loos oder Friedell verfasst; von 1911 an war dann Karl Kraus der alleinige Autor. Kritik am Sprachverfall, an den Lebensbedingungen des Proletariats, an der Scheinheiligkeit der bürgerlichen Moral waren zentrale Themen dieser satirischen Zeitschrift, immer wieder enthielt sie Angriffe gegen die korrumpierte Presse oder gegen die Sittlichkeitsjustiz. Schon früh hatte Berg begonnen, sich Zitate aufzuschreiben. Von der Selbsterkenntnis hieß der Titel, unter dem er sie zusammenfasste. Die Fackel war eine Fundgrube solcher Zitate. Wieder ein Wunderding tiefster Weisheit und höchsten Humors, bemerkte er 1909 in einem seiner Briefe, und noch 1920 kritzelte er auf den Rand eines Briefes an Webern: Ach die Fackel!!! Ich kann sie auswendig.60 Seinen Brief zum 50. Geburtstag von Karl Kraus,

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am 28. April 1924, unterzeichnete er: In ewiger Gefolgschaft.61 Im Gespräch mit dem Freund Soma Morgenstern sagte er: Von Karl Kraus habe ich erst gelernt, wie man in Worten einen Gedanken ausdrückt. Von ihm habe ich gelernt, wie wir täglich von den Zeitungen, die wir lesen, nicht nur belogen und betrogen werden, sondern auch verdorben. Er hat einer ganzen Generation die Ehrfurcht vor der Sprache beigebracht.62 In den Kriegsjahren wurden Bergs kulturkritische Bemerkungen scharf wie die in der Fackel: dieses künstlerische Gesindel! Wie steht das eisern da, daß es keinen Zweifel mehr gibt, daß diese Menschen Schwindler – Kriegsgewinnler sind. [...] Diese Schar von Atonalikern, die es gibt. [...] Und auch hier alle Grade von Talent bis zur völligen Talentlosigkeit.63 Die Überlegung, wie Karl Kraus wohl urteilen würde, lenkte sein Denken und seine Entscheidungen. Die Fackel regte ihn zur Lektüre zeitgenössischer Schriftsteller an, sie bestimmte aber auch, was er nicht las – zum Beispiel Schnitzler, dessen Bücher er liebte, dann Heine, Hofmannsthal, Bahr, Autoren, die Kraus ablehnte. Bergs Sympathie für diese Schriftsteller oder für Maler wie Gustav Klimt durfte zumindest nicht allzu laut werden.64 Sein Leben ordnete er einer ständigen Bewertung durch zwei Autoritäten unter: Schönberg und Kraus. Beide hatte er, auf Fotografien, bei der Arbeit immer vor Augen.

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Noch ein Familienbild Nach dem Tod ihrer Schwester Julie Weidmann, Witwe des Fabrikanten Josef Weidmann, wurde Johanna Berg 1906 ihre Universalerbin. Zum Erbe gehörten zehn Zinshäuser, die Villa an der Hietzinger Hauptstraße 6, ein repräsentatives Gebäude mit Pferdestallungen, der Landsitz „Stock am Weg“ und andere Liegenschaften. Allerdings waren die Zinshäuser durch Hypotheken belastet, eine beträchtliche Erbschaftssteuer fiel an, dennoch ermöglichte das geerbte Vermögen ein sorgenfreies Leben. Alban Berg konnte seine Stelle in der Statthalterei aufgeben und hatte endlich Zeit zum Komponieren. Zunächst wohnte die Familie mit dem Weidmannschen Dienstpersonal in der Hietzinger Villa, im Mai 1908 bezog man eine Wohnung in der Vorderen Zollamtsstraße 11, die jetzt auch Johanna Berg gehörte, zwei Jahre darauf fand der Umzug in das größere Haus Nußdorferstraße 19 statt, nahe der Volksoper, Ecke Nußdorferstraße und Fuchsthallergasse. Alban hatte den Transport der Möbel und der zirka 12 Porzellan u. Silber u. Glaskisten zu überwachen und musste etwa 100 Bilder, die 30 Teppiche, Spiegel, Stellagen anbringen.65 Charly hatte 1904 geheiratet, seitdem lebten nur noch Alban und Smaragda bei der Mutter, die beide mit jährlichen Apanagen unterstützte. Obwohl sie bei ihrer etwas derben Natur durchaus zu Mitleid und Güte fähig war, fand Alban Berg sie auch berechnend, auf finanzielle Vorteile bedacht und knauserig.66 Trotz seiner Pollenallergie verbringt er die Sommermonate am liebsten in den Bergen, seit seiner Kindheit auf dem Berghof am Ossiachersee, später in der Steiermark, wo die Familie Nahowski ein Sommerhaus67 hat, in Trahütten, seiner anderen Asthma-Adresse.68 Nachts kann er vor Husten u. Fieber u. Herzklopfen nicht schlafen, doch in Wien wird er sich wieder nach dem Ossiachersee sehnen, nach dem Blick aus seinem Zimmerfenster, wo die graugrünen Birken u. gelbgrünen Buchen hoch oben in den tiefblauen Himmel ragen und die Weidenspitzen die

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Wellen küssen.69 Abends rudert er wie märchenbefangen über den schwarzgrünen sanft bewegten See, vor dem Hintergrund der schattenhaften Berge rauscht leise das Schilf, die verglühende Sonne färbt die Wolken orangeroth.70 Zuweilen klagt er auch über die Enge des Landlebens, wo jeder Gedanke, wenn er über’s Kuhmelken hinaus will an einen Baum anrennt, und wo sich jeder Wunsch der auf Höheres zielt seinen Kopf an den niedrigen Decken der Landwohnungen stößt.71 Die Gespräche mit der Mutter drehen sich um Rechnungen, Angelrechte, die Lungenentzündung des Herrn Obermayer. Das Zusammenleben mit der Familie hat gar nichts Idyllisches. Auf Berghof spielen wir jetzt Familienglück, erzählt er. Mama hat ihre 4 prächtigen Kinder, Schwiegertochter und Enkel um sich und der Anblick dieser Fruchtbarkeit erregt mir manchmal „ausgesprochen“ Brechgefühl!! Stell Dir nur einmal vor auf der einen Seite Mama 85 Kilo – Hermann 102 Kilo und den Trum-Eric [Charlys Sohn] – auf der anderen Seite wir drei, Charly, Smaragda u. ich, käsbleich, abgezehrt – – ein Bild der Hungersnot in Java! Dieses Potenzierte Familienleben macht mich in diesen Tagen ganz nervös. Charlys Claviergetrommel schallt durchs Haus, Melodien aus der Operette Vera Violetta du duftest so fein72, begleitet von Erics Geplärr und dem Wirtschaftsgezetter Johanna Bergs, das sich anhört wie gestopfte Trompeten.73 Sie schimpft über ihre mißratenen Kinder, bedauert, sie nicht gleich nach der Geburt ertränkt zu haben.74 Ein Streit mit Hermann macht die Familienmisere unerträglich. Im nächsten Jahr kommt Hermann wieder. Aus allen Seiten tönt Lärm, klagt Berg, in der Küche ist ein wildes Durcheinander, Mama zettert durch‘s Haus, die Salzgeber gibt auch ihren Kren dazu, oben im Zimmer kichern u. schäkern Smaragda u. die Elk75, die seit heute nacht auf Besuch hier ist, mein Zimmer wird demoliert weil heut nachmittag Herman ankommt, u. vor mir raufen sich 4 Hunde.76 Das Klavier besetzen dann Hermann und Smaragda, um ihre Orgien, Operettenmelodien und Songs, darauf zu begleiten. Der Alkoholkonsum abends ist gewaltig. Die Ansichten seines Bruders verschlagen Alban zuweilen die Sprache. Was die Misserfolge moderner Musik beim Publikum angehe, müsse man bedenken,

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dass der Geschmack der „Mehrzahl“ zähle und „dass dasjenige was hunderttausend Menschen als eine musikalische Qual betrachten auch eine solche sein“ müsse.77 Hermanns Viertelwelt wird bestimmt von der Warenwelt, von Autos, Technik, Frauen, mit denen er sich amüsiert. Alban sieht sein Heil in einer idealen, rein geistigen Wirklichkeit, als Auferstehung vom brutalen, materiellen Leben – – !78 Hermann dagegen wirft ihm vor, hinter seinem Rücken, das Leben eines Künstlers könne er doch nur führen, weil er von der Mutter unterstützt werde. Nach einem Mordsstreit mit Hermann klagt er in einem Brief an Helene Nahowski über seine Unlust, auf dem Berghof zu sein, gefesselt an diese Scholle unkulturellen Landes – gefesselt an das Familienmisère, vom Kindergeschrei bis hinauf zu greisenhafter Übellaunigkeit. [...] Was bin ich nicht so wie meine lieben Geschwister? Der eine [Hermann] ist glücklich, wenn er Nacht für Nacht eine andere Kellnerin oder Probiermamsell herzen kann, der andere [Charly] geht für sein ganzes Leben in einem Weib auf, dessen Psyche nicht edler ist als ihr vulgäres Antlitz, – – und i c h ? 79 Zu Smaragda hat Alban noch die engste Bindung. Sie leidet darunter, dass ihr Bruder sie wegen seiner Verehrung für Schönberg vernachlässigt, wie sie findet. Von früh auf hatten sie gemeinsam musiziert, und 1905 waren die Geschwister öffentlich mit einigen Liedern Albans in einem Wohltätigkeitskonzert aufgetreten. Im April 1907 hatte Smaragda, wohl um ihre lesbische Veranlagung zu kaschieren, den Freiherrn Adolf von Eger geheiratet, die Scheidung erfolgte schon im Dezember des folgenden Jahres. Seitdem arbeitete sie wieder als Korrepetitorin, verkehrte wie früher in Künstlerkreisen, kleidete sich extravagant und wurde von vielen Männern umschwärmt. Peter Altenberg, der sie verehrte, schrieb ihr über hundert Briefe, Richard Gerstl hat sie gemalt. In der Nacht zum 8. Oktober 1908 versucht sie, sich mit Leuchtgas zu vergiften. Alban führt nächtelange Gespräche mit der bis zum Tod unglücklich Verliebten. Sie will nur das e i n e – – zu i h r ! !!!! zu i h r !!80 Berg ist hilflos, er überlegt: Eine eiserne Hand muß jetzt eingreifen, wo jahrelang eine allzu w e i c h e – die meine – immer wieder gut machen wollte u. eigentlich nichts

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ausgerichtet hat als momentane Verzögerung – Verschleppung.81 Später aber steht in seinem Brief an Nahowski: Wenn man einmal vor dem mit Leuchtgas oder Veronal vergifteten, halbtodten Kinde steht, – da gehn alle Vernunftsgründe, jede Strenge, jedes Hohnlächeln flöten, [...] um der Nachsicht mit dem unglücklichen Geschöpf Platz zu machen; und nur Dummheit und Bösartigkeit kann da Eltern verurteilen, die einem solchen Kinde „alles angehn lassen“!82 Nach ihrer Scheidung lebt Smaragda mit verschiedenen Partnerinnen und wird eine kämpferische Lesbierin. Die Verbindung mit May Keller, einer Schweizerin, wird von der Familie akzeptiert, die beiden treten seit 1911 öffentlich als Paar auf, obwohl Smaragda zuvor noch Anita Suñen nach Paris gefolgt war. Noch immer holt sie sich Freundinnen nach Hause, darunter auch Prostituierte. Im Frühjahr 1911 wird ein Psychiater, Prof. Frisch, konsultiert. Smaragdas Lebensweise führt in der Familie zu häufigen Auseinandersetzungen unangenehmster Natur, in die Berg immer wieder eingreifen muss.83 Er finde, schreibt er einmal an Helene Nahowski, den Stand der Prostituierten ebensowenig oder ebenso verwerflich wie die Prostituierten des Geistes, die um G e l d e s w e r t ihre Seele beflecken, zum Beispiel die sogenannten ehrenwerten Ehefrauen, die aus Versorgung eine Ehe eingehen und Leib u. Seele auf Lebzeiten verkaufen.84

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Kaffeehausbesucher Oft hielten sich die Geschwister Berg im Löwenbräu hinter dem Burgtheater auf, einem Bier- und Weinlokal, Treffpunkt vieler Burgschauspieler. Peter Altenberg und Detlev von Liliencron, beide Verehrer Smaragdas, verkehrten dort ebenso wie Adolf Loos, Egon Friedell, Gustav Klimt, Kolo Moser, Oskar Kokoschka, Karl Kraus und Frank Wedekind, wenn er in Wien war. Man plauderte, spielte Karten, diskutierte. Zu den Stammgästen zählte auch Marya Delvard85, eine Kabarettistin aus München, die Smaragda Berg in jenen Künstlerkreis eingeführt hatte. Ein Treffpunkt war neuerdings das Kabarett „Fledermaus“ in der Kärntnerstraße. Später am Abend ging es dann in den Zögerl Keller am Neuen Markt, oder man suchte eines der Kaffeehäuser auf, meist waren es Kraus, Altenberg, Loos, Klimt und die Geschwister Berg, Alban und Smaragda. Dort saß man im Mokka- und Zigarettendunst bis tief in die Nacht zusammen. Manchmal endeten erregte Wortwechsel zwischen Kaffeehausbesuchern in Tätlichkeiten. Im Café Museum kam es eines Nachmittags zu einem Streit zwischen dem Maler Max Oppenheimer, einem Freund von Berg und Schönberg, und dem Schauspieler Ernst Reinhold. Nach einem Stockschlag gab es gegenseitige „Ehrenbeleidigungs“- und „Verletzungsanklagen“, Zeuge war Oskar Kokoschka.86 Viele Cafés blieben bis vier Uhr früh geöffnet, man konnte den ganzen Tag darin zubringen und Zeitungen aus aller Welt lesen. Angenehm warm war es hier im Gegensatz zu den schwer zu beheizenden Wiener Mietshäusern. Nachdem das berühmte Café Griensteidl nicht mehr existierte – 1896 war das Herberstein-Palais, in dem es sich befand, abgerissen worden –, traf man sich im Café Central, dem Herrenhof oder dem Café Imperial, der Schönberg-Kreis besuchte auch gern das Café Gröpl am Hietzinger Platz. Fast jedesmal dabei war Peter Altenberg, eigentlich Richard Engländer, Verfasser kurzer Prosatexte, Momentaufnahmen, Miniaturen, ein in ganz Wien bekannter Schriftsteller, Karl

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Kraus und Robert Musil schätzten ihn. Es gibt viele Porträts von Altenberg, die Kraus im Café mit Bleistift skizziert hat. In der Fackel verteidigte er diesen „sonderbarsten Literaturheiligen“ gegen den „schreibenden Haufen“, was ihm 1913 in der Berliner „Deutschen Zeitung“ als Hilfe des Juden für einen „Rassegenossen“ verübelt wurde.87 Alban Berg hat außer den vier Ansichtskarten-Texten – Altenberg besaß eine umfangreiche Postkartensammlung, sozusagen ein musée imaginaire – noch drei weitere seiner Miniaturen vertont.88 An der Seite des schlanken, stets elegant gekleideten Adolf Loos wirkte Altenberg, fast glatzköpfig, mit Zwicker und wüstem Schnurrbart, wie ein trauriger Clown. Im Winter hüllte er sich in eine weite Pelerine, im Sommer lief er, Verfechter einer Reformkleidung, barfuß in Holzsandalen. Ständig schien er in Geldnot, mehrfach gab es Spendenaufrufe, wenn er wegen seines Alkoholkonsums in eine Klinik eingeliefert werden musste. Im August 1910 erschien ein solcher Aufruf89 im „Tagblatt“, unterzeichnet von lauter Prominenten wie Hermann Bahr, Richard Dehmel, Samuel Fischer, Egon Friedell, Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Alfred Kerr, Felix Salten. Berg hat Altenberg manchmal in Steinhof besucht. Dass er vermögend war, stellte sich erst nach seinem Tod heraus. Viele seiner Texte waren Huldigungen an Frauen, und Frauen fanden sich immer in seinem Gefolge, er verehrte sie alle, besonders die ganz jungen. Soma Morgenstern nannte ihn den „großen Schwärmer für alles Kindliche im Menschen“.90 Das Café Central in der Herrengasse, so konnte man auf Altenbergs Visitenkarte lesen, war seine Adresse, dort verbrachte er die meiste Zeit, und dorthin ließ er sich die Post schicken. Aber auch im Löwenbräu hatte er seinen „Altenberg-Tisch“. Das Café Museum nahe der Oper hatte Adolf Loos eingerichtet. Mit den schlichten Bugholzstühlen, ohne Kristalllüster, wie sie im feinen Imperial hingen, ohne Säulen und Stuck wie im Central mit seinem eindrucksvollen Deckengewölbe war es so puristisch, dass man es „Café Nihilismus“ nannte. Das von Loos entworfene Haus am Michaelerplatz löste 1911 einen Skandal aus. Die Wiener mit ihrer Vorliebe für historisierende,

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mit Ornamenten überladene Fassaden fanden dieses Gebäude in seiner Kargheit empörend, zumal es sich gegenüber der Hofburg befand. Er habe den Wienern dort „einen Gedanken hingebaut“91, stellte Kraus fest. Loos verstand sich als „Wohnungslehrer“. In seiner Streitschrift „Ornament und Verbrechen“ übte er Kritik an allen Verzierungen, die nicht nur überflüssig seien, sondern auch eine Vergeudung von Zeit und Ressourcen. Er warb für funktionelles und ökonomisches Bauen. Bei seinen Inneneinrichtungen mit selbst entworfenen Uhren und Lampen verwandte er indes kostbare Materialien, Marmor, Achat, edle Hölzer und teure Textilien, mit denen er auch die „American Bar“ in einer Seitengasse der Kärntner Straße und das Café Capua in der Johannesgasse ausstattete. Er war streitlustig, gab die Zeitschrift „Das Andere“ heraus: „Ein Blatt zur Einführung abendländischer Kultur in Österreich“, und seine provokanten Artikel in der Neuen Freien Presse sorgten jedesmal für eine Sensation. Den Jugendstil und die Sezessionisten lehnte er ab, für Kokoschka ergriff er Partei. Mit Schönberg, dem Geistesverwandten, verband ihn eine enge Freundschaft. Loos unterstützte ihn, wo er konnte, auch finanziell, war ein treuer Besucher seiner Konzerte, sogar bei den Proben zu den Gurreliedern saß er dabei. Schönbergs Gegnern bot sein Engagement natürlich nur wieder Anlass zu Spöttereien, denn Loos war schwerhörig. Alban Berg verehrte Loos, verteidigte ihn auch noch, als er 1928 wegen Kindesmissbrauchs angeklagt wurde. Aus seinem Atelier in Hietzing, Feldmühlgasse 11, kam Gustav Klimt manchmal herüber. Schon als junger Mann hatte er mit seinen Deckenfresken im Burgtheater Aufsehen erregt. Er gehörte zu den Gründern der Wiener Sezession, sein Beethovenfries im Sezessionsgebäude provozierte mit den Genien, Dämonen und geheimnisvollen Gestalten heftige Auseinandersetzungen in der Presse. Seine Entwürfe der „Fakultätsbilder“ für die Universität empfand man als so skandalös, dass er sie zurückziehen musste. Berühmt machten ihn seine Frauenporträts, die der imago der femme fatale oder der femme fragile huldigten. Kraus lehnte ihn ab, Berg aber war fasziniert von seiner Malerei, auch Schönberg schätzte ihn.

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Wortführer in den nächtelangen Diskussionen waren Karl Kraus mit seinen witzigen, oft boshaften Pointen und Adolf Loos. Der konnte stundenlang sprechen, über Kunst, Kulturgeschichte, Politik, mit der leichten, graziösen Art des Erzählens, fast Anekdotischem alles, auch das Tiefste erschöpfend92, so empfand es Berg. Altenberg erzählte ebenfalls gern, Alban Berg aber, ungelenk in Diskussionen, obwohl er Debatten liebte, war ein stiller Zuhörer.

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Das macht, es hat die Nachtigall die ganze Nacht gesungen Sieben frühe Lieder Während der Theatersaison 1906/07 ist Alban Berg wieder häufiger Besucher auf der vierten Galerie. Eine hochgewachsene junge Frau, eine anmutige, mädchenhafte Gestalt mit üppigem, aschblondem Haar, zum Teil geflochten und hochgesteckt, zieht seine Blicke auf sich, besonders ihr Gesicht mit den hohen Wangenknochen und einem Teint wie von Renoir gemalt. „Bist du nicht eine zarte Blüte Gottes, die behütet werden muß vor jedem rohen Hauche?“ hatte Peter Altenberg über sie geschrieben.93 Dass Helene Nahowski vermutlich eine Tochter des Kaisers Franz Joseph I. ist, hat sich in Wiener Kreisen herumgesprochen, und Helene nimmt es mit heimlichem Stolz zur Kenntnis. Ihre Mutter, Anna Nahowski, hatte dreizehn Jahre lang eine Liäson mit dem Kaiser, der sie durch eine Seitenpforte im Schönbrunner Park, das „Fürstentürl“, unbeobachtet besuchen konnte. Die Beziehung hatte 1875 begonnen, da war sie sechzehn, fast dreißig Jahre jünger als der Kaiser; sie war damals mit dem Seidenfabrikanten Johann Heuduck verheiratet, der sein Geld verspielte und in Konkurs ging. Nach der Geburt der Tochter Carola 1877 trennte sie sich von ihrem Mann, 1878 wurde die Ehe geschieden. Im selben Jahr lernte sie Franz Joseph Nahowski kennen, einen Beamten bei der Wiener Südbahn-Gesellschaft. „Man sieht es gleich, daß er den Frauen sehr gefährlich werden kann“, schrieb sie in ihr Tagebuch. „Und was für eine Sprache kann dieser Mensch führen!“94 Er schrieb ihr Gedichte, sie wusste aber bald, dass er sie betrog. „Wie eine schwere Krankheit“95 war diese Liebe über sie gekommen. Im Januar 1883 wurde ihre Tochter Anna geboren, erst im Mai des nächsten Jahres fand die Trauung statt. Die Ehe mit dem despotischen Nahowski war von Anfang an unglücklich, doch es dau-

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erte zweiundzwanzig Jahre, ehe sie sich aus ihrer Abhängigkeit befreien konnte, „nach vielen Kämpfen u. Rückfällen endlich erlöst“96 war. Wenn Nahowski nicht zu Hause war, besuchte der Kaiser sie früh morgens in ihrem Schlafzimmer, am 12. Oktober 1884 schenkte er ihr zum Abschied für eine längere Zeit eine Schmucknadel, im Jahr zuvor hatte er ihr ein Kuvert mit 50.000 Gulden überreicht. In der neu erworbenen Villa der Nahowskis in der Hetzendorferstraße, der späteren Maxinggasse, befand sich eine geheime Tür, von außen wie ein Blindfenster, durch die der Kaiser das Haus betrat. „Bin wieder schwanger“, steht am 15. April 1885 in ihrem Tagebuch. „Verheiratet bin ich – den Kaiser habe ich mir erhalten.“ Dann fügte sie noch hinzu: „Ja ich liebe Beide.“ Während Nahowski sie erniedrigte, ihr alles Geld abnahm, oft betrunken nach Hause kam, behandelte der Kaiser sie mit Respekt. „Vergessen habe ich nie, daß Er der Kaiser ist – u. dieser himmelweite Unterschied hat mir täglich gezeigt wie gut Er mir ist mich achtet u. als Dame behandelt.“97 Am 29. Juli 1885 wurde Helene geboren. Wäre der Kaiser ihr Vater, hätte die Schwangerschaft mehr als zwei Wochen über die Regelzeit hinaus gedauert; ein Hinweis auf eine Spätgeburt ist Anna Nahowskis Notiz: „Ein gesundes gut ausgetragenes Kind“.98 Keinen Zweifel kann es geben, dass der Vater von Helenes vier Jahre jüngerem Bruder Franz Joseph (Franzl) Franz Nahowski war. Seit 1885 hatte der Kaiser eine Beziehung zu Katharina Schratt, Schauspielerin am Hofburgtheater. Am 29. Dezember 1888 besuchte er Anna Nahowski ein letztes Mal, im März des folgenden Jahres erhielt sie eine Abfindung, 200.000 Gulden. Den größten Teil des Geldes lieferte sie ihrem Mann ab, der es in Aktien und Immobilien anlegte. Die Andenken und Geschenke des Kaisers bewahrte sie als ein kostbares Geheimnis auf. Alban Berg ist scheu, zu einem Kontakt mit Helene kommt es erst im April, und das auch nur mit Hilfe ihrer Geschwister. Er trifft sich mit Helene in der Weidlichgasse, an die der Gartenzaun der Villa Nahowski grenzt, am „Carolatürl“ oder in Carolas Schneideratelier neben der Villa Nahowski. Diese kurzen Momente, in denen er mühevoll ein paar blödsinnige Sätze

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hervorstammelt, versetzen ihn in einen solchen Glückstaumel, dass er danach wie ein Betrunkener die Straße hinunter wankt.99 Manche Nacht steht er vor Helenes Fenster. Sie verabreden sich durch Briefe, die Anna, Carola oder Franzl übergeben. Die Geschwister sollen Alban auch über Opern- und Konzertbesuche der Nahowskis informieren. An Franzl schreibt er: Du, mein lieber lieber Franzl, mußt mir noch genauer sagen, wo ihr sitzen werdet, so daß ich meinen Standplatz so wählen kann, daß ich Helene sehen kann... Fürchte nicht,daß ich vielleicht immer hinsehen werde – – nein, nein ich will mir Gewalt antun und konstant in die Partitur schaun...aber nur das Gefühl, sie sehen zu können, wenn ich es will, ...dieses Gefühl, mußt Du mir lassen!!100 Im Mai sieht er mit Helene „Salome“ im Deutschen Volkstheater, und seit sie in der Hofoper, nebeneinander sitzend, den „Tristan“ gehört haben, nennt er sie Isolde. Sie ist musikalisch, hat eine ausgebildete Stimme,101 Berg hört sie gern singen. Vielerlei Namen hat er für sie: meine herrlichste d-moll-Symphonie, später Pferschl wegen ihrer Pfirsichhaut. Am schönsten findet er sie in freier Natur, wenn sie aus ihrem Kopftuch wie aus einem Heiligenschein herausschaut, er mag ihre wilden Haare, frei vom Zwange der Nadeln, Netze, Kämme102, und liebt den Tonfall ihrer zärtlichen Stimme, das liebe, liebe Lächeln, die Sonnenhelle, die so tiefe Schatten zu werfen vermag.103 In Briefen und auf Postkarten sendet er ihr chiffrierte Botschaften mit Notenzitaten, die Worte dazu kennt sie ja: „Wie schön ist die Prinzessin Salome“, Wotans „Lebewohl“ aus der „Walküre“, „Oh tiefstes Weh!“ aus „Tristan“, und anstelle eines Textes steht der d-MollAkkord vom Beginn der „Elektra“ auf einer Postkarte an Helene. Sie spielt das gehorsame Kind des Herrn Papa, passt auf, dass „der Alte“, der jähzornige „Drill“, wie sie ihn nennt, nichts erfährt von den Briefen und ihren heimlichen Treffen. Nahowskis Überzeugung nach ist Alban Berg keine Partie für seine Tochter, dieser kränklich wirkende Musiker ohne Beruf und ohne Zukunftsaussichten, der weder Vermögen noch Titel vorweisen kann, dazu eine Schwester hat, die öffentlich in einer lesbischen Beziehung lebt. Seinen Abscheu scheint er deutlich gezeigt zu haben, nach einem Besuch Smaragdas werde er das

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Haus ausräuchern lassen104, vermutet Berg. Es gibt ja auch genügend andere Bewerber, an erster Stelle den Biologen Dr. Paul Kammerer, der Helene wiederholt Heiratsanträge gemacht und Gedichte von ihr vertont hat,105 dann den Rechtsanwalt Dr. Bruno Rovelli oder Raoul, einen Aristokraten.106 Alban fühlt sich in seiner Liebe zu Helene wie auf vulkanischem Boden, erlebt sie mehr als Qual denn als Glück. Er will an die Idee der romantischen Liebe glauben, die Verschmelzung, das Einssein auf ewig. Helene erwidert seine leidenschaftlichen Briefe eher konventionell. Na, schreiben wir halt dem „Kind“ eine Karte – – damit die arme Seele Ruhe hat – –!107, so stellt er sich ihre Reaktion vor. Er bemerkt den zuweilen kühlen Klang ihrer Briefe, nennt sie einmal seinen geliebten Eiszapfen.108 Sie scheint ihn hinzuhalten, bringt andere Verehrer ins Spiel: Raoul, das „Barönchen“109, der ein Auto besitzt, den Verse schreibenden Paul Hohenberg, Dr. Schwerdtner, Dr. Kammerer, Fritz Moser mit dem sehr artigen und netten Benehmen, Walter, Edi. Ihre Antworten auf seine langen Briefe erhält er oft verspätet, aus ihrem Urlaub schickt sie vorsichtshalber nur Grüße auf Ansichtskarten. Gegen die Verzweiflung über das oft vergebliche Warten auf einen Brief von Helene hilft manchmal nur Morphium. Während er eine Passion erleidet, Sehnsucht und Schmerz nicht enden wollen, ist sie vernünftig. „Es gibt Stunden in denen ich unsere »Gefangenschaft« bitter empfinde – – aber meine Seele ist, gottlob, noch nicht flügellahm – sie kommt über all das hinweg“, schreibt sie ihm. „Auf gut wienerisch: »A dicke Haut muss ma haben« und die kriegt man entweder – oder man verkümmert!“110 Sie trifft ihn nur im Beisein von Tanten und ähnlichem Gezücht und fügt sich den kleinlichen Anschauungen von verbotenem und erlaubtem Verkehr von Liebenden. Für ihn aber ist die Liebe die Bedingung zu allem Großen und Schönen, zu aller Kunst.111 Wiederholt schreibt er ihr von seinen Idealen der Schönheit, Reinheit und Wahrheit, zitiert Musiker und Schriftsteller, ganze Briefe handeln von Literatur und Philosophie, von Schopenhauer und Nietzsche. Aus Strindbergs „Blaubuch“ schreibt er Sätze für sie ab: „Die Zunge und das gesprochene Wort sind so verunreinigt vom alltäglichen Gebrauch, daß sie

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das Schöne nicht laut sagen können, was die Feder leise sagt.“112 Mehrmals zitiert er aus dem Roman „Yester und Li“ von Bernhard Kellermann, darin scheint ihm sein eigener Zustand beschrieben zu sein, eine solche riesige, seelenvollste, gewaltige Liebe. [...] Das Werben des Helden „Ginstermann“ um die Einzige, das stundenlange vorm Fensterstehn u. vieles andere ist aus meinem eigenen Leben – in dieses Buch hinübergewandert! Er schreibt von Ginstermanns Unfähigkeit, „mit den Menschen zu verkehren“, die nur „den von der Masse diktierten Gesetzen und ihren Trieben“ gehorchen, keinen „Wunsch nach Flügeln“ verspüren: Ich jubelte, als ich diese Stellen las!113 Die Kunst ist ihm Widerstand gegen die bodenlose Niedertracht des Lebens114. In den vielen Liedern, die er während dieser Zeit komponiert, erhält das Entbehrte Gestalt, eindringlich in den Sieben frühen Liedern für eine Singstimme und Klavier. Aus dem letzten, Sommertage, zitiert er auf einer Postkarte an Helene die ersten drei Takte. Eine wortlose Botschaft, vom misstrauischen Franz Nahowski nicht zu entziffern. Nacht und Sommertage bilden den Rahmen für fünf Liebeslieder. Noch ist allen Liedern eine Tonart vorgezeichnet, dem ersten, Nacht, nach einem Gedicht von Carl Hauptmann, ADur. Doch die nächtliche Landschaft, schwebende Nebel, leise rauschendes Wasser erhalten ihre geheimnisvolle Färbung nicht durch Akkorde aus dem A-Dur-Bereich, sondern durch übermäßige Dreiklänge der Ganztonskala. Erst im Mittelteil, als sich die nächtliche Landschaft plötzlich in ein weites Wunderland verwandelt, öffnet das überraschend einsetzende strahlende ADur einen neuen Raum, lässt das silberne Licht dieser Vision leuchten, chromatische Harmonik und Modulationen betonen das Rauschhafte des Erlebens. Im Bild der vereinzelten Buche, schattenschwarz, klingt schon die Einsamkeit der Schlussverse an. Die Ganztonharmonik mit ihren Farben der Nacht, des Nebels kehrt wieder, die ursprüngliche Gesangsmelodie hört man jetzt im Klavier, ihre Umkehrung in der Singstimme, so dass das Lied auch nicht, der Tradition entsprechend, in A-Dur endet, sondern mit einem übermäßigen Dreiklang im zartesten pianissimo.

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Die strenge Konstruktion dieses zuletzt, 1908, komponierten Liedes, in dem alle Motive und Harmonien abgeleitet sind aus dem ersten Takt der Singstimme, bildet ein Gegengewicht zur Sinnlichkeit der Klänge. Berg arbeitet mit Thementausch zwischen Singstimme und Begleitung, mit Umkehrungen und rhythmischen Verkleinerungen. Die Verwendung der Ganztonharmonik konnte er in Schönbergs Orchesterstück „Pelleas und Melisande“ und in Werken von Debussy und Dukas115 studieren. Im trüben Licht von f-Moll beginnt das Schilflied nach Versen von Nikolaus Lenau. Ein Einsamer am öden Schilfgestade denkt an die Geliebte, ein kurzer Moment des Glücks ist in warmem As-Dur komponiert. Im bewegteren Mittelteil vereinigen sich die Stimmen der Natur, das Rauschen und Flüstern des Schilfs, mit der Klage des Weinenden, einer fallenden Melodielinie mit schmerzlichen Vorhalten. Die letzte Strophe nimmt Elemente des ersten Teils wieder auf und intensiviert sie durch insistierende Wiederholungen. So wird der Glaube, die Stimme der Geliebten zu hören, in der Musik zum inständigen Wünschen. Das Lied Die Nachtigall nach einem Gedicht von Theodor Storm übt selbst etwas von dem verführerischen Zauber aus, von dem es handelt. Was Storm im Bild der aufgesprungenen Rosen nur andeutet, wird unmittelbarer Ausdruck im überschwänglichen Jubel der Gesangslinie und dem Hinauszögern der harmonischen Spannungsauflösung. Umschlossen von den beiden Strophen in D-Dur, lässt die mittlere in fis-Moll mit den synkopischen Akkorden spüren: nun geht sie tief in Sinnen. Die Mitte des Zyklus bildet ein Gedicht aus Traumgekrönt von Rainer Maria Rilke. Die beiden Strophen schreibt Berg für Helene ab, nachdem er sie pochenden Herzens vertont hat.116 Und in einem Brief vom November 1907 zitiert er noch einmal Anfang und Ende des Gedichts: „Das war der Tag der weißen Chrysanthemen, / Mir bangte fast vor seiner Pracht ...“ Wahrlich Helene, Teuerste, Liebste – – –: mir bangte fast vor der Pracht des gestrigen Glücks – – – [...] Fassungslos – – – wie trunken wankte ich nachhaus – – – [...] auf den Lippen den herrlichsten der Küsse

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heimwärts tragend – – – – – – Und leis wie eine Märchenweise – erklang die Nacht. 117 Die Nähe von Eros und Thanatos, von Liebe und Tod in Rilkes Versen lässt Bergs Vertonung deutlich spüren. Rilke deutet sie an im Bild der weißen Chrysanthemen, der Blumen des Todes, sowie in den Wendungen mir bangte, bang, die Seele nehmen. Das Viertonmotiv der Singstimme zu Beginn der zweiten Strophe (Mir war so bang) ist das ganze Lied über gegenwärtig, prägt von Beginn an das polyphone Gewebe der Begleitung, zum Teil in rhythmischer Verkleinerung, und steht in einem Spannungsverhältnis zum emphatischen Gesangsthema. Obwohl g-Moll vorgezeichnet ist, bleibt die Tonalität durch Quartenakkorde in der Schwebe. Für den C-Dur-Höhepunkt der ersten Strophe (mir die Seele nehmen) ist pianissimo vorgeschrieben, aufsteigende Sequenzen des bangen Viertonmotivs begleiten den Gipfelton des Sängers, während der Bass das Gesangsthema übernimmt. Ein Thementausch zwischen Singstimme und Klavier kennzeichnet die zweite Strophe.118 Auf dem Höhepunkt der Verzauberung (wie eine Märchenweise / erklang die Nacht) erreicht die jetzt aufsteigende Septime (im Gegensatz zur fallenden in T. 11) den lang angehaltenen Gipfelton, das c-Moll geht in lichtes G-Dur über, und die Quinte des einstimmigen Beginns überspannt am Ende mehr als fünf Oktaven. Berg war stolz auf die anspruchsvolle Faktur dieses Liedes. Über ein Konzert der Schönbergschüler am 7. November 1907, zu dem auch Zemlinsky und Alma Mahler gekommen waren, schrieb er an Frida Semler: Ich kann ruhig sagen, daß meine Fuge119 den größten Erfolg an diesem Abend erzielte, obwohl Dinge aufgeführt wurden, die auf einer viel höheren Stufe standen. Aber so ist das Publikum!! Ich sah das am besten bei meinen drei Liedern. Das zweifellos beste (aus «Traumgekrönt») gefiel gar nicht – das schwächste («Nachtigall») begeisterte die Menge.120 Das Misstrauen gegenüber dem Erfolg begleitete Berg sein Leben lang. Im Zimmer nach dem Gedicht von Johannes Schlaf ist ein durchkomponiertes Lied in B-Dur schon aus dem Jahr 1905. Der metrischen Unregelmäßigkeit der Verse entsprechen die Taktwechsel. Eine pendelnde Quarte erklingt das ganze Lied

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hindurch (wie leise die Minuten zieh’n), und durch die Wiederkehr des vierten Taktes am Ende entsteht eine Art Rahmen. In Schlafs Idylle eines stillen Glücks bei knisterndem Feuer, das Anlass für eine kurze Tonmalerei wird, bleibt ein einziger Vers reimlos: wenn mein Auge so in deinem ruht – ein leidenschaftlicher Moment in der Musik. Die Liebesode von Otto Erich Hartleben, eine alkäische Ode, vertont Berg in fis-Moll mit Wagnerscher Chromatik und Sequenztechnik. Die Musik fließt ohne Unterbrechung, lässt keine Strophen mehr erkennen, Dreiklangsarpeggien im Bass wechseln in immer andere tonartferne Harmonien. Die Begleitung entwickelt sich aus einer dreitönigen Zelle, die variiert das ganze Lied durchzieht, ebenso wie das Thema der Singstimme mit der schwärmerischen aufsteigenden Sexte und den folgenden halbchromatisch fallenden Takten. Den klanglichen Höhepunkt bildet der Schlussvers: Träume des Rausches, so reich an Sehnsucht. Nach dem Rausch ist es die ungestillt bleibende Sehnsucht, die ihren Ausdruck in der fallenden Gesangslinie und der plötzlichen Zurücknahme der Lautstärke findet. Paul Hohenberg, Bergs Schulfreund, ist der Verfasser des Gedichts Sommertage, in dem die Natur als Wunderland erscheint, als Gegenwelt zur Realität, zeitlos und sprachlos. Bergs Vertonung in c-Moll ist verhalten, in der Melodieführung, der zurückgenommenen Dynamik, in den durch dissonante Töne verschleierten Harmonien. Wie der die Tage durchwehende Sommerwind, wie der Wiesensang zieht sich ein Thema durch das Lied. Seine ersten vier Töne erscheinen in den einleitenden Takten sogleich in Engführung, im Bass dann auf drei Töne verkürzt, und auch die Triole im Thema wird prägend für die Begleitung; die strenge Konstruktion lässt den Schönbergschüler erkennen. Die expressiven Strophenschlüsse bewahren die Mollfarben, C-Dur strahlt nur für einen Moment auf, bevor das Lied in leisem c-Moll verklingt. Zwanzig Jahre später hat Berg eine Orchesterfassung der Frühen Lieder komponiert und sie 1928, gemeinsam mit der Klavierfassung, publiziert. Meiner Helene steht als Widmung in der Orchesterpartitur.

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Eine Passion Seit Nahowski ihm Ende 1908 die Tür gewiesen hat, weil er mit seiner fragwürdigen Existenz Helenes Ruf ruiniere, kommt es Berg vor, als wäre er aus ärgsten Stürmen u. Meeresbrandungen plötzlich auf ein Riff verschlagen, wo nichts wächst nichts lebt.121 Noch zwei Jahre später hält er Helene vor: Daß Du nicht gleich, als man mich von Trahütten forttrieb, mit mir zogst, war ein Treubruch gegen mich.122 Seine Gedanken kreisen ständig um sie, er schickt ihr lange Briefe, manchmal zwei an einem Tag, schreibt in der Elektrischen oder im Kaffeehaus immer wieder von seiner Liebe. Am Ende eines langen Briefes steht: Am liebsten begänne ich wieder einen frischen Brief u. schriebe immerfort u. immerfort bis ich tot zu Boden sänke, so, s o weh ist mir nach Dir.123 „Helene, Roman in tausend Briefen“, diesen Titel gibt er seinem Lebens- und Liebesroman.124 Helene fügt sich in die Situation. Erst mit vierundzwanzig, also im nächsten Jahr, hat sie das Recht, auch gegen den Willen der Eltern zu heiraten125, ohne das Einverständnis der Eltern müsste sie aber damit rechnen, enterbt zu werden. Sie ist vor allem besorgt um Albans Gesundheit, an der er jahrelang mit den stärksten Reizmitteln, „Kaffee, Tee, Alkohol etc.“, „gesündigt“ habe. Statt sich aufzuputschen, solle er ordentlich essen, denn in Trahütten, wo die Familie Nahowski die Sommermonate in ihrem Ferienhaus verbringt, könne er sich erst zeigen, wenn er mindestens vier Kilo zugenommen habe. Nur wenn ihm ganz übel sei, dürfe er „ e i n e n Tag mit dem »Mästen« aussetzen!“126 Alban hat Angst, sie zu verlieren. Das tragische Muster seiner Liebe zu Helene wiederholt sich in späteren Beziehungen: die Heftigkeit der Leidenschaft, der nicht enden wollende Kampf gegen Widerstände, die Ahnung von der Unerfüllbarkeit. Nur gemeinsam mit Smaragda darf er zuweilen Helene besuchen, aber die offensichtliche Sympathie zwischen den beiden Frauen beunruhigt ihn. Du und Smaragda, gesteht er Helene, das läßt mir keine Ruhe – –; ich weiß, daß sie Dir einen Brief ge-

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schrieben hat: – und daß Du ihr antworten wirst.127 Vielleicht mit einem „glühenden Liebesbrief“. „Alban, Sie sind wirklich ein Kindskopf“, antwortet Helene. „Sie gefällt mir und ist mir sympathisch, warum sollt ich nicht nett zu ihr sein.“128 Smaragda hat ihr einen zwanzig Seiten langen Brief geschrieben, eine unverhüllte Werbung. Mit der Heirat sei sie erst recht unglücklich und einsam geworden, gesteht sie. Davon wisse nur Alban. Sie sehne sich nach Helene, ihrer einzigen Liebe, deutet „das entsetzliche Geheimnis“ an, das ihrer „Natur“ innewohne.129 Dass Smaragda Helene viel häufiger sehen kann als er selbst, dass sie ihm kaltblütig von einem geplanten Spaziergang mit Helene berichtet, hält Bergs Eifersucht wach. Er hat wenig Lust, zu dritt Fotos anzuschauen, schon gar nicht, dabei Helenes süßes Tȇte a tȇte mit Smaragda zu beobachten. Ein Besuch bei Helene, den er herbeigesehnt hat, besteht darin, dass ihnen Smaragda etwas am Clavier vortrommelt u. nebenan die Schneiderin [Carola] näht – – u. die Obrigkeit mit jeder Sekunde erscheinen kann, schaun was die liebe Tochter u.p.t. Gäste machen!!!130 Einmal gesteht er Helene, dass er mit ihr schlafen will, schreibt vom Wunsch, sie als Frau zu besitzen, was er glaubt rechtfertigen zu müssen: Es soll Dir dieses Geständnis nichts anderes sein als meine h ö c h s t e Liebeserklärung, die eben a l l e s in sich schließt. Aus Angst vor ihren spöttischen Bemerkungen darüber habe er bisher geschwiegen.131 Ein andermal schreibt er ihr, er habe Sehnsucht nach ihrer Seele, könne deshalb an Physisches gar nicht denken. Ein Beweis seiner Liebe soll die Versicherung sein, sie sei ohne jede geringste Regung von Sinnlichkeit.132 Helenes Angst, sich etwas zu ‚vergeben‘, sitzt tief. „Wie lang werden Dir noch meine Küsse schmecken!?“ „Küsse! Bin ich Dir nicht m e h r Alban?“133 Noch zwei Jahre später wagt er manchmal nicht, sich beim Spazierengehen bei ihr einzuhängen, sie könnte ja vermuten, es sei ihm nur ums Leibliche zu tun!!!!134 Am 23. Juli 1908, während der Sommerferien in Kärnten, erleidet er zum ersten Mal einen schweren Asthmaanfall. Sigmund Freud, zufällig Urlaubsgast auf dem Berghof, stellt eine Allergie gegen Blüten- und Gräserpollen fest. Kein Wunder, dass sich das Asthma fast nur während der Urlaubsmonate in

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den Bergen einstellt. Dann leidet Berg an Schnupfen, Katarrhen und wegen nächtlicher Atemnot an Schlaflosigkeit. Die Heftigkeit des ersten Anfalls ist ein solcher Schock, dass Berg fortan die Zahl 23 als seine Schicksalszahl betrachtet. Acht bis zwölf Medikamente nimmt er täglich: Milchzucker, Codein, Natrium jodatum, Morphin, Cocain, Califig (Feigensirup), Brom, Menthol, Pyramidon, Arsenferratose135, dazu Veronal für die Nacht. „Die vielen Medikamente schmeiß weg – die genügen, einen Gesunden krank zu machen!“136 mahnt Helene. Sie hat Angst, dass er nie mehr ganz gesund wird. „Ich bitt Dich, schreib mir die v o l l e Wahrheit! Liegst Du noch? Und wie oft haben sich die Anfälle wiederholt?“ „Pfleg Dich recht und vergiss nicht die kalten Abreibungen und die Spaziergänge früh und abends, und die Butter zu jeder Mahlzeit!“137 Alban erscheint sie als die liebende Fürsorge selbst, die kluge rathende Helferin, die gute Schwester u. überhaupt Güte u. Liebe Spenderin!138 Zurück aus Kärnten, besucht er die große Wiener Kunstschau, ein Projekt Gustav Klimts und der Wiener Werkstätten zum sechzigjährigen Regierungsjubiläum des Kaisers. Josef Hoffmann hat gemeinsam mit Alfred Roller eine Kunststadt im Jugendstil entworfen, eine Architektur aus Sälen und Höfen, in denen Gemälde und Skulpturen der Avantgarde ausgestellt sind, aber auch Bühnenbilder, Kostümentwürfe, Plakate und Schmuck. Es gibt einen ganzen Saal nur mit Bildern von Gustav Klimt, Koloman Moser hat ihn gestaltet. Die Ausstellung ist vor allem Treffpunkt junger Künstler und Intellektueller. Einmal, als Berg gerade die Kunstschau verlässt, muss er mitansehen, wie Helene und Paul Kammerer durch die Maxinggasse spazieren. Sie scheint immer noch Ausschau nach anderen Bewerbern zu halten. Als Berg von ihrem Sonntagsbesuch bei Paul Kammerer erfährt, der auch nach seiner Heirat139 noch Helenes Nähe sucht, als er Pauls grinsendes Gesicht auf der Stadtbahnstiege140 erblickt, spürt er eine Verzweiflung, gegen die nichts mehr hilft. Es kränkt ihn tief, dass ihr seine Liebe nicht genügt, eine Liebe, die doch so groß, grenzenlos ist, die er als einzigartige Stärke empfindet. Trotz seiner Scham, sich aufzudrängen, fühlt er Stolz auf seine Besonderheit: dass er keine der-

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ben Kinnladen hat wie Paul Kammerer, keine Krone unterm Jagerhüaterl wie das Barönchen, das in Trahütten auf Helene lauert, keine Weltanschauung wie die Kaffeeschwestern, keine Moral wie die Hietzinger Ehrengreise.141 Nie hat er es mit den Siegern gehalten, den Gesunden, den Welteroberern, seine Helden sind die Unterliegenden. Helene versichert ihm, sie habe „nur eine große Öde und Langeweile“ in Pauls Gegenwart empfunden, ein „erbärmliches, lächerliches Ende“142 ihrer einstigen Liebe erlebt. Als sie im Februar 1909 wochenlang mit einer Angina zu Bett liegt, ist Berg verzweifelt, weil er sie nicht erreichen kann. Seine Liebe besteht nun fast 2 Jahre in unwandelbarer Heftigkeit143 fort. Hellauf schreien u. heulen möchte er vor ärgster Qual, dass er Helene nicht ein paar Minuten sehen, besuchen darf: Ich bin doch kein räudiger Hund.144 In der Weidlichgasse wartet er stundenlang, dass sie sich am Fenster zeigt. Helene ist es peinlich, denn die um ihr Bett versammelten Besucherinnen amüsieren sich über ihn, biegen sich vor Lachen. Da liegt eine, an Leib u. Seele krank im Bette und weint – – und einer steht draußen in Sehnsucht u. Kälte, und zittert – – und die lieben Nebenmenschen schauen zu und lachen!!145 Hass überkommt ihn, Hass auf die Menschenherde, die große Gefühle als seelische Extravaganzen verspottet und ihr Heil von Gurgelwasser und Klistierspritzen erwartet.146 Er merkt, seine letzten Briefe an Helene sind nur noch Anklagen u. Vorwürfe gegen die Welt u. die Welt(un)ordnung, sind das Gestammel eines Zerstampften, der in der Gosse liegt u. zu den Sternen thränenden Auges blickt.147 Im Frühjahr 1909 wechseln Momente großen Glücks mit der alten Qual. Nächtelang sitzt er wegen Atemnot aufrecht im Bett. Manchmal dauert die Keucherei bis zum Morgen. Codein, Cocain und Morphine sollen wieder Abhilfe schaffen. Er kann nicht arbeiten und muss sich anhören, es seien die Nerven. Da wird Helene seine fürsorgliche Ratgeberin, seine Brünnhilde. Seit sie gemeinsam den „Ring“ gesehen haben, sind ihnen die Figuren auf Wagners Opernbühne immer nahe. Schwarzalben, die Bewohner von Niblheim, nennen sie jetzt insgeheim alle Menschen, die sie ablehnen – Berg denkt vor allem an seine

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Konkurrenten um Helenes Gunst –, Philister, Heuchler, Materialisten mit ihrem Streben nach Reichtum, Gelehrtheit, Berühmtheit und Macht.148 Sie selbst zählen sich zu den Lichtalben, Helene, die Strahlende, Alban, der Weiße.149 Während seiner kurzen Venedigreise im August 1908 hat Berg natürlich den Palazzo Vendramin aufgesucht, Wagners Sterbehaus, hat Momente wehmutvollsten Glücks erlebt und die Stufen zum Haus geküsst.150 Im nächsten Jahr, am 8. August, besucht er eine Parsifal-Aufführung in Bayreuth, Hermann finanziert ihm die Reise. Ergriffen beschreibt er Helene seinen ungeheuren, zerschmetternden Eindruck. Der übrige Betrieb aber ekelt ihn an: die beiden Baracken neben dem Festspielhaus, das Festbierhaus und das Festspeisehaus, das vergnügungssüchtige Publikum, das lachend u. schwatzend promeniert, obenan Siegfried Wagner. Er hielt sich überall auf, wo man Autogramme von ihm verlangen kann – u. ist überhaupt voll der Weihe. Der ganze Ort sei eine Ausbeutung des »Wagnergedankens«!151 Im Juli 1909 hält Helene ihm mit ihrem Brief eine „Riesenpredigt“, wirft ihm wieder einmal seine „unvernünftige Lebensweise“ vor: „Damit hast Du’s ja so weit gebracht, daß Du bei Deiner Größe von 1,87 Meter das lächerliche Gewicht von kaum 60 kg hast!“ Er lasse sich von Smaragda mitschleppen in rauchige Lokale, bringe die ganze Nacht mit „Drahrereien“ zu, wo doch seine physische Anfälligkeit – die Militärbehörde hat ihn 1908 für untauglich erklärt – ein Hindernis für ihre Ehe sei. Die hänge auch davon ab, ob sich seine Gesundheit bessere, ihre Eltern hätten nicht ganz unrecht, wenn sie ihn ablehnten. Aber sie gibt ihn nicht auf, vielleicht werde er doch noch „einmal was Großes leisten“.152 Er studiert Fahrpläne, die Verbindung Villach – Trahütten, eine mit den Unterbrechungen mehr als zwölfstündige Bahnfahrt.153 Ein geplantes Treffen mit Helene versetzt ihn in Aufregung, er will sich anstrengen, bis dahin an Gewicht zuzunehmen, auf Kaffee und viele Medikamente – außer Morphium – zu verzichten. Morphium braucht er, um die langen Zeiten vergeblichen Wartens auf Briefe von Helene zu überstehen. In einer Woche schickt sie ihm 10 kleine freundliche Seiten, während er

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ihr in derselben Zeit mindestens 60–70 engbeschriebene154 sendet. Einen Tag vor ihrem Geburtstag am 29. Juli sagt Helene das Treffen ab. Der „Alte“ habe schon auf die bescheidene Frage Hermann Watznauers, ob er die beiden Schwestern Anna und Helene zu Spaziergängen einladen dürfe, mit „Schimpfen und Schreien“ reagiert. Mit solch einem „hergelaufenen Gesindel“ ohne akademische Bildung wolle er nichts zu tun haben. Was würden die Leute denken, wenn „seine Mädeln mit einem Mann allein im Wald spazieren gehen!!“ Und tatsächlich tratsche ganz Trahütten darüber, dass sich seine Tochter heimlich mit ihrem „Schatz“ treffe. Helene ist wütend über „diese infamen Menschen“, besonders über den „halbverrückten Alten“, von dem sie sich „sekieren lassen“ müsse. Wenn sie Alban „die lange, lange Zeit bis zum Herbst“ nicht sehen werde, könnte sich, so fürchtet sie, seine Liebe „abkühlen“.155 Sie ist eifersüchtig, besonders, seit sie von Ridi (Marie) Rolleder weiß, einer hübschen Wienerin, die Alban ihre Liebe erklärt156 hat und die er „als Raffael’sche Madonna“157 anbete. Er versichert Helene, nicht ein einziges Mal untreu158 gewesen zu sein. Später soll er ihr versprechen, in Wien „nicht auf’s Gänsehäufel“ zu gehen, in das Strandbad auf der Donauinsel. Sie will nicht, dass er „mit den Frauenzimmern zusammen“ badet.159 Damit Helene sich beruhigt, soll sie ihm, schlägt er vor, Listen anfertigen mit den Plätzen, die er nicht besuchen darf, und mit den Personen, mit denen er nicht verkehren darf,160 wenn er allein in Wien ist. Die Absage des Treffens versetzt Berg einen Schock. Gegen solches bodenloses Unrecht gebe es nur eines: irgendeinen Gewaltakt. Wenn ihre Liebe mit einer so dreckigen Hand angetastet werde, sei Mord geradezu Pflicht!!161 Vielleicht aber könne ihnen Helenes Mutter helfen? In Tobelbad, etwa 30 km von Trahütten entfernt, hat Berg ein Zimmer in der Pension „Waldesruhe“ bezogen. Doch kein einziges geplantes Treffen mit Helene kommt zustande. Durch das ewige Warten verliert er die Verbindung mit der realen Welt, er kann weder komponieren – Helene fragt manchmal nach – noch einen überfälligen Brief an Schönberg schreiben. Ein ungeheures Weh162 frißt in ihm und eine Wut auf den rechthaberischen Nahowski, der sei-

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ne Tochter in Trahütten einsperrt und sich wie ein Kerkermeister, ein sibirischer Aufseher, ein steirischer Napoleon163 aufführt. Es gibt böse Szenen mit Nahowski, der Berg sogar verbietet, auf Annas Hochzeit mit dem Schmirgelplattenfabrikanten Arthur Lebert zu erscheinen, die sie im September 1910 in Trahütten feiern. Ein verlorener Sommer. Berg hat Selbstmordgedanken, sein Revolver liegt im Nachttisch.164

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Ein Akt der Notwehr Seit Pfingsten 1910 betrachten sich Alban und Helene als Verlobte. Er zeichnet ein kunstvolles Monogramm aus den ineinander verschlungenen Buchstaben H und B, sie wird es auf ihre Bettwäsche sticken. Im Juli 1910 – gerade hat Berg trotz allem die Arbeit an seinem Streichquartett op. 3 fertiggestellt – schreibt er einen überlangen Brief165 an Nahowski, um dessen Vorwürfe – geistige Minderwertigkeit und materielle Mittellosigkeit, seine zerrütteten Gesundheitsverhältnisse und die Verworfenheit seiner Familienangehörigen – ein für alle Mal zu widerlegen. Dass Nahowski ihn eine „Ledfeigen“ genannt hat, einen Feigling, der sich alles gefallen läßt, hat ihn empfindlich getroffen. Er weiß selbst, wie beschämend es ist, dass die Angst, Helene zu verlieren, ihn nötigt, zu übertreiben, zu täuschen und sich selbst wie eine Ware anzupreisen – ein Akt der Nothwehr. Gegen seine angebliche geistige Minderwertigkeit verteidigt er sich unter anderem mit der Lüge, er habe ganz normal mit achtzehn die Matura abgelegt. Und dass er wie Nahowskis Schwiegersohn Lebert auch für einen Broterwerb sehr gut geeignet sei, beweise seine Tätigkeit als Rechnungspraktikant, für die er ein Zeugnis mit dem Lob seines Fleißes und seiner tadellosen Haltung bekommen habe. Auch mit seinem eigentlichen Beruf, dem des Musikers, lasse sich Geld verdienen, gebe es doch unter Musikern genau so wie in andern Berufen [er nennt Hofräte, Generäle, Fabricksdirektoren, Gutsbesitzer] von pekuniärem Erfolg begünstigte Männer. Seine außergewöhnliche musikalische Begabung zeige, dass die Annahme einer bedeutenden Zukunft vollauf berechtigt sei. Um seine angeblich solide finanzielle Situation darzulegen, gibt er Johanna Bergs Steuersatz sowie ihr Jahreseinkommen preis, führt sogar das Gehalt seines Bruders Hermann an, das dem eines Wiener Millionärs entspreche. Er selbst habe zwar noch kein Einkommen und auch keine Schleifscheibenfabrik wie Nahowskis Schwiegersohn Lebert166, besitze aber eine Fab-

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rik in seinem Kopf, eine Gedankenfabrik. Es bestehe große Aussicht auf eine der vielen musikalischen f i x e n Anstellungen zum Beispiel am Conservatorium. Eine Anklage, wenn auch in der anonymen Form, kann er nicht unterdrücken: Die Art, wie man uns und u n s e r e n M e n s c h e n r e c h t e n während der drei Jahre zugesetzt hat, [...] hat uns bescheiden gemacht. Gegen die Behauptung seiner zerrütteten Gesundheit führt er eine angebliche Gewichtszunahme von 12 kg in neun Monaten an, er sei gesünder als diese Generation rotbackiger, verhätschelter, überfressener Gesundheitsprotzen, jährlich durchschwimme er den Ossiachersee an seiner breitesten Stelle. Seine empfindlichen Nerven seien nichts Krankhaftes. Ich leugne nicht, daß ich n e r v ö s bin, das heißt, daß meine Nerven sensitiv, leicht empfindlich und für die feinsten Eindrücke empfänglich sind. Er zitiert einen längeren Abschnitt aus Strindbergs Roman „Am offenen Meer“: Nervosität sei, wie Strindberg gesagt habe, „Ausdruck einer gesteigerten Lebenskraft, die von äußerster Empfindlichkeit begleitet wird“. Auf die für ihn peinlichste Behauptung Nahowskis, die Verworfenheit seiner Schwester Smaragda, entgegnet er, in jeder Familie gebe es ein „ungeratenes“ Kind. Seine Schwester leide an einer unheilbaren kranken Veranlagung, für die es kein Davos gebe, ihre Homosexualität sei die hoffnungslose Sorge ihrer Angehörigen. Er führt die Familie Beethovens an, dessen Mutter Trinkerin und dessen Bruder ein betrügerischer Kaufmann gewesen sei. Die Familie Berg sei allgemein geachtet, zu ihrem Bekanntenkreis zählten Hofräte, Senatspräsidenten, Oberbauräte, angesehene Fabrikanten, hohe Militärs und Künstler. Vor circa 100 Jahren sei der Name Berg noch mit dem Freiherrntitel apostrophiert worden. Alban Berg weiß selbst, daß sein Brief von Eigenlob und Einbildung trieft, aber einmal musste er den Schmutz, der drei Jahre auf ihn geworfen wurde, abschütteln. Nahowski hat den Brief nicht einmal geöffnet. Im nächsten Frühjahr endlich stimmt er der Heirat seiner Tochter mit Alban Berg zu, wohl auch, weil sich seine Frau schon seit längerem auf deren Seite gestellt hat. Allerdings stellt

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er zwei Bedingungen: Johanna Berg muss schriftlich zusagen, Alban jährlich eine bestimmte Summe, annähernd 4.000 Kronen, auszuzahlen, soviel, wie Helene an Zinsen aus ihrem Vermögen erhält. Überdies besteht Nahowski darauf, dass Berg zur reformierten Kirche konvertiert, da eine Scheidung, die er ohnehin bald erwartet, in diesem Fall leichter abzuwickeln sei. Berg fügt sich, und so findet die Trauung am 3. Mai 1911167 in der protestantischen Dorotheer-Kirche H.B.168 statt. Auf dem Hochzeitsfoto im Garten der Schwiegereltern fehlt Franz Nahowski. Am Tag vor der Hochzeit verspricht Helene in einem feierlichen Brief an Alban: „Ich gebe freiwillig und freudig das, was meine Mädchenjahre so schön und glücklich und hoffnungsvoll gemacht hat – m e i n e bescheidene »Kunst« – auf. I c h l ö s c h e m i c h a u s und will nur für Dich da sein. Nun bleiben wir i m m e r zusammen! Amen“.169

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Schlafen, Schlafen, nichts als Schlafen Vier Lieder für eine Singstimme mit Klavier op. 2 Drei Jahre lang, 1908 bis 1910, hat Berg sich wie ein Schiffbrüchiger gefühlt: Ich warte u. warte, stehe u. winke – schreie, zünde Brände meiner Liebe an, [...] – – – – aber die Geliebte regt sich nicht!! [...] Ist es denn denkbar, daß man mit 24 Jahren schon alles, alles verloren hat?170 Einen Spiegel seines Gemütszustandes fand er in Gedichten von Friedrich Hebbel171 und Alfred Mombert, er vertonte vier Texte über die Einsamkeit in einer fremd gewordenen Welt. Das erste Lied zu Hebbels „Schlafen, Schlafen, nichts als Schlafen“ steht in Helenes Tonart d-Moll, der tiefe Grundton ist in den ersten neun Takten – mit einer Ausnahme bei Erwachen – immer gegenwärtig, in den letzten Takten noch um eine Oktave tiefer. Die narkotisierende Wirkung eines Schlafs, der den Schmerz des Lebens auslöschen soll, äußert sich in der extremen Langsamkeit der wiegenden, monotonen Bassbewegung und den müden Halbtönen der Melodie. Dann aber kehrt die Erinnerung an die erlittenen Wehen wieder. Ein Arpeggio aus Tönen der Ganztonleiter bricht die Tonalität auf, Quartenakkorde und unaufgelöste siebentönige Klänge begleiten diesen plötzlichen Schmerzensausbruch, bis Pendelbewegung und Schlafmotiv am Ende wiederkehren. Es folgen drei Lieder zu Gedichten aus dem Zyklus „Der Glühende“ von Alfred Mombert, bis auf das letzte monologische Verse wie die von Hebbel. Im ersten Lied (Schlafend trägt man mich in mein Heimatland) betont die Vorstellung von einem Trauerzug die Nähe von Schlaf und Tod. Die Grundtonart es-Moll gibt keinen Halt mehr, die Basstöne der ersten vier Takte folgen einander in sechs aufsteigenden Quarten. Durch die schwebende Tonalität wird das Befangensein im Schlaf spürbar, auch durch den fallenden Gestus der Melodie, die fallende Chromatik (mein Heimatland). Seine dichte Struktur ge-

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winnt das Lied dadurch, dass Singstimme und Begleitung ihre Motive tauschen und variieren. Mit der Wiederkehr der ersten Akkordfolgen ist eine Reprise angedeutet, eine Erinnerung an den Beginn. Der dominantische Schluss leitet über nach as-Moll, zum zweiten Lied über den Kampf gegen der Riesen Stärksten und das Heimfinden an einer weißen Märchenhand. Er habe gegen Schwarzalben zu kämpfen, sagte Berg manchmal, und schreibt im Herbst 1910 an Helene: Ich sehne mich [...] nach Deiner weißen Märchenhand.172 Helene ist es, an die insbesondere dieses Lied gerichtet ist: Die Initialen ihrer beider Namen, A-B-H, hat Berg an herausgehobener Stelle (durch ein molto ritardando) eingefügt, die Tonfolge H-E-E zu dem Wort heimfand ist eine Vertonung ihres Namens, und die d-Moll-Akkorde (Märchenhand) weisen ebenso auf sie. Ein abwärts gerichtetes ungelenkes Sprungmotiv, Signatur der Riesen, beherrscht die Klavierbegleitung der ersten fünf Takte. Um so überraschender leuchtet das E-Dur bei dem Wort heimfand. Doch ist das Ich noch schlafbefangen, die Heimatglocken hallen schwer aus tiefen Quartenakkorden, und die Erinnerung an das Riesenmotiv kehrt in der Reprise wieder, ehe die Musik in stillem Es-Dur ausklingt. Nach einem zeitweiligen Stillstand der Kompositionsarbeit entstand das letzte Lied (Warm die Lüfte). Endlich, endlich werd‘ ich mich wieder finden, werde erwachen von dem 2monatlichen Sommerschlaf – werde auferstehen vom Tode, der mich die Zeit umfangen hielt –173, steht in einem Brief an Helene vom September 1909. Berg schreibt seine erste atonale Komposition. Jede Bindung an einen Grundton ist aufgegeben, alterierte Sept- und Nonenakkorde, Quartenakkorde und Akkordmischungen ohne Zielrichtung stehen nur noch im Dienst des Ausdrucks und der Farbgebung. Auch die Singstimme ist frei komponiert, bleibt ohne wiederkehrendes Motiv, wird zu musikalischer Prosa, weite Tonabstände betonen ihren gestischen Charakter. Der Kontrast zwischen erstem und zweitem Teil, Leben und Tod, sprengt fast die Form. Anfangs entwickelt sich im Klaviersatz aus sanften Schwingungen im Sekundabstand

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über ruhendem Bordun das Nachtigallenmotiv. In der frühlingshaften Natur erwacht auch das Ich wie nach langem Heilschlaf. Ich will singen ist als freie Koloratur komponiert. Das nun folgende Lied im Lied über eine verlassene Frau in der Kälte eines düsteren Bergwaldes bildet zu dem Vorhergehenden einen scharfen Gegensatz. Nach auseinanderdriftenden Glissandi und härtesten Klangballungen droht die Spannung die Wartende zu zerreißen. Das Nachtigallenmotiv verkehrt sich in den Ausdruck der Verzweiflung: Er kommt noch nicht. Der Absturz ins tiefste Register mit martellato-Schlägen ist endgültig, wie eine feierliche Glocke begleitet die unerbittliche Wiederholung des B in der Subkontraoktave das tonlose Stirb! Der letzte Teil – eine Reflexion über das Vorhergehende – stellt eine Art Versöhnung zwischen den Gegensätzen her, dolce zu spielende Quartenakkorde über in Quarten aufsteigenden Basstönen, zuletzt mit dem Bordun des Anfangs, bilden mit der expressiven Melodik der Singstimme einen beinahe harmonischen Schluss. Welch tiefen Eindruck Schönbergs Monodram „Erwartung“ op. 17 aus dem Spätsommer 1909 auf Berg machte, lässt schon die Wahl des Textes über das Warten einer verlassenen Frau erkennen. „Ich will singen“ findet sich wörtlich auch in Schönbergs „Erwartung“ (T. 31). Die Expressivität der Singstimme in seinem Monodram, die gestische Musik ohne wiederkehrende Motive und die Abkehr von der Tonalität hatten gewiss Einfluss auf dieses frühe atonale Werk Alban Bergs. Kein Wunder, dass es eine verborgene Hommage an den Lehrer enthält: die dreimal deutlich hervorgehobenen, unisono gespielten Initialen A-ES (Ich will singen). Schönberg lehnte den Begriff „Atonalität“ entschieden ab, den die Kritiker zunächst nur in herabsetzender Absicht für Unmusik, Geräuschmusik, Retortenmusik verwendeten.174 Er schlug die Bezeichnungen „pantonal“ oder „polytonal“ vor, denn diese Musik unterscheide sich von der tonalen ja nur graduell.175 Adorno erschien das atonale vierte Lied als das „vielleicht einzige durchaus anarchische Stück, das Berg geschrieben hat“.176 Kandinsky nahm es 1912 in den Almanach „Der blaue Reiter“ auf, zusammen mit den Liedern „Herzgewächse“ von Schönberg und „Ihr tratet zu dem herde“ von Webern.

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Für Helene Streichquartett op. 3 Im Frühjahr 1910 beginnt Alban Berg ein Streichquartett zu komponieren. Es ist mutig und ein Zeichen wachsender Selbständigkeit, dass er sich ohne den Halt tonaler Harmonik an eine größere Form wagt. Schönberg und Webern jedenfalls haben vor 1910 keine längeren atonalen Stücke geschrieben. Schönbergs Streichquartett op. 10 ist noch tonal, seine Klavierstücke op. 11 sowie die Orchesterstücke op. 16 sind Miniaturen. Weberns fünf Sätze für Streichquartett dauern insgesamt nur etwa zehn Minuten, sechs äußerst kurze Stücke bilden sein Orchesterwerk op. 6. Die Miniatur oder auch das Lied können auf tonale Vermittlungskategorien verzichten, aber das Formgerüst der Sonate droht mit der Tonalität sein Fundament zu verlieren.177 Bergs Streichquartett, etwa 19 Minuten lang, besteht aus zwei Sätzen, einem langsamen Satz in Anlehnung an die Sonatenform und einem rondoartigen Finale. Ein dichtes Gewebe verwandter Motive, mit geradezu akribischer Sorgfalt komponiert, verbürgt, dass trotz der neuen Freiheit durch die Atonalität auch nicht die kleinste Willkür herrscht. Die Gliederung der Themengruppen des ersten Satzes wird hörbar durch Klangund Tempoveränderungen, Zäsuren, angedeutete Kadenzen. Die Dreiteilung in Exposition, Durchführung und Reprise mit Coda modelliert Berg mit Steigerungswellen: ein Höhepunkt ist der Takt 70 (Breit) vor der kurzen Durchführung, ein anderer der Takt 101 (Höhepunkt) vor der Reprise. Schwermut und leidenschaftliches Aufbegehren lassen erkennen, dass das Quartett in einer Krisenzeit entstand, im letzten Jahr des verzweifelten Kampfes um Helene. Zu Willi Reich sagte Berg später, er habe das Werk im Trotz komponiert.178 Der erste Satz mit seinen vielfältigen Seufzerfiguren beginnt wie mit einem heftigen Windstoß, einer Sextole, gefolgt von einer punktierten Figur in tiefer Lage, die sich tastend abwärts be-

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wegt. In Cello und Bratsche hört man dazu ein beunruhigendes Klopfmotiv. Ein dunkler Beginn, den die erste Violine mit einer melancholischen Geste beschließt. Er enthält im Wesentlichen das Material des Satzes. Die Stelle des ersten Themas nehmen kleinste Motive ein, die ständiger Veränderung unterworfen werden und sich in fortwährendem Übergang befinden. Bald schon, T. 27ff., wird die Sextole des Beginns zum Ausdruck leidenschaftlicher Selbstbehauptung, aus dem Klopfmotiv entwickeln sich unheimliche, marschähnliche Passagen. Auf dem Höhepunkt des Satzes hört man heftige Akzente, ungewöhnliche Stricharten und eine kontrapunktische Verbindung aller vier Stimmen. Die verkürzte Reprise zitiert am Ende die ersten drei Takte, jetzt zwei Oktaven höher und im dreifachen piano, wie nachsinnend, und endet in einem sehr leisen unaufgelösten Akkord, eher Übergang als Schluss. Die Widmung Meiner Frau deutet darauf, dass der herausgehobene Ton h, der erste akzentuierte Ton des Quartetts (T. 28/29) und zentraler Ton in den letzten fünf Takten dieses Satzes, Chiffre ist für „Helene“. Die zärtlichen Wendungen – zart, sehr weich, sehr zart zu spielen – stützen diesen Eindruck ebenso wie Bergs Vorliebe für heimliche Anspielungen in seinen Notentexten. O wüßte ich Dich nur froher, kräftiger im Kampf um unser gutes Recht, widerstandsfähiger gegen die Gemeinheiten der Außenwelt, steht in einem Brief an Helene aus der Entstehungszeit des Quartetts.179 War schon zuvor trotz des elegischen Tons ein Aufbegehren spürbar, intensiviert der zweite Satz diese Haltung. Er beginnt sehr heftig, in großer Höhe. Das von der Sextole abgeleitete energiegeladene Thema dehnt sich zu einer längeren expressiven Figur, die das punktierte Sprungmotiv aus dem ersten Satz aufnimmt, auch das Klopfmotiv kehrt wieder. So wirkt dieser Satz wie eine Durchführung des ersten.180 Die sechsmalige Wiederkehr des Themas verstärkt die Geste der Selbstbehauptung. Sein Ausdruck wird durch die Varianten noch intensiviert, in den Takten 89ff. und 103ff. wirkt es fast aggressiv (jeder Ton auf ganzem Bogen), in den Takten 151ff., zu Beginn der Reprise, erscheint es selbstbewusst in dreifachem forte, breit, klanglich verstärkt, mit wiederholten Aufwärtsbe-

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wegungen (vorwärts). Am Ende wird es zum freien Rezitativ des Cellos, fortissimo, sehr heftig. Wieder, wie schon im ersten Satz, folgt das Zitat des Quartettbeginns, abgeschlossen mit einem schnellen vierstimmigen Arpeggio, einem flammenden Ausrufezeichen. Als die Sätze im Frühsommer fertig sind, lässt Berg sie gleich probieren. Noch 1920 gesteht er Webern, er habe eine unerklärliche Schwäche für dieses Quartett. Es wird am 24. April 1911 aufgeführt, in der einzigen Kritik verrissen,181 kein Verleger findet Interesse an der Partitur. Später verkauft Berg einige Antiquitäten und bezahlt den Druck des Manuskripts selbst. Doch als das Havemann-Quartett das Werk im August 1923 auf dem Internationalen Kammermusikfest in Salzburg spielt, fast auswendig, ist der Erfolg überwältigend. Nicht e i n Zischlaut sei zu hören gewesen, berichtet Berg seiner Frau. Es war künstlerisch der schönste Abend meines Lebens. [...] Ich schwelgte in dem Wohlklang u. der feierlichen Süße u. Schwärmerei dieser Musik. [...] Auch die wildesten u. gewagtesten Stellen waren eitel Wohlklang im klassischen Sinn. Polnauer, Zemlinsky, Jalowetz, Rufer, Hertzka, Scherchen sind zum Konzert gekommen, selbst der alte Korngold und der berühmte Paul Becker. Die Partitur ist in Salzburg ausverkauft, und mehrere Streichquartette möchten das Werk spielen, zwei Monate später ist es in Prag zu hören. Die Salzburger Aufführung macht den Namen des Komponisten bekannt. Alles ist paff, daß das Quartett 13½ Jahre alt ist!182

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Der Skandal Fünf Orchesterlieder nach Ansichtskarten-Texten von Peter Altenberg op. 4 Nach ihrer Heirat, im Sommer 1911, machten Alban und Helene Berg ihre Hochzeitsreise nach Prein und Payerbach in Niederösterreich, eine ihrer wenigen gemeinsamen Reisen, denn Helenes Gesundheit schien instabil, immer wieder waren Kuren notwendig, mal betraf es den Darm, mal die Nerven, Rheuma oder Blutarmut, Schönberg vermutete „irgendeine nervöse Sache“.183 Und Berg verreiste ungern, zumal in der dritten Klasse; die IIIte stoßt eben doch mehr als die IIte.184 Sie waren sparsam, besonders Helene. Als Berg ihr einmal einen Hut kaufen wollte, sah er sich genötigt, ihr zu versichern: Er ist, zu Deiner Beruhigung Pferscherl, sehr billig. 11 K.185 Wenn sie während ihrer Verlobungszeit Telegramme oder Einschreiben von ihm erhielt, war sie „ungehalten“; als er ihr einmal nach Karlsbad, wo sie zur Kur war, etwas englisches Gebäck und Obstkonserven schicken wollte, fand sie, man brauche „das Geld nicht so hinausschmeißen!“186 Und vor einem Wiedersehen schrieb sie ihm: „Übrigens habe ich einen heillosen Schreck, dass Du wieder was Unnotwendiges gekauft hast!“187 Du Spar-Meister, steht in einem seiner Briefe.188 Ihre Mitgift wurde von den Eltern verwaltet, für das Ehepaar verfügbar waren die jährlichen Zinsen, 4.000 Kronen. Und Berg konnte mit 3.000 bis 4.000 Kronen im Jahr rechnen, die ihm seine Mutter für die Verwaltung der acht Häuser gab.189 Ein geregeltes Einkommen hatte er ja nicht, im Unterschied zu anderen ehemaligen Schönberg-Schülern, die wie Webern als Dirigenten arbeiteten, Erwin Stein am Osnabrücker Stadttheater, Heinrich Jalowetz in Stettin, oder als Pianist wie Eduard Steuermann. Webern allerdings gab die Chorleitung in Bad Ischl bald angewidert auf. Hochempfindlich und hilflos gegenüber den Schwierigkeiten des Berufslebens, hielt er es auch später nie lange in einer Stelle aus. Am Innsbrucker Theater zu

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bleiben wäre „eine Sünde wider den heiligen Geist“,190 Stellen in Teplitz, Danzig und Stettin verließ er nach kurzer Zeit, weil er in der Regel Operetten zu dirigieren hatte. Der hohen Kunst wollte er dienen, und die trennte ein Abgrund vom „Sumpf“ der leichten Musik. Überdies konnte er Zeiten fern von Schönberg kaum ertragen. Helene war es nur recht, dass ihr Mann kein Operndirigent wurde, in dem ‚freien’ Theatermilieu sah sie eine Gefahr für ihn. Zunächst wohnten sie bei den Nahowskis in Hietzing, Maxinggasse 15, im Herbst bezogen sie dann ihre eigene Wohnung in der Trauttmansdorffgasse 27,191 einer schönen, mit Platanen eingefassten Straße im ‚vornehmen‘ Hietzing, das heißt in unmittelbarer Nähe des Schlosses Schönbrunn, das helle Habsburggelb fand sich auch an vielen Privathäusern. Wenn man so wochenlang in der Stadt ist, zwischen grauen Häusern u. den dahinhastenden Arbeitswesen, schrieb Berg 1918 an seine Frau, erscheint einem Hietzing, diese vielen stillen Gärten, die verwachsenen Alleen wo kaum ein Mensch geht, wie ein Paradies.192 Hier blieben sie ihr Leben lang, Helene bis zu ihrem Tod 1976. Die Hochparterrewohnung hatte zwar nur drei Zimmer, aber einen hellen, geräumigen Flur und eine schöne Veranda zum Garten, in dem Johannisbeeren und Stachelbeeren wuchsen. Wohn- und Arbeitszimmer verbreiteten eine behagliche Atmosphäre mit dem Kachelofen, den Polstermöbeln, Teppichen und Bildern. Über dem Bösendorfer im Arbeitszimmer hing ein Porträt Gustav Mahlers, neben dem Schreibtisch eines von Karl Kraus, im Schlafzimmer gab es ein Foto, auf dem Peter Altenberg und Adolf Loos zu sehen waren. Den Namen an der Haustür hatte Berg in einer jugendstilartigen Schrift entworfen. Adorno erzählt, für ihn habe die Wohnung bei aller Einfachheit immer etwas „Herrschaftliches“, „eine bestimmte Art von Weiträumigkeit, Großherzigkeit“ gehabt.193 Eigentlich lebten sie, was die Miete und die Einrichtung betraf, über ihre Verhältnisse.194 Helenes Mutter hatte während der Reise des Hochzeitspaars Hausrat, Tapeten und Vorhänge besorgt. Im Dankesbrief an die verehrte, liebe, gute Mama schrieb Berg: Nun sitze ich in meinem prächtigen Zimmer vor dem herrlichsten aller Schreibtische. Ne-

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benan höre ich Helene sich ein Bad machen, eine große Feierlichkeit geht durch die Wohnung, die durch keinen Laut, keinen Lärm von der Straße her gestört wird.195 Seit dem Herbst 1911 arbeitet Schönberg in Berlin als Dozent am Sternschen Konservatorium, nachdem seine Ernennung zum Professor an der Wiener Musikakademie gescheitert ist. Verbittert hat er Wien verlassen. Berg leidet unter der Trennung. Sie wieder zu sprechen! Sprechen zu hören – -: Sie wissen nicht, wie mir das abgeht! Die Sehnsucht, die mich ergreift, wenn ich an unsere wöchentlich 2maligen Spaziergänge übern Carlsplatz denke – ist unermeßlich!196 Am 10. März 1912 kündigt er seinem Lehrer in einem Brief an, er habe endlich einmal wieder etwas komponiert, ein kleines Orchesterlied,197 dem noch einige folgen sollten. Diesmal könne er gar nicht beurteilen, ob es gut sei oder der größte Schund, und er bittet Schönberg, sich das Manuskript anzuschauen. Erst im Januar des nächsten Jahres hat Schönberg die Fünf Orchesterlieder nach Ansichtskartentexten von Peter Altenberg durchgesehen. Das „etwas zu offenkundige Streben“ nach Neuerungen sei ihm nicht angenehm, geniere ihn geradezu, für ein Urteil fehle ihm noch die Zeit. Allein die Instrumentation findet er „merkwürdig gut“.198 Zum ersten Mal komponiert Berg für großes Orchester, erweitert noch durch Glockenspiel, Xylophon, Harfe, Celesta, Klavier und Harmonium, ein riesiger Apparat für fünf Miniaturen. Das Auffallende und Neuartige in diesem nur 12 Minuten dauernden Liederzyklus sind die Klangwirkungen, die „Klangverflüssigungen“199, hervorgerufen von Konturen auflösenden Spieltechniken. Neben dem Einsatz verschiedener Stricharten, schon in seinem Streichquartett erprobt, gibt es auch für die Bläser detaillierte Artikulationsanweisungen (Flatterzunge, mit Dämpfer, Zungenschlag, Schalltrichter hoch). Die verschiedenen Färbungen ein- und desselben Akkords hatte Berg in Schönbergs Orchesterstücken op. 16 studiert, im dritten Satz „Farben“. Schönbergs Einfluss zeigt sich auch in der harmonischen und melodischen Quartenstruktur einiger Passagen, im ersten

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Lied in der Reihe von Quartenakkorden und Quartensequenzen.200 Die stehende, in sich vielfach bewegte Klangfläche des Vorspiels bildet die dichter werdenden Schneestürme ab. Im polymetrischen Satz sind die Akzente innerhalb der Takte ständig verschoben, so dass ein Eindruck der Schwerelosigkeit entsteht. Was wie ein impressionistisches Naturbild wirkt, ist in der Partitur mit dem vielfach variierten fünftönigen Ostinatomotiv bis in die kleinste Einheit organisiert. Beim Eintritt der Singstimme wird die Verwandtschaft zwischen Seele und Natur hörbar. Es sind bloße Laute wie von einem Instrument,201 die sich unmerklich aus dem Orchesterklang lösen, erst mit dem dritten Einsatz wird der Text gesungen: Seele, wie bist du schöner, tiefer, nach Schneestürmen./ Auch du hast sie, gleich der Natur./ Und über beiden liegt noch ein trüber Hauch, eh‘ das Gewölk sich verzog! Das zweite Lied, nur 11 Takte lang, inhaltlich dem ersten verwandt, ist das kürzeste des Zyklus, der große Orchesterapparat wird hier zum Kammerorchester. Sind die Schneestürme im ersten Lied noch durch ein 19 Takte langes Vorspiel abgebildet, ist der Gewitterregen im zweiten nur mit den weiten Intervallen des unbegleiteten Gesangs vertont. Auch die neue Schönheit nach dem Regen findet ihren Ausdruck einzig im Gesang, in einer funkelnden Koloratur (schöner). Die Ironie des Schlusses (Siehe, Fraue, auch du brauchst Gewitterregen!) betont die Musik mit dem Echo in den Celli. Dann schlägt die Stimmung um, der Traum vom Leben, von der Schönheit wird entzaubert. Noch immer blickt das sinnende Ich über die Grenzen des All hinaus, jetzt, so lässt die Ironie der Verse erkennen, eine sinnlos gewordene Attitüde. Für das unendliche All findet Berg die Chiffre eines sieben Takte lang von den Bläsern angehaltenen Zwölftonakkords, durch Stimmentausch der einzelnen Instrumente in fluktuierendes Licht getaucht. Der gleiche Zwölftonakkord erklingt, sich stufenweise vervollständigend, in den sieben letzten Takten, jetzt in den Streichern. Unvermittelt wird der Text im Alltagsjargon, ohne Begleitung gesprochen: plötzlich ist alles aus. Der Bruch

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der musikalischen Faktur ist Ausdruck eines Schocks, wie ein langgezogener Schrei klingt das hohe C am Ende. Auf den erloschenen Traum folgt im vierten Lied ein Zustand der Lähmung, verdeutlicht durch Liegetöne in verschiedenen Instrumenten und durch die Leere des fünf Takte anhaltenden Quartklangs der Celli im flageolett. Das Motiv der Singstimme (Nichts ist gekommen) wird sechs Takte später zum klagenden Echo des Englischhorns. Wie für den Wartenden die Tage dahinschleichen, lassen die sich wiederholenden Tonfolgen in Posaunen und Tuba und das chromatische Abwärtsgleiten der Holzbläser spüren. Glissandi im Cello (flageolett) und der Pauke (durch Herabstimmen) beenden das Lied, müde Gesten der Resignation. Mit einem Vorspiel von fünfzehn Takten beginnt das letzte und längste der Lieder. Es besteht aus einer Passacaglia mit drei Themen.202 Im strengen Satz und der Wiederkehr der Themen ist zu spüren, wie das Ich zur Ruhe kommt. Aber der Friede ist schmerzhaft. Das Weinen des Menschen kehrt in der Natur wieder, die tropfenden Einzeltöne in Klavier und Harfe (Hier weine ich mich aus) wiederholen sich T. 40ff. (Hier tropft Schnee). In diesem scheinbaren Frieden kommt es zweimal zu einem Ausbruch der Verzweiflung (T. 24/25 und T. 33–35). Die Trauer des Hauptthemas prägt das neuntaktige Nachspiel. Mit einem Akkord aus den fünf Tönen des Themas verlöscht das Werk im vierfachen piano. Anders als in Schönbergs Orchesterliedern op. 8 sind alle Lieder dieses Zyklus, mit Ausnahme des dritten, thematisch miteinander verbunden, und zwar durch die drei Themen aus der Passacaglia des fünften Liedes. Am 31. März 1913 soll Schönberg ein Orchesterkonzert im Großen Musikvereinssaal dirigieren, veranstaltet vom Wiener „Akademischen Verband für Literatur und Musik“. Darin sieht er eine Chance, sich den Wienern als Orchesterleiter vorzustellen. Im Januar hatte er Berg gebeten, doch ein paar kürzere Orchesterlieder beizusteuern. Auf dem Programm stehen neben

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den Sechs Stücken für Orchester op. 6 von Webern, den Sechs Gesängen nach Gedichten von Maurice Maeterlinck op. 13 von Zemlinsky, Schönbergs Kammersymphonie op. 9 und Mahlers „Kindertotenliedern“ auch zwei Lieder von Alban Berg, die Nummern 2 und 3 aus den Altenbergliedern. Schönberg hat sich dafür entschieden, die ‚gefährlichsten‘ Stücke (Webern, Schönberg, Berg) an den Anfang zu stellen, da sei das Publikum noch geduldig. Er ist ja gewarnt durch den Skandal bei der Uraufführung seines Streichquartetts op. 10, die das Publikum mit Zischen, Stampfen und Gelächter begleitet hatte. Ich kann es kaum fassen, schreibt Berg, daß also die Aufführung tatsächlich zustande kommt! Ich hab dieses große Glück ja gar nicht glauben können!203 Die gesamte Familie Berg ist gekommen, Johanna Berg, Charly, Helene, Schwager und Schwägerin Lebert, der alte Freund Hermann Watznauer, im Publikum sitzen auch Alma Mahler, Anton Webern, Oskar Kokoschka, Adolf Loos, Arnold Rosé204 und natürlich viele Wiener Kritiker. Schon Weberns Musik wird durch Gelächter und Zischen gestört, bei Schönbergs Kammersymphonie steigert sich die Unruhe, einige Zuhörer protestieren laut, während Schönbergs Anhänger ihren Applaus durch Rufe verstärken. Der eigentliche Tumult bricht bei Bergs Liedern los. Nach dem ersten schreit jemand: „Ruhe! Jetzt kommt die zweite Ansichtskarten!“, der Vers Siehe, Fraue, auch du brauchst Gewitterregen! reizt zu brüllendem Gelächter, und nach den Worten plötzlich ist alles aus! ruft jemand: „Gott sei Dank!“ Der Sänger ist auch noch indisponiert. Indes scheint der Skandal geplant, denn die Leute haben Pfeifen, Glocken und Ratschen mitgebracht, mit denen sie nun lärmen. Webern ruft aus seiner Loge, man solle die ganze Bagage hinausschmeißen, Schönberg droht, den Saal räumen zu lassen. Als sich Anhänger der feindlichen Parteien beleidigen und ohrfeigen, muss die Polizei einschreiten. Später gibt es eine Klage sowie eine Gegenklage vor Gericht. Danach dauert es noch vierzig Jahre bis zur Uraufführung der Altenberglieder als Zyklus.205 Alban Berg hat sie nie mehr im Konzert hören können. Nach dem Skandal schreibt er an Schönberg: Man kann diese „Stadt der Lieder“ nicht genug has-

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sen!!206 In einer Zeitung war zu lesen, Schönberg habe Berg und Webern nur deshalb ins Programm aufgenommen, weil sie ihn finanziell unterstützten.207 Schönberg hat die Borniertheit der Kritiker in einer Karikatur verspottet, das Ölbild zeigt einen ‚Holzkopf‘ mit starrem Blick, der trotz aufgeklappter Ohren, riesiger Schalltrichter, offenbar nichts zu hören vermag. Ein anderes Bild, eine Figur, die von innen heraus zu verbrennen droht, nannte er „Haß“. Dass es die Altenberglieder waren, die den Skandal ausgelöst hatten, scheint er Berg noch lange nachgetragen zu haben.

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Unwillkommene Hommage Vier Stücke für Klarinette und Klavier op. 5 Schönberg ist unzufrieden mit Berg. Er, der selbst schnell arbeitet, kann nicht nachvollziehen, dass die Brotarbeiten Berg kaum Zeit zum Komponieren lassen. Er ist ihm zwar zur Erledigung zahlreicher Aufträge unentbehrlich, aber dass er als Künstler so wenig produziert, bekümmert Schönberg. Berg, ohnehin ein langsamer Arbeiter, neigt zuweilen, wie er zugibt, zur Faulheit. Seine Frau sperrt ihn manchmal im Arbeitszimmer ein, damit er komponiere, was er dann aus Trotz erst recht nicht tut.208 Dass keine Kompositionen fertig werden, liegt auch an seiner Neigung zur Perfektion, ja Akribie, an seinen Skrupeln, dem Misstrauen gegenüber der eigenen Begabung, nicht zuletzt an der übergroßen Angst vor Schönbergs Ansprüchen. Noch lange nach ihrem Studium hätten Webern und er nur im Frageton mit Schönberg verkehrt, erzählte er Adorno.209 Mit Verlagsarbeiten lässt sich das anstrengende Komponieren immer wieder aufschieben, als Ausrede dient auch die Verwaltung der Immobilien seiner Mutter, dabei handelt es sich keineswegs um eine Arbeit, die ihn regelmäßig in Anspruch nimmt. Er leidet weiterhin unter Asthmaanfällen, auch das soll ihn rechtfertigen. Was in den drei Jahren von 1911 bis 1913 entsteht, sind neben den Altenbergliedern nur Vier Stücke für Klarinette und Klavier mit einer Gesamtdauer von etwa sieben Minuten. Verflucht wenig, muss Berg selber zugeben.210 Und noch während der Arbeit an den Orchesterstücken, 1914, macht er sich Vorwürfe, dass er in den letzten Jahren nicht fleißig genug war.211 Schönberg mochten die Klarinettenstücke wie verspätete Nachläufer seiner eigenen Klavierstücke op. 11 und op. 19 vorgekommen sein. Berg bezieht sich ja auch ausdrücklich auf diese beiden Werke, im vierten Stück auf op. 11,1 mit dem Septakkord der stumm nie-

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dergedrückten Tasten, im Bass des zweiten Stücks auf op. 19,2 mit der ostinaten großen Terz. Diese vier Miniaturen sind das erste Werk, das er Schönberg widmet. Dessen Klavierstücke op. 19 hat er sich abgeschrieben. Unmittelbar aus dem Augenblick entstanden, enthalten sie in ihrer extremen Knappheit nur flüchtige melodische Fragmente. Eine nervöse Rhythmik und versprengte Figurationen konterkarieren das Melodisieren, ironisieren es zuweilen. Schönberg wollte, wie er sagte, „nicht bauen, sondern ausdrücken“, holte in seine Musik „diese Buntheit, diese Vielgestaltigkeit, diese ‚Unlogik‘, die unsere Empfindungen zeigen“.212 Berg dagegen gibt die Melodie nicht auf, seine Klarinettenstücke enthalten romantische Reminiszenzen, elegische Motive, Momente des Nachhörens, emphatische Steigerungen, aber immer wieder auch Auflösungen ins Gestaltlose, wenn sich anstelle markanter Schlusspunkte die Musik verflüchtigt. Die Miniatur, die bei Schönberg ohne Bindung an architektonische Formen bleibt, erfährt bei Berg eine minuziöse Strukturierung. Die melodische Linie entsteht nicht spontan, sondern wird nach dem Prinzip der Intervallvariation gestaltet, und mit den melodischen Varianten verändern sich Ausdruck und Tempo in kürzester Abfolge. Die vier aphoristischen Stücke können gehört werden als äußerst komprimierte Sätze einer Sonate: das erste eine Miniatur aus Exposition und Reprise, das zweite ein elegisches neuntaktiges Adagio, das dritte quasi ein Scherzo mit Trio, die Reprise reduziert auf Vorschlagsfiguren, das vierte ein auf zwanzig Takte komprimiertes Rondo, dessen Reprise nach einer starken Eruption mit einem Rückblick in Trauer endet. Anton Webern hatte schon 1909 Miniaturen komponiert, Fünf Sätze für Streichquartett op. 5 und dann Sechs Bagatellen für Streichquartett op. 9, die Schönberg 1913 im Wiener Musikvereinssaal dirigierte. Im Vorwort zu op. 9 hatte er geschrieben: „Man bedenke, welche Enthaltsamkeit dazu gehört, sich so kurz zu fassen. Jeder Blick läßt sich zu einem Gedicht, jeder Seufzer zu einem Roman ausdehnen.“ Bergs neue Stücke aber mochte er nicht.

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Nach der Aufführung der Klarinettenstücke am 2. Juni 1921 in Paris urteilte der Kritiker in der Zeitschrift „Le Ménestrel“ sehr respektvoll213, wie Berg fand. Für Aphorismen und Miniaturen zeigte man in Paris mehr Verständnis als in Wien; 1917 hatte Darius Milhaud begonnen, sogar Sinfonien für eine sehr kleine Besetzung zu komponieren, Miniaturen von drei bis sechs Minuten Gesamtdauer. Nachdem Berg 1925 Weberns „Drei kleine Stücke für Violoncello und Klavier“ gehört hatte, Miniaturen aus dem Jahr 1914 mit einer Gesamtdauer von etwa zwei Minuten, schrieb er dem Freund, daß alle Relativität von Länge und Kürze völlig aufgehoben sei und man den beseligenden Eindruck wie von dem Duft einer Blume empfange, bei dem man, wäre er noch so flüchtig, den Hauch der Ewigkeit spüre.214 Als Alban und Helene Berg im Juni 1913 zur Aufführung des „Pierrot lunaire“ nach Berlin kommen, übt Schönberg deutliche Kritik an den Klarinettenstücken, auch an den Altenbergliedern. Berg erlebt einen Nachmittag mit niederdrückenden Wahrheiten. Mein Zweifel an mir selbst ist immer so groß, daß der geringste Tadel von Ihrer einzig berufenen Seite mir fast alle Hoffnung raubt,215 gesteht er Schönberg und beeilt sich mit dem Versprechen, bald ein größeres Werk für Orchester zu schreiben. Schönbergs Verurteilung hat sein Selbstverständnis erschüttert, er beginnt, seine Stücke zu hassen, ist nahe daran, sie gänzlich zu vernichten.216

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Schönbergs Schatten Durch Schönbergs Vermittlung bekommt Berg von Emil Hertzka, dem geschäftsführenden Direktor der Universal Edition, verschiedene Aufträge, Klavierauszüge anzufertigen. Im Unterricht hatte er, zur Übung, schon einen solchen Auszug zur „Verklärten Nacht“ gemacht, Schönbergs Streichsextett op. 4. In den vier Jahren bis zum Ausbruch des Krieges entstehen ein Klavierauszug der Oper „Der ferne Klang“ von Franz Schreker, vierhändige Auszüge zum Schlusssatz von Mahlers VIII. Symphonie und zu Schönbergs „Pelleas und Melisande“ op. 5, ferner ein Klavierauszug seiner Kammersymphonie op. 9 sowie der beiden letzten Sätze aus Schönbergs Streichquartett op. 10. Nicht nur dieser vierhändige Auszug ist viel zu schwer zu spielen, zahlreiche Stellen muss Berg ‚reparieren’. Für den Verlag transponiert er auch einige Lieder von Richard Strauss, und im Juni 1911 beauftragt ihn Schönberg mit dem Register zu seiner Harmonielehre, das sind über 500 Seiten, eine Großarbeit, die ihn zwei Monate in Anspruch nimmt. Das umfangreichste Projekt bezieht sich auf Schönbergs „Gurrelieder“, ein schon 1901 komponiertes spätromantisches Oratorium. Diese Riesenpartitur – 5 Solostimmen, 3 Männerchöre, achtstimmiger gemischter Chor und Großes Orchester – für einen Klavierspieler einzurichten schien fast unmöglich, immerhin sollte die Klavierfassung ja spielbar sein, und die Partitur umfasst streckenweise 40 bis 42 Systeme. Wegen des kleinen Drucks muss Berg mit der Lupe arbeiten, fühlt sich nach stundenlanger Arbeit halb blind. Den Auftrag erhält er 1910, noch bevor die Instrumentation abgeschlossen ist, erst im November 1911 schickt ihm Schönberg das Manuskript des letzten Teils. Dabei drängt die Arbeit wegen der bevorstehenden Uraufführung. Berg hat die Idee, zu einer Subskription aufzurufen, um die Aufführung zu sichern, er selbst bestellt Karten für 100 Kronen, Loos, nobel wie immer, für 500. Da der Dirigent, Franz Schreker, zu Beginn der Proben wegen anderer Verpflichtungen fehlt, hilft Berg aus,

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probt im Januar und Februar mit den Chören. Freilich, vor dem ersten Mal zittert er, lässt sich von Webern und Schönberg beraten. Bei den Proben stellen sich öfter noch Fehler im Notenmaterial heraus, machen Anfragen an Schönberg notwendig, der inzwischen in Berlin arbeitet. Schreker besteht sogar auf dessen Anwesenheit bei den Proben, worauf Schönberg, der sein Werk gern selbst dirigiert hätte, äußerst gereizt reagiert. Hertzka wünscht noch eine Werkeinführung. Er hat Verdienste um die Förderung zeitgenössischer Komponisten – Mahler, Schreker, Schönberg und Zemlinsky nahm er schon früh in das Verlagsprogramm auf –, bezahlt aber schlecht. Berg entschließt sich dennoch und trotz mancher Skrupel – keinesfalls will er solch scheußliche Analysen abliefern wie Richard Specht –,217 einen Führer zu den Gurreliedern zu schreiben, berät sich mit Schönberg und hat das Buch Anfang Februar fertig, eine umfangreiche Arbeit, „mit ihren hundert Seiten ein Unikum in der Geschichte der Programmbücher“.218 So muss Berg nun auch noch eine Kurzfassung anfertigen, einen kleinen neben dem großen Führer. Die Premiere der Gurrelieder am 23. Februar 1913 wird ein glänzender Erfolg, eine lang ersehnte Bestätigung für Schönberg. 1920, nach der von ihm selbst geleiteten Aufführung, sagte Mathilde Schönberg, nachdem die Ovationen geendet hatten: „Zu spät.“ Bis zu seinem 46. Lebensjahr, so erzählt Egon Wellesz,219 hatte Schönberg warten müssen, um in Wien Anerkennung zu erfahren, eine Anerkennung, die nur einem Jugendwerk galt. Berg hat ein paar Schüler, einige sind von Schönberg übernommen, Josef Polnauer und Josef Schmid unterrichtet er gratis, andere wie Paul Königer, Karl Linke, Wilhelm Winkler zahlen weniger als 5 Kronen für die Stunde. In einem Brief vom 10. Februar 1913 schildert er Schönberg seinen Tagesablauf: Ich habe die letzten 3 Tage den Führer vollendet. Habe begonnen, die Partitur zu den Gurreliedern durchzulesen, auf Schreibfehler zu prüfen, die Fehler in die Stimmen eingetragen, habe 2 Proben des Chors geleitet, wozu ich mich ja vorbereiten mußte, [...] war in der Universal Edition 2 Stunden fast mit den Dispositionen fürn

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Führer u. Stimmcorrekturen beschäftigt, war dann bei Roller wegen der Plakate [...], dann hatte ich nachmittag 4 Stunden zu geben – schließlich um 7–1/2 10 Uhr Chor.[...] Denken Sie nur, daß ich am End der Welt – in Hietzing wohne, kein Telefon, unmögliche Fahrtverbindungen habe, daß schließlich vor 3 Tagen meine Frau das Unglück hatte sich ein Auge zu verletzen.220 Von Hietzing in die Innenstadt braucht man eine Stunde, viele seiner Briefe schreibt Berg in der Elektrischen, mit Bleistift und schwer lesbar, wofür er sich jedesmal bei Schönberg entschuldigt. Einen Telefonanschluss bekommt er erst im Herbst 1914. Die Thementafeln und Analysen, die Konzertführer und Klavierauszüge stehlen ihm die Zeit. Er hätte komponieren müssen. Aber auch auf die Brotarbeiten trifft zu, was er Helene über seinen Unterricht schreibt: Das Stundengeben strengt so an, daß darnach eine Wüste im Hirn ist. Besonders wenn ich mich so ganz in einen andern hineindenken muß, mich förmlich ausleihn – da findet man schwer zu sich zurück! – 221 Ausgeliehen hat er sich seinem Lehrer Schönberg über Jahre. Dass Berg ihm während seiner Abwesenheit den Umzug nach Berlin organisiert, ist für Schönberg eine große Hilfe. Ein Spediteur ist zu besorgen, Angebote sind zu prüfen, Noten, Bücher und Manuskripte müssen verpackt, die Möbelpacker beaufsichtigt, die alte Wohnung gekündigt, die Gasrechnungen bezahlt werden. Außerdem hat Berg Zeitungen, vor allem die Fackel, nach Zehlendorf in die Villa Lepcke, Schönbergs neue Wohnung, zu schicken, und natürlich soll er regelmäßig Bericht erstatten. Dabei braucht er viel Zeit für seine langen Briefe, für die Entwürfe und die Reinschrift. Im März 1912 versucht er, einen Schönberg-Abend mit dem Rosé-Quartett zu organisieren und Sänger, möglichst kostenlos, zu engagieren, er verschickt selbst Einladungen, und am 16. April findet das Konzert tatsächlich vor einem erlesenen Publikum statt, darunter Hermann Bahr, Arthur Schnitzler, Bruno Walter, Gustav Klimt, Franz Schreker, Oskar Kokoschka und Adolf Loos. Nur Schönberg fehlt, die Fahrt von Berlin nach Wien ist zu teuer.

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Die meiste Zeit aber beanspruchen die vielen Anstrengungen, Schönbergs finanzielle Lage zu verbessern. In Berlin ist seine Situation noch schwieriger geworden, der Umzug und die neue Wohnung kosten Geld, sein Gehalt ist unbefriedigend, und er hat noch kaum Schüler in Berlin. Webern, Berg, Jalowetz, Stein und Horwitz spenden gemeinsam tausend Kronen, Webern, der seit dem Frühjahr 1911 selbst für Frau und Kind zu sorgen hat, schickt das Geld, ohne Namen zu nennen. Im September versucht Berg, Mäzene zu finden, die, wie Schönberg fordert, ihm „ein Jahresgehalt für einige Jahre von wenigstens 6000 Kronen“ zahlen. Wenn „die Herren Millionäre“ nicht einsähen, dass er „Anspruch auf ihre Hilfe habe“, sollten sie ihr Geld eben behalten, betteln werde er nicht.222 Berg wendet sich an Hermann Bahr, der über gute Verbindungen verfügt, aber nicht viel erreicht. Und Berg muss einsehen: Auf mich geben sie halt nichts, die Millionäre.223 Er ist viel zu liebenswürdig und umständlich, daher nicht gerade geschickt in seinen Aktionen. Berg sei ein Pechvogel, hört Schönberg von Erwin Stein, er bemühe sich, laufe herum, zerbreche sich den Kopf, mache sich Sorgen, sei sehr unglücklich. Leider aber überwinde er „die leichtesten Sachen mit der größten Schwierigkeit“.224 Aus Angst zögert er manchmal, Schönberg umgehend von den Misserfolgen zu berichten. Der drängt auf rasche Hilfe, Berg solle die einzelnen Sponsoren aufsuchen, ihm dann sofort das Geld per Postanweisung schicken. Berg verfasst einen Aufruf, den er an vermögende Kunstfreunde und Geschäftsleute schicken will, erfragt die Adressen von Hertzka. Die Schüler und Freunde Arnold Schönbergs halten es für ihre Pflicht, seine Notlage zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Ihn selbst hält die Scham davor zurück; darum rufen wir über seinen Kopf hinweg um Hilfe. Der Gedanke, daß dieser Künstler an der gemeinen Notdurft des Lebens scheitern soll, öffnet uns den Mund. Die Katastrophe ist unerwartet schnell über ihn hereingebrochen und Hilfe von langer Hand würde zu spät kommen.225 So beginnt der Aufruf, der nicht so erfolgreich gewesen wäre, hätte nicht Alma Mahler, die Witwe Gustav Mahlers, geholfen. Unter den Spendern sind Richard Strauss, Max Reger, Peter Altenberg und Hermann

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Bahr. „Frau Direktor Mahler“ sitzt mit Richard Strauss, Ferruccio Busoni und Bruno Walter im Kuratorium der MahlerStiftung, in die sie 55.000 Kronen eingezahlt hat. Seit 1911 bemüht sich Berg, Geld für seinen Lehrer aus dem Mahler-Fonds zu beschaffen. Er ist mit Alma befreundet, ein geradezu herzliches Verhältnis besteht zwischen ihr und seiner Frau. Doch Alma Mahler ist launisch, hält sich nicht immer an gegebene Versprechungen, möchte hofiert werden, so kommt die Aktion nur schleppend in Gang. Immerhin gelingt es, Schönbergs finanzielle Situation vorläufig zu verbessern, von 1912 bis 1915 und noch einmal 1918 erhält er das Mahler-Stipendium, 500 Kronen im Monat. Berg übernimmt es, das eintreffende Geld an Schönberg zu überweisen. Kommt es zu Verzögerungen, reagiert Schönberg verbittert, lässt Berg seinen Ärger spüren: „Ich sehe, wie wenig ernst Sie diese Angelegenheit nehmen. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, wenn Sie schon am 23. zu spät zur Bank gegangen sind, das irgendwie gutzumachen“, steht auf einer Postkarte vom 28. Mai 1914. „Jedenfalls weiß ich jetzt, dass ich mich auf Sie nicht verlassen darf.“226 Damit bricht Schönberg die Korrespondenz für fast drei Monate ab. Schönbergs Skepsis Berg gegenüber erwuchs vielleicht aus einem ihm selbst gar nicht bewussten Ressentiment gegen die privilegierten Verhältnisse, aus denen sein Schüler kam, verglichen mit seiner eigenen Herkunft. Er vermutete, Berg habe „hohe Beziehungen“227 und verfüge über wesentlich mehr Geld, als er tatsächlich besaß. Berg hatte keine Ersparnisse, lebte, abgesehen von den spärlichen Stunden- und Verlagshonoraren, von dem, was seine Mutter ihm für die Verwaltung ihrer Immobilien gab. Nie konnte er Helene zu einer Kur begleiten,228 den jährlichen Sommerurlaub in Trahütten finanzierten die Schwiegereltern. Die Kosten für eine Amsterdamreise mit Schönberg zahlte er noch ein Jahr später ab. Schon früher hatte es Verstimmungen gegeben. 1909, während der Spannungen mit Helenes Familie, war ein begonnener Brief an Schönberg liegengeblieben, weil Berg ihm nicht auf die conventionelle Art schreiben konnte229 und anderes nicht zustande brachte. Schönberg war tief gekränkt. 1911, als Berg einen

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Besuch bei ihm immer wieder, zehn bis zwölf Tage lang, verschob, bestrafte Schönberg ihn mit monatelangem Schweigen. Endlich fasste Berg den Mut, bei Schönberg anzuklopfen. Es war schauderhaft! berichtete er Webern. Nach 1/2 Minute war ich wieder draußen. Tags darauf erneuerte ich den Versuch. [...] Es war ebenso entsetzlich! Ein Versuch meinerseits, auf seine Worte voll des Hohns zu erwidern, mich zu verteidigen, zu erklären, mißlang.230 Bergs Brief an Schönberg vom 29. Juli 1911 ist ein grotesk anmutendes Sündenbekenntnis: Ich bin trostlos u. erschüttert über ein Schicksal, das mich verdammt, dort wo ich nur tiefste Hingebung und Liebe beweisen möchte, solch tötliche Fehltritte zu machen.231 Auch das ‚Skandalkonzert’ im März 1913 hat Nachwirkungen auf Schönbergs Beziehung zu Berg. Seit diesem Misserfolg, zu dem vor allem Bergs Altenberglieder beigetragen hatten, sah Schönberg für sich keine Chance mehr, in Wien ein MahlerKonzert zu dirigieren, obwohl Berg sich in den folgenden Jahren darum bemühte, immer vergeblich. Nach dem Skandal hatte der Akademische Verband viele Mitglieder verloren, ein Jahr später löste er sich auf. Zunichte war die Aussicht auf eine Kapellmeisterstelle, nach der Schönberg sich seit Jahren sehnte. Diese Enttäuschung mag zu seiner harten Kritik an Bergs Musik beigetragen haben. Erst 1915 vermittelt Alma Mahler Schönberg ein Orchesterkonzert mit Beethovens Neunter Symphonie, auch in dieser Angelegenheit soll Berg regelmäßige Berichte an Schönberg schicken, „reichliche, sachlich ausführliche Nachrichten. Ueber jede Angelegenheit einen Satz, klar und deutlich“, mahnt Schönberg den Dreißigjährigen. „Und nichts vergessen! Sie müssen doch durch meine Briefe schon gelernt haben, wie man solche Angelegenheiten behandelt!“232 Im Januar 1914, auf der Rückreise von Amsterdam, wo Schönberg seine Orchesterstücke op. 16 im Concertgebouw dirigiert hatte, lässt er Berg, der ihn begleitet, seine Unzufriedenheit spüren, kritisiert Bergs Abhängigkeit von seiner Familie, seine Anfälligkeit für allerhand Zerstreuungen in der „TraraBurg“ (Trahütten), dann seine unleserliche Schrift, den weitschweifigen Briefstil, seine nachlässige Kleidung, überhaupt die

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fehlende Selbstdisziplin. Er hat den Verdacht, Berg stehe unter dem Einfluss von Smaragdas Kreis und vergnüge sich, anstatt zu arbeiten. Trara-Burg! So lustig diese Namensverwechslung ist, so spüre ich doch den Hieb, wagt Berg ihm fast zwei Jahre später zu schreiben.233 Was am meisten schmerzt: Schönbergs Meinung, er lasse als Künstler nach. Im Sommer 1915 ist Berg weiter auf der Suche nach Sponsoren für den Schönberg-Fonds, die Einzahlungen müssten diskret geschehen, Schönberg solle die Namen der Spender nicht erfahren, um nicht in ein unwürdiges Dankbarkeitsverhältnis zu geraten. Als die Zahlungen aus dem Mahler-Fonds ausbleiben, äußert Schönberg den Verdacht, Berg und Stein unterstützten ihn bloß, um sich die Unsterblichkeit zu sichern, eine böswillige Unterstellung, die nur mit Schönbergs Verbitterung zu erklären ist. Ich konnte keine Bemerkung mehr machen, die Sie nicht erbitterte, schreibt Berg ihm später. Ich mußte aus all dem schließen, daß Ihnen mein ganzes Wesen unsympathisch und unangenehm war.234 So wagt er auch nicht, um nicht zudringlich zu erscheinen, Schönberg bei dessen Übersiedlung zurück nach Wien, diesmal in die Gloriettegasse 43, nur fünf Minuten von Bergs Wohnung entfernt, seine Hilfe anzubieten. Seine Freundschaft zu verlieren wäre die Katastrophe, die er seit Jahren auf sich zukommen sieht. Dennoch schreibt er ihm weiter lange Briefe in immer gleich dankbarer Anhänglichkeit u. Liebe,235 gibt sich selbst an allem die Schuld, bleibt devot mit den ständigen Entschuldigungen und emphatischen Ergebenheitsbekundungen. Nie vergisst er, Schönberg zu Weihnachten ein Geschenk zu schicken: Wagners Autobiographie, von Dostojewski „Der Idiot“ und „Die Brüder Karamasow“, von Edgar Allan Poe eine sechsbändige Werkausgabe. Später erwähnte Schönberg einmal, seine Bibliothek bestehe „zu nennenswerten Teilen“ aus Geschenken von Berg.236 Dessen Anhänglichkeit an den Lehrer zeigt sich besonders in Zeiten der Trennung. Da befällt ihn jedes Mal ein Gefühl der Leere: In Gedanken bin ich ja täglich –, nein, stündlich bei Ihnen.237 Die Nachricht, Schönberg komme demnächst, Anfang 1915, wieder nach Wien, löst einen Freudentaumel aus, nach der Zeit der Trennung, die für ihn immer

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böser und unerträglicher wurde, bedeute das eine förmliche Wiedergeburt.238 Schönbergs meist kurze und sachliche Schreiben hat er alle aufbewahrt, sogar die Umschläge.

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Ein Geburtstagsgeschenk Drei Orchesterstücke op. 6 Unter dem tiefen Eindruck der Werke Gustav Mahlers fühlte sich Berg schon länger gedrängt, eine Symphonie zu schreiben. Im Herbst 1907 hatte er noch eine Aufführung der Dritten von Mahler gehört, die Weltentrücktheit im Finale hatte ihn erschüttert.239 Im November dirigierte Mahler sein Abschiedskonzert im Musikvereinssaal. Nach feindseligen Pressekampagnen – in Wien gab es noch Jahre lang eine verbissene Gegnerschaft gegen seine Musik – hatte er ein Angebot der Metropolitan Opera in New York angenommen. Damit war die Glanzzeit der Hofoper zu Ende. Zur Verabschiedung am 9. Dezember versammelten sich etwa zweihundert Menschen auf dem Westbahnhof, ein Komitee des Schönberg-Kreises hatte Gleichgesinnte eingeladen, Blumen schmückten Mahlers Abteil. Drei Spielzeiten dirigierte Mahler in New York, 1911 kehrte er todkrank zurück und starb am 18. Mai im Wiener Sanatorium Löw. Dort hatte Berg in den letzten Tagen vor Mahlers Tod auf die ärztlichen Berichte gewartet, in der letzten Nacht erfuhr er die Todesnachricht. Am nächsten Morgen vermochte er auf Helenes Frage, wie es Mahler gehe, kein Wort zu sagen, er deutete nur auf seine schwarze Krawatte.240 An Mahlers Begräbnis nahm er gemeinsam mit Schönberg und Webern teil. In der Folgezeit versuchte er, möglichst jede Aufführung einer Symphonie von Mahler zu hören. Ohne Helene, die wieder einmal unpässlich war, fuhr er im November 1911 nach München zur Uraufführung des „Lieds von der Erde“ unter der Leitung von Bruno Walter. Schon der Anblick der herrlichen Gegend, durch die einst der sterbende Mahler fuhr241, bewegte ihn. In seiner Erschütterung durch die Musik fühlte er sich Webern nahe, der ihm schrieb: „Es ist zum Vergehen, zum Sterben. – Oft denke ich, ja darf man denn das hören – verdienen wir das?“242 Noch im selben Jahr erlebte Berg in Wien Konzerte mit der Sechsten,

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der Zweiten, der Dritten. Am 26. Juni 1912 dirigierte Bruno Walter „Das Lied von der Erde“ und die Neunte in Wien, und diesmal war Berg sogar bei den Proben dabei. Er vergrabe sich ganz in Mahlers IXte, in der vierhändigen Ausgabe, berichtet er Schönberg. Das ist keine Musik mehr dieser Welt. Räthselhaft schön und herrlich.243 Und in einem Brief an Helene schwärmt er: Der erste Satz ist das Allerherrlichste was Mahler geschrieben hat, ganz von der Todesahnung geprägt, – am stärksten natürlich bei der ungeheuren Stelle wo diese Todesa h n u n g G e w i ß h e i t wird, wo mitten hinein in die „höchste Kräfte“ schmerzvollster Lebenslust, „mit höchster Gewalt“ der Tod sich anmeldet. – Dazu das schauerliche Bratschen u. Geigensolo u. diese ritterlichen Klänge: „Der Tod in der Rüstung“. Er beschließt seinen Brief mit dem Zitat der Hörnerterzen in den letzten Takten: diese reinste Erdenluft in sich zu saugen, mit immer tiefern Athemzügen – – immer tiefern Zügen. Gustav Mahler, dieses herrlichste Herz, das je unter Menschen geschlagen hat,244 bleibt für Berg sein Leben lang das Idealbild eines Künstlers und Menschen. „Wenn er von ihm sprach, verjüngte sich Alban körperlich. Seine Augen leuchteten, sein Gesicht erhellte sich, und mit jugendlichen Bewegungen eilte er ans Klavier, um die Stellen aus den Symphonien zu zitieren, die ihm besonders am Herzen lagen.“245 Mit seinen Miniaturen op. 4 und op. 5 hatte Berg sich, wie er glaubte, Schönbergs Erwartungen untergeordnet, nun wagte er zum ersten Mal einen gewissen Widerstand. Schönberg hatte vorgeschlagen, eine Suite zu komponieren. Berg aber berichtete im Juli 1913 von der Beschäftigung mit einer Symphonie und bat, Schönberg möge das Hinausschieben der Suite nicht als Eigenmächtigkeit betrachten – beide Wörter hatte er rot unterstrichen –, er bleibe sein Schüler und bemühe sich, Schönberg in jeder Hinsicht zu folgen.246 Die Symphonie,247 an der er 1912 und 1913 arbeitete, gedieh nicht über ein unvollständiges Particell hinaus. Aus ihrem Beginn aber wird das erste von drei Charakterstücken: Präludium, Reigen, Marsch. Komponiert ist der Zyklus für großes Orchester, wie Mahler es einsetzte: vierfache Bläserbesetzung, sechs Hörner, erweiterter Schlagzeugapparat,

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Celesta, zwei Harfen, stark besetzte Streicher. Nicht an den Monumentalstil der Zweiten oder Achten von Mahler knüpft Berg mit dem Werk an, sondern an Mahlersche Charaktere, an die Ländler und Märsche, wie sie etwa im Scherzo der Siebten und im Finale der Sechsten zu hören sind. Ein Geschenk für Schönberg zum vierzigsten Geburtstag soll das Werk werden – er hatte es sich gewünscht, geradezu bestellt –, indes sind zum 13. September 1914 nur die Ecksätze, Präludium und Marsch, fertig, die Reinschrift des Reigens zieht sich bis ins nächste Jahr hin. Meine Hoffnung, Ihnen etwas selbstständigeres [...] zu schreiben, und so etwas zu haben, was ich Ihnen widmen könnte, ohne Sie zu ärgern, betrog mich leider durch einige Jahre, gesteht Berg. Seine Widmung – Meinem Lehrer und Freunde Arnold Schönberg in unermeßlicher Dankbarkeit und Liebe – glaubt er noch rechtfertigen zu müssen: Ich habe mich ja wirklich bemüht mein Bestes zu geben, allen Ihren Anregungen und Rathschlägen Folge zu leisten. Sollten die Orchesterstücke wieder nicht gelungen sein, möge Schönberg in seiner väterlichen Güte den guten Willen für die Tat nehmen.248 Und noch einmal, im November des folgenden Jahres, schreibt er, als müsse er sein Werk verteidigen: Die 3 Orchesterstücke entsprangen wirklich dem angestrengtesten u. heiligsten Bemühn, in der von Ihnen gewünschten Form Charakterstücke zu schreiben.249 Für die Geburtstagswünsche und die Partitur dankt Schönberg in einem kurzen Brief, zu dem Werk selbst und Bergs Widmung schweigt er. Bergs drei Charakterstücke sind Allegorien der Angst. Im Präludium nimmt man zuerst, ähnlich wie zu Beginn der dritten Symphonie von Mahler, schemenhaft einen bloßen Rhythmus wahr. Zögernd, fast unmerklich zeichnen sich melodische Konturen einer Motivzelle ab, das unterschwellig Bedrohliche entlädt sich für einen Moment in einem Fortissimi-Ausbruch des Orchesters. Aus der Motivzelle bildet sich T. 15, beginnend mit einer Seufzerfigur, ein Thema, in Varianten, Ableitungen und Umkehrungen bestimmt es den ganzen Satz. Es enthält ein Melisma, das an die expressiven Doppelschlagfiguren Mahlers erinnert und sich immer stärker in den Ausdruck der Verzweiflung steigert: Auf dem Höhepunkt T. 36 sind, in vier verschiedenen

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Notenwerten, vier seiner Varianten gleichzeitig zu hören. Dann ebbt die Bewegung ab, nach einer kurzen, rückläufigen Reprise endet der Satz, wie er begonnen hat, verschwimmt im bloß Geräuschhaften. Seine rhythmischen Motive kehren später wieder, sehr deutlich die Triolenfigur im Marsch, das Fanfarenmotiv T. 38 taucht im Reigen wieder auf, und alle drei Sätze verbindet das Motiv der steigenden Sekunde. Anders als die beiden düsteren Außensätze wirkt der Reigen heller, leicht beschwingt ist er anfangs zu spielen. Drei Walzer lösen einander ab, mit dem vierten, der Reprise des ersten, schließt sich der Kreis, ähnlich wie in Schnitzlers Komödie „Reigen“.250 Allmählich wird eine Desillusionierung spürbar, der Reigen scheint beschädigt, die Walzer sind nur Bruchstücke, wie momenthafte Erinnerungen, die an Deutlichkeit gewinnen und wieder vergehen. Die Einleitung beginnt wie im Traum, etwas zögernd, noch nicht im Walzertakt. Aus dem Halbtonmotiv des Präludiums entsteht allmählich eine Melodie, deren Motive verwandelt in den Walzern wieder auftauchen. Fast unmerklich wechselt der gerade Takt in den Dreivierteltakt. Der erste Walzer, kaum in Fluss gekommen, zerrinnt, gleitet ins Traumhafte zurück. Auch der zweite, schwungvoll, fast roh, verliert schon bald an Tempo und geht in eine sehr leise Passage über, bevor sich der dritte Walzer derb in den Vordergrund drängt. Wie zuweilen die Ländler Mahlers hat er mit den schmetternden Trompeten- und Posaunenfanfaren etwas Groteskes. Nach der Generalpause beginnt, einem Alptraum ähnlich, eine OstinatoPassage. Die Reprise zerrinnt in sehr langsamem Tempo, der Walzertakt geht in einen 4/2-Takt über, bis in der Coda, auf dem Hintergrund unheimlicher Tremoli, die Oboenfanfare zu hören ist, am Ende pianissimo in Hörnern und Trompeten wie aus der Ferne. Von Anfang an, auch durch die leisen Tamtamschläge, hat der Marsch etwas Bedrohliches. Wie ein Rest aus flüchtigen Erinnerungen klingt zu Beginn die fallende Sekunde heraus, mit der sich das klagende Motiv des Englischhorns ankündigt. Als höre man das spätere Trompetensignal schon aus weiter Ferne,

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deutet das leise Triolenmotiv der Oboe den Marsch an, der sich dann Subito a tempo durchsetzt. Sowohl die Marschabschnitte wie auch die verhalteneren Passagen, meist mit solistisch eingesetzten Stimmen, bleiben bruchstückhaft. Der Marschcharakter – Flottes Marschtempo – wird immer wieder zurückgedrängt durch langsamere, leise Abschnitte mit expressiven Einzelstimmen. Man höre eben den Marsch eines Asthmatikers251, hat Berg einmal ironisch angemerkt. Die Marschabschnitte steigern allmählich ihren aggressiven Ausdruck, nehmen mehr Raum ein, schneiden den zarteren Stimmen das Wort ab. Der erste bricht nach vier Takten ab, wenn die Solobratsche sehr ausdrucksvoll das Kontrastthema vorträgt. Auch diese ruhige Phase hält nur kurz an. Der zweite Marschabschnitt (T. 53) klingt bedrohlicher, wenn auch eine Grazioso-Episode ihn kurz unterbricht. Danach setzt eine stete Steigerung ein. Ehe sie zum Allegro energico mit dem 2. Hauptthema in den Trompeten führt, fortissimo alles übertönend, hört man in den leisen Takten 80ff. unheimliche Stimmen der Posaunen, jenen ähnlich, von denen sich Wozzeck, die Titelfigur seiner Oper, in der Szene Freies Feld verfolgt glaubt: Hörst du, es wandert was mit uns da unten! Auch das dolce gespielte Hauptthemenmotiv der Violinen, das die harten Rhythmen des Allegros unterbricht, ist nicht geheuer, geht sofort wieder in den martialischen Ton über, der zum Höhepunkt führt, Abbild einer Katastrophe mit sich überstürzenden Passagen aller Stimmen und drei harten Hammerschlägen, eine Reminiszenz an das Finale in Mahlers sechster Symphonie. Untergangsstimmung herrscht auch im dritten Marschabschnitt. Wie aus Fluchtbewegungen gebildet, endet er schon nach sieben Takten mit Fortissimoschlägen von Hammer, Trommel und Pauke. Nach einem kurzen, langsamen Pianoabschnitt beginnt die Coda T. 149 mit dem 2. Hauptthema, marziale und fortissimo in allen Trompeten und Hörnern. Die folgenden fünf Takte, piano, pesante, mit schleichenden Halbtonfolgen in den gestopften Hörnern, verbreiten Beklemmung, ebenso wie die Reminiszenz an das Präludium (T. 12), jetzt im gedämpften Blech und sehr langsam. Ein letztes Mal erhebt das Kontrastthema Einspruch, sehr aus-

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drucksvoll von der gedämpften Posaune zu spielen, dann zerfällt die Musik kraftlos in kleinste Fragmente des ersten Themas. Subito a tempo kehren die aggressiven Marschfanfaren wieder, und nach vier Takten findet das Werk mit einem harten, abgerissenen Tuttischlag, einem Tritonus über mehr als fünf Oktaven, ein abruptes Ende. Das Verstörende dieses Marsches hat vor allem seinen Grund in der Gleichzeitigkeit vieler verschiedener Stimmen, die in einer höchst komplizierten Struktur252 einander überlagern, übertönen, verdrängen wie in einem ständigen Kampf um Selbstbehauptung. Nicht ohne Artistenstolz habe Berg diese Partitur die komplizierteste aller je geschriebenen genannt, berichtet sein Schüler Adorno.253 Acht Jahre dauerte es, bis wenigstens die ersten beiden Sätze öffentlich, unter Weberns Leitung, gespielt wurden.254 Um Webern für die unsägliche Mühe der Einspielung zu danken, erbat Berg von Alma Mahler ein Zetterl od. ein Notenblatterl u. sei es noch so klein von der Hand Gustav Mahlers als Geschenk für Webern, der sich eine Handschrift Mahlers seit 20 Jahren und geradezu sehnsüchtig wünsche.255 Erst 1930 dirigierte Johannes Schüler in Oldenburg die vollständige Aufführung dieses schwierigen Werks, und er habe das ganz famos gemacht256, berichtete Berg glücklich.

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Krieg Der Sommer 1914 ist warm. Die letzten Julitage und den ganzen August verbringen Alban und Helene Berg, die gerade von einer dreiwöchigen Kur in Karlsbad zurück ist, in Trahütten. Berg arbeitet an dem Reigen aus den Orchesterstücken op. 6. Die Nachricht vom Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau in Sarajewo beunruhigt nicht besonders, Bosnien ist weit entfernt. Berg ist froh, dem Trauerfeierlichkeits-Rummel auf der Mariahilferstraße257 entkommen zu sein. Hier, in dieser herrlichen Luft auf tausend Metern Höhe, kann er gut arbeiten, zum Glück ist auch ein Pianino vorhanden. Sie können sich gar nicht vorstellen, schreibt er an Schönberg, wie schön es hier ist.258 Im Residenztheater am Fleischmarkt, den späteren Wiener Kammerspielen, hat er im Mai dieses Jahres zwei Aufführungen des „Wozzeck“259 von Georg Büchner gesehen, mit dem berühmten Albert Steinrück in der Hauptrolle. Das Drama erschüttert ihn, er will es unbedingt vertonen. Noch im Mai trägt er Entwürfe in sein Skizzenbuch ein und beginnt schon während der Arbeit an den Orchesterstücken mit der Einrichtung des Librettos. Die Kriegserklärung Österreichs an das Königreich Serbien kommt überraschend. Am 28. Juli hängen überall die gelben Plakate „An meine Völker!“, auf denen der nahezu vierundachtzigjährige Kaiser den Kriegseintritt begründet und zugleich sein Bedauern ausdrückt: „Es war Mein sehnlichster Wunsch, die Jahre, die Mir durch Gottes Gnade noch beschieden sind, Werken des Friedens zu weihen und Meine Völker vor den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren.“260 Im August bricht, nach wechselseitigen Kriegserklärungen, Deutschland und Österreich-Ungarn an Russland, Großbritannien und Frankreich an Österreich-Ungarn, der Weltkrieg aus. Wie ein ansteckendes Fieber verbreitet sich ein allgemeiner Kriegsenthusiasmus. Schönberg und sein Kreis, auch Kandinsky, sind plötzlich begeisterte Patrioten. „Ich muß in den Krieg.

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Ich muß. Ich halte es nicht mehr aus“261, schreibt Webern, der Pazifist, an Berg. Er will „für diese große, hehre Sache“262 kämpfen, meldet sich als Freiwilliger. Zum Entsetzen von Karl Kraus scheint selbst Adolf Loos neuerdings von einem „furor teutonicus“ ergriffen zu sein.263 Und Schönberg schützt sein Scharfsinn nicht davor, es auf einmal „niederträchtig“ zu finden, wenn in Wien französische, russische oder englische Musik aufgeführt wird.264 Neuerdings erklärt auch Berg: Wir brauchen Maeterlinck nicht – der Dichter des Dramas, nach dem Schönberg seine sinfonische Dichtung „Pelleas und Melisande“ schrieb, ist Belgier. Ähnlich rigoros werden ausländische Komponisten abgefertigt: Nimm dem Debussy u. (all diesen) Ravells Scriabins u. wie sie heißen die gewisse verschwommene Harmonik weg: was bleibt? (bei Debussy vielleicht 2, 3 Motive von vier fünf Tönen.)265 „Wie lange bleibt Ihr noch oben im Reich der Träume?“266 fragt Johanna Berg. Charly, der die Folgen des Kriegs mit der kommenden Inflation ziemlich realistisch einschätzt, schreibt an seinen Bruder: „Du hast keine Ahnung was jetzt in Wien los ist. Ein direktes Feldlager 1000e von Reservisten haben keinen Platz in den Kasernen.“267 Demnächst müssten wohl auch Alban und er einrücken. Die Schulen seien vom Militär besetzt, die Börse geschlossen. Die Wiener Dependance der Firma Borgfeldt hat die Gehälter ihrer Angestellten um ein Drittel gekürzt, auch Charly, Leiter der Wiener Zweigstelle, ist betroffen. Johanna Berg wird ihn finanziell unterstützen. Um dem Bruder zu helfen, verzichtet Alban freiwillig auf einen Teil seiner Apanage, er wird sich einschränken, kaum noch rauchen, sich mit ordinärer Seife waschen, die kürzlich erschienene Schönberg-Partitur268 nicht kaufen. Auf dem Berghof sind alle Pferde requiriert worden, so dass nun zwei Kühe bei der Feldarbeit eingesetzt werden. Zum Glück hat der Nachbar ein Pferd behalten, „da es sich von den fremden Soldaten nicht anfassen ließ“269, wie Johanna berichtet. So kann sie sich ab und zu nach Villach kutschieren lassen, zu Hamstereinkäufen. Nach Wien dauert die Fahrt vom Berghof mit einer Übernachtung in Marburg (Maribor) jetzt 34 Stunden, da durch die Mobilmachung Zugverbindungen blockiert

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sind und der Bahnverkehr völlig überlastet ist. Um fünf Uhr früh fährt Johanna Berg von Villach ab, um halb drei in der übernächsten Nacht kommt sie in Wien an. Aber sie ist nicht wehleidig, es treffe ja jeden. Brot und Mehl kann man jetzt nur noch mit Lebensmittelkarten bekommen, anstelle von Weizenmehl gibt es Ersatzmehl, Weizen vermischt mit Gerste, Hafer oder Mais. Wohnungen stehen leer, weil Frauen der Einberufenen zusammenziehen, um zu sparen, so gehen die Mieteinnahmen aus Johannas Zinshäusern wegen mancher Kündigung zurück. Unter der Bedingung, daß nur Nachmittag gekämpft wird270, werde er sich als Freiwilliger melden, schreibt Alban selbstironisch an Helene, die ja weiß, welch ein Horror ihm das Frühaufstehen ist. Schönberg gegenüber freilich behauptet er, nachdem er als nicht geeignet für den Dienst an der Waffe erklärt worden ist, es sei für ihn beschämend, bei diesen ungeheuren Ereignissen nur Zuschauer zu sein. Schönberg lässt ihn seine Missbilligung spüren: „Mir wäre es an Ihrer Stelle nicht möglich, so weltabgeschieden zu sein, wenn so große Dinge vorgehen.“271 Als Berg nach einer erneuten Musterung am 27. November ein zweites Mal für untauglich erklärt wird, ist er enttäuscht, es Schönberg wieder einmal nicht recht machen zu können. Die allgemeine Sehnsucht nach einer Katharsis durch den Krieg, der Glaube an eine reinigende Wirkung steckt auch Berg an, er hofft, dass der Krieg die Gesellschaft, dieses Conglomerat von Philistrosität, Habsucht, Dummheit, Geschäftsgeist, Journalismus, Trägheit, Egoismus, Launenhaftigkeit, Verlogenheit, Heuchelei, aus ihrer Verderbtheit reißen werde.272 In der Presse liest er Berichte über Verwundete und die verheerenden Verletzungen durch Fliegerpfeile; aus großer Höhe abgeworfen, konnten die spitzen Metallstäbe einen Stahlhelm durchbohren. Während einer Fahrt von Klagenfurt nach Villach erblickt er am Fenster eines Reservespitals neben Verwundeten Weberns Schwester Rosa, die dort in der Isolierstation Cholerapatienten pflegt. Sie hatte sich wie viele andere in einem Kursus des Roten Kreuzes zur Hilfspflegerin ausbilden lassen, auch Webern, Stein und Polnauer haben Erste-Hilfe-

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Kurse absolviert.273 Unter den vielen, die einrücken müssen, sind auch der Verwalter Andreas und die Knechte auf dem Berghof. Johann Postl, der neue Wirtschafter, ist ein Betrüger, den man schnell wieder loswerden will, fände sich nur ein Nachfolger. Die Familie plant schon den Verkauf des Landguts, einstweilen aber soll Alban sich um einen Ersatz für die Arbeitskräfte kümmern. Er verabredet ein Treffen mit einem Bewerber in Villach, wartet auf dem Bahnhof, hat schon einen Einspänner bestellt für die Fahrt zum Berghof, aber der Mann erscheint nicht. Den nächsten Misserfolg hat Berg zwei Tage später. Trotz einer langen Unterhaltung mit einem neuen Kandidaten, der einen sehr guten Eindruck macht, kann Berg sich noch nicht entscheiden und versäumt dann, nach seiner Adresse fragen. Auch bei der Entlassung Postls verhandelt Berg nicht geschickt, geht auf dessen dreiste Forderung einer Entschädigung ein, weil er fürchtet, sonst in eine Rauferei zu gerathen.274 Ende Dezember endlich gelingt es ihm, ein älteres Ehepaar (Riepan) aus Tschöran bei Ossiach als Wirtschafter einzustellen. Wegen der fehlenden Zugverbindungen muss er zweimal über den Ossiachersee rudern und mehr als vier Stunden im Schlitten durch die Kälte fahren. Das Unangenehmste: Die Schwester des eingezogenen Wirtschafters Andreas, eine sehr nette brave Person, ist aus Mangel an männlichen Bewerbern bereits eingestellt worden. Sie hat ihre alte Stelle aufgegeben, und muss nun dem Ehepaar Riepan weichen, ohne zu wissen, wie sie eine Arbeit finden soll. Wo sie ja als einfache Bauerndirn nicht wagt mit dem Stadtherrn aufzubegehren, erklärt Berg. Ich kam mir ganz elend vor, schuldbewußt und konnte ihr doch nicht helfen!!275 Auf der Suche nach Arbeitskräften ist er mehrmals an einem Reservespital und Gefangenenlagern vorbeigefahren – eine ganze Stadt aus Holzhäusern für ca. 15.000 Russen.276 Heut sah ich einen großen Zug Verwundeter, berichtet er Helene. Schrecklich!! Und kurz darauf einen Zug johlender frisch ins Feld ziehender Soldaten. [...] Manchmal komm ich mir hier vor, als lebte ich a u ß e r h a l b dieser Welt.277 In das neue Wir-Gefühl, das die Köpfe betäubt, kann er nicht einstimmen. Was Patriotismus ge-

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nannt werde, sei nichts als ein Spektakelbedürfnis278, fand er schon immer, wenn im August das „Kaiserfest“ gefeiert wurde. Silvester 1914 ist er allein auf dem Berghof, er ahnt, dass der Krieg noch lange dauern wird. Ja!! Der Krieg muß noch weitergehn!! Noch ist keine Spur von Reinheit in diesem jahrzehnte alten Dreck. [...] Die großen Überraschungen dieses Krieges werden Geschütze sein, die Abgründe in die Seichtheit zu reißen haben. [...] Neben dem armen Soldaten, der nur die Wahl zwischen Zerrissenwerden Verhungern oder „Derfrieren“ hat, lebt der Philister der mit gleicher Behaglichkeit sein Bratel ißt, sich an seinen schäbigen Gesinnungen erwärmt und das bekannte Wort persifliert: „Nehmen Sie mir die Zeitung weg, sie zerreißt mer das Herz!“279 Im Februar des nächsten Jahres besucht Berg einen Vortrag von Karl Kraus, neben Arthur Schnitzler einem der wenigen entschiedenen Kriegsgegner. Kraus stellt einen Feldpostbrief über die schrecklichsten und herzzerreißendsten Ereignisse einer Schlacht einem Bericht von der Eröffnung eines neuen Wiener Kaffeehauses gegenüber. Ein himmelschreienderes Dokument dieser Zeit war wahrlich nicht zu finden! schreibt Berg an Schönberg. Ich kehrte von dieser Vorlesung auf’s äußerste niedergeschlagen heim.280 Webern wird einberufen, später noch andere Schönbergschüler, Linke, Horwitz, Steuermann. Auch Schönberg steht eine Musterung bevor, er vertraut auf „hohe Beziehungen“ der Familie Nahowski zum Hof, hofft, nicht ins Feld zu müssen, sondern in Wien stationiert zu werden. Er wird zunächst freigestellt. In Schönbergs Fragen, ob er denn auch eine Kriegsanleihe gezeichnet habe und wieviele seiner Verwandten Militärdienst leisteten, spürt Berg erneut den Vorwurf, es fehle ihm an Patriotismus. Jedenfalls ist ihm der Glaube an eine reinigende Kraft dieses Krieges vergangen. Vom 12. Juli bis zum 12. August hält er sich wieder in Trahütten auf, wo jetzt bei Südwind der Kanonendonner von der Grenze zu hören ist. Die Kriegshysterie vergiftet auch hier oben die Atmosphäre, die Nahowskis werden aus lächerlichen Gründen (der polnische Name!) wegen des Verdachts der Spionage angezeigt.

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Nach der Kriegserklärung Italiens an Österreich am 23. Mai 1915 wird auch Berg einberufen, die Nachmusterung steht für den August an. Sicher ist: Zu einer andern Waffengattung als Infanterie jetzt zu kommen ist so viel wie unmöglich. Höchstens mit Pferd!281 Das würde die Familie aber fünf- bis sechstausend Kronen kosten, dazu noch einmal die gleiche Summe für seinen Bruder Charly, der jetzt nur noch Karl heißen darf und als Zugsführer bei den Hoch- und Deutschmeistern dient. Vor seiner Einberufung will Berg unbedingt noch eine Angelegenheit klären, über die Schönberg sich offenbar bei Erwin Stein beschwert hat. Verärgert über eine verspätete Auszahlung aus dem Mahler-Fonds, beschuldigt er Berg und Stein, alles, was sie für ihn täten, geschehe nur, „um auf die Nachwelt zu kommen“. Ich kann ihm nicht sagen, schreibt Berg an Webern, daß ich mich seit Kriegsbeginn direkt verzehre bei dem Gedanken an seine Zukunft – ja daß mir meine ganze Militärangelegenheit wurscht ist im Vergleich zu den Sorgen um seine Existenz.282 Der monatliche Betrag, den Schönberg aus dem Mahler-Fonds erhält, ist von der Deutschen Bank erst eine Woche nach Bergs Überweisung ausgezahlt worden. Wie immer wird Berg verantwortlich gemacht, der sich, laut Schönbergs Verfügung, um die pünktliche Auszahlung zu kümmern hatte, eine anderweitige Verfügung hieß allerdings, Berg solle abwarten und Frau Mahler nicht drängen. Dass Schönberg solche unermeßliche Verlegenheit bereitet wurde, betrachtet Berg als sein Verhängnis. Jenes Verhängnis, Ihnen seit Jahren nur unangenehm erscheinen zu können u. wenn schon nicht aus eigener Schuld, so doch im Z u s a m m e n h a n g m i t D i n g e n , aus denen Ihnen Ärger erwächst. Die Gewißheit eines solchen Verhängnisses lasse ich mir nicht nehmen. Immer sei dabei die verhängnisvolle Zahl 23 mit im Spiel.283 Widerstandslos nimmt er Schönbergs Verfügungen hin, erklärt dessen anmaßende Willkür als etwas Schicksalhaftes. Helene ist empört: „Du bist a u c h jemand!“284 Am 16. August 1915 wird Berg einberufen. Leben mit der Uniform – der Geruch, die speckige Kappe, der Brotsack: Auf dem muß schon einer verblutet haben.285 Trotz allem wirkt er fast elegant, wie er auf einem Foto in langen Stiefeln zu sehen ist,

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lässig eine Hand in der Hosentasche. Auf einem anderen sieht man ihn, ebenfalls in Uniform, mit versonnenem Blick im Sessel sitzen, die Beine übereinander geschlagen. Ganz anders Schönberg, der am 15. Dezember desselben Jahres einberufen wird. In einer schlecht sitzenden Uniform steht er, die Hände auf dem Rücken, dem Fotografen mit entschlossenem, beinahe grimmigem Blick gegenüber. Berg nimmt einen Kurzurlaub, um sich am 30. September in Hietzing noch einmal mit Helene trauen zu lassen. Diesmal katholisch, für immer. Obwohl die 4. Ersatzkompagnie zur sogenannten Künstlerkompagnie gehört, die Abrichter beim Landwehrregiment meistens feine gebildete Menschen sind, Berg sogar zu Hause übernachten kann und der Dienst interessant und anregend sei, wie er Schönberg berichtet286, sind die Exerzierübungen für den Asthmatiker eine gewaltige Anstrengung. Um viertel vor drei muss er aufstehen, ist den ganzen Tag todmüde. Am 4. Oktober wird er als „Einjährig-Freiwilliger titulierter Gefreiter“287 in die Reserveoffiziersschule nach Királyhida (heute Bruckneudorf) geschickt, eine Grenzstation zwischen Österreich und Ungarn bei Bruck an der Leitha. Achtzig Leute sind in seiner Baracke untergebracht. Im Bett halb angezogen gefroren, berichtet er. Das Bett ein Stein. Die Reinigungsangelegenheiten direkt naiv. Wenigstens kann er sich mit Rudolf Ploderer288 austauschen, ihre Betten stehen nebeneinander. Die Übungen sind strapaziös: Von 7 Uhr früh bis 1/22 Uhr mittag in einem Fort marschiert, gerannt, gestürmt u. das über Berg u. Thal, durch Sümpfe und Moräste, niederschmeißen wieder auf u.s.w. Ich bin mit einer Kruste Koth überzogen.289 Aber er habe ja eine Rossnatur, versichert er halb scherzhaft. Helene jedoch ist äußerst beunruhigt, als sie ihn wiedersieht. „So buckelig bist Du mit der Tasche gelaufen! Mir war das Weinen sehr nahe! [...] Ich habe keine ruhige Stunde mehr seit ich Dich so abgezehrt gesehen habe! Und Dein Buckl ist seit Du in Bruck bist noch einmal so groß u. schief bist Du – die rechte Achsel hängt hinab – wahrscheinlich vom Gewehr!“ „Ich möchte Dich immer in den Armen halten und schützen

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und Deinen armen, müden magern Rücken streicheln!“290 Sie schickt ihm Esspakete ins Lager. Durch den frühen Wintereinbruch werden die Exerzierübungen noch anstrengender. Er hat 131/2 Kilo abgenommen. Anfang November erleidet er auf dem Marsch zu einer Gefechtsübung einen Zusammenbruch. Wegen schweren Asthmas mit Lungenblähung und chronischer Bronchitis wird er im Militärspital Bruck behandelt. Wie ein Fegefeuer erscheint ihm der Aufenthalt in der Baracke 3B unter lauter Magen- und Darmkranken, die Kälte und das fortwährende Husten der Kameraden lassen ihn nachts nicht schlafen. Er träumt vom Glück, nach Hause zu kommen, vom Swipelinchen, ihrem Wunschkind, von einer völligen Erneuerung291 seiner Ehe. Helene versorgt ihn mit Lebensmitteln und Schnaps, seine Schüler Kassowitz und Polnauer besuchen ihn, die Familie, selbst der Schwiegervater, macht sich Sorgen um ihn, Schönberg hat angerufen. „In diesen elenden Tagen [...] hab ich erst gefühlt, dass bei Sch[önberg] doch echte Wärme u. Freundschaft für uns ist!“292, schreibt Helene. Da Berg für Kanzleidienste noch tauglich scheint, schickt man ihn am 17. November zum Dienst in die Landwehrkaserne Wien, Hütteldorferstraße. Zu Weihnachten hat er die Aufsicht über einen Kohlentransport in die Landwehrkaserne zu führen. Acht Stunden geht er neben den beiden Kohlenwagen her, versunken in die Lektüre der eben erschienenen Fackel.293 Bei den hygienischen Verhältnissen in der Kaserne ist es kein Wunder, dass er sich, ohnehin anfällig für Abszesse, die Krätze holt, diesen hartnäckigen und ansteckenden Hautausschlag. Nun teilt man ihm Schreibarbeiten zu, die er im Barackenlager am Bisamberg, der Personalsammelstelle, zu erledigen hat. Die Verhältnisse dort sind fürchterlich. Etwa 2000 Soldaten aus allen Regimentern Österreich-Ungarns (versprengte, entlaufene, aus dem Spital entlassene) werden von dort wieder an ihre Einheiten geschickt. Die Baracken sind völlig verdreckt und verlaust. „Anbinden“ heißt eine häufig verhängte Strafe: hinter den Rücken verschränkte, gebundene u. an einem Baum so hoch gezogene Arme, daß der Sträfling auf den Zehen stehen muß, bis er

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nimmer kann u. so hängt er bis er vor Schmerz ohnmächtig wird.294 Dass Berg Mitte Mai 1916 Kanzleischreiber im Kriegsministerium wird und dort die letzten beiden Kriegsjahre verbringen kann, ist beinahe eine Lebensversicherung. Die hat er seiner Frau zu verdanken, auf ihr Bittgesuch hin empfing der Kaiser sie und versprach zu helfen.295 Die Arbeit in der „Ministerialkommission für Arbeitszuweisungen“296 ist stumpfsinnig, aber von hier aus kann er Schönbergs Freistellungsgesuche unterstützen, offenbar nicht erfolglos, denn Schönberg wird erst im September 1917 wieder einberufen. „Ha, ich freu mich, dass er jetzt nicht mehr auf die »Zurückgebliebenen« spucken kann!“, schreibt Helene. Er habe ja nicht einmal „seinem besten Freund“ Webern die Freistellung gegönnt.297 Johanna Berg zeigt wenig Verständnis für die ständigen Sorgen ihres Sohns um Schönberg. Warum sollte der es besser haben als tausend andere? Smaragda, die mit May in Charlottenburg wohnt, trifft sich in Berlin gelegentlich mit den Schönbergs, spielt manchmal vierhändig mit ihm – schwierigere Sachen wie das Adagio aus Beethovens Neunter Sinfonie „allerhöchstens 3händig“.298 „Schrecklich seine Geldkalamität!“ schreibt sie und bittet Alban: „Du musst Schönberg ehrlich die Wahrheit sagen, wie es mit seinen Geldhoffnungen steht – nur so kannst Du ihn vor dem Untergang retten. [...] Er überschätzt alle Leute bezügl. Geld – auch sehr Deine pekuniären Verhältnisse.“ In einem weiteren Brief heißt es: „Wenn man für ihn nichts tun kann, hat er gar kein Interesse für Einen.“ Durch Fragen nach Albans Vermögen bringe er sie oft in Verlegenheit. Er verlange sogar, daß auch Helene „direkte Opfer“ bringe. „Ihr, seine Freunde, habt ihn riesig verwöhnt, aus Bedenken, seine Gunst zu verlieren u. jetzt wo Ihr nicht könnt, wegen des Kriegs, ist er empört.“299 Helene hat gehört, er schimpfe über die „große pekuniäre Schäbigkeit“300 der Bergs ihm gegenüber. Viele Fabriken müssen schließen. „Es ist beinahe beängstigend“, schreibt Johanna Berg nach einem Gang über die Ringstraße, „welche Masse von Proletariat auf den Bänken herumsitzen – alles brotlose Menschen!“301 Für Lebensmittel gibt es jetzt Be-

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zugskarten, Zucker, Milch, Fett und Kaffee sind rationiert, für Käse, Eier und Reis werden Einkaufsscheine ausgegeben, statt des verbotenen Bohnenkaffees trinkt man Zichorien-, Feigenoder Lupinenkaffee. Seit dem September 1916 sind drei fleischlose Tage in der Woche einzuhalten, und die Menge der Fettprodukte für eine Person wird festgesetzt.302 Aber die staatliche Lenkung kann Schleichhandel, Panikkäufe und Wucherpreise auf dem Schwarzmarkt nicht verhindern. Vor den Geschäften bilden sich lange Schlangen. Oft stellen sich die Frauen schon abends oder nachts an, um an Lebensmittel zu kommen. Metall wird requiriert, jeder Haushalt hat alle Geräte aus Kupfer oder Messing zu melden, natürlich auch Schmuck, Helene Berg braucht nur einen Schneekessel, eine Ofenvorlage und die Herdwasserwanne abzugeben. Suppenküchen für Arme werden eingerichtet. Schon 1914 hatte Eugenie Schwarzwald zur Gründung von Gemeinschaftsküchen aufgerufen, 1917 entstehen dann auch die ersten „Schwarzwaldküchen“. Vom Essen ist nun ständig die Rede in Bergs Briefen an seine Frau. Er fürchtet, dass Helene aus Sparsamkeit zu wenig isst, er dagegen habe neulich, statt in die Abfütterungsanstalt des Kriegsministeriums zu gehen, über die Schnur gehaut und in einem Hietzinger Lokal Gemüse und Krenfleisch verspeist, dazu ein Pils getrunken, also insgesamt 5,64 Kronen verprasst.303 Aus Trahütten berichtet Helene, ihr Vater geize so mit dem Essen, beargwöhne „jeden Bissen voll Neid“. „Wenn wir Abends zum Gemüse ein Ei haben ist er außer sich!“304 Franzl, der sich zur Behandlung seiner Geisteskrankheit in Schweizer Hotels aufhält, wird großzügig mit Geld unterstützt, Helene aber werde jeder Bissen nachgerechnet. Berg rät ihr, eine von ihm mitgebrachte Salami für die Selbstversorgung geheim zu halten. Sie ist besorgt um ihn: Er dürfe sich nicht so abhetzen, nicht rennen, nicht zu heiß baden, nicht unnütz Aspirin nehmen, auf keinen Fall von der Elektrischen abspringen. Obwohl die Arbeit im Büro Berg kaum beansprucht und er geradezu eine komode Zeit hat, seit der Vorgesetzte, Major Steiner, im Urlaub ist, hat er den Wozzeck monatelang nicht mehr angerührt: Alles erstickt, verschüttet.305 Er weiche immer mehr al-

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lem aus, was Leben heiße, rühre auch das Klavier nicht mehr an. Was geistig u. seelisch dabei auf dem Spiel steht, das [...] weiß ich, und wenn ich daran denke, schaudert’s mich!306 Einmal spürt er abends auf der Gasse einen intensiven Heugeruch. In dieser 1/4Stunde Wegs (ich blieb oft wie betäubt stehn) sog ich in mich den Duft von 100 Sommernächten, um die mich ein blödsinniges Schicksal heuer gebracht hat.307 Die vielen Zerstreuungen, zu denen ihn meist die Göttels einladen, Kabarett, Kino, Volkstheater, dieses sogenannte vom Vergnügen zum Vergnügen jagen, beginnen ihn anzuöden, er gesteht sich ein: Man v e r k o m m t langsam.308 August Göttel, ein ehemaliger Schulfreund, der jetzt in der Woltergasse ganz in der Nähe der Trauttmansdorffgasse wohnt, ist als Immobilienhändler vermögend geworden und lädt Berg häufig zu opulenten Menüs ein, einmal zu Krebssuppe, Roastbeef, allerfeinster Schokoladentorte, Rotwein, Likör und Bohnenkaffee. Mit genügend Geld kann man sich fast alles leisten. Berg ist d i e Schmarotzerei schon peinlich.309 „Ein tiefer Riß ging durch das ganze Volk“, schreibt Stefan Zweig, „das Land war gleichsam in zwei verschiedene Welten zerfallen, vorne die Soldaten, die kämpften und das Grauenhafteste an Entbehrung erlitten, rückwärts die der Zuhausegebliebenen, die sorglos weiterlebten, die Theater bevölkerten und an dem Elend der anderen noch verdienten.“310 Berg ist gut versorgt im Kriegsministerium und auf dem Berghof, reichlich bewirtet wird er auch von Johanna Berg, Anna Nahowski und bei Charly in der Grabnergasse. Mama zahlt’s, ich steuere durch Consum, Einkaufsschein u. Lebensmittelabgabestelle des KM [Kriegsministeriums] zum Haushalt bei u. komme auf diese Weise [...] zu einer geregelten u. reichlichen Mahlzeit mittag.311 Wiederholt versichert er Helene, wie glänzend proviantiert er sei, wie fabelhaft er gegessen habe. Beide ermahnen einander, reichlich zu essen. „So lang der Papa so ein Krepierl ist – kann man an kein Kind denken!“312, mahnt Helene. Er aber ist zuversichtlich: Wir werden ein liebes gesundes Swipilinchen haben.313

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Am 21. November 1916 stirbt der Kaiser im 87. Lebensjahr, Wien hängt voller schwarzer Fahnen. Sein Nachfolger wird Karl I, sein Großneffe. Längst ist die anfängliche allgemeine Kriegsbegeisterung umgeschlagen in Ernüchterung, ja Verbitterung. Kohlen und Lebensmittel werden noch knapper, die Preise haben sich verdoppelt, ohnehin bleiben die meisten Geschäfte geschlossen. 5000 Dollar sind heute 6 0 . 0 0 0 K r o n e n ! rechnet Berg aus. Im F r i e d e n 25 000 Kronen.314 Manchmal lässt sich etwas im Tausch erwerben – Kartoffeln, Eier, Schmalz gegen Zucker, Tabak, Zigarren, Schnaps. Helene sammelt in Trahütten Preiselbeeren und Pilze, die sie trocknet, um im Winter etwas für Tauschgeschäfte zu haben. Ihre große Sparmeisterei315, die Berg immer übertrieben fand, ist jetzt nützlich. Durch die Trockenheit in diesem Sommer steigt die Hungersnot, zudem fordert die sich ausbreitende Spanische Grippe viele Todesopfer. Der Kriegseintritt der USA gegen Deutschland verschärft die Lage. Um die Opferbereitschaft der Bevölkerung zu steigern, wird im Juli 1916 die Kriegsausstellung, eine gewaltige Propagandaveranstaltung, im Prater eröffnet. In 25 Abteilungen, errichtet mit Hilfe vieler russischer Kriegsgefangener, sind Waffen, Trophäen und (auf Fotografien) Gefangenenlager und Verwundete zu sehen, sogar ganze Schützengrabensysteme sind ausgehoben. Zur Unterhaltung gibt es gastronomische Einrichtungen, einen Heurigenausschank, Kino, Theater, ein Orchester mit einarmigen Musikern. „Die allerentsetzlichste Schaustellung eines »Prothesenorchesters« – welchen Clou wird die Antimenschheit noch ersinnen?“, fragt Kraus in der Fackel.316 Im August 1917 berichtet Berg: Samstag Abends in der Kriegsausstellg. genachtmahlt sonst nichts angeschaut, aber das Getriebe da unten hat mich unangenehm berührt. Diese Mischung von Kanonen u. Operette, dieser jämmerliche Versuch auch heut noch mondän u. fesch zu sein. Wir aßen in der Hauptrestauration bei der Musik (aus Tannhäuserbachanal u. Puppenfee).317 Nachdem er im September 1916 zum Korporal befördert wurde, wird er im Juli 1917 Zugsführer, bekommt drei Sterne am Uniformkragen, den Dienstgrad eines Feldwebels hat er

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nicht erreicht. Als er im Juli fünf Wochen Urlaub erhält – offiziell für landwirtschaftliche Tätigkeit –, kann er in Trahütten endlich am Libretto seiner geplanten Oper Wozzeck weiterarbeiten. Helene beobachtet ihn „am Klavier, den Bleistift zwischen den Zähnen, die Lippen sind ganz voll von Holzfaserchen, vom zerbissenen Bleistift“.318 Während der Kriegsjahre ist Helene Berg im Sommer häufig zu Gast bei Alma Mahler in Breitenstein am Semmering, etwa zwei Stunden Bahnfahrt von Wien; vor Gustav Mahlers Tod hatten die Bergs aus Scheu von Besuchen abgesehen. In der Einsamkeit ihres riesigen Ferienhauses braucht Alma Mahler Gesellschaft. Helene berichtet manchmal über ihre Allüren („Sie empfängt mich im Bett, der Teetisch ist gerichtet. Große Huld!“), dann wieder über das gemeinsame Musizieren Almas mit einem Cellisten („Brahms. Pfitzner! herrlich!“319). Nach einer leidenschaftlichen Affaire mit Oskar Kokoschka, der seit Kriegsbeginn im Dragonerregiment dient, heiratete Alma Mahler am 18. August 1915 den Architekten Walter Gropius, den Geliebten schon seit ihrer Ehe mit Gustav Mahler. Als Manon Gropius im Oktober 1916 geboren wird, ist Alma siebenunddreißig. Almschi verlor langsam alle Haare. Sie schaute aus wie ein Indianerweib, berichtet Berg seiner Frau im Sommer dieses Jahres. Die Füße – ich traute meinen Augen nicht, hie und da unter dem Plisséekleid hervor blickend: auf Strohsandalen – – – – nackt!! Aber sie sei immer charmant und unentrinnbar liebenswürdig.320 Sie ist früh gealtert, trinkt viel. Von den beiden Kindern aus ihrer ersten Ehe lebt nur noch Anna Justina, „Gucki“, mittlerweile fast ein Teenager. Maria Anna war schon mit vier an Diphtherie gestorben. Im Hause Mahler wird viel musiziert, Hugo Wolfs Geistliche Lieder aus dem „Spanischen Liederbuch“ mit Gucki am Harmonium, Almschi am Klavier, auch Bergs Sonate und die Lieder op.2 spielen sie in Breitenstein. Berg genießt seine kurzen Besuche bei Alma Mahler, Helene ist manchmal eifersüchtig. An Gropius, der an der belgischen Front steht, schreibt Berg einen ausführlichen Brief über die kleine Manon, berichtet von den Wundern, die er an „Mutzi“ beobachtet hat.321 Eine Summe

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von Schönheit, Licht und Sonne322 sind die Stunden in Breitenstein, erst recht, wenn er auch Helene dort antrifft. Wenig erquicklich sind die Abende bei seiner Mutter wegen ihres allzu reichlichen Alkoholgenusses und Charlys intriganter Frau Stefanie.323 Über den Abend nach einer Probe von Schönbergs Kammersinfonie schreibt er Helene: Noch voll des Gottes u. der Schönheit [...] betrat ich das Zimmer, wo m. Familie des Alkohols voll, unfähig ein Gespräch zu Ende zu führen, und dieses immer voller bourgeoister Anschauungen [...] herumlungerte. So wie mich das angewidert hat und mich nahe an offensichtliche Empörung brachte, kann ich Dir nicht sagen!324 Seit Wochen ist er ohne Klavier, das er doch zum Komponieren braucht. Dann: das Milieu im Kriegsministerium! Wenigstens nach Dienstschluss hofft er in eine geistig und körperlich reine Atmosphäre325 zu gelangen. 68 russische Kriegsgefangene waren im Winter 1917 vier Wochen lang auf dem Berghof einquartiert, danach sind alle Vorräte aus dem Eishaus gestohlen.326 Im letzten Kriegsjahr steigt die Hungersnot, Fleisch gibt es kaum mehr zu kaufen, es kommt zu Hungerkrawallen und Plünderungen. Johanna Berg berichtet im August von einer kleinen „Revolution“ in Villach. Ein Metzger habe kein „Einheitsrindfleisch“, das subventioniert wird und billiger ist, mehr vorrätig gehabt und nur noch das sehr teure „Extremrindfleisch“ angeboten, die wartende Menge aber suchte den Verkauf zu verhindern: was unerschwinglich für die Armen sei, sollten auch die Reichen nicht haben. „Man plünderte die Läden mit Esswaren, schlug die Fenster ein.“ An den Aktionen, bei denen ein Delikatessengeschäft ausgeraubt und demoliert wurde, seien vorwiegend Frauen, „die eigentlichen Revolutionäre“, beteiligt gewesen, sechzehn seien verhaftet worden. „Man kam vielen Schweinereien auf die Spur“, schreibt Johanna, besonders die feineren Geschäfte hätten heimlich große Mengen von Waren gehortet.327 Die Preise sind um ein Vielfaches gestiegen, eine Mahlzeit, die wirklich sättigt, kostet jetzt 25 Kronen. Ende Juni hat Berg

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schon das ganze Gehalt für den Juli aufgebraucht.328 Er raucht fast gar nicht mehr, Zigaretten braucht man jetzt als Trinkgelder. Die Briefe, die zwischen Wien und Trahütten, wo Helene wieder den Sommer verbringt, hin und her gehen, drehen sich fast nur noch um die Beschaffung von Lebensmitteln und beschreiben in allen Einzelheiten die täglichen Mahlzeiten. Wenn ich so einen Brief durchlese, graust mir immer329, muss Berg zugeben. Was sind das für Zeiten! Früher haben wir uns von Blumen geschrieben, heut redt man nur noch von Schmalz.330 Einen Monat lang sind die immer neuen Schwierigkeiten mit seinem Urlaubsgesuch fast das einzige Thema seiner Briefe an Helene, er hofft auf eine Verlängerung wegen angeblicher landwirtschaftlicher Arbeiten auf dem Theissl, einem kleinen Hof seiner Schwiegermutter. Doch sein Vorgesetzter, Major Steiner, lässt das Gesuch wochenlang liegen. Da hilft es auch nicht, dass Berg ihm ab und zu Butter mitbringt. Also wieder nur am Papier leben, weiter vegetieren.331 Endlich, am 15. Juli, sind sechs Wochen Urlaub bewilligt. Ausgerechnet jetzt leidet er wieder einmal unter Furunkeln, die mehrmals am Tag geöffnet werden müssen, wo er doch die Zeit zum Komponieren brauchte, für die Arbeit am Wozzeck. Steckt ja auch ein Stück von mir in seiner Figur seit ich ebenso abhängig von verhaßten Menschen, gebunden, kränklich, unfrei, resigniert, ja gedemüthigt diese Kriegsjahre verbringe, schreibt er an Helene.332 Sie hilft während seines Urlaubs eine Woche in Breitenstein aus, da Alma Mahler eine Frühgeburt333 hatte und Gucki und Mutzi betreut werden müssen. Fast ein Vierteljahr lebt er nun von Helene getrennt, sehnt sich nach ihrem festen, zielbewußten Charakter in dieser schwankenden Umgebung, ohne sie verwildere er immer mehr.334 Trotz der Kälte verbietet Nahowski zu heizen, Alban behandelt er wie Luft. Diese Art der Behandlung, die man entweder ungezogenen Kindern oder Dienstboten, denen man kündigen will, zeigt, [...] empört mich immer mehr.335 Eine Erzählung des ungarischen Schriftstellers Zsigmond Móricz, „Arme Leute“, erschüttert ihn. Der Held ist ein Verlorener wie Wozzeck. Das ist das Qualvollste, was ich überhaupt je gelesen habe.336 Erzählt wird von einem Kriegsheimkehrer, einem

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Tagelöhner, den die bittere Armut seiner Familie und die Abstumpfung und Verrohung durch Kriegserlebnisse zum Raubmörder werden lassen. Um an Geld zu kommen, ersticht er zwei Kinder. Er ist unfähig zur Reue, schämt sich dafür vor seiner Frau, sie aber beweint „ihren Gatten, den Menschen, der er einst gewesen war.“337 Im Kopf noch immer das Getöse der Schlachten, erkennt er, dass er auf der falschen Seite, gegen die Russen, gekämpft hat, im Klassenkampf wäre sein eigentlicher Platz gewesen. Im September arbeitet Berg wieder im Kriegsministerium. Ich habe ein wenig angefangen das in Trahütten Komponierte zu instrumentieren, berichtet er Helene. Ich wäre in der Früh so frisch zum Arbeiten, hätte viel Lust u. ich muß ins Büro. Und nach dem Essen oder abends ist er zu müde. Die blöden Amtsstunden seien zum Verzweifeln.338 Eine „belobende Anerkennung“ für „vorzügliche Dienstleistung“ wird ihm ausgestellt, statt des erhofften Silbernen Verdienstkreuzes bloß ein Papierorden. Er überlegt, auf welche Weise eine Enthebung durchzusetzen wäre oder ob er im Kriegspressequartier unterkommen könne oder einen Offizierskurs absolvieren solle, denkt daran, Alma Mahlers Hilfe in Anspruch zu nehmen, die doch alles zuwege bringe.339 Obwohl ihn seine Schwägerin Anna Lebert durch das Dienstmädchen morgens oft mit einem fulminanten Frühstück, Milch, Bohnenkaffee und Butterbrot, versorgt, was ihm nahezu peinlich ist – denn zahlen lässt sich die Antschi nichts340 –, muss er seine Mutter um eine Erhöhung der Apanage bitten. Johanna schickt ihm einstweilen monatlich 550 Kronen, 200 Kronen zusätzlich. Smaragda und Alban bleiben ihre „Sorgenkinder“. Smaragda, die auf eine bestimmte Diät angewiesen ist und ein Sanatorium in Berlin aufgesucht hat, kommt mit ihrer Apanage nicht mehr aus. Im Oktober 1917 hat Johanna Berg ihr tausend Kronen geschickt. Und an Alban schreibt sie: „Mit der Componiererei verdient man nichts – man muß nur die Nebenwege Schönbergs einschlagen, dazu sind meine Kinder aber alle nicht veranlagt; also – kann ich bei bestem Willen nicht ruhig in Deine Zukunft sehen.“ Da Alban und Helene getrennte Kassen

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führen, weiß sie: „Auf Helene ist nicht zu rechnen, die würde von ihrem Gelde nichts angreifen.“341 Zwar gelang es mit Hilfe von Eugenie Schwarzwald, Schönberg, der in ein Musikbataillon versetzt war, einen Urlaubsschein auf unbestimmte Zeit zu verschaffen – er brauchte nicht wieder einzurücken –, aber ihm und seiner Familie ging es schlecht. Nachdem er am 1. Oktober 1917 wegen eines Streits mit Henriette (Lilli) Lieser, seiner Vermieterin und Mäzenin, die bisherige Wohnung in der Gloriettegasse hatte verlassen müssen, bezog er mit seiner Frau und den beiden Kindern notgedrungen zwei teure Zimmer in einer Pension, danach eine Wohnung in der Rechten Bahngasse und war in großen Geldschwierigkeiten. Die Verhandlungen über eine amerikanische Erstaufführung der Gurrelieder zerschlugen sich, weil Schönberg das gesamte Honorar, etwa 5.000 Dollar, im voraus verlangte. Von seinem Bruder Hermann erfährt Berg, dass sich Musiker auch in den USA haarsträubende „Demüthigungen“ gefallen lassen müssten. Richard Strauss habe man, wie Hermann von Edgar Varèse erfuhr, angeboten, „im Warenhaus Wannemaker zu concertieren – im offenen Hause wo die Weiber gleichzeitig Unterröcke kaufen!“342 Berg und andere Schönbergschüler, Webern, Stein, Jalowetz, bemühen sich für ihren Lehrer um Spender, Zemlinsky, Hertzka, Eugenie Schwarzwald und Alma Mahler unterstützen die Aktion. Webern, der selbst sehen muss, wie er seine Familie durchbringt, bietet spontan 1.000 Kronen an. Der Kompositionskurs, den Schönberg in der Schwarzwaldschule hält, hat für eine Lebensmittelspende gesammelt, die dem Lehrer im Juni überreicht wird, Berg schätzt den Wert auf 600 Kronen. Im Juni des letzten Kriegsjahres, ausgerechnet am 23. – diese Zahl hält er noch immer für seine Schicksalszahl –, hat Berg ein beglückendes Erlebnis. Schönberg wohnt seit dem 1. April in Mödling, Bernhardgasse 6, etwa zwanzig Kilometer von Wien entfernt, neuerdings auch mit der Elektrischen zu erreichen. Das Haus mit dem Ecktürmchen liegt in einem schönen Garten, die Wohnung im Hochparterre bietet genügend Platz zum Musizieren, so dass sonntags oft Hauskonzerte statt-

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finden mit Liedern, Streichquartetten oder auch Orchesterstücken an zwei Klavieren, dem Ibach-Flügel und dem Pianino der Tochter Trude. Außerdem stehen noch ein Harmonium, Violinen, eine Bratsche und ein Cello bereit. Fast alle Möbel in seinem Arbeitszimmer hat Schönberg selbst gebaut: Schränke, Bücherborde, ein Stehpult, seine Noten hat er selbst eingebunden „wie ein ganz feiner Buchbinder“.343 Zweimal wöchentlich hält er Kurse in der Schwarzwaldschule, aber Privatschüler unterrichtet er jetzt in Mödling. Immer kann man ehemalige Schüler bei ihm antreffen. Webern, wegen seiner Sehschwäche schon Ende 1916 aus der Armee entlassen, ist im Juni ganz in seine Nähe gezogen, fast täglich geht er zu den Schönbergs. An diesem Tag trifft Berg ihn dort mit seiner Frau und den drei Kindern. Auch Steuermann und eine seiner Schwestern sind gekommen, so dass an zwei Klavieren musiziert werden kann, dieses Mal erklingen Schönbergs Orchesterstücke op. 16. Schönberg ist in einer guten Verfassung. Durch das Mahlerstipendium sowie eine anonyme Spende von 10.000 Kronen sei er für die nächste Zeit aller Sorge enthoben, berichtet Berg. Von Schönberg aufgefordert, sei er allein zum Abendessen geblieben, dabei habe Schönberg ihm das Du angeboten.344 Vier Jahre seiner besten Zeit hat ihm der Krieg gestohlen. Von Helene ist er die meiste Zeit getrennt, jetzt, im September, hält sie sich vierzehn Tage auf dem Berghof auf und berichtet von Fliegeralarm in Villach. Wegen der Gepäckkontrollen müssen die Lebensmittel, die sie vom Berghof mitbringen will, gut versteckt werden. Die Trennung von Alban will sie nun nicht länger hinausschieben. „Wer weiß wie lange wir noch leben.“345 Er hatte ihr geschrieben: Du lieber Goldfasan. Heut hab ich so schwül von Dir geträumt. Es ist hohe Zeit dass Du kommst, sonst geschieht was.346 Seit Monaten werden Durchhalteparolen verbreitet, die Neue Freie Presse berichtet von der Rede Kaiser Wilhelms II. an die Arbeiter der Firma Krupp: „Werdet stark wie Stahl, [...] wir wollen kämpfen und durchhalten bis zum Letzten.“347 Schon im

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August 1918 sind die ausgezehrten und erschöpften Truppen Österreich-Ungarns nicht mehr kampffähig, weit über eine Million Soldaten sind gefallen, darunter auch ein Schüler Bergs, Karl Sluzanski, bei einem Kampfeinsatz als Flieger. Am 3. November wird die k. u. k. Monarchie zur Kapitulation gezwungen, Kaiser Karl I. tritt zurück, die Kroaten, Serben, Slowenen, Polen, Tschechen und Ungarn erklären ihre Unabhängigkeit von der Habsburger Monarchie, „was übrig blieb, war ein verstümmelter Rumpf“.348 Am 12. November wird aus dem ehemaligen Großreich, der durch Gottesgnadentum legitimierten Donaumonarchie, ein Kleinstaat, die Republik Deutschösterreich.349 Ein Jahr später schreibt Berg nach einem Besuch bei Freunden: Wahrlich, da verlernt man den Monarchismus. 1 Sohn gefallen, der Schwiegersohn ebenso. 1 junger 22jähriger vor kurzem aus der Gefangenschaft heimgekehrt: schwerste Malaria, als Komplication eine geschwollene Milz, [...] kurzathmig, hohlwangig, Augen und Mund hervorquellend, arbeitsunfähig: ein Todes Kandidat. Als Abfertigung vom Staat 53 K erhalten.350

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Der Öffentlichkeit entrückt Im Juni 1918, während Berg noch im Kriegsministerium arbeitete, hatte Schönberg Subskribenten zu zehn öffentlichen Proben seiner Kammersymphonie op. 9 eingeladen. Er wusste, dass das Publikum durch wiederholtes Hören allmählich vertraut wird mit neuartiger Musik, wenn das Ohr lernt zu unterscheiden, wiederzuerkennen, Schönheit wahrzunehmen. Eine Erfahrung, die auch Franz Werfel machte, er sang schließlich vor Begeisterung beim Adagio mit. Berg war seit langem vertraut mit Schönbergs Kammersymphonie, er hatte in den Jahren vor dem Krieg einen vierhändigen Klavierauszug des Werks angefertigt. Natürlich richtete er es so ein, dass er bei allen Proben, die im kleinen Konzertsaal des Musikvereins stattfanden, dabei sein konnte, auch wenn er manchmal das Büro schwänzen musste. Unter den zahlreichen Zuhörern traf er fast immer Alma Mahler mit ihrer Clique, das Ehepaar Webern und Adolf Loos mit der Tänzerin.351 Gegen das Projekt werde kolossal agitiert352, berichtete Berg, nämlich von Arnold Rosé und seinem Anhang, von Schrekerschülern und dem kleinen Korngold.353 Aber die letzte von den zehn öffentlichen Proben wurde ein glänzender Erfolg. Loos leitete das Konzert ein mit einem kurzen Vortrag, „Die kranken Ohren Beethovens“: Beethovens Zeitgenossen hätten vermutet, der Komponist so schrecklicher Dissonanzen habe kranke Ohren. Nach Loos‘ Einleitung erklang die vollständige Kammersymphonie. Schönberg dirigierte – lächle nicht! – wie ein König, schrieb Berg an Alma Mahler, es habe eine viertelstundenlange Ovation354 für ihn gegeben. Der Erfolg der Aktion regte zu einem eigenartigen Experiment an. Ende Juni entstand bei einem der sonntäglichen Treffen in Mödling der Plan, der Musik von Mahler bis zur Gegenwart durch wiederholte Aufführungen ein Forum zu verschaffen. Dazu wollte man einen „Verein für musikalische Privataufführungen“ gründen. Eine herrliche Idee,355 fand Berg. Die Exklusivität schien erforderlich wegen der Störungen während

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der Konzerte mit zeitgenössischer Musik, der ausbleibenden Resonanz und der manchmal hämischen Kritik der Journalisten, auch wegen der meist schlechten Aufführungsqualität. So legte man besondere, zum Teil rigorose Grundsätze für die Privataufführungen fest, Alban Berg fasste die Statuten in einem Prospekt zusammen: 1. Alles Zeitgenössische, was Namen oder Physiognomie und Charakter habe, solle aufgeführt werden; keine Stilart werde bevorzugt. 2. Die Werke sollten mit einer im heutigen Konzertleben nicht zu findenden Sorgfalt und Gründlichkeit einstudiert werden. 3. Die Aufführungen fänden wöchentlich statt (zunächst freitags im Festsaal des Kaufmännischen Vereins). 4. Die Werke sollten wiederholt werden, im allgemeinen zwei- bis viermal. 5. Zum besseren Verständnis werde es Einführungen geben. 6. Die Aufführungen selbst seien dem korrumpierenden Einflusse der Öffentlichkeit entrückt. Das hieß, lediglich Vereinsmitglieder hatten Zutritt, Gäste, abgesehen von auswärtigen, durften nicht mitgebracht werden, Mitgliedsausweise waren nur mit eingeklebtem Foto gültig, Beifalls- und Missfallenskundgebungen blieben untersagt, das Programm wurde vorher nicht bekanntgegeben. Dieser Rückzug zu einer musica reservata hatte fast etwas Komisches. Anton Webern, Alban Berg und Eduard Steuermann, die die Werke einstudierten, bekamen den altertümelnden Titel „Vortragsmeister“, außerdem wurden ein Kassenwart, ein Sekretär, ein Archivar und ein Schriftführer bestellt. Präsident des Vereins war Arnold Schönberg, der allerdings oft für längere Zeit verreiste, so dass Erwin Stein seine Aufgaben übernehmen musste. Schönberg hielt Kontakte zur Avantgarde des Auslands für wichtig, auch wenn er ihre Musik nicht immer schätzte. „Das Kino und der französische Einfluss verderben alles“, klagte er einmal. Keiner von den jungen Komponisten könne wirklich etwas. „Alle sind raffiniert modern; d.i. debussistisch.“356 Dennoch, Debussy, Strawinsky, Prokofjew, Ravel, Milhaud, Poulenc, Skrjabin, Bartók, Kodály und Szymanowski wurden neben anderen in den Vereinskonzerten gespielt. Berg liebte Debussy, der 1918 in Paris gestorben war, und Stra-

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winskys schlagzeugartige „Piano-Rag-Music“ gefiel ihm besonders. „Seit den Tagen Mahlers hatte man keine so vollendeten Aufführungen gehört, denn für jedes Werk waren wenigstens zehn Proben angesetzt“, berichtet Wellesz.357 Damit nicht nur Kammermusik auf die Programme gelangte, erklang Orchestermusik, etwa von Mahler, Reger, Debussy, in Bearbeitungen für zwei- bis achthändige Klavierbesetzung, von Strauss sogar die „Alpensymphonie“. Die Pianisten Eduard Steuermann und Ernst Bachrich waren ständig beschäftigt. Steuermann spielte Schönbergs Werke wie keiner, frei, völlig undogmatisch, singend. Sein Neffe Michael Gielen erzählt, Steuermann habe sich einmal bitter darüber beklagt, dass Schönberg fortwährend seine Dienste in Anspruch genommen habe, auch zur Anfertigung von Klavierauszügen („Erwartung“, „Die glückliche Hand“), dabei habe er doch bei ihm Komposition studieren wollen.358 In der ersten Konzertsaison bis Juni 1919 gab es noch kein Werk von Schönberg zu hören, Bergs Lieder op. 2 standen zweimal, seine Sonate dreimal auf dem Programm, herrlich gespielt von Steuermann, der Reigen aus den Orchesterstücken op. 6 wurde in Bergs eigener Bearbeitung für zwei Klaviere zu acht Händen aufgeführt. In den folgenden Spielzeiten gelangten auch die Vier Klarinettenstücke op. 5 in das Konzertprogramm, seine Sonate und die Lieder op. 2 wurden wiederholt. Besondere Aufmerksamkeit erregte Ende April 1921 Schönbergs „Pierrot lunaire“, danach gab es ihn noch viermal zu hören. „Pierrot lunaire“ hatte Schönberg auch im Ausland berühmt gemacht, Debussy, Ravel, Strawinski bewunderten das Werk. Am häufigsten auf den Programmen, vor Debussy und Schönberg, erschien Max Reger, dessen schwierig zu spielende Musik sonst selten aufgeführt wurde. Im Oktober 1920 hatte der Verein ein Konzert zu Ehren Maurice Ravels mit „Gaspard de la nuit“, „La valse“ und dem Streichquartett veranstaltet; der Komponist lobte die Interpretation überschwänglich. Drei Wochen war er, gemeinsam mit Alfredo Casella, zu Gast bei Alma Mahler, wo er morgens „in bunten Atlasgewändern“, „geschminkt und parfümiert“359 zum Frühstück erschien. Abends, beim Heurigen, zeigte er sich entzückt von der „charmanten“ Musik und dem

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guten Wein. Auch Francis Poulenc und Darius Milhaud hatte Alma Mahler 1922 in ihre Stadtwohnung eingeladen, wo sie mit Schönberg, Webern, Berg, Egon Wellesz und Hugo von Hofmannsthal zusammentrafen. Poulenc und Milhaud besuchten auch Schönberg in Mödling, dort spielten sie vierhändig „Le bœuf sur le toit“. Im Zuge der allgemeinen Preissteigerungen hatte der Verein die Mitgliedsbeiträge inzwischen auf das Zehnfache erhöht. Berg klagt in einem Brief an seinen Bruder Hermann, er komme seit Jahren nicht mehr in die Staatsoper. Ich als Musiker! Der allerschlechteste Galleriesitz kostet 100–200 Kronen. In Amerika könne man sich von den Wiener Zuständen keinen Begriff machen. Der Kontrast zwischen arm und reich ist so kolossal u tritt so ununterbrochen zu tage, wie vielleicht noch nie in der Welt. Geschäfte: Man macht sich z. Bsp. keinen Begriff von dem Luxus, den Orgien u Prassereien der »neuen Reichen«. Es gibt jetzt vielleicht 1 0 0 m a l so viel Vergnügungslokale als vor dem Krieg. [...] So daß es natürlich Menschen gibt, die überhaupt n i c h t s davon zu sehn kriegen, während es in Schieberhäusern Festmahle gibt, die 100.000 K. bis ½ Million a u f e i n m a l verschlingen.360 Im Verein blieben Beitragszahlungen aus, die Kosten überstiegen die Einnahmen. Es wurde immer schwieriger, Sänger und Streicher für geringes Honorar zu engagieren – Schönbergs Schüler Rudolf Kolisch hatte sein Quartett noch nicht gegründet –, zudem mussten das Aufführungsmaterial, der Transport der Instrumente sowie ein Konzertraum bezahlt werden, zuletzt der Festsaal des Ingenieur- und Architektenvereins in der Eschenbachgasse. Schönberg war wieder oft auf Reisen, 1920 hielt er sich lange in Holland auf, wohnte sechs Monate mit seiner Familie in Zandvoort und kehrte erst im März 1921 nach Wien zurück. Seine Gegner mokierten sich über den Verein, manchmal auch seine Freunde. Während einer Gesellschaft bei Alma Mahler, die neuerdings sogar mit Erich Wolfgang Korngold Freundschaft geschlossen hatte, so berichtet Helene Berg, machte sich Wilhelm Grosz, ein Schrekerschüler, über den Verein und „seine vielen unnützen Proben“ lustig. Was Helene besonders er-

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zürnte, war das Verhalten Almas und ihrer Tochter Anna, die Grosz „kräftig“ unterstützten und sich über seine „Witze“ amüsierten. „Weberns armes, verquältes, verhungertes Gesicht erschien mir plötzlich in seinem reinen, heiligen Eifer u. ich hätte am liebsten geheult!“361 Am 27. Mai 1921 veranstaltete der Schönberg-Verein, wie er allgemein genannt wurde, ein außerordentliches Konzert. Vier Walzer von Johann Strauß (Sohn) erklangen in Bearbeitungen für Salonorchester: Klavier, Harmonium und Streichquartett. Schönberg hatte zwei Walzer, „Rosen aus dem Süden“ und den „Lagunenwalzer“, bearbeitet, Webern den „Schatzwalzer“ und Berg „Wein, Weib und Gesang“. Schönberg wechselte sich mit Kolisch an der 1. Violine ab, zwei von Schönbergs Schülern übernahmen die 2. Violine und die Bratsche, Webern spielte Cello, am Klavier saß Steuermann, am Harmonium Berg. Das begeisterte Publikum beteiligte sich rege an der anschließenden Versteigerung der Manuskripte. Die Walzer klangen durchwegs fabelhaft gut, sogar mein ‚Wein, Weib und Gesang!‘ Schönbergs Instrumentation überragte natürlich die meine weit, berichtete Berg. Aber die Arbeit!!! Fünf fünfstündige Proben. In drei, vier Tagen so einen Riesenwalzer instrumentieren! Die Stimmen herausschreiben! Der Wust von administrativen Vorarbeiten.362 Das letzte Konzert fand am 5. Dezember 1921 statt, danach musste der Verein aus Geldmangel aufgelöst werden. Insgesamt waren 250 zeitgenössische Werke aufgeführt worden, die meisten zwei- bis viermal; zehn bis dreißig Proben hatte man für jedes Sück abgehalten.363 Bartók wollte in Budapest einen Verein nach dem Wiener Vorbild gründen und ließ sich von Berg Unterlagen zuschicken. Auch die Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ übernahm Ideen des Schönberg-Vereins. Und eine Zeitlang noch leitete Zemlinsky in Prag quasi eine Filiale des „Vereins für musikalische Privataufführungen“.

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Familienszenen Im November 1912 hatte Alban auf den Berghof fahren müssen, weil ein Feuer im Stall erheblichen Schaden angerichtet hatte. Endlos und wie meist nicht sehr geschickt verhandelte er mit den Versicherungsagenten. Im nächsten Jahr fand er auf dem Berghof alles in schönster Ordnung, den Gemüsegarten sehr gepflegt, den Stall prächtig renoviert. Für die Bewirtschaftung des Kärntner Guts wurde Charly Berg im letzten Kriegsjahr freigestellt, er hatte auch die Verwaltung der Häuser seiner Mutter übernommen und wohnte nun mit seiner Frau Stefanie und dem Sohn Eric auf dem Berghof. Nach dem Krieg hatten Slowenen, Kroaten und Serben kurzfristig einen eigenen Staat364 unter der Führung des ehemaligen serbischen Königs, Peters I., gegründet. Im November 1918 besetzten Truppen des neuen Königreichs einige Städte in Südkärnten, so dass die Landesregierung einen bewaffneten Widerstand organisierte und 1919, als die Lage bedrohlich wurde, zur Verteidigung Soldaten rekrutierte. „Die Gendarmen gehen von Hof zu Hof & treiben alle wehrpflichtigen Männer mit Bajonett auf nach Villach“365, berichtet Charly. Er hält mit seiner Mutter und seiner Frau die Stellung, es besteht die Gefahr, ausgeraubt zu werden, entweder von den gegnerischen Truppen oder von der Volkswehr. Aber von der Landwirtschaft scheint er wenig zu verstehen, sich auch nicht genügend um den Hof zu kümmern. Denn Alban und seine Schwester in Berlin haben etwa gleichzeitig eine anonyme Warnung aus Villach erhalten: der Hof sei heruntergewirtschaftet, es stehe schlecht um Johanna Bergs Finanzen, auch um ihre Gesundheit. Die Nachricht erreicht Berg mitten in seiner Arbeit am Wozzeck, und das Ergebnis seiner Nachforschungen ist beunruhigend. Wegen des neuen Mobilisierungsgesetzes fürchtet er, einrücken zu müssen, sobald er sich in Kärnten sehen lässt, wagt daher mit Helene nur einen kurzen Besuch auf dem Berghof. Johanna Berg hat sich von Charly und seiner Frau Stefanie drängen lassen, Charly tes-

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tamentarisch zum alleinigen Nutznießer des Berghofs zu bestimmen. In ihrem sonstigen Vermögen hat sie hohe Verluste zu verzeichnen. Smaragda Berg kommt im Oktober mit May Keller aus Berlin zu einem Familientreffen, ist auch bereit, mit May auf den Berghof zu ziehen, um sich einen Überblick zu verschaffen; offiziell, ihrer Mutter und Charly gegenüber, führt sie finanzielle Gründe für ihr Kommen an. Als sich herausstellt, dass Charly die Angestellten auf dem Hof gegen sich aufgebracht hat, dass Johanna Bergs Vermögen nur noch aus einem kleinen Kapital, einem stark belasteten Haus und dem Berghof besteht366 und dass sie ihr Testament tatsächlich zu Gunsten ihres Sohnes Charly geändert hat, kommt es zu fürchterlichen Familienscenen.367 Wegen übler Nachrede wird Bergs Schwägerin Stefanie gezwungen, eine schriftliche Ehrenerklärung abzugeben, sie hatte versucht, Smaragda mit falschen Behauptungen gegen Alban aufzuhetzen. Wie Charly die letzten Monate gewirtschaftet ja gestohlen hat, ist unbeschreiblich, berichtet Berg seiner Frau und zählt auf, welche Mengen an Lebensmitteln Charly mitgenommen habe, auch noch fast alles Küchengeschirr.368 Erschreckend sei, dass er, dessen Unehrlichkeit erwiesen369 sei, die Schlüssel zu Johannas Wohnung und also zu ihrer Kasse habe. Einige Tage später mutmaßt Berg, dass sein Bruder die Wohnung bereits ausgeraubt370 habe. Unter dem Eindruck, in eine „raffiniert angelegte falle“ geraten zu sein, schreibt Charly seinem Bruder einen zwölf Seiten langen Brief,371 in dem sich der heimliche Groll aus vielen Jahren in heftigen Beschuldigungen entlädt. Alban sei ein rücksichtsloser Egoist, „verbunden mit grenzenloser Willensschwäche“, immer nur bestrebt, andere für sich sorgen zu lassen. Ohne Gegenleistung lasse er sich von seiner Mutter aushalten, habe auf dem Berghof eine maßlose „Schwelgerei“ begonnen, eine regelrechte „Mastkur“. Nie habe er versucht, mit einem Beruf Geld zu verdienen, da er ja seit jeher „Arbeitslosenunterstützung“ von der Mutter beziehe. Einer, „der Monate lang auf der faulen Haut lag, der die Tage mit Frass, Schlafen, kurzen Verdauungs Spaziergängen & öffentlichen Verdauungs Konzerten zubrachte“, schwinge sich zum Richter über andere auf. Al-

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ban habe ihm nicht nur die Existenz ruiniert, sondern ihm auch die Mutter genommen. Kritik an Alban hat auch Hermann der Mutter gegenüber geäußert. Alban verteidigt sich in Briefen an die Mutter und an Hermann. Äußerst verletzt von Charlys Anschuldigungen und der Parteinahme seiner Mutter für Charly, weist er dieses Jahr ihr Weihnachtsgeschenk zurück. Johanna Berg ist verzweifelt. „Ich habe sie noch nie so weinen gesehen!!! (ohne Alkohol!)“, berichtet Smaragda. „Sie sprach immer von Cyankali nehmen.“ 372 Zu Weihnachten überweist Hermann Berg den Geschwistern Geld, Johanna Berg macht ihr Testament rückgängig und entzieht Charly und Stefanie ihr Vertrauen, Charly verlässt mit seiner Familie zum Jahresende den Berghof und nimmt wieder eine Stellung bei der Firma Borgfeldt an. Bis ein Verwalter gefunden ist, soll Alban gemeinsam mit May die Aufsicht über den Berghof führen. Die ahnungslose Familie, selbst Hermann, dem er viel Gutes verdankt, glauben, es sei sein größtes Glück, den Berghof zu bewirtschaften. Sie vergessen, daß ich Beruf und Berufung habe.373 Wieder einmal, wie schon im Brief an Franz Nahowski vom Juli 1910, glaubt er seine Arbeit, die Stellung im Verein, den Unterricht dreier Schüler, als eine richtige Beschäftigung374 verteidigen zu müssen, zumal er weiß, wie skeptisch seine Mutter Schönberg gegenüber ist; nicht nur Arthur Lebert redet verächtlich über Schönberg, auch Charly meint, mit dessen Klavierstücken könne man die Ratten auf dem Berghof vertreiben.375 Alban betont, keineswegs auf Gnadenbrot angewiesen zu sein; er verdiene – auch ohne Apanage – monatlich 850 K, hinzu komme Geld aus dem Erbe seiner Tante und Taufpatin, Maria Edler von Bareis, sowie das Weihnachtsgeschenk über 7.000 Kronen von Hermann, was 1.250 Kronen monatlich ausmache.376 Helene verkauft Bilder, Porzellan, eine Truhe und einen Gobelin aus ihrem gemeinsamen Besitz. „Das Geld leg ich Dir an! [...] Ich bin so glücklich, dass mein armer Putzi nun auch eine kleine Rente besitzen wird!“377, schreibt sie. Und er gesteht ihr: Du ahnst ja nicht, wie sehr ich darunter leide u. immer litt, daß i c h D i c h nicht erhalten kann.378

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In einem Brief vom Februar 1921 an Hermann und Alice schreibt er von wachsender Anerkennung im Ausland (voran Deutschland, dann Paris, echien, Italien), von all dem Ruhme, täglich bekomme er Kundgebungen dieser Anerkennung379. Eine Wunschvorstellung, mit nur sechs veröffentlichen Werken ist er keinesfalls berühmt, das Wozzeck-Particell wird erst im Oktober fertig. Gerade als Berg nach Kärnten gefahren ist, um den Berghof zu bewirtschaften, erreicht ihn am 12. Januar 1920 Schönbergs Angebot, eine Monografie über ihn zu schreiben. Er muss absagen: Ich möchte – neben dem Komponieren – am liebsten überhaupt nichts anderes tun als Führer, Analysen, Aufsätze über Dich u. Deine Werke u. Auszüge Deiner Kompositionen herstellen. Und nun k o m m t e i n m a l eine so schöne Gelegenheit – u. ich kann sie nicht ergreifen. / Ich bin hier so f e s t gehalten u. mit einer derartigen Last von Arbeit u. Sorge (12–13 Stunden tgl.) überbürdet, daß an ein Fortkommen von hier vorderhand nicht zu denken ist u. ich auch nicht die geringste Zeit (– nicht eine Stunde am Tag –) für mich und meine Arbeit verwenden kann.380 Bei einer Inventur zeigt sich, wie vernachlässigt der Hof ist, wie wenig Vorräte vorhanden sind und in welch schlechtem Zustand Felder und Vieh sich befinden. Durch die Misswirtschaft des Verwalters, der wegen Betrugs und Hehlerei zu vierzehn Tagen Haft verurteilt wird, ist der Hof nicht mehr tragbar. Charly hatte ihn trotz seines schlechten Leumunds eingestellt und selbst verschwenderisch gewirtschaftet. Er sei schwach und leicht beeinflussbar, aber resistent gegen Kritik, schreibt Hermann aus New York über seinen Bruder. Mit großem Enthusiasmus über die Zukunft des Berghofs habe er seine Stellung in der Firma aufs Spiel gesetzt, so dass Hermann seine Wiedereinstellung „einrenken“ muss.381 Manchmal arbeitet Berg von sieben Uhr früh bis abends acht Uhr auf dem Hof, ist übermüdet, beim Briefschreiben fallen ihm die Augen zu. Er fühlt sich einsam, möchte, dass Helene auf den Berghof kommt. „Wenn man nicht so modern u. freigeistig dächte“, sagt Smaragda, einig mit der Ansicht ihrer Mutter, könne man sich wundern, dass Helene Alban so allein

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lasse.382 Beim Holzfällen und Eisbrechen arbeitet Berg mit. Heut war der erste Eisbrechtag. Eis in der Dicke einer Oktave wird aus dem See draußen herausgebrochen, an’s Ufer geschleift [...] per Wagen zur Eishütte wo es zertrümmert u. eingestampft wird. Eine Riesenarbeit, woran außer mir, der ich schwer mitarbeitete, 6 Mann u. 3 Pferde teilnahmen, berichtet Berg Ende Januar. Es gibt Differenzen mit den Knechten, von denen manche durch die Wende unter der sozialistischen Regierung Karl Renners zu neuem Selbstbewusstsein kommen. Du hast ja keine Ahnung, was für Comunisten wir da haben, heut haben wir einen hinausgeschmissen!383, berichtet Berg. Er rät seiner Mutter zum Verkauf, Helene führt in einem Brief an sie viele Gründe auf, die dafür sprechen. Sich von dem Hof zu trennen fällt Johanna und auch Alban schwer. Seit zwei, drei Wochen seien die Tage herrlich, die Luft klarer, reiner krystallener als sonst. Die Schönheiten grenzen oft an das »Wunderbare« »Märchenhafte«. Um sieben Uhr früh sei es fast heller Tag, die Gipfeln rosig, der Himmel perlmutter blau, alles andere in [...] magischen Farben: Und hoch übern Dobratsch steht – unbeschadet der Tagesbeleuchtung – der goldsilbern glänzende Vollmond.384 Die Verhandlungen mit den Käufern, einer eigentümlichen Gesellschaft von Italienern und Lebemännern, zieht sich über Wochen hin. Ein Grammophon spielte ununterbrochen Mascagni, erzählt Berg über ein gemeinsames Mittagessen, wobei bei »schönen« Stellen mitgesungen wurde.385 Immer wieder werden Verabredungen von den Italienern nicht eingehalten, und es dauert noch bis Mitte Mai, ehe der Berghof für 1.250.000 Kronen verkauft werden kann.386 Die Sommermonate verbringt Johanna Berg jetzt in Küb bei Payerbach, wo Smaragda für sich und May ein kleines Haus zum Preis von 60.000 Kronen gekauft hat. Hermann Berg unterstützt die Geschwister weiterhin, stirbt aber plötzlich am 21. Februar 1921 nach einem Schlaganfall an Herzversagen. Erben seines Vermögens – „68.000 Dollar an Kapital und 142.000 Dollar in Aktien“387 – sind seine Frau Alice und seine Mutter. Damit ist Johanna Berg von Existenzsorgen befreit, sie erbt fast 11.000 Dollar und ein beträchtliches Vermögen an Aktien.388

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Weil sie jedem ihrer Kinder einen Betrag zukommen lässt, kann Alban sich wenigstens ein paar Monate ganz seiner Oper widmen. Ein neues Unglück bahnt sich an, als Alice Berg im Juli mit ihrer Mutter aus Amerika kommt, um ihre Verwandten zu treffen. Sie besucht Smaragda, May und Johanna Berg in Küb. „Alice ist entschieden schöner geworden, & spricht auch viel geistreicher!“, schreibt Johanna. „Ob für unsern Hermann diese ‚schöngeistige‘ Frau die ihn richtig beglückende gewesen ist?“ Einen Monat später erreicht Alban und Helene in Trahütten ein vertraulicher Brief Johanna Bergs: Smaragda liebe Alice „in wahnsinniger Weise“, obwohl sie doch wisse, dass Alice „eine Normalfrau“ sei.389 Alice, jung, draufgängerisch, verwöhnt,390 scheint Smaragdas Liebe zu erwidern. May, durch die Trennung nach ihrer zehnjährigen Beziehung vollkommen gebrochen, fährt mit ihrem Sohn nach Wien, zieht zunächst in Johannas Wohnung. Mays Unglück, das stumme Kämpfen über Wochen, der bevorstehende Abschied von Alice, die im September zurück nach Amerika fährt, stürzen Smaragda in Verzweiflung, sie nimmt Betäubungsmittel, fällt in Starrkrämpfe. Alice bittet Alban und Helene inständig, aber vergeblich, Smaragda zu Hilfe zu kommen. „2 Telegramme sind mir in einem Tag gefolgt mich zurückrufend“, schreibt sie. „Mir graut vor allem, vor der Reise, vor Amerika vor mir selbst überhaupt vor dem ganzen Leben.“391 In ihrem Brief vom 30. November aus New York aber steht: „Es war damals a l l e s a l l e s verkehrt und mir heute unbegreiflich.“ Und Johanna berichtet: „Smaragda ist doch ein anständiger Mensch, & hat der alten Freundin geholfen. May bleibt einstweilen in Küb.“392 Smaragda versöhnt sich wieder mit ihr.

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Musikschriftstellerei Immer wieder kommt Schönberg darauf zurück, mich für die M u s i k s c h r i f t s t e l l e r e i z u e r w ä r m e n ! !!!,393 schrieb Berg im Juni 1918 an seine Frau. Sie unterstützte diese Idee, als Schriftsteller gerate er während seiner Militärzeit nicht ganz in Vergessenheit. Der Gurrelieder-Führer394, auf den Berg sehr stolz war, gefiel Schönberg mittlerweile, nach anfänglicher Skepsis, nämlich doch. Schönberg gegenüber freilich wertete Berg in übergroßer Bescheidenheit den eigenen Stil als weitschweifig und schwerfällig ab.395 Aber er hatte einen analytischen Verstand und konnte anschaulich schreiben, während er sich in Diskussionen, die er über alles liebte, immer unterlegen fühlte. Anfang des Jahres 1920 plant er, sich g a n z der Musikschriftstellerei zu ergeben.396 Das würde mir auch in der Carrière sehr nützen u. einen hübschen Verdienst abwerfen, überlegt er, und beim Schreiben werde er dann immer zuhaus beim Pferscherl sitzen.397 Dabei steckt er mitten in der Arbeit an seiner Oper. Immer dringender fühlt er die Notwendigkeit, sich eine Existenz zu schaffen. Im Juni 1920 wird er Mitarbeiter bei den „Musikblättern des Anbruch“, die in der Universal Edition erscheinen. Als er aber am 1. September die Stelle des Redakteurs übernehmen soll, glaubt er sich den damit verbundenen Verpflichtungen nicht gewachsen: Die Aufsätze zusammenbringen, die so ein Heft, und vierzehn Tage darauf wieder eins, und so zwanzigmal im Jahr! – füllen. Dann: das nirgends Anstoßen, sich nirgends Verfeinden, das alles bereite ihm schlaflose Nächte, vertraut er Webern an.398 Nach seinem körperlichen Zusammenbruch wird der Vertrag gelöst, Paul Amadeus Pisk übernimmt die Redaktion, während Berg sich im Sanatorium HütteldorfHacking nur langsam erholt. Aber für das Juni-Heft des „Anbruchs“ hat er einen Artikel geschrieben, eine Erwiderung auf Hans Pfitzners Schrift „Die neue Ästhetik der musikalischen Impotenz. Ein Verwesungssymptom?“ aus dem Jahr zuvor, 1919. Schon mit diesem Titel greift Pfitzner Ferruccio Busonis

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„Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“ an, die Utopie einer zukünftigen Musik. Nur fünf Jahre älter als Schönberg, glaubte Pfitzner der letzte Komponist einer untergehenden Kultur zu sein und polemisierte gegen atonale („aharmonische“) Musik, gegen moderne Musik überhaupt, natürlich besonders gegen Schönberg. Als Vertreter der alten Genieästhetik wandte er sich auch entschieden gegen musikalische Hermeneutik und übte sarkastisch Kritik an Paul Bekkers 1911 erschienenem Beethoven-Buch, in dem dauernd von „poetischen Ideen“ die Rede sei, nichts als „metaphysischer Schwefeldunst“.399 Anlass für Bergs Polemik in seinem Aufsatz Die musikalische Impotenz der „neuen Ästhetik“ Hans Pfitzners ist dessen Behauptung, musikalische Qualität lasse sich nicht rational begründen; Pfitzner findet, von dem melodischen Einfall in Schumanns „Träumerei“ könne man nur schwärmen: „Wie schön!“400 Berg plädiert für ein würdigeres, jedenfalls sachlicheres Verhältnis zur Musik, zeigt die Möglichkeit, das Verständnis des Kunstwerks zu erschließen, und zwar – im Gegensatz zu den vagen Formulierungen Pfitzners – mit einer detaillierten Analyse der „Träumerei“, ihrer subtilen melodischen und rhythmischen Beziehungen, der Harmoniewechsel und des kontrapunktischen Satzes, den Pfitzner gar nicht bemerkt hat. Die Irrationalität bloßen Gefallens oder Nichtgefallens, die Pfitzner zu vernichtenden Urteilen über die „Scheußlichkeiten“ der modernen Musik treibt, demonstriert Berg am Schluss seines Artikels mit einem ironischen Lob des Eichendorff-Liedes „Nachts“ aus Pfitzners Zyklus op. 26, der noch im März 1919 in Schönbergs „Verein“ aufgeführt worden war. Indem er Pfitzners schwärmerische Sätze über Schumanns „Träumerei“ zur Charakteristik des Eichendorff-Liedes verwendet, demonstriert er die Beliebigkeit solcher Urteile: Wahrlich: Bei so einer Melodie schwebt man ganz in der Luft! Ihre Qualität kann man nur erkennen, nicht demonstrieren; [...] man versteht sich in dem durch sie empfundenen Entzücken – oder nicht; wer da nicht mitmachen kann, gegen den sind keine Argumente vorzubringen [...], als die Melodie zu spielen und zu sagen: „Wie schön!“401

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Alma Mahler behagte der Artikel überhaupt nicht, schließlich verkehrte Pfitzner in ihrem Haus. Ganz andere Bedenken gegen seinen Aufsatz hatte Alban Berg dann selbst: Das ist alles viel zu mild! Statt von vornherein zu sagen: das ist ein Tepp, sprech ich von einem „Komponisten vom Range Pfitzners“.402 Über Pfitzners „Palestrina“ notierte er: Instrumentation: ein saurer Klang. Dabei viel zu dick, die Sänger kaum hörbar, geschweige verstehbar. Nachdem man die vier Stunden der Aufführung abgesessen habe, wisse man, welch ganz großer Meister Richard Strauss sei.403 Alma Mahler aber schrieb ihrem verehrten Freund Pfitzner, sie habe Bergs „saudummen Artikel“ ihren Gästen vorgelesen, zur allgemeinen Belustigung „über die Definition einer Melodie mit a b c d e –“.404 Im August desselben Jahres verfasst Berg einen weiteren Artikel,405 eine Erwiderung auf zwei Feuilletons in Wiener Zeitungen, der „Neuen Freien Presse“ und dem „Neuen Wiener Journal“, die sich ebenfalls beide gegen die moderne Musik wenden. Mit Leidenschaft und Schärfe verteidigt er Schönberg gegen seine Kritiker, gegen Julius Korngold, Max Kalbeck und Elsa Bienenfeld, denen zwei Spalten genügten, um mit der atonalen Musik abzurechnen und ihren Repräsentanten Schönberg wieder einmal zu erledigen. Der ohnehin glaubensselige Zeitungsleser falle auf das abschließende Urteil herein, diese Musik sei erklügelt, seelenlos, anarchisch, in der Retorte entstanden. Bergs Widerlegung endet in einer bösen Attacke: eine solch verkommene Kritik könne ihren Grund nur in einer Impotenz sondergleichen haben.406 Sowohl die „Musikblätter des Anbruch“ als auch die Zeitschrift „Melos“ lehnten den Artikel ab, immerhin war Julius Korngold Wiens einflussreichster Musikkritiker. Im Sonderheft des „Anbruchs“ von 1924 zu Schönbergs fünfzigstem Geburtstag erschien Bergs Aufsatz Warum ist Schönbergs Musik so schwer verständlich?407 Als Beispiel dienen ihm die ersten zehn Takte des Streichquartetts d-Moll op. 7. Wie im Aufsatz über Pfitzner und in allen seinen Analysen erkennt man den musikalischen Aufklärer, der dem Musikhörer helfen will, musikalische Ereignisse nicht als Zufallserscheinun-

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gen wahrzunehmen, sondern einem Musikstück ebenso zu folgen, wie man dem Wortlaut einer Dichtung folgt.408 Die an Prosa erinnernde Melodieführung, der unsymmetrische Periodenbau, nämlich das Fehlen der gewohnten zwei- oder viertaktigen Phrasen, erschwere das Verständnis der Melodie und erst recht ihrer Varianten. Wegen des harmonischen Reichtums werde es zudem schwierig, die akkordische Grundlage einer Passage zu erkennen; ohne diese Erkenntnis aber nehme der Hörer nur Kakophonie wahr. Ein weiteres Hindernis für das schnelle Verständnis bilde die Gleichberechtigung aller Stimmen im kontrapunktischen Satz, weil sie erschwere, die Themen in ihren unterschiedlichen Charakteren zu verfolgen. Der Rhythmus endlich, der sich in einer noch nie dagewesenen Mannigfaltigkeit und Differenziertheit409 offenbare, erscheine Hörern, die an mechanische Rhythmen gewöhnt seien, arhythmisch. Der melodische und rhythmische Reichtum, die unermeßliche Fülle von Akkorden und Akkordverbindungen sowie die ganz außergewöhnliche Polyphonie410 seien es also, die den Zugang zu Schönbergs Musik erschwerten. Zweimal demonstriert Berg seine Thesen an Beispielen. Er verändert den Anfang des Quartetts zu einer braven Exposition des jetzt symmetrisch gebauten Themas, das sich ohne anstößige Sprünge und störende Polyphonie schön langsam entwickelt und dann auch noch wörtlich wiederholt wird. Ein anderes Mal notiert er das harmonische Skelett des Anfangs als choralartigen Satz. Geradezu unbegreiflich erscheine es dann, daß so etwas Einfaches jemals nicht verstanden werden konnte, ja sich seinerzeit einem sensationslustigen Premierenpublikum als eine Orgie von Dissonanzen präsentiert habe.411 Abschließend kommt er zu dem emphatischen Urteil, bei Schönberg vereinigten sich alle in der Musikgeschichte erprobten Techniken: die Polyphonie Bachs, die freie Melodiebildung der Klassik, die Ausweitung der Harmonik durch Wagner und die thematisch-motivische Arbeit bei Brahms. Schönberg werde einer der ganz wenigen Klassiker für alle Zeiten sein, sein Werk sichere die Vorherrschaft [...] der deutschen Musik für die nächsten fünfzig Jahre.412

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Diesem Universalitätsanspruch mit polemischen Spitzen gegen andere zeitgenössische Komponisten, deren Werke keine Synthese aller bisherigen Errungenschaften sind und sein wollen, widersprechen verschiedene Pläne Bergs, Monografien zu verfassen über Zemlinsky, Debussy, Strauss, Mahler, Reger. Das schien ihm verlockender als die Zeitschriftenartikel. Schon länger wollte er auch einen Beitrag über Webern schreiben und bat den Freund um ein Verzeichnis seiner Werke. Am liebsten aber hätte er ein Buch über Schönberg herausgebracht. Im Januar 1920 musste er aus Zeitgründen ein Angebot des Verlags E.P. Tal & Co413 ablehnen, bis zum März eine Schönberg-Monografie zu verfassen. Er fühlte sich auf dem Berghof wegen des bevorstehenden Verkaufs mit einer Last von Arbeit u. Sorge [...] überbürdet, bat sogar um eine Freistellung von seinen Aufgaben im Verein.414 Egon Wellesz übernahm den Auftrag. Doch im November desselben Jahres ging Berg auf das Angebot des Münchner Verlags Halbreiter für eine Schönberg-Monografie ein. Er hatte sich vorgenommen, die Entwicklung von Schönbergs Musik lückenlos zu beweisen415, sammelte Material und skizzierte manches, schaffte es aber wegen anderer Arbeiten nicht, das Buch bis zum festgelegten Termin, dem 1. März 1921, fertigzustellen. An dem Buch über Dich arbeite ich täglich416, berichtete er Schönberg noch im Dezember 1920. In Wahrheit arbeitete er am Wozzeck, was Schönberg besser nicht erfahren sollte: Er glaubt, daß ich an dem Buch schreibe417, hieß es in einem Brief an Helene. Eine Existenzgrundlage hat er sich als Musikschriftsteller nicht schaffen können.

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Das vierblättrige Kleeblatt An einem Nachmittag im Herbst 1920 sind Alban und Helene Berg auf dem Weg ins Wiener Konzerthaus, wo Oskar Fried die zweite Sinfonie von Gustav Mahler dirigieren wird. In der „Nanafuchziger“, der Straßenbahn Nr. 59, sitzen sie nebeneinander und lesen in der dicken Partitur, die sie beide vor sich halten. Soma Morgenstern, ein Doktorand aus Ostgalizien, der in Wien sein Jura- und Philosophiestudium fortsetzt, ist fasziniert vom Bild des Paares ihm gegenüber. In dem Mann vermutet er einen Künstler, mehr noch aber fesselt ihn die mädchenhafte Frau mit dem üppigen Haar und dem schönen Gesicht, das ihm wegen der hohen Wangenknochen slawisch vorkommt. Später, im Büffetraum des Konzerthauses, sieht er den ‚Künstler‘ wieder, „gierig rauchend, in lebhaftem Gespräch mit einigen neben ihm sehr klein aussehenden Männern“.418 Unter denen erkennt er Hanns Eisler; von ihm erfährt er, der Unbekannte sei Alban Berg, ein Schüler des berühmten Arnold Schönberg. Im Sommer 1923, wieder in der „Nanafuchziger“, begegnet er Berg erneut, der ihn mit einer „so offenen Liebenswürdigkeit“419 anspricht, dass er vergisst, rechtzeitig auszusteigen. Soma – eigentlich Salomo – Morgenstern, Sohn eines frommen Chassiden, wuchs in einer jiddisch sprechenden Familie auf. Im Krieg floh die Familie vor den Russen nach Wien und verlor ihren ganzen Besitz. 1921 wurde Morgenstern zum Dr. iur. promoviert, eigentlich aber wollte er Schriftsteller werden. Neben seiner journalistischen Arbeit, zunächst in Berlin, seit Februar 1928 in Wien als Kulturkorrespondent der Frankfurter Zeitung, schrieb er Theaterstücke und Romane.420 Er war ein scharfsinniger Theater- und Musikkritiker, hochgebildet und befreundet mit bekannten Schriftstellern wie Joseph Roth und Robert Musil. Auch Musiker gehörten zu seinem Bekanntenkreis: Eduard Steuermann, Hanns Eisler, Rudolf Kolisch, Ernst Křenek, Otto Klemperer. Er selbst hatte früher ein wenig Cello gespielt und im Chor gesungen.

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Ist Morgenstern bei den Bergs zur Jause oder zum Abendessen eingeladen, beginnen die beiden Männer bald, sich „gründlich über Karl Kraus auszuraufen“,421 angeregt durch eine Flasche Cognac, die Berg unter dem Sofa hervorzieht. Zu seinem Kummer ist Morgenstern kein Krausianer, zwar hält er viele Aufsätze in der Fackel für „Meisterwerke der Kulturkritik“, aber er verzeiht dem Autor die antisemitischen Töne in seiner Streitschrift „Heine und die Folgen“ nicht, die sei „infam“. Nach diesem Angriff auf sein Idol rennt Berg ins Vorzimmer, um, so soll es scheinen, zu telefonieren. Helene Berg klärt den Gast auf: „Er läuft immer hinaus, um sich zu beruhigen.“422 Als Morgenstern nach Hietzing gezogen ist, verabreden sich die beiden Freunde zu Spaziergängen, bei denen Berg immer wieder auf Karl Kraus zu sprechen kommt. Manchmal treffen sie sich auch im Café Stöckl, ganz in der Nähe im Schönbrunner Park gelegen und beliebt bei ungarischen Emigranten. Dort macht Berg die Bekanntschaft des Schriftstellers Béla Balázs und erfährt manches über den von ihm hoch geschätzten Béla Bartók, zu dessen Oper „Herzog Blaubarts Burg“ Balázs das Libretto geschrieben hat. Zuweilen gehen Berg und Morgenstern gemeinsam ins Theater oder ins Kino. Beide haben eine Schwäche für den Fußball, aber ihre Liebe gilt verschiedenen Vereinen: Berg ist, angesteckt von seinem Bruder Charlie, glühender Anhänger von Rapid, Morgensterns Favorit ist Admira. Mit „kindlicher Schadenfreude“423 informiert Berg den Freund über die Siege seines Vereins und schickt ihm Zeitungsausschnitte zu jeder Niederlage von Admira mit selbst gezeichneten Karikaturen populärer Admira-Spieler. Eigentlich versteht er nichts vom Fußball, will gar nicht glauben, dass es so etwas gibt wie einen Elfmeter. Über Fußball können die beiden streiten wie sonst nur über Wagner. Zwischen ihnen entsteht eine lebenslange Freundschaft. Am Abend der Uraufführung der drei Bruchstücke in Frankfurt, im Juni 1924, lernt Berg Theodor Wiesengrund-Adorno kennen. Hermann Scherchen stellt ihn vor, den einundzwanzigjährigen Doktor der Philosophie, einen ernsten, dunkelhaarigen

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jungen Mann mit schmalem Gesicht und lebhaft-unruhigen dunklen Augen. Er ist „hingerissen“ von dem Werk, der Marsch erscheint ihm, „als wäre das Schönberg zugleich und Mahler“, „die wahre neue Musik“.424 Besonders fasziniert ihn die Verbindung von Reflexion und Musikalität, von strenger Konstruktion und Expressivität. Bei Alban Berg will er sein Kompositionsstudium fortsetzen. Er zieht nach Wien und pilgert im nächsten Jahr von März bis Ende August zweimal die Woche zum Unterricht nach Hietzing, bei Steuermann nimmt er Klavierstunden. Soma Morgenstern erlebt ihn zum ersten Mal Anfang des Jahres im Wiener Konzerthaus. Im Vorraum trifft er auf Helene Berg. „Ein Judenjunge aus Frankfurt am Main“ sei zum Kaffee um drei Uhr nachmittags bei ihnen erschienen, erzählt sie, nun könnten sie ihn nicht mehr loswerden. Er rede ständig auf Alban ein, der sei schon ganz blaß vor Erschöpfung.425 Der Dr. Wiesengrund sei auch noch mit ihnen ins Konzert gefahren, sei gleich in ihre Loge gekommen und rede noch immer auf Alban ein. Sicher wolle er auch noch mit zu Alma Mahler, die sie eingeladen habe. Und wirklich, als Berg den herbeigeeilten Morgenstern erblickt, hebt er „beide Arme hoch, aber nicht wie ein Grüßender, sondern wie ein Ertrinkender.“426 Wenig später, nach einer beiläufigen Bemerkung Morgensterns über das milde Wetter, erwidert Adorno, es sei ein Tag, „wie Baudelaire ihn liebte“, und rezitiert sogleich ein Gedicht Baudelaires, zuerst in Französisch, dann noch in der Übersetzung von Stefan George. „Sicherlich war ich damals von einem tierischen Ernst, der einem reifen Künstler auf die Nerven gehen konnte“, bekannte Adorno später.427 Er stammte aus großbürgerlichen Verhältnissen, sein Vater, Oscar Wiesengrund, war Weingroßhändler, seine Mutter eine ausgebildete Sängerin korsisch-italienischer Herkunft, eine geborene Calvelli-Adorno. Bei ihrer Schwester, einer Sängerin und Pianistin, lernte Teddie, wie er in der Familie und im Freundeskreis genannt wurde, früh das Klavierspiel. An der Universität Frankfurt studierte er Philosophie, Musikwissenschaft, Psychologie und Soziologie und freundete sich mit Siegfried Kracauer, Max Horkheimer und Walter Benjamin an.

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Adornos Eloquenz – er spricht stets eindringlich und sehr artikuliert – ist nicht immer leicht zu ertragen, doch bald bilden er, Soma Morgenstern und das Ehepaar Berg das vierblättrige Kleeblatt. Morgenstern und Adorno sind begeisterte KafkaLeser, beide schreiben Artikel für Zeitschriften. Berg genießt es, wenn die Debatten zwischen ihnen über Literatur, Kunst und Politik losgehen. Morgenstern wiederum verfolgt, zuweilen amüsiert, wie Lehrer und Schüler vierhändig Klavier spielen, Berg oft mit der Zigarette im Mund, meist einer Khedive. Manchmal fällt Asche auf die Tasten. Will er etwas verdeutlichen, brummt er die Melodie mit, besonders bei Stellen, die er genießt, zum Beispiel bei seinem Lieblingsstück, der zweiten Nachtmusik aus Mahlers siebter Sinfonie. Nehmen sie sich Lieder vor, singen beide auch, Bergs brummender Bass überdeckt glücklicherweise Adornos hohe, etwas gequetschte Stimme. Er ist halt ka Sänger, entschuldigt ihn Berg, aber foalsch singt er nicht.428 Auf den charmanten, humorvollen Soma Morgenstern ist Adorno zuweilen eifersüchtig. Er selbst lacht selten. Seine Briefe an Berg beginnt er mit „Lieber Herr und Meister“, und fast jedesmal unterzeichnet er mit der Versicherung: „In Treue“ oder „Ihr treuer [getreuer] Teddie“. Tief trauriger Mensch, notiert Berg über ihn, tiefe Verwundbarkeit der Seele, scharf hinzielender Intellekt, Gefahr zu großer Steigerung des Intellekts.429 Aus Frankfurt erreichte ihn 1926 ein „Hilferuf“ Adornos, der in Schwierigkeiten mit seiner Habilitation steckte und wegen eines Konfliktes mit Kracauer und „erotischer Verwirrungen ohne Hoffnung und Ausweg“ an einer schweren Depression litt. „Ich muß Ihnen nicht sagen, daß ich mit ganzer Person und meiner ganzen künstlerischen Überzeugung an Ihnen hänge. Sie werden fühlen, daß es schwere und dunkle Dinge sind, mit denen ich zu tun habe; Dinge, die ihrem menschlichen Ursprung nach wohl keiner mitfühlen könnte außer Ihnen!“ schrieb Adorno. „Lang halt‘ ich es nicht mehr aus ohne Sie.“430 Wenn Berg ihm gegenüber auch beim Sie blieb, war er „immer bereit, alles von sich herzuschenken, auch das Kostbarste, was er hatte, seine Zeit“.431 Adorno erinnerte sich viele Jahre später noch an Bergs

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Stimme, „die bloß ihren Namen übers Telephon zu sagen brauchte, um wie eine Welle unversieglicher Wärme den zu ergreifen, dem sie antwortete.“432 Auf Spaziergängen trug Berg dem so viel Jüngeren die schwere, mit Manuskripten und Noten überladene Tasche. „Als Lehrer reagierte er langsam, beinahe brütend. [...] Gewöhnlich sah er sich, was ich brachte, lange an und rückte, vor allem bei Stellen, über die ich nicht hinausgekommen war, mit Lösungsversuchen heraus.“ Seine Erklärungen seien „von solcher Evidenz“ gewesen, dass sie sich „für alle Zukunft“ einprägten.433 Viel Liebe habe Berg darauf verwandt, ihm die Hemmungen beim Komponieren abzugewöhnen, er lobte seine Kompositionen, das Quartett und die Lieder, die Adorno ihm gewidmet hatte. Aber die Sprache in seinen Aufsätzen (über Berg, Schönberg und Webern für den „Anbruch“) fand er etwas geschraubt, er bat ihn, sich doch gemeinverständlich auszudrücken. Bald konnte er Morgenstern berichten: Wiesengrund musikschriftstellert viel u. in immer gemeinverständlicherem Stil. Er schreibe jetzt so klar, dass er sogar Schönbergs Gnade gefunden habe.434 Seine bedeutende Monografie „Berg. Der Meister des kleinsten Übergangs“ erschien 1968 im Druck. Über Helene Berg, die Vierte im Kleeblatt, schreibt Morgenstern: „Schlank, leichtfüßig, sehr schön, nicht gerade vorteilhaft gekleidet.“435 Ihr größter Bewunderer ist Adorno, er verehrt sie. Die ein wenig altmodische Kleidung hat ihren Grund in Helenes übergroßer Sparsamkeit. Berg fotografiert sie oft, aber sie trifft eine strenge Auswahl: das weiße Kleid mache sie dick, auf einem anderen Foto habe sie „ganz eingebogene Füße“, daher dürfe er niemandem die Bilder schicken.436 Doch mit Genugtuung schreibt sie Alban einmal aus Hofgastein: „Jedenfalls bin ich hier im Ort die Hübscheste u. Schickste.“437 Erstaunlich direkt unterhält sie sich mit Morgenstern schon bei seinem ersten Besuch: „Der Steuermann, der ist grad‘ so wie der Alban. Einerseits sehr eingebildet, und dann wieder Minderwertigkeitsgefühle.“438 Tatsächlich waren beide Musiker in ihrer nervösen Sensibilität und ihrem Hang zur Selbstkritik einander ähnlich. Als das Gespräch auf Altenberg kommt, zeigt

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Helene dem Gast die Verse und die Miniatur, die der Dichter für sie geschrieben hat: „In deinen Augen lese ich dein Leben – – –“ und „Besuch im einsamen Park“.439 Auch ihr Stolz auf die vermutlich kaiserliche Abstammung ist zu spüren, in seinen Briefen an Berg lässt Morgenstern zuweilen „S. M.“ herzlichst grüßen. Er vermutet, Thomas Manns Roman „Königliche Hoheit“ werde der gnädigen Frau ganz besonders gefallen, handele es sich darin doch um Hoheiten.440 Von einem Besuch auf dem Berghof berichtet Morgenstern, Alban, ein „bezaubernder“ Gastgeber, habe ihm jeden Morgen das Frühstück ans Bett gebracht. Helene aber, „Ihre Kaiserliche Hoheit“, zeigte sich nie vor ein Uhr.441 Adorno nennt sie manchmal „Kaiser Matriser“, so sprach ein Führer im Schloss Schönbrunn „Kaiserin Maria Theresia“ aus. Schönberg hat sie im April 1910 gemalt442: Selbstbewusst blickt sie den Betrachter direkt an und wirkt doch verschlossen, wie sie, die Arme eng am Körper, die Hände übereinander gelegt, sehr aufrecht auf dem Stuhl sitzt. Berg schreibt einmal von ihrer grandiosen mächtigen Persönlichkeit, ein andermal von ihrer Seelenverschlossenheit.443 Unter den Kosenamen, die er für sie erfindet, haben fast alle einen männlichen Artikel: Pfersch, Schribi, Schnude, Doppelgnom, Listobath, Trautsohn, Goldfasan. Sie liest viel, ist eine kritische Beobachterin und fühlt sich bestätigt in ihrer Überzeugung, „dass die Männer von jeher die geistigen Fortschritte der Frauen unterdrückten.“ „Es fällt ihnen nicht einmal ein, dass die Frau noch für was anderes da wäre als für ihren Gebrauch, für ihre körperlichen Bedürfnisse; dass sie dabei geistig verkümmern u. verhungern muss, ist da selbstverständlich!“ Wie die meisten Männer habe Paul Kammerer sie nie für geistig ebenbürtig gehalten, nur mit Alban sei „ein Hand in Handgehen zwischen Mann u. Weib möglich“. Für eine „Frauenrechtlerin“ will sie allerdings nicht gehalten werden.444 Sie kann hochmütig sein, zum Beispiel Bergs Schülern gegenüber. „Alle, die für Berg fronten – Stimmen herausschrieben, kopierten, Sekretärsdienste leisten – wurden sukzessive abserviert“, erinnert sich Bergs Neffe.445 Als sie sich einmal über Toni Pfeiffer, die langjährige Hausangestellte, geärgert hat, schreibt sie an Alban: „Diese überreife Nessl muss ge-

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jätet werden; sobald halbwegs ein Ersatz gefunden ist!“446 Mit ihren abfälligen Äußerungen über „antipathische“ Juden, ihr „Gemauschel“, die jiddische Sprache, stimmt sie in das verbreitete antisemitische Gerede ein. Dass sie gegen andere „arrogant und verächtlich“447 im Ton sein kann, gibt sie selbst zu. In schwierigen Zeiten bewältigt sie viele Probleme, ist fürsorglich und eine gute Ratgeberin in praktischen Dingen,448 für Berg die liebende Fürsorge selbst, die kluge rathende Helferin, die gute Schwester u. überhaupt Güte u. Liebe Spenderin!449 Bis zuletzt behalten seine Briefe an Helene ihren zärtlichen Ton. Obwohl Helene zuweilen kalt und sachlich wirkt, ist sie doch ständig besorgt um sein körperliches Wohlergehen. Ist er verreist, findet er zuweilen, versteckt in Wäschestücken, ihre Zetterln mit Sätzen wie „Nicht verkühlen“. Noch vor ihrer Heirat beschloss sie, Alban „gesund zu bekommen“. „Nächste Woche geh‘ ich mit Dir zu einem Arzt und dann werden wir ja sehen, was der sagt! Wenn’s von den Nerven kommt, wirst Du in’s Sanatorium gesteckt. Meine tausend Gulden langen schon für 5–6 Wochen!“450 Du schreibst so lieb, so resolut, so klar wie Du selbst bist451, bemerkt Berg. Ihre Briefe handeln immer wieder von der Sorge um seine Gesundheit, sie rät ihm, ordentlich zu essen und keinen Schwarzen zu trinken, fragt nach der Verdauung, warnt vor nassen Füßen; nach seiner Arbeit fragt sie selten. Und er schweigt aus Scham, so sein Innerstes zu entblößen. Als sie sich doch einmal erkundigt, wie weit der Marsch op. 6 gediehen sei, und ihm Mut zur Arbeit macht, ist er tief beglückt.452 Alma Mahler hat eine Schwäche für das „liebe Helenerl“, verlangt in ihren Briefen dringend nach ihrer Gesellschaft – nur Helene kenne ihr Herz.453 „Viel zuviel Pathos um e c h t zu sein“454, vermutet Helene einmal nach der Lektüre eines Briefs, und doch mag sie „Almschi“, das „Katzerle“. Mehrmals verbringt das Ehepaar Berg den Heiligen Abend gemeinsam mit Alma Mahler und Franz Werfel. Eigentlich ist Werfel liebenswert, auch ein interessanter Gesprächspartner, aber seine Bücher, von Kraus in der Fackel heftig attackiert, mag auch Berg nicht. Werfel wiederum nennt die Krausverehrung „die jüdischen Masern“.455 Almas Zorn über Kraus‘ Kritiken bringt Berg

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nicht selten in Verlegenheit. Über Werfels Roman „Verdi. Roman der Oper“ schreibt er an Helene: Ich fürchte, daß unsere quasi »Freundschaft« an diesem Buch Schiffbruch erleiden wird!456 Dennoch, in seiner übergroßen Liebenswürdigkeit lobt er in einem Brief an den liebsten Franzl seinen neuen wundervollen Roman, der ihn im Tiefsten erschüttert habe.457 Gesellig ist Helene nicht, sie reist ungern, bleibt oft zu Hause in Hietzing, statt ihren Mann zu Aufführungen zu begleiten. Räthselhaft findet er ihr Verhalten. Was für schöne Tage hätten wir zusamm!!458 Nicht einmal zur Aufführung des ihr gewidmeten Streichquartetts 1923 in Salzburg fährt sie mit. Ach wärst Du dabei!!! schreibt er ihr, die Leute sollen sehn, wie die aussieht der das Quartett gehört.459 Wie ihr Mann zählt Helene zu den Hypochondern, sie lässt ihn oft und lange allein, macht eine Liegekur im Wildbadsanatorium Tobelbad, nimmt Moorbäder gegen ihr Rheuma, Kuren in Hofgastein gegen Gicht, hält sich 1923 vier Wochen in Karlsbad auf und begibt sich im April 1925 ins Wiener Parksanatorium. Sobald sie nur irgendwelche Tischnachbarn erwähnt, wird Berg eifersüchtig. Bitte schau n i e hin, setz Dich verkehrt!!460 Ohne sie fühlt er sich einsam: Pferschi, das geht nicht, nur alle 3ten Tage einen Brief absenden!! Das halt ich nicht aus!461 In ihren Briefen aus den Kurorten stehen immer wieder Klagen: „Dass ich so allein u. so elend sein muss!“ „Weinte tagelang u. schlief keine Nacht.“462 In dem teuren Karlsbad fühlt sie sich „zum Sterben elend“.463 Was ihr eigentlich fehlt, wird nie ganz klar – abendliches Fieber, Kopfweh, Rheuma, Gicht, Anämie, der Magen, die Nieren, der Darm, die Nerven, Schlafstörungen, stete Unruhe, Nachtspringen (Schlafwandeln). Berg vermutet, eine Ursache sei Unterernährung und das monatelange Frieren im Winter464, wenn sie Koks sparen will. Er ist totunglücklich465 über ihr Fasten – ihres Gewichts wegen hält sie offenbar Diät – und ermahnt sie immer wieder, anständig zu essen. Du mußt alles a l l e s tun mein Pferscherl – mein L e b e n – – um g e s u n d zu werden – um wirklich l e b e n zu können – u . s o l l t e s t D u d a b e i e i n i g e K i l o z u n e h m e n . [...] Du mußt a l l e s tun, daß Deine Nerven gesund werden! Du mußt einmal l e b e n – und nicht das was Du

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eigentlich tust: Dich m i t d e m L e b e n beschäftigen.466 Möglicherweise haben sie wegen Helenes Krankheiten keine Kinder. Alban Berg ist bei Begegnungen mit kleinen Kindern, mit Hansi, dem Sohn der Leberts, und mit der kleinen Manon Gropius, jedesmal entzückt. „Beide Bergs waren sehr kinderlieb“467, berichtet Morgenstern. In den Kriegsjahren und noch ein paar Jahre danach ist in ihren Briefen wiederholt die Rede von ihrem Kinderwunsch. Denkst Du immer dran, so wie ich??!! fragt Berg im Juni 1921. In einem der folgenden Briefe versieht er das Swipelinchen mit 23 Ausrufezeichen.468 „Gib das Schnapstrinken auf“, bittet sie ihn. „Gerade weil Deine ganze Familie zum Alkohol tendiert.“469 Er braucht abends ein Stamperl »Medicinal Kognac« für die Nerven, zur Beruhigung und weil es etwas s c h ö n e s wie alles G o t t g e g e b e n e ist.470 Wegen psychischer Probleme verweist ihr Internist Helene 1923 an den Psychotherapeuten Dr. Schwarzwald, den sie Ende November in Parsch bei Salzburg aufsucht. Mehr als fünf Millionen kosten die vierzehn Tage dort. In den Sitzungen geht es, wie Berg erfährt, um unerfüllte Wünsche, Sexualität, ihre unglückliche Ehe. Er ist entsetzt über den hochstaplerischen Irrsinn dieser Psychoanalyse, möchte am liebsten nach Parsch fahren, um sie aus den Klauen dieses Vampyrs zu reißen.471 Zu einer unglücklichen Ehe gehören doch zwei! Für m i c h ist es eine glückliche, die glücklichste, die ich je geseh e n h a b e ! 472

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Eine echte Theatermusik Während seines Sommerurlaubs 1918 in Trahütten kann Berg das erste Mal für längere Zeit an seiner Oper arbeiten. Doch nach der anfänglichen Begeisterung sind ihm Zweifel gekommen. Obwohl Schönberg ihn schon früh gedrängt hatte, „etwas fürs Theater zu schreiben“473, rät er ihm nun von Büchners Drama als Vorlage ab, „das könne unmöglich etwas Gutes werden.“474 Die Ablehnung entmutigt Berg, er hat ja selbst Bedenken wegen der vielen kurzen Szenen und fragt sich auch, ob der Einsatz der Sprechstimme, den er sich für die schon skizzierte Straßenszene des zweiten Akts vorstellt, während einer Opernaufführung überhaupt möglich sei. Büchners „Woyzeck“ war, abgesehen von einem Teildruck 1875 in der „Neuen freien Presse“, 43 Jahre ungedruckt geblieben, bis Emil Franzos das schwer zu entziffernde Manuskript 1879 veröffentlichte, eine Fassung mit Lesefehlern (Wozzeck), Veränderungen (Wozzecks Ertrinken), Streichungen, Hinzufügungen und einer nach eigenem Ermessen erstellten Szenenfolge. Berg kannte diese Ausgabe und besaß das Insel-Buch „Wozzeck – Lenz. Zwei Fragmente“, eine Edition aus dem Jahr 1913, die im Wesentlichen der Ausgabe von Franzos entsprach; die Anordnung der Szenen stammte von Paul Landau. Nach dieser Vorlage schrieb Berg sein Libretto. Später erst, 1919, erfuhr er durch einen Aufsatz von Georg Witkowski, der eine wissenschaftliche Edition des Textes vorbereitete, von den Fehlern in den bisherigen Ausgaben. Entsprechende Änderungen in seinem Libretto vorzunehmen hätte jedoch bedeutet, große Teile des bisher Komponierten zu streichen. Berg entschied, das Insel-Buch weiterhin als Vorlage zu benutzen und auch den Namen Wozzeck beizubehalten. Den Text straffte er, kürzte ihn auf fünfzehn Szenen, fügte genaue Regieanweisungen hinzu und verzichtete auf einige der Nebenfiguren. Zwei Wortveränderungen fallen auf: Er hat wieder gehustet, auf der Straße gehus-

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tet, gebellt wie ein Hund (I,4) statt „Er hat auf die Straße gepißt, an die Wand gepißt, wie ein Hund!“ Und: Nichts als Bohnen (I,4 ) statt „Nichts als Erbsen“. Berg litt besonders während des Krieges stark unter seinem Bronchialasthma; der Zwang, immer wieder husten zu müssen, und die nächtlichen Anfälle griffen ihn an. Weihnachten 1915 berichtete er seinem Schüler Gottfried Kassowitz über die schlechte Verpflegung der Soldaten: Ein- bis zweimal die Woche gebe es Schöpsernes, das schauerlich zubereitet werde, zudem verderbe altes Schöpsenfett alle Zuspeisen.475 Bohnen und Hammelfleisch aus der Militärkantine gehörten zu den kaum genießbaren Gerichten, Bergs Abscheu davor hat ihn vielleicht bewogen, „Nichts als Erbsen“ durch Nichts als Bohnen zu ersetzen. Bei dem Zeitaufwand, den seine Arbeiten für den Verein erfordern, ist an Komponieren nicht zu denken, die Instrumentierung der Oper hat er ohnehin zurückgestellt. Zeitweilig arbeitet er als Musikschriftsteller, wird 1919/1920 Redakteur bei den „Musikblättern des Anbruch“ und versucht Ende 1920, Aufsätze im „Melos“ zu veröffentlichen. Regelmäßig muss er Schönberg, dessen Launen oft unbeschreibliche Dimensionen annehmen,476 telefonisch über den Fortschritt der Proben im Verein informieren. Schon im Winter 1918 hatte er Schönberg gebeten, ihn aus seinen Verpflichtungen zu entlassen. Seit dem September ist er krank, leidet an einem Rachenkatarrh und an Abszessen. Gegen die völlige Erschöpfung hilft dann nichts mehr, weder Kaffee noch Tee noch Medikamente. Er hat nur noch den Wunsch nach vollständiger Ruhe – sonst kracht [...] der ganze elende Mechanismus zusammen!477 Die langen Straßenbahnfahrten während der Wintermonate in kalten, zugigen Wagen verschlechtern seinen Zustand noch. Schönberg bewilligt eine Verlängerung des Urlaubs, und in den Sommermonaten der Jahre 1919 bis 1921, in Trahütten, arbeitet Berg wieder am Wozzeck, oft verzweifelt wegen der geringen Fortschritte und, bei seiner Neigung zur Pedanterie, sehr langsam, zuletzt täglich von sieben bis ein Uhr Mittag.478 Am 1. September 1920 erleidet er nach einem schweren Asthmaanfall einen Zusammenbruch, so dass

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er drei Wochen im Parksanatorium Hütteldorf-Hacking, in der Nähe von Hietzing, zubringen muss, nach einem Rückfall im Oktober weitere zwei Wochen, am 8. November wird er entlassen. Die Kosten, die sein Asthma in diesem Jahr verursacht, betragen insgesamt 14.239,80 Kronen.479 Daß dieser nochmalige Sanatoriumsbesuch [...] katastrophal für meine finanziellen Verhältnisse ist, kannst Du Dir leicht denken, schreibt er an Schönberg. Dazu die Nervosität, daß sich meine Schüler verflüchtigen könnten.480 Eine Reihe von Schülern hatte er von Schönberg übernommen, als dieser 1911 nach Berlin zog, neben anderen Josef Schmid, Josef Polnauer, Gottfried Kassowitz, Karl Linke und Paul Königer. Nach dem Krieg kamen Josef Rufer, Willi Reich, Fritz Heinrich Klein, Felix Greissle, Hans Erich Apostel und andere dazu, 1925/26 noch Theodor Wiesengrund-Adorno, Julius Schloß und Otto Jokl. Hanns Eisler, der Schönbergschüler, bat ihn manchmal, eine seiner Kompositionen zu beurteilen. Wie bei Schönberg hatten die Schüler auch für Berg Kopierund Korrekturarbeiten zu erledigen. Das Honorar für den Unterricht wird Bergs wesentliche Einkommensquelle, 1919 allerdings hat er nur Einnahmen von drei Schülern, dazu aus seiner Vereinsarbeit, insgesamt sind es 850 Kronen.481 Er ist kein Lehrer aus Leidenschaft wie Schönberg. Lieber führt er Gespräche mit seinen Schülern bei Kaffee mit Schlagobers, Willi Reich musste vor Beginn des Unterrichts immer zuerst die Sahne holen. Während Schönberg seine Studenten manchmal „mit seiner satirischen Art“482 vor den Kopf stößt, schätzen Bergs Schüler die Geduld ihres Lehrers, sein Einfühlungsvermögen, auch den scharfen Blick für Mängel in ihren Arbeiten, die sie in den Unterricht mitbringen; wie Kassowitz berichtet, bemerkte Berg „jeden Anflug von epigonalem Denken“.483 Immer wieder werden Fragen der musikalischen Form erörtert, den größten Wert aber misst Berg der melodischen Schönheit zu. Viele seiner Schüler werden später Freunde und Vertraute – wie Fritz Heinrich Klein, der Berg gegenüber bekannte, gegen Schönberg „eine persönliche Aversion“ zu haben: „Ich hasse seine Beethovenpose, seine Geniestrampeleien, seine ‚Schindler‘-züchtigungen

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und weil er solange Dein Talent geringgeschätzt und unterdrückt hat.“484 Als Josef Schmid längere Zeit keine Anstellung findet, setzt Berg sich bei Erich Kleiber für ihn ein und verhilft ihm zu einem Engagement. Mit Josef Schmid führt er zwischen den Proben zur Wozzeck-Premiere 1925 in Berlin längere Gespräche. Ich bin froh, schreibt er an Helene, daß ich jemand (einen Freund u. Fachmann) hab‘, mit dem ich mich aussprechen kann.485 Und Erwin Stein wird er seinen Leidensweg, den die Abschrift der Wozzeckpartitur bedeutete, nie vergessen.486 Nachdem er Schönberg um eine Verlängerung seines Urlaubs gebeten hat, kann Berg Mitte Oktober 1921 das Particell und im April des nächsten Jahres auch die Instrumentierung abschließen, und im Mai endlich, acht Jahre nach den ersten Skizzen, ist die Partitur fertig. Zu einem Besuch im Oktober 1921 bei Schönberg in Traunkirchen bringt er sein Particell mit. Zwei Tage später schreibt Schönberg, ohne die Instrumentation zu kennen, einen Brief an Hertzka: „Lieber Herr Direktor, ich muß Ihnen schleunigst Mitteilung machen von einer großen Überraschung. Alban Berg hat mir vorgestern seine f e r t i g e Oper ‚Woyzekʼ gezeigt. Ich habe nun allerdings als sicher angenommen, daß Berg etwas Talentvolles zusammenbringt, aber doch meine großen Zweifel gehabt, ob er etwas wirklich theatermäßiges zusammenkriegt. Und das ist nun die große Überraschung. Das ist eine O p e r ! ! Eine echte T h e a t e r m u s i k . [...] Da sitzt alles so tadellos, als ob Berg nie etwas anderes geschrieben hätte, als Theater Musik.“487 Er rät Hertzka dringend, die Oper zu verlegen. Bis zum Vertragsabschluss vergehen noch zwei Jahre. Als Webern die Oper gehört hatte, schrieb er 1930: „Ich kann nur stammeln, daß mich der Wozzeck immer mehr erschüttert und daß ich zwar nicht glaube, wohl aber mit absoluter Bestimmtheit weiß, daß dieses Werk und alle anderen Bergs, entsprungen der heiligsten Inspiration, für alle Ewigkeit Geltung haben werden.“488

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Wozzeck Dass der Soldat Franz Wozzeck zu den Ärmsten gehört, ausgenutzt, missbraucht, verhöhnt, betrogen, von Halluzinationen verfolgt, vereinsamt fast bis zur Sprachlosigkeit, das steht in scharfem Widerspruch zur gewohnten Rolle des Opernhelden und zeigt Bergs Parteinahme für die Unterlegenen. Wozzeck ist die erste Oper mit einer Hauptfigur, die nur mehr Objekt der anderen ist. Zugleich ist sie die erste längere Oper, die in freier Atonalität komponiert wurde. Der Gefahr des Gestaltlosen, bei der grundsätzlichen Beliebigkeit der Zusammenklänge in atonaler Musik, begegnete Berg mit einem dichten Beziehungsgeflecht aus Motiven, Harmonien, Rhythmen und Klangfarben, sodann mit Formmodellen, die er aus der absoluten Musik übernahm. I Der erste Akt führt die Gegenspieler vor, den Hauptmann, den Doktor, den Tambourmajor, Marie, die Wozzeck betrügt. Ihren jeweiligen Szenen hat Berg Titel traditioneller musikalischer Formen gegeben. Der Hauptmann, den Wozzeck rasiert, ein Tenorbuffo, wird mit Tanzcharakteren aus der barocken Suite dargestellt. Der Pavane, dem langsamen Schreittanz, entsprechen die selbstgefällige, joviale Attitüde des Vorgesetzten und sein zwanghaftes Bedürfnis nach Langsamkeit, das aus der Angst des Neurotikers vor der ungeheuren Zeit entsteht: Langsam, Wozzeck, langsam! Nervöse Figuren der obligaten Holzbläser bestimmen den Klang, Triolen ohne Ausdruck betonen den Leerlauf der Zeit, ein Angstmotiv ist mehrmals zu hören, groteske Sprünge kennzeichnen den Hysteriker. Wozzeck, Bariton, bleibt 126 Takte lang nahezu stumm, wiederholt bloß mechanisch seine Gehorsamsformel: Jawohl, Herr Hauptmann! Im folgenden Abschnitt, einer schnellen Gigue, gefällt sich der Hauptmann in der Rolle des Spaßvogels. Das Vergnügen an der Bloßstellung des Untergebenen belebt ihn so, dass er in lärmendes Gelächter ausbricht, ein Lachen, das Wozzecks Gehor-

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samsformel nachäfft. Die Quasi Gavotte zeigt ihn schließlich in der Rolle des moralisierenden Eiferers. Er habe ein Kind ohne den Segen der Kirche, hält er Wozzeck vor. Begleitet von vier Trompeten, schwadroniert er über Moral, steigert sich bei diesem Wort bis zum hohen c, mo-ra-lisch bringt er nur noch im Falsett heraus. In die zu Phrasen verkommene Sprache über Moral passt dann auch sein gönnerhaftes Motiv Ein guter Mensch mit dem sentimentalen Sextsprung. Jetzt aber erhebt Wozzeck seine Stimme in einem 18 Takte langen Lamento über Tugend und Armut, quasi die Air der Suite, begleitet vom zwölftönigen Streichersatz. Der Beginn wird zu einer Art Leitmotiv der Oper: Wir arme Leut! Orchesterinstrumente variieren es, und wenn dieses Motiv das Wort tugendhaft begleitet, wird deutlich, wie Armut und Tugend zusammenhängen. Wozzecks Klage gipfelt im einzigen größeren Melisma: selbst im Himmel müssten die Armen noch donnern helfen. Aber die Verhältnisse lassen nicht einmal Empörung zu, die Kontrabässe begleiten Wozzecks Anklage mit dem Rhythmus seiner Gehorsamsformel: Jawohl, Herr Hauptmann. Schon diese erste Szene ist ein Beispiel dafür, wie genau die Musik dem Text folgt; die kammermusikalische Behandlung des Orchesters verdeutlicht die Entwicklung der Motive und ihr Zusammenspiel. Nach einer kurzen Reprise gibt es bei geschlossenem Vorhang ein Zwischenspiel. Die Verwandlungsmusiken, sinfonische Abschnitte innerhalb der Oper, reflektieren das Geschehen, erheben Einspruch. Das Angstmotiv in den Blechbläsern sowie die schnellen Triolen der Gigue kehren wieder, und auf dem Höhepunkt wird das Motiv Wir arme Leut! zur leidenschaftlichen Anklage. Gleichzeitig spielen die Bässe die Gehorsamsformel in immer hastigeren Notenwerten und leiten über zum nächsten Bild Freies Feld. Wozzeck und Andres schneiden Stöcke. Diese zweite Szene ist komponiert als Rhapsodie, als lose Verbindung von unterschiedlichem Material meist im Klang gedämpfter Blechbläser und col legno spielender Streicher. Drei Fünftonakkorde, zu Beginn in den Bläsern exponiert (T. 201,

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202, 204), bilden das harmonische Skelett dieser Szene.489 Wozzecks Partie wird bis auf drei Takte gesprochen, geflüstert, geschrieen, ein Glissando gleitet über mehr als zwei Oktaven (Es schwankt ...), dabei sind Rhythmus und Tonhöhe des Sprechens angegeben. Wozzeck wird heimgesucht von Schreckensvorstellungen, erlebt Visionen in Bildern des Weltgerichts aus der Offenbarung des Johannes. Die drei unheimlichen Leitakkorde sowie ein chromatisches Angstmotiv der Holzbläser, hohe Pizzikati und stehende Flageolettklänge sind Ausdruck seiner Panik, ein beharrlich selbst von der Pauke wiederholtes Sekundmotiv scheint ihn zu verfolgen, Posaunenstimmen ihm zu drohen. Gleichzeitig singt Andres drei Strophen eines Lieds von der schönen Jägerei. Im Nebeneinander von Schreckensvisionen und der naiven Fröhlichkeit des Jägerlieds wird spürbar, wie für Wozzeck die Welt auseinanderbricht. Das Lied, anfangs in GDur, erscheint bald verzerrt, die hastigen Koloraturen der zweiten Strophe suchen das Unheimliche zu übertönen, das die Leitakkorde immer wieder hörbar machen, besonders in den Posaunenglissandi T. 269, als Wozzeck der Boden unter den Füßen schwankt. Mit dem Einsatz des großen Schlagzeugapparats und drohender chromatischer Posaunenmotive wird der Höhepunkt der Szene erreicht, die Vision eines Weltenbrandes. Die Leitakkorde, jetzt in umgekehrter Reihenfolge, grundieren die letzten acht Takte, die unmerklich in das nächste Zwischenspiel übergehen. Wie in einem schweren Traum kehren momenthaft einzelne Erinnerungen an den Tag wieder: Militärsignale, das Jägerlied wie aus der Ferne zu langsam chromatisch abwärts gleitenden Streicherklängen. Leise Militärmusik hinter der Bühne leitet über zur dritten Szene. Der Marsch, der grell in Mariens Stube hineinschallt, steht in starkem Gegensatz zur vorhergehenden Szene und ist dennoch vermittelt durch die zuvor schon gehörten Fanfaren und Trommelwirbel. Zwar arbeitet Berg mit Kontrasten, trotzdem gibt es nirgendwo einen Bruch. Als „Meister des kleinsten Übergangs“ hat Adorno, im Titel seiner Monographie, Alban Berg bezeichnet. Der derbe Militärmarsch in C-Dur mit fal-

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schen Bässen (Cis-Dur) und einem auftrumpfenden Trompetenmotiv, wie „durch die erblindeten Scheiben einer Armenstube wahrgenommen“490, begleitet den ersten Auftritt des Tambourmajors. Ein Ausschnitt aus der Alltagswirklichkeit, mit einem gesprochenen Wortwechsel, dem Gezänk zwischen Marie und ihrer Nachbarin. Nur im Trio des Marsches singt Marie, schwärmt vom Tambourmajor: Soldaten sind schöne Burschen! Die Vergeblichkeit aller Sehnsucht betont noch die Anspielung auf die Klage des tödlich getroffenen Soldaten in Mahlers Lied „Revelge“. Wieder ist der Übergang zur ganz anderen Szenerie – Marie allein mit dem Kind ̶ fließend, leise Streicher, obligate Solostimmen von Violine, Bratsche und Cello, spielen ein Klagemotiv, das Marie auch in ihr Wiegenlied übernimmt (Mädel, was fangst du jetzt an?). Vergrößert wird es zum Ausdruck ihrer Träume (Lauter kühle Wein). In einem Vortrag hat sich Berg über die volksliedartigen Passagen in seiner Oper geäußert, über die Schwierigkeit, ein Verhältnis zwischen Kunst-Musik und Volks-Musik herzustellen, etwas, was in der tonalen Musik eine ganz selbstverständliche Sache ist. Mit einer leicht faßlichen Primitivität innerhalb der atonalen Harmonik – symmetrischen Perioden, Terzen- und Quartenharmonik – habe er den NiveauUnterschied deutlich zu machen versucht.491 In Maries Lied entsteht der Eindruck eines volkstümlichen Tons durch einfache Perioden und das Quartsprungmotiv. Neben dem Liedmotiv tauchen im träumerischen Nachspiel auch Erinnerungen an den Marsch und das Thema des Tambourmajors wieder auf, es endet in einem leeren Quintklang, einem Akkord, der Marie zugehörig bleibt: Dieser harmonische Ruhepunkt schildert das ins Unbestimmte hinzielende Warten, ein Warten, welches erst in ihrem Tod den Abschluß findet.492 Die Stille wird jäh gestört durch gehetzte Motive tiefer Bläser – Wozzeck klopft ans Fenster. Wenn er Marie von seiner Feuervision berichtet, wird in den ganz leisen Tremoli der Blechbläser (Flatterzunge) und Streicher die quälende Angst hörbar. Ein bizarres Motiv des Fagotts, eine stereotype, sich immer mehr verkürzende Tonfolge, begleitet vom leisen Tremolo des Tamtams,

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zeigt seine Verwirrtheit, und sein Gefühl, verfolgt zu werden, lassen die drohend wiederholten Sekundschritte der tiefen Streicher erkennen. Als er einen Satz aus dem Kapitel über Sodom und Gomorra zitiert (Gen 19,28), verfällt er für einen Augenblick in einen prophetischen Ton, am Ende aber steht ein Aufschrei: Was soll werden?, begleitet von einem der unheimlichen Fünftonakkorde aus der Szene Freies Feld. Neben dem Netz der Motive stiften in dieser Oper auch wiederkehrende Akkorde musikalischen Zusammenhang. Bei Wozzecks hastigem Aufbruch sind noch einmal zwei der gehetzten Motive zu hören, die sein Kommen ankündigten, diesmal in der Umkehrung. Als Marie allein ist, tauchen wieder ihre leeren Quinten vom Beginn der Szene auf, und ihre Klage um den Mann endet in einem Schmerzausbruch mit dem Klagemotiv aus der Wiegenlied-Szene. Durch solche musikalischen Entsprechungen zwischen Beginn und Ende eines Abschnitts entsteht eine Symmetrie innerhalb des atonalen Tonsatzes. Zwei Posaunen im Sekundabstand spiegeln das Grauen in Maries letzten Worten (Es schauert mich), das auch in der Überleitungsmusik zur folgenden Szene nachklingt. Maries Klagemotiv, leidenschaftlich bewegt, erstreckt sich nun über vier Takte und mündet in einen offenen Klang, einen Dominantseptakkord. Anstelle einer Auflösung beginnt das Solocello überraschend mit einem Zwölftonthema, die vollständige Version folgt ausdruckslos in der Klarinette. Auf dieser Zwölftonreihe basiert die ganze folgende Szene, Studierstube des Doktors. Schönberg hatte seit einigen Jahren an einer „Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen“ gearbeitet und sie theoretisch im Sommer 1921 abgeschlossen, seinen Schülern gegenüber gab er sich wortkarg, deutete immerhin eine bahnbrechende Entdeckung an. Ein größeres Werk nach dieser Methode hatte er noch nicht veröffentlicht, so gehören die zwölftönigen Passagen in Bergs Oper zu den ganz frühen Arbeiten in dieser Technik. Jetzt prägt und strukturiert die ‚gelehrte‘ Form, die Passacaglia, die ganze Szene. Die Reihe der zwölf Töne kehrt stereotyp in fast allen ihrer 21 Variationen493 wieder, un-

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terschiedlich rhythmisiert und in verschiedenen Instrumenten, oft den tiefen Bläsern, ebenso in Akkordschichtungen. Die eigensinnige Wiederholung betont die Obsession des Doktors, der sich von Versuchen an seinem Untergebenen Weltruhm verspricht. Obsessiv wirken schon die vielen Tonwiederholungen der Celli, wenn sie das Thema vorstellen, während der Doktor, Bassbuffo, auf Wozzeck einredet. Er ist keine Karikatur wie der Hauptmann, sondern ein gefährlicher Fanatiker, der sich an chemischen Formeln und der eigenen Bedeutsamkeit berauscht. Von oben herab redet er, befehlend, tadelnd, dozierend, was sich in der melodischen Gestik seiner Partie spiegelt, die oft unisono instrumental verstärkt wird. Die Schärfe seines Tons dem Untergebenen gegenüber ist an dem wiederholten Ruf Wozzeck, mit dem Akzent auf der zweiten Silbe, zu erkennen. Wenn der sich auf den Vorwurf, unkontrolliert zu husten, verteidigen will und nach dem richtigen Wort für seine Not sucht – wenn einem die Natur kommt –, imitiert der Doktor diese Phrase, die letzten drei Töne der Zwölftonreihe, in zornigem Spott. Sie wird zum Leitmotiv für Wozzecks fixe Idee, das der Doktor geradezu genießerisch, quasi langsamer Walzer, vorträgt. Als er Wozzeck über die Freiheit belehrt – In dem Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit –, gerät er in den Tonfall mechanischen Psalmodierens, kanonartige Einsätze der Instrumente verstärken den liturgischen Schein. Dieses Psalmodieren wiederholt sich ausgerechnet, als er seine Diagnose vorträgt: aberatio mentalis partialis, zweite Spezies! Ist von der vorgeschriebenen Diät die Rede, entlarvt allein die Instrumentation – das Xylophon (tremolo) spielt die Zwölftonreihe – das Widernatürliche, Lebensfeindliche des Experiments. Der Doktor erhofft sich davon eine Revolution, vom Orchester ironisch kommentiert mit punktierten Rhythmen der Posaunen und der großen Trommel. Als Wozzeck zu Wort kommt, versucht er, subito lento, zu erklären, dass ihm die Wirklichkeit abhanden kommt, verrinnt wie Spinnengewebe, was das gedämpfte Solocello mit einem Gespinst aus Zweiunddreißigstelnoten hörbar macht, einem einzigen Motiv, ständig rhythmisch versetzt. Er spricht von seinen Angstvorstellungen, seine expressive Klage

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Ach! Ach, Marie! bricht aus dem Dialog aus. Die Erinnerung an die Vision vom Weltende bildet den ersten Höhepunkt, fortissimo, die Klarinette kreischend, das Xylophon gehämmert, die Trompetenakkorde mit Nachdruck. Die Vorstellung von den Linienkreisen und Figuren der Schwämme am Boden spiegelt sich, jetzt wieder pianissimo, in den gegenläufigen Triolenbögen von Harfe und Celesta, diminuiert noch einmal von zwei Celli gespielt, sowie in der polyphonen Verarbeitung der Reihe. In dieser zwölften Variation treffen Zwölftonreihe und Ganztonleiter (Triolen, Wozzecks Stimme) aufeinander, gefolgt vom eMoll zu Beginn der nächsten Variation, ein Beispiel für Bergs Verwendung verschiedenen Tonmaterials: freie Atonalität, Dur/Moll-Tonarten, Ganztonleitern, Zwölftonsystem. Die Begeisterung des Doktors über Wozzecks schöne fixe Idee äußert sich in beinahe ariosem Gesang, wie Applaus klingt das Geschmetter der hohen Holzbläser. Gönnerhaft wird dem Opfer eine Zulage versprochen, den Irrsinn der Experimente aber verdeutlichen Celesta und Flöten in hochfahrenden Skalen, endend in einem langen Triller. Anstelle der Zwölftonreihe bildet in der achtzehnten Variation, Presto, das Motiv der fixen Idee, kombiniert mit dem Wozzeck-Ruf, den cantus firmus. Und wie sich der Doktor in einen wahren Rausch hineinsteigert, begreift man, dass vor allem er es ist, den eine fixe Idee verfolgt. Das Tempo wird noch einmal beschleunigt, in Ekstase rühmt der Doktor seine Theorie, während die Streicher ein Fugato aus seinem Theorie-Motiv spielen, pizzikato, passend zu deren Nichtigkeit. Der Einsatz von großer Trommel und Becken, aufsteigende Trompetenfanfaren sowie sieben- und achtstimmige Quartenakkorde begleiten den Gesang des Doktors, der bei der Vorstellung der eigenen Unsterblichkeit jedes Maß verliert. Mit einem Grandioso, einer Art Stretta, endet die Passacaglia, die vollständige Zwölftonreihe in gleichmäßig langen Notenwerten, choralartig begleitet, ist nun, deutlicher als je zuvor, im Diskant der Holzbläser zu hören. Die Stimme des Doktors, sein Unsterblich!, gesungen in höchster Verzückung, verstärken Posaunen, die Streicher tremolieren, Durakkorde (auf den ersten neun Tönen der Reihe) rauschen in Celesta und Harfe

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auf und nieder, Becken, Triangel und Tamtam kommen zum Einsatz. Dann, bevor der Vorhang fällt, heißt es plötzlich wieder ganz sachlich: Wozzeck, zeigʼ Er mir jetzt die Zunge! Die Überleitung zur Schlussszene des ersten Aktes ist überschrieben mit Andante affettuoso. Ihr rondoartig wiederkehrendes Thema, anfangs quasi tonal (F/G), ist eingebettet in warmen Orchesterklang. Und wie es in seiner einfachen Dreiklangsmelodik an das Fanfarenmotiv des Tambourmajors erinnert, wird die Musik zum Ausdruck von Maries schwärmerischen Gefühlen. Als der Tambourmajor dann auftritt, wirkt sein simples Fanfarenmotiv desillusionierend. Marie aber will an ihr Glück glauben, weit spannt sich der Melodiebogen zu ihren Worten: Ich bin stolz vor allen Weibern! Ernüchternd, wie der Tambourmajor diese Töne übernimmt, um mit einem groben Kompliment seines Prinzen zu prahlen: Mensch! Er ist ein Kerl! Banale Motive, ‚dünn‘ instrumentiert, kommentieren seine eitle Selbstdarstellung. Gegen die grobe Verführung wehrt sich Marie, aber in den gestoßenen Triolen, die den Kampf der beiden begleiten, behält die Fanfare des Tambourmajors, fortissimo in Trompeten und Posaunen, die Oberhand, bis Marie sich mit letzter Kraft widersetzt. Bei ihrem fast geschrieenen Rühr mich nicht an!, endend auf dem hohen h, dem Ton, der ihr bis zuletzt zugeordnet ist, schweigt plötzlich das Orchester, eine Generalpause tritt ein. Als könnte es einen Ausweg geben. Nach Maries geradezu verzweifelter Einwilligung – Meinetwegen, es ist Alles eins! – weiß die Musik nichts mehr von Glück und Zärtlichkeit (Affettuoso), auf schmetternde chromatische Akkordverschiebungen der Trompeten, Oboen und Klarinetten folgt der Absturz eines Tuttithemas aus großer Höhe. Mit dem gleichen Siebenton-Akkord, der auch den letzten Akt beschließen wird, endet der erste Akt. II Aus diesem Akkord stammen die Töne zu Beginn der Einleitungsmusik des zweiten Akts – selbst zwischen den Akten schafft Berg also noch Übergänge. Dieser zweite Akt, komponiert nach dem Modell einer fünfsätzigen Sinfonie, hat sein

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Zentrum im Mittelsatz, einem Largo. Nach einer Fermate auf Maries Quintklang beginnt die erste Szene494: Mariens Stube. Vormittag, Sonnenschein. Sie entspricht der Form des Sonatensatzes, die Themen beziehen sich auf Marie, das Kind, Wozzeck. Das erste, eine anmutige Kantilene, zart instrumentiert, stellt Maries Glück beim Betrachten der Ohrringe dar, die ihr der Tambourmajor geschenkt hat: Was die Steine glänzen! Der Seitensatz betrifft das Kind, wieder singt Marie ein Schlaflied, wiederholt die Melodie aus der dritten Szene des ersten Akts (Mädel, was fangst Du jetzt an?). Aber diesmal ist es kein sanftes Wiegen, sondern eine, wenn auch scherzhafte, Drohung mit dem Zigeunerbub. Die Solovioline umspielt das Lied zuerst brillant, dann wild in der Art einer Zigeunergeige. Plötzlich verbindet sich der gespielte Schauder mit dem unheimlichen Sekundmotiv Wozzecks, fortissimo, molto Allegro, dem dritten Thema. Während der Wiederholung der Exposition verändert sich Maries Thema, seine letzten Takte werden in der Vergrößerung Ausdruck von Aufbegehren, ebenso die weiten Sprünge des Gesangsparts, auch ihr Klagemotiv ist zu hören. Das Lied für das Kind, das nicht schlafen will, fast zornig gesungen, wird eingeleitet und auch begleitet von drohenden chromatischen Skalen. Zuletzt folgt wieder Wozzecks Thema in schweren, unsicheren Schritten, piano in allen vier Posaunen. Die Durchführung – Wozzeck entdeckt Maries Betrug und stellt sie zur Rede – beginnt fortissimo mit einer scharf punktierten Sprungfigur, einer Variante des ersten Themas, Ausdruck des Erschreckens. Wozzecks Reaktion auf Maries Ausrede ist an seinem drohenden Sekundmotiv ablesbar. Als Marie verzweifelt aufbegehrt – ihr Sprungmotiv taucht in allen Holzbläserstimmen auf -, resigniert er: s’ist gut Marie! Beim Anblick des schlafenden Kindes steigt aus der zunächst zärtlichen Musik, piano, molto cantabile, seine Klage auf bis zum Höhepunkt mit dem Motiv Wir arme Leut! in der Singstimme und in drei Posaunen, alles übertönend, gleichzeitig ist der Rhythmus der Gehorsamsformel in Pauke und Tuba zu hören. Vom Tuttiklang in dreifachem forte bleibt plötzlich, pianissimo, ein fahler Restklang in C-Dur übrig: Wozzeck liefert, bevor er geht, sein Geld ab. Wie könnte man

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die Sachlichkeit des Geldes [...] deutlicher bringen!495 Die Reprise stellt noch einmal alle drei Themen vor. Maries Schmuckthema wird Ausdruck ihrer Selbstvorwürfe, die Schlusstakte sind erweitert zu einer Gebärde der Verzweiflung. Bei geschlossenem Vorhang, als reine Orchestermusik, wird die Reprise zu Ende geführt, am Schluss steht eine Stretta aus Wozzecks Motiv, drohend, in dreifachem forte von allen vier Trompeten, den Holzbläsern und Violinen gespielt, kontrapunktiert von einem Klagemotiv der Hörner und Celli. Abrupt endet die Musik mit drei kurzen Schlägen, schweigt drei Takte, bevor der Vorhang sich zu einem leisen Harfenglissando wieder hebt.496 Die zweite Szene, im sinfonischen Zyklus quasi das erste Scherzo, ist angelegt nach dem Muster einer Invention mit Fuge. Zweistimmig beginnt die Invention: die Violinen spielen das Thema des Hauptmanns aus dem ersten Akt (T. 4), jene ironische Anspielung auf Beethovens „Pastorale“; den Kontrapunkt bildet ein Fagott mit dem Thema des Doktors aus der vierten Szene des ersten Akts (T. 563). Doktor und Hauptmann begegnen sich auf der Straße, der Hauptmann mit seinem phobischen Widerwillen gegen die Eile des Herrn Sargnagel erwischt den Davoneilenden gerade noch am Rock. Dass er zwischen den einzelnen Worten keuchen muss, karikieren Blechbläser und Streicher, col legno geschlagen. Mit bloß stichwortartigen Berichten über Todesfälle provoziert der Doktor genüsslich (langsames Walzertempo) die Angst des Hauptmanns, sterben zu müssen, so dass dessen Thema nun wie paralysiert dahinschleicht (zwei gedämpfte Violinen im Quintabstand). In seiner verheerenden Diagnose (Apoplexia, aus den Schlussvokalen wird ein Eselsruf) prophezeit der Doktor dem Hauptmann, natürlich cantabile, mögliche Lähmungen, demonstriert von kläglich stagnierenden Flageolettklängen. Begeistert (schwungvoller Walzer) bekräftigt er seinen Befund, dabei schmettern die Hörner, als setzten sie Ausrufezeichen. Während das Orchester die Hilferufe des Hauptmanns und sein Keuchen und Husten in komischer Weise imitiert, sind in der polyphonen Faktur zugleich Verarbeitungen seines Themas zu erkennen.497 Als der Haupt-

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mann sich gerührt das eigene Begräbnis ausmalt, ist die Parodie eines Trauerzuges zu hören, kläglich verendet sein Thema in der Solobratsche. Die Stimmung schlägt um, als Wozzeck auftaucht, willkommenes Objekt für die Anzüglichkeiten seiner Vorgesetzten, schwer klingt sein Thema im vierstimmigen Satz gedämpfter Posaunen. Die folgende Tripelfuge führt die Themen der drei Personen nacheinander durch, dabei dominiert das Thema des geschwätzigen Hauptmanns. Subtil werden kontrapunktische Techniken eingesetzt, die Themen sind auf vielfältige Art kombiniert und variiert. Dabei führt die Musik eindringlich vor, wie Wozzeck von seinen beiden Vorgesetzten durch sadistische Anspielungen auf Maries Untreue zur Verzweiflung getrieben wird. Die spitzen Bemerkungen des Hauptmanns werden von kichernden Skalen der Holzbläser begleitet, anzüglich pfeift er Takte seines Parts, während der Doktor bei den Sticheleien des Hauptmanns manchmal sein Thema genüsslich summt. In einem mit molto rubato überschriebenen Teil begleiten rauschende Arpeggien der Harfe in Dur und Moll das sentimentale Gerede des Hauptmanns, auch er habe einmal die Liebe gefühlt. Wozzeck bleibt meist stumm, zuletzt aber wird mit der Durchführung seines Themas der Höhepunkt der Fuge erreicht: Man könnte Lust bekommen, sich aufzuhängen! In diesem FortissimoAusbruch erscheint sein Thema dreimal in der Singstimme, jeweils eine Terz höher, sowie in verschiedenen Bläserstimmen. Die Bläserakkorde überstürzen sich, das Thema klingt verzerrt, Wozzeck rennt davon. Nach einem langsamer werdenden Spiel mit den beiden ersten Themen, allmählich immer ausdrucksloser, fällt der Vorhang. Nur hinter der Szene ist noch die Stimme des Hauptmanns zu hören: Hundsfott... Die dritte Szene, das Largo der ‚Sinfonie‘, eine Hommage an seinen Lehrer, hat Berg durch besondere Eigenschaften herausgehoben. Es spielt ein Kammerorchester in der Besetzung von Arnold Schönbergs Kammersymphonie, so ist es in der Partitur vermerkt, also reduziert auf acht Holzbläser, zwei Hörner in F und ein Streichquintett. Die ganze Szene stellt ein Melodram

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mit „Sprechmelodien“ dar, wie Schönberg die Partien in seinem Drama mit Musik, „Die glückliche Hand“, und im Melodram „Pierrot lunaire“ bezeichnete. Wozzecks und Maries Stimmen sind, bis auf eine Ausnahme, als solche Sprechmelodien notiert. Im Unterschied zum einfachen Sprechen in der dritten Szene des ersten Akts ist der Rhythmus genau festgelegt, und auch die Tonhöhen des Sprechens sind notiert.498 So wird schon durch diese besondere Instrumentation Geschlossenheit erreicht, sogar eine Art Symmetrie durch den gleichen Akkord sowie das gleiche Thema am Anfang und am Ende. Trüber Tag. Noch bei geschlossenem Vorhang spielt ein Solocello molto espressivo und fast unbegleitet eine Melodie, Ausdruck gespannter Unruhe, eine Anspielung auf die Hornmelodie in Schönbergs Kammersymphonie T. 23.499 Auf der Straße begegnen sich Wozzeck und Marie. Als Wozzeck sie anklagt, sind wieder seine Motive der Verstörung und der Angst zu hören, dann auch seine Wut in der auffahrenden Gestik von Bläsern und Streichern, als Marie versucht, sich gegen ihn durchzusetzen, und ihn provoziert. Einmal wird seine Verzweiflung über den Verlust zu Gesang: Du bist schön „wie die Sünde“.500 Dann geht die Musik in einen Agitato-Teil über, das übrige Orchester verstärkt jetzt die fünfzehn Solisten. Gleichzeitig mit Wozzecks Drohmotiv ist das Motiv des Tambourmajors zu hören, das schwärmerische Affettuoso-Thema kehrt wieder, vier Trompeten, sehr gesungen, spielen Maries Melodie Soldaten sind schöne Burschen. Mit einem Schrei geht Wozzeck auf Marie los. Die widersetzt sich: Lieber ein Messer in den Leib als eine Hand auf mich. Ein gefährliches Stichwort ist gefallen, betont durch chromatisch abwärts gleitende Tremoli der Solostreicher, solche Glissandi begleiten das Messermotiv auch später. Auf- und abwärts jagende Skalen zeugen von Schwindelgefühlen. Allmählich werden die heftigen Orchesterschläge leiser, die Szene endet, wie sie begonnen hat. Die längste Szene der Oper, die nun folgt, hat Berg viel Kopfzerbrechen bereitet, seiner Frau schreibt er am 11. Juni 1921: Es geht mit dieser Wirtshausscene sehr langsam vorwärts. Aber es geht.

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Wenn mir das so gelungen ist, wie’s mir vorschwebt, ist das schwerste überwunden u. das andere dagegen eine Spielerei.501 Die Wirtshausszene mit der Bühnenmusik bleibt aber noch lange sein größtes Sorgenkind.502 Wie ein Mahlersches Scherzo ist sie angelegt, mit zwei Trios und durchführungsartiger Reprise, in die noch ein Melodram eingefügt ist. Für die Wirtshauskapelle sind zusätzliche Instrumente vorgesehen: Fidel (eine hochgestimmte Geige), Süße Hölzel (Clarinette), Ziehharmonika, Gitarre und Baßtuba. Um zu erfahren, wie w e i t in moderner Hinsicht er mit der Ziehharmonika gehen könne,503 suchte Berg im Juni 1921 eigens einen großen Ziehharmonika-Erbauer in der Neubaugasse auf und lieh sich für einen Tag eine Ziehharmonika aus. Wirtshausgarten. Spät abends. Handwerker, Soldaten, Mägde beim Tanz, unter ihnen Marie mit dem Tambourmajor, Wozzeck als Zuschauer am Rand. Noch bei geschlossenem Vorhang ist ein langsamer Ländler in g-Moll zu hören (Scherzo I), die Spieler scheinen sich nicht einig, manche enden in der Grundtonart, andere auf der Dominante – wer könnte es einer betrunkenen, drauflos musizierenden Wirtshauskapelle verübeln!504 Zwischendurch probiert eine Violine ein paar Walzertakte aus dem „Rosenkavalier“.505 Ohne Spott ist diese Musik vom beschädigten Glück der Armen komponiert, sie ist „von abgründiger, tappender Traurigkeit“.506 Als der Vorhang sich öffnet, wirkt die Ländlermusik verzerrt durch die groben Bässe des Bombardons, ein Handwerksbursche singt eine Liedstrophe dazu (1. Trio), gerät aus der Balance, verfällt in die Wehleidigkeit Betrunkener: Meine unsterbliche Seele stinket nach Branntewein! Die Wirtshauskapelle beginnt mit Walzermusik (Scherzo II). Auch musikalisch ist die Szene eine Karikatur: Zur Choralmelodie des Bombardons kontrapunktieren die übrigen Instrumente einer Heurigen-Musik in der strengen Form einer vierstimmigen Choralbearbeitung.507 Das Tempo steigert sich, Wozzeck sieht Marie mit dem Tambourmajor vorbeitanzen, hört beim zweiten Walzer (Schwungvoll) ihr leidenschaftliches Immer zu, immer zu! Wieder, der Feuerakkord deutet es an, sieht er ein apokalyp-

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tisches Bild vor sich: Alles wälzt sich in Unzucht übereinander: Mann und Weib, Mensch und Vieh! Das ehemals zarte Affettuoso-Thema ist jetzt, doppelt so schnell, zu Wirtshausmusik geworden, der Walzer wird feurig und ordinär, die Tänzer leidenschaftlicher: Immer zu, immer zu! Das Zusammenspiel von Bühnenmusik und Orchester scheint aus dem Takt zu geraten, Bergs Anweisung für die Orchesterbässe heißt: ohne Rücksicht auf den Rhythmus des Walzers. Als Wozzeck sich auf den Tanzboden stürzen will, ist der Walzer zu Ende, die Männer singen trotz des zügigen Tempos mit dumpfer Schwere: Ein Jäger aus der Pfalz (2. Trio). Darunter mischt sich Andres mit seinem Lied, hält den letzten hohen Ton (h) mehrere Takte jammernd aus, während der Jägerchor in der Umkehrung erscheint. Mit dem Beginn der Scherzo-Reprise, stark gekürzt und variiert, schlägt die Stimmung um. Drohende es-Moll-Akkorde in Trompeten und Posaunen sind zu hören, Wozzeck hat Todesgedanken. Anstelle des ersten Trios folgt ein Melodram, eine parodistische Choralbearbeitung, deren cantus firmus aus den Akkordtönen im ersten Trio, T. 447, gebildet ist, eine der subtilen musikalischen Beziehungen in dieser Oper, die nicht zu hören, nur zu lesen sind. Ein Handwerksbursche hält eine groteske Predigt über die Frage Warum ist der Mensch? Nach dem gekürzten zweiten Trio ändert sich das Klangbild, ein Narr taucht auf. Große und kleine Trommel werden mit der Rute geschlagen, der gedämpfte Wirbel der kleinen Trommel zieht sich über 27 Takte hin. Die Fiedeln spielen Maries Quinten, unsauber, mit Vierteltönen. Der Narr redet von Blut. Das Wort stürzt Wozzeck in Panik, die Blechbläser wiederholen seinen Akkord immer wieder, als hätten sie sich verfangen, während gleichzeitig die Wirtshauskapelle den ersten Walzer geigt. Unter Becken- und Tamtam-Schlägen fällt der Vorhang. Ein Rondo marziale bildet das Finale der sinfonischen Anlage. Nachts in der Kaserne atmen die Soldaten schwer im Schlaf,508 ein fünfstimmiger Summchor – mit halb geöffnetem Mund zu singen – ist bei noch geschlossenem Vorhang zu hören, eine Reminiszenz an den Summchor in der Gewitterszene aus Verdis

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„Rigoletto“, Schmerzenslaute der Natur. Wozzeck kann nicht schlafen, hört noch immer die Tanzmusik, zugleich Stimmen aus der Wand, fühlt sich verfolgt, glaubt ein Messer zu sehen, ein breites Messer fast wie das apokalyptische Schwert, das die Welt zu vernichten droht.509 Chromatisch versetzte Akkorde in gleichbleibenden Notenwerten begleiten dieses Bild. Das drohende Sekundmotiv aus der Szene Freies Feld (Es wandert was mit uns da unten) kehrt wieder, begleitet vom quälenden Immerzu! der Streicher. Sehr leise ist das chromatische MesserMotiv auch noch nach Wozzecks Stoßgebet Führe uns nicht in Versuchung zu vernehmen. Der Chor der Schlafenden beendet die Einleitungsmusik. Mit einem Paukenschlag beginnt das Rondo, der Tambourmajor poltert herein. Ein triumphierend sich spreizendes Trompetenthema, das Rondothema, dazu Siegesgeschmetter der Trompeten und das Fanfarenmotiv begleiten seinen Auftritt, die unverhohlene Demonstration von Gewalt. Wozzecks Thema Wir arme Leut, leise in den Posaunen (1. Couplet), vermag sich kaum durchzusetzen gegen die lärmende BranntweinMusik (2. Couplet). Plötzlich zufahrend setzt wieder das Rondothema ein, der Tambourmajor bedroht Wozzeck, sie ringen miteinander. Signalquarten in allen Stimmen, martialisch in den Blechbläsern und der Pauke, staccato in den Holzbläsern, col legno von den Streichern geschlagen, werden von kleiner und großer Trommel und einem mächtigen Tamtamschlag begleitet: musikalisch eine Wiederholung des Kampfes zwischen Marie und dem Tambourmajor. Wozzeck unterliegt, in den Klarinetten erhebt sich die laute Klage: Wir arme Leut! Dann drängt die Branntwein-Musik des zweiten Couplets sein Thema zurück. Wenn das Rondothema ein letztes Mal einsetzt, unisono in vier Trompeten, besiegelt es den Triumph des Tambourmajors endgültig: Was bin ich für ein Mann! Schmetternd bekräftigen die Bläser seinen Sieg, ehe er zur Tür hinauspoltert. In der plötzlichen Stille ist Wozzecks Stimme zu hören: Einer nach dem Andern! Eine Erinnerung an Maries Worte, ihre Untreue. Die Szene schließt mit dem tiefen H der Harfe zu einem sehr leisen Tamtamschlag.510

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III Der dritte Akt folgt einem Kompositionsprinzip, das nur mehr musikalische Grundelemente aufgreift: Man hört Inventionen über ein Thema, einen Ton, einen Rhythmus, einen Akkord, eine Tonart, eine Achtelbewegung. Die Grundlage der ersten Szene bildet ein Thema mit sieben Variationen, das anschließend noch Thema einer Doppelfuge wird. Die Nacht ist die Zeit des letzten Aktes. Bei Kerzenschein liest Marie in der Bibel über die Ehebrecherin (Joh 8, 3–11) und die Sünderin (Lk 7, 37–38), denen Vergebung zuteil wird. Das schwache Licht scheint Klang geworden, im dreifachen piano spielen drei Solostreicher (mit Dämpfer). Zu dem Thema in gMoll im Ton vergangener Zeiten liest Marie den Bibeltext (Sprechmelodie). Aber wie dann in ihrem Gesang Reue und Verzweiflung zum Ausbruch kommen, wird, ein Zeichen der Distanz zu den biblischen Verheißungen, der archaische Tonsatz kühn kombiniert mit einem Zwölftonthema, mit Maries chromatischem Reuethema, das wie nach einem Hilferuf in die Tiefe absinkt, sowie mit der Verzweiflungsgeste ihres Akkords. Unterschiedliche Instrumente, vorwiegend solistisch eingesetzt, übernehmen das Thema in den folgenden Variationen, es wird rhythmisch verändert, aufgesplittert, in andere Tonarten versetzt, reduziert auf die Anfangstöne. Die Variationen fünf und sechs mit dem Thema im Solohorn (dolce) und stehenden Streicherakkorden wechseln in den Märchenton. Marie erzählt dem Kind eine Geschichte, aber die Märchenwelt verkehrt sich, keine Sterntaler trösten, das Kind hungert, weint, hat Niemand auf der Welt – an dieser Stelle, die Violinen spielen, lagrimoso, Maries Reuethema, bricht sie ab. Unvermittelt, appassionato taucht in den Trompeten Wozzecks Thema auf wie eine Bedrohung, so dass Maries Verzweiflung, ihr Klagemotiv und ihre Akkordtöne, das Bibelthema fast ganz verdrängen. Dann beginnt die Doppelfuge über das Bibelthema (Sprechmelodie, Solostreicher) und Maries Reuethema (Gesang, Cello, Trompete, Posaune). Bei geschlossenem Vorhang werden beide Themen durchgeführt, nach einer Steigerung nehmen Tempo und Lautstärke allmäh-

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lich ab, und mit sehr leisen Arpeggien über dem lang ausgehaltenen Kontra-H beginnt die nächste Szene. Invention über einen Ton hat Berg die zweite Szene genannt. Der Ton H, Marie zugeordnet, ist ohne Unterbrechung zu hören, als liegender Bass, als Liegeton im Diskant, als Tremolo, als Glissando über eine Oktave, als Sprungmotiv, rhythmisiert, als stehender Klang über sieben Oktaven, zuletzt im Unisono des ganzen Orchesters. Marie und Wozzeck abends auf einem Waldweg am Teich. Wozzeck wird Marie töten. Das Unheil kündigt sich an in der Stille, die nicht geheuer ist – man meint einzelne Rufe von Nachtvögeln zu vernehmen, die tiefe Oktave der Kontrabässe schwillt an und wieder ab, Wozzecks Thema klingt fremd. Marie fürchtet sich vor seinem beinahe maskenhaften Gleichmut. Es ist, als fände die Angst ihren Ausdruck in der nächtlichen Natur: eine einsame Klarinettenstimme (ohne Ausdruck), vereinzelte hohe Flageoletttöne, die Beklemmung in den Bläsertriolen. Dann löst sich für einen Augenblick die Starre: Wozzeck singt von seiner verlorenen Liebe, fast arios, von Dur- und Mollakkorden dreier Solostreicher begleitet. Ein Schwanengesang, in höchster Höhe zittern die Tremoli der Violinen. Danach fällt er wieder in den maskenhaften Gleichmut, unheimlich klingen die leisen Töne von Xylophon und Harfe. Der Nachttau fällt, die Kälte ist zu spüren in den leeren Intervallen der Harfe. Feindlich erscheint die Natur, als der Mond rot aufgeht. Gedämpfte Posaunen, pianissimo, setzen nacheinander mit steigenden Intervallen ein, eine Gespanntheit entsteht durch das langgezogene H in allen Streichern, schließlich ist das Messermotiv zu hören: Wie ein blutig Eisen! Stärker und stärker werdende Paukenschläge und das Motiv der Verstörung führen zur Katastrophe, die erlittenen Verletzungen schlagen um in einen Gewaltausbruch. Wozzeck ersticht Marie, ihr Hilfeschrei (h2) stürzt über zwei Oktaven ab. Erinnerungen an ihr armseliges Leben tauchen momenthaft auf – die Quarten des Tambourmajors, der Anfang ihres Wiegenlieds, drei Takte des Schmuck-

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themas, ihr Klagemotiv und am Ende ihre Quinten, Ausdruck ihres lebenslangen Wartens. Bei geschlossenem Vorhang entwickelt sich auf dem H ein großes Crescendo vom leisesten piano zum dreifachen forte, endend in einem harten Sechston-Akkord, der in der vierten Szene am Teich Bedeutung gewinnt. Dieses Crescendo wiederholt sich, noch gesteigert, im vollen Orchester, verstärkt durch Pauken, Trommeln, Becken, Tamtam. Wie mit einem Aufschrei endet die Szene. Unmittelbar darauf folgt eine Wirtshausszene, diesmal viel kürzer als im zweiten Akt, eine Invention über einen Rhythmus. Es ist Nacht. Auf dem verstimmten Klavier in der Schenke spielt einer ungemein roh – ein geradezu schmerzhafter Kontrast zum Vorhergehenden – eine wilde Schnellpolka (C-Dur mit falschem gis). Sie gibt den Rhythmus vor, vier Takte, die im Schlagzeug und auch in den Orchesterstimmen, selbst im Gesang Wozzeck zu verfolgen scheinen. Er versucht die Tat zu verdrängen, trinkt und tanzt mit, singt, immer gehetzt, ein Lied – es hat die Anfangstöne von Maries Wiegenlied –, bricht vor dem Wort „Totenbahr“ ab. Nichts hilft gegen die Angst, auch nicht eine andere Frau, Margret. In vibrierenden Streicherakkorden zeigt sich eine momenthafte sexuelle Erregung, dann kreisen Wozzecks Gedanken um den Mord. Selbst Margrets harmloses Lied, vom Wirtshausklavier begleitet, kann er nicht ertragen: der plötzliche Einbruch von es-Moll kündigt Unheil und Tod an. Das Blut an seiner Hand wird entdeckt, nicht nur Margret, die ganze Wirtshausgesellschaft klagt ihn an. Der gemischte Chor, nacheinander einsetzend (Blut ... Blut), bricht bei geschlossenem Vorhang mit einer scharfen Dissonanz und dem Spitzenton im höchsten Diskant ab. Lautstark und aggressiv wiederholen zuerst die Bläser, dann die Streicher und durchdringend die kleine Trommel die Schlusstöne des Rhythmus, in den übrigen Stimmen aber, zuletzt den Bläserstimmen in dreifachem forte, klingt Wozzecks Frage nach: Bin ich ein Mörder? (T. 206)

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Während der Vorhang sich wieder öffnet, setzt sich die Dissonanz des fünfstimmigen Schlussakkords, pianissimo, quasi Echo, in Repetitionen der Blechbläser fort. In Wozzecks Sterbeszene ist sein Monolog als Sprechmelodie komponiert, an die Stelle des Gesangs treten die Stimmen der Natur mit einem Hexachord, einer sechstönigen Dissonanz, Klang des unergründlichen nächtlichen Wassers, auch des Mondlichts. Waldweg am Teich. Mondnacht. Wozzeck sucht das Messer. Schnelle Bläserrepetitionen mit den Tönen des Hexachords spiegeln seine Erregung, Das Messermotiv erscheint als langgezogenes Glissando von kleinen Nonen. Eine drohende Stille tritt ein, nur Unkenrufe (Flöten) und leise Wassergeräusche (Celesta) sind zu vernehmen, der Leitakkord, jetzt gespielt von nur drei Solostreichern, ist kaum mehr wahrzunehmen. In die Stille hinein dringt Wozzecks Schrei: Mörder! Mörder! Seine Selbstanklage glaubt er als Rufe anderer zu hören: das MörderMotiv ertönt fortissimo in den Trompeten, wie ein Echo dann auch in Hörnern, Posaunen und Violinen. In diesem Augenblick stößt er auf Maries Leiche, leise klagen Solobratsche und Solocello (Töne des Hexachords). Wozzeck sieht nur das rote Halsband, die Wunde, denkt an die Ohrringe: Zwei Violinen spielen den ersten Walzer aus der Wirtshausszene, das Immer zu! drängt sich ins Bewusstsein. Ein zweites Mal ertönt der Mörderruf, jetzt fortissimo über einem Zwölftonakkord (Trompeten und Posaunen schmetternd). Endlich findet Wozzeck das Messer, wirft es in den Teich. Als der Mond blutrot hinter den Wolken hervorbricht – fahle, über fünf Oktaven aufsteigende Harfenklänge, unheimlich grundiert von Becken und Tamtam –, geht Wozzeck aus Angst, das Messer könnte doch gefunden werden, ins Wasser. Im dumpfen Gefühl seiner Schuld will er sich waschen, entdeckt immer neue Blutflecke an sich, verdeutlicht durch verstreute Sechstonakkorde der Holzbläser. Seine Wehrufe klingen nach im Echo der Streicher, wiederum aus den Tönen des Hexachords. Während er sich in einem Meer von Blut511 wähnt, ertrinkt er.

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Aus dem chromatisch verschobenen Leitakkord entsteht, pianissimo, eine in sich bewegte Klangfläche, Wellen, die über dem Ertrinkenden zusammenschlagen. Das Unheimliche des Wassers spüren auch der Doktor und der Hauptmann, als sie vorbeikommen. Die Unkenrufe sind erneut zu hören, auch das Mondmotiv, jetzt absteigend, kehrt wieder. Das stöhnt, als stürbe ein Mensch. Da ertrinkt Jemand! sagt der Doktor. Schnell verlassen beide den Platz. Bei geschlossenem Vorhang folgt ein 52 Takte langer Epilog512, ein Adagio in d-Moll, dieser dunklen, feierlichen Tonart, zu der Berg eine besondere Nähe empfand. Es ist ein Epitaph für seinen armen Helden. Den ersten Teil der Trauermusik bestimmt ein feierliches Thema, von den Kontrabässen eingeführt, später blasen zwei Hörner wie aus der Ferne Andresʼ Jagdlied zu klagenden Violinstimmen, auch Wozzecks Thema und sein gehetztes Motiv (in der Umkehrung) sind zu hören. In dichter Konzentration setzen sich im Mittelteil noch einmal lautstark die Themen seiner Widersacher durch, des Doktors, des Hauptmanns, des Tambourmajors. Das zwölftönige Passacagliathema wird zitiert, ebenfalls die Affettuoso-Musik, über der sehr hoch das h3 der Flöten schwebt – eine Reminiszenz an Marie. Wozzecks Motive in den Posaunen sind eine einzige Anklage – Nichts als Arbeit unter der Sonne, Wir arme Leut, Jawohl, Herr Hauptmann –, sie endet mit einem Zwölfton-Akkord, der quasi dominantisch nach d-Moll zurückführt. Fortissimo tragen nun Streicher und Bläser Wozzecks Hauptthema vor. Aber was immer schwer, geduckt, fast plump erschien, wird jetzt, in hoher Lage und anderer Phrasierung, begleitet vom feierlichen Hauptthema, zu einer beredten Klage. Heller Morgen, Sonnenschein. Kinder spielen auf der Straße, Maries Sohn reitet auf einem Steckenpferd. Von Anfang bis Ende fließt die Musik wie ein Perpetuum mobile in ununterbrochener Achtelbewegung. Das Orchester spielt, piano, in kleinerer Besetzung, ohne Kontrabässe und Posaunen, so dass auch der Klang hell wirkt. Das Lied der Kinder erinnert mit seinen Quar-

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ten an Maries Wiegenlied. Dein Mutter ist tot! ruft eines der Kinder. Zum letzten Mal erklingen Maries Quinten, ein Cello beginnt ihr Wiegenlied zu spielen, andere Instrumente nehmen es auf, dann verlöscht es. Die Kinder laufen davon, Maries Sohn versteht nicht, reitet immer weiter. Sehr leise, mit dem Siebenton-Akkord aus dem Schluss des ersten Aktes, endet die Oper. Und es hat fast den Anschein, als ginge es weiter.513

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Für fünfzig Jahre Um Dirigenten zu finden, die eine Aufführung des Wozzeck wagen würden, war ein Klavierauszug erforderlich. Fritz Heinrich Klein, Bergs Schüler, fertigte einen gut les- und spielbaren Auszug an, einiges, die Verwandlungsmusiken, die Wirtshausmusik im zweiten und das Adagio im dritten Akt, ist für zwei Spieler gesetzt. Allerdings war das Format – 230 Großquartseiten – unhandlich. „Kein Verleger dachte daran, dieses Monstrum zu verlegen.“514 Ende Juli 1922 veröffentlichte Berg die Noten im Selbstverlag, der Kaufpreis betrug 150.000 Kronen.515 An den Druckkosten beteiligte sich Alma Mahler, ihr sind der Klavierauszug sowie die Partitur zugeeignet. Davor, den Wozzeck vorzuspielen, habe ich eine große Scheu. 1. spiele ich zu schlecht, 2. genier’ ich mich überhaupt dies zu tun516, gestand Berg in einem Brief an Schönberg. Den Klavierauszug schickte er an die wichtigsten deutschsprachigen Bühnen, ebenfalls an verschiedene Musikzeitschriften, in denen daraufhin ablehnende, aber auch zustimmende Rezensionen erschienen. Der Artikel in der „Musik“ sei fabelhaft, schwärmte Berg, 3 Seiten interessantestes Lob. Das Wiegenlied der Marie, die Beilage, gehöre nach der Meinung des Kritikers zu den „lyrisch stärksten Eingebungen“ in der neuesten Opernliteratur.517 Während eines Besuchs bei Schönberg mag er dieses Lob gar nicht erwähnen. Schönberg war wieder unleidlich, kritisierte alles an mir ̶ Daß ich noch immer am Wozzeck arbeite »Das ist Karl Krausisch: dieses ewige Korrigieren«; Daß ich rauche; Daß ich mir n i c h t e i n b i l d e n s o l l , m i t W o z z e c k E r f o l g z u h a b e n , da er zu schwierig ist; und als Ärgstes, daß ich noch immer nicht an der Bläserkammermusik schreibe. Denn wenn Berg die gut verkaufe, könnten er und Helene endlich einmal mit den Schönbergs „aufs Land gehen“. Berg begreift: Mit seinen scheinbar freundschaftlichen Ratschlägen wolle Schönberg nur die Möglichkeit erzwingen, ihn und Helene als Vasallen im Sommer um sich zu haben. Wie schrecklich das würde, kann

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er sich nach dem heutigen Tag ausmalen: Ein, zwei Stunden hat Schönberg ununterbrochen genörgelt, dann, als Rankl und Eisler erschienen, hub ein Sichselbstberäuchern an über Dinge, die ich schon 20mal von ihm selber hörte; über Steuermann schimpfte er in der ungerechtesten u. ordinärsten Weise.518 Fast schuldbewusst fragt sich Berg, weshalb er das alles ruhig angehört habe. Zemlinsky gefiel der Wozzeck „ganz besonders gut“, Berg hatte ihm den Klavierauszug geschickt. Er war „überrascht über den originellen u. sicheren Bühnenton“, gab jedoch als erfahrener Operndirigent zu bedenken, welche „enormen Schwierigkeiten“ eine Aufführung zu überwinden hätte. Wo finde man einen Sänger für den Wozzeck, wo einen Tenor, der den Doktor erlernen und auch singen könne? Aber da die Oper „ganz ausgezeichnet“ sei, würden die Schwierigkeiten „auch überwunden werden“.519 Im April 1923 gelang es Berg, mit der Universal Edition einen Vertrag über Wozzeck und die Orchesterstücke op. 6 zu schließen, Hertzka zahlte ihm einen Vorschuss von drei Millionen Kronen. Jedenfalls wird meine Karriere, die über 15 Jahre stillstand, jetzt mit Riesenschritten vorwärts gehn, versicherte er seiner Frau.520 Eine Opernbühne für die Uraufführung fand sich vorerst nicht. In Salzburg, wo Berg im August 1923 beim Kammermusikfest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) mit seinem Streichquartett op. 3 Aufsehen erregte, traf er den Dirigenten Hermann Scherchen wieder, der sich besonders für zeitgenössische Musik einsetzte. Schon 1912 bei der Einstudierung von Schönbergs „Pierrot lunaire“ hatte er assistiert, hatte 1920 die Zeitschrift „Melos“ gegründet und leitete seit 1922 als Nachfolger Wilhelm Furtwänglers die Frankfurter Museumskonzerte. Er regte an, einige Stücke aus dem Wozzeck für eine konzertante Aufführung zusammenzustellen. Nachdem Berg sich mit Stein beraten hatte, wählte er Drei Bruchstücke für Gesang mit Orchester aus der Oper „Wozzeck“ aus: die dritte Szene Mariens Stube mit der vorangehenden Zwischenmusik aus dem ersten Akt, aus dem dritten Akt die erste Szene Mariens Stube sowie das Adagio und die Schlussszene. Diesen Zyklus führte

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Scherchen am 15. Juni 1924 während des 54. Tonkünstlerfestes des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in Frankfurt a.M. auf. Der Erfolg war geradezu sensationell. Von nun an galt Alban Berg in der Öffentlichkeit als bedeutender Komponist und einer der Führer der Avantgarde, in diesem Jahr bekam er den Musikpreis der Stadt Wien. Diesmal hatte Helene ihren Mann zur Uraufführung begleitet, und Johanna, die über den Erfolg ihres Sohnes „Freudenthränen“ vergossen hatte, schrieb: „Dir liebe Helene gönne ich es herzlich, daß Du nun auch auf Deinen Alban stolz sein kannst – so wie ich es auf meinen Sohn bin!“ Sie überwies ihm 2 Millionen Kronen.521 Ihr Wunsch, im nächsten Jahr zur Uraufführung der Oper nach Berlin zu kommen, erfüllte sich nicht, weil sie krank wurde. 1925 dirigierte Zemlinsky die Bruchstücke in Prag, 1926 wurden sie endlich auch in Wien aufgeführt, im Großen Konzerthaussaal unter der Leitung von Heinrich Jalowetz, einem Schüler Weberns.522 „Es war prachtvoll“523, berichtete Webern. Moderne Musik in Wien durchzusetzen war viel schwieriger als in Berlin oder Prag. Der Rektor der Hochschule für Musik, Hofrat Prof. Dr. Josef Marx, habe in seiner Inaugurationsrede, wusste Berg, die beruhigende Erklärung abgegeben, dass atonale Musik an seiner Akademie keine Stätte finden werde. Schönberg galt mittlerweile zwar als Klassiker, wurde aber, wie Berg registrierte, ebenso respectvoll vernachlässigt, wie das früher respectlos geschah. In Strawinskys „Le sacre du printemps“, zum ersten Mal 1925, zwölf Jahre nach der Uraufführung, ins Programm der philharmonischen Abonnementskonzerte aufgenommen, habe der Dirigent Franz Schalk wegen wildester Lärmscenen während der ersten Aufführung tags darauf besonders »gefährliche« Partien ganz einfach weggestrichen, berichtete Berg. So geschehen im Jahre 1925 in Wien, die nicht grundlos die Bezeichnung »Musikstadt« führt!524 Im November 1923, noch bevor Berg mit den Bruchstücken Aufsehen erregt hatte, lernte er Erich Kleiber kennen, den neuen Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper. Ihm zeigte er seine Oper, als sie sich bei Emil Hertzka in der Universal Edition trafen. Der Pianist Ernst Bachrich spielte den ersten Akt aus

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dem Klavierauszug, bei den vierhändigen Verwandlungsmusiken half Berg aus. Schon nach der zweiten Szene versprach Kleiber: „Die Oper mache ich in Berlin, und wenn’s mich meine Stellung kostet!“525 Dass der Berliner Intendant Max von Schillings das Werk zur Uraufführung annahm, war, wie Gottfried Kassowitz berichtet, „ein ganz und gar einmaliges, umwälzendes Ereignis, an das man nur in seinen kühnsten Träumen denken konnte“. Er erlebte, wie Kleiber „sich in unglaublicher Weise mit dem Werk identifizierte, wie er es in unzähligen Proben erarbeitete“ – eine „bis dahin einzigartige Pionierleistung“.526 Gerüchte verbreiteten sich über die Unaufführbarkeit der Oper und unendlich viele (137!) Proben, in der Presse erschienen ungünstige Berichte über angebliche Widerstände der Musiker gegen das Werk. Trotz der ausgezeichneten Besetzung und der guten Inszenierung war man auf einen Skandal gefasst. Die Spannung in Berlin kolossal. Nur intriguiert Pfitzner dessen „Palestrina“ morgen neuaufgeführt wird, sehr dagegen, berichtete Berg seiner Frau. Ich habe es nicht für möglich gehalten als Musiker und Dramatiker je so verstanden zu werden, wie dies durch Kleiber geschieht. Eigentlich führe Kleiber auch Regie – und wie!!! 527 Sieben Jahre später, vor der Neueinstudierung des Wozzeck, schrieb ihm Kleiber: „Ich sitze seit drei Wochen wieder einmal über der »Wozzeck« Partitur – es haben sich mir da Dinge n e u erschlossen von denen ich k e i n e blasse Ahnung hatte, – und ich glaubte, das Werk zu »kennen« – mein lieber, lieber, großer Freund.“528 Über die Premiere am 14. Dezember 1925, zu der diesmal auch Helene Berg erschien, berichtet Paul Stefan, Musikkritiker und Redakteur beim „Anbruch“, sie sei eine „Sensation“ gewesen, „ein Solo-Pfeifer blieb isoliert.“529 Hans Heinsheimer von der Universal Edition erinnert sich dagegen an „tätliche Auseinandersetzungen, wütende Zwischenrufe aus dem Parkett und aus den Logen, höhnisches Gelächter, Pfeifen und Buh-Rufe, die das kleine, aber letztlich doch siegreiche Häuflein der Getreuen eine Zeitlang zu übertönen drohten.“530 Neben positiven Kritiken, etwa von Hans Heinz Stuckenschmidt, Josef Rufer und Oskar Bie, gab es auch ratlose Reaktionen, die rechtsge-

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richtete Presse berichtete abfällig. Schönberg musste sich zu dieser Zeit einer Blinddarmoperation unterziehen, aber da die Berliner Staatsoper das Werk zwölfmal in der laufenden Saison aufführte, konnte er es doch noch in der Premierenbesetzung hören. „Ich habe einen sehr guten Eindruck gehabt“, schreibt er an Berg, zitiert aber, und das ist nicht als Kompliment gemeint, eine Prophezeiung aus der Presse, das Werk entwickle sich zu einem „Kassenstück“. Dann kritisiert er die Aufführung, vielleicht, weil Kleiber bisher nie Interesse gezeigt hatte, ein Bühnenwerk von Schönberg in der Staatsoper aufzuführen: Stolperer im oft zu lauten Orchester, outrierende Sänger („das Temperament feiert Orgien“), krasse Hell-Dunkel-Kontraste („man wird ganz blind“). Darüber, „dass fast jede Scene sich bis zu einem sehr großen fff des Orchesters steigert“, möchte er gerne ausführlich mit Berg sprechen. Trotzdem könne er „auf einen solchen Schüler schon stolz sein.“531 „Nach der Berliner Uraufführung“, erzählt Adorno, „gingen wir bis spät in die Nacht in der Stadt herum, und ich hatte ihn über den Erfolg, den größten seines Lebens, zu trösten: wenn das den Leuten gefalle, meinte er, so müsse etwas an der Sache nicht stimmen.“532 In diesem Misstrauen gegenüber dem konkreten Erfolg zeigt sich, wie sehr Karl Kraus, der gerade in praktischen Misserfolgen eine Bestätigung seiner Arbeit sah, Bergs Denken bestimmte. Dass Schönberg ihn um seinen Erfolg beneidete, spürte Berg, dass man aber hinfort ihn als den Eingängigeren gegen Schönberg ausspielte, war ihm „widerwärtig“.533 Bescheidenheit blieb Berg eigentümlich bis zuletzt. An Erich Kleiber, der ihn 1932 zur dritten Neuinszenierung des Wozzeck nach Berlin eingeladen hatte, schrieb er von seiner Scheu, sich lächerlich zu machen, wenn er sich öffentlich zeige, um persönlichen Applaus für etwas einzuheimsen, was keine Premiere sei. Heimlich suchte er sich einen Platz auf der Galerie.534 Noch größeren Erfolg als die Berliner hatte die Prager Premiere des Wozzeck535 am 11. November 1926 in tschechischer Sprache, schon die Proben mit den urmusikalischen, hochbegeisterten Czechen waren eine Freude gewesen. Immer wieder wurde der

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Komponist auf die Bühne gerufen. Mehrere Wiederholungen waren angesetzt, aber während der zweiten Vorstellung erlitt der stellvertretende Prager Bürgermeister einen Schlaganfall und verstarb, und schon die dritte Vorstellung musste wegen lautstarker Störungen abgebrochen werden, die Polizei ließ den Saal räumen, weitere Aufführungen wurden verboten. Die Störungen waren inszeniert, die Folge nationalistischer Propaganda in der Presse: der „Berliner Jude Aaron Berg“ wolle das tschechische Volk vergiften.536 Bergs Erwiderung erschien gleichfalls in einer Zeitung: Der Vorwurf, Jude zu sein, trifft mich nicht, ich verwahre mich aber keineswegs dagegen, weil es mir unendlich lächerlich erscheint, in Angelegenheiten der Kunst.537 Nicht ohne Beklemmung trat Berg seine lange Reise zur Leningrader Premiere am 13. Juni 1927 an, fünf Tage war er unterwegs. In der Stadt erblickte er auf allen Plakatwänden und Litfaßsäulen in Riesenlettern seinen Namen und den Titel seiner Oper. Die Aufführung war ein halbes Jahr lang vorbereitet worden, die Darsteller sangen, wie Berg es wollte, mit richtigem Belcanto,538 die expressionistisch-konstruktive Inszenierung gefiel ihm. Er erhielt glänzende Kritiken und wurde in einer Weise gefeiert [...] wie noch nie in seinem Leben.539 Die erste Provinzbühne, die eine Aufführung des Wozzeck wagte, war das Oldenburger Landestheater. Ein halbes Jahr lang hatte der Dirigent Johannes Schüler mit Solisten und Chor geübt und sein Orchester in vielen kurzen Proben langsam an die schwierige Partitur gewöhnt. Vor der Aufführung hielt Berg einen einführenden Vortrag540 mit Klangbeispielen, den er später noch des öfteren wiederholte. Schon im März 1924 hatte er einen Artikel in der Zeitschrift „Die Musik“ über seine Oper veröffentlicht: Die musikalischen Formen meiner Oper „Wozzeck“. Nach dem einzigartigen Erfolg der Premiere am 5. März 1929, die Ovationen wollten kein Ende nehmen, bewarben sich zahlreiche kleinere Bühnen um eine Aufführung der Oper, denn es hatte sich gezeigt, dass sie auch mit bescheideneren Mitteln zu realisieren war. Allerdings musste für kleinere Orchester, die nicht über einen großen Streicherapparat verfügten, die Zahl der Bläser reduziert werden, eine Arbeit, die Erwin Stein erledigte.

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In Wien kam eine Aufführung des Wozzeck erst am 30. März 1930, fünf Jahre nach der Uraufführung, zustande, Clemens Krauss dirigierte distanziert, ziemlich schleppend, ängstlich darauf bedacht, alles zusammenzuhalten.541 An der Wiener Oper sei man bemüht, schrieb Berg an Schönberg, der ärgsten jahrelangen Schlamperei ein Ende zu machen. Winfried Zillig, ein Schönberg-Schüler aus Berlin, wurde hinzugezogen und führte allen Beteiligten den Wozzeck am Klavier vor. Und w i e er das tat!!! Bis auf die 4händigen Partien (bei welchen ich ihm assistierte), spielte er j e d e N o t e d e s A u s z u g s u. sang u. sprach a l l e R o l l e n dazu, als wäre es Puccini. Die waren ganz paff u. schauten nur so!542 Die Premiere wurde ein herausragendes gesellschaftliches Ereignis, ein bekannter Kieferchirurg543 gab in seiner Josef-Hoffmann-Villa in Hietzing einen großen Empfang.544 Kurz darauf kündigte ein österreichisches Tabakunternehmen eine neue Luxuszigarette mit dem Namen „Heliane“ an, nach dem großen Erfolg von Erich Wolfgang Korngolds Oper „Das Wunder der Heliane“ in der Wiener Staatsoper. Ein Jahr zuvor hatten sie die Zigarette „Jonny“ auf den Markt gebracht, in Anlehnung an Ernst Křeneks „Jonny spielt auf“. Nach der ‚Jonny‘Zigarette (für ein internationales Publikum) und der ‚Heliane‘ (für die Hautevolée) wünsche er sich, schrieb Berg an Willi Reich, daß eine ganz billige, die billigste Volkszigarette, den Namen ‚Wozzeck‘ bekomme.545 Sein Wunsch blieb unerfüllt. Inzwischen, schrieb Schönberg im Januar 1927 an Alban Berg, sei er dem Wozzeck „wesentlich näher gekommen“, er freue sich auch über die guten Tantiemen, die Berg von der Universal Edition erhalte. „Nun bist du ja aus dem Wasser.“546 Berg hatte sich im Januar 1923 enthusiastisch über Schönbergs Monodram „Erwartung“ geäußert: Was für ein Werk!! Und mit dem Blick auf Wozzeck: An das eigene „Schaffen“ darf man dabei gar nicht denken. Sonst wird man so verzagt, daß man das, was sich auch Oper nennt,[...] am liebsten einstampfen möchte.547

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Sechs Jahre später, 1929, in einem Brief an seinen Freund Soma Morgenstern, stellt Berg Überlegungen zu den Laufzeiten zeitgenössischer Opern an. Křeneks „Jonny spielt auf“, auch die „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill könnten sich fünf Jahre auf der Bühne halten, der Wozzeck vielleicht fünfzig Jahre, Schönbergs Opernmusik aber prophezeit er eine Unsterblichkeit von fünfhundert Jahren.548

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Ein Denkmal Kammerkonzert für Klavier und Geige mit 13 Bläsern Fast zwanzig Monate, seit dem April 1921, der Fertigstellung des Wozzeck, hatte Berg soviel wie nichts komponiert. Aber im Sommer 1923 arbeitete er, wieder in Trahütten, an einem Konzert für Klavier u. Geige mit Begleitung von 10 Bläsern (Holz und Blech). Es solle ein großer 3teiliger Satz symphonischen Charakters werden, schrieb er an Schönberg, das Konzert gehe ihm allerdings schwer von der Hand.549 Mit diesem Projekt war Schönberg zunächst ganz unzufrieden. Von einem Besuch in Mödling, Ende März 1923, berichtete Berg seiner Frau, die sich vier Wochen zur Kur in Karlsbad aufhielt: Schönbergs waren guter Dinge; trotzdem war es nicht gemütlich, weil Schönberg ununterbrochen wegen meines Kammerkonzerts penzte. Er ist g e g e n das Klavier in dieser Mischung. Nun weiß er ja nicht, daß dies ein K o n z e r t ist u. kein gewöhnliches Oktett. Dabei soll ich schon erzählen, w i e das Stück wird, welch ein Charakter? Immer all dies vermengt mit Ratschlägen, Abrathen, Warnen, kurz u. gut Mießmachen. Ich fürcht‘ mich direkt auf Ostersonntag, wo ich für Mittags u. Nachm. eingeladen bin. Obwohl das Konzert noch gar nicht fertig sei, habe Schönberg es schon mehreren Bläservereinigungen empfohlen, sogar über Honorar verhandelt. Aber so lieb das alles ist, fügte Berg hinzu, es geschieht immer mit einer solchen Art von Bevormundung, ja Vergewaltigung, daß es mich mehr ärgert als freut.550 Zwei Jahre später war das Werk abgeschlossen, jetzt in der Besetzung für Klavier, Violine und dreizehn Bläser, also für fünfzehn Instrumente, seit Schönbergs op. 9 eine heilige Zahl551 der Kammermusik. Eine Opuszahl gab er dem Konzert nicht, vielleicht aus Scham über den geringen Umfang seines Œuvres im Vergleich zu Webern, der schon bei op. 18 angelangt war.

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Die Komposition dieses Konzerts, das ich Dir zu Deinem fünfzigsten Geburtstag gewidmet habe, ist erst heute, an meinem vierzigsten, fertig geworden. Verspätet überreicht, bitte ich Dich, es dennoch freundlich entgegenzunehmen; umsomehr als es – seit jeher Dir zugedacht – auch ein kleines Denkmal einer nunmehr zwanzigjährigen Freundschaft geworden ist.552 So beginnt der Brief, mit dem Berg am 9. Februar 1925 seinem Lehrer das Kammerkonzert widmete; als offener Brief wurde er in der Zeitschrift „Pult und Taktstock“ (Februar/März 1925) abgedruckt. Das Kammerkonzert für Klavier und Geige mit dreizehn Bläsern ist auch ein Denkmal der Wiener Schule. Das vorangestellte Motto Aller guten Dinge ... setzt sich musikalisch mit fünf Takten fort, in denen die vertonbaren Buchstaben der drei Namen Arnold Schönberg, Anton Webern und Alban Berg in musikalische Motive verwandelt sind.553 Im Verlauf des Konzerts hebt die Instrumentation jeweils etwas Charakteristisches der drei Personen hervor: Schönberg sind in der Regel die Blechbläser zugeordnet, Webern die zarten Instrumente ̶ Violine, Oboe ̶ , Berg ein gedämpfter Klang in tieferer Lage ̶ Horn oder Trompete mit Dämpfer, leise Holzbläser –, eine Anspielung auf die ihm eigene Scheu. Seine „Selbstverkleinerung“ war immer ein wenig ironisch, „nie ganz ernst“.554 Das Motto verklingt, auffällig in dem überwiegend atonalen Stück, ‚harmonisch‘ in einer kleinen Terz. Besonders hervorgehoben wird im Werk die Zahl 3 (zum Beispiel 3 Sätze, 3 Instrumentengruppen, durch 3 teilbare Taktzahlen und Spielminuten), ein deutlicher Hinweis auf den Dreierbund. Die Lust an Verschlüsselungen durch Zahlen oder vertonte Buchstaben, das Spielerische, Heitere, Humoristische verbinden sich mit dem Einsatz avancierter Techniken, wie sie in der Reihenkompostion eingesetzt werden. So entsteht ein verrätseltes Geflecht. Bergs Kammerkonzert ist das strengste unter allen seinen Werken, schwer zu hören, noch schwerer zu spielen.555 Die Hommage bleibt ohne Pathos und löst sich erkennbar vom expressionistischen Gestus des Wozzeck. Der erste Satz, Thema scherzoso con variazioni, eine Kombination aus Sonaten- und Variationssatz, greift den humoristi-

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schen Ton des Mottos auf. Das Thema, ein über 30 Takte ausgesponnener dreiteiliger Komplex, leicht beschwingt zu spielen, beginnt wie probierend mit einem Vierton-Motiv, das sich erst entwickelt und seine Fortsetzung im Schönberg-Motiv findet. Mit diesen zusätzlichen vier Tönen wird, eine der vielen Anspielungen, aus dem Schönberg-Motiv eine Zwölftonreihe. Sprungmotiv und Signalmotiv – die Quarten des WebernMotivs – in der Scherzando-Überleitung sind Ableitungen aus dem Vorhergehenden. Der mittlere Teil des Themas in etwas schnellerem Tempo, Schwungvoll, spielt mit den Terzintervallen aus den Schönberg- und Berg-Motiven und den Signalquarten, der sehr leise Schlussteil, Meno Allegro, ist ein Rückblick in gedämpfter Lautstärke, ein nachdenkliches Innehalten über Mollakkorden, in dem die Flöte an die Terz aus dem Motto erinnert. In den fünf folgenden Variationen hat das Klavier die führende Rolle. Zuerst wiederholt es solistisch, ohne Bläserensemble, auf virtuose Weise die Themenexposition. Die Variationen zwei bis vier enthalten eine Art Durchführung, die fünfte die Reprise. Die Durchführung spielt nacheinander mit den Techniken der seriellen Musik, also mit den Spiegelformen Krebs, Umkehrung und Krebsumkehrung. Sie beginnt im langsamen Walzertempo, am Ende erklingt das Berg-Motiv, als Krebs, im Klavier und in der gedämpften Trompete, bezeichnenderweise unter der Anweisung Gemächliches Walzertempo. Aber das Gemächliche kann auch umschlagen ins Wilde wie in den Staccatissimosprüngen der Stretta. Den scherzhaften Charakter betont die Einfügung des Webern-Motivs als Pizzicato der Violine (leere A- und E-Saite), die sich hier ein einziges Mal, wie aus Versehen, hören lässt; das Klavier führt das Motiv fort. Mit der dritten Variation ändert sich überraschend der Charakter. Kräftig bewegt, beginnt sie mit dem Schönberg-Motiv in der Umkehrung. Kraftvolle, vom Klavier martellato, später auch von den Bläsern schwer herausgeschleuderte Akkorde und Sprünge in Riesenintervallen kennzeichnen den Satz. Im Kontrast zur Leidenschaft der dritten steht der Scherzocharakter der vierten Variation Sehr rasch, besonders ausgeprägt in übermütigen Sprungfiguren sowie Repetitionen und Skalen im Staccato.

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Schönbergs Motiv erscheint gleichzeitig in seiner Grundgestalt und seiner Umkehrung (T. 166–169). Den Schluss des Satzes bildet die fünfte Variation, die Reprise der Themen. Eine Reihe von Instrumentaleffekten, die Verzierungen der Namenmotive sowie kunstvolle kanonähnliche Kombinationen fallen auf. Vor der letzten Steigerung ertönt noch einmal nachdrücklich das Schönberg-Motiv, aufgeteilt zwischen Horn, Trompete und Posaune, bevor die Schlusstakte explosionsartig zum dreifachen forte führen. Im letzten Takt schon setzt mit einem sehr leisen E-Dur-Klang, fast unhörbar, das Adagio ein. So entsteht trotz des Kontrastes ein fließender Übergang. Im Adagio für Violine und Bläserensemble pausiert das Klavier bis auf fünf Takte in der Mitte des Satzes, der Wende, von der an die musikalische Entwicklung rückwärts verläuft. Im Gegensatz zu den spielerischen Momenten des ersten Satzes steht der kontemplative Charakter dieses Mittelsatzes, der sich auch in Verzögerungen oder Beschleunigungen ausdrückt, komponierten Rubati. Im Adagio spricht das Ich, singt, klagt, stürmt, flüstert die Violine. Das wiederum 30 Takte lange erste Thema, auf einer Zwölftonreihe beruhend und zweimal variiert, beginnt äußerst verhalten. Dann verstärkt sich die untergründige Trauer: Auf dem verminderten Septakkord spielt die Trompete a-h-d-e, den in Töne übertragenen Namen Mathilde (Schönberg), zum Gedenken an ihren Tod im Oktober 1923. Ganz langsam beginnt die Violine in einsamer Höhe den Mittelteil B mit dem zweiten Thema. In der Art eines doppelten Kontrapunkts tauschen Violine und Trompete ihre Rollen. Mit dem dritten Thema, im zarten Gesang der einzelnen Stimmen, scheint die Trauer aufgehoben. Ein prägnantes rhythmisches Motiv der tiefen Bläser beherrscht fünf Takte (297–302), bevor das dritte Thema, von den Bläsern gleichzeitig in drei verschiedenen Notenwerten gespielt, zum Höhepunkt (Sehr breit) führt, der Umkehrung des dritten Themas in vergrößerten Notenwerten, alles übertönend. Das vierte Thema (Schleppend), zarter Nachklang des dritten, zerfällt schon bald. Im variierten A‘-Teil sind nach einer Steigerungsphase Grundgestalt und Umkehrung des ersten Themas, Leidenschaftlich bewegt, gleichzeitig zu hö-

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ren. Die Wende tritt ein durch plötzliche Stille. Als werde die Zeit angehalten, erklingt zwölfmal das Cis in der Kontraoktave des Klaviers wie sehr ferne Glockenschläge. Danach setzt eine rückläufige Bewegung ein, die spiegelbildliche Reprise A‘-B-A. In umgekehrter Reihenfolge tauchen nun die Themen oder einzelne Themenelemente auf, variiert, oft in der Krebsform, zuweilen miteinander kombiniert. Während das erste Thema als Krebs erscheint, aufgeteilt zwischen Oboe und Klavier, dann in den Klarinetten, schließlich pianissimo in höchster Lage von der Piccoloflöte gespielt, setzt fast unmerklich das Klavier mit dem Schönberg-Motiv ein, steigert seine Lautstärke schnell zum fortissimo und leitet so über in die vehemente Kadenz, mit der das Rondo beginnt – als eine Steigerung „hinter den Kulissen“ hat Adorno diese Stelle bezeichnet.556 In der 53 Takte langen brillanten Kadenz können beide Solisten den Farbenreichtum ihrer Instrumente entfalten. Die Lust am virtuosen Spiel äußert sich im stürmischen Tempo, in weiten Sprüngen und langen Trillerketten der Violine über aufund niederrauschenden Arpeggien des Klaviers, gleichzeitig werden Motive aus den beiden vorhergehenden Sätzen kombiniert. So bestehen die heftigen Triolen, mit denen das Klavier einsetzt, aus den Anfangstönen des ersten Satzes, die sodann auch den Akkord bilden, mit denen das Klavier, jetzt in langen Notenwerten, auf den thematischen Rhythmus der Violine antwortet. Das ist kaum mit dem Ohr wahrzunehmen, was ebenso für das Erkennen vieler Krebsformen gilt. Schon im zweiten Takt taucht das Kopfmotiv des Adagios auf, und auch das Spiel mit den drei Namen ist zu entdecken (T. 485–487). Ohne Pause geht die Kadenz in das Rondo ritmico über. Der ungewöhnliche Titel bedeutet, dass nicht ein Thema, sondern ein rhythmisches Element den Refrain des Rondos bildet, eben jenes rhythmische Motiv aus dem Adagio und der Kadenz. Verkleinert oder vergrößert, auch gespiegelt setzt es Akzente, markiert den Beginn der Durchführung, erscheint wie ein Ausrufezeichen hinter den Namenmotiven (T. 539) und betont den Höhepunkt (T. 685ff.). Dieses Verfahren, einen Rhythmus konstruktiv zu verwenden, hatte Berg im dritten Akt des Woz-

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zeck zum ersten Mal angewandt. Als Finale vereint das Rondo die Kontraste zwischen den ersten beiden Sätzen, zitiert sie für Momente auch (Tempo scherzoso und quasi Adagio). So bildet gleich zu Beginn das Eingangsthema des ersten Satzes den Kontrapunkt zum völlig verwandelten dritten Adagio-Thema: dessen ursprünglich sehr langsam und sehr gesangvoll vorzutragende fünf Takte sind zusammengedrängt auf einen schnell zu spielenden Takt in punktiertem Rhythmus. Der Konzertcharakter ist im Rondo besonders ausgeprägt, auch im Spiel mit allen möglichen Taktarten sowie in der Virtuosität der Bläserpartien. Auf dem Höhepunkt ertönt alles überstrahlend das SchönbergMotiv (T. 687–690). Der letzten Steigerung durch die Stretta, in doppelt so schnellem Tempo und zunehmender Lautstärke, folgt ein verhaltener Epilog mit verstreuten Motivsegmenten, in dem die drei Namenmotive, getrennt durch Fermaten, nacheinander in Splitter zerfallen und pianissimo in einem unaufgelöst bleibenden Nonenakkord verklingen. Als Schönberg die Uraufführung des Kammerkonzerts am 19. März 1927557 in der Berliner Singakademie mit Eduard Steuermann und Rudolf Kolisch unter der Leitung von Hermann Scherchen gehört hatte – ein „kaum durch Zischen getrübter Achtungserfolg“558 –, fand er, es sei „ganz sicher ein s e h r s c h ö n e s S t ü c k . “559 Und 1934, nach seiner Emigration in die USA, schrieb er an Berg: „Wenn ich einmal recht deprimiert bin über die Sicherheit, mit welcher man über meine Leiche geht, so brauche ich doch nur ein bischen in meine Partituren zu schauen und in die eurigen, um genau zu wissen, dass nur w i r derlei können. [...] Es ist unsere gemeinsame Sache, wir drei stehen und fallen miteinander.“560

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Inflation Als 1923 die Inflation nicht mehr aufzuhalten war – innerhalb des Jahres hatte die Mark gegenüber dem Dollar mehr als 99 Prozent ihres Wertes verloren –, kam Hilfe aus den USA. Schon 1921 waren Lebensmittelsendungen aus Amerika eingetroffen, auch Berg hatte ein großes Paket erhalten mit Mehl, Reis, Speck, Corned Beef, Schmalz, Dosenmilch, Zucker, Kakao, Öl und Lachs. Schönberg, Mitglied eines Komitees, das 1923 Geldspenden amerikanischer Musiker an hilfsbedürftige deutsche und österreichische Kollegen verteilen sollte, sorgte dafür, dass die Wiener Komponisten Alban Berg, Anton Webern, Rudolf Braun und Josef Matthias Hauer im November jeweils fünf Dollar erhielten.561 Obwohl die Krone fast wertlos war, ging es Berg trotz hoher Arztrechnungen – zu ihrer Kur in Karlsbad nahm Helene über 5 ½ Millionen Kronen mit562 – noch verhältnismäßig gut. Im April hatte ein Notenverkauf in Kopenhagen 20 Schweizer Franken eingebracht, das waren 230 000 Kronen.563 1924 erhielt er für eine Überweisung von 100 Dollar aus seinem Guthaben bei der Firma Borgfeldt in New York 10.865.200 Kronen.564 So konnte er sich sogar für seine Reisen einen „Herren-Koffer“565 mit Monogramm leisten und für karikative Einrichtungen spenden. Dass es aber viel zu teuer war, seine Frau zur Kur zu begleiten, ließ ihn beinahe verzweifeln. Nein, nein, nie wieder lasse ich Dich allein fort – – Wir a r m e Leut – –566, schrieb er ihr. Von einem Besuch bei dem Anwalt Rudolf Ploderer berichtete er, im Zimmer habe ein Korb mit etwa 20 bis 30 der herrlichsten Hyazinthen gestanden. Ich liebe d i e s e Blumen so ungemein [...] u. mußte wieder denken: Wir arme Leut. Nicht einmal zu einer e i n z i g e n in dem u. im v o r i g e n Frühjahr hat es bei uns gelangt.567 Es war allerdings keine Frage, dass Schönberg ein Ostergeschenk bekommen sollte, diesmal eine Bachkantate in schöner Handschrift.568 Um Anton Webern, der mit seiner Lehrtätigkeit am Israelitischen Blindeninstitut und der Leitung der Arbeiter-Sinfonie-

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konzerte eine sechsköpfige Familie zu ernähren hatte, aus seinen finanziellen Schwierigkeiten zu helfen, suchte Berg nach einem Mäzen für den Freund. Er schrieb an Werner Reinhart, den Förderer des Stadtorchesters Winterthur569. In seinem Brief nennt er Webern den vielleicht einzigen Komponisten von internationaler Bedeutung, doch von seinen Werken könne er nicht leben. Die Ursache davon: Eine derartige musikalische Produktion von kurzen Stücken für Orch. und Kammermusik ist (vergleichbar mit der eines rein lyrischen Dichters) fast erträgnislos.570 Reinhart unterstützte Webern mit einem geringen Betrag. Weberns Tochter Amalie hatte ein Nierenleiden, der Sohn Peter war oft krank. In der Not wurde ein Zimmer vermietet, und Weberns Frau Wilhelmine verdiente mit Strickarbeiten für ein Wiener Geschäft dazu. Ende des Jahres 1928 musste sich Webern wegen eines Magengeschwürs im Krankenhaus behandeln lassen und anschließend eine Kur antreten, die ihm zwei Freunde, David Josef Bach571 und Alfred Herlinger, finanzierten. Der Sorge um sein materielles Fortkommen suchen wir mit einer Aktion zu begegnen, die ganz diskret innerhalb der „Gesellschaft für Neue Musik“ geführt wird,572 schrieb Berg am 7. Dezember an Schönberg. Der schickte noch im Dezember 500 Schilling. „Eine der schönsten Künstlerfreundschaften, die jemals bestanden, gab es zwischen Berg und Webern“, berichtet Gottfried Kassowitz, Bergs Schüler. „Trotz ihrer großen Wesensverschiedenheit waren sie menschlich und künstlerisch auf das engste verbunden. Berg bewunderte die Musik Weberns sehr und hielt ihn für einen größeren Komponisten als sich selbst.“573 Smaragda, die sehr an ihrem Bruder hing, musste sich eingestehen: „Ich weiss, wo Dein Herz & Deine Freundschaft steht. Helene – Schönberg & Webern.“574 Weberns Sympathie für Berg zeigt sich in einem Brief an Schönberg: „Er wird mir immer lieber. Er ist ein ganzer Mensch. [...] Wenn die Menschen im Erwerb stehen und mit den äußeren Dingen zu thun haben, dann bekommen sie alle inwendig ein Loch.“575 Sie schrieben einander über das Entstehen ihrer Arbeiten, über ihre Zweifel, brannten vor Verlangen, dem anderen das jeweils neueste Werk zu zeigen, lasen oftmals die gleichen Bücher, begeisterten sich

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beide für Strindberg und Klimt. Als Berg dem Freund Goethes Schriften „Zur Farbenlehre“ schenkte, war Webern überglücklich, dass sie beide „das großartigste Buch aller Zeiten“ liebten.576 Nachdem Webern ihm seine Lieder op. 12 geschickt hatte, schrieb Berg: Es erscheint mir, als sähe ich Dich auf ganz neue Weise. Welch ein Ton in dem Strindberg-Lied. Und überhaupt, welch eine Vielfalt in den 4 Liedern. Das letzte z. Bsp.: eine solche Anmuth, die findet sich sonst in der ganzen Musikliteratur nicht wieder; so ein Lied von Dir ist für mich geradezu ein Freudenspender, ein Spender einer mein ganzes Sein überstrahlenden Freude. Wie wenn an trüben Tagen plötzlich die Sonne hervorbricht und man gar nicht weiß, warum man plötzlich froh wird.577 Die hohe Inflation bereitete sogar Alma Mahler Sorgen. Sie hoffte, dass Werfels neuer Roman „Verdi. Roman einer Oper“ ein Bestseller würde, und tatsächlich war dieses Buch 1924 der Grundstein des neu gegründeten Zsolnay-Verlags, von den hohen Erträgen konnten Alma Mahler und Franz Werfel in den folgenden Jahren ihr aufwendiges Leben finanzieren.578 Als am 1. März 1925 in Österreich eine neue Währung, der Schilling, eingeführt wurde – einem Schilling entsprachen 10.000 Kronen –, entspannte sich die Lage. Deutschland hatte schon am 30. August 1924 die Reichsmark eingeführt – eine Reichsmark entsprach einer Billion Papiermark. Allmählich hatte Berg Einnahmen aus den Operntantiemen, von Hertzka erhielt er 600 Schilling im Monat, ein Vorschuss, der mit den Einnahmen aus seinen Werken verrechnet wurde.579 Am 1. Mai 1927 schloss er einen Generalvertrag mit der Universal Edition ab. Seine Frau erbte nach dem Tod ihres Vaters am 2. Januar 1925 6.806 Schilling,580 das Erbe wurde 1926 freigegeben. Endlich konnte nach fünfzehn Jahren die Wohnung restauriert werden, zudem ließ Berg bisher lose Notenblätter und Bücher binden. Zu Weihnachten 1927 schenkte ihm Helene eine Schreibmaschine, die er sich seit zehn Jahren gewünscht hatte und auf der er fortan den größten Teil seiner Korrespondenz erledigte. Alma Mahler war eine der ersten, an die er einen maschinengeschriebenen Brief schickte: Was sagst Du, Almscherl, was ich plötzlich für eine schöne Schrift bekommen hab’? Über Nacht,

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über Weihnacht!581 Er probierte sogleich auch das rote Farbband aus. Alles Technische faszinierte ihn: Flugzeuge, Autos, Fotoapparate, elektrische Zigarettenanzünder, der 5 Röhrenapparat, der ihm 1931 die fremde Welt näher brachte. Ich höre eigentlich ganz Europa u. kenne mich schon gut aus in der Bedienung dieses Mechanismus582, berichtete er Adorno. Als Orville Wright, einer der ersten amerikanischen Flugzeugbauer, im September 1908 bei einem Flug in Virginia abstürzte, fühlte Berg sich ganz aufgewühlt.583 Bergs Verhältnis zu seinen Geschwistern ist schon seit längerem durch Eifersüchteleien getrübt. Fast immer geht es um die Gunst und das Geld der Mutter. Als einzige aus der Familie nimmt Johanna Berg Anteil an den Erfolgen ihres Sohnes, gratuliert zum Wozzeck, schickt Geld zum Geburtstag. Smaragdas Glückwünsche zum Erfolg der Bruchstücke in Frankfurt treffen erst spät ein, ihr jahrelanges Schweigen und ihre spürbaren Zweifel an seiner Arbeit haben Berg tief gekränkt. Von ihrer Freundin May Keller fühlt er sich manchmal abgekanzelt wie ein Schuljunge. Nach dem ständig wiederholten Vorwurf, einen „Broterwerb“ abzulehnen und vom Geld der Mutter zu leben, heißt es nun, als der Erfolg sich einstellt: „Ihr habt’s aber »Glück«!“584 Skandale vertiefen die Entfremdung zwischen den Geschwistern, die ohnehin wegen Smaragdas lesbischer Beziehungen besteht. Johanna Berg ist im März 1925 zu ihrer Tochter nach Küb gezogen, dort lebe sie billiger als in Wien, sagt sie. Smaragda und May wollen das Haus zu einer Pension erweitern, für den Anbau muss Gartenland hinzugekauft werden. Charly wird misstrauisch und verlangt, die Kontoauszüge einzusehen, denn er befürchtet, dass durch den Kauf – natürlich mit dem Geld der Mutter – Smaragda bevorzugt, das Erbe der Brüder dagegen verkleinert werde. Außerdem vermutet er „Verschwendungssucht“ und informiert seinen Bruder Alban über die angebliche Misswirtschaft der Mutter. Empört über diese Anschuldigungen, verbittet Johanna Berg sich jede Einmischung und verteidigt Smaragda: sie sei „von jeher“ ihr „sparsamstes“ Kind gewesen und zu „feinfühlig“, in die finanziellen Verhältnisse der

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Mutter einzugreifen.585 Obwohl diese Bemerkung Alban kränkt, verspricht er der Mutter, trotz neuer Angriffe und Gemeinheiten der beiden Freundinnen Frieden zu schließen. Dir zulieb, liebste Mama, will ich Alles Tun!586 Im Jahr darauf schreibt Johanna Berg ihm einen herzlichen Brief, mit dem sie zum Erfolg der Bruchstücke in Wien gratuliert: „Es ist ja das größte Glück das mir widerfährt“.587 Das ist ihr letzter Brief, die Fahrt nach Wien hat sie nicht mehr geschafft, und zwei Monate später, am 19. Dezember 1926, stirbt sie im Alter von 76 Jahren. Ihr Testament ist bei Borgfeldt in New York hinterlegt, das Kapital wird zu gleichen Teilen auf die Geschwister verteilt. Berg liegt mit einer Fußverletzung zu Bett, er trauert um die Mutter, Helene ist krank, das diesjährige Weihnachten wird trostlos.

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Sommerquartiere Als Berg im August 1923 Schönberg in Traunkirchen besuchte, wo das Ehepaar den Sommerurlaub in der Villa Spaun verbrachte, traf er seinen Lehrer in guter Verfassung an, mitten in der Arbeit an vielen Projekten gleichzeitig, hauptsächlich an seinem Bläserquintett op. 26. Wie meist waren Besucher gekommen: Adolf Loos, Josef Rufer, etwas später Webern. Mathilde Schönberg, seit Gerstls Tod kränklich, litt an Nierenkrebs und lag seit Wochen zu Bett. Am 19. September brachte man sie ins Sanatorium Auersperg, einen Monat später, am 18. Oktober, starb sie im Alter von 46 Jahren an Nierenversagen. Schönberg versuchte seinen Schmerz zu betäuben, rauchte sechzig Zigaretten am Tag, trank Likör und Unmengen Kaffee, nahm Morphine.588 Seine Tochter Gertrud musste mit ihrer Familie – sie war mit Felix Greissle verheiratet und hatte einen kleinen Sohn – ständig bei ihm sein, doch er wurde so schwierig, dass man unentwegt stritt. Von einem Treffen im Opernrestaurant berichtet Berg: Schönberg war so unbeschreiblich g r a n t i g , daß er auf alle wie ein schwerer Alb drückte. Und in Mödling sei es in letzter Zeit immer ungemütlich, ständig gebe es Streit.589 Schon ein Jahr später, am 28. August 1924, kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag, heiratete Schönberg Gertrud Kolisch. Während einer Kur hatte Helene Berg 1914 in Karlsbad den Arzt Dr. Kolisch kennengelernt, einen Bewunderer Schönbergs. Durch sie kam die Verbindung Dr. Kolischs zum Schönberg-Kreis zustande. Rudolf Kolisch, sein Sohn, nahm seit 1918 bei Schönberg Unterricht in Theorie und Komposition und wirkte als Solist bei den Konzerten des „Vereins für musikalische Privataufführungen“ mit. Er war ein ausgezeichneter Geiger, der den Bogen mit der linken Hand führte und mit der rechten die Geige hielt, weil er als Kind eine schwere Verletzung der linken Hand erlitten hatte. 1922 gründete er das „Wiener Streichquartett“, das spätere „Kolisch-Quartett“ (seit 1927), international eines der besten Streichquartette. Geprobt

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wurde aus Partituren, wenn wie so oft zeitgenössische Werke auf dem Programm standen, und die vier Musiker spielten ihr gesamtes Programm auswendig. Gertrud, die jüngere Schwester Rudolf Kolischs, sportlich, attraktiv und elegant, hatte an der Schauspielschule studiert, war eine gute Pianistin und beteiligte sich bald an der Hausmusik in Mödling. Schönberg, 24 Jahre älter als sie, hatte ihr geschrieben, er werde sich fortwährend anstrengen müssen, um sie „einigermaßen zu verdienen“.590 Er kleidete sich plötzlich betont modisch – im Glauben, wie Berg spöttelte, er sehe so wie ein Lord aus –591, wohnte während der vielen Reisen mit seiner Frau in eleganten Hotels und begann mit großem Eifer Tennis zu spielen. Mehrere Werke Schönbergs wurden 1924 uraufgeführt, und die Stadt Wien ehrte ihn mit einer offiziellen Feier im Rathaus. Der „Anbruch“ brachte ein Sonderheft mit Beiträgen von Schülern und Kollegen heraus, für das Berg den Aufsatz Warum ist Schönbergs Musik so schwer verständlich? schrieb. In der Neuen Freien Presse konnte man lesen: „Heute, an seinem fünfzigsten Geburtstag, steht Schönberg nach leidvollem Ringen, nach einem Leben voll tiefer Demütigungen und herber Enttäuschungen am Ziel.“592 Anfang des nächsten Jahres reisten Schönberg und seine Frau nach Venedig, besuchten Mailand und blieben vierzehn Tage in San Remo. Im Frühling fuhren sie nach Barcelona zu einem Festival mit Musik von Wiener Komponisten, zuletzt gab es Schönbergs Kammersinfonie op. 9, einige seiner Lieder sowie den „Pierrot lunaire“. Den Sommerurlaub verbrachten beide in Altaussee, im September besuchten sie das Fest der IGNM in Venedig, wo Schönberg seine neue Serenade op. 24 dirigierte. Strawinsky trug dort selbst seine Klaviersonate vor, zu der ihn Bachs Inventionen angeregt hatten. „Er bachelt,“593 spottete Schönberg. Im August wurde ihm die Leitung einer Meisterklasse für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin angeboten, die Nachfolge Ferruccio Busonis, der im Juli des vergangenen Jahres gestorben war. Die ehrenvolle Berufung erregte Aufsehen. Im Januar 1926 zog das Ehepaar nach Berlin. „Arnold und ich spielen sehr viel Tennis, unser neuester spleen“594, schrieb Gertrud Schönberg 1927 aus dem Urlaub in Pörtschach

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an Helene Berg, mit der sie sich angefreundet hatte. Auf Einladung der Société Musicale Indépendante reiste Schönberg 1927 mit seiner Frau nach Paris, ließ sich von Loos in zahllose Restaurants führen, dirigierte zwei Konzerte, darunter die Uraufführung seiner Suite op. 29, und hielt einen Vortrag in französischer Sprache, „Tonal ou atonal“. „Paris war sehr schön, aber kolossal anstrengend. Ich war zu Tode erschöpft“595, schrieb er. 1928 erreichte Berg ein Rundbrief, überschrieben mit „Allgemeines Artrud-Journal“596, in dem er Neuigkeiten aus einem Urlaub der Schönbergs in Frankreich erfuhr. „AERZTLICHE NACHRICHT: Ausbruch einer Meschugennensis Sporticae Senilia. Zunächst läßt sich nichts anderes tun, als die weitere Entwicklung der Krankheit abzuwarten. Das heißt: man muss ihn von seinen Sporterfolgen reden lassen: man braucht ja nicht zuzuhören.“ „STIMMUNGSBILD: Wie man sieht, nicht ganz lustlos!“597 Berg hat mit seinen Reiseplänen Pech. Seit der Berghof an eine italienische Familie verkauft worden ist, verbringt er die Sommermonate in der Villa der Nahowskis in Trahütten. Dort möchte aber auch die Familie der Schwägerin, Anna und Arthur Lebert mit ihrem kleinen Sohn, Urlaub machen. Anna (Antschi) ist schwierig, streitsüchtig, reagiert leicht hysterisch, ihr Mann ist lungenkrank,598 der Bub ist über alle Maßen süß599, schafft aber auch Unruhe. Alle zusammen können wir ja doch nicht oben sein dazu sind wir alle doch viel zu nervös600, schreibt Berg und schlägt eine Regelung vor, nach der die Leberts im Juli, die Bergs im August das Haus bewohnen, die Reihenfolge soll dann jährlich wechseln. Eine Antwort auf seinen Brief bekommt er nicht. Als er mit seiner Frau Mitte August 1925 in Trahütten eintrifft, haben die Leberts die Villa belegt: ein schwer kranker Mann, eine schwerhysterische Frau, ein schwerungezogenes lärmendes Kind u. ein an schwerem religiösen Wahnsinn leidender Dienstbot im Haus u. wir 3 [Alban, Helene, Franzl] zusammengepfercht auf 2 kleine Zimmer mitten in diesem Wespennest.601 Natürlich kommt es zu Streitigkeiten, Berg findet keine Ruhe zum Arbeiten und reist ab. Im Sommer darauf versucht er in

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größter Hast, die Lyrische Suite abzuschließen, wird aber schon im Juli wieder aus Trahütten vertrieben.602 Die Leberts bleiben bis Mitte September. Wegen des ständigen Streits um die Wohnrechte sucht Berg vergeblich nach einem anderen Quartier am Kärntner See. Immer größere Sorgen macht Helenes Bruder Franzl. Ohne Berufsausbildung – Helene erwähnt Singen, Malen, nebenbei Französisch, Englisch und Italienisch603 –, lebt er bei seiner Familie. Schon 1910, da war er einundzwanzig, hatte sein sonderbares Verhalten Helene beunruhigt: „Den ganzen Tag läuft er in einem kleinen Kreisen im Wald rückwärts herum! lacht und spricht mit sich selbst!“604 Im Jahr zuvor hatte Berg beobachtet, dass der Ärmste Wege gehe, die sich immer weiter von seinen eigenen moralischen, ethischen – ja sogar [...] ästhetischen Begriffen605 entfernten. Franzl schreibt erotische Gedichte, mag Obszönitäten. Aus der Schweiz, wo er sich 1916/17 zur Behandlung seiner Geisteskrankheit aufhält, kündigt er plötzlich der Familie seine Heirat mit einer Polin an, ein Jahr später berichtet er von einer neuen Freundin in Lugano.606 Er ist launisch, sprunghaft, hochgradig nervös, gerät oft in Zorn, braucht Morphium gegen seine Angstzustände. Mittlerweile weiß man, er leidet an Schizophrenie und muss beaufsichtigt werden. In Wien wohnt er bei den Eltern, in Trahütten kümmert sich seine Mutter um ihn. In letzter Zeit fürchtet sie sich vor ihm, nachdem er gewalttätig geworden ist. Franz Nahowski will seine Ruhe haben, verdrängt die Probleme, zum Beispiel Franzls Trinkerei, um gegen Kosten und unbequeme Entscheidungen gewappnet zu sein. Berg ist empört über diesen zur Routine gewordenen Egoismus.607 Seit 1926 betreut Helene ihren Bruder, wenn sie in Trahütten ist. Im August 1930 kommt es zur Katastrophe. Mit einer Geflügelschere hat sich Franzl einen Finger abgeschnitten, um ihn als Opfer auf das Grab des Kaisers Franz Joseph I. zu legen, den er für seinen Vater hält. Vorübergehend hat man ihn in einem Sanatorium in Rekawinkel, sodann in der Nervenheilanstalt Steinhof untergebracht, danach im „Sanatorium für Gemüts- und Geisteskranke“ in Tulln. Um die hohen Pflegekosten zu vermeiden, nimmt ihn die Familie wieder auf und engagiert eine

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Pflegerin, die aber kündigt bald aus Angst vor dem Kranken. Seine Mutter betreut ihn bis zu ihrem Tod im März 1931 zu Hause in der Maxinggasse, von da an trägt Helene die Verantwortung für ihren Bruder. Ein Jahr später, am 15. Januar 1932, wird der Zweiundvierzigjährige entmündigt. Alban Berg, zu seinem Vormund bestellt, ist ratlos, wie diese ewige Qual aus der Maxinggasse608, von der er auf seinen Reisen erfährt, ein Ende haben soll. Schließlich übernimmt eine Tante die Betreuung des Kranken, die Sommermonate verbringt er weiterhin bei den Bergs in Trahütten. Als der Berghof 1928 an Dr. Erich Löwe weiterverkauft wird, mieten sich Alban und Helene Berg für den Sommer in einem umgebauten Nebengebäude ein, der „Denishube“, die im Krieg als Lager für russische Gefangene gedient hatte. Berg hat das Gefühl, heimgefunden zu haben. Ich [...] fühle mich hier, wo ich die 2te Sommerhälfte verbringe, so wohl wie 20, 30 Jahre lang nicht. Wir haben ein zum Berghof gehöriges, mit allem Komfort eingerichtetes Häuschen (Elektrolicht, Wasserleitung, W. C., Telefon, Autobus und Motorboot vor der Nase) ganz für uns allein, schreibt er 1928 an Josef Polnauer.609 An einem gemieteten Pianino kann er ungestört arbeiten, und der Ossiachersee lockt wie früher bei jeder Temperatur zum täglichen Bad. Schwimmen ist der einzige Sport, bei dem Bergs viel zu kleines Herz nicht überanstrengt wird. Auf das Bergsteigen zum Beispiel muss er verzichten. Seine unstillbare Sehnsucht nach Sport, nach Tennis oder gar Fußball, äußert sich noch in der Lektüre von Sportnachrichten.610

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Die herrische Norm Schließe mir die Augen beide. Zwei Vertonungen „Schließe mir die Augen beide / mit den lieben Händen zu;/ geht doch alles, was ich leide, / unter deiner Hand zur Ruh.“ So beginnt das Gedicht von Theodor Storm, das Berg 1907 vertont hatte, in C-Dur mit schlichter Singstimme und wenigen Modulationen. Die fließende Achtelbewegung im ungewöhnlichen 5/4-Takt bildet einen träumerischen Zustand ab, in dem der Schmerz Well’ um Welle verebbt. Berg widmete das Lied seiner Frau. 1925 vertont er den Text erneut, dieses Mal in einer noch nie erprobten Weise, der Zwölftontechnik. Einige Jahre zuvor, 1921 bis 1923, hatte Schönberg die Suite für Klavier op. 25 komponiert, in der er diese Technik zum ersten Mal anwandte. All das, was Du da gefunden hast im Gebiet der 12-Ton Musik u. nun so souverän verwendest, beschäftigt ununterbrochen meine Phantasie, schreibt ihm Berg.611 Wie ein Geheimnis hatte Schönberg seine Erfindung jahrelang für sich behalten, seinem Schüler Josef Rufer erzählte er 1921 von einer „Entdeckung“, „durch welche die Vorherrschaft der deutschen Musik für die nächsten hundert Jahre gesichert“ sei.612 Die „Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen“613 sollte, als Ersatz für die Tonalität, das Komponieren wieder unter Gesetze stellen, das heißt der Zufälligkeit und Beliebigkeit der atonalen Musik ein Ende machen, und sie sollte neue Formen ermöglichen. Jeder Komposition geht eine Art Materialaufstellung voraus, die „Reihe“. Sie besteht aus einer festgelegten Abfolge aller zwölf Töne der chromatischen Leiter, in der sich kein Ton wiederholen darf, damit nicht doch der Eindruck eines tonalen Zentrums entsteht. Adorno vergleicht diese Festlegung einer Reihe mit der Farbanordnung auf der Palette des Malers.614 Von der Reihe, der Grundgestalt, lassen sich drei Ableitungen bil-

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den: der Krebs (die rückwärts verlaufende, mit dem letzten Ton beginnende Reihe), die Umkehrung (die Spiegelung, in der die Intervalle in umgekehrter Richtung erscheinen,) und der Krebs der Umkehrung. Die vier Modi können außerdem auf je elf anderen Tonstufen beginnen, so dass bei nur einer zugrunde liegenden Reihe insgesamt 48 Varianten verfügbar sind. Mit diesem Material wird komponiert: die Reihe wird – immer wieder anders – rhythmisiert, phrasiert und harmonisiert. Dabei sind auch die Begleitstimmen, ebenso die Folge der Akkorde durch die anfangs festgelegte Abfolge der zwölf Töne geregelt. Dass alle Töne rückbeziehbar sind, schien eine innere Logik zu garantieren. Weil das Ohr die zahlreichen Beziehungen kaum verfolgen kann, übernehmen „wiederkehrende rhythmische Konfigurationen“ „die Rolle der Themen“.615 Schönberg hat immer betont, dass sich die ästhetische Qualität eines Werkes keineswegs durch die Analyse seiner Reihen erschließe. „Ich kann nicht oft genug davor warnen, diese Analysen zu überschätzen, da sie ja doch nur zu dem führen, was ich immer bekämpft habe: zur Erkenntnis, wie es g e m a c h t ist; während ich immer erkennen geholfen habe: was es i s t ! “616 Eine Kompositionstechnik ist die Zwölftontechnik nicht, sie bringt keine Formen hervor. Dennoch glaubte Schönberg, die Zeit werde kommen, in der ihre Beherrschung unabdingbare Voraussetzung für die Zulassung zur Kompositionsklasse eines Konservatoriums sein werde.617 Ein anderer Wiener Musiker, Josef Matthias Hauer, ehemals Musiklehrer an einem Gymnasium, Chorleiter und Organist, hatte schon 1912 mit einem Zwölftonverfahren experimentiert und dieses 1919 zum ersten Mal in seiner Komposition „Nomos“ op. 19 für Klavier (oder Harmonium) angewandt. Er teilte die melodischen Möglichkeiten, mit den 12 chromatischen Tönen zu komponieren, in 44 Tropen (Konstellationen) ein, die die Tonarten ersetzen sollten. Schönberg gegenüber vertrat er den Anspruch, der Entdecker der Zwölftontechnik zu sein. Obwohl Schönberg trotz grundsätzlicher Unterschiede ihrer Systeme mehrfach vorschlug, ein gemeinsames Buch oder einen Briefwechsel zu veröffentlichen oder auch eine Schule zu grün-

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den, grenzte Hauer sich weiter ab. Der Verein für musikalische Privataufführungen hatte Stücke von ihm im Programm, und noch in den zwanziger Jahren wurde er mehrmals aufgeführt. 1927 bekam er den Kunstpreis der Stadt Wien, aber eigentlich blieb er ein Außenseiter. Adorno nannte ihn einen „Perpetuum mobile-Erfinder“618, er vermisste in Hauers Kompositionen jegliche Individualität. Später hat er in seiner „Philosophie der neuen Musik“ auch Bedenken gegen die Zwölftontechnik Schönbergs geäußert. Da jeder Ton „determiniert“ sei, gebe es keine „freie“ Note mehr, das System lähme die Fantasie, denn die „herrische Norm“ zwinge das Subjekt zur „Unterwürfigkeit unter die Technik“, ja sie lösche „virtuell das Subjekt aus“.619 Alban Berg hat für sein Lied eine besondere Reihe gewählt, die Allintervallreihe, die sein Schüler Fritz Heinrich Klein gefunden hatte. Sie enthält alle zwölf möglichen Intervalle620 und ist symmetrisch gebaut, die letzten sechs Töne bilden die Krebsumkehrung der ersten sechs. Fünfmal taucht diese Reihe in der Melodie auf. Durch die unterschiedliche rhythmische Gestaltung und durch Intervallumkehrungen entsteht ein sich stetig verändernder Melodiefluss, aus dem fallenden Halbtonschritt zu Beginn wird zum Beispiel beim dritten Mal eine steigende Septime, bei der vierten Wiederkehr der Reihe dann eine fallende None. Wenn Berg sich auch so eng an die Regeln hält wie später nie wieder, folgt die Klavierbegleitung der Reihe ein wenig freier, sie beginnt erst mit dem siebenten Ton, wiederholt auch Töne in Akkorden621, enthält sogar Dur- und Molldreiklänge. Manchmal befreit sich Berg vom Zwang des Systems, wenn es der Ausdruck erfordert, er übernimmt die Zwölftontechnik, ohne seinen eigenen Ton aufzugeben. Diese Verschmelzung sei ja gerade das Kunststück, sagte er zu Adorno.622 So begleiten Fis-Dur-Klänge das hohe f auf „Schmerz“, und die (eigentlich regelwidrige) Wiederholung der Akkordfolge in den Takten 4 und 5 zeichnet die beruhigende Bewegung der lieben Hände nach. In den Takten 5 bis 8 verstärkt die Imitation zwischen Singstimme und Klavier die ausdrucksvolle Linie des Gesangs. Eigentümlich sind die tonalen Anklänge: f ist Anfangs- und

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Schlusston, und das hohe f in der Melodie ist auch der längste Gipfelton, die Anfangs- und Schlusstöne der vier Verspaare deuten gleichfalls einen tonalen Zusammenhang an.623 Der Gesangspart enthält expressive Sprünge über weite Distanzen, in der zweiten Strophe wird die Melodieführung ruhiger, bildet ab, wie der Schmerz Well‘ um Welle allmählich zur Ruhe kommt und sich am Ende in einem ganz leisen Zwölftonakkord auflöst. Beide Storm-Lieder erschienen 1930 als Notenbeilage in der Zeitschrift „Die Musik“. Sie sind Emil Hertzka gewidmet, dem geschäftsführenden Direktor der Universal Edition. In einem Begleittext schreibt Berg, sie markierten den ungeheuren Weg, den die Musik von der tonalen Komposition zu der „mit 12 nur aufeinander bezogenen Tönen“ [...] zurückgelegt hat. Hertzka sei ihn als einziger Verleger von Anfang an mitgegangen.624 Eigentlich aber hat Berg das Lied für Hanna Fuchs komponiert,625 der er im Mai 1925 zum ersten Mal begegnete. Ein Liebeslied, in dem die Initialen ihres Namens die zugrunde liegende Reihe, Anfang und Ende des Gesangsparts und den Schlussakkord bestimmen.626

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Ewigkeitsmomente Als Alban Berg am 14. Mai 1925 zur Premiere der Drei Bruchstücke aus Wozzeck fährt, die Zemlinsky am 20. Mai während des Prager Musikfestes dirigieren wird, ist er ein international bekannter Komponist. Sein Streichquartett op. 3 hat Aufsehen erregt, zwei der Drei Orchesterstücke op. 6 hat Webern mit großem Erfolg dirigiert, die Uraufführung der Bruchstücke 1924 unter Scherchens Leitung war geradezu eine Sensation, das Kammerkonzert ist nahezu fertig, und Kleiber plant die Uraufführung des Wozzeck noch für dieses Jahr. Auf dem Spielplan der Oper Brünn steht das Werk schon. Durch einen 1923 geschlossenen Vertrag mit der Universal Edition über Wozzeck und die Orchesterstücke hat sich auch Bergs finanzielle Lage erheblich verbessert. Zudem hat er für das Jahr 1924 den Kunstpreis der Stadt Wien erhalten, für den er sich mit dem Klavierauszug des Wozzeck beworben hatte. Einer der Preisrichter war Richard Strauss. Wie fast immer reist Alban Berg ohne Helene, die im Parksanatorium Hütteldorf-Hacking ihr Nervenleiden behandeln lässt. Alma Mahler, Franz Werfel, Adorno, Josef Polnauer und Hanns Eisler werden zur Premiere kommen, natürlich auch zahlreiche Kritiker, obenan Korngold.627 Zemlinskys Einstudierung findet Berg fabelhaft. Zemlinsky ist ein kolossaler Kerl! Wie d e r die Bruchstücke anfaßt, am Klavier nur! Welche Leidenschaft.628 Ein Schwager Werfels, der Papierfabrikant Herbert FuchsRobettin, ein großer Musikenthusiast, hat Berg eingeladen, für die Dauer des Musikfestes vom 15. bis zum 20. Mai Gast in seiner Villa im vornehmen Prager Stadtteil Bubeneč zu sein. Vom Luxus in seinem herrlichen Haus, der noblen Lebensart629 – er hat den herrlichsten Wein von der Welt630 – und der überaus herzlichen Gastfreundschaft ist Berg überwältigt. Sogar ein Auto stehe ihm zur Verfügung – und was für ein Auto!, berichtet er seiner Frau. Meine Gastgeber verwöhnen mich: Mein Zimmer mit

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warm Wasser, herrlicher Aussicht, Roger u. Galletseife, Rollläden, daß man nachts bei offenem Fenster schlafen kann. Um 7 Uhr rollte ein Frühstückstischchen an mein Bett, an dessen Gebäck (was wär‘ das für Dich!) ich mich nicht satt essen konnte. Um 8 Uhr klopfte es u. die 2 Kinder, die sich nicht abhalten konnten den „gerühmten“ Komponisten endlich zu sehn, drangen ein. Ein sieben jähriger Knabe u. 1 31/2 jahre altes Mädel. U. so lieb; ich erquickte mich direkt daran.631 Worüber er schweigt: die Begegnung mit der Frau des Gastgebers, Hanna. Das Erlebnis allerhöchster Höhen menschlichen Glücksempfindens, einer Leidenschaft, nur vergleichbar mit der Tristan und Isoldens. Gemeinsame Spaziergänge und Autofahrten, die Wozzeck-Generalprobe im verdunkelten Theater, die Ewigkeitsmomente in der Bibliothek.632 Von nun an sieht er sich zu Verheimlichungen, Verstellungen genötigt. Die Geliebte verbirgt er in den Briefen an seine Frau hinter der Rede von den Fuchsens. Auf einmal hat er Angst, Helene könnte auf die Idee kommen, nach Prag zu reisen, wozu sie schon halb und halb entschlossen ist. Nie und nimmer würde er ihr dazu raten, wegen der Hitze, der Strapazen, ihrer armen Nerven, der 210.000 Kronen Reisegeld.633 Als er einen Tag ohne Nachricht bleibt, fürchtet er, sie sei schon auf dem Weg. Aber Du wirst Dich doch hoffentlich a n s a g e n . Der Gedanke daran macht mich direkt wahnsinnig vor Herzklopfen.634 Viele Täuschungen werden jetzt notwendig, das plötzliche Glück macht bedenkenlos. Früher schon hatte es flüchtige Beziehungen zu anderen Frauen gegeben,635 aber gegen die Heftigkeit der neuen Liebe ist er nahezu wehrlos. Hanna Fuchs-Robettin, eine Schwester Franz Werfels, ist elf Jahre jünger als Berg. Das einzige bekannte Foto zeigt ein offenes, lächelndes Gesicht, ohne Strenge fallen die Locken in die Stirn. Berg bewundert die Leichtigkeit ihrer Lebensführung, die natürliche Eleganz und Anmut ihrer Kleidung, selbst die erotische, laszive Mode wirke bei ihr vornehm. Er will Lieder ohne Worte komponieren, darin wird nur sie lesen können: vier Sätze seines Streichquartetts, der Lyrischen Suite, existieren schon deutlich in seiner Vorstellung. Baudelaires Gedicht „De pro-

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fundis clamavi“, das dem letzten Satz zugrunde liegt, schreibt er in der Übersetzung Stefan Georges für Hanna ab.636 Nach der Trennung bleibt er aufgewühlt, verwundet zurück. Gegen die Abmachung, in keiner Weise heimlich mit ein ander in Verbindung zu treten, verstößt Berg mit einem langen Brief, den Adorno, offensichtlich eingeweiht, Hanna Fuchs heimlich überbringt. Ich weiß, daß es keinen, aber auch gar keinen Weg zu der einzigen glücklichen Lösung: unserer gänzlichen Vereinigung, gibt. Keinen, der nicht mit dem Tod oder Unglück aller Beteiligten endete. Berg schreibt von seiner Verzweiflung, seiner Schlaflosigkeit, wie ein dahintorkelnder Wahnsinniger fühle er sich, dem alles außer seiner Liebe vollständig gleichgültig, sogar verhaßt sei. Vom Schicksal vorbestimmt müsse ihre Verbindung sein, glaubt er, überall erblickt er Zeichen, sogar in der Nummer seiner Fahrkarte: 1023, das sei die Verbindung ihrer beider Zahlen. Die „verhängnisvolle“ 23 sieht Berg als „seine“ Zahl an, die 10 verbindet er mit Hanna Fuchs, wahrscheinlich wegen der Anzahl der Buchstaben in ihrem Namen.637 Im Tristanmotiv entdeckt er Hannas Initialen H-F, sogar in eigenen früheren Werken – welche Prophezeiung. Allein die Hoffnung auf ein Wiedersehen bei der Berliner Premiere des Wozzeck lässt ihn diesen fürchterlichen Sommer überstehen.638 Alma Mahler hat die Situation schnell durchschaut. Auch Helene bemerkt, wie abwesend ihr Mann ist, sie scheint die Veränderung aber zunächst auf die eigene monatelange Krankheit zurückzuführen. Auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Konflikt kommt Berg eine trügerische Hoffnung: Wenn Du Dich mit meiner Frau anfreunden könntest, so wie ich mit Deinem lieben Mann, es wäre eine – vielleicht die einzige glückliche Lösung in diesem schwersten Konflikt.639 Mit dem etwa gleichaltrigen Herbert Fuchs hat er sich längst angefreundet. Sie tauschen sich über Zahlenmystik aus, über Musik und Literatur – Fuchs bedankt sich, dass Berg sein Drama „Garragan“ gelesen und ihm „so viel Schönes und Anerkenndes“ über seine „literarischen Jugendsünden“ geschrieben habe.640 Berg schickt ihm seine Analyse des Kammerkonzerts, das im Juli fertig geworden ist.

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Als er im November nach Berlin zu den Proben für die Wozzeck-Premiere fährt, unterbricht er sowohl die Hin- wie die Rückfahrt in Prag und übernachtet wieder in der Villa Fuchs. Im Oktober hat er sich deswegen mit einem Brief, der ihm offensichtlich schwergefallen ist,641 an Herbert Fuchs gewandt. Wegen seines Gesundheitszustandes müsse er Nachtfahrten vermeiden und die sonst sechzehnstündige Reise in zwei Etappen machen, was also liege näher, als diese Reise in Prag zu unterbrechen! Noch im Zug schreibt er Helene ein Wort der Beruhigung wegen Moppinka, Hanna Fuchs. Er könne gar nicht anders, als ihr, Helene, treu sein u. ewig bleiben!!642 Aus Prag berichtet er, um ihre Sympathie für die Familie Fuchs werbend, von der Freundlichkeit und Herzlichkeit des Ehepaars, den lieben Kindern, Munzo (František) und Dodo (Dorothea), dem fabelhaften Nachtmahl mit Hummer-Eiern, Rebhühnern und exzellentem Wein. Und nur wegen dieser Freundlichkeit und Herzlichkeit habe er die Leute gern.643 Im Dezember, auf dem Weg nach Berlin zur Uraufführung des Wozzeck, ist auch Helene Berg Gast in der Villa Fuchs, danach korrespondieren die beiden Frauen gelegentlich. Den ganzen Sommer des nächsten Jahres, besonders während seiner Komponiermonate in Trahütten, leidet Berg unter der Qual des Entsagen-Müssens,644 stürzt sich in die Arbeit an der Lyrischen Suite und kann den letzten Satz in der Nacht des 30. Septembers beenden. Der Zusammenbruch am nächsten Tag folgt unausweichlich. Daher kommt er, als er erfährt, dass Hanna Fuchs ein paar Tage in Wien sei, zu spät, wartet in Hietzing vergeblich auf einen Anruf. Das Ehepaar Fuchs ist längst abgereist. In einem Brief, den Alma Mahler Hanna heimlich übergibt, schreibt Berg über sein neues Streichquartett: ein Bekenntnis seiner Liebe sei es – ob Hanna beim Hören die unendliche Trostlosigkeit645 am Ende des Werks spüren werde? Zur Premiere des Wozzeck im Prager Nationaltheater am 11. November 1926 reist Berg mit seiner Frau. Diesmal wohnen sie im Hotel. Am 6. November, nach Stunden unendlichen Glücks und dem Abschied von Hanna vielleicht auf Jahre hinaus, rennt er ziellos durch die Stadt, findet keine Ruhe. Um Mitter-

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nacht treibt es ihn wieder nach draußen, nach Bubeneč. Stundenlang läuft er durch die Dunkelheit, ehe er das Haus findet, ihre Fenster. Da hätt‘ ich aufschreien wollen wie noch kein Schrei der Welt ertönt ist den einen Namen – den Einen, den Einzigen – – HANNA. Das schreibt er ihr noch in derselben Nacht hastig auf Notenpapier. Nicht mehr verschweigen kann er seine feindseligen Gefühle gegenüber Herbert und Helene, die verhindern, dass er auch nur fünf Minuten mit der Geliebten sprechen kann: So bringen sie ihr durch jahrzehntealte Ehe verbrieftes Recht auf Liebe in Sicherheit. Möglichkeiten, einander dennoch wiederzusehen, gehen ihm durch den Kopf: ein Nachmittag im Hause Fuchs (aber wer weiß, vielleicht schmeißt mich Herbert hinaus), der Potemkinfilm zu dritt, ein Nachtmahl gemeinsam mit Zemlinsky, vor allem die Première zu viert in der Loge, bei der anschließenden Feier könnten sie einander wenigstens anschaun. Aber danach? Selbst wenn sie einander irgendwann bei der Aufführung des Kammerkonzerts sähen – was aber dann?646 Trotz Helenes Misstrauen, das zu allerärgsten Szenen führt,647 verschiebt Berg die Heimreise bis zum 17. November. Vorher schreibt er einen Brief an Herbert Fuchs, um ihn mit geradezu verzweifelten Lügen zu beruhigen. Nie werde er die Grenzen seiner Verehrung für Hanna überschreiten, und nicht durch die leiseste Untreue seien die beinahe zwanzig Jahre seiner Ehe mit Helene getrübt.648 Helenes Verdacht, den er als eine fixe Idee abtut, treibt ihn dazu, ihr 1927, während er unterwegs ist nach Leningrad, zu versichern: Ich habe seit 20 Jahren kein Weib angeschaut, geschweige berührt, geschweige je ein Wort der Zuneigung od. gar Liebe gewechselt.649 Dass er sich zu solchen Lügen gezwungen sieht, führt zu Selbstverachtung und einer tiefgehenden Verstimmung im Verhältnis zu seiner Frau. Im Abschiedsbrief an Hanna Fuchs, am 16. November im Zug von Prag nach Pilsen geschrieben, erinnert er noch einmal an das unermeßlich Schöne der zehn Prager Tage und an die unerträglichen Qualen. Die gemeinsamen Stunden seien ja fortwährend bewacht worden von zwei mörderischen Augenpaaren, selbst sein Umgang mit den beiden Kindern habe unter Helenes fürchterlicher Kontrolle gestanden. Trotz übermenschlicher Ent-

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sagung auch noch quasi bestraft zu werden, empfindet er als gottloses Unrecht an ihnen beiden, an dem heiligen Geist der Liebe überhaupt! Die kostbaren Momente des Glücks – Hannas Lachen, der Ernst, mit dem sie seiner Musik im Opernhaus gelauscht habe – lassen ihn dann wieder auf eine Vereinigung hoffen.650 Aus Wien schickt er dem Ehepaar Fuchs als Erinnerung an die Bubene er Debatten einen Klavierauszug der „Gurrelieder“ – als einen kleinen Beitrag zum Kapitel „Leidenschaft in der Musik“: wo die Leidenschaft Puccinis aufhöre, beginne erst die Wirklichkeit wahrer Leidenschaft651. Zwei Jahre später blickt er abends von einem Ringstraßencafé aus auf die Fenster des gegenüberliegenden Hotels. Sie bleiben dunkel, das Ehepaar Fuchs ist abgereist. Nicht ein einziges Mal hat er in den vergangenen Tagen unbeobachtet mit Hanna sprechen können. Er schreibt ihr einen Brief, todtraurig wie alle folgenden, bekennt seinen namenlosen Groll gegenüber der Tyrannei ihrer Ehepartner, die finden, alles sei in bester Ordnung. Selbst nach dem Hören der Lyrischen Suite scheine Helene ahnungslos, obwohl eine Zeitungskritik die vier verräterischen Noten im dritten Satz, a-b-f-h, erwähne. Und seit Hannas Beichte an Herbert ist Berg nicht einmal mehr ihrer Liebe sicher, wird von Eifersucht gequält. Sei nicht ihre Reue über die paar Momente der Hingabe größer [...] als diese Hingabe selbst? Für ihn bleibe ein kleiner Rest freundschaftlicher Schwärmerei, für ihren Mann dagegen alles. So würden sie vielleicht nur noch durch kontrollierte Ansichtskarten in Verbindung bleiben.652 Er spürt, wie alles abwärts geht, wie er schon jahrelang in der Trauttmansdorffgasse begraben liegt.653 Seine Liebe aber sei unverändert, ihr kleines Denkmal,654 die Lyrische Suite, gelange vielleicht manchmal noch durch das Radio zu ihr. Er schreibt ihr noch ein paarmal, wenn sich die Gelegenheit ergibt, den Brief von einem Boten abgeben zu lassen, im Mai 1930, im Oktober und Dezember 1932, im November 1933, zuletzt im Dezember 1934. Er hat gelernt, sich bei ihren seltenen Begegnungen zu verstellen. Die Sehnsucht nach der

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Einzig- und Ewiggeliebten wird beschattet von einer Trauer, die ihn immer mehr beherrscht und [...] zu einem gespaltenen Menschen macht.655 Eine äußerliche Schicht, erklärt er, habe sich von seinem eigentlichen Sein losgetrennt, um die Normalität zu bewältigen, der andere Mensch, der komponierende und liebende, hoffe immer noch. Fast scheue ich mich, die Gelegenheit, Dir Hanna zu schreiben, auszunützen; ja ich schäme mich geradezu, von der Warte meines verpfuschten Lebens Dich zu grüßen. [...] Dir immer wieder zu schreiben, um wenigstens das traurige Wohlwollen in Dir wach zu erhalten, – – – das ist es ja, wovor ich mich scheue, mich schäme. So beginnt ein Brief vom November 1932, im Waldhaus am Wörthersee geschrieben, wo er einen Großteil seines Lebensrestes verbringen wird.656 Und nach anderthalb Jahren ohne Kontakt zu Hanna Fuchs schreibt er ihr seinen letzten Brief, am 14. Dezember 1934, ein Jahr vor seinem Tod. Eine schwache Hoffnung, dass sie sich bei der Prager Premiere seiner Symphonie, der Lulu-Suite, sehen, ändert nichts an seiner Depression. Eine immer enger und dichter werdende Verkapselung seines tiefsten Inneren beherrscht jetzt sein einsames Leben,657 seit dem Mai 1925 ein jahrelanges Decrescendo, dem schließlich vollständige Todesstille folgen wird.658 In Hanna Fuchs wirkte die Erschütterung durch die Begegnung mit Alban Berg noch lange nach. Als sie ihn einmal zufällig in der Wiener Oper sah, so berichtete Bergs Haushälterin Annerl Lenz, bekam sie einen Weinkrampf.659 Seine Briefe hat sie mit in die Emigration genommen, zu der die jüdische Familie Fuchs durch den „Anschluss“ Österreichs gezwungen war: in die Schweiz, nach London, schließlich in die USA.

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De profundis clamavi Lyrische Suite für Streichquartett Das Streichquartett, von dem Berg in einem Brief an Hanna Fuchs erzählt, hatte er im Herbst 1925 begonnen und im Sommer des folgenden Jahres wieder aufgenommen. Nach zwei Wochen Hiersein ist es mir endlich geglückt den eingerosteten Arbeitskarren wieder in Bewegung zu setzen. Ich schreibe am Quartett660, teilte er Webern mit. Den letzten Satz beendete er am 4. Oktober in Trahütten. Er widmete das Werk Alexander Zemlinsky, auf dessen „Lyrische Symphonie“ 661 von 1923 der Titel Lyrische Suite anspielt. Mehrere Zitate aus Zemlinskys „Sieben Gesängen nach Gedichten von Rabindranath Tagore“, der Geschichte zweier Liebender, die voneinander Abschied nehmen, tauchen in seinem Quartett auf. Eigentlich aber, schrieb er Hanna Fuchs, gehöre ihr das Werk, denn es sei ein Bekenntnis ihres Liebe-Erlebens und voll von geheimen Beziehungen.662 Er schenkte ihr eine Partitur der Lyrischen Suite mit der Widmung Für meine Hanna und mit zahlreichen handschriftlichen Anmerkungen, die verdeutlichen, dass die sechs Sätze des Werks Stationen einer Tragödie darstellen.663 Zugleich sei das Quartett ein Versuch, in der allerstrengsten 12 Ton-Musik mit stark t o n a l e m Einschlag zu schreiben, erklärte Berg in einem Brief an Schönberg.664 Auch diesmal wählte er wie schon in der Vertonung des Gedichtes von Storm die Allintervallreihe seines Schülers Klein, variierte sie aber im Verlauf des Zyklus. Solch eine fortschreitende Veränderung der Grundreihe war ein bisher noch nicht erprobtes Verfahren. Über die 17 zwölftönigen Kanons berichtete Berg seinem Lehrer nicht ohne Stolz.665 Adorno hielt das Werk für „vielleicht das vollkommenste, Ausdruck und Konstruktion am reinsten ausgleichende, das Berg gelang“.666 Zwölftönig ist das Werk nur zur Hälfte, die beiden lyrischen Sätze II und IV sowie Abschnitte der Sätze III und V sind in freier Atonalität komponiert. Bergs

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Neigung zu Verschlüsselungen zeigt sich in den immer wieder auftauchenden Tonbuchstaben A-B-H-F, den in Töne verwandelten Initialen von Hanna Fuchs und Alban Berg, besonders auch in Zahlenoperationen: die 10 (Hannas Zahl)667 und die 23 (Bergs Schicksalszahl) bestimmen die musikalische Konstruktion bis ins Detail, sogar alle Metronomangaben sind ein Vielfaches von 5, 10 und 23, die Angaben 115 (Presto delirando) und 150 (Allegro misterioso) existieren gar nicht auf der Skala des Metronoms. Wiederkehrende Themen und Motive sowie die Zwölftonreihe verketten alle sechs Sätze eng miteinander.668 Durch die Strenge der Konstruktion erhält die expressive musikalische Sprache ihre ästhetische Form: ein „Virtuosenstück der Verzweiflung“.669 Ein heiterer Satz, Allegretto gioviale, eröffnet den Zyklus mit einer Art Tusch aus Quart- und Quintklängen wie eine Intrada vor einer Festlichkeit. Das fröhlich sich aufschwingende Hauptthema wie auch die vergnügten Pizzikatotakte der Überleitung zum ruhigeren Seitenthema lassen nichts von der bevorstehenden Tragödie ahnen. Das Material des zweiteiligen Satzes, Exposition mit Reprise, 69 (3x23) Takte umfassend, beruht auf der Allintervallreihe, die auch vertikal eingesetzt wird (T. 13) und als vierstimmiger Kanon (T. 7ff.) oder in anderen kunstvollen Kombinationen erscheint.670 Auch die Folgen von Quarten und Quinten, sogar die Skalen C-Dur und Fis-Dur sind Ableitungen aus der Zwölftonreihe. Eine Notiz Bergs auf einem Skizzenblatt, Becherklang671, deutet auf den biographischen Hintergrund der Musik, den Empfang im Hause Fuchs. Zweimal gibt es eine Irritation, die Takte poco pesante mit dem seufzerartigen Motiv klingen, besonders in der Reprise über dem esMoll-Akkord, wie eine Ahnung kommenden Unheils. Der zweite Satz, Andante amoroso, stellt die dramatis personae vor. Das anmutige Hauptthema, Hannas Thema, verhalten, zärtlich (teneramente), wird von einem leicht veränderten Zitat aus Zemlinskys „Lyrischer Symphonie“ (Z. 42) begleitet: „Du bist mein Eigen, mein Eigen“, das insgesamt fünfmal auftaucht. Einen Kontrast dazu bildet Munzos Thema, ein Ländler

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mit eigenwilligen Synkopen, dessen slawische Färbung darauf anspielt, dass Munzo besser tschechisch als deutsch sprach.672 Ein drittes Thema stellt die kleine Dodo vor, leicht zu enträtseln durch die Wiederholung des Tons c in der Bratsche.673 „Versunken wie in kindlicher Frühe spielt das Thema vor sich hin“, schreibt Adorno.674 Begleitet wird es durch die Klänge der beiden Monogramme H-F und B-A, pianissimo und dolce. Wie die drei Themen einander abwechseln, entsteht ein Rondo, eine musikalische Form, in der, so schrieb Berg in die Partitur für Hanna hinein, die Themen (namentlich Deines) – den lieblichen Kreis schließend – immer wiederkehren.675 Eine Anspielung auf Maries Wiegenlied im Wozzeck (I,3), Lauter kühle Wein muß es sein,676 ist in der Kette aus fallenden oder auch steigenden Terzen zu erkennen, Ausdruck einer rauschhaften Verzauberung. Obwohl dieser lyrische Satz in freier Atonalität komponiert ist, verbindet ihn mit dem ersten das Zitat der Zwölftonreihe, zuerst vorgetragen von der Bratsche T. 24–28. Sie beginnt mit as statt mit f, der vierte und der zehnte Ton haben ihre Plätze getauscht, so dass nun die Töne A-B-F-H aneinander rücken – fast unmerklich hat sich Berg in den lieblichen Kreis hineingeschrieben. Vor der Coda, eingeleitet vom Hauptthema, hört man wie aus großer Ferne noch einmal das Zitat „Du bist mein Eigen“, in hoher Lage und langgezogenen Tönen: quasi piano, aber hörbar und immer mehr durchdringen. Mit der schnellen Folge von lauter Septakkorden in absteigenden Sechzehnteln entsteht am Schluss die Vorstellung eines fallenden Vorhangs, zuletzt ist noch einmal wie von weither das Do-do zu vernehmen. Der dritte Satz in der Form eines Scherzos ist mit Ausnahme des Trios wieder zwölftönig. Erneut sind vierter und zehnter Ton vertauscht, aber die Reihe beginnt jetzt entweder mit b, as oder f, so dass sich drei verschiedene Doppelmonogramme ergeben, B-A-F-H, A-B-F-H und A-B-H-F, nacheinander zu Beginn vorgeführt. Die Satzbezeichnung Allegro misterioso und der handschriftliche Zusatz des Datums 20.5.25 in der annotierten Partitur beziehen sich auf die Ewigkeitsmomente in der Bibliothek des Hauses Fuchs. Die schnellen Sechzehntel

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der Scherzoteile sind immer mit Dämpfer, überwiegend pizzikato und pianissimo zu spielen, trotz fieberhafter, atemloser Erregtheit sollte alles wie ein Geflüster klingen,677 denn noch war alles ein Geheimnis.678 Die Initialen werden zur Signatur des Satzes, in vielen rhythmischen Gestalten und als Akkord tauchen sie auf, halb verborgen hinter der Schnelligkeit des Pizzikatospiels. Auch die Anspielung auf das Sehnsuchtsmotiv aus dem „Tristan“ hat etwas Heimliches. Manchmal bilden die Monogramme insistierende Ostinati, in den Takten 30 bis 39 steigern sie sich zu hastigen Staccati, bevor geschlagene Quartenakkorde die Bewegung abbrechen. Danach kommt es – immer pianissimo – zu einer erregten Steigerung durch die Engführung von vier Reihenformen (col legno, gestrichen und geschlagen). Unvermittelt ausbrechend beginnt das Trio estatico mit weitgreifender, emporschnellender Gestik, fortissimo, doch immer mit Dämpfer, als müsse der Schmerz erstickt werden. Die 23 Takte – Bergs Zahl – sind voller Anspielungen. Das erste Thema zitiert aus dem siebten Gesang der „Lyrischen Symphonie“ die Takte „Laß Liebe in Erinn’rung schmelzen und Schmerz in Lieder“ (Z. 10), dabei wird das Quartintervall zu expressiven Sprüngen erweitert. Vier Takte darauf und erneut T. 85f. zitieren Bratsche und Violine in ähnlicher Weise „Du, die in meinen endlosen Träumen wohnt“ aus dem dritten Gesang jener Symphonie (Z. 43), das Du wird im Doppelmonogramm T. 84 genannt. Leidenschaftlich, sempre appassionato, erklingt das rauschhafte Motiv aus Wozzeck, nicht mehr verhalten wie im Satz zuvor, sondern im vierstimmigen Fortissimo. Plötzlich wieder wie ein Geflüster beginnt die Scherzoreprise. Dass sie rückläufig, als Krebs des ersten Teils komponiert ist, wirkt wie eine resignierende Zurücknahme. Vergessen Sie es – – – – – ! schrieb Berg über den Anfang der Reprise.679 Tags darauf 680 steht handschriftlich über dem vierten Satz, einem Adagio appassionato. Es verarbeitet Themen und Motive aus den vorhergehenden Sätzen, vor allem aus dem Trio estatico. Was dort wie ein Blitz einschlug, entfaltet sich hier.681 Alle bisherigen Zemlinsky-Zitate kehren wieder, ebenso die Monogramm-Motive. Das Adagio beginnt erregt mit einer vierstim-

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migen Engführung des Themas „Du, die in meinen endlosen Träumen wohnt“, das sich später in einem Zwiegespräch zwischen Bratsche und Violine entfaltet. Das leidenschaftliche Triothema wird wörtlich zitiert, und auf eine Reminiszenz an das Hauptthema des Andante amoroso, Hannas Thema (T. 30), folgt „Du bist mein Eigen“, wiederum im Dialog zwischen Violine und Bratsche. Wogende Klangbrechungen verstärken die Leidenschaft der Musik. Mit dem Doppelmonogramm H-F-A-B endet dieser erste Teil. Die folgenden sechs Takte im pianissimo, Molto tranquillo, erscheinen wie eine Enklave, in der sich das Zitat „Du bist mein Eigen“, nun in der originalen Gestalt über einem Orgelpunkt, in ein Rezitativ, ein inständiges Bekenntnis, verwandelt. Eine kurze, heftige Steigerung gipfelt im vierstimmigen Doppelmonogramm. Die Coda, Molto adagio, rückt das Geschehen in die Traumsphäre. Sehr leise, flautando, spielt die erste Violine H-F-A-B, darauf den Beginn von Hannas Thema, dem wie beschwörend ein Dreitonmotiv folgt, zehnmal in allen Stimmen, endend im äußersten Piano. Es sind die ersten drei Töne des Zemlinsky-Zitats: „Du bist mein“. Die Katastrophe des Dramas folgt im fünften Satz. Gewaltsam reißt das Presto delirando das Ich aus seinem Traum in die Schrecken der Tage mit ihren jagenden Pulsen.682 Der viermalige Wechsel von Scherzo- und Trioteilen bildet die quälende, immer gleiche Folge von Tag und Nacht ab. Das Scherzothema, ein zielloses Auf und Ab mit großen Sprüngen, heftigen Akzenten und geradezu schmerzhaften Glissandi, geht ins Rauschmotiv über, jetzt eine unisono abstürzende Figur. Dann setzt ein pochender ostinater Rhythmus ein, als Hemiole gegen das Dreiermetrum gesetzt, zuerst einstimmig, dann sich steigernd zu fünftönigen Akkorden, als vernehme man den rasenden Herzschlag eines Kranken. Wie schon im Wozzeck verwendet Berg hier einen thematischen Rhythmus. Das Trio, das Tenebroso der Nächte,683 fast durchweg im dreifachen piano, besteht aus unmerklich ineinander übergehenden drei- bis achtstimmigen Akkorden, Ausdruck eines qualvollen Dahin-Dämmerns.684 Grundlage der Akkorde ist die wiederum veränderte Zwölftonreihe auf des, zunächst als Umkehrung. In dieser Reihe sind die Ton-

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buchstaben getrennt, noch weiter auseinander rücken sie in der Reihe des Finalsatzes. Diese Veränderungen bedeuten, dass die musikalischen Charaktere ein Schicksal erleiden, erklärte Berg.685 Und wieder ein Tag mit seinem wahnsinnig gehetzten Herzschlag, notierte er über dem Scherzo II. Der Herzschlag-Rhythmus in diesem Abschnitt scheint sich erst am Ende zu beruhigen. Das Scherzothema wird jetzt col legno geschlagen, die Glissandi sind erweitert. Ohne Unterbrechung folgt wieder das Tenebroso, um vierzig Takte verlängert. Die Statik der Klangfläche, mit dem Flageolett-Bordun zu col legno gespielten Akkorden, wird erst nach fünfzig Takten durch ein melodisches Motiv abgelöst, als ob sich für Augenblicke der süße Trost eines wirklichen – alles vergessenden Schlummers über Einem senkte.686 Doch der Herzschlag-Rhythmus meldet sich wieder, Vorbote des heftigen, achtstimmigen rhythmischen Ostinatos in dreifachem forte, mit dem die letzte Reprise des Scherzos (und wieder Tag) einsetzt. Der Ausdruck der Verzweiflung verstärkt sich. Die bizarren Sprünge im vergrößerten Hauptthema, die hartnäckigen Ostinati, die auf und ab rasenden Glissandi rufen die Vorstellung eines Deliriums ohne Ende687 hervor. Zuletzt haben sich die Stimmen regelrecht festgerannt in einem Zwölftonakkord. Als gäbe es kein Ende der Qual, zerfällt das Thema in drei Ostinati, die, verteilt auf drei Instrumente und immer gleich, die Coda bis zuletzt beherrschen, während das Herzschlagmotiv sich zum dreifachen forte steigert. In unendlicher Trostlosigkeit schließt das Werk mit einem zwölftönigen Largo desolato. In die Partitur für Hanna Fuchs hat Berg das Sonett Baudelaires, „De profundis clamavi“, übersetzt von Stefan George, hineingeschrieben, so dass es den Anschein hat, als enthalte dieser Schlusssatz einen vokalen Part. Die ‚vertonenden‘ Noten sind mit roter Tinte hervorgehoben.688 Zu dir, Du einzig Teure, dringt mein Schrei, Aus tiefster Schlucht, darin mein Herz gefallen. Dort ist die Gegend tot, die Luft wie Blei, Und in dem Finstern Fluch und Schrecken wallen.

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Sechs Monde steht die Sonne ohne Warm. In sechsen lagert Dunkel auf der Erde. Nicht das Polarland ist so arm, Nicht einmal Bach und Baum noch Feld noch Herde. Erreicht doch keine Schreckgeburt des Hirnes Das kalte Grausen dieses Eisgestirnes Und dieser Nacht! Ein Chaos riesengroß. Ich neide des gemeinsten Tieres Los, Das tauchen kann in stumpfen Schlafes Schwindel. So langsam rollt sich ab der Zeiten Spindel. Die Textunterschreibung beginnt in Takt 13 mit dem Hauptthema in der Bratsche, das zuerst Takt 7 bis 8 von der Violine gespielt wird, einer neuen689 Variante des Trio estatico mit extrem hochfahrenden Bewegungen und tiefem Absturz, Hilferuf eines Gestürzten. Heftiger Schmerz wird spürbar in an- und abschwellenden tremolierten Klängen. Trotz der Unmittelbarkeit solcher Ausbrüche ist der Satz streng gebaut. Zugrunde liegen die Zwölftonreihe aus dem fünften Satz (jetzt auf f) sowie eine Umstellung, in der die Töne so geordnet sind, dass sich sechs Halbtonschritte ergeben. Auf diese Weise gelingt es, Chromatik und Zwölftontechnik zu verbinden und selbst das Tristanmotiv aus der Reihe abzuleiten. Beide Reihen mit ihren Umkehrungen werden zu Beginn kanonartig im Pizzikato exponiert, beginnend mit der einsamen Stimme des Cellos, bevor unvermittelt der Ausbruch des Hauptthemas folgt.690 Das frühere Rauschmotiv nimmt den Ausdruck des Schreckens an, und sieben Takte lang wird ein Orgelpunkt auf dem Kontra-H durchgehalten, Hannas Initiale, doch wie die Ankündigung von etwas Bedrohlichem – im Wozzeck ist das H Marie zugeordnet und kündigt im letzten Akt den Tod an. Damit das Cello das tiefe H spielen kann, hat Berg eigens eine Skordatur vorgeschrieben, das Herunterstimmen der C-Saite auf H. Noch in der Landschaft des Todes erhebt sich leise das sehnsüchtige Tristanmotiv. Vor den wilden Sextolen der Klimax ist aus großer Höhe eine weitere Reminiszenz an den „Tristan“ zu vernehmen, das

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„Verhängnismotiv“.691 Das Chaos wird mit den Tönen des Quartsextakkords von G-Dur abgebildet, dem einzigen in regelrechtem Dur gehaltenen Takt, leere, ziellose Tonfolgen, endend in einem Zusammenbruch. Als das Hauptthema ein letztes Mal erscheint, dolce, in kleinen Tonschritten, ist es von Ermattung gezeichnet. In stumpfen Schlafes Schwindel tauchen noch einmal die vier Tonbuchstaben auf, B-A-F-H, bevor sich in der Coda die Gestalten aufzulösen beginnen. Das pesante-Motiv vom Beginn kehrt wieder, dann verstummt ein Instrument nach dem anderen, zuletzt, in Takt 46692, die Bratsche, morendo, ohne Abschluss, als töne die Stimme im Unhörbaren weiter. Die Uraufführung der Lyrischen Suite fand im Januar 1927 in Wien statt, im Juli die deutsche Erstaufführung in BadenBaden, beide Male spielte das Kolisch-Quartett in einer hervorragenden Einstudierung. Innerhalb von nur zwei Spielzeiten führte das Kolisch-Quartett die Suite etwa dreißigmal in europäischen Städten auf.693 Unter den begeistert Applaudierenden bei der Wiener Premiere waren auch Anton Webern und Bergs Bruder Charly. Vom 2. Satz an wurde nach jedem Satz applaudiert, berichtete Berg.694 Schönberg hörte die Suite 1927 im Radio – „im Radio von Rudio gespielt“ –: „sehr schön!“695 Im selben Jahr schon gab die Universal Edition die Taschenpartitur des Werks heraus. Die drei mittleren Sätze II bis IV, die „Salonfassung“ für Aufführungen des Quartetts in Paris,696 bearbeitete Berg 1928 für Streichorchester, Jascha Horenstein dirigierte am 31. Januar 1929 ihre Uraufführung mit den Berlinern Philharmonikern. Nach seiner Emigration führte Erich Kleiber diese Fassung 1930/31 in den USA mit größtem Erfolg auf.

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Eine ganze Oper aus einer Tonreihe Lieber Doktor, ich habe beschlossen im kommenden Frühsommer eine Oper zu beginnen, schreibt Berg am 30. November 1927 an Adorno und bittet um höchste Diskretion.697 Seit dem Abschluss der Arbeit am Wozzeck war er auf der Suche nach einem neuen Opernstoff. Es gab allerhand Pläne: Georg Büchners Lustspiel „Leonce und Lena“ beschäftigte ihn, dann Hermann Kasacks 1924 erschienenes Schauspiel „Vincent“ über die Künstlerfreundschaft zwischen Van Gogh und Gauguin; Berg schrieb dem Autor und erhielt ein Exemplar des Stücks. Schönberg schenkte ihm zu Weihnachten 1926 zwei Werke des damals vielgelesenen Arnolt Bronnen und schlug dessen Drama „Rheinische Rebellen“ für ein Libretto vor. „Machwerke“ seien Bronnens Dramen, fand Morgenstern, den Berg um seine Meinung gebeten hatte, er war „geradezu entsetzt“ über den Vorschlag.698 Im November 1927 verrät Berg Adorno, er habe zwei Pläne, entweder „Und Pippa tanzt“ oder Lulu.699 Gerhart Hauptmanns „Glashüttenmärchen“, ein Drama aus dem Jahr 1905, kennt er seit langem,700 bemerkt darin Parallelen zu Goethes „Faust“; 1927 sieht er eine Aufführung im Burgtheater. Auf die schöne Pippa, eine Verkörperung der Hoffnung in kalter Wirklichkeit, richtet sich die Sehnsucht aller anderen Figuren. Die Musikalität der Verssprache verlockt zur Vertonung, wenn auch die Prosateile im oberschlesischen Dialekt problematisch für eine Oper sind. Längere Zeit schwankt Berg zwischen „Pippa“ und den Lulu-Dramen Wedekinds und berät sich mit Adorno und mit Morgenstern. Der rät aus praktischen Erwägungen eher zu „Pippa“. Alma Mahler, die Alban und Helene Berg im Januar 1928 eingeladen hat, eine Woche mit ihr und Werfel in Portofino zu verbringen, gelingt es, ein Treffen zwischen Berg und Hauptmann zu arrangieren. Seit 1925 hat Hauptmann die Wintermonate immer in der herrschaftlichen „Villa Carlevaro“ in Rapallo verbracht, er ist berühmt, hat 1912 den Nobelpreis bekommen. Aus Portofino berichtet Berg: Wir sind hier [...] ca.

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8 Tage u. – staunen, staunen u. schwelgen immerfort! Heut Abend lerne ich Gerhard Hauptmann kennen!701 Im April erst kommt es zu Verhandlungen mit dem S. Fischer Verlag, der aber verlangt, wohl mit Hauptmanns Einverständnis, 50% der Tantiemen, 20% der Einnahmen aus dem Textbuch und weitere 5% aus dem Notenverkauf. Solch außergewöhnlich drückenden Bedingungen702 kann Berg nicht zustimmen, zumal er die Vertonungsrechte nicht exklusiv erhalten soll. Obwohl er sich schon eine Okarina besorgt hat – im Drama bläst der junge Hellriegel dieses Instrument –, gibt er seinen Plan auf und wendet sich den Tragödien „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ von Frank Wedekind zu. Im Gegensatz zu Pippa, zugleich femme fragile und femme enfant, ist Lulu, mit Zügen der femme fatale, eine starke Persönlichkeit. Berg weiß, wie gewagt es ist, „Lulu“ auf die Opernbühne zu bringen. Die Zensur könnte bewirken, dass das Werk in der Schublade bliebe und höchstens vor geladenem Publikum aufgeführt werden dürfte. Aber „épater le bourgeois“, eines der „Neben-Dogmen“ des Schönbergkreises, diese Lust an der antibürgerlichen Geste lag auch Berg im Blut, wie Morgenstern erzählt.703 Eine besondere Schwierigkeit bestand darin, einen so auf’s Dialektische gestellten Text wie den Wedekinds auf die O p e r n bühne zu bringen, wo man kaum ein Wort versteht.704 Adorno rät zu „Lulu“, er schätzte ohnehin Wedekind mehr als Hauptmann. Am 26. August 1928 liest er im Postscriptum eines Briefs von Berg: Ich arbeite mit Fleiß u. Lust an „Lulu“. Aber das ist vorderhand größtes Geheimnis.705 Und im selben Monat schreibt Berg an Morgenstern, welche Freude ihm die Arbeit an Lulu mache: Ich glaube, der Gestalt der Lulu solche Musik zu geben, daß sogar die Frauen diese Gestalt lieben werden.706 1928 wird der Wedekindsche Stoff verfilmt, nach einem Kinobesuch schwärmt Smaragda von „Lulu“.707 Als sich Berg im Oktober 1928 in Berlin aufhält, wegen der Neuinszenierung des Wozzeck an der Staatsoper Unter den Linden, trifft er sich mit Tilly Wedekind, der Witwe des Dichters, die er schon 1905 als Lulu in der unvergessenen Aufführung im Trianon-Theater erlebt hatte.708 Die W. mißfiel mir anfangs: in einem verhältnismäßig jungen Gesicht k r a s s e Spuren des Alters:

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Thränensäcke, scharfe breite Krähenfüße, u. überall – sogar an den Händen Leberflecke, berichtet er Helene – gut aussehende Frauen versah er in Briefen an Helene oft mit negativen Attributen, um ihre Eifersucht zu beschwichtigen. Später gefiel sie mir durch ihr ganz natürliches Benehmen, durch den Mangel an jeder Schauspielerinnen allüre besser.709 In Verhandlungen mit Tilly Wedekind und dem Georg Müller Verlag erreicht Berg verhältnismäßig günstige Konditionen. Dass Erich Kleiber von dem Lulu-Projekt begeistert ist, spornt ihn an, und Schönbergs Interesse an seiner neuen Oper macht ihn glücklich.710 Aber er stecke in einem KomponierProblem, berichtet er Adorno, nämlich dem: aus e i n e r 12 Tonreihe heraus eine ganze Oper zu schreiben!711 Noch ein Jahr später berichtet er Webern: Mit meiner jetzigen Arbeit geht’s gar nicht gut vorwärts. Es gibt Tage, wo ich mich dieser gewaltigen Aufgabe nicht gewachsen fühle. Wohl auch im Hinblick auf die ‚Reihen‘-Kompositionsart.712 An seinem kühnen Plan hält er aber fest, bewältigt ihn einfallsreich, indem er von der Grundreihe eine Anzahl leitmotivischer Formen ableitet: Durch Umstellungen, durch das Herauslösen von Segmenten oder das Eliminieren einzelner Töne lassen sich andere Reihen bilden, sogar die chromatische Skala, auch Ganzton-, Quart- oder Terzfolgen, zudem verschiedenartige Drei- und Vierklänge, die alle auf die Grundreihe zurückzuführen sind. Diese ist so erfunden, dass die ersten sechs Töne B-Dur, die letzten sechs E-Dur zugeordnet werden könnten.713 Dadurch wird es möglich, die Reihentechnik mit tonalen Elementen zu verbinden. Wiederholt sind in der Partitur traditionelle Akkorde zu finden: Dur-, Moll-, verminderte und übermäßige Dreiklänge, Sept- und Ganztonakkorde; eine immanente Kritik am System Schönbergs, dem Berg indes ausdrücklich versichert: Deine Ratschläge beschäftigen mich nicht anders als die mir vor 20 Jahren erteilten.714 Adorno glaubt, „daß für Schönberg die Zwölftontechnik d o c h ein Rezept wurde. [...] Im Grunde wissen wir es ja alle, nur getraut es sich noch keiner zu sagen.“ Seine letzten Stücke seien „durchsichtig wie Glas, ohne Geheimnis“.715 Zu Bergs Konstruktionsprinzipien gehört der Klangcharakter, ein Reich-

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tum an Farben. Wie eine Dissonanz klingen soll, bestimmt er durch die Instrumentierung und die Lage der Töne; die weite Lage, ein großer Abstand zwischen dissonierenden Tönen, mildert ihre Schärfe, es entstehen transparente, luxurierende Klänge von sinnlicher Schönheit. Über die Partitur der Symphonischen Stücke aus der Oper Lulu schreibt Adorno im März 1935, dass „der sinnliche Klang eine Schönheit“ erreiche, wie er sie „noch nie gehört“ habe.716 Ein Musikdrama soll Lulu nicht werden. Ausdrücklich übernimmt Berg überlieferte Formen der Oper: Canzonetta, Kavatine, Lied, Arietta, Arie, Koloraturarie, Duett, Quartett, Sextett, Ensemble. Sie bezeichnen vor allem „musikalische Tonfälle“, die mit jenen Formen verbunden waren.717 Wie schon im Wozzeck tauchen traditionelle Satztitel auf: Sonate, Rondo, Choralvariationen, Variationen; auch sie dienen vor allem der Charakterisierung. Die wechselnden Deklamationstypen und Stillagen, Elemente des Jazz und der Trivialmusik werden in einer kunstvollen Balance gehalten, es entstehe „eine Art schwebendes Gleichgewicht“, hat Dahlhaus bemerkt.718 Dass die Arbeit nur sehr langsam vorangeht, liegt auch an der Schwierigkeit, ein riesiges Sprechdrama in ein Libretto zu verwandeln. Vier Fünftel des Textes müsse er streichen, schreibt er an Schönberg,719 aus den vier „Erdgeist“-Akten und den drei der „Büchse der Pandora“ werden drei Opernakte. Noch immer ist eine erhebliche Textmenge zu bewältigen, dadurch werden zahlreiche gesprochene Dialoge, melodramatische Passagen, notwendig. Berg arbeitet meist zugleich am Text und an der Komposition. Die Szenen gruppieren sich spiegelsymmetrisch um eine Achse, die Verwandlungsmusik in der Mitte des zweiten Akts, und machen Lulus Aufstieg und Fall sinnfällig. Die komplizierten Wedekindschen Dialoge werden vereinfacht, mancher Zynismus, manche Roheit wird gemildert, der Schwerpunkt verlagert sich entschieden auf die Gestalt der Lulu, die der Geschwitz verliert an Bedeutung. Die leidvollen Erfahrungen dieser Figur darzustellen fällt ihm schwer, bedrückende Erinnerungen an Smaragdas Leben tauchen immer wieder auf.

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Diese Geschwitz, für die ich eigentlich wenig übrig hab, obwohl ich sie respektieren muß, macht mir mehr Schwierigkeiten als alle andern Trabanten der Lulu zusamm, schreibt er im März 1934 an Helene, doch nun scheine er den richtigen Ton gefunden zu haben.720

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Kunstfahrten Ich träumte nachts wieder von nicht erreichbaren Zügen,721 steht in einem von Bergs Briefen an seine Frau. Die wiederkehrenden Angstträume hingen zusammen mit seiner Unsicherheit beim Reisen. „Er litt an einer Art von Eisenbahnkomplex“, erzählt Adorno. Immer sei er zu früh am Bahnsteig gewesen, einmal drei Stunden vor Abfahrt des Zuges, und dann habe er ihn noch verpasst.722 Die zahlreichen Fahrten, vorwiegend zu den Wozzeck-Premieren, strengten ihn unverhältnismäßig an: 1927 nach Berlin, Zürich, Frankfurt, St. Petersburg, Leningrad und BadenBaden, im Jahr darauf nach Rapallo, Paris, Zürich, Berlin, Duisburg, Düsseldorf und Essen. Noch immer war das Reisen voll unvorhergesehener Abenteuer u. Aufregungen. Auf der Fahrt nach London im Januar 1931723 saß er gerade im Speisewagen, als er hörte, dieser Wagen gehe nach Paris; der Zug war geteilt worden, Bergs Gepäck und alle seine Papiere befanden sich in seinem Schlafwagenabteil auf dem Weg nach Ostende. Es blieb mir nichts anderes übrig als die Notleine! Es ist zwar verboten, aber die 30 S. Strafe ist es trotzdem wert! Der Zug hielt, wild pfeifend. Stolz entstieg ich u. eilte zur Station, hinter mir drein das empörte Zugspersonal. [...] Ich zahlte die Strafe, u. bald fuhr m e i n Zug ein, in den ich schnell sprang.724 Als ihn im April 1925 die Einladung erreichte, für die IGNM, die Internationale Gesellschaft für Neue Musik, als Redakteur am Prager Musikfest teilzunehmen, war das der Beginn einer fast zehn Jahre dauernden Tätigkeit als Juror für diese Gesellschaft. Sie war 1922 von Musikern gegründet worden, unter ihnen Anton Webern und Egon Wellesz. Zum Präsidenten wurde Edward Dent gewählt, Fellow des King’s College Cambridge; Julius Bittner, Komponist und Feuilletonist bei der Neuen Freien Presse, leitete die Sektion Österreich. Gefördert werden sollte zeitgenössische Musik, auf den Programmen der Musikfeste an jährlich wechselnden Orten erschienen Namen aus vielen Nationen. Im Januar 1926 tagte der Ausschuss der

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österreichischen Sektion, dem Berg jetzt angehörte, im Café Herrenhof, um Werke für das Musikfest in Zürich auszusuchen. Die Zusammensetzung der Jury wechselte, immer aber waren Komponisten der Wiener Schule vertreten, so dass Werke aus dem Kreis um Schönberg häufiger ausgewählt wurden. Schönberg selbst hatte sich längst mit der IGNM überworfen. Er empfand es als Bevormundung, dass Edward Dent, der Präsident, ihm während des Festes in Venedig keine verlängerte Probenzeit für seine Serenade op. 24 gewähren wollte. Dent hatte ihn gebeten, die Probe zu beenden, sein Nachfolger warte schon, und Schönberg sei hier nicht der einzige Komponist. „Ich denke doch!“, hatte Schönberg geantwortet.725 „Einmal beleidigt, verharrte er in seinem Groll und war durch nichts zum Einlenken zu bewegen, bis der schuldige Teil gedemütigt war.“726 In diesem Fall hatte er Dents Entlassung gefordert. Wer dem Angriff vieler Kritiker ausgesetzt ist, wird scharf auch in seinem Urteil über andere. Während Berg fremde Kritik an seinen Werken so gut wie niemals kommentierte, waren seine Bemerkungen über die Musik der jüngeren Generation manchmal von einer Bitterkeit, deren Grund im jahrzehntelangen Kampf um Anerkennung lag. Eisler hat, im Alter von 20–25 Jahren, den Preis der Stadt Wien erhalten, dessen Webern u. ich als Anerkennung überhaupt mit 40 Jahren teilhaftig wurden. Der nicht viel ältere Greisle kann sich der Aufträge gut bezahlter Schönberg Klavier Auszüge u. Arrangements kaum erwehren, während ich es seinerzeit als eine Gnade ansehn mußte, den Gurreauszug und 2 ihrer Führer... Da haben’s die Eislers und Greisles wahrlich bequemer.727 Das gesamte Gedudel der I.G.N.M.728 traf sein verächtlicher Spott. Stücke wie Arthur Honeggers „Pacific 231“ hielten keinen Vergleich aus mit „Till Eulenspiegel“ von Strauss, schon gar nicht mit Mahler und Schönberg. Im Oktober 1928 wurde Berg auch noch Mitglied der Jury beim ADMV, dem Allgemeinen Deutschen Musikverein, die Werke für die jährlichen Feste des Vereins auswählte. Auf der Tagung des ADMV in Duisburg diskutierte man stürmisch über zeitgenössische Opern. „König Roger“ von Karol Szymanowski fand Berg sehr fad und überflüssig. Fad, urfad waren Bezeichnungen für

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unerträgliche Mittelmäßigkeit, er verwendete sie noch häufiger als Adorno, der einen seiner letzten Briefe729 mit „Ihr alter und treuer Fadian Teddie Wiesengrund“ unterschrieb. An Křeneks „Orpheus und Eurydike“, 1926 in Kassel uraufgeführt, sei das Allerwenigste ernst zu nehmen, berichtete Berg in einem Brief an Schönberg, und Prokofjews „Liebe zu den drei Orangen“, von Bruno Walter im Gegensatz zum Wozzeck so gelobt, stehe nicht allzu hoch über Salonmusik.730 Die Hauptkonkurrenten seiner Oper Wozzeck aber waren „Die tote Stadt“(1920) von Erich Wolfgang Korngold, „Jonny spielt auf“(1927) von Ernst Křenek und „Maschinist Hopkins“(1929) von Max Brand. Bei der Jurysitzung des ADMV hatte Berg sich noch für „Maschinist Hopkins“ ausgesprochen. Diese erste deutsche ‚Fabrikoper‘ erregte besonders vom Sujet und der Szenerie her Aufsehen; sie führte den Menschen in der Maschinenwelt vor, erhob Anklage gegen den Kapitalismus, gegen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskriminalität, das Bühnenbild erinnerte an Fritz Langs Stummfilm „Metropolis“ (1927). Der Komponist verwendete bruitistische Effekte, Elemente des Jazz und der Unterhaltungsmusik, außerdem hörte man Einflüsse der Zwölftonmusik und der Opern Schrekers – Brand war Schrekerschüler. Nach der bejubelten Uraufführung beim Duisburger Musikfest schrieb Berg im August 1929 an Morgenstern: Dieses Machwerk hat also tatsächlich den Erfolg erzielt, den ich ihm prophezeit habe, prophezeit auf Grund meiner Kenntnis von Publikum und seinen augenblicklichen Wünschen, und von der Art, wie in diesem „Werk“ diesen dreckigen Wünschen in j e d e r Beziehung und auf geschickteste Weise Rechnung getragen wird. Selbst renommierte Bühnen wie die Frankfurter und die Moskauer Oper hätten das Werk auf ihren Spielplan gesetzt, sie schienen den Brand’schen Blödsinn als richtiggehendes Theater zu empfinden. Auf beiden Bühnen müsse der angekündigte „Wozzeck“ zugunsten jenes Schundes zurücktreten.731 Auch Dresden und Leningrad entschieden sich nicht für Wozzeck, sondern für „Maschinist Hopkins“. Křeneks „Jonny spielt auf“, ebenfalls eine Zeitoper, war schon zwei Jahre früher in Leipzig uraufgeführt worden und

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hatte es in der ersten Spielzeit auf 421 Aufführungen gebracht. Trotz swingender Rhythmen war das Werk mit dem romantischen Sujet und den zahlreichen ariosen Partien keine Jazzoper. Eigentlich handelte es sich um ein Künstlerdrama. Aber imponierender als der Protagonist, der Komponist Max, war für das Publikum der Neger Jonny, Geiger in einer Jazzband. Nachdem er Max tollkühn vor der Polizei gerettet hat, bringt er am Schluss alle wartenden Leute auf dem Bahnhof mit den frechen Rhythmen seiner gestohlenen Geige zum Tanzen. Bei der allgemeinen Begeisterung für die USA hatte diese Szene eine enorme Wirkung, zu der auch die ungewöhnlichen Requisiten beitrugen: fahrende Züge, Lautsprecher, Telefon, ein Polizeiauto. Schönbergs Polemik gegen die „Scheintonalisten, Klassizisten, Folkloristen und sonstige „...isten“ im Vorwort zu seinen „Drei Satiren für gemischten Chor“ op. 28 hatte Berg mit Vergnügen gelesen. Eine Polemik gegen alle, „die ihr persönliches Heil auf einem Mittelweg suchen. Denn der Mittelweg ist der einzige, der nicht nach Rom führt. Ihn aber benützen solche, die an den Dissonanzen naschen, also für modern gelten wollen, aber zu vorsichtig sind, die Konsequenzen daraus zu ziehen.“732 Damit hast Du den Křenek wahrhaft erledigt und mit ihm den halben – was sag ich – 9/10 des U.E. Katalogs!733 Die größte Bewunderung der Wiener galt der „Toten Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold. Sein Vater Julius Korngold, promovierter Jurist, war der einflussreichste Kritiker Wiens und Nachfolger des berühmten Eduard Hanslick als Korrespondent der konservativen Neuen Freien Presse, Wiens wichtigster Zeitung. Er hatte noch bei Bruckner studiert und wurde zum entschiedenen Gegner der Wiener Schule. Die Musik der Schönbergianer war für ihn eine „atonale Götzendämmerung“ – so der Buchtitel seiner gesammelten Rezensionen und Essays. Natürlich richteten sich seine Kritiken auch gegen die IGNM. Er wurde gefürchtet, hatte viele Feinde und war in etliche Prozesse verwickelt. Das hatte seinen Grund auch in der Propaganda, die er für seinen Sohn betrieb. Erich Wolfgang Korngold, „der kleine Korngold“, wie die Wiener ihn nannten, war eine Frühbegabung. Auf Empfehlung Mahlers hatte ihn

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Zemlinsky zwei Jahre lang unterrichtet, und der Vater führte sein Wunderkind überall vor, wo sich die Gelegenheit bot. 1908 hatte der Elfjährige ein Ballett komponiert, „Der Schneemann“, das 1910 in der Hofoper aufgeführt wurde. Zehn Jahre später feierte seine Oper „Die tote Stadt“ nach der Doppelpremiere in Hamburg und Köln Triumphe, mehr als achtzig Bühnen führten das Werk trotz des erforderlichen gewaltigen Klangapparats auf. In diesem Traumspiel stellen zweiter und dritter Akt die nur geträumte unheilvolle Begegnung Pauls mit einer Wiedergängerin seiner toten Frau dar, die er schließlich erwürgt, bevor er wieder erwacht. Die Orchesterbesetzung ist ähnlich monumental wie die der „Gurrelieder“, die Musik spätromantisch mit üppigem Klang und effektvollen Arien. Giacomo Puccini hielt Erich Wolfgang Korngold, nachdem der Komponist ihm aus dem Klavierauszug der „Toten Stadt“ vorgespielt hatte, für „die stärkste Hoffnung der neuen deutschen Musik“.734 Nachdem er den Kunstpreis der Stadt Wien erhalten hatte, wurde Korngold 1927, mit dreißig, als jüngster Professor Europas an die Wiener Staatsakademie berufen. Seit einem geschlagenen Monat, schrieb Berg an Morgenstern, tappen wir hier [...] in dem unbeschreiblichen Dreck den das „Wunder der Heliane“ aufgewühlt hat herum. D a s ist nur in Wien möglich!735 Korngolds neue expressionistische Oper konnte sich allerdings kaum durchsetzen, und der ‚alte Korngold‘ wetterte um so heftiger gegen den Konkurrenten „Jonny“. Man müsse eine eigene Musikzeitschrift gründen, sozusagen eine musikalische „Fackel“, schlug Willi Reich 1931 vor, um damit gegen die Clique der Musikkritiker um Korngold vorzugehen und die Avantgarde zu verteidigen. Berg unterstützte den Plan, und im Januar des folgenden Jahres erschien die erste Nummer der neuen Zeitschrift, gegründet von Reich, Křenek und Ploderer, herausgegeben von Reich. Der Titel, „23. Eine Wiener Musikzeitschrift“, bezog sich auf den Paragraphen 23 des österreichischen Pressegesetzes über das Recht zur Berichtigung falscher Presseaussagen, für Berg hatte die 23 überdies eine besondere Bedeutung. Die Zeitschrift erschien in unregelmäßigen Folgen bis zum September 1937, seit 1934 auch mit

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zahlreichen Beiträgen Adornos unter dem Pseudonym Hektor Rottweiler. Ein Artikel Willi Reichs im dritten Heft 1932, der sich gegen Clemens Krauss richtete, hatte Folgen für Alban Berg: Wozzeck erschien seitdem nicht mehr auf dem Spielplan der Wiener Oper. Krauss sei verstimmt, erfuhr Berg von Alma Mahler. In einem Brief an Krauss distanzierte er sich von Reichs Artikel, wünschte eine Versöhnung. Er bekam keine Antwort. In der Hoffnung, mit einer Zeitoper endlich zu einem Publikumserfolg zu kommen, komponierte Schönberg den Einakter „Von heute auf morgen“ zu einem Libretto seiner Frau. Da die Bühnen kaum interessiert waren, veröffentlichte er das Werk 1929 im Selbstverlag. In einem Brief an Berg konnte Adorno sein Entsetzen über den „stockreaktionären Text“ dieser Ehekomödie nicht verhehlen. „Wieviel besser ist doch Ihr Instinkt bei der Wahl der Lulu!“736 An Schönberg schrieb Berg im November 1928: Die Beschäftigung mit diesen ca. 50 Opern hat mir furchtbar viel Zeit gekostet. Nie Wieder! Im Lauf des Monats September und Oktober musste ich ca. 300 kg Opern durchsehen [...]. Es war eine Kanalräumer-Arbeit! Das Traurige daran war, daß sie mich langsam aber sicher ganz aus meiner eigenen Arbeit herausriss.737 Trotzdem arbeitete er weiter in den Gremien beider Institutionen, um dem „Nachwuchs“ zu helfen!738, eine Zeitlang auch noch für den Österreichischen Komponistenbund. Gefragt zu sein nach einer langen Zeit der Anonymität war eine Genugtuung. 1928 setzte Berg die Aufführung von Zemlinskys drittem Streichquartett op. 19 auf dem Fest der IGNM in Siena durch und schrieb dem Komponisten über den Erfolg des Werks. Zemlinsky bedankte sich für Bergs „warme Worte“: „Und wenn ich auch 50 % davon Ihrer herzlichen Persönlichkeit zumesse u. vom wirklichen Urteil abziehe, bleibt noch immer so viel, daß ich mich wirklich freuen muss, daß mein Werk auf Sie Eindruck machte.“739 Aus Cambridge berichtete Berg im Januar 1931, er sitze über 200 Partituren u. werde stündlich deprimierter. Bei der Auswahl der Werke für die Musikfeste in Oxford und London (24.–28. Juli) müsse er sich als einziger gegen 4 bzw. 5 Gegner (Franzose,

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Italiener, Belgier u. Pole [+ Engländer])740 durchsetzen. Gottlob, daß wenigstens Webern zu Wort kommt!741 Die zwanzig Stunden im Zug nach London waren wieder beschwerlich gewesen, zudem strengte es ihn an, dass in der Jury fast nur französisch gesprochen wurde. Aber das Klima in Cambridge sei herrlich, sein Katarrh fast ausgeheilt, berichtete er seiner Frau. Cambridge sei die eigentümlichste Stadt, die er jemals gesehen habe, das Dinner im Trinity College ein unvergeßlicher Eindruck. Für einen Feinschmecker wie ihn war die englische Küche indes vollständig geschmacklos, ein Fasan schmecke hier genauso wie ein Truthahn oder eine Poularde.742 Zurück in Wien, konnte er im April ein Konzert im kleinen Musikvereinssaal hören, bei dem Webern nur eigene Werke dirigierte, darunter die Uraufführung seines Quartetts op. 22. Morgenstern und Berg besuchten auch die Proben, die Webern mit äußerster Gründlichkeit abhielt. Gerade holte er zum zweiten Satz seines Quartetts aus. „Hier brach er beim fünften Takt gleich ab und ermahnte den Saxophonisten: »Haben Sie nicht gelesen: ‚Sehr schwungvoll!‘« Und mit der Rechten anfeuernd: »Schwungvoll! Saxophone!! Sex appeal!!!«“ Berg bekam einen solchen Lachanfall, dass er mit Morgenstern den Saal verlassen musste. Als sie wieder hineingingen, sagte Webern: »Das war net schlecht, was? Saxophone – Sex appeal?!« „Webern lachte über seinen Wortwitz: Saxophone – Sex appeal. [...] Alban [...] lachte über den keuschen Sex appeal aus dem Webernschen Saxophon.“743 Dass er selbst kaum mehr zum Komponieren kam, beunruhigte Berg. Die kompositorische Untätigkeit der letzten 3 Monate hat meine Stimmung nämlich immer mehr herunter gebracht. In allerletzter Zeit so sehr, daß ich nahe an Verzweiflung war, klagte er Ende 1931 in einem Brief an Adorno. Die Folge war eine zunehmende Gereiztheit. Wie einzelne private Notizen zu eingereichten Werken für das Tonkünstlerfest des ADMV 1933 in Dortmund zeigen, wurden Bergs Beurteilungen schärfer: sinnlos hingeschmierte Musik; völlige impotenz; an Negermusik gemahnende Dürftigkeit.744 Die letzte Jurysitzung für den ADMV, an der er teilnahm, fand vom 26. Februar bis zum 2. März 1933

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in München statt. Mit dem Ergebnis war er unzufrieden, sein Einfluss ließ nach, die allgemeine Rücksichtnahme auf die Nationalsozialisten wurde spürbar. Zwar war der Verein großzügig, was die Spesen betraf, aber das noble Abendessen musste er sich durch stundenlanges Reden u. – Zuhören von Anekdoten abverdienen.745 Wenigstens hatte er durchsetzen können, dass Weberns Orchesterstücke op. 6 auf das Programm gelangten. Er war fast ständig in Sorge um den Freund, der seit 1930 keine Schüler mehr hatte und nur noch feste Einkünfte vom Singverein und dem Israelitischen Blindeninstitut bezog. Erst im März erhielt er einen Vertrag von der Ravag über sechs Monate. Im Oktober des folgenden Jahres erkrankte er, klagte über große Müdigkeit und berichtete Schönberg über „Gefäßstörungen (Lähmungen)“. Schließlich wurde er wegen einer Magen-Darm-Erkrankung in ein Sanatorium eingeliefert, wo er fast drei Wochen zubrachte. „Was ist mit Webern los?“ fragte Schönberg in einem Brief an Berg. „Ist er wirklich so krank. Oder ist am Ende alles dies bloß Folge von Ärgernis und Aufregung?“746 Webern fühlte sich schutzlos den Widrigkeiten des Lebens ausgeliefert, seine Briefe an Schönberg waren oft Hilferufe, auch den Freunden Berg und Jalowetz vertraute er sich an. 1913 hatte er sich einer Psychoanalyse unterziehen müssen. Nach Alfred Adlers Diagnose lag die Ursache seiner Persönlichkeitsstörung in einem Gefühl der Inferiorität, Webern müsse seinen Willen zur Selbstbehauptung stärken. Am 12. Dezember 1931 kann Berg berichten, Webern sei wieder halbwegs beisamm747. Doch 1933 erkrankt Weberns Tochter Amalie schwer und wird in den folgenden Jahren mehrfach operiert. So veranlasst Heinrich Jalowetz zu Weberns 50. Geburtstag eine Geldsammlung unter den Freunden. Bei Webern bleibt einem wenigstens der teuflische Trost, daß es ihm nicht schlechter gehen k a n n , 748 schreibt Berg Ende November an Adorno. Am 9. Mai 1933 fordert Joseph Haas, Professor an der Münchener Akademie der Tonkunst, Berg im Namen des Vereins auf, „angesichts der musikpolitischen Situation in Deutsch-

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land“ sein Amt niederzulegen. „Sie, verehrter Herr Berg, sind der Exponent einer künstlerischen Richtung, die von der deutschen nationalen Bewegung aufs schärfste bekämpft wird. Der Vorstand achtet Ihre künstlerische Überzeugung, erkennt aber keine Möglichkeit mehr, wie Sie in Zukunft im Musikausschuß [...] wirken könnten.“ Berg antwortet verbindlich, er könne den offiziellen Standpunkt des ADMVs vollauf verstehen, erinnert an die gemeinsame Arbeit im Interesse der Musik, kann es aber nicht unterlassen, zu erwähnen, dass er keinen Tropfen jüdischen Blutes in sich habe, was mit seinem zwei Jahrhunderte zurückreichenden Stammbaum zu beweisen sei; dass er sich politisch nie betätigt habe und zu 5/8 reichsdeutscher, zu 3/8 deutschösterreichischer Abstammung sei.749 Diese Kunstfahrten liegen mir nicht mehr, hatte Berg seiner Frau im Februar 1932 geschrieben.750 Um seine Weinarie unter Weberns Leitung zu hören, fuhr er im Juni 1932 zum Wiener Musikfest der IGNM. Anton Webern, der von 1933 an Präsident der Wiener Sektion wurde, dirigierte das Konzert, das der Rundfunk übertrug, im großen Musikvereinssaal. Aus dem Programm genommen hatte man Schönbergs Chor „Friede auf Erden“ op. 13, Schönberg erlaubte die Aufführung nicht, weil er ja mit dem Präsidenten Edward Dent zerstritten war. Vom 30. April bis zum 4. Mai 1933 veranstaltet die IGNM einen internationalen Kongress in Florenz, zu dem Berg als Ehrengast eingeladen ist. Obwohl von ihm nichts aufgeführt wird, tritt er, gemeinsam mit Egon Wellesz, die strapaziöse zehnstündige Reise an. Etwas später trifft er auch Reich und Křenek. Für Fahrten dritter Klasse gibt es keine direkten Züge nach Florenz, das bedeutet mehrmaliges Umsteigen in ungeheizte Waggons, Überfüllung, Kampf um einen Sitzplatz – weshalb mutet er sich das zu? Ich versteh gar nicht, was ich da unten in Italien suche, schreibt er an Helene. Auf die Heimreise f ü r c h t ich mich.751 Aber er logiert im hochvornehmen Savoy Hotel, die Reisekosten übernimmt die IGNM, das Essen ist herrlich u. interessant. Reich erzählt, wie Berg „mit geradezu kindlicher Wißbegierde alle ihm unbekannten Gerichte der italienischen Speisekarten durchprobierte“ und unermüdlich bei seinen „kulinarischen Forschun-

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gen“ war.752 Die Italiener feiern den „Maggio Musicale Fiorentino“ mit Blaskapellen, Fahnen, Festumzügen und Empfängen. Alte Bekannte trifft Berg dort: Madelaine und Darius Milhaud, Anna und Gian Francesco Malipiero, Béla Bartók, Zoltán Kodály, Albert Roussel, Ernst Toch, Hans Rosbaud und die beiden Kritiker Paul Bekker und Alfred Einstein. Das Ehepaar Strauss mit Sohn, den die Bergs unter sich das Kalb von Lerchenau753 nennen, ist selbstverständlich auch angereist. Im Unterschied zu Wellesz und Reich versteht Berg kaum Italienisch, und es strengt ihn an, dass auf dem Kongress nur englisch und französisch gesprochen wird. Bei langweiligen Sitzungen vertreibt er sich die Zeit damit, Karikaturen der Redner zu zeichnen. Er entwirft auch gerne erotische Skizzen oder komische Selbstporträts, eines zeigt ihn, auf einem Violinschlüssel kauend.754 Schöne Musik gibt es zu hören, von Beethoven, Wagner und Debussy, doch „Iberia“,755 schon 1910 uraufgeführt, wird hier ausgepfiffen. Italien, dessen Urinstinkt der Lärm (das Geräusch) sei, könne in der Musik nicht so weit sein wie Österreich, dessen Urinstinkt die Melodie sei, glaubt Berg. Musik von Strauss werde hier gerade erst entdeckt.756 Im September 1934 reisen Alban und Helene nach Venedig, wo sie acht Tage in der „Casa Mahler“ wohnen, einem Palazzo mit Garten nicht weit vom Canal Grande, den Alma Mahler seit 1922 besaß. Für die diesjährige Biennale hat Berg als Mitglied des Ehrenkomitees die Aufführung der Lyrischen Suite und der Bruchstücke aus dem Wozzeck vorgeschlagen – vergeblich, die Werke sind politisch nicht erwünscht. Selbst sein Name ist aus dem Programm entfernt worden. Erst nach dem Protest der italienischen Kollegen gelangt er wieder auf die Komiteeliste, und Alfredo Casella setzt wenigstens eine Aufführung der Weinarie durch. Aber diese italienische Premiere selbst zu dirigieren, traut Berg sich nicht zu: Sie würde – stünde ich am Pult – zu einer Katastrophe werden.757 Er überlässt die Leitung Hermann Scherchen. Die Fahrt zur Biennale ist Bergs letzte Auslandsreise. Ein Jahr später, als George Szell die Lyrische Suite während des Mu-

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sikfestes in Prag758 dirigierte, war Berg schon zu krank, um sein Werk zu hören.

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Glückwünsche zum Akademiker Er lebe seit 40 Jahren inkognito in Wien, schrieb Berg 1927 an die RAVAG, die Radio-Verkehrs AG.759 Am 13. April 1923, nach Vertragsabschluss mit der Universal Edition, hatte er seiner Frau noch prophezeit: Jedenfalls wird meine Karriere, die 15 Jahre stillstand, jetzt mit Riesenschritten vorwärts gehen.760 Doch erst 1925, seit der Uraufführung des Wozzeck, war sein Name bekannt geworden. Da war er vierzig. Den Erfolg kommentierte er skeptisch: Im großen und ganzen hat man in Wien natürlich andere Sorgen, als einen ‚modernen‘ Komponisten durch eine Aufführung größenwahnsinnig zu machen. Man kastelt diese Sorte von Leuten in ein Fach ein und so gelte also beispielsweise ich als ‚Atonaler‘.761 Dennoch, der lang entbehrte öffentliche Erfolg ließ sich gelegentlich wie eine Visitenkarte nutzen. Als er 1932 wegen des Hauskaufs in Auen mit dem Makler verhandelte, schrieb er, man möge bedenken, dass die Behörden es nicht mit irgend einem obscuren Geschäftsmann zu tun hätten, sondern mit einem Künstler v. Weltruf dessen Werke nicht weniger in Amerika gespielt würden als etwa von der Staatsoper von Berlin u. Wien.762 Vor Selbstüberschätzung bewahrte ihn sein Misstrauen gegen das eigene Können, seine Neigung, eigene Unzulänglichkeiten überzubewerten. Wenn er sich mit Kollegen verglich, musste er sich unterlegen fühlen. Die meisten hatten eine feste Anstellung, in der Regel als Dirigent. Der fünfzehn Jahre jüngere Křenek war Intendant am Wiesbadener Staatstheater, der „kleine Korngold“ hatte schon seit 1927 eine Professur an der Wiener Akademie, Paul Hindemith, zehn Jahre jünger als Berg, galt als einer der bedeutendsten Bratscher seiner Zeit, unternahm mit dem Amar-Quartett Konzertreisen durch ganz Europa und war gerade, mit 31 Jahren, zum Professor an der Berliner Hochschule für Musik ernannt worden. Dr. Egon Wellesz, angesehener Experte für byzantinische Musik, war Dozent am Wiener Konservatorium, bevor er 1929 außerordentlicher Professor an der Wiener Universtät wurde. Und Franz Schreker, mit tausend

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Aufführungen der erfolgreichste Opernkomponist in Österreich, war überdies Direktor der Berliner Hochschule für Musik. Alban Berg aber lebte, abgesehen von Verlagshonoraren, vom Privatunterricht. Schreker hat ihm im Januar 1925 die Stelle eines außerordentlichen Hochschullehrers für Musiktheorie an der Berliner Musikhochschule angeboten. Berg zögert, kann sich zu einem Umzug nicht entschließen. In seinem Antwortbrief vom 9. Februar, seinem Geburtstag, steht: Ihr Antrag hat mich nicht nur in höchstem Maß geehrt, sondern bedeutet mir auch ein so großes Zeichen Ihres Vertrauens, ja ich wage zu sagen: der Freundschaft –, daß das allein genügt, die jahrzehntelange Zurücksetzung u. Nichtbeachtung seitens der Mitwelt gut zu machen. [Sie müssen bedenken Herr Direktor, daß ich gerade heute 40 Jahre alt bin, 15 Jahre unterrichte u. dies der a l l e r e r s t e Antrag auf eine Lehrstelle ja eine Stelle überhaupt ist!]763 Im Januar 1930 erfährt er aus der Zeitung, dass er auswärtiges Mitglied der Preußischen Akademie der Künste geworden ist, Schönberg hatte den Antrag gestellt. Für Weberns Glückwünsche zum „Akademiker“764 bedankt er sich, fügt aber hinzu: Eine Berufung ist damit nicht verbunden.765 Es sei kaum zu begreifen, schreibt er 1931 an Schönberg, der ja seit 1925 eine Meisterklasse an der Berliner Akademie der Künste leitet, dass die Wiener Akademie weder Schönberg noch Webern bisher eine Professur angeboten habe.766 Sich selbst erwähnt er nicht, obwohl er sich die Berufung wünscht. Damit wäre er endlich finanziell abgesichert. Doch am 15. Mai 1933 steht eine Carrière-Meldung in seinem Brief an Helene. Während einer Einladung zum Essen bei Wellesz habe ihn Hindemith gefragt, ob er nicht an die Berliner Hochschule kommen wolle, es gebe zwei Vakanzen. Das wäre ein kolossaler Erfolg für mich [...] und etwas zum Ausspielen gegen die Wiener Regierung. Hindemith sei der einzige ernstzunehmende Komponist an der Hochschule und von bedeutendem Einfluß.767 Am nächsten Tag berichtet er seiner Frau, er habe bei einem Treffen mit den Hindemiths noch einmal etwas für seine Carrière getan: Ich sprach mich wieder ganz gut mit ihm u. nun

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werden wir ja sehen!!! Übrigens habe der Berliner Kritiker Heinrich Strobel sich ganz intensiv bei Reich erkundigt, ob Berg auch bestimmt g a n z reinrassig sei. Die Strobels und die Hindemiths seien die besten Freunde!768 Bergs Hoffnung erwies sich als trügerisch. Kurze Zeit danach wurden Hindemiths Werke als „kulturbolschewistisch“ gebrandmarkt und aus den Programmen entfernt, 1935 verlor er sein Amt an der Hochschule. Als Alban Berg 1935, er ist gerade fünfzig geworden, vom österreichischen Bundesministerium für Unterricht und Kultur der Professorentitel angeboten wird, lehnt er ab. Er sei von Tausenden von Musikern, darunter Orchestermusiker, Klavierlehrerinnen, ausgediente Sänger, musikschriftstellernde Journalisten, ungefähr der letzte, der zum Professor ernannt werden solle. Die Verleihung des Titels wäre vor 20 Jahren ehrenvoll gewesen, vor 10 Jahren die Erfüllung einer Pflicht – heute aber sei sie fast eine Ehrenbeleidigung.769

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Fort in das leuchtende All Der Wein /Le Vin. Konzertarie mit Orchester Im März 1928, während eines Privatkonzerts im Pariser Salon Jeanne Dubost, wo das Kolisch-Quartett die Lyrische Suite aufführt, lernt Berg die Sängerin Růžena Herlinger kennen. Sie singt seine vier Lieder op. 2 sowie Maries Wiegenlied aus dem Wozzeck, Berg beleitet sie am Klavier. Ihr Mann, Dr. Alfred Herlinger, gehört zu den Förderern der IGNM, auch Růženas Interesse gilt besonders der modernen Musik; mehrfach hat sie Lieder von Webern in ihre Konzertprogramme aufgenommen. Im nächsten Jahr, Ende März, fragt sie Berg, ob er nicht eine große Arie für sie komponieren wolle. Berg hat gerade seine Oper Lulu begonnen, mit der Angst, die ihn vor jeder neuen Arbeit befällt. Der schwierigste aller Sprünge sei der in den Komponier-Anfang, schrieb er einmal an Webern.770 Wegen vielfacher Probleme und wiederholter Unterbrechungen hat es bisher auch nur sehr langsame Fortschritte gegeben. Nun müsste er diese Arbeit wieder zurückstellen. Allerdings ist der Auftrag verlockend, für die Arie bietet Frau Herlinger 5.000 Schilling an, beinahe soviel wie sein Honorar vom Verlag für neun Monate. Also beginnt er Ende Mai 1929 auf dem Berghof mit der Komposition und kann sie schon am 23. Juli abschließen. Einen Monat später vertraut er Webern an, Frau Herlinger rühre sich seit Wochen nicht: tiefstes Schweigen und demzufolge auch keine Erwähnung wegen des Honorars. Und noch am 20. September hört er vom Honorar kein Wort771, bis Frau Herlinger endlich, nachdem sich Hertzka eingeschaltet hat, Ende des Monats die dringend benötigten 5.000 Schilling überweist. Aus dem Zyklus „Der Wein“ in Baudelaires „Blumen des Bösen“772 – Berg besitzt den Band in der Übersetzung von Stefan George – wählt er drei Gedichte aus: „Die Seele des Weines“, „Der Wein der Liebenden“ und „Der Wein des Einsamen“. Er vertont sie zäsurlos als dreiteilige Liedform mit

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variierter Reprise. Kompositionstechnisch stellen sich ähnliche Probleme wie danach in Lulu: die Behandlung der Sängerpartie (am liebsten wäre ihm ein Tenor) innerhalb des großen Orchesters, die Verbindung tonaler Wirkungen mit der Reihentechnik, die Isolation einzelner Klänge aus der Zwölftonreihe, die Integration von Jazzelementen.773 Schon nach zwei Monaten ist die Arie im Particell fertig, einen Monat später auch die Reinschrift der Partitur. Baudelaires Verse, die Flucht vor dem ennui in den Rausch, berühren Bergs eigene Situation, die Qualen tiefster Einsamkeit774 seit der Trennung von Hanna Fuchs, die Sehnsucht nach dem Rausch; er fühlt, wie es abwärts geht mit ihm – in jeder Hinsicht –,775 sucht das Gefühl mit Alkohol zu betäuben. Sehr langsam, in dumpfer Tiefe beginnt die Orchestereinleitung. Ein auf engem Raum kreisendes Ostinato im Kontrafagott begleitet das zaghafte Motiv des Altsaxophons, ein Gefangensein in grübelnder Melancholie. Trotz enger Bindung an die gewählte Zwölftonreihe gelingen immer wieder Ausdruckswechsel: Den Gesang des Weins, ein Lied von Licht und Bruderliebe, begleiten aufsteigende Skalen; Tritoni in unterschiedlichen Lagen und Instrumenten kennzeichnen die narkotisierende Wirkung, besonders im geheimnisvollen Tremolo von vier gedämpften Blechbläsern und den flüchtigen Arpeggien in Harfe und Klavier. In fließendem Übergang leiten acht Takte ganz andersartiger Musik die vierte Strophe ein. Im Tempo di Tango spielt das Klavier, später das Saxophon, synkopierte Sexten, Jazz-Dämpfer färben den Klang der Trompete und der Posaune, Streicherpizzikati begleiten in der Art des Banjos. Mit den jazzartigen Elementen moderner Unterhaltungsmusik ist der Sonntagsang charakterisiert, der gemeinsam mit dem Weingenuss die Leute lebensfroh stimmt. Eine Geselligkeit, in der das Ich einsam bleibt. Der Mittelteil, Der Wein der Liebenden, bildet das Zentrum des Werks. 776 Darin spricht das Ich vom Flug in der Träume Land, vom Rausch. Der durchsichtige Orchestersatz mit nur angedeutetem Bass in schwebendem 6/4 Takt, die flirrenden Triller der hohen Klarinetten und Violinen, die Tritoni des Glo-

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ckenspiels suggerieren Schwerelosigkeit, während punktierte Rhythmen der Streicher (im pizzikato) und des Triangels den Ritt in den Feenhimmel begleiten. Schwebend, losgelöst von allem Schweren, bewegt sich der Gesang (ohne Betonung) in weitgreifenden Melodiebögen, wobei sich die Töne eines Instruments im anderen fortsetzen, in verschiedenen Stimmen taucht immer wieder der dem Fieberschauer zugehörige Tritonus auf. Mit dem Vers Fort in das leuchtende All! bewegen sich alle Stimmen aufwärts, Tempo und Klangvolumen steigern sich allmählich, die Violinen gewinnen immer mehr Höhe, bis der Gipfel c4 erreicht ist. Nun wiegt sich der Gesang auf dem Flügel des Windes, dessen sanfte Bewegung die fallenden Sexten der Flöten und Violinen spüren lassen. Über die folgenden Takte schreibt Berg an Hanna Fuchs: Wen anders geht es an als Dich, Hanna, wenn ich (im „Wein der Liebenden“) sage: „Laß Schwester uns Brust an Brust fliehn ohne Rast und Stand In meiner Träume Land“...und diese Worte im leisesten Zusammenklang von H- und F-dur verklingen!777 Zur geheimen Botschaft des lang angehaltenen Akkords (T. 141) mit Hannas Initialen gehören die des eigenen Namens in den beiden vorausgehenden Tönen B-A der tiefen Celli. Von hier an verläuft die Musik des Mittelteils rückläufig, als Krebs, führt aus dem Traumland zurück in die Einsamkeit und die schalen Genüsse der Vergnügungswelt. Im Sonett Der Wein des Einsamen, der Reprise, kehren musikalische Elemente des ersten Teils wieder, die Pizzikatoakkorde der Tangomusik klingen in der Coda nach, tauchen den emphatischen Lobgesangs auf den Wein, Der uns zu Helden macht und gottverwandt, in ein Zwielicht. Die Zwölftonreihe, nun durch versetzte Lagen in weiten Intervallen, schwingt sich kanonartig in mehreren Stimmen auf bis zum Gipfelton ais3 im fortissimo. Wenn der Kontrabass mit der Umkehrung der Reihe einsetzt, holt er den Beginn in die Erinnerung zurück (T. 8ff.), bevor der Schlussakkord erklingt, ein Septakkord778 auf dem tiefen D des ersten Taktes, der unaufgelöst bleibt.

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Der blaue Vogel Auf der Bildpostkarte, die Soma Morgenstern Anfang September 1930 von Berg erhielt, war ein Cabriolet mit hellem Verdeck zu sehen. Anbei unser 40 PS-Ford-Wagerl geschlossen. Es ist v o l l s t ä n d i g zu öffnen. Hinten sind zwei sehr bequeme Notsitze oder Platz für viel Gepäck, erläuterte Berg und fügte hinzu: Wir fahren täglich aus!779 Den blauen Wagen mit einem Hubraum von 3,3 Litern und einer Höchstgeschwindigkeit von 104 km/h finanzierte er mit Hilfe seines Guthabens bei Borgfeldt,780 zudem hatte Alma Mahler einen Beitrag „fürs Auterl“ geschickt. Die vorgeschriebene Fahrprüfung absolvierte er vorsichtshalber nicht in Wien, sondern auf dem Land, in Perchtoldsdorf, und im nächsten Jahr machte auch Helene die „Autoprüfung“. Zur Ausrüstung gehörten selbstverständlich Cabriokappe und -brille. Mitte August holten Berg und seine Frau den Wagen A30–576781 in Wien ab, Helene erzählte Alma Mahler davon: „Wir fuhren mit unserm endlich errungenen Auto her [zum Berghof] u. kamen (bis auf einen umgestoßenen Zaun u. ein ‚gerammtes‘ Italienisches Auto – mit einigen Schrammen an unserm Wagerl) jedenfalls lebend hier an. Es ist ein wunderbar laufendes, vornehmes Auterl, das überall Aufsehen erregt. Alban s t r a h l t u. täglich um 5 h wird losgefahren.“782 Berg war verliebt in seinen Ford, den blauen Vogel, das Mopperl, „eine merkwürdige Art von Haustier“, wie Adorno feststellte.783 An die Freunde verschickte er Fotos des Cabriolets, an dessen beiden Türen er die Initialen AHB hatte anbringen lassen. Sogar die weite Strecke zur Wozzeck-Aufführung in Leipzig fuhr er im Cabrio, am liebsten würde er nur noch mit dem Auto reisen. Während einer Zugfahrt nach Brüssel schaute er immer ganz verzückt auf die schönen Reichsstraßen neben der Bahn.784 Manchmal kam es zu kleineren Unfällen, einmal aber erfasste das Auto einen Bauern – ein Schock für den Fahrer, wenn auch nach einem längeren Verfahren Bergs Unschuld festgestellt wurde. Der alte Mann, der plötzlich über die Straße gerannt war, hatte nur

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ein paar äußere Verletzungen davongetragen.785 Seine Leidenschaft fürs Autofahren fand Berg selbst ein wenig komisch. Ich sitz natürlich immer vorn beim Chauffeur und „belehre“ ihn, berichtete er von einer Fahrt im Wagen eines Freundes. Aus Villach schrieb er Helene von der Aussicht, bald, vielleicht über den steilen Radlpass, an der Seite des Goldchens im 25 km Tempo auf der Landstraße dahin zu rasen.786 Da das Öffnen und Schließen des Verdecks umständlich war, konnte man leicht vom Regen überrascht werden. Über eine Fahrt von Grinzing nach Wien erzählte Berg: Kaum am Weg von Grinzing weg, begann ein Wolkenbruch mit Donner u. Hagel, wie ich ihn im Auto noch nie erlebte. Hindemith am Nothsitz war in 2 Sekunden eine gebadte Maus. Durch die Menschenleeren Straßen raste ich zur Stadt, wie mitten im Meeressturm, keine Möglichkeit zu halten, umzusteigen – die einzige Möglichkeit – – zu lachen und immer zu lachen bis wir w o h l b e h a l t e n ankamen.787 Im Sommer 1931 war er jeden Tag mit dem Auto unterwegs, so dass er kaum zum Arbeiten kam. An Webern schrieb er: Die Berge lenken von der Arbeit ab! Vorgestern war ich am Glocknerhaus u. der Eindruck war so gewaltig, daß ich gar nicht arbeiten kann. [...] In 14 Stunden waren wir in Heiligenblut – u. dann hinauf! Ich sage Dir: so was Herrliches hab‘ ich noch nie erlebt. [...] Ich glaub‘, ich werde gleich wieder dahin fahren. Ich denke an nichts anderes ... u. die Arbeit stockt.788

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Ein Wunder erzwingen Zu Beginn des Jahres 1932 sind die bevorstehenden Erschütterungen noch nicht zu ahnen. Im Januar hat Berg die Wiener Philharmoniker mit den drei Sätzen (II, III und IV) aus seiner Lyrischen Suite in der Fassung für Streichorchester hören können, zwei Wochen später feiert er mit Helene seinen 47. Geburtstag in München, danach fahren beide zur Kur nach Hofgastein. Als er von dort aus am 22. Februar die Reise nach Brüssel antritt – allein, denn Helene muss sich nach dem Verkauf ihres Elternhauses um die Unterbringung ihres kranken Bruders kümmern –, kann er sich auf die Premiere des Wozzeck im Théâtre de la Monnaie freuen, die erste Aufführung in französischer Sprache. Er wohnt im Hôtel de Bordeaux. Komisch: in einem andern Land = eine neue Welt: alles ist anders: die Landschaft, die Städte, die Menschen, die Luft vor allem, schreibt er an Helene. Überhaupt erinnert es [Brüssel] ungemein an Paris: die unbeschreibliche Fülle von Brasserien, Café, Kinos, Cabaretts, das Nachtleben, das Straßenbild, das Rasen der Taxi.789 Hier gibt’s diese französische Hors d’œuvre Sitte, das ist was für mich! Um 3 Schilling kann man sich an 10erlei Herrlichkeiten s a t t e s s e n . 790 Von der Premiere am 29. Februar berichtet er Schönberg, die Schlacht sei siegreich aber nicht ohne Widerspruch geschlagen.791 Das Ehepaar Milhaud sei eigens zum Wozzeck gekommen. Es war sehr festlich, schreibt er an Helene. 6 Vorhänge am Schluß, als ich erschien großer Jubel [...]. Allerdings auch Widerspruch, was aber als sehr günstig bezeichnet wird.792 Am Tag darauf spielt das Orchester Pro Arte das Kammerkonzert mit Paul Collaer am Klavier. Häufig ist er nun nach Konzerten zusammen mit Collaer und dessen Freunden, dem Ehepaar Askenase, zuweilen mit den Milhauds. Der Pianist Stefan Askenase793 hatte ihn sogar eingeladen, in Brüssel bei ihm zu übernachten; Berg lernt ihn als einen lieben, klugen und feinen Menschen794 kennen. Seine Frau Anny, sehr jung, sehr schön, bewundert den prominenten Komponisten. Schon am ersten

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Abend mit den Freunden geschieht das, was Berg später immer wieder ein Wunder nennt. Deine plötzliche Annäherung in der Bar, wo ja nichts vorausgegangen war, nicht von Deiner u. nicht von meiner Seite, und plötzlich mit einem Schlag völlige Klarheit darüber eintrat, daß wir uns seit jeher lieben – s o lieben, wie man nur lieben kann,795 schreibt Berg an Anny Askenase. Wenn sie einander auch kaum einmal allein sehen können, oft vergeblich warten, auch wissen, wie aussichtslos ihre Beziehung ist, beschwört Berg immer wieder dieses neue Gefühl: unsere große heilige Liebe.796 Helene gegenüber beschreibt er die Askenases als ganz kommode Menschen, an die er sich schon faute de mieux ganz gut gewöhnt habe. Und was die Frau betrifft: Ich habe in den letzten 10 Jahren noch kaum eine gesehn, die sich so wenig aus mir (u. meiner „Berühmtheit“) macht.797 Inständig bittet er Helene, doch zur Wozzeck-Premiere zu kommen, erwartet ihr Telegramm dann unbeschreiblich nervös, ist endlich beruhigt, als sie absagt. Nach dem Abschied von Anny auf dem Brüsseler Bahnhof will der Trennungsschmerz nicht vergehen, doch trotz aller Qualen und Schmerzen, ja Todesgedanken spürt er eine ungeahnte Erhöhung seines Lebensgefühls.798 Fast täglich schreibt er ihr, erinnert an gemeinsame Augenblicke: Ich klammere mich an diese Erinnerung. Sonst könnte ich mir über die Qual dieser Tage gar nicht hinweghelfen.799 Und er gesteht: Während ich Dir schreibe, würgt’s mich im Hals, daß mir die Thränen nur so fließen u. ich kaum das Geschriebene sehe.800 Die Schwierigkeit des Briefverkehrs – sie schreiben postlagernd, oder sein Schüler Julius Schloß besorgt die Briefe – führt zu Missverständnissen, vergeblichem Warten, Zweifel und Bössein. Anny ist 19 Jahre jünger, mein liebes Kindchen nennt er sie. Über ein flüchtiges Abenteuer geht seine große heilige Liebe hinaus.801 Obwohl er vor wahnwitzigem Begehren nach M e h r , nach A l l e m , fast vergeht,802 beginnt er zu resignieren. Ein Wiedersehen auf dem Berghof oder in Kärnten wäre nur in Helenes Gegenwart denkbar, die jetzt erst recht jeden ihrer Blicke überwachen, u. ein anderes als o f f e n geführtes Gespräch [...] nicht zulassen würde. So gehöre die Möglichkeit einer ungestörten Begegnung in den Be-

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reich des W u n d e r s , eines Wunders, das ihre Liebe e r z w i n g e n müßte.803 Im Mai kommt es in Alma Mahlers Wiener Stadtvilla auf der Hohen Warte zu einem überraschenden Wiedersehen mit Hanna Fuchs. Erst Monate später wagt er ihr angesichts seines verpfuschten Lebens zu schreiben.804 Im Juni fährt er nach Zürich zur Generalversammlung des ADMV, wo er während einer Gesellschaft die Schauspielerin Edith Edwards kennenlernt, die am Züricher Theater arbeitet.805 Sie ist in Stücken von Strindberg und Wedekind aufgetreten und durch den UFA-Film „Das gestohlene Gesicht“ allgemein bekannt geworden; Fotos zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit Marlene Dietrich, der femme fatale im „Blauen Engel“.806 Verschwenderisch in seiner Liebe, aus ungestillter Sehnsucht nach Glück, vielleicht aus Angst, „das Leben zu versäumen“807, beginnt Berg auch mit Edith Edwards eine Affäre, in der wiederum Julius Schloß die Rolle des Vermittlers übernimmt. Eine Gelegenheit, Anny Askenase zu treffen, ergäbe sich kurz danach beim Wiener Musikfest. Aber anders als in Brüssel müsste Berg sich nun, in Gesellschaft Weberns, Steuermanns, der Herlingers, seiner Frau, reserviert geben, einen nonchalanten, ja lustigen Ton anschlagen, während ihm Liebesworte auf den Lippen [...] brennen.808 Anny kommt nicht. Er fürchtet, bei ihr entstehe allmählich der Eindruck, dass er sie „hinhalte“, und deutet eine vage Hoffnung auf ein Wiedersehen um die Monatswende August-September an. Ist ein solcher Augenblick eingetreten, so will ich (das beschwöre ich Dich, auch zu glauben:) heiß werbend an Dich herantreten – u. ich traue mir zu, Dich wieder zu erobern. Inzwischen wird er in Kärnten intensiv an seiner Oper arbeiten: Ich will mich in meine Arbeit so tief vergraben wie noch nie: es soll mir über die trostlose Einsamkeit u. Aussichtslosigkeit dieses Sommers hinweg helfen.809 Ein Sommer, in dem Berg vom Pech verfolgt scheint. Er muss sich zwei Zähne ziehen lassen, bekommt eine Grippe, die ihn ans Bett fesselt. Dann wird er von einem Wespenschwarm

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überfallen und mehr als zwanzigmal gestochen, so dass er acht Tage krank ist. Zu allem Unglück kommt es Ende August durch eine Unvorsichtigkeit der Hausgehilfin in der Küche auf dem Berghof zu einer Spiritusexplosion, bei der Helene sich Brandverletzungen an der Hand und im Gesicht zuzieht. Sie habe große offene Brandflecken an Stirn Wange u. Nase; Augen u. Mund seien geschwollen u. entzündet, Wimpern und Haare rund um den Kopf versengt, berichtet Berg Anton Webern.810 Es könne Wochen, ja vielleicht Monate dauern, bis sie wieder ganz hergestellt sein werde, vermutet er.811 Ende Oktober kehren sie nach Wien zurück, von dort schreibt er an Anny: Ärgeres hätte unserm Liebesglück – das ohnehin im Argen lag seit unserer fürchterlichen Trennung am Brüsseler Bahnhof – nicht passieren können als das Unglück mit meiner Frau in diesem ohnehin schon schauderhaften Sommer. Der letzte Grad von Freiheit, der mir in meiner Ehe noch geblieben war [Du weißt, wie gering dieser Grad war!], ist mit jener Katastrophe v ö l l i g geschwunden. Seit diesen 2 Monaten existiere ich wohl noch als ein an das Schicksal meiner Frau verkettetes Wesen, i c h s e l b s t aber l e b e n i c h t mehr. Alles, alles ist verschüttet: Ich kann nicht arbeiten, alles mit Existenzfragen zusammenhängendes ist mir ganz gleichgültig, die Menschen hasse ich – – und m i c h dazu, der wert wäre umgebracht zu werden. [...] Daß ich immer noch an ein Wunder glaube, hält mich am Leben [wenn man d a s : „Leben“ nennen kann!]812 Es ist eine Schande so zu leben u. von Rechtswegen müßte ich Schluß machen.813 Dennoch hofft er auf gemeinsame Tage im nächsten Frühling. Als Anny Askenase sich tatsächlich Ende März 1933 in Wien aufhält, arrangiert Berg ein Zusammentreffen in einer gemischten Gesellschaft zu Hause in Hietzing, eingeladen sind außer Anny das Ehepaar Morgenstern und ein weiterer Gast, vielleicht Annys Bruder Dr. Otto Lifczis.814 Ich habe ja gar nicht geahnt, wie glücklich man sein kann. Ich hatte das Glück, in Deiner Nähe zu sein, ja ganz vergessen und damit – ich muß es gestehen: – fast auch Dich, schreibt er ihr später. Beim Wiedersehen spürt er Annys Enttäuschung. Er ist älter und müder geworden, hat Augenringe und tiefe Falten. Wie ich mich im Vorzimmer

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zufällig neben Dir im Spiegel sah, erschrak ich förmlich über meinen eigenen Anblick. Wie muß es Dir erst ergehen, die Du ihn ja nicht so g e w o h n t bist, wie ich?!815 Edith Edwards trifft er noch einmal im Sommer: sechsunddreißig Stunden Glück, zum letzten Mal ein erzwungenes Wunder.

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Da wohnt das Glück Auf einem kleinen bewaldeten Hügel am Südufer des Wörthersees steht das Waldhaus, in dem Berg, mit kurzen Unterbrechungen, die letzten drei Jahre seines Lebens gewohnt und gearbeitet hat. Das 12.000 m2 große Grundstück, zu dem auch vier Parzellen Wald gehören, liege, schreibt er an Schönberg, ungestört von Nachbarn und im Unterschied zu Trahütten weit genug von den mondänen Plätzen und dennoch in einer zivilisierten Gegend, zudem sei die unterhalb des Grundstücks am See entlang führende Landstraße in einem s e h r guten Zustand, was dem Ford-Cabrio wohl tun werde.816 Das Haus ist im typischen Stil dieser Gegend gebaut, Balkon und Fensterrahmen aus dunklem Holz mit grünen Fensterläden heben sich von den hellen Mauern ab. Wie die verblasste Inschrift „Waldhaus am See“ erkennen lässt, war es zuvor eine Pension; da die Eigentümer, Gustav und Hilde Christianus, in Konkurs gegangen sind, wird es am 7. November 1932 in Klagenfurt zwangsversteigert. Berg lässt sich von seinem Wiener Anwalt, Dr. Karl Lifczis, beraten, und auch Karl Witek, der Schwiegervater seines Neffen Erich Alban und Direktor der Villacher Filiale des Wiener Bankvereins, bietet ihm seine Hilfe an. Drei Tage vor der Versteigerung fährt Berg nach Klagenfurt, um in Begleitung seines Anwalts mit dem Makler zu verhandeln. Darüber berichtet er Helene und schickt ihr 1000 Hausbesitzerküsse. Und vor der Versteigerung schreibt er ihr: Herr Gott, wenn ich nur die richtige l e t z t e E n t s c h e i d u n g treffe! Halt’ die Daumen u. den Götzen!817 Außer dem Wildschweinzahn dient auch ein Hufeisen als Glücksbringer. Der Wert des Hauses wird zunächst auf 73.000, dann auf 42.000 Schilling geschätzt, da es aber in einem ziemlich verwahrlosten Zustand ist, kann Berg es sehr günstig für 31.500 Schilling ersteigern.818 An Helene schickt er eine Ansichtskarte vom Südufer des Wörthersees mit einem gemalten Pfeil in Richtung Waldhaus (in der Nähe von Velden), darunter steht: Da wohnt das Glück!819 Am Südufer, in Maiernigg, hatte

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auch Gustav Mahler sein Haus. Das milde Klima ist günstig für Asthmatiker, und Berg freut sich schon auf das tägliche Schwimmen im Sommer. Im November kümmert sich Helene um den Verkauf der Villa Nahowski in Trahütten, sie ist entsetzt über den Schmutz und die Verwahrlosung, hat Ärger mit den Leberts, verhandelt aber für die Erbengemeinschaft (die Familien Berg und Lebert, Franzl Nahowski, Carola Heuduck820) und erzielt einen Verkaufspreis von 34.000 Schilling. Die Bergs brauchen ihren Anteil dringend, um das Waldhaus zu bezahlen. Am 30. Januar 1933 wird Hitler Reichskanzler, einen Monat später, in der Nacht zum 28. Februar, brennt in Berlin der Reichstag. Berg ist gerade in München bei einer Jury-Sitzung des ADMV. Seit Wochen werde hier die Nacht durchgetanzt (getrampelt), berichtet er seiner Frau. Die ganze Stadt sei vollständig in Faschingslärm u. Masken u. Confetti eingetaucht. Dazu die Nachricht vom Berliner Reichstagsgebäude. Ein Auf-dem-VulkanTanzen!!!821 Nachdem die Nationalsozialisten bei den Reichstagswahlen über 44 % der Stimmen erhalten haben, verkündet Hitler am 24. März das vom Reichstag beschlossene „Ermächtigungsgesetz“. In der Privatwohnung von Rita Kurzmann, einer Wiener Pianistin und Musikwissenschaftlerin, Sekretärin bei der IGNM, hält Anton Webern 1932/33 zwei Vortragsreihen über Neue Musik.822 Unter den Zuhörern sind gelegentlich auch Schönbergianer: Steuermann, Stein, Pisk, Polnauer, Křenek, Berg. Webern spricht „in jener feurigen und doch verhaltenen Art“823, die für ihn bezeichnend ist. Am 14. März 1933 beginnt er seinen Vortrag anders als üblich: „Das, was jetzt in Deutschland vorgeht, ist gleichbedeutend mit der Zerstörung des geistigen Lebens! [...] »Kulturbolschewismus« heißt heute alles, was um Schönberg, Berg und mich – auch um Křenek – herum ist. [...] Heute sind wir nicht weit davon, daß man ins Gefängnis kommt, weil man ein ernster Künstler ist. – Oder vielmehr: das ist ja schon geschehen! – Ich weiß nicht, was Hitler unter »Neuer Musik« versteht –, aber ich weiß, daß für diese Leute

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das, was wir als solche bezeichnen, ein Verbrechen ist. Der Moment ist nicht ferne, daß man eingesperrt wird, weil man solche Sachen schreibt. Zum mindesten ist man ausgeliefert, wirtschaftlich preisgegeben!“824 In der folgenden Zeit werden Juden und politisch nicht „Gleichgeschaltete“ in Deutschland aus dem Staatsdienst entfernt. Die Zensur unterdrückt politische Auseinandersetzungen, ein Konzert mit Werken des Sozialdemokraten Paul Pisk und des Kommunisten Hanns Eisler wird in keiner Zeitung erwähnt. Max von Schillings, Präsident der Berliner Akademie der Künste, seit dem 1. April 1933 Mitglied der NSDAP, ist erklärter Antisemit. Mit dem Etikett „rassefremd“ werden Werke jüdischer Komponisten aus den Programmen gestrichen. Franz Schreker, Direktor der Berliner Musikhochschule, wird, weil er Jude ist, zum Rücktritt vom Amt gezwungen, 1933 darf er auch die Meisterklasse für Komposition nicht mehr leiten. Im Jahr darauf stirbt er an einem Herzinfarkt. Verzweifelt über die politische Entwicklung, nimmt sich der Anwalt Rudolf Ploderer, ein enger Freund von Webern und Berg, Mitbegründer und Redakteur der Zeitschrift „23“, im September 1933 das Leben. Franz Werfel hatte schon 1929 die jüdische Glaubensgemeinschaft verlassen, weil Alma Mahler wegen der bevorstehenden Eheschließung825 darauf bestanden hatte, und als er noch im selben Jahr wieder zum mosaischen Glauben zurückkehrte, geschah das heimlich.826 Auch seine Werke fallen am 10. Mai 1933 der allgemeinen Bücherverbrennung zum Opfer. Adorno kommentiert diese Kulturpolitik 1935 in einem Brief an Berg: „Je mehr die Nazis außenpolitisch und wirtschaftlich nachgeben müssen, um so mehr verbeißen sie sich in die Kultursphäre als die einzige, in der sie sich ohne handgreifliche Folgen austoben können.“827 Auf den dringenden Rat seines Schwagers Rudolf Kolisch, nach einem Telegramm vom 16. Mai 1933, verlässt Schönberg schon am folgenden Tag Deutschland, bevor er eine Woche später offiziell „beurlaubt“ wird. Er ist 59 Jahre alt. Mit seiner Frau und der einjährigen Tochter fährt er zunächst nach Paris und kehrt

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dort am 24. Juli demonstrativ zur jüdischen Religionsgemeinschaft zurück; einer der beiden Zeugen der kleinen Zeremonie ist Marc Chagall. „Diese Handlung zeigt mir“, schreibt Morgenstern an Berg, „daß Du Schönberg mit Recht als einen großen Mann verehrst.“828 Den zunehmenden Antisemitismus hatte Schönberg schon 1911 durch einen feindseligen Nachbarn zu spüren bekommen, dessen Hetze ihn eine Zeitlang aus Wien vertrieb.829 Und als er 1921 den Sommerurlaub bei Verwandten in Mattsee verbrachte, sollte er durch Dokumente nachweisen, dass er kein Jude sei (er war damals Protestant). Der Gemeindeausschuss hatte davor gewarnt, Sommerwohnungen an Juden zu vermieten, da sonst der Ruf des Ortes „als judenreine Sommerfrische schwer geschädigt“ werde.830 An Kandinsky, dem er eine vermeintlich antisemitische Bemerkung nachtrug, schrieb er zwei Jahre später: „Was ich im letzten Jahre zu lernen gezwungen wurde, habe ich nun endlich kapiert und werde es nicht wieder vergessen. Daß ich nämlich kein Deutscher, kein Europäer, ja vielleicht kaum ein Mensch bin [...], sondern, daß ich Jude bin.“831 Noch am 22. und am 23. Januar 1933 hatte Berg Arnold Schönberg in Berlin besucht, die warme selbstverständliche Gastfreundschaft in seinem Haus erlebt und sich so glücklich gefühlt wie schon jahrelang nicht.832 Im Februar gab es noch einmal eine Reihe von Festtagen,833 als Schönberg in Wien einen Vortrag hielt und ein Wiedersehen mit Freunden und ehemaligen Schülern feierte. Berg sah ihn dort zum letzten Mal. Im Brief aus Paris vom 16. Oktober fragte ihn Schönberg, ob er etwas für ihn in Amerika ausrichten könne, und unterzeichnete wie fortan mit „Arnold Schoenberg“. Am 25. Oktober trat er mit seiner Familie die sechs Tage dauernde Überfahrt nach New York an, in Brookline, einem Vorort von Boston, bezogen sie eine Wohnung. Auf Grund des Arierparagraphen834 wird Theodor Adorno im September die venia legendi entzogen. Aber auch der „Jüdische Kulturbund“ verweigert ihm die Mitarbeit, weil er christlicher Konfession und nur „Halbjude“835 ist. Er bemüht sich um eine Lehrtätigkeit in England.

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Während der antisemitischen Hysterie gerät auch Berg, der Schönbergianer, in Verdacht. Als der Intendant der Breslauer Oper sich entgegen den vertraglichen Zusicherungen weigert, Wozzeck aufzuführen, versichert ihm Berg nachdrücklich, er sei weder Ausländer noch Jude, sei Mitglied der Preußischen Akademie der Künste und vor seiner Tätigkeit als Komponist kaiserlich königlich österreichischer Statthaltereibeamter gewesen; auch seine Frau sei arischer Herkunft. Dem Brief fügt er seinen Stammbaum bei.836 Es hilft alles nichts. Auch die nichtjüdischen Komponisten Webern, Křenek, Hindemith, dessen Frau jüdischer Abstammung ist, sind von der „Säuberung“ betroffen, die alles „Entartete“ ausmerzen soll. In Deutschland dürfen ihre Werke nicht mehr gespielt werden. Die Uraufführung von Křeneks Oper „Karl V.“, einem Kompositionsauftrag der Wiener Staatsoper von 1933, wird 1934 verboten. Selbst Arturo Toscanini und Sergej Koussevitzky ist es nicht mehr erlaubt, in Deutschland zu dirigieren. Das Verbot wird von der Reichsmusikkammer erlassen, deren Präsident, von Goebbels ernannt, seit dem 15. November Richard Strauss ist, Vizepräsident wird Wilhelm Furtwängler. Nachdem Erich Kleiber im Frühjahr mit ihm wegen der Uraufführung der Lulu in Berlin verhandelt hat, berichtet er Berg, Furtwängler habe „an höchster Stelle“ erklärt, Berg sei ein „Schmierfink“ und schreibe „Katzenmusik“.837 In einem Brief an Alban Berg begründet Furtwängler seine Ablehnung lediglich mit dem Libretto, das ihm bei der gegenwärtigen „Stimmung der Öffentlichkeit“ „ganz unmöglich“ erscheine.838 Weil er wegen seines internationalen Rufs über Einfluss verfügt, gelingt es ihm im März 1934 noch, Hindemiths Sinfonie „Mathis der Maler“ mit großem Erfolg in Berlin zur Uraufführung zu bringen; nachdem aber im Herbst die Aufführung der gleichnamigen Oper verboten worden ist, tritt Furtwängler am 4. Dezember von allen Ämtern zurück. Fast müsse man bedauern, kein Jude zu sein, findet Berg. Während viele bestrebt seien, das Unrecht an den Juden irgendwie gut zu machen, verliere niemand ein Wort darüber, daß den andern, wie etwa Hindemith od. Webern, das gleiche Unrecht geschieht.839 Das Gefühl der Benachteiligung führt bei Berg

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manchmal zu antijüdischen Ressentiments, zum Beispiel gegenüber den Erfolgen Bruno Walters: Wie der neuerstandene Heiland wurde er gefeiert und er machte das Gesicht des Gekreuzigten dazu! Ostentativ von den 99 Prozent Juden im Saal gefeiert und bejubelt!!!840 Anfang des Jahres 1933, während Franz Werfel in Santa Margherita Ligure an seinem historischen Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ über den Völkermord an den Armeniern arbeitet, beginnt Alma Mahler eine Affäre mit Johannes Hollnsteiner, einem katholischen Priester und Dozenten an der theologischen Fakultät der Universität Wien. „Holofernes“ nennen ihn Alban und Helene heimlich. Unter seinem Einfluss gibt Alma ihre judenfeindliche Einstellung offen zu erkennen. Und Helene Berg stimmt ihr gegenüber in das allgemeine Gerede von der „Mission“ Österreichs ein, beklagt den „Unglauben“ der Sozialisten, distanziert sich von einem früheren engen Freund, dem jüdischen Sozialdemokraten Julius Tandler, der seine Stelle als Universitätsprofessor verloren hat und in Haft genommen wurde. Noch drei Jahre zuvor hatte er sie bei Problemen mit ihrem Bruder beraten, nun bezeichnet sie ihn als „Ratte“: die Feigheit sei ja „eine jüdische Spezialität“.841 In der von Josef Hoffmann erbauten und eingerichteten palastartigen Villa Ast auf der Hohen Warte sind die Minister Anton Rintelen und Kurt Schuschnigg oft bei Alma Mahler zu Gast. Der damalige Unterrichtsminister Rintelen konspiriert schon 1933 mit den Nationalsozialisten, Schuschnigg wird 1934 Bundeskanzler. Durch den Verkehr in diesen Kreisen distanziert Berg sich immer mehr von der Sozialdemokratischen Partei, der lange Zeit seine Sympathie gegolten hat, auch weil sie die Musik der Wiener Schule förderte. Ein kolossaler Triumpf wäre eine Berufung durch die „Nazis“ an die Berliner Musikhochschule, glaubt er, da hätte er etwas zum Ausspielen gegen die Wiener Regierung.842 Aber die Einladung zu Rintelen passe ihm nicht, lässt er Helene wissen, zumal Alma Mahler ihn offenbar nur als Elefant843 mitnehme. Andrerseits scheinen ihm solche Zusammenkünfte aus Carrière-Gründen wichtig. Aber in diesen verdrehten Zeiten wird man ja ganz i r r u. glaubt, weiß Gott was

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Wichtiges versäumt zu haben, wenn man dem u. jenem nicht v o r g e s t e l l t ist, bei der oder jener Jause nicht war, eine S i t z u n g versäumt hat etc. etc.844 Im April beginnen die Renovierungsarbeiten am Waldhaus, es soll auch im Winter bewohnbar sein. Neben den monatlichen Zinsen für die Hypothek fallen nun noch Kosten für Handwerker und Baumaterial an, im Juli sind es 2.782,81 Schilling, die Berg exakt zwischen sich und seiner Frau aufteilt. Unter jener Rechnung steht, datiert und unterschrieben mit Alban Maria Johannes Berg: Die Hälfte, 1391,40, heute von Helene erhalten.845 Seine Einnahmen sind seit 1932, als er noch eine monatliche Rate von 1.000 Schilling vom Verlag erhielt, zurückgegangen. Da die Universal Edition in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist – viele der von ihr verlegten Komponisten dürfen in Deutschland nicht mehr aufgeführt werden –, beträgt die monatliche Zahlung 1933 nur noch 700 Schilling, im Oktober des Jahres wird sie ganz eingestellt.846 Nun muss der Vorschuss beglichen werden, zudem hat er seinem Bruder Charly 1932 mehr als 6.000 Schilling847 geliehen, die der nicht zurückzahlen kann. Es wird mir immer schwerer, schreibt er im November an Morgenstern, bis zur Vollendung der „Lulu“ u. der Aufführungseinnahme (Saison 1933/34) durchzuhalten u. die Schulden steigen so, daß die dann zu erwartenden Einnahmen auch schon längst aufgezehrt worden sein werden. [...] Ich hab‘ ja nicht e i n e Aufführung – auch nicht des kleinsten Liedes – in Deutschland u. somit entfallen wohl 9/10 meines Einkommens.848 In seiner Hietzinger Wohnung hält er noch bis in den Mai hinein Analysekurse über Werke von Schönberg. So fährt Helene Anfang April allein nach Auen, um die Arbeiten am Waldhaus zu überwachen. Im Souterrain wird neben Waschküche und Garage eine Hausmeisterwohnung eingerichtet, in die Rudolf Seidenader und seine Frau, die „Hausbesorger“, einziehen werden. Der Türrahmen ist verfault, die Garage braucht neue Tore, die Schornsteine sind defekt, das Dach muss instand gesetzt und Wasserrohre sollen neu verlegt werden. Helene vertritt den Bauführer, da der „Baumeister“ er-

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krankt ist und sein Sohn sich als unzuverlässig erweist: „Die Zimmerleute, Maurer, Kanalgräber kommen einfach zu mir.“849 Wasserrohre sollen nach innen verlegt werden. „Da weiß ich natürlich wieder keinen Preis“,850 schreibt sie ihrem Mann. Noch immer von den Spuren der Brandverletzungen gezeichnet, kämpft sie „wie ein Löwe“ gegen Unpünktlichkeit und Schlamperei – die Dachdecker haben ein Chaos hinterlassen –, Baumaterial und Gartenpflanzen werden gestohlen, und weiterhin gibt es weder Licht noch fließendes Wasser. Am 20. April hat es geschneit, und sie arbeitet den ganzen Tag im „eiskalten“ Haus. „Ich zitterte bis ¼ 2 h in meinem Bett, trotz Wärmeflasche u. sämtlicher Kleider die ich anbehielt“, berichtet sie. Heize in einem Zimmer des Waldhauses, wo Du Dich immer zurück ziehn kannst, rät Berg ihr und ahnt nicht, dass kein Ofen intakt ist. Nach ihrem kurzen Besuch in Hietzing schreibt er: Mit tiefer Verstimmung blieb ich auch heute zurück: daß Dir dieses Waldhaus hauptsächlich bisher fast nur Ärger, Mühe, Strapaz, Hatz usw. verursacht.851 Am liebsten würde er kommen und ihr helfen. „Du kannst n i c h t herkommen, Du wärst verzweifelt!“ warnt sie, „Du würdest alle Freude an dem Haus verlieren!!! [...] Diese Wüste darfst Du nicht sehen, Du wärst verzagt! Du sollst hier einziehen u. n u r F r e u d e haben, mein alter Floherl!“852 Sie sorgt sich um ihn: „Nicht zu starken Caffee, nicht zu viel Cognac u. nicht zu lang nachts lesen. Wenn in Wien Unruhen kommen sollten, nicht in die Stadt gehen.“853 „Bitte Floherl, lüfte abends immer alles gründlich, Du lebst in schrecklicher Luft bei der Heizung! [...] Bitte: mäßig Kaffee, Tee u. Alkohol!“854 Manchmal erinnert sie ihn auch daran, die „Sipperln“ zu füttern. Kanarienvögel und zahm gewordene Singvögel werden zu Lebensgefährten in einsamen Zeiten.855 Alle haben einen Namen, dürfen im Zimmer frei umherfliegen. Wuki-Waugi geht’s glänzend: aber die Wohnung ist ihm zu klein! schreibt er Helene, oder: Mit Sprinzerl gefrühstückt, ein andermal zeichnet er bekümmert den kleinen traurigen Vogel mit dem hängenden Flügel.856 Eigentlich ist der Einzug für Mitte Mai geplant, doch die Wasserleitung funktioniert noch immer nicht, die bereits beto-

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nierte Garagenzufahrt muss erneuert werden, weil sie viel zu steil ist, zudem haben die Maler Helene versetzt. „Es hat keinen Zweck, wenn Du herkommst“, schreibt sie ihrem Mann. „Es gibt jetzt so wahnsinnig zu tun, dass es nur Zeitverlust für mich wäre. [...] Ich wasche bereits seit 4 h früh die Türen u. Fenster.“857 Ende Mai können sie endlich einziehen. Über eine Treppe gelangt man in den geräumigen Wohnraum, rechts davon befindet sich die Küche, außerdem gibt es ein Zimmer für Helenes Bruder Franzl. Darüber liegen die beiden Schlafzimmer des Ehepaars, hier oben hat Berg auch sein Arbeitszimmer, von dem er auf den See blicken kann. „Er hat es herrlich schön auf seinem Besitz“858, berichtet Anton Webern von einem Besuch bei Berg im Oktober. Das Waldhaus wird Bergs Werkstatt, in der er, ungestört von Besuchern und Schülern, den Sommer über und auch im Winter 1933/34 komponiert. Durch den geregelten Tagesablauf macht die Arbeit an Lulu Fortschritte. Nach dem Frühstück im Bett setzt er sich ans Klavier und komponiert bis zum Mittag, vor dem Essen schwimmt er im See, nach der einstündigen Mittagsruhe erledigt er Korrespondenzen, korrigiert oder schreibt Komponiertes ins Reine. Am späten Nachmittag unternehmen sie manchmal Spazierfahrten im Cabrio nach Velden, Villach oder Klagenfurt, dort sieht Berg sich oft Filme an. Vor allem höre ich nächtlich viel Politik im Radio aller Länder, Deutschland obenan, berichtet er Morgenstern. Ansonsten leben wir – wie komisch in dieser Zeit: fast idyllisch859 – mit den Kanarienvögeln aus der Hietzinger Wohnung und den hiesigen Sipperln, Blaumeisen und Rotkehlchen, für die immer ein „Vogelbuffet“ auf der Fensterbank angerichtet ist.860 Und wenn uns nicht hie und da die Narrischkeiten meines Schwagers Unruhe bereiten würden, so lebten wir – mitten im Krieg – in schönstem Frieden. „Mitten im Krieg“ ist kein Scherz; manchmal erscheint mir das, was ist und kommen wird so fürchterlich, daß ich den Gedanken daran mit aller Gewalt verdrängen muß, um arbeiten zu können.861 Franz Nahowski wurde am 15. Januar 1932 entmündigt, und da Berg sein Vormund ist, wohnt Franzl seitdem bei ihnen. In einem pa-

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ranoiden Anfall hat er Alban beim Holzhacken im Schuppen beinahe mit einer Axt erschlagen, er wollte ihn ‚opfern‘ und so sein ‚Seelenheil‘ und das der ganzen Familie retten.862 Mit dem Wintereinbruch wird das Leben im Waldhaus beschwerlich, denn die Räume sind schlecht zu heizen. In seinem selbstgewählten Exil sehnt sich Berg nach dem beschaulichen Café Museum, nach den Gesprächen mit Morgenstern und den anderen Freunden.863 Zwar sei das Waldhaus der einzige Ort, wo er sich konzentrieren könne, schreibt er an Adorno, aber heimlich sehne ich mich doch nach dem Großstadtgetriebe Berlins.864 An den Aufführungen und Feiern zu Weberns 50. Geburtstag kann er nicht teilnehmen. Selbst für das Webern gewidmete Sonderheft der Zeitschrift „23“ hat er keinen Beitrag verfasst, er kann es sich nicht leisten, seine Arbeit an Lulu zu unterbrechen. Nur so ein paar warme und begeisterte Zeilen zu schreiben, das ist für m i c h , von dem man mit Recht das Ausführlichste und Vielsagendste erwartet, unmöglich und wäre auch fast eine Beleidigung für Webern.865 Aus der Einöde, seit fast zwei Monaten von Eis und Schnee umgeben, berichtet er Schönberg im Dezember von seinen kleinen und kleinlichen Sorgen: welcher Bauer das trockenere Brennholz vorrätig hat und wielange noch, oder ob heut‘ Nacht die Wasserleitung einfrieren wird, oder ob man sich zu einer kleinen Autoreise durch diese Winterlandschaft entschließen soll, um sich (in Klagenfurt oder Villach) der seltenen Wonnen eines Wannenbades zu erfreuen.866 In ihrem Weihnachtsbrief aus dem Waldhaus schreibt Helene an das Ehepaar Werfel: „Es sind die ersten Festtage, seit vielen Jahren, die wir ohne Euch verleben müssen. Es sind also für uns keine Festtage.“867 Schönberg hat ganz andere Sorgen. Er muss zwischen Boston und New York hin und her fahren, um die wenigen Schüler zu unterrichten, die ständigen Reisen erschöpfen ihn, er verträgt die heftigen Temperaturstürze nicht und erleidet im Januar des folgenden Jahres einen schweren Asthmaanfall. In der Isolation schlägt das ihm eigene Misstrauen in einen furchtbaren Verdacht um. An Webern schreibt er: „Seit wenigstens 5– 6 Wochen war ich deinethalben und wegen Berg sehr aufgeregt und (ich muss schon sagen) nicht nur deprimiert, sondern gera-

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dezu verzweifelt [...]. Denn ihr habt mir beide fast 2 Monate lang [...] kein Wort geschrieben. Und da wir Juden ja in dieser Zeit es hundertmal erlebt haben, dass Unglaubliches geschehen ist, dass heute plötzlich Nazi worden waren, die noch gestern Freunde waren, so konnte ich mir euer Schweigen (insbesondere Bergs) gar nicht anders erklären, als dass auch ihr dort euch angeschlossen habt.“868 Und in einem Rundbrief an seine Freunde steht: „Wohl habe ich die Trennung von der alten Welt vollzogen, nicht ohne sie bis in die Knochen gespürt zu haben, denn ich war nicht darauf vorbereitet, dass sie mich sowohl heimatlos, als auch sprachlos machen werde.“869 Hanns Eisler schreibt in einem Artikel für eine amerikanische Zeitschrift: „Daß dieser 60jährige Mann, der nicht mehr gesund ist, nach einem Leben voll schwerster Entbehrungen für seine Kunst, heimatlos durch die Welt gejagt wird, ist eine der fürchterlichsten Kulturschanden des Kapitalismus.“870

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Im selbstgewählten Exil Der Februar 1934 ist kalt, es schneit, auf der vereisten Straße von Velden nach Auen kommt Berg nur mit Ketten an den Reifen vorwärts. Sein Einsiedlerleben bestehe aus Eis, Schnee, Arbeit, Vogelfüttern, Radio, berichtet er Smaragda.871 Das Radio bringt ihm den Klang seiner Musik in die Einöde: am 4. März sendet „Suisse Romande“ die Lyrische Suite, am nächsten Tag wird ein Sinfoniekonzert unter der Leitung von Ernest Ansermet mit den Drei Bruchstücken aus Wozzeck ausgestrahlt, und am 14. März hört Berg die Übertragung der B.B.C. von einer Aufführung des Wozzeck aus der Queen’s Hall in London. Da die Arbeit an der Oper Lulu stockt, ist die Einsamkeit schwer zu ertragen. Das Auto benutzt er fast nur noch zu Besorgungsfahrten. Die Zahlungen der Universal Edition, 500 Schilling im Monat, sind ein Vorschuss und decken gerade die Fixkosten; Aufführungstantiemen gibt es kaum noch. In einem Brief vom 6. Dezember 1933 hatte er sich bei Schönberg erkundigt, ob vielleicht irgendein amerikanischer Manuskriptensammler die handschriftliche Wozzeck-Partitur, drei dicke Bände, kaufen würde. Tatsächlich gelang es Schönberg, einen Kontakt zur Musikabteilung der Library of Congress herzustellen; im Juni 1934 erwirbt die Bibliothek die Partitur für 1.140 Dollar, damals 6.000 Schilling, den Erlös teilen sich Berg und die Universal Edition, der das Werk vertragsgemäß gehört;872 Berg erhält die ganze Summe, davon 3.000 Schilling als Darlehen des Verlags.873 Während er allein in seiner Waldhausödnis874 arbeitet, nimmt Helene Bäder in Hofgastein. Ich muß mir immer den tiefen Sinn Deiner Reise vorsagen, schreibt er ihr, nämlich eine eminente Restaurierung Deiner unter Zirkulationsstörungen leidenden Gesundheit.875 Durch die Kur werden seine Schulden876 beim Verlag steigen. Bahnfahrten zwischen Wien und Velden leisten sich beide bloß noch in der dritten Klasse, selbst mit dem Porto geizt Helene und schickt manchmal nur Karten, Berg schreibt aus Sparsamkeit seine Briefe an sie auf der Rück-

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seite schon beschriebener Blätter. Zu ihrem Geburtstag am 29. Juli schickt er ihr diesmal ein Kuvert mit hundert Schilling. Es ist traurig, daß es nur „Geld“ ist aber was soll ich Dir schenken, worüber Du Dich f r e u e n könntest, ja worüber Du nicht bös wärest!877 Seit längerem schon unterstützt er Smaragda, damit sie wenigstens ihre Miete zahlen kann. Seine Schwester sei vollständig verarmt, berichtet er Morgenstern im Oktober. Und ihre Freundin May Keller habe vor ihren Gläubigern fluchtartig Wien verlassen müssen. Wie es weiter mit mir u. auch meiner Schwester gehen wird: das weiß Gott!878 Smaragda hat sich von May Keller getrennt, das Haus in Küb ist verkauft worden, der Erlös wegen der Hypothekenlast gering. In ihrer alten Wiener Wohnung lebt Smaragda jetzt mit ihrer langjährigen Freundin, der Kabarettistin Marya Delvard, in dürftigen Verhältnissen. Ihr Vermögen (ehemals etwa 20.000 Schilling) ist vollständig aufgebraucht, erhebliche Beträge hat sie ihrer Partnerin überlassen, sie kann nicht wirtschaften, will nicht auf ihre Ansprüche verzichten, braucht ein Dienstmädchen, ein Badezimmer, ein Telefon. Das Geld, das Berg ihr jeden Monat schickt, reiche gerade für die Heizkosten. Sie unterrichtet nur wenige Klavierschüler und verdient kaum noch etwas. Berg hilft mit einem weiteren Betrag.879 „Ich muß mir mein notdürftigstes Leben bei Bruder & Freunden erbetteln“, schreibt sie im März 1935 an Hilda Steuermann.880 „Alban tut das Allernotwendigste & der Andere gar nichts.“881 Seine Verwandten glauben, Alban lebe im Luxus, Charly hält ihm vor, er sei der wirtschaftlich Stärkste in der Familie, während die anderen ums nackte Leben kämpften, auch Albans Freunde seien empört, dass er seiner Schwester nicht „ordentlich“ helfe, bei seinen Beziehungen müsse er ihr doch Schüler verschaffen können.882 Nachdem Charly während der Weltwirtschaftskrise leichtsinnig seinen Vertrag mit der Firma Borgfeldt gekündigt hat, um sich selbständig zu machen, kann er Alban ein längst fälliges Darlehen über mehr als 6.000 Schilling nicht zurückzahlen. Er schreibt: „Wie ich heute stehe, rund herausgesagt, habe ich keinen Kreuzer Kapital, wurstle mich von Woche zu Woche, Tag zu Tag fort ... habe Steffis ganzen

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Schmuck ins Versatzamt getragen.“883 In Charlys Familie leben auch noch sein Sohn Erich mit Frau und Kind. Smaragda möchte von Alban Geld leihen, „die allerkleinsten Geldhilfen“, obwohl er ihr monatlich 100 Schilling schickt, zudem möge er ihr eine Arbeitsstelle als Korrepetitorin oder als Gesellschafterin vermitteln. May Keller bittet ihn „mit ganz schwerem Herzen“884 um ein Darlehen von 1.000 Schilling, und Helenes Schwestern Carola und Anna melden ebenfalls Ansprüche an, sie verlangen das Tagebuch ihrer Mutter, ein Geschenk Anna Nahowskis an Alban, um es zu verkaufen. Da er es behält, weiß er: Die 2 Megären werden mich in der Luft zerreissen.885 Seit Ende des Sommers fühlt er sich krank, der Herznerv macht Manderln.886 Wegen der ständigen Klagen, Forderungen und Schuldzuweisungen sieht er sich gezwungen, einen Rundbrief887 an die Verwandten zu schreiben, in dem er seine finanziellen Verhältnisse ausführlich darlegt – eine beschämende Verteidigung wie zur Vorlage bei Gericht: Die Abrechnungen mit der Universal Edition könne jeder einsehen. Sein Lebensstandard habe die denkbar niedrigste Form angenommen, ohne Kind – nicht einmal mit Hund, auf Arztvisiten, Konzert- und Theaterbesuche müsse er verzichten, nur noch Kinobesuche auf 1 Schilling-Plätzen könne er sich leisten. Das Waldhaus brauche er, um ohne Unterbrechung sechzehn Monate lang zu arbeiten, das Auto sei bloß noch ein Gebrauchs-, ein Berufsgegenstand. Mit diesem Schreiben bricht Berg die brieflichen Kontakte zu seinen Geschwistern ab, Smaragda erhält weiter ihre monatliche Überweisung. Nachdem schon im Januar 1931 das Haus Nahowski in der Maxinggasse an den Verleger Leo Schidrowitz verkauft worden ist, gibt es immer noch finanzielle Probleme, da Schidrowitz bisher nur eine Anzahlung geleistet hat – 23.000 von 116.000 Schilling888 –, so dass die Leberts und Carola Heuduck weiterhin in dem Haus wohnen. „Schiedrowitz ist ein Saujud!“889 schimpft Helene. Berg schreibt ihr jeden Tag, korrespondiert mit Schidrowitz, mit den Schwägerinnen. Und er will doch nichts anderes als seine Oper zu Ende komponieren. Vor drei Jahren schon

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hatte Leopold Stokowski, nachdem er die Premiere des Wozzeck in Philadelphia dirigiert hatte, darum gebeten, die Lulu für ihn zu reservieren. Und Erich Kleiber verhandelt wegen einer Aufführung der Oper in Berlin. Im Radio hört Berg Nachrichten über bürgerkriegsähnliche Kämpfe in Wien und anderen Städten. Engelbert Dollfuß, seit zwei Jahren Bundeskanzler, war es im März des vorigen Jahres gelungen, durch Ausschaltung des Parlaments in Österreich ein autoritäres Regime nach dem Vorbild der faschistischen Diktatur Mussolinis zu errichten; jetzt hält er am 4. März vor 25.000 Zuhörern in Villach eine Rede zum einjährigen Bestehen des neuen klerikal-faschistischen Regimes, wie Berg seiner Frau berichtet. Seit dem Herbst 1933 gab es ein sogenanntes Anhaltelager für Regimegegner; dass in Deutschland schon im März Konzentrationslager, zunächst als Arbeitslager, errichtet worden waren, wusste auch Berg. So nennt er sein selbstgewähltes Exil manchmal sein Konzentrationslager890, natürlich ohne das Ausmaß der Verbrechen zu ahnen, die mit diesem Wort verbunden sind. Am 12. Februar rufen die Sozialdemokraten den Generalstreik aus, verbünden sich mit dem schon verbotenen Republikanischen Schutzbund zu einem Aufstand gegen das DollfußRegime. Tagelang wird in Wien und anderen Industriestädten gekämpft. Das Bundesheer setzt Kanonen ein; Charlys Familie lebt in Angst, sie hören die Schüsse Tag und Nacht. Heimwehrtruppen, Bundesheer und Polizei schlagen den Aufstand nieder. Es gibt Hunderte von Todesopfern, auf Betreiben von Kurt Schuschnigg891 werden die sozialdemokratischen Anführer standrechtlich verurteilt und gehenkt. „Sie haben unsere Musik erschossen“892, klagt Anton Webern. Für ihn bedeutet die Auflösung der Sozialdemokratischen Partei das Ende seiner Tätigkeit als Dirigent der Arbeiter-Symphoniekonzerte und den Verlust seiner Chormeisterstelle beim Singverein; er muss nun vom Privatunterricht und gelegentlichen Dirigaten im Rundfunk leben und erwägt, nach Amerika zu gehen. Eine langwierige Nierenerkrankung seiner Tochter

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Amalie, die mehrere Wochen in einer Klinik behandelt wurde, hat die finanziellen Reserven verbraucht. Auf seine dringende Bitte verschafft ihm Yella Hertzka, die Witwe Emil Hertzkas, einen Auftrag der Universal Edition893 sowie einen Vorschuss. „Existenzsorgen überschatteten seine Stirn und vergrämten seinen Mund“894 – so hat ihn Morgenstern beschrieben, und so zeigt ihn auch die Terrakottabüste, die Josef Humplik von Webern geschaffen hat. Auf der Hohen Warte erlebt Alma Mahler die Kämpfe aus unmittelbarer Nähe. In ihrem Salon verkehren Mitglieder der neuen Regierung wie Rintelen und Schuschnigg, begegnen dort Künstlern, Industriellen und Vertretern der Kirche. Sie nimmt Partei für Dollfuß und Schuschnigg, allerdings, so schreibt sie an Alban und Helene, habe sie veranlasst, „sich der Witwen und Waisen der Revolutionäre anzunehmen“. „Wenn es Euch unheimlich wird, so geht in mein Haus in Venedig.“895 Dass eine Flucht notwendig werden könnte, hält Berg für unwahrscheinlich, besorgt sich aber vorsichtshalber einen Grenzübertrittsschein für das Auto und lässt seinen zwischenstaatlichen Führerschein verlängern. Er ist vor allem in Sorge wegen seiner Schulden, erwägt, eine weitere Hypothek auf das Waldhaus aufzunehmen, bittet schließlich Yella Hertzka: Die U.E. möge mir ermöglichen, bis zur Vollendung der „Lulu“ materiell durchzuhalten.896 Wenigstens einen monatlichen Vorschuss sichert sie ihm zu. Als er aus der Zeitung erfährt, dass Metro Goldwyn Mayer plant, Werfels Erfolgsroman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ zu verfilmen, überlegt er, die Musik dazu zu komponieren. Damit könnte er sich vielleicht aus seiner finanziellen Notlage befreien – allerdings arbeitet er noch an der letzten Szene der Lulu, und Kleiber verlangt dringend das Textbuch für die geplante Aufführung. Wahrscheinlich muß er es dem Göbbels vorlegen, schreibt Berg an Webern, und da klopfe ich auf der Maschine seit Tagen wie ein Wahnsinniger.897 Kleiber hatte sich das Libretto „viel milder“ vorgestellt. Er war irritiert und befürchtete „gewaltige Hindernisse“ für die Aufführung. „Ich hoffe, Du nimmst es mir nicht übel, wenn ich

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Dir gestehe, dass mir beim Lesen dieser endgültigen Fassung stellenweise aber schon sehr die »Grausbirnen aufgestiegen« sind und ich mir zunächst gar nicht denken kann, wie Du das komponiert haben könntest.“898 Dennoch versprach er Berg: „Ich werde mit allem Nachdruck mich dafür einsetzen, dass Berlin die Ehre hat, die Uraufführung Deiner neuen Oper zu machen.“899 Kleibers Einsatz für Bergs Musik provozierte Sanktionen: Durch die Berufung von Clemens Krauss nach Berlin verlor Kleiber seinen Einfluss. Weil diese Berufung gegen seinen Vertrag verstieß, nach dem ihm kein anderer Dirigent übergeordnet werden durfte, verlangte er seine sofortige Entlassung, wurde jedoch gezwungen, seinen Vertrag auch unter Krauss weiterhin zu erfüllen. Nach spontanen Sympathiebekundungen des Publikums für Kleiber fürchtete man bei einer sofortigen Entlassung offenbar weitere Demonstrationen. Hier geht’s musikpolitisch drunter und drüber900, schreibt Berg an Schönberg. Er hofft, dass Kleiber an die Wiener Staatsoper berufen wird. Da eine Lulu-Aufführung in Berlin nun gänzlich aussichtslos ist, stellt er, ähnlich wie bei den Drei Bruchstücken aus Wozzeck, einige fertige Teile aus der Oper zu einer Suite zusammen. Kleiber findet „die Idee mit der SUITE ausgezeichnet“, denn sie werde der Oper „gründlich den Weg ebnen“.901 Fünf symphonische Stücke aus Lulu bilden die Lulu-Suite: Rondo (aus dem 2. Akt), Ostinato (Zwischenmusik nach der 1. Szene des 2. Akts), Lied der Lulu (2. Akt, 1. Szene, mit Gesang), Variationen (über Wedekinds Lied) und Adagio (Schlussszene). Das Lied der Lulu schickt er Webern mit einer Widmung am 3. Dezember 1934 zum Geburtstag als ein Zeichen ihrer inneren Zusammengehörigkeit902, die Partitur der Fünf symphonischen Stücke bekommt Webern zu Weihnachten. „Liebster Freund“, antwortet Webern, „sei vielmals bedankt für dieses wundervolle Weihnachtsgeschenk u. wieder u. wieder für die Widmung des „Lulu“Liedes. [...] Also endlich, endlich die Möglichkeit, wenigstens einen Teil deiner „Lulu“-Partitur kennen zu lernen. Ich habe mich natürlich gleich darauf gestürzt u. zwar zunächst auf das Schlußstück. Denn, wenn ich an dein Werk dachte, hatte mich stets vor allem der Gedanke beschäftigt, welche Musik wird die-

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ses Ende finden. Nun kenne ich sie u. bin tief, tief ergriffen u. erschüttert.“903 Mit Anton Webern verbindet Berg eine lebenslange Freundschaft ohne Vorbehalt. In seinen Notizen zu einer Charakterskizze Weberns steht: Innerlich gehemmt, leise Furcht vor eigener Selbständigkeit, entrückt, zarte schriften, sehr guter Mensch.904 Er schätzt Weberns Musik, die in ihrer Lakonie so verschieden von seiner eigenen ist, und bewundert ihn als Dirigenten. Als Helene sich nach einer Aufführung von Mahlers sechster Sinfonie im Musikvereinssaal über die ein wenig ungeschickt wirkenden Dirigierbewegungen Weberns mokiert, weist Berg sie aufgebracht zurecht.905 Einmal aber entwirft er, gemeinsam mit Adorno, die Parodie eines Webernschen Stückes: eine einzige Viertelpause, die, als Quintole gekennzeichnet und mit einer Vielzahl von Zeichen und Vortragsanweisungen versehen, langsam verlöschen soll.906 Gegen massive Widerstände kämpft Kleiber für die Aufführung der Lulu-Suite, seine Frau907 setzt sich mit Göring in Verbindung, und tatsächlich bringt Kleiber das Werk am 30. November 1934 in Berlin zur Uraufführung. Berg aber kann seine Musik nicht hören, er hat kein Geld für die Fahrt und das Hotel. Der Beifall ist stark. Reich erzählt, nur ein Mann habe gebrüllt: „Heil Mozart!“, worauf Kleiber zurückgerufen habe: „Sie irren sich: das Stück ist von Alban Berg!“908 In den Berliner Zeitungen erscheinen heftige Angriffe gegen das Werk und gegen Kleiber. Vier Tage später gibt er seinen Posten als Generalmusikdirektor auf und verlässt Deutschland Anfang des folgenden Jahres. „Wo für Dich k e i n Platz ist, hab’ ich auch nichts zu suchen!“909, schreibt er an Berg. Im Juni hatte er ihn noch ermuntert, bald mit der Komposition einer neuen Oper zu beginnen, vielleicht mit „Pippa“. „Man müsste dann G.H. [Hauptmann] darüber aufklären, wer und was Du bist und dass eine Komposition seiner Oper durch Dich seinem Stück zu einer Auferstehung verhelfen könnte, die er sich jetzt nicht mehr träumen lässt.“910

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Soma Morgenstern hat seine Stellung als Korrespondent der Frankfurter Zeitung verloren und ist nach Paris emigriert – für Berg noch ein Freund weniger in Wien911. Nun können sie ihre „Leidgedanken“, wie Morgenstern schreibt, nur noch brieflich austauschen. „Pekuniär war er [Berg] damals schon in derselben Lage wie ich. Das wußte ich wohl und las mit Rührung seinen Brief, in dem er sich so sehr um uns sorgte.“912 Österreichs größter Verlag, Zsolnay, gegründet von Paul Zsolnay, einem ungarischen Juden, hat mit Werfels Roman „Barbara oder Die Frömmigkeit“ ein Vermögen verdient; nun darf er keine Bücher jüdischer Autoren mehr annehmen und muss auch sonst jeden Schriftsteller abweisen, der im Verdacht steht, Gegner der Nationalsozialisten zu sein. In der Schweiz betreibt er jetzt einen „getarnten Verlag“, in dem Juden noch publizieren können.913 Zum Boykott jüdischer Warenhäuser schickt Berg seiner Frau im März einen Ausschnitt aus der Berliner Zeitung „Der Angriff“, überschrieben mit „Die Stimme des Blutes“: „Wer nordischen Blutes ist oder wer noch genügend nordisches Erbgut nicht nur körperlich, sondern vor allem auch geistig-seelisch in sich trägt, wird ewig Gegner des Warenhauses sein.“ An den Rand schreibt er: Jetzt weißt es!914 Eigentlich aber berühren ihn hier im Waldhaus die politischen Ereignisse kaum. Den Putschversuch am 25. Juli 1934, bei dem Bundeskanzler Dollfuß erschossen wird, erwähnt er in seinen Briefen an Helene gar nicht. Es sei jetzt im Juli märchenhaft schön in Auen, schreibt er. Was sind das für Tage! [...] Es ist zwar sehr heiß [...], aber diese Wolkenlosigkeit u. Sommerstille über See u. Wald ist schon grandios.915 Kurt Schuschnigg, bisher Justiz- und Unterrichtsminister, setzt nach dem Zusammenbruch des „Juli-Putsches“ als neuer Bundeskanzler die Politik seines Vorgängers mit aller Härte fort. Für die Festschrift zu Schönbergs 60. Geburtstag mit Beiträgen zahlreicher Freunde und Schüler schreibt Berg ein Akrostichon (Glaube, Hoffnung und Liebe). Und er schenkt Schönberg eine autographe Partitur des Prologs aus Lulu, die mit den ersten vier Takten des ersten Aktes endet: Darf ich eintreten? In

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seinem Begleitbrief schreibt er: Mein liebster Freund, ich weiß, daß Du auf meine (– auf Alwas) Frage: „Darf ich eintreten?“ [...] mit Schön. – antworten würdest: „Komm nur ungeniert herein!“ und daß ich dann in meine Umarmung all die Gefühle legen würde, die mich an diesem 13. September beseelten. Daß ich es aber nur aus der Entfernung tun kann, ist das e i n e , was mich an diesem Tag schmerzt. Das a n d r e , daß ich Dir – alles eine Folge dieser fürchterlichen Zeit – nicht mit einem w i r k l i c h e n G e s c h e n k nahen kann, sondern nur mit einer W i d m u n g . Nimm sie, bitte, nicht nur als ein Produkt jahrelanger, Dir zu innerst geweihter Arbeit entgegen, sondern auch als eine Dokumentierung nach außen hin: die ganze Welt – und auch die deutsche – soll in der Zueignung dieser Deutschen Oper erkennen, daß sie – wie mein ganzes Schaffen – beheimatet ist in dem Bezirk deutschester Musik, das für ewige Zeiten Deinen Namen tragen wird.916 Schönberg hat Alwas Frage in einem vierstimmigen Kanon zitiert, den er für Berg zum 50. Geburtstag komponiert: „Darf ich eintreten? Du fragst noch? / Sei gegrüßt! Bringst Gruss, bringst Ehr, bringst Freude herein! / Wie kannst Du fragen?“ Dieses Jahr gibt es einen strengen Winter. Nach einem plötzlichen Schneewettereinbruch bekommt Berg einen Bronchialkatarrh mit Herzbeschwerden und fährt Anfang November krank zurück nach Hietzing. Dort ist an regelmäßiges Arbeiten nicht zu denken. Immer noch schreib‘ ich an der Opernpartitur!917, gesteht er Schönberg. Zu Weihnachten schenkt er ihm die Partitur der Symphonischen Stücke aus Lulu, die seinem Lehrer gewidmet sind.

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Abschied Konzert für Violine und Orchester Von einem seiner Besuche bei Alma Mahler auf der Hohen Warte erzählt Elias Canetti918: „Eine Gazelle kam ins Zimmer getrippelt, ein leichtes, braunes Geschöpf, als junges Mädchen verkleidet, unberührt von der Pracht, in die es gerufen wurde, in seiner Unschuld jünger als die 16 Jahre, die es haben mochte.[...] Eine Engels-Gazelle vom Himmel.“919 Die „Leichtfüßige“ ist Manon, die Tochter aus der Ehe Alma Mahlers mit Walter Gropius920, dem Direktor des Bauhauses in Weimar. Langhaarig, schlank, scheu, von auffallender Schönheit, wurde sie von vielen umschwärmt. Im Frühjahr 1934 reiste Alma Werfel mit Manon nach Venedig, in die „Casa Mahler“. Dass in der Stadt eine Polioepedemie ausgebrochen war, wurde offiziell verschwiegen. Manon infizierte sich, und allmählich befiel die Lähmung den ganzen Körper. Ein Jahr dauerte ihre Leidenszeit, der Welt aber wurde sie, nun im Rollstuhl, weiterhin vorgeführt. Sogar eine Verlobung arrangierte man noch, mit Erich Cyhlar, einem Freund Hollnsteiners und ehrgeizigen Nachwuchspolitiker, für dessen Karriere das Aufsehen nützlich war. Im Alter von 19 Jahren, am 22. April 1935, starb Manon Gropius. Johannes Hollnsteiner sprach in seiner Grabrede vom „Heimgang eines Engels“, diese Metapher wurde immer wieder aufgegriffen. Im Februar 1935 hatte sich der amerikanische Geiger Louis Krasner921 mit der Bitte an Berg gewandt, ein Violinkonzert für ihn zu komponieren. Zum ersten Mal waren sie einander in der Universal Edition begegnet. Auf Bergs Musik war Krasner vor allem durch seine Kollegin, die Pianistin Rita Kurzmann, aufmerksam geworden, die ihm Bergs Sonate vorgespielt hatte. Wenn Anton Webern einen Vortrag im Hause Kurzmann hielt, war Berg manchmal unter den Zuhörern, und so vertiefte sich die Bekanntschaft mit Krasner. Vom Wozzeck und von der Lyri-

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schen Suite war der Geiger begeistert. Er interessierte sich besonders für zeitgenössische Musik, hatte schon das Konzert von Alfredo Casella gespielt und war dann auch 1940 Solist bei der Uraufführung von Schönbergs Violinkonzert. Für das bestellte Werk und das Aufführungsrecht in den ersten Jahren wollte er 1.500 Dollar zahlen. Widerstrebend922 und allein wegen der Aussicht auf das Honorar, das er dringend brauchte, unterbrach Berg die Instrumentation des dritten Aktes der Lulu und begann Mitte März mit Skizzen zu dem Konzert. Erschüttert vom Tode Manons, arbeitete er seit dem April in großer Eile an der Komposition, das Werk sollte ein Requiem für Manon werden. An Alma Mahler schrieb er: Eines Tages – noch bevor dieses fürchterliche Jahr zu Ende sein wird – mag Dir und Franz [Werfel] aus einer Partitur, die dem Andenken eines Engels geweiht sein wird, das erklingen, was ich fühle und wofür ich heute keinen Ausdruck finde.923 Aus Violinkonzerten von Glasunow, Szymanowski und Lalo schrieb Berg sich einzelne Stellen ab, Kadenzen, Terz- und Sextgänge, Doppelgriffe. Von Krasner ließ er sich bestimmte Techniken des Violinspiels vorführen und blieb bis zum Abschluss der Arbeit in Verbindung mit ihm. Eine Choralmelodie brauche er noch für das Konzert, schrieb er im Juni an seinen Schüler Reich. Der schickte ihm eine Sammlung von 60 Chorälen im originalen vierstimmigen Satz von Johann Sebastian Bach, aus der Berg den Choral „Es ist genug“ von Johann Rudolf Ahles für sein Konzert übernahm. Der „Jammer“, von dem der Choral spricht, schien ihm vertraut. Er war damals sehr niedergeschlagen, klagte über Müdigkeit und Asthmabeschwerden, regte sich auf, dass die AKM924 eine Mitgliedschaft Schönbergs abgelehnt hatte. Ich bin (seit 14 Tagen) betrübt u. deprimiert und maßlos empört, schrieb er an Schönberg.925 Am 15. Juli, in nur drei Monaten, hatte er die Komposition nach einem dreizehnstündigen Arbeitstag beendet. Die Reinschrift der Partitur war rechtzeitig am 13. August fertig, so dass er sie Alma Mahler zu ihrem Geburtstag am 31. August überreichen konnte, als Zeichen der Dankbarkeit für ihre Unterstützung beim Druck des

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Klavierauszugs zum Wozzeck. Mitte September kam Krasner ins Waldhaus, dort feilten beide noch einmal am Part des Solisten. Louis Krasner, der offizielle Widmungsträger, war der Solist bei der Uraufführung im April 1936 in Barcelona unter der Leitung von Hermann Scherchen vor einem „wie rasend applaudierenden Publikum“.926 Eine Zwölftonreihe ist Grundlage des ganzen Konzerts: acht aufsteigende Terzen, den Violinsaiten entsprechend abwechselnde Moll- und Durdreiklänge (g-D-a-E) sowie drei Ganztonschritte. Sie ist so gebaut, dass sie tonale Wirkungen zulässt, und enthält sogar Elemente der späteren Zitate.927 Er habe eine sehr glückliche Reihe gewählt, schrieb Berg an Schönberg, die letzten vier Töne ergäben zufälligerweise den Beginn des Chorals „Es ist genug“.928 Er gliederte das Konzert in zwei Sätze mit jeweils zwei ineinander übergehenden Teilen: I Andante – Allegretto, II Allegro – Adagio. Die große, annähernd klassische Orchesterbesetzung ist fast die gleiche wie in der Weinarie. Wie träumend beginnt die Introduktion. Das Gebilde aus leeren Intervallen, zuerst nur Quinten, in gleichmäßigen Achteln alternierend zwischen Harfe/Klarinette und Solovioline, bleibt im Unbestimmten, lässt noch keine individuellen Konturen erkennen, als tauche das Bild Manons erst allmählich aus der Erinnerung auf. Nach zehn Takten geht das Spiel der Quinten in eine harmonische Exposition über (g-D-a-E, die Harmonien aus der Reihe, jetzt in Akkorden), die fast feierlich auf das Thema in der Solovioline vorbereitet, auf die Gestalt, deren Schicksal in den beiden Sätzen dargestellt wird: eine einzige Aufwärtsbewegung, fast auffliegend, federleicht, von zärtlichen (dolce) Septimen des Horns begleitet, Abbild der „Leichtfüßigen“. Anmutig klingt die Umkehrung des Themas, mutwillig erscheint es im Triolenrhythmus. Der vitale Mittelteil mit Motiven aus Elementen der Reihe929 enthält rhythmisch und klanglich eine Steigerung. Schon in der stark verkürzten Reprise mit den einleitenden Arpeggien in den Orchesterstimmen hat das Thema seine Schwerelosigkeit verloren, seufzerartig umkreist

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die Solovioline in Halbtönen das F und gleitet dann hinüber in den 6/8-Takt des Allegrettos. Dieses Scherzo mit zwei Trios ist Ausdruck der Lebenslust, der Freude an Spiel und Tanz. Sein Ländlercharakter erscheint sogleich im Motiv der beiden Klarinetten (scherzando), deren harmlos-selige Terzen ein gezupfter Bass begleitet. Was so volkstümlich klingt, ist das Ergebnis strenger Ableitung aus der Zwölftonreihe. Weitere Varianten ergänzen den Eindruck einer ländlichen Tanzszene, die Erinnerung an HeurigenSeligkeit: ein Walzermotiv in parallelen Terzen (wienerisch), die Umkehrung der Töne 5 bis 9, dann ein derberes Ländlermotiv (rustico), die Umkehrung der ersten neun Töne, schließlich eine volksliedhafte Melodie der Solovioline (tranquillo) über Nonenakkorden, dolcissimo zu spielen. Rückläufig – mit den Motiven wienerisch und scherzando – geht der Abschnitt zu Ende. Dieses Scherzo stehe unter Bergs Werken Mahlers Musik am nächsten, fand Adorno;930 die tänzerischen Motive enthalten manche Anspielung auf Mahlers Scherzi.931 Das erste Trio führt ein neues, vitales Tanzmotiv (energico) mit steigenden und fallenden Sexten über Dreiklängen aus der Zwölftonreihe vor, die Solovioline übernimmt es in dreistimmigen Akkorden, bevor sie mit ihrem Thema in zunehmender Lautstärke dem Gipfelton e4 in höchster Höhe zustrebt, während die Bassinstrumente in Ganztonschritten den tiefsten Ton, C2 in der Subkontraoktave, erreichen, akzentuiert durch Basstuba und Tamtam sowie eine scharfe rhythmische Figur (ritmico) der schweren Blechbläser. Die große Entfernung, in der das Soloinstrument über den Bässen und dem bedrohlichen ritmico-Motiv schwebt, diese äußerste Gespanntheit ist eines von den Vorzeichen, die auf die Katastrophe hindeuten. Ein anderes sind die leisen Seufzerfiguren (fallende Sekunden), mit denen im sich sanft wiegenden zweiten Trio einzelne Orchesterinstrumente einander antworten. Für einen Augenblick übernimmt die Solovioline dieses Motiv, wechselt dann aber wie abwehrend sogleich wieder mit der Reihe und ihren Umkehrungen in den Ländlerrhythmus (scherzando). Bei der Wiederkehr des ersten Trios umspielt sie das energico-Motiv der Basstuba mit schnellen Triolen, zuletzt behaup-

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tet sich das Thema auf fünf verschiedenen Tonstufen.932 Die Reprise des Scherzoteils führt noch einmal alle Tanzmotive in erweiterter Form vor, der volkstümliche Tonfall im tranquilloAbschnitt stimmt ein auf das Kärntner Lied933, vom Horn und dann von der Trompete in Ges-Dur zu tonartfremden Klängen vorgetragen come una pastorale. Sehr leise, zuletzt im flageolett, stimmt die Solovioline ein. Eine Coda beschließt den ersten Satz mit jodlerartigen Quartsprüngen in der Stretta, den Schlussakkord bilden die ersten vier Reihentöne. Ein Aufschrei934, ein Zwölftonakkord zu Beginn des zweiten Satzes Allegro, zerreißt jäh die pastorale Stimmung. Wie er sich aus vier Klangblöcken schnell nacheinander auftürmt, bildet er den stärksten Kontrast zu den vier aufsteigenden zarten Quinten des Anfangs. Die Erschütterung zeigt sich während dieser großen Kadenz (sempre rubato) in einer Angstgebärde der Solovioline, der wiederholten Reihenvariante in Zweiunddreißigsteln, einem heftigen Tremolo ähnlich, jedesmal folgt ein schwerer Schlag der Trommel und der tiefen Bläser. Ausdruck der Angst ist auch der Triller der Violine hoch über den anderen Stimmen (c4 ), dem ein Absturz innerhalb von drei Oktaven folgt. Vom 23. Takt an bestimmt ein starrer, unerbittlicher Rhythmus molto ritmico den weiteren Verlauf, eine 19 Takte anhaltende Drohung. Trotz des Dreivierteltaktes hat dieser Teil den Charakter eines düsteren Marsches.935 Den scharf punktierten Hauptrhythmus begleitet ein Nebenrhythmus wie ein Stöhnen936, der Einsatz von großer und kleiner Trommel deutet auf die Nähe des Todes. Zuletzt übernimmt die Solovioline den Rhythmus in schweren Akkorden, gleitet dann aber wie im Rückblick hinüber in ein Ländlermotiv, dolce zu spielen, vom wiegenden Thema des zweiten Trios in Flöte und Oboe leise begleitet, ein Abschied vom Leben. Erinnerungen an das scherzando-Motiv des Allegrettos, an die einleitenden Quinten, an das wiegende Triothema, jetzt im vierstimmigen Kanon, tauchen noch einmal auf. Zuletzt ist eine flüchtige Reminiszenz an das Terzenmotiv wienerisch zu vernehmen. Mit dem plötzlich hereinbrechenden Akkord der Reprise kehrt der drohende Rhythmus wieder, jetzt verstärkt durch die

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Pauke. Auf einem langen Orgelpunkt führt das rhythmische Motiv über eine große Steigerung zum Höhepunkt T. 125, wo nahezu alle Orchesterstimmen, unterstützt vom Unheil verkündenden Tamtam, dieses Motiv molto pesante und im dreifachen forte übernehmen. Ein Nonenmotiv in der Solovioline, der Harfe und einigen Holzbläsern antwortet auf diesen Gewaltausbruch, ein Notruf, ähnlich wie ihn Mahler verwendet hat.937 Immer schwächer wird er, auch die Stimmen des bedrohlichen Rhythmus werden leiser, der lange Orgelpunkt auf F führt endlich nach B-Dur, und mit den letzten vier Tönen der Reihe beginnt die Solovioline den Choral „Es ist genug! Herr, wenn es dir gefällt, so spanne mich doch aus!“ In diesem Adagio-Teil hat Berg die Choralmelodie mit dem Text der ganzen Strophe sowie mit verschiedenen Ausdruckshinweisen versehen. Die Solovioline beginnt mit den ersten sechs Takten, leise umspielt von Reihenmotiven, bevor ein vierstimmiger Holzbläserchor die Takte im originalen Satz von Bach938 orgelartig wiederholt. In ähnlicher Weise wechseln die Stimmen in den folgenden Versen. Der letzte Vers „Es ist genug“ ist molto espressivo e amoroso vorzutragen, den Bläsertakten antwortet ein verrinnendes Echo. Zwei Variationen folgen, in denen der Choral den cantus firmus bildet, in der ersten aufgeteilt zwischen Celli und Posaune. T. 164 beginnt die gedämpfte Solovioline pianissimo einen Klagegesang mit zahlreichen Seufzerfiguren. Eine Geige stimmt ein, später eine zweite, dann eine weitere Gruppe, bis das Lamento einen Höhepunkt erreicht, den nachdrücklich molto largo gespielten Choralschluss. Fließend ist der Übergang zur zweiten Variation, in der die Umkehrung der Choralmelodie den cantus firmus bildet, vorgetragen von verschiedenen Blechbläsern, einmal im Kanon zwischen Trompeten/Hörnern und Tuba. Der Klagegesang der Solovioline steigert sich währenddessen (appassionato) bis zum Höhepunkt, von einem mächtigen Tamtamschlag betont. Danach nehmen Lautstärke und Klangdichte ab, bis kurz vor der Coda in verlangsamtem Tempo und wie aus der Ferne ein letztes Mal Takte des Kärntner Liedes erklingen, fast unmerklich in den Celli, fortgesetzt vom ersten Horn, dann pia-

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nissimo in den Violinen, bei den letzten Takten stimmt die Solovioline im flageolett ein wie aus sehr weiter Entfernung. Nach diesem bewegenden Abschied wird in der Coda noch einmal der vollständige Choral vorgetragen, kontrapunktiert vom Trauergesang der Solovioline, der molto adagio in den Choralschluss übergeht: „Es ist genug“, von Trompete und Hörnern in doppelten Notenwerten wiederholt. Zuletzt kehrt das Thema des Anfangs wieder, jetzt in übermäßigen Dreiklängen aufsteigend und morendo übergehend in lichte B-Dur-Akkorde, von der hinzugefügten Sexte sowie drei Schlägen des Tamtams, des Beckens und des Gongs so gefärbt, dass selbst an dieser Stelle des todtraurigen Schlusses keine Verklärung entstehen kann.939 Wie aus der Ferne sind am Ende ganz leise die Quinten des Anfangs zu hören. Der 230. Takt schließt mit Bergs Initiale, dem B der Kontrabässe, nachdem die Takte 222/223 die Töne H-F-B, die Initialen von Hanna Fuchs und die eigene, molto espressivo e amoroso in der Solovioline herausgestellt haben. Auch die Betonung seiner Schicksalszahl 23, am Ende vereinigt mit der 10 für Hanna Fuchs, lässt vermuten, dass dieses Requiem für Manon zugleich zum Ausdruck eigener Abschiedsempfindungen wurde.

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In schwärzester Zeit Am 9. Februar 1935 bringt die Post einen Brief von Schönberg: „Nun aber wünsche ich Dir zu Deinem fünfzigsten Geburtstag, daß Du weiter die Kraft und Gesundheit hast, die für unseren Kampf so nötig sind, Du, der als einziger unserer Sache allgemeine Anerkennung zu gewinnen imstande warst.“940 Die beigefügte Schallplatte mit Geburtstagsgrüßen hört Berg wieder und wieder. Wie wir Deine geliebte traute Stimme vernahmen, brachen wir Beide: Helene u. ich in Tränen aus: es war so, als wärst Du nach langer, langer Trennung zu uns in’s Zimmer getreten.941 Adorno schickt aus Oxford einen Brief und das Manuskript seiner Lieder op.3 mit der Widmung: „Alban Berg dem Meister in liebender Verehrung“. Nachmittags veranstaltet der „Verein für Neue Musik“ im Kleinen Musikvereinssaal ein Konzert zu Ehren Bergs, seine Klaviersonate und einige seiner Lieder sowie die Vier Stücke für Klarinette und Klavier stehen auf dem Programm, dazu das Lied der Lulu und das Adagio aus der LuluSuite (in einer Fassung mit Klavier zu vier Händen), schließlich die Lyrische Suite. Im Dankbrief an Adorno berührt Berg ein trauriges Kapitel: Um mir für die nächsten Monate die Existenz zu sichern u. damit die Arbeitsmöglichkeit, verfalle ich auf unmögliche Ideen, nachdem die möglichen (eine Professur in Wien, Vererbung meines gesamten fertigen u. noch zu schreibenden Werks gegen eine lebenslängliche Monatsrate) scheinbar nicht möglich sind: Verkauf meiner Manuscripte. Er bittet Adorno, sich in England wegen eines Verkaufs der Partitur der Lyrischen Suite umzuhören, und hofft auf andere Zeiten – sie w e r d e n kommen!942 Seit dem Tod von Manon Gropius am 22. April arbeitet er rastlos am Violinkonzert. Arbeit sei das Einzige, sich in diesen Zeiten h a l b w e g s m e n s c h l i c h am Leben zu erhalten943, schreibt er den Morgensterns. Als Willi Reich im August zwei Tage zu Besuch ins Waldhaus kommt, spielen sie vierhändig das ganze Violinkonzert durch. Glücklich, dass er die Arbeit abgeschlossen hat, spricht Berg von zukünftigen Plänen nach dem

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Abschluss der Lulu: ein Streichquartett, eine Symphonie, Kammermusik mit Klavier, Musik zu einem Tonfilm.944 Die Anregung zu einer Filmmusik hatte er zwei Jahre zuvor bekommen, während des Kongresses in Florenz, wo er notierte: Hochinteressante Ergebnisse mit dem Tonfilm: Die Zeit rückt immer näher wo d a s , was ich mir vorstelle, möglich sein wird.945 Im Spätsommer, während einer andauernden Schönwetterperiode, schreibt er an Helene: So schön sah ich den See noch nie! Welch ein Glück, für uns, daß uns in dieser, ansonsten schwärzesten Zeit, ein solches L i c h t beschert ist!!!946 Sein Leben sonst: Arbeit, Radio, Arbeit, Radio.947 Im August geschieht noch einmal ein Wunder: Anny Askenase besucht ihn im Waldhaus. Wochenlang schon leidet Berg an einem Furunkel, ausgelöst durch einen Insektenstich in der ersten Augustwoche. Webern, der ihn am 19. August im Waldhaus besucht, hat Fahrkarten zum Prager Musikfest der IGNM für Berg, Křenek und Steuermann bestellt. Wegen starker Beschwerden muss Berg die Reise im Oktober absagen. In Prag hätte er die Symphonischen Stücke aus der Oper Lulu, dirigiert von George Szell, zum ersten Mal hören können. Die Universal Edition hat die monatliche Ratenzahlung eingestellt,948 dem Waldhaus droht die Pfändung, das wenige verfügbare Geld wird vom Gerichtsvollzieher eingezogen. Zwei Monate hab‘ ich noch zu leben – was aber dann ...? steht in seinem letzten Brief vom 4. November an Willi Reich.949 In dieser finanziellen Not wendet er sich noch im November an die Redaktion des „Anbruch“: Euer Hochwohlgeboren, ich ersuche höflichst, in den Personalnachrichten Ihrer Zeitschrift folgende Notiz aufzunehmen: Alban Berg unterrichtet (Theorie u. Komposition) ab November wieder in Wien XIII: Trauttmansdorffgasse 27. Im Voraus bestens dankend, zeichnet hochachtungsvoll ...950 An Adorno schreibt er, er hoffe auf den Verkauf von Originalpartituren. Es geht mir nämlich materiell miserabel u. ich weiß mir für die nächsten Monate keinen Rat.951 Aber das Waldhaus zu verkaufen würde ihm die e i n z i g e Lebensfreude nehmen.952 In seinem letzten Brief an Alma Mahler schreibt er von dem Einzig Schönen in seinem Leben, dem Waldhaus. Alles andere, – aber auch wirklich alles andere ist – so

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s c h e u ß l i c h , daß ich geradezu froh bin, daß mir die Mitteilung u. Dir die Kenntnis davon erspart bleibt.953 Von Alma und Franz Werfel, die Anfang November nach New York reisen, kann er sich nicht mehr persönlich verabschieden. Vielleicht hörst auch Du drüben außer unsern Briefen zufällig Musik von mir954, steht noch in seinem Abschiedsbrief an Alma Mahler. Über die New Yorker Aufführung der Symphonischen Stücke aus der Oper „Lulu“ unter der Leitung von Otto Klemperer berichtet sie: „Das Publikum hörte mit tiefstem Interesse zu. Albans Name ist hier allgemein gekannt und hochgeachtet.“955 Am 12. November ist Berg wieder in Hietzing, es hat geschneit, in der Wohnung ist es kalt, er hat die Grippe und ein neues Furunkel, kann wegen der Schmerzen nur seitwärts auf der Stuhlkante sitzen. Auf dem Kanapee seines Arbeitszimmers, im Liegen, arbeitet er trotz des Fiebers noch an der Revision des Klavierauszugs zu seinem Violinkonzert, den Rita Kurzmann angefertigt hat. Obwohl seine Werke in Deutschland nicht mehr gespielt werden dürfen – Bergs Name steht dort auf einer Liste jüdischer Autoren956 –, wird im Wiener Konzerthaussaal am 11. und 12. Dezember noch einmal die Lulu-Suite mit den Wiener Symphonikern unter Oswald Kabasta aufgeführt. Berg ist zu den Proben eingeladen. So hört er zum ersten Mal den Klang seiner Lulu-Musik, im letzten Konzert seines Lebens. Kurz danach, in der Nacht zum 17. Dezember, bekommt er hohes Fieber und wird mit einer Blutvergiftung ins Rudolfsspital, III. Bezirk, eingeliefert. Um die Arztkosten zu sparen, hat Helene, wie Morgenstern berichtet, „eine Schere in kochendem Wasser sterilisiert und selbst das Geschwür geöffnet und ausgedrückt“ – nach dem Urteil des mit Morgenstern befreundeten Chirurgen Kasper Blond „das Gefährlichste, was man bei einem Furunkel anstellen kann.“957 Helene hatte es abgelehnt, Dr. Blond zu konsultieren.958 Berg wird sofort operiert, aber auch bei einer erneuten Operation kann der Eiterherd nicht entfernt werden. In der chirurgischen Abteilung dieses Hauses, das Ernst Křenek als „unbeschreiblich schmuddelig und dürftig“959 in Erinnerung hat, liegt Berg, gequält von Schmerzen und Fie-

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berschüben, mit mehreren Patienten in einem Durchgangszimmer. Als Morgenstern ihn dort besucht, tröstet ihn Berg: morgen schon werde er ein Einzelzimmer bekommen. Doch beim nächsten Krankenbesuch am 22. Dezember trifft Morgenstern ihn im Moribunden-Zimmer, todkrank, in einem elenden, viel zu kurzen Bett, neben ihm der tote Bettnachbar, den sie mit einem schwarzen Tuch zugedeckt haben. Liebenswürdig noch in dieser verzweifelten Situation, versucht Berg, den Freund aufzuheitern. Er habe eine Bluttransfusion bekommen, erzählt er, echtes Wiener Blut, hoffentlich werde er trotzdem kein Operettenkomponist.960 Als sein Bruder, der ihn am selben Tag besucht, beim Abschied sagt, er könne erst nach den Feiertagen wiederkommen, antwortet Berg lächelnd: Aber natürlich, das hat ja viel Zeit!961 Seine letzten Fieberphantasien kreisen um die Instrumentation, die Vollendung der Lulu. Am nächsten Tag, dem 23. Dezember, spendet ihm ein Geistlicher die Letzte Ölung. Das war so ein netter Mensch – ich konnte ihm nicht nein sagen962, erklärt Berg entschuldigend. Anton Webern besucht ihn ein letztes Mal vor seiner Reise nach Barcelona, wo er in der Jury der IGNM die Uraufführung von Bergs Violinkonzert durchsetzen wird. Charly und Anna Lebert bleiben den ganzen Tag am Krankenbett, viele Freunde, Schüler, ein Journalist warten über Stunden im Flur, auch Helene ist gekommen, erträgt den Anblick des Kranken nicht. Bis Mitternacht ist Alban Berg bei Bewusstsein, endlich, erleichtert, den 23. überlebt zu haben,963 schläft er ein. Kurz nach Mitternacht stirbt er. Am Nachmittag des 28. Dezembers wird er auf dem Alten Hietzinger Friedhof begraben. Viele Trauergäste sind gekommen, außer den Geschwistern und Angehörigen Künstler und Kunstfreunde, unter ihnen Soma Morgenstern, Stefan Zweig und Egon Wellesz. Schüler sprechen Abschiedsworte, Heinrich Jalowetz, Willi Reich, die Grabrede hält Ernst Křenek. Helene nimmt an der Beerdigung nicht teil. Die kleine Grabstelle hat die Gemeinde Wien gestiftet, später wird ein einfaches Kreuz aus dem Holz einer Lärche errichtet. Sie hatte in der Nähe des Waldhauses gestanden. Helene Berg hat ihren Mann um vierzig Jahre überlebt.964

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Am 2. Juni 1937 werden die beiden ersten Akte der Lulu im Opernhaus Zürich uraufgeführt; nach dem zweiten Akt stellt eine Pantomime zur Musik aus der Lulu-Suite den Schluss dar. Eine Aufführung aller drei Akte findet erst am 24. Februar 1979 an der Pariser Oper unter Pierre Boulez statt, Friedrich Cerha hat den dritten Akt nach Bergs Instrumentationshinweisen im sorgfältig ausgeführten Particell fertiggestellt.

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Lulu Vor den Vorhang, angekündigt durch schmetternde QuartenFanfaren der Blechbläser, tritt ein Tierbändiger. Ausgerüstet mit Peitsche und Revolver, bietet er eine Vorschau auf die barbarische Welt der folgenden Akte. Hereinspaziert in die Menagerie, fordert er das Publikum auf, ein Clown schlägt die Werbetrommel. Mit den Tieren seines Bestiariums – Tiger, Bär, Affen, Kamel, allerhand Gewürm, Reptilien, Molche, Krokodil und Schlange – werden zugleich die Figuren der Oper musikalisch vorgestellt: Dr. Schön, der Athlet, die Buffofiguren, der Maler, Schigolch, der Medizinalrat, Gräfin Geschwitz und Lulu. Einer scheint zu fehlen, der Komponist965 Alwa. Er verbirgt sich hinter der Maske des Tierbändigers, der sich, ebenso wie der Opernkomponist, dem Publikum ausgeliefert weiß: Mein Schädel zwischen eines Raubtiers Zähnen. Wie Alwa Lulu liebt er seine Schlange, die süße Unschuld, geschaffen, Unheil anzustiften, zu locken, zu verführen, zu vergiften – und zu morden –, ohne daß es einer spürt. Als die Schlange, Lulu im Pierrotkostüm, vor den Vorhang getragen wird, angekündigt durch den für die ganze Oper leitmotivischen Rhythmus, begleitet sie eine betörende Steicherkantilene, durch den morbiden Klang des Vibraphons in ein unwirkliches Licht getaucht, eine Klangfarbe, die ihr eigentümlich bleibt. Statt eines Hauptthemas sind ihr Leitmotive zugeordnet, die unterschiedliche Rollen und Verhaltensweisen begleiten: die süße Unschuld; ein tänzerisches Motiv für die Schlange, die biblische Verführerin, geschaffen, Unheil anzustiften; für ihre Schönheit, die Urgestalt des Weibes; auf die unverstellte Natur beziehen sich die reinen Quarten, die sogenannten Erdgeist-Quarten, zu Beginn der Oper.

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1. Akt, 1. Szene In seinem dürftig eingerichteten Atelier arbeitet der Maler (lyrischer Tenor) am Porträt Lulus (Koloratursopran), der Frau Medizinalrat. Für ihre gesellschaftliche Karriere hat der Chefredakteur Dr. Schön (Bariton) gesorgt. Sie haben mich bei der Hand genommen, mir zu essen gegeben, mich kleiden lassen, als ich Ihnen die Uhr stehlen wollte, erinnert sich Lulu. Ihr Ehemann, der jähzornige, eifersüchtige Medizinalrat, hält sie wie eine Gefangene. Ist von ihm die Rede, wird der starre Leitrhythmus hörbar. Dr. Schön beobachtet die Entstehung des Porträts, das fortan in keiner Szene fehlt und ein eigenes Motiv erhält: vier dreistimmige Akkorde, auch zu melodischen Skalenmotiven verwandelt. Gerade will ihn sein Sohn Alwa (Heldentenor) zur Generalprobe seines Balletts abholen. Der Austausch von Höflichkeitsfloskeln verbirgt die allgemeine Befangenheit, von der nur Lulu frei ist. Auf die Aussicht, dass Dr. Schön heiraten wird, reagiert sie mit dem Motiv der Unheil bringenden Schlange, dem Tanzmotiv, das ihre Empfehlungen an die Braut sehr anzüglich begleitet. Eine nervöse Spannung baut sich auf, als Lulu und der Maler allein sind. Beide fürchten das Auftauchen des Medizinalrats und wünschen es zugleich herbei. Das Porträtieren bedeutet, Lulus Körper zur Schau zu stellen und zu vermarkten: Wenn Sie links das Höschen ein wenig höher ... Mit dem Bild wird der Maler zu Reichtum kommen. Gegenüber seinen Annäherungsversuchen leistet Lulu Widerstand, statt eines Liebesduetts kommt es zu einem Canon mit immer stärkerem Einsatz von Schlaginstrumenten. Eine Jagd nach Beute: Lulus Stimme wird von der des Malers verfolgt, mit den gleichen Wendungen, dem Tanzmotiv (auch in der Umkehrung). Slapstickelemente betonen die das Liebesduett persiflierenden Züge: Stolpern, Fallen, Lulu hinter der Ottomane Schutz suchend, der Maler mit dem Tigerfell über dem Kopf, eine umstürzende Leiter. In der Coda endlich wechselt das Tempo zum Poco Adagio des Anfangs, auf das Liebesgeständnis des Malers entgegnet Lulu ernüchternd: Sie riechen nach Tabak. Wenn er sie Nelly nennt oder auch Eva, stößt er sie in die Ano-

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nymität allgemeiner Vorstellungen von der Frau,966 billigt ihr keine Identität zu, so dass Lulus leidenschaftlicher Satz, gipfelnd auf dem hohen b, Sie haben noch nie geliebt, mehr Wahrheit enthält als sein Vorwurf: Du hast noch nie geliebt. In diesem Augenblick rüttelt der Medizinalrat von außen an der Tür, ein Melodram beginnt (rhythmisches Sprechen über anhaltendem Tremolo der Kontrabässe), Pauken und Trommeln steigern den Leitrhythmus vom piano zum forte, bis den Medizinalrat der Schlag trifft: das erste der vier männlichen Todesopfer in Lulus Gefolge. Eine groteske Szene an der Leiche spielt sich nun ab: der vor Entsetzen stotternde Maler, der den Toten immer noch anredet, den Medizinalrat aber nur stückweise herausbringt, und die Canzonetta Lulus, Andantino grazioso, in der die Entfremdung von ihrem Mann in makabrer Überzeichnung erscheint. Während sie den Leichnam mit der Fußspitze anstößt – ein fremdes Ding, so wie sie bloß ein Besitzstück für ihn war -, nennt sie ihn Pussi, das komische Echo der Solovioline verstärkt den grotesken Eindruck. Staccato-Oktaven in Flöten und Klavier zeichnen ihre Trippelschritte nach, doch der Tanz ist aus, Trillerfiguren und die Erdgeist-Quarten in der Umkehrung zeigen ihre Ratlosigkeit: Was fang ich an? Ihre Kälte und absolute Ichbezogenheit verstören den Maler, sein Bild von Lulu gerät ins Wanken: vollkommen verwildert kommt sie ihm vor, verglichen mit dem Bild, das er sich von ihr gemacht hat – die Bildmotive (Bildakkorde und Skalenmotiv) deuten darauf hin. Das melodische Bildmotiv – folgerichtig in der Umkehrung und wie dozierend – prägt auch das Duett, in dem Lulu auf die Fragen des Malers nach Wahrheit, Gott, Moral, Liebe immer nur antwortet: Ich weiß es nicht. Die Absurdität dieses existenziellen Verhörs prägt auch die Musik: Lulus stereotype Antworten (die melodischen Wendungen des Fragestellers imitierend) scheinen aus einem Automaten zu kommen wie der Gesang der Puppe Olympia,967 die Vertonung wird immer notenreicher, verziert mit künstlichen Koloraturen, kommentiert von den Naturstimmen der Hörner. Als der Maler Lulu endlich fortschickt, begleitet sie das Tanzmotiv im zierlichen Staccato von drei

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Holzbläsern. Den Abschluss der ersten Szene bildet ein Monolog des Malers vor der Leiche, ein Arioso, Grave überschrieben, dunkel instrumentiert mit Blechbläsern, tiefen Streichern und Altsaxophon. Der Ausdruck verzweifelter Angst, dem neuen Glück nicht gewachsen zu sein, wird ironisch gebrochen durch Lulus Tanzmotiv (staccato in den Posaunen) gerade an der Stelle, als er um seelische Freiheit ringt. Bevor der Vorhang fällt, kommt Lulu wieder – Klavier und Klarinetten spielen ihr puppenhaftes Trippelschrittmotiv –, kokett bittet sie den Maler, ihr das Kleid zuzuhaken. Eine Verwandlungsmusik leitet zur nächsten Szene über. In einer Art sinfonischer Durchführung werden zwei Komplexe der ersten Szene verarbeitet: Lulus Canzonetta sowie der Canon968, der das Trio, den mittleren Teil dieses scherzoartigen Interludiums, bildet. Darin verstärken Blechbläser und Schlagzeug den Jagdcharakter, während das Andantino grazioso Lulus Motive noch einmal in verführerischem Licht erscheinen lässt.

1. Akt, 2. Szene Lulu, nach dem Tod des Medizinalrats zu Reichtum gekommen, ist nun die Gattin des Malers, der seitdem Karriere macht. Ein sehr eleganter Salon bildet den Hintergrund der zweiten Szene, die mit einem Duettino des Paares beginnt. Das Thema der beiden Strophen klingt wie aus einem Chanson, fremd und komisch in der zwölftönigen Umgebung. Die verliebten Komplimente des Malers werden durch das Läuten der elektrischen Klingel unterbrochen. So singt Lulu die zweite Strophe des Duetts allein, in einem verzückt träumenden Zustand. Fast operettenhaft wird ihre Liebe in einem langgezogenen Halbtonschritt ausgestellt: Du ... Du ... Sie schließt die Augen, meint einen anderen. Ein Bettler war an der Tür, ein gebrechlicher, asthmatischer Greis, den Lulu nun hereinführt. Sie kennt diesen Schigolch (hoher Bass) seit Menschengedenken, er war der letzte, der sie Lulu nannte. Dr. Schön hält ihn für ihren Vater, doch Schi-

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golchs Identität bleibt unklar. Sein chromatisches Thema erscheint konturlos. Ein Nonett für Holzbläser in tiefer Lage, eingeleitet von einem stockenden Motiv des Kontrafagotts, bildet seinen mühsamen Gang ab. Sein Asthma, das Keuchen, wird hörbar in den kurzen Pausen der Bläserstimmen, viel Luft heißt eine Anweisung für die Flöten. Schigolchs Verblüffung über den Luxus der Wohnung, vor allem über das Porträt Lulus – Das bist ja Du –, hat etwas Komisches, die aufsteigende Sept969 in seiner Partie (ja Du) erhält gleich vier instrumentale Echos. Wenn er mit seiner Fürsorglichkeit für Lulu prahlt, um die er sich jahrelang nicht gekümmert hat, wird das Zwielichtige dieser Figur deutlich, das musikalisch schon in der Chromatik des Schigolch-Themas angelegt ist. Eigentlich ist er ja gekommen, um sich Geld zu holen. Lulu aber hat offenbar eine tiefere Verbindung zu ihm, bekennt ihm gegenüber offen, mit einer Geste des Schauderns, die Leere ihres jetzigen Lebens, ja den völligen Verlust ihrer Identität: Jetzt bin ich ja nur mehr ... ein Tier ... In diesem Augenblick läutet es wieder, sie begleitet Schigolch hinaus. Mit dem Auftritt Dr. Schöns ändert sich der musikalische Charakter schlagartig, Posaunen in strahlendem A-Dur lösen die chromatischen Skalen ab, und es beginnt eine groß angelegte Sonate. Der Rückgriff auf die Sonatenform betont, wie wichtig kulturelle Normen und Gesellschaftsregeln für Dr. Schön sind. Die Exposition, Allegro energico, führt Schöns Thema in verschiedenen Varianten vor. Große Intervalle, gleich im ersten Takt die aufsteigende Dezime, der „Tigersprung“ aus dem Prolog, die Spielanweisungen energico und marcato kennzeichnen den Machtmenschen, die Überlegenheit, die sich mit einem ausgeprägten Standesbewusstsein verbindet: Ein Mensch wie Schigolch käme ihm nicht über die Schwelle. In förmlichem Ton – er siezt sie plötzlich – fordert er seine langjährige Geliebte auf, ihre Besuche bei ihm einzustellen. Lulu solle ihn endlich aus dem Spiel lassen, nach allem, was er für sie geleistet habe: zwei Heiraten arrangiert, ein Leben im Luxus ermöglicht. Fast drohend klingt die Basstuba an dieser Stelle. Lulus Verzweiflung über die Ehe mit dem Maler, dem sie nichts als Weib ist

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(zweimal kommentiert das Tanzthema ihre Worte), kommt in der kurzen Überleitungsgruppe zum Ausdruck, mit einer expressiven Steigerung zum hohen D (Er ist blind, blind, blind ...). Dr. Schön scheint ungerührt, im Tempo di Gavotta betont er seine Verdienste, schließlich singen beide gleichzeitig: Schön rühmt seine Wohltaten, Lulu beklagt ihre Ehe mit dem Maler. Im Charakter des alten Gesellschaftstanzes, der Gavotte,970 kündigt Dr. Schön sein künftiges bürgerliches Wohlverhalten an (Seitenthema der Sonate): er will seine Braut unter ein reines Dach führen und Lulu nur noch in Gesellschaft ihres Mannes treffen. Lulu aber gesteht ihm: Wenn ich einem Menschen auf dieser Welt angehöre, gehöre ich Ihnen. Zu ihrem leise gesprochenen Bekenntnis (Coda der Sonate) spielen die Streicher lento, anfangs über tonalen Harmonien, ein zweites Thema Schöns, einen weit schwingenden, sehnsüchtigen Melodiebogen, Ausdruck verborgener Wünsche, zugleich Lulus Sehnsuchtsbild. Heftig fällt ihr Dr. Schön ins Wort, in den Hörnern ist das Tigersprungmotiv (zufahrend) zu hören. Er wehrt sich mit Gewalt gegen die eigenen Wünsche, die insistierenden Tonrepetitionen werden geschrien, dann von einer gestopften Trompete im forte wiederholt. Das Tempo der so beginnenden Reprise wechselt wieder zum Allegro energico des Sonatenanfangs. Gegen Schöns Argumente bringt Lulu nur noch ein paarmal Ach so! heraus, verletzt von der Verachtung, die Schön in seinem Verhalten zeigt. Als der Maler, alarmiert durch den lautstarken Wortwechsel, im Salon erscheint, erklärt Lulu ihm die Lage: Man hat mich satt. Während des gesprochenen Dialogs spielen Hörner und Streicher noch einmal, sehr langsam, das Sehnsuchtsthema. Nachdem Lulu den Raum verlassen hat, klärt Schön den ahnungslosen Maler rücksichtslos über ihre Vergangenheit auf. Immerhin habe der Maler eine halbe Million geheiratet, dafür müsse er manches in Kauf nehmen, was Mignon, wie Schön sie nennt, betreffe. Weil er Lulu loswerden will, rät er dem Maler, sie Autorität fühlen zu lassen, sie verlange ja nicht mehr, als Gehorsam leisten zu dürfen. Der Maler bricht verzweifelt zusammen. Diese Unterredung hat Berg als Monoritmica gestaltet, ein über 329 Takte ausgedehntes rhythmisches Ostinato, mit dem

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die zweite Szene zu Ende geht. Stete Temposteigerung971 betont die Dramatik der Szene. Beim Selbstmord des Malers setzt ein Schlagwerk-Solo ein (vier Pauken, kleine Trommel, Gong, Tam-tam, Triangel, Jazztrompete, Vibraphon), aus dem Ostinatomotiv entsteht ein rhythmischer Kanon. Die Szene könnte aus einem grotesken Kriminalstück stammen: Fürchterliches Stöhnen im Nebenzimmer, Dr. Schön pocht vergeblich gegen die verschlossene Tür, Lulu, hinzukommend, soll ein Beil aus der Küche holen. Ein weiterer Schock: zweimal läutet es an der Haustür, Schön und Lulu versuchen sich wegzuschleichen. Herein aber kommt Alwa mit einer Neuigkeit, von einer leisen Klavierfanfare eingeleitet: In Paris ist Revolution ausgebrochen. Dieser noch zweimal von Schön wiederholte Satz ironisiert nur vordergründig den Tumult im Salon. Am Schluss der Oper sagt die Geschwitz: Ich lasse mich immatrikulieren. Ich muß für Frauenrechte kämpfen. Denn nichts wird sich ändern, bevor die Menschen gegen Unterdrückung und Zwänge revoltieren. Alwa gelingt es endlich, mit dem Beil die Tür aufzubrechen, der Höhepunkt der Monoritmica ist erreicht. Fortissimo schlagen vier Pauken den Leitrhythmus, insistierend wiederholen sie das alte Unheilssymbol, den verminderten Septakkord, Quartsignale der Hörner steigen auf bis zum f2. Beim Anblick des Toten bemerkt Schön zynisch: Da liegt meine Verlobung! Lulu stellt nur fest, dem Maler sei wohl ein Licht aufgegangen. Ihr Tanzthema (in der Umkehrung) betont die Leichtigkeit, mit der sie über das Unglück anderer hinweggeht. Alwa aber beneidet den Toten: Er hatte, was sich ein Mensch nur erträumen kann. Gleichzeitig hört man aus Schöns Telefonat mit der Polizei: Hals durchschnitten... Verfolgungswahn. Bevor die Polizei eintrifft, entfernt Lulu noch Schöns Blutflecken, ein Liebesdienst. Ihm aber kommt sie vor wie ein Ungeheuer. Geradezu ernüchternd antwortet ihr Tanzthema auf Schöns nachdrücklich von Posaunen und Trompeten vorgetragenes Sehnsuchtsthema. Am Ende triumphiert sie: Sie heiraten mich ja doch!

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Eine Verwandlungsmusik, Grave, leitet mit Schöns Themen, vorwiegend mit dem Sehnsuchtsthema, und den Erdgeist-Quarten zur nächsten Szene über.

1. Akt, 3. Szene Mit Dr. Schöns Hilfe ist Lulu als Tänzerin von einem Theater engagiert worden. In ihrer Garderobe, kurz vor ihrem Auftritt, unterhalten sich Lulu und Alwa, Lulu noch hinter der Spanischen Wand, sich umkleidend. Ihr Porträt ist jetzt auf einem großen Plakat zu sehen. Eine Jazzband hinter der Bühne spielt Tanzmusik, einen Ragtime. Als Lulu im Ballettkostüm vor Alwa erscheint, ist er fast schmerzlich geblendet. Die Band verstummt, und während gedämpfte Violinen über einem schillernden Nonenakkord der Streicher und des Vibraphons die ErgeistQuarten spielen, erinnert sich Alwa an seine erste Begegnung mit Lulu: Ich sah etwas so unendlich hoch über mir Stehendes in Ihnen. Das Andante ist ein unausgesprochenes Liebesbekenntnis. Alwas Thema mit dem schwärmerischen Sextsprung, begleitet von fast tonalen Klängen, zeigt indes auch sein Verstricktsein in etwas Aussichtsloses, wiederholt kreist ein Motiv auf engstem Raum. Die Verklärung zur Heiligen ist ja nur eine Projektion, die Wirklichkeit drängt sich wieder ins Bewusstsein, als erneut die Jazzband mit einem English Waltz972 hinter der Szene zu hören ist und Lulu von reichen Heiratskandidaten redet. Über die ließe sich freilich eine interessante Oper schreiben, denkt Alwa. Das wäre Futter für die Menagerie im Parkett. Deren Bravorufe dringen jetzt bis in die Garderobe. Bergs Selbstzitat an dieser Stelle, der erste Takt aus dem Wozzeck, ist eine der vielen ironischen Brechungen in seiner Oper.973 Ein Heiratskandidat tritt auf, der Prinz (Tenor-Buffo). Bei seinem Erscheinen setzt nach einem kurzen Vorspiel die Basstuba mit einer feierlichen Choralmelodie ein, und während er über Lulus Seelenleben und ihre körperliche und seelische Vornehmheit räsoniert, liefert die Choralbearbeitung den ironischen Kommentar. Plötzlich reißt die elektrische Klingel – ein langes

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Vibrato des Vibraphons sowie der Leitrhythmus in den Hörnern – den Prinzen aus seinen Zukunftsträumen. Ein V-Effekt, der sich mit der Klingel fast jedesmal einstellt. Es gibt Lärm hinter der Szene, die Jazzband mit ihrem Ragtime (Trio) ist für kurze Zeit zu hören. Da ist was passiert! fürchtet Alwa. Lulu hat den Abbruch der Vorstellung mit einem gespielten Ohnmachtsanfall erzwungen, mitten im Tanz, wie die Garderobiere berichtet. Dr. Schön ist der einzige, der das Theater durchschaut, den Affront gegen ihn und seine Braut, vor der Lulu auf keinen Fall tanzen will. Ein Sextett (Lulu, Garderobiere, Alwa, Prinz, Schön, Theaterdirektor) beginnt: aufgeregte Stimmen über dem chromatischen Ragtime-Motiv, in der Höhe Lulus Nein, nein, gipfelnd in einem langen Triller. Nach dem Höhepunkt auf einer Fermate hört man das Sextett rückläufig, als Krebs gespiegelt, ohnehin ist hier der Text Nebensache. Der erste Akt endet mit einer Unterredung zwischen Dr. Schön und Lulu, die allein in der Garderobe zurückgeblieben sind. Dieser Dialog bildet die Durchführung der Sonate, ihren Höhepunkt. Die Machtverhältnisse kehren sich um, Lulu erreicht es, dass Schön seine Haltung verliert, gewalttätig zu werden droht, sich demütigen lässt und am Ende ihre willenlose Marionette wird. Sie beherrscht die Szene wie die Schlange aus dem Prolog. Zunächst scheint Schön mit seinem Befehl Auf die Bühne! noch der Bestimmende, sein Hauptthema ist in verschiedenen rhythmischen Varianten zu hören. Als er Lulu ihre obskure Herkunft vorhält, erklingen wiederholt die ErdgeistQuarten. Um Zeit zu gewinnen, spielt sie die Erschöpfte: Ich kann mich gar nicht aufrecht halten! singt sie – zur Melodie ihres Tanzthemas. Dann weckt sie Schöns Eifersucht – der Einsatz des Schlagwerks verrät seine Unruhe – mit der Erwähnung, dass der Prinz sie nach Afrika mitnehmen wolle. Sie genießt es, ihm seine Schwäche vorzuhalten, seine Unfähigkeit, sich von ihr loszureißen: Sie sind seit drei Jahren verlobt: Warum heiraten Sie nicht? Schöns zweites Thema, das Sehnsuchtsthema, ist von jetzt an wiederholt zu hören, das Tigersprung-Intervall seines Hauptthemas wird nun zum Klageruf. Lulu kostet ihren Triumph aus, wie das lang angehaltene hohe h zeigt: Der Gewalt-

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mensch weint! Die tiefste Stufe der Erniedrigung ist mit dem Briefduett erreicht. Nach Lulus Diktat schreibt Schön seiner Braut einen Brief, in dem er die Verlobung löst; er könne sich nicht von der Frau befreien, die ihn beherrsche. Lulu diktiert den Brief zur graziösen Musik der Gavotte (Seitenthema der Sonate), die zuvor Schöns bürgerliche Zukunftspläne begleitete. Instrumentale Echos, vorwiegend von einem Streichersolisten gespielt und kanonartig mit der Gesangsstimme verflochten, verdeutlichen das Schreiben nach Diktat. Die Coda ist mit Lento überschrieben. Zu Schöns Worten Jetzt kommt die Hinrichtung erklingt molto espressivo der Beginn des Sehnsuchtsthemas in der gedämpften Posaune, dann mit weit gedehnten Intervallen in den gedämpften Violinen. Der Leitrhythmus der Bläser und der großen Trommel begleitet seinen Zusammenbruch.

2. Akt, 1. Szene Lulu ist durch die Heirat mit Dr. Schön am Ziel ihrer Wünsche. Der prachtvolle Saal, ausgestattet mit Säulen, Gobelins, Kunstgegenständen, zeigt, dass sie aufgestiegen ist in die Welt der Kultur. Ihr Porträt hat nun einen Goldrahmen. Doch das Drama steuert auf die Peripetie zu, auf den tiefen Absturz Lulus. Am Ende dieser Szene wird sie als Mörderin verhaftet. Gräfin Geschwitz (Mezzosopran) überbringt Lulu, der Frau Doktor, eine Einladung zum Künstlerinnenball. Mit einem ihr eigentümlichen Klang der verhaltenen Erwartung wird die Gräfin eingeführt, einem unaufgelösten Septakkord und leeren Quinten der Holzbläser.974 Schön lobt die wundervollen Blumen, die sie für Lulu mitgebracht hat. Die aufsteigenden Dominantseptakkorde der Streicher an dieser Stelle, ein Dolce-Motiv und schwärmerische Septimen der Solovioline sind Ausdruck verschwiegener Erotik. Lulu gibt sich kokett, genießt die Verehrung, Schön fühlt sich unbehaglich. Als die Damen gegangen sind, beklagt er in einem Arioso seinen Lebensabend: Die Pest im Haus. Dreißig Jahre Arbeit – und das mein Familienkreis. Er ahnt, dass während seiner Abwesenheit Liebhaber Lulus im

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Hause verkehren, wittert sie überall, sucht mit geladener Pistole nach Eindringlingen. Ausdruck seiner Verfolgungsangst ist der Leitrhythmus in großer und kleiner Trommel. Sein Thema erscheint nun in der Umkehrung, die Variante im Fagott zeugt von zunehmender Nervosität, sein Hauptthema in der Posaune wird durch vergrößerte Sprünge und die Klangfarbe zum Ausdruck der Verzweiflung, ein Wechselnotenmotiv975 lässt seine Furcht vor dem Irrsinn erkennen. Als Lulu zurückkommt, verändert sich die Klangfarbe. Mit den schmeichelnden Worten ihrer Kavatine, begleitet vom ostinaten Tangorhythmus der Streicher und der Harfe, versucht sie Schöns Verdacht gegen die Geschwitz zu zerstreuen – er soll ja den Saal verlassen, um ihren Verehrern nicht zu begegnen, die ihn heute an der Börse vermuten. Doppeldeutig wie Lulus Verhalten sind die zwischen Dur und Moll wechselnden Akkorde des Vibraphons und der Flöten, die ihre Worte begleiten. Ein Zitat aus dem Duettino mit dem Maler976 betont ihre verführerische Koketterie, und ihre letzten Worte zitieren Schöns Sehnsuchtsthema: sie kann seiner Liebe sicher sein. Während die Erdgeist-Quarten in verschiedenen Stimmen auftauchen, verschwinden beide im Schlafzimmer. Leise Klarinettenläufe (schleichend) begleiten den heimlichen Auftritt der Geschwitz, die sich sogleich wieder hinter dem Kaminschirm verbirgt. Unversehens belagern zwei andere Liebhaber Lulus den Salon, der Athlet (Bass) und der Gymnasiast (Alt), angeführt von Schigolch. Schöns Börsentag ist ihr jour fixe. Hier wohnen wir, erklärt Schigolch dem Gymnasiasten. Deutlich werden die Figuren dieses Ensembles durch die Musik charakterisiert. Schigolchs chromatisches Motiv taucht in den tiefen Streichern auf, zugleich wird durch Glissandi auf komische Weise demonstriert, dass er sich auf dem Parkett nicht zu bewegen weiß. Die polternde Grobheit des Athleten illustrieren Riesenintervalle der Blechbläser, seine Gesangspartie, durchgehend in Viertelnoten, entspricht seiner ungehobelten Sprache. Der Gymnasiast, dessen Augen Lulu um ihren Schlaf gebracht haben, wie der Athlet weiß, ist ein kindlicher Schwärmer, sein Gesang besteht aus lauter kleinen Fanfaren. Er hat ein Gedicht für Lulu gemacht, das der Athlet roh kommentiert, an-

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zügliche Streicherglissandi sind zu hören und eine spöttisch klingende chromatische Skala (kurz gestoßen) der Hörner. Was der Schüler noch nicht durchschaut: die beiden Männer benutzen Schöns Wohnung – jeweils am Börsentag – als Bordell, in das sie ihn gegen Bezahlung einführen. Von einem betörenden Klang begleitet, erscheint Lulu in eleganter Balltoilette und nähert sich sogleich dem Gymnasiasten, um ihn den Duft der Blumen an ihrem Dekolleté einatmen zu lassen; ihr Part enthält eine kokette Koloratur auf Orchideen. Ein komischer Canon über die Männer, die Lulu hätten ursprünglich heiraten wollen, entwickelt sich. Als der Kammerdiener Dr. Schön meldet, kommt Panik auf. Der Athlet und der Gymnasiast verstecken sich, nur Schigolch bleibt gleichmütig, sehr langsam, immer wieder innehaltend, steigt er die Treppe hinauf. Statt des gefürchteten Dr. Schön erscheint Alwa, auf dem Weg zu einer Matinee. Natürlich bemerkt er Schigolch, den ihm Lulu als alten Kriegskameraden seines Vaters vorstellt. Um ihn abzulenken, fragt sie ihn, wie Narziss fasziniert von der eigenen Schönheit: Wie findest Du mich? Ein großes Rondo beginnt, eine immer wieder durch grelle Komik gestörte Liebesszene, heimlich beobachtet vom vorzeitig zurückgekehrten Dr. Schön auf der Galerie und den im Salon versteckten Gestalten. Zweimal wird die Szene unterbrochen durch den Kammerdiener, auch er ein Opfer Lulus. Alwas Thema im Rondo, unterschiedlich instrumentiert und rhythmisiert, entwirft das Porträt eines scheuen Schwärmers und Träumers, gleich zu erkennen am gefühlvollen Aufschwung zur Sexte sowie an der Häufigkeit tonaler Akkorde in weicher Instrumentierung. Von seiner unerfüllten Sehnsucht sprechen nur die elegischen Orchesterstimmen, er bittet Lulu: Sprechen wir nicht davon! Ein weiteres Thema, entwickelt aus dem Sechzehntelmotiv seines Hauptthemas, bildet in der ziellos kreisenden Bewegung ab, wie Alwa im Zwang der Konventionen gefangen bleibt. Aus steter Rücksicht auf seinen Vater hat er bis jetzt seine Liebe zu Lulu verheimlicht. In Alwas Partie ist das Rondothema mit molto cantabile überschrieben: Eine Seele, die sich im Jenseits den Schlaf aus den Augen reibt ... Er meint Lulu, spricht aber eigentlich

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über sich selbst, sein Leben in einer Traumwelt. Er ist der einzige, der nichts von den häufigen Störungen bemerkt, und sein Geständnis – Mignon, ich liebe Dich ... – richtet sich an ein Wunschbild, wie die Anrede und der begleitende TristanAkkord erkennen lassen. Lulus Antwort, in die Stille gesprochen, zerstört jede Illusion: Ich habe Deine Mutter vergiftet ... Eine tumultartige Szene, eine „Schauerburleske“977 folgt, als Schön den Athleten erblickt und den Revolver auf ihn richtet. Das Motiv seines Verfolgungswahns, auf- und absteigend in wechselnden Stimmen, bildet den Hintergrund des Geschehens, einer Szene wie aus einem Kriminalstück. Dem Athleten gelingt es, sich wieder zu verstecken, und Schön versucht seinen Sohn mit der Nachricht, in Paris sei die Revolution ausgebrochen, aus seinen Träumen zu reißen. Alwa, noch immer vor Lulu auf den Knien, erhebt sich wie schlaftrunken. Sein Vater packt ihn energisch und verlässt mit ihm den Salon. Als er wieder hereinkommt, beginnt eine vergebliche Verfolgungsjagd (tumultuoso), dem Athleten gelingt es erneut, sich zu verbergen. Da richtet sich Schöns verzweifelte Wut gegen Lulu. Nach dem alten Muster der Rachearie folgt eine Arie Schöns (Furioso) in fünf Strophen. Du Kreatur!, klagt er Lulu an, Du Würgeengel! Das zynische Du Freude meines Alters! kommentiert sein Hauptthema in der Umkehrung, sein Sehnsuchtsthema wird zur Klage über Lulu, sein Verhängnis. Die leidenschaftliche Emphase aber bekommt Brüche, zuerst, wenn Lulu ihm kokett ihr neues Kleid vorführt, nach der zweiten Strophe, wenn sie mit dem Revolver – sie soll sich selbst erschießen – herumspielt, so dass ein Schuss an die Decke knallt und der Athlet aus seinem Versteck über die Galerie flüchtet, in der dritten Strophe durch die Entdeckung der Geschwitz hinter dem umgestürzten Kaminschirm. Den Beginn der einzelnen Strophen, die in der Thematik variieren, markieren die Erdgeist-Quarten. Die zweite Strophe zitiert Alwas Thema, dessen Ende Schön voraussieht; bedrohliche Septakkorde der Hörner sind zu hören und das wilde Tigermotiv, als er sich entschließt, Lulu zum Selbstmord zu zwingen. Während die dritte Strophe vor allem durch die Quinten und die Pentatonik der soeben entdeckten Gräfin sowie den ironischen

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Tonfall Schöns eine retardierende Funktion hat, steigert sich die Dramatik in der vierten. Schön will seinem Leben ein Ende machen und drängt Lulu mit Zeichen innerer Erregung (pochende Tonwiederholungen der Hörner) den Revolver auf. Lulus Vorschlag, sich scheiden zu lassen, weist er sarkastisch zurück. Während er am Abgrund stehe, sei schon der nächste Liebhaber an der Reihe – gemeint ist Alwa, dessen Thema an dieser Stelle zitiert wird. Verzweiflung erfasst Schön, wilde Sprünge und die lang angehaltenen Gipfeltöne charakterisieren seinen Part: Den Selbstmord im Nacken und Dich vor mir! Dann ein Bekenntnis, leise gesungen, ein letztes Mal erklingt sein Sehnsuchtsthema, todernst, mit dem Leitrhythmus in Trommel, Tam-Tam und Becken: Läßt man sich scheiden, wenn die Menschen ineinander hineingewachsen und der halbe Mensch mitgeht? Sich erneut in Wut steigernd, will er Lulu die Waffe entreißen und sich erschießen. Sie aber hält den Revolver fest. Nach einem heftigen Fortissimo-Akkord der Trompeten und Posaunen verändert sich plötzlich der Charakter der Musik. Ein leiser Quartenakkord eröffnet das Lied der Lulu. Ihre Erwiderung auf Schöns Anklagen – in entschiedenem, selbstbewußtem Ton, heißt die Anweisung – gerät zu einem Manifest, einer Definition ihres Wertes (was ich bin), wenn auch nur in der Verneinung. Ihr Gesang, kristallhell über den Orchesterstimmen schwebend, wird Abbild ihrer rätselhaften Schönheit. Zum ersten Mal erscheint ihr Hauptthema, zum ersten Mal spielt sie keine Rolle, das Tempo des Pulsschlages soll den Vortrag bestimmen. Die Argumente sind so vertont, dass die zweite Hälfte eines Satzpaares jeweils die Umkehrung der ersten bildet. So wird in den Sätzen zwei bis vier das alles beherrschende Tauschprinzip abgebildet: Wenn du mir deinen Lebensabend zum Opfer bringst, / so hast du meine ganze Jugend dafür gehabt. Der Ausdruck der Musik steigert sich, die Zahl der eingesetzten Orchesterinstrumente nimmt allmählich zu, der Gesang erreicht immer höhere Lagen, geht in Koloraturen über und endet in einem sich senkenden Bogen mit den Erdgeist-Quarten, naturhaft, offen, unbestimmt, Inbegriff ihres Wesens (die Quar-

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ten kennzeichnen die Worte meinen Wert und als was ich bin), zuletzt mit einer weitgespannten Sehnsuchtsgeste der Violinen. Übergangslos, im Tempo furioso, folgt die letzte Strophe der Arie. Trompete und Violinen spielen gleichzeitig, aber in verschiedenen Notenwerten, Schöns Thema, das Tigersprungmotiv wird zur Drohgebärde, der Leitrhythmus der großen Trommel begleitet Schöns Wutausbruch: Nieder, Mörderin! In die Knie! Dann wird dieser Rhythmus, im wiederholten Akkord von sieben Quarten, zur Todesdrohung. Mit der Pistole, die Lulu noch in der Hand hält, will Schön sie erschießen, wird aber abgelenkt vom Gepolter des Gymnasiasten, der unter dem Tisch hervorspringt. Da feuert Lulu fünf Schüsse auf Schön ab, hört nicht auf, den Revolver abzudrücken. In diesem Chaos (Tumultuoso) bekommt selbst das Sterben Schöns noch groteske Züge, nicht nur durch die Entdeckung des Gymnasiasten (Da ist noch einer!), Schön erblickt auch noch die Gräfin hinter der Tür (Der Teufel!). Auf seine Hilferufe kommt Alwa herbeigelaufen, versucht dem Sterbenden beizustehen. Noch einmal ist Schöns Thema zu hören, streng, choralartig in gleichmäßigen Vierteln und unisono von Violinen und Klavier vorgetragen, dann spielen Holzbläser und Harfe ebenso streng die Tonreihe, die Lulus Thema zugrunde liegt,978 und lassen so die Zusammengehörigkeit der beiden erkennen, wenn auch nur als Idee. Der Einzige, den ich geliebt! singt Lulu beim Anblick des Sterbenden. Nach einem Blick auf Lulus Porträt – das Saxophon spielt das Tanzthema – beschwört Schön seinen Sohn: Laß sie nicht entkommen: Du bist der Nächste...Die plötzlich eintretende Stille durch den lang angehaltenen Quintklang der Gräfin (Grave) leitet eine kurze Trauermusik für den Toten ein, leise spielen die Flöten Schöns Sehnsuchtsthema, Lulus Gesang bildet sein Echo: Er hat es überstanden. Als sie fliehen will und Alwa ihr den Weg versperrt, versucht sie ihn mit Bitten und Versprechungen davon abzuhalten, sie der Polizei auszuliefern. Dabei geht die Musik über in ein Grazioso mit dem schmeichelnden Tanzthema, darauf folgt eine leidenschaftlich gesungene Arietta Lulus, in der Alwas Thema, begleitet von Quartenakkorden, zum Ausdruck ihrer Bitten wird. Auch das Tanzthema kommt,

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Glück versprechend, noch einmal zum Einsatz, zuletzt aber, als kein Rollenspiel mehr hilft, bleiben nur die leeren ErdgeistQuarten, immer dringlicher wiederholt: Sieh mich an! Die elektrische Klingel alarmiert alle, drohend pocht der Leitrhythmus im Schlagwerk und den Clustern des Klaviers, und unter den jagenden Sequenzen des Verfolgungsmotivs erscheint, bevor sich der Vorhang schließt, die Polizei. Für die nun folgende Verwandlung, die Peripetie des Dramas, hat Berg eine Musik komponiert, zu der in einem kurzen Stummfilm das weitere Schicksal Lulus angedeutet werden sollte: Verhaftung, Prozess, Haft, Befreiungsplan, Isolierbaracke, Befreiung. Der Film sollte ebenso symmetrisch verlaufen wie die Musik, also vorwärtsgehend und rückläufig. Eröffnet von drohenden Trompetensignalen (Tumultuoso), entwickelt sich in furiosem Tempo eine Verfolgungsmusik, in der die Themen der Figuren, besonders Lulus Hauptthema, in Sechzehntel aufgelöst, einander jagen. Die Erdgeist-Quarten führen zur Klimax im fortissimo, dann läuft nach einer Fermate das Ganze in umgekehrter Richtung ab, vom Höhepunkt Vivace bis zum Tumultuoso, den Fanfaren des Anfangs. Nach diesem Zwischenspiel beginnt der unaufhaltsame Abstieg Lulus.

2. Akt, 2. Szene979 Ein Jahr ist seit der Verhaftung Lulus vergangen. Der ehemals prachtvolle Saal im Hause Dr. Schöns ist völlig abgedunkelt, wirkt verstaubt und unbewohnt, von Lulus Bild, an den Kamin gelehnt, ist nur die Rückseite zu sehen. Gräfin Geschwitz, von einer überstandenen Cholera gezeichnet, ruht in einem Sessel; sie hat sich freiwillig infiziert und Lulu angesteckt, die daraufhin aus dem Gefängnis in die Isolierbaracke verlegt wurde. Nun will die Gräfin sie durch einen Kleidertausch aus der Baracke befreien und selbst an ihrer Stelle dort bleiben. Sie hat ihr Vermögen für die Befreiung Lulus ausgegeben, zahlt dem Athleten, der in der Livree eines Kammerdieners träge auf der Ottomane sitzt, ein monatliches Salär. Alle, auch Alwa, warten auf Schi-

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golch, der sich, im schwarzen Gehrock, endlich mühsam ins Zimmer schleppt; er hat Pässe für die Flucht nach Paris besorgt. Sein Auftritt (Largo) erinnert an seine vorhergegangene Szene (T. 94ff.), das Tempo der Musik ist jetzt noch langsamer. Der Athlet, in dessen Partie sich ebenfalls die Motive seines früheren Auftritts wiederholen (die großsprecherischen Septsprünge T. 100ff.), redet von künftigen Flitterwochen mit Lulu, aus der er doch nur Kapital schlagen möchte: die graziöseste Luftgymnastikerin der Jetztzeit will er aus ihr machen. Bei diesen Worten geht sein gesprochener Part in chromatischen Sprechgesang über, betont die sentimentale Verlogenheit. Allerdings weigert er sich aus Angst vor Ansteckung, Lulu auf ihrer Flucht zu begleiten, sie soll sich vor den Flitterwochen noch etwas auslüften. Nachdem Schigolch und die Gräfin sich auf den Weg zur Krankenbaracke gemacht haben, geraten Alwa und der Athlet in Streit (gesprochener Dialog). Der Athlet ist wütend über Alwas Angebot, der Geschwitz ihre Auslagen zu ersetzen, er selbst habe weit größere Verdienste. Nach Alwas Hinweis, dass der Athlet ohne die Unterstützung der Gräfin ohne einen Pfennig irgendwo betrunken im Rinnstein läge, wird er ausfallend: Alwa, die Nachtjacke, der Schnodderlumpen, lebe nach dem Verkauf der Zeitung ja auch bloß vom Geld seines Vaters, arbeite nicht, und seine Schauderoper980 werde nirgendwo aufgeführt. Plötzlich erscheint der Gymnasiast, er ist aus der Besserungsanstalt ausgebrochen, um Lulu zu befreien. Sein hastiges Fanfarenmotiv aus der vorigen Szene prägt die nun im Vivace einsetzende Kammermusik für Bläser, Klavier und acht Solostreicher. Da er die Befreiungsaktion gefährden könnte, beteuern der Athlet und auch Alwa, Lulu sei an der Cholera gestorben. Die entsprechende – unvollständig vorgelesene – Zeitungsnotiz ist kanonartig im wiegenden Tempo vertont, rhythmisch eine deutliche Reminiszenz an den Canon T. 172ff. Ist es wahr, daß sie tot ist? fragt der Gymnasiast und schaut auf die leere Staffelei, während die Posaunen die Bildakkorde wie eine Konduktmusik blasen. Der Athlet wirft ihn hinaus. Lulus Auftritt ist wirkungsvoll inszeniert: das Tempo der Musik verlangsamt sich zunehmend, Klavierarpeggien kündigen

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ihr Erscheinen an, der Vorhang auf der Galerie öffnet sich für sie, ihr Auftrittsthema aus dem Prolog in starker Vergrößerung über liegenden bitonalen Akkorden der geteilten Streicher setzt ein und begleitet den Sprechgesang. Lulu spielt, um den Athleten loszuwerden, die Todkranke, im Zeitlupentempo bläst eine Flöte ihr Tanzthema. Mit Geschimpfe über Lulus Aussehen, das Wolfsgesicht, das Skelett, und unter Drohungen verschwindet der Athlet. Den sind wir los! sagt Schigolch und macht sich auf den Weg, um Schlafwagenbilletts nach Paris zu besorgen. Alwa und Lulu sind allein. Da bricht Lulu ohne jede Verstellung in Jubel über die wiedergewonnene Freiheit aus. Ihr Freiheitslied, der strahlendste Augenblick der Oper,981 ein momenthafter Vorschein eines befreiten Lebens, ist komponiert mit Lulus Auftrittsthema aus dem Prolog,982 die Klarheit der in höchster Höhe schwebenden Gesangslinie wird noch intensiviert durch das Unisono der Holzbläser, Violinen und Bratschen. Dennoch lässt die Schönheit des Tuttiklangs mit seinen Moll- und Durharmonien die leise Trauer der sich senkenden Melodielinie spüren. Die Musik wird unterbrochen von einem längeren gesprochenen Dialog983 über die Aktionen der Geschwitz, gerahmt von dem ihr zugeordneten Quintklang. Mit dem Zitat des Alwa-Themas knüpft die Musik an das Rondo aus der ersten Szene des zweiten Aktes an, es entwickelt sich eine leidenschaftliche Liebesszene, in der Lulu mit schmeichelnden Koloraturen erreicht, dass Alwa sie nach Paris begleiten wird. Die emphatische Hymne am Schluss des zweiten Aktes, Alwas Dithyrambus über Lulus Herrlichkeit, nähert sich am deutlichsten von allen ariosen Partien dieser Oper der traditionellen Arie. Lulus Wuchs ist für Alwa Musik: Diese Knöchel: – ein Grazioso; dieses reizende Anschwellen: – ein Cantabile; diese Knie: – ein Misterioso; und das gewaltige Andante der Wollust. Mit dem Misterioso, das sich wiederholt auch in der Partitur findet (T. 1127–1129), bei Wedekind indes nicht vorkommt, spielt Berg auf seine Lyrische Suite an.984 Auf dem Höhepunkt der Hymne – Ich werde Dein Lob singen, daß Dir die Sinne vergehn ... – setzen rauschende Klavierarpeggien ein, das hohe b der Tenorstimme wird über zwei Takte lang angehalten, und die Or-

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chesterstimmen schwelgen in auf- und absteigenden Sexten.985 Alwa, der Künstler, ist der einzige, der Lulus Bild in sich bewahrt hat. Mit Alwas Augen hat Berg, abweichend von Wedekind, Lulu gesehen und so dargestellt, wie der Künstler Lulu sieht – und wie sie gesehen werden muß, damit man versteht, daß sie – trotz allem Fürchterlichen, das durch sie geschieht – so geliebt wird.986 Die Desillusionierung folgt: sehr langsam, sehr leise, nach einem Vibraphonklang wie aus der Ferne, scheint die Musik stehenzubleiben. Beiläufig (gesprochen) erinnert Lulu an den Mord: Ist das noch der Diwan, auf dem sich Dein Vater verblutet hat? Mit Alwas verzweifeltem Schrei (Schweig) und dem drohenden Leitrhythmus in höchster Lautstärke geht der zweite Akt zu Ende.

3. Akt, 1. Szene In einem Pariser Spielsalon haben sich allerlei Figuren vorwiegend aus dem Halbwelt-Milieu eingefunden, Spekulanten, Mädchenhändler, Prostituierte, dazu Journalisten. Mit Champagner feiert man den Geburtstag Lulus, jetzt Gräfin Adelaide von ...; Lulu, deren Porträt an der Wand hängt, wird weiterhin von der Polizei gesucht. Auch ihre ehemaligen Begleiter trifft man wieder: den Athleten, Schigolch, Gräfin Geschwitz und Alwa, mit dem Lulu jetzt liiert ist. Der allgemeine Austausch von Belanglosigkeiten ist in einem vielstimmigen Ensemble aus lauter Sechzehntelnoten dargestellt, das Berg mit dem Ausdruck Rhabarbarhabarba-Ensemble bezeichnet hat,987 und es muss ja auch kaum etwas verständlich sein in dieser Gesellschaft marionettenhafter Figuren. Das einleitende und dann beherrschende musikalische Motiv ist ein Zitat aus dem Prolog.988 Die banalen CDur-Takte, die dort das Zirkuspublikum betrafen, charakterisieren nun, von den Blechbläsern wie Jahrmarktsmusik gespielt, die mondäne Gesellschaft, deren einziges Interesse dem Geld gilt. Deshalb umwerben im folgenden Melodram alle den Bankier, denn er handelt mit teuren, scheinbar sicheren JungfrauAktien;989 Alwa hat sein ganzes Vermögen in dieses Papier in-

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vestiert. Die Faszination der Gesellschaft durch den zu erwartenden Gewinn, die ängstliche Gespanntheit illustrieren wiederkehrende lang anhaltende Tremoli. In welcher bedrohlichen Lage sich Lulu befindet, zeigen die drei Duette dieser Szene. Das erste in Form von zwölf konzertanten Choral-Variationen führt vor, wie der Marquis, der Mädchenhändler, Lulu erpresst. Er könnte sie dem Staatsanwalt für tausend Mark ausliefern oder sie an ein Kairoer Etablissement verkaufen, das brächte ihm mehr, und zwar in englischem Gold. Zunächst versucht Lulu noch, in ihre alte Rolle fallend, den Marquis für sich zu gewinnen; der English Waltz aus dem ersten Akt990 taucht erneut auf. Dann aber zeigt sie offen ihre Empörung, Ausdruck ihres Widerstandes ist der in den vierzehn Variationen hartnäckig wiederkehrende cantus firmus.991 Als Intermezzo folgt auf die zweite Variation das Lied des Mädchenhändlers, wieder in CDur. Seinen misterioso vorgetragenen Part, in dem er die natürliche Bestimmung der Frau anpreist, begleitet die Solovioline mit einem Lied von Wedekind aus dem Milieu des Kabaretts, in dessen erster Strophe es heißt: „Wie viel lieber wär ich eine Hure / Als an Ruhm und Glück der reichste Mann!“992 Lulus leidenschaftliche Entgegnung (Ich tauge nicht für diesen Beruf) hat einen anderen Ton, beginnt mit Alwas Thema; das Saxophon mit dem Lied der Lulu aus dem zweiten Akt begleitet molto espressivo den sich anschließenden Parlando-Teil. Aus der Erinnerung an ihre Vergangenheit, aus den Träumen von dem Mann, für den sie geschaffen sei, entsteht Identität: Ich erkannte mich. Ihre Worte Aber ich kann nicht das einzige verkaufen, was je mein Eigen war sind durch die Erdgeist-Quarten hervorgehoben und entsprechen melodisch genau ihrem Bekenntnis zu Alwa: Ich will nur Dir allein gehören.993 Auf ihre Weigerung, sich in ein Vergnügungslokal sperren zu lassen, droht der Marquis mit der Polizei. Das Alwa-Thema in der letzten, strettaartigen Variation wird zum Ausdruck ihrer Verzweiflung, mit dem fallenden Tritonus über eine Oktave stürzt die Gesangsmelodie in die Tiefe. Unmittelbar darauf beginnt das nächste zwölfstimmige Ensemble: die Gesellschaft ist im Spielrausch.994 In großer Erregung glauben alle an hohe Gewinne aus der Jungfrau-Aktie: Alle

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Welt hat gewonnen. Wieder prägt das Zirkusmotiv die Musik, die mit einer großen Steigerung die fieberhafte Ekstase der Spekulanten veranschaulicht. Gleichzeitig, doch abseits der Champagner trinkenden Gesellschaft, führt Lulu ein Gespräch mit Gräfin Geschwitz, die sich zum ersten Mal gegen den übermächtigen Einfluss Lulus wehrt und ihr vorhält, sie ausgenutzt und betrogen zu haben. Währenddessen singen, anfangs im selben Rhythmus, die übrigen Stimmen des Ensembles: Ja, es ist kolossal, wo das viele Geld herkommt. Lauter abwärts gleitende Septakkorde markieren diese Stelle, kündigen die riesigen Verluste schon an: im dritten Ensemble kehren sie an der entsprechenden Stelle wieder (Ja, es ist rätselhaft, wo das viele Geld hinkam). Übergangslos folgt ein zweites Duett, in dem der Athlet Lulu mit einer Anzeige droht, falls sie nicht bis zum nächsten Abend 20.000 Mark an ihn zahle; Alwa, der ihr doch jeden Wunsch erfülle, besitze 40.000 Mark in Aktien. Explosive Klaviercluster, heftige Einsätze der Blechbläser und die typischen penetranten Sprungfiguren begleiten die Attacke des Athleten. Sie wird zur Groteske, als sich herausstellt, dass er das Geld ausgerechnet für die Heirat mit Gräfin Geschwitz braucht – er will unbedingt zur vornehmen Gesellschaft gehören. So tauchen die Quinten der Geschwitz in ostinaten Staccati, dann mit Vorschlägen markiert auf. Als einfältiger Grobian kommt der Athlet gegen den Einfluss des Mädchenhändlers nicht an und muss Lulus Spott ertragen (hohe Koloraturen und Triller vor sich hinträllernd). Drohend verabschiedet er sich, eine geradezu surreale Figur, zum Lachen reizend, Entsetzen verbreitend. In einer Pantomime bewegt sich die Gesellschaft, satt und träg plaudernd, vom Speisesaal ins Spielzimmer. Sehr verlangsamt blasen die Hörner das Zirkusmotiv. Die Jungfrau-Aktien sind gefallen, der Bankier nimmt die telegrafische Nachricht ungerührt zur Kenntnis, ihn scheint sie nicht zu betreffen. Durch Gesten wird angedeutet, wie der Marquis Lulu zu einer Entscheidung drängt. Sie fühlt sich in tiefer Niedergeschlagenheit allein gelassen, eine Piccoloflöte erinnert an ihr Tanzthema. Da meldet der Groom Schigolch. Sein chromatisches Motiv in abwärts schleichenden Skalen bestimmt auch den Anfang des nun

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folgenden dritten Duetts. Schigolch, in einem schäbigen Frack, verlangt Geld von Lulu, um seiner Geliebten eine Wohnung zu mieten. Er glaubt, Geld spiele für sie keine Rolle. Lulu, von einem Weinkrampf überwältigt, klärt ihn auf: Es geht mir an den Hals, man zeigt mich an. Schigolch soll ihr schwören, den Athleten umzubringen, dann bekomme er sein Geld und was er sonst noch wolle. Septakkorde im morbiden Klang des Vibraphons kommentieren ihre Worte. Der Athlet werde abends mit der Geschwitz an der angegebenen Adresse erscheinen. Als Schigolch zudringlich wird, schickt sie ihn eilig auf den Weg. Plötzlich wird der Athlet vom Marquis in den Saal gestoßen, die kurze (gesprochene) Auseinandersetzung zwischen den beiden Erpressern spielt sich auf dem Hintergrund einer Kadenz für Violine und Klavier ab. Der Kontrast zwischen der musikalischen Virtuosität und der Grobheit der beiden Kontrahenten betont den grotesken Charakter der Szene. Klaviercluster, am Ende ein Unterarm-Cluster im fortissimo, verdeutlichen die Aggressivität des Athleten. Um sich zu retten, bereitet Lulu ein Täuschungsmanöver vor, mit dem sie nicht nur den Athleten, sondern auch die Gräfin betrügt. Vier Arten der Deklamation verwendet Berg für die Dialoge: Gesprochener Text, Rezitativ, Parlando und Cantabile. Lulu lässt den Athleten glauben, die Geschwitz sei in ihn verliebt und biete Lulu 20.000 Mark (die vom Erpresser geforderte Summe) für ein Treffen mit ihm in einer Absteige. Vom Rezitativ über das Parlando bis zum Cantabile,995 das mit einer längeren Koloratur endet, steigert Lulu die Intensität ihrer Überredung. Genauso geht sie im Dialog mit der Gräfin vor, die sie beschwört, sich noch am selben Abend dem Athleten an den Hals zu werfen, nur so könne sie Lulu vor dem Tode retten. Die Bedingung habe der Athlet gestellt, um seine Eitelkeit zu befriedigen. Die Gräfin wiederholt nur immer: Ich versteh das nicht!, spielt aber in blinder Hörigkeit die Verliebte und liefert so den Athleten seinem Mörder aus. Lulus zweites, an die Gräfin gerichtetes Cantabile mit seiner schmeichelnden chromatischen Melodik endet mit der gleichen Koloratur wie das an den Athleten gerichtete. Ihre Macht über andere auszuspielen ist

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Routine für sie, auch wenn sie diesmal schuldig wird an einem Mord. Schließlich tauscht sie noch zur Sicherheit mit dem in sie verliebten Groom die Kleider. Die Szene endet mit einem turbulenten Ensemble im Sprechgesang. Man hört Lärm aus dem Spielzimmer, dazu die Zirkusmusik aus dem vorigen Ensemble, jetzt in höchstem Tempo, Türen werden aufgerissen, nach und nach versammelt sich die Gesellschaft im Salon. Erregt belagern einzelne den Bankier, der offensichtlich Papiere gefälscht hat, jedenfalls sind die Jungfrau-Aktien wertlos. Auch Alwa hat sein gesamtes Vermögen verloren. Die Motive aus dem zweiten Ensemble kehren wieder, aber mit umgekehrter Bedeutung. Alle Welt verliert, hört man jetzt und: Ja, es ist rätselhaft, wo das viele Geld hinkam. Aus der Gesellschaft im Spielrausch ist eine Versammlung ratloser, desillusionierter Betrogener geworden, Drohungen sind zu hören und Alwas Verzeiflungsschrei. Im Anzug des Grooms flüchtet Lulu über die Dienerstiege, Alwa folgt ihr. Die eintreffende Polizei verhaftet den Falschen, den Groom in Lulus Kleidern, der zur Umkehrung von Lulus Tanzthema durchs Zimmer schlendert und über die geglückte Täuschung in Gelächter ausbricht. Schon während der Vorhang fällt, beginnen die vier „karussellhaft rauschenden“996 Variationen über Wedekinds Lautenlied, die zur letzten Szene überleiten. Die wechselnden Tonarten des Liedes (C, A, Fis), sogar ein bitonaler Kanon (C-Dur mit GesDur) fügen sich in den zwölftönigen Satz. Jede Variation hat einen anderen Charakter, die Bezeichnungen Grandioso, Grazioso, Funèbre und Affettuoso deuten den weiteren Verlauf des Dramas an. Am Ende der letzten hört man den Leitrhythmus wie eine Drohung.

3. Akt, 2. Szene In einer schäbigen Londoner Dachkammer warten Alwa und Schigolch, dass Lulu mit einem Kunden heraufkommt; es ist ihr

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erster Arbeitstag als Prostituierte. Schigolch zweifelt, daß noch einer anbeißt. Der Regen trommelt aufs Dach, eine Drehorgel spielt hinter der Szene in todtrauriger Monotonie, im Elendston,997 die Gassenhauermelodie aus den Variationen.998 Die Stimmung ist trostlos. Als sie Geräusche auf der Treppe hören, verstecken sich die Männer in einem Verschlag. Mit dem Auftritt Lulus, Presto, beginnt ein auskomponiertes Ritardando bis zum Largo am Ende der Oper.999 Der erste Kunde, ein stumm bleibender Professor, hat etwas Gespenstisches mit seinem lautlosen Lächeln, er erscheint als Wiedergänger des Medizinalrats, wird auch vom selben Darsteller gespielt.1000 In Lulus Partie gibt es Anklänge an ihre Canzonetta nach dem Tod des Medizinalrats (Melodie des Saxophons), auch an das Trippelschrittmotiv (Er sieht mir auf die Füße). Da der Professor nie antwortet, entstehen unheimliche Pausen, der Leitrhythmus verstärkt den gespenstischen Eindruck. Nachdem der Professor gegangen ist, ändert sich der Klang, leise spielen die Streicher leere Quinten in Gegenbewegung. Unerwartet erscheint die Geschwitz, als Geschenk hat sie eine Leinwandrolle mitgebracht (die Bildharmonien werden zitiert). Lulu reagiert mit einem Aufschrei: Mein Bild! Ausdruck ihres Entsetzens ist ein heftiger, angehaltener Zehntonakkord, Vorklang ihres Todesschreis am Ende. Der Blick auf das eigene Porträt trifft sie schmerzlicher als alles Vorhergegangene. Ihren Ausbruch Laßt mich! Ich bring mich um kennzeichnen die Erdgeist-Quarten in fallender Richtung. Alwa, apathisch und krank, von Lulu angesteckt, scheint dagegen durch den Anblick des Bildes plötzlich neu belebt. Wie im Rondo des zweiten Akts schwärmt er von der Schönheit Lulus, sei es auch nur des Porträts, die Melodie des cantabile T. 1076 kehrt wieder, jetzt elegisch. Während im zweiten Akt Alwas Hymne folgte, werden nun, im Takt des Leitrhythmus, Nägel zum Befestigen des Bildes in die Wand geschlagen. Dann beginnt das einzige Quartett der Oper, von Berg nur als Skizze ausgeführt.1001 Lulu, die Geschwitz, Alwa und Schigolch betrachten das Bild. Alwas Partie, immer dominierend, charakterisieren große Intervalle und eksta-

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tische Spitzentöne, als einziger scheint er entrückt zu sein aus der deprimierenden Gegenwart, die Schigolch zum drohenden Leitrhythmus realistisch beschreibt: Unten im Laternenschimmer nimmt sie’s noch mit einem Dutzend Straßengespenstern auf. Lulus Schönheit – wie lange ist das her – ist mit dem Kehrichtwagen gegangen. Mit diesem Kommentar Schigolchs stürzt die Quartettmusik um eine None ab und hält inne auf einem Akkord im pianissimo.1002 Nach einer verzweifelten Koloratur in höchster Höhe eilt Lulu wieder auf die Straße, die Geschwitz folgt ihr. Alwa und Schigolch bleiben zurück, ihren rezitativischen Dialog begleitet erneut das triste Lautenlied als Kanon wie in der zweiten Variation. Als sie Schritte hören, verstecken sie sich wieder. Während Lulu ihren nächsten Besucher, einen Neger, hereinführt, ist nur der Leitrhythmus zu hören. Sie bemüht sich, ihm zu gefallen, diesmal muss sie die Werbende spielen. Die Takte Ich finde, Sie sind ja ein hübscher Mann zitieren ihr Duettino mit dem Maler,1003 auch die Monoritmica aus dem ersten Akt taucht wieder auf, Hinweise, dass auch der Neger, dargestellt vom Sänger des Malers, ein Wiedergänger ist. In seiner Antwort, als Sohn des Kaisers habe er sechs Frauen, kehrt auch die musikalische Formel aus dem Liebesgeständnis des Malers wieder.1004 Es wird um den Preis verhandelt. Bei allen drei Kunden steht die schäbige, dann ausbleibende Bezahlung in krassem Gegensatz zum Geldrausch der zweiten Gesellschaftsszene. Als der Neger sich weigert, das versprochene Goldstück zu zeigen, wird der drohende Leitrhythmus, der immer schon präsent war, vom Jazz-Schlagwerk übernommen. Der Neger packt Lulu, die sich heftig wehrt, und als Alwa ihr zu Hilfe kommen will, erschlägt ihn der Neger. Schöne Träume wünscht der Mörder dem Toten und verschwindet. In Panik flüchtet sich Lulu auf die Straße. Schigolch kommt aus seinem Versteck hervor, die dritte Variation des Lautenliedes (Funèbre) in tiefer Lage begleitet sein Rezitativ. Nachdem er die Leiche in den Verschlag geschafft hat, damit sie bei der Kundschaft keinen Anstoß erregt, spielt die Solobratsche wie zum Gedächtnis des Toten noch einmal leise, wie aus der Ferne, Alwas Thema.

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Gräfin Geschwitz kommt herein, Lulu hat sie vorgeschickt. Leise Quintklänge in tiefer Lage begleiten ihren Auftritt. Schigolch gibt vor, Alwa habe sich zur Ruhe begeben, und verschwindet dann für immer. Der dunkle Klang dieser Szene wird gefärbt von einer ostinaten Quinte in den tiefen Bässen. Sostenuto ist der folgende Monolog der Gräfin überschrieben.1005 Ihre Überlegungen, wie sie Selbstmord begehen könnte, enden beim Anblick von Lulus Bild mit einem ebenso leidenschaftlichen wie hoffnungslosen Ausbruch: Erbarm Dich mein! Gedämpfte Bratschen spielen espressivo ihr Thema, die Lautstärke nimmt mehr und mehr ab bis zum pianissimo. Plötzlich unterbricht das erste Schön-Thema mit dem charakteristischen Tigersprung die Stille, Jack wird von Lulu hereingeführt.1006 Als sie ihn für die ganze Nacht einlädt (Grazioso), ist in den Vibraphonklängen und dem Tangorhythmus die Anspielung auf Lulus Kavatine im zweiten Akt zu erkennen, in der sie Schön fragt: Könntest Du Dich für heute Nachmittag nicht freimachen? Durch die Verhandlung über die Bezahlung, in der sich Jacks Gefährlichkeit durch das Zitat des Tigersprungmotivs zeigt, wird Lulu immer mehr in die Rolle der Bittstellerin gedrängt. Jack, gesungen vom Darsteller des Dr. Schön, ist aber auch der einzige der Wiedergänger, der einen Blick für sie hat, ihren Gang, ihren Mund. Während er sie betrachtet, spielen die Streicher Schöns Sehnsuchtsthema. Später, als die Hörner das Thema bei Jacks Worten übernehmen Wir brauchen kein Licht, der Mond scheint, wirkt die Szene beinahe poetisch, wären nicht Lulus qualvolle Bitten und Beteuerungen (Ich habe Sie so gern!). Jack folgt Lulu in die Kammer und versperrt die Tür. Die Lampe erlischt, im Dunkeln, allein, wie im Traum, fasst die Gräfin den Entschluss, in Deutschland Jura zu studieren, um für Frauenrechte zu kämpfen. Immer leiser und langsamer wird die Musik, endet in einem Septakkord wie ein Hauch. Die Utopie wird grausam zerstört. Im dreifachen forte, mit einem durchdringenden, lang angehaltenen Zwölftonakkord, dem einzigen in der Oper, stimmen alle Orchesterstimmen ein in Lulus Todesschrei. Jack reißt die Tür auf und sticht auch der Geschwitz ein Messer in den Leib. Seinen zynischen

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Kommentar (Das war ein Stück Arbeit!) begleiten die gestopften Hörner mit dem Zirkusmotiv, zwei Takte, in denen das Grauen den Hörer geradezu überwältigt. Zuletzt, Grave überschrieben, singt die sterbende Geschwitz ihre Abschiedsworte für Lulu. Ihr arioses Thema1007 begleiten Quinten der Harfe und der Bässe, Orchesterstimmen wiederholen die Tonfolge Ich bin Dir nah!, dann gedämpfte Hörner, aber der letzte Ton bleibt aus. Nach dem orchestralen Höhepunkt (in Ewigkeit) bestimmt der Leitrhythmus die Schlusstakte, in den beiden letzten ist der Ton H deutlich zu vernehmen, noch einmal Hannas Initiale und zugleich Todessymbol wie im letzten Akt des Wozzeck. Mit einem unaufgelöst bleibenden großen Septakkord endet die Oper.

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Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 334. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 11. Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk. (Quellenkatalog zur Musikgeschichte 35), S. 251–260. Brief an Webern vom 18.7.1914, zitiert bei Redlich: Alban Berg, S. 292. Oswald, der Sohn eines Wüstlings, leidet an Gehirnparalyse. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 267. Siehe auch Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 10f. Heinsheimer: Schönste Grüße an Aida, S. 55. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 19. Hilmar: Alban Berg, S. 24. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 299. Briefe an Marie Scheuchl sind deshalb nicht bekannt, weil Helene Berg sie offenbar zurückgehalten hat, als sie Bergs Briefe der Österreichischen Nationalbibliothek übergab. Nach Versen von Franz Evers. Hilmar: Alban Berg, S. 23f. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 658. Ebenda, S. 197. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 573. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 42. Pierrot lunaire: ein atonales Werk Arnold Schönbergs aus dem Jahr 1912. Alban Berg Studien, Bd. 2, S. 200. Berg: Der unverbesserliche Romantiker, S. 49f. Hilmar: Alban Berg, S. 173ff. Berg: Der unverbesserliche Romantiker, S. 45. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 515. Stein (Hg.): Schoenberg. Briefe, S. 17. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 421. Wellesz: Egon Wellesz. Leben und Werk, S. 50. Schönberg: Stil und Gedanke, S. 7. Schönberg an Zemlinsky, in: Weber (Hg.): Zemlinskys Briefwechsel, S. 256. Alma Mahler: Erinnerungen an Gustav Mahler, S. 105. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 277. Reich (1963): Alban Berg, S. 27. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 525. Felix Greissle, Schönbergs Schwiegersohn und Kommilitone Weberns. Aus einem Brief an Berg vom 1.8.1919, zitiert bei Moldenhauer: Anton von Webern, S. 209. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 356.

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Arnold Schönberg. Gedenkausstellung 1974, S. 348. Moldenhauer: Anton von Webern, S. 132. Claus-Steffen Mahnkopf nennt ihn den „Begründer eines modernen, aufgeklärten, sich selbst reflektierenden Kompositionsunterrichts, der künstlerisch und nicht handwerklich sein will, dessen Dialektik es aber verlangt, daß mehr Handwerk als »Ästhetik« zu lehren sei“. (Schönberg als Lehrer, in: Musik-Konzepte 117/118, München 2002, S. 173.) Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 457. Schönberg: Harmonielehre, S. 495. Schönberg: Stil und Gedanke, S. 160. Zitiert bei Reich (1963): Alban Berg, S. 20. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 317. Schönberg: Berliner Tagebuch, S. 34. Hilmar: Alban Berg, S. 40. Eisler: Musik und Politik, S. 17. Arnold Schönberg (Festschrift 1912), S. 77. Arnold Schönberg zum 60. Geburtstag, S. 84. Schönberg: Berliner Tagebuch, S. 11. Brief an Webern, Dezember 1910. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 270. Ebenda, S. 15. Arnold Schönberg. (Festschrift 1912), S. 89. Ebenda, S. 73. Schönberg: Berliner Tagebuch, S. 31. Im selben Konzert spielte Pablo Casals zwei Cellokonzerte unter Zemlinskys Leitung. Schönberg: Berliner Tagebuch, S. 31. Abgebildet in: Lunzer (Hg.): „Was wir umbringen“, S. 165. Die Büchse der Pandora, in: Die Fackel Nr. 182 vom 9.6.1905, S. 1–15. Reich (1963): Alban Berg, S. 21. Brief vom 14.8.1920, in: Rode: Alban Berg und Karl Kraus, S. 62. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 215. Die zahlreichen Briefentwürfe enthalten überaus viele Korrekturen. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 91. Brief an Webern (1920), in: Berg: Der unverbesserliche Romantiker, S. 121f. Brief an Webern vom 14.8.1920, in: Rode: Alban Berg und Karl Kraus, S. 61. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 699. Berg: Briefe an seine Frau (1965), S. 148. Ein ehemaliges Jagdhaus des Fürsten Alfred Lichtenstein. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 21. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 173. Ebenda, S. 197. Ebenda, S. 158f. Edmund Eysler: Vera Violetta.

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Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 192f. Ebenda, S. 358. Die Gattin eines Galeristen, eine Bekanntschaft von der Venedigreise. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 376f. Brief an Alban vom 24.2.1910. Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk, S. 243. Ebenda, S. 462. Ebenda, S. 208f. Wahrscheinlich Anita Suñen. Ebenda, S. 251 . Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 250. Ebenda, S. 558. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 34. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 515. Marya Delvard gehörte zu den Gründern der Kabaretts „Elf Scharfrichter“ in München und „Fledermaus“ in Wien. Den betreffenden Zeitungsausschnitt schickte Berg im Juli 1910 an Helene. Briefwechsel Alban Berg-Helene Berg, Bd. 1, S. 545. Lunzer (Hg.): „Was wir umbringen“, S. 179. Traurigkeit, Hoffnung, Flötenspielerin (Jugendlieder Bd. 2). Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 625. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 62. Lunzer (Hg.): „Was wir umbringen“, S. 180. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 702. Besuch im einsamen Park, in: Altenberg: Was der Tag mir zuträgt, S. 173. Knaus: Anna Nahowski und Kaiser Franz Josef, S. 52, 85. Ebenda, S. 57. Ebenda, S. 301. Ebenda, S. 139, 144, 148. Ebenda, S. 146. Brief an Franzl. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 157. Hilmar: Alban Berg 1885–1935. Katalog, S. 42. Sie ist Schülerin der Kammersängerin Marianne Brandt. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 532, 526. Ebenda, S. 56, 248. Ebenda, S. 720. Lieder „mit meinen furchtbaren Gedichten“, urteilt Helene 1920. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 18. In den Briefen wird immer nur der Vorname genannt. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 42. Ebenda, S. 232, 110. Ebenda, S. 231. Ebenda, S. 194. Ebenda, S. 131, 36. Ebenda, S. 167.

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Ebenda, S. 439f. Der Roman war 1904 erschienen. Ebenda, S. 225. 1908 gab es „Ariane et Barbe-Bleue“ von Paul Dukas an der Volksoper. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 50f. (18.8.1907). Ebenda, S. 91, 92. Bei Rilke steht im 2. Vers: „vor seiner schweren Pracht“. Bergs Vorbild waren Schönbergs Lieder op. 8. Doppelfuge für Streichquintett und Klavier. Zitiert bei Reich (1963): Alban Berg, S. 22. Das dritte Lied war die Liebesode. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 296. Ebenda, S. 587. Ebenda, S. 335. Ebenda, S. 617. Erst 1919 wurde in Österreich das Alter von 21 Jahren (statt 24) als Beginn der Großjährigkeit festgesetzt. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 338. Ebenda, S. 25. Ebenda, S. 32. Brief vom 7.7.1907, zitiert bei Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 32–35. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 116f. Ebenda, S. 263. Ebenda, S. 540. Ebenda, S. 117. Ebenda, S. 519. Ebenda, S. 341. Ebenda, S. 363. Ebenda, S. 321, 313. Ebenda, S. 324f. In einem Brief an Helene vom 4.5.1911 erwähnt er seine „nunmehr über vierjährige Ehe“. Paul Kammerer erschoss sich am 23.9.1926. Knaus: Anna Nahowski und Kaiser Franz Josef, S. 259, 322. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 275. Ebenda, S. 297. Ebenda, S. 277. Ebenda, S. 293. Ebenda, S. 281. Ebenda, S. 292. Ebenda, S. 286. Ebenda, S. 289, 295. Ebenda, S. 327. Ebenda, S. 451. Ebenda, S. 207. Ebenda, S. 412, 427f. Ebenda, S. 353. Ebenda, S. 366.

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Ebenda, S. 367f. Ebenda, S. 375. Ebenda, S. 217. Ebenda, S. 259. Ebenda, S. 208. Ebenda, S. 594. Ebenda, S. 661. Ebenda, S. 378. Ebenda, S. 450. Ebenda, S. 379. Ebenda, S. 680. Ebenda, S. 547–559. Nahowski beteiligt sich finanziell an Leberts Fabrik, wird stiller Teilhaber. Ebenda, S. 608. Helenes Brief, geschrieben „am Tag vor ihrer Hochzeit“, trägt das Datum 2. Mai 1911(Siehe auch Anm. 168). Helene Nahowski gehörte dem Helvetischen Bekenntnis an, dem Glaubensbekenntnis der reformierten Kirchen in Österreich (sowie in Ungarn, Polen, Schottland und in der Schweiz). Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 737. Ebenda, S. 296. Aus: „Dem Schmerz sein Recht“. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 719. Ebenda, S. 495. Berg: „Was ist atonal?“, in: Glaube, Hoffnung und Liebe, S. 297–306. Schönberg: Harmonielehre, S. 487, 403. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 383ff. Es wird im Eröffnungssatz ohnehin gesprengt, da das Verfahren der Durchführung allgegenwärtig ist, so dass die eigentliche Durchführung auf 24 Takte von insgesamt 187 Takten schrumpft. So ist die Reprise auch keine Wiederholung mehr, sondern eine Durchführung des ersten Themas. Reich: Alban Berg (1937), S. 35. 17.2.1910. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 525. Siehe Redlich: Alban Berg, S. 63. Ein Zitat aus der Kritik bei Reich: Alban Berg (1937), S. 11. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 358, 359. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 169. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 60. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 48. Ebenda, S. 82. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 320. Ebenda, S. 487. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 592f. An Schönberg, in: Moldenhauer: Anton Webern, S. 93. Heute Alban-Berg-Stiftung.

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Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 552. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 18, S. 496. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 612. Berg: Briefe an seine Frau (1965), S. 216. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 192. Die Nr. 4 aus den Altenbergliedern. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 193, 194, 346. Redlich: Alban Berg, S. 84. Das Hornsignal aus fünf aufsteigenden Quarten in Schönbergs Kammersinfonie op. 9 hatte seine Schüler geradezu elektrisiert, sie pfiffen es wie ein Erkennungszeichen. Gesungener Stimmton mit leicht geschlossenen Lippen (ppp!). Dem Hauptthema, nämlich der zentralen Reihe in langen Notenwerten, einem zweiten in Flöte und Harfe, das alle zwölf Töne der chromatischen Leiter enthält, und einem weiteren Thema, einer Sequenz aus fünf Quartsprüngen in den Bassinstrumenten. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 352. Arnold Rosé, Konzertmeister des Wiener Hofopernorchesters, war Gründer und Primarius des Rosé-Quartetts. Er war verheiratet mit Gustav Mahlers Schwester Justine. 1952/53 in Rom und Paris unter Jascha Horenstein. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 398. Moldenhauer: Anton von Webern, S. 156. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 298. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 346f. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 609. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 128. Brief vom August 1909 an Busoni, zitiert in : Beiträge zur Musikwissenschaft 19, 1977, S. 171. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 187. Zitiert bei Moldenhauer: Anton von Webern, S. 257. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 417. Ebenda, S. 492. Ebenda, S. 316. Wellesz: Egon Wellesz. Leben und Werk, S. 64. Ebenda, S. 118. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 369. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 97. Briefwechsel Schönberg-Berg, Bd. 1, S. 118. Ebenda, S. 125. Ebenda, S. 581, Anm. 991. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 14. Briefwechsel Schönberg-Berg, Bd. 1, S. 484. Ebenda, S. 537. Helene 1914 auch nur einen Tag in Karlsbad zu besuchen hätte zuviel gekostet: Wenn ich’s noch so billig mach’, [...] so kommt’s doch auf 50 K.

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Und die hab‘ ich nimmer. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 109. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 491f. Zit. bei Hilmar: Alban Berg, S. 53. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 41. Ebenda, S. 546. Ebenda, S. 614. Ebenda, S. 610f. Ebenda, S. 370. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 158. Ebenda, S. 56. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 520f. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 95. Eleonore Vondenhoff im Gespräch, in: ÖMZ 44, 1989, H. 12, S. 604. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 742. Brief vom 23.11.1911. Zitiert in: Rexroth (Hg.): Opus Anton Webern, S. 67. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 241. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 49f. Er bezieht sich auf T. 308ff. (Pesante). Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 308. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 422f. Er plante eine große einsätzige Symphonie, in die alle vier Sätze integriert werden sollten. Sein Vorbild war Schönbergs Kammersinfonie op. 9. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 498. Ebenda, S. 610. Erste Buchausgabe 1903. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 482. Um das Lesen und erst recht das Spielen zu erleichtern, hat Berg die Zeichen für Haupt- und Nebenstimmen (H, N) übernommen, die Schönberg in seinen Orchesterstücken op. 16 eingeführt hatte. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 426. Am 5.6.1923 in der Berliner Philharmonie. Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 102. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 399. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg , Bd. 2, S. 72. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 493. Die Schreibweise geht auf einen Lesefehler des ersten Herausgebers, Karl Emil Franzos, zurück. Nono-Schoenberg (Hg.): Arnold Schönberg. Lebensgeschichte, S. 130. Am 3.9.1914. Zit. bei Krellmann: Anton Webern, S. 32. Zit. bei Moldenhauer: Anton von Webern, S. 189. Kraus in einem Brief an Sidonie Nádherný, zit. in: Lunzer (Hg.): „Was wir umbringen“, S. 181.

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Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 504. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 159. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 44. Ebenda, S. 42. Wahrscheinlich: Fünfzehn Gedichte aus „Das Buch der hängenden Gärten“ op. 15 von Stefan George. Erstdruck 1914. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 42. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 149. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 495, 500. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 189f. Moldenhauer: Anton von Webern, S. 191. Ebenda, S. 184. Ebenda, S. 188. Ebenda, S. 151. Ebenda, S. 167. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 640. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 190. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 528. Ebenda, S. 586. Brief an Webern vom 13.6.1915, zit. bei Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 271. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 583f. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 203. Ebenda, S. 216. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 604. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 109. Anwalt, Freund der Schönbergianer. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 225, 241. Ebenda, S. 231, 243. Ebenda, S. 280. Ebenda, S. 295. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 216. Siehe auch Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 116. Berg im April 1916 an August Göttel (Brief oder Briefentwurf). Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 81. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 114. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 302, Anm. 1. Ebenda, S. 383. Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk, S. 208. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 55–57. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 248. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 51. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 385, Anm. 167. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 327. Ebenda, S. 420.

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Ebenda, S. 352. Ebenda, S. 478. Ebenda, S. 377. Ebenda, S. 473. Ebenda, S. 457. Zweig: Die Welt von Gestern, S. 293f. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 551f. Ebenda, S. 361. Ebenda, S. 450. Ebenda, S. 426. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 49. 2.8.1916, Heft 431, S. 27. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 451. Ebenda, S. 320. Ebenda, S. 239, 256. Ebenda, S. 355, 204. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 82f. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 403. Ebenda, S. 500f. Ebenda, S. 519. Ebenda, S. 566. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 142. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 67f. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 566. Ebenda, S. 640. Ebenda, S. 632. Ebenda, S. 586. Ebenda , S. 599. Der Junge starb im Mai des folgenden Jahres. Ebenda, S. 611, 610. Ebenda, S. 540. Ebenda, S. 601. Móricz: Arme Leute. Budapest 1961, S. 66f. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 628. Ebenda, S. 642. Ebenda, S. 622. Arthur Lebert ist durch seine Fabrik zu Wohlstand gekommen. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 71. Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk, S. 243. Smaragda in einem Brief an Alban. Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk, S. 209. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 554. Ebenda, S. 661. Ebenda, S. 658.

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Zitiert in: Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 648, Anm. 294. Zweig: Die Welt von Gestern, S. 323. Seit Oktober 1919 Republik Österreich. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 31f. Seiner späteren Frau Elise Altmann. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 507. Der Komponist Erich Wolfgang Korngold, ehemaliges Wunderkind, Sohn des Kritikers Julius Korngold. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 531. Ebenda, S. 571. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 87. Wellesz: Egon Wellesz. Leben und Werk, S. 120. Gielen: Unbedingt Musik, S. 21. Mahler-Werfel: Mein Leben, S. 142. Brief vom 24.2.1921. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 113. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 93. Willi Reich: Vom Wiener „Schönberg-Verein“. Mit unbekannten Briefen von Alban Berg. In: Schweizer Musikzeitung XI/XII (1965), S. 342. Ebenda, S. 343. SHS-Staat der Serben (Srba), Kroaten (Hrvata) und Slowenen (Slovenaca). Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 76. Berg in einem Brief an seinen Bruder Hermann, zitiert bei Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 170. Ebenda, S. 171. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 21 Ebenda, S. 34. Ebenda, S. 45. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 81–90. Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk, S. 213. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 14 Brief an die Mutter, zit. in: Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 177. Brief an seinen Bruder Alban. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 75. Brief an die Mutter, in: Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 723–725. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 49. Ebenda, S. 74. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 111. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 38. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 104. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 131.

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Ebenda, S. 72. Ebenda, S. 91. Ebenda, S. 101. An vier Italiener: Domenico und Antonio Caregnato, Antonio Puppi del Fù Giuseppe und Antonio Puppi del Fù Luigi. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 72, Anm. 97. Knaus: Anna Nahowski und Kaiser Franz Josef, S. 300. Siehe Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 115. Ebenda, S. 117. So beschreibt Smaragda sie. (Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk, S. 215). Ebenda, S. 123. Ebenda, S. 125. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 507. Vom Februar 1913. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 149. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 48. Ebenda, S. 73. Brief an Webern vom 14.8.1920, zitiert bei Reich (1963): Alban Berg, S. 49. Pfitzner: Die neue Ästhetik der musikalischen Impotenz – Ein Verwesungssymptom? S. 154. Ebenda, S. 189. Berg. Glaube, Hoffnung und Liebe, S. 192, 204. Brief an Schönberg, in: Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 50. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 277. Zit. in: Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 339. Zwei Feuilletons – Ein Beitrag zum Kapitel „Schönberg und die Musikkritik“. (Berg: Glaube, Hoffnung und Liebe, S. 182–190.) Berg: Glaube, Hoffnung und Liebe, S. 183, 184, 190. Ebenda, S. 205–220. Ebenda, S. 205. Ebenda, S. 210. Ebenda, S. 212. Ebenda, S. 213. Bei der Uraufführung 1907 kam es zu Tumulten. Ebenda, S. 220. Alleininhaber des 1919 gegründeten Verlags war Ernst Peter Tal. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 38. Ebenda, S. 117. Ebenda, S. 95. Briefwechsel Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 146. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 50. Ebenda, S. 53. „Die Weisen von Zion“, „Der Sohn des verlorenen Sohnes“. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 88.

422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444 445 446 447 448

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Ebenda, S. 71–72. Ebenda, S. 219. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 340. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 117. Ebenda, S. 118. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 18, S. 505. Zitiert bei Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 325. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 262. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 102, 115. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 18, S. 512. Ebenda, S. 485f. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 364–365. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 181, 187. Ebenda, S. 71. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 93. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 156. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 56. Altenberg: Was der Tag mir zuträgt, S. 216, 173. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 154. Ebenda, S. 126. Öl auf Leinwand. Historisches Museum der Stadt Wien. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 323, 516. Ebenda, S. 447 Berg: Der unverbesserliche Romantiker, S. 179. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 634. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 622f. „Sie vermochte Schwierigkeiten so zu meistern, daß sie unbemerkbar wurden“, hat Adorno beobachtet. (Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 362.) Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 324f. Ebenda, S. 528. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 43. Ebenda, S. 113. Steiger (Hg.):„Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 79. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 104. Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 375. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 396. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 260. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 52. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 354. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 92. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 298. Ebenda, S. 163, 178. Ebenda, S. 289.

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Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 2, S. 435f. Ebenda, S. 424. Ebenda, S. 68. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 238. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 144, 208. Ebenda, S. 166. Ebenda, S. 168. Ebenda, S. 403, 404. Ebenda, S. 395. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 1, S. 289. Kassowitz: Lehrzeit bei Alban Berg, S. 326. Zitiert bei Reich (1963): Alban Berg, S. 42. Berg im Juni 1921 an Erwin Stein, in: Reich: Vom Wiener SchönbergVerein“, a.a.O., S. 341. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 14. Ebenda, S. 145, 138, 139. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 191. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 68. Berg in einem Brief an die Mutter, zitiert bei Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 177. Kassowitz: Lehrzeit bei Alban Berg, S. 323. Ebenda. Klein am 12. März 1925 an Berg. Zitiert in: Hilmar/Brosche (Hg.): Alban Berg, S. 162. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 452. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 262. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 153, Anm. 308. Zitiert bei Moldenhauer: Anton von Webern, S. 317. Wozzeck-Vortrag, in: Glaube, Hoffnung und Liebe, S. 275. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 331. Wozzeck-Vortrag, S. 276. Ebenda, S. 277. Anspielung auf Schönbergs „Pierrot lunaire“, in dem 21 Gedichte Albert Girauds vertont sind. Wie fein klingt meine Lieblingsscene, die Schmuckscene im Orchester!, schrieb Berg am 7.12.1925 an Helene. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 454. Wozzeck-Vortrag, S. 280. Mit einem ähnlichen Glissando in umgekehrter Richtung war der Vorhang zuvor gefallen. Etwa die Umkehrung der Krebsform (Piccoloflöten, T. 253). Die Art der Notierung hat Berg ebenfalls von Schönberg übernommen (durchkreuzte Notenhälse). Hinweis bei Petersen: Alban Berg. Wozzeck, S. 96. Anspielung auf „die große Babylon, die Mutter der Hurerei“ (Offb 17,5). Hinweis bei Petersen, S. 122.

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Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 155. Ebenda, S. 448. Ebenda, S. 172. Berg: Wozzeck-Vortrag, S. 283. Als Richard Strauss in der Generalprobe diese Stelle gehört hatte, verließ er beleidigt den Saal. (Berg: Der unverbesserliche Romantiker, S. 105.) Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 331. Berg: Die musikalischen Formen in meiner Oper „Wozzeck“. In: Glaube, Hoffnung und Liebe, S. 265. In Királyhida lag Berg oft nachts schlaflos und hörte in der Baracke die Stöhn- und Schnarchlaute der Kameraden. Hinweis bei Petersen: Alban Berg. Wozzeck, S. 130. Ähnlich wie die „Fischpredigt“ in Mahlers zweiter Sinfonie. Auch das blutige Meer ist ein Bild aus der Offenbarung des Johannes (8,8). Siehe Petersen S. 125. Berg verwendete das Thema seiner unveröffentlichten IV. Sonate dMoll für dieses Zwischenspiel. Wozzeck-Vortrag, S. 270. Reich (1963): Alban Berg, S. 52. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 131. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 176. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 323f. Ebenda, S. 310. Grund für die Spannungen war vermutlich eine Affäre Schönbergs mit Hilda Steuermann, der 25jährigen Frau des Pianisten. Weber (Hg.): Zemlinsky: Briefwechsel mit Berg u.a., S. 305. Ebenda, S. 328. Alban Berg. Briefwechsel mit seiner Familie, S. 141. Im Rahmen der Arbeiter-Symphoniekonzerte, bei denen die Sozialdemokratische Partei die Eintrittskarten subventionierte (Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 276). Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 256. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 173. Reich (1963): Alban Berg, S. 54. Lehrzeit bei Alban Berg, S. 329. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 431. Steiger (Hg.): Alban Berg – Erich Kleiber, S. 102. Vogelsang: Dokumentation zur Oper „Wozzeck“ von Alban Berg, S. 22. Heinsheimer: Schönste Grüße an Aida, S. 64. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 249. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 16, S. 86. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 360. Steiger (Hg.): Alban Berg-Erich Kleiber, S. 104, 38. Unter Otakar Ostrčil. In einem Dankesbrief an alle Mitglieder des Prager Nationalorchesters hob Berg neben ihrer Virtuosität und Spielfreu-

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digkeit auch den hohen künstlerischen Ernst hervor, mit dem sie dem Werk begegnet seien. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 164. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 280, Anm. 528. Berg: Der unverbesserliche Romantiker, S. 101. Siehe auch Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 123. Berg in einem Interview, zitiert bei Reich (1963): Alban Berg, S. 64. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 186. In: Glaube, Hoffnung und Liebe, S. 267–289. So Willi Reich über sein Wozzeckdirigat im Oktober 1932. Siehe Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 493. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 371. Dr. Bernhard Panzer. Berg: Alban Berg. Leben und Werk in Daten und Bildern, S. 212. Reich (1963): Alban Berg, S. 70. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 290. Ebenda, S. 189–190. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 228f. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 202, 203. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 278f. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 239. Ebenda, S. 238. Da diese Namenmotive auch im Folgenden enthalten sind und lesbar bleiben sollen, sind die Stimmen der üblicherweise transponierenden Instrumente (Klarinetten, Englischhorn, Hörner, Trompete) so notiert, wie sie klingen. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 338. Webern brauchte für die Wiener Aufführung der IGNM am 31. März 1927 15 zweistündige Proben. Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 450. Am 31. März 1927 leiete Webern die österreichische Erstaufführung im Wiener Konzerthaus. Am 2. Juli 1927 führte Scherchen das Kammerkonzert mit Steuermann und Kolisch beim fünften Fest der IGNM in Frankfurt auf. Helene Berg an Soma Morgenstern, in: Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 178. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 300. Ebenda, S. 151, 154. Ebenda, S. 200, Anm. 385. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 282. Ebenda, S. 310. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 251. Ebenda, S. 244. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 281. Ebenda, S. 284, 285.

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Ebenda, S. 284. Seit 2000 Musikkollegium Winterthur. Berg: Maschinenschriftliche und handschriftliche Briefe, Briefentwürfe, Skizzen und Notizen, S. 162. Ein Jugendfreund Schönbergs, promovierter Musikschriftsteller und Journalist, Gründer der Arbeiter-Sinfoniekonzerte. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 347. Gottfried Kassowitz: Lehrzeit bei Alban Berg, S. 328. Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk, S. 207. Zitiert bei Moldenhauer: Anton von Webern, S. 125. Ebenda, S. 296. Ebenda, S. 240. Hilmes: Witwe im Wahn, S. 207. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 254, Anm. 471. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 253. Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 158. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 261. Briefwechsel Alban Berg-Helene Berg, Bd. 1, S. 237. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 249. Ebenda, S. 256. Ebenda, S. 257. Ebenda, S. 284. Biographische Notiz Schönbergs, in: Nono-Schoenberg (Hg.): Arnold Schönberg. Lebensgeschichte, S. 231. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 372, 387. Nono-Schoenberg (Hg.): Arnold Schönberg 1874–1951, S. 229. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 338. Hilmar (Hg.): Arnold Schönberg. Gedenkausstellung 1974, S. 35. Stuckenschmidt: Schönberg, S. 280. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 303. Ebenda, S. 309. Zusammenziehung aus Arnold und Gertrud. Ebenda, S. 337, 338. Arthur Lebert stirbt am 4.4.1929. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 159. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 258. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 28. Brief an Morgenstern, in: Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 278. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 594. Ebenda, S. 651. Ebenda, S. 484. Knaus: Anna Nahowski und Kaiser Franz Josef, S. 277, 283. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 160. Ebenda, S. 563.

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Berg: Der unverbesserliche Romantiker, S. 128. In einem Brief an Schönberg, Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 332. Brief vom 2.9.1923, ebenda, S. 208. Stuckenschmidt: Schönberg, S. 252. Schönberg: Stil und Gedanke, S. 75. Philosophie der neuen Musik, S. 63. Ebenda, S. 75. Stein (Hg.): Arnold Schoenberg. Briefe, S. 179. Schönberg: Stil und Gedanke, S. 81. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 18, S. 363. Adorno: Philosophie der neuen Musik, S. 63, 68, 71, 70. Von der kleinen Sekunde bis zur Oktave. T. 3, 4, 5, 12, 18. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 18, S. 492. f-c; a-d; as-es; ges/fis-h. Redlich: Alban Berg, S. 177. Brief an Hanna Fuchs vom 7.6.1928, zitiert bei Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 76. Siehe auch Perle: Das geheime Programm der Lyrischen Suite, S. 66f. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 424. Ebenda, S. 419. Berg in seinem Dankschreiben vom 23. Mai, zitiert bei Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 24. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 424. Herbert Fuchs besaß einen der berühmtesten Weinkeller Prags. Siehe Perle: Das geheime Programm der Lyrischen Suite, S. 61. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 418. Brief an Hanna Fuchs vom Juli 1925, zitiert bei Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 29, 38, 35. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 421. Ebenda, S. 423. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 307. Im August 1910 las Berg zum ersten Mal einen Text von Baudelaire. Aus dem „Spleen de Paris“ zitierte er dann wiederholt in Briefen an Helene. Briefwechsel Schönberg̶̶-Berg, Bd. 1, S. 584. Brief an Hanna Fuchs vom Juli 1925, zitiert bei Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 37, 29, 30, 29, 31. Ebenda, S. 34f. Ebenda, S. 45. Der Entwurf enthält überaus viele Korrekturen. Siehe Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 74f. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 427, 428. Ebenda, S. 429. Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 50.

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Ebenda, S. 54. Brief an Hanna Fuchs vom 6./7. November 1926, zitiert bei Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 62, 56, 59, 60, 61. Brief vom 16. November 1926, ebenda, S. 65. Brief vom 14. November 1926, ebenda, S. 63. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 465. Brief vom 16. November 1926. Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 65, 68, 66, 68. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 75. Brief vom 7. Juni 1928, zitiert bei Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 73,74–75. Brief vom Dezember 1928, ebenda, S. 77. Brief vom Dezember 1929, ebenda, S. 78. Brief vom Oktober 1931, ebenda, S. 82. Brief vom November 1932, ebenda, S. 87. Brief vom 14. Dezember 1934, ebenda, S. 90. Brief vom November 1932, ebenda, S. 88. Berg: Der unverbesserliche Romantiker, S. 170. Rauchhaupt (Hg.): Die Streichquartette der Wiener Schule, S. 91. Symphonisches Werk nach dem Vorbild von Mahlers „Lied von der Erde“. Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 53. George Perle hat das annotierte Exemplar 1977 in den USA im Nachlass von Hanna Fuchs gefunden, der sich im Besitz ihrer Tochter Dorothea Robettin befand. Sein 1977 veröffentlichter Bericht, „The Secret Program of the Lyric Suite“, ist in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Musik-Konzepte 4. Alban Berg. Kammermusik I, München 1981, S. 49–74. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 266. Ebenda, S. 271. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 18, S. 485. Die 10 Buchstaben ihres Namens. Verknüpfung der einzelnen Sätze geschieht [...] dadurch, daß jeweils 1 Bestandteil (1 Thema oder 1 Reihe, 1 Stück oder 1 Idee) in den folgenden Satz hinübergenommen wird und der letzte wiederum auf den 1. zurückgreift. Rauchhaupt (Hg.): Die Streichquartette der Wiener Schule, S. 105. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 452. In den Takten 15ff. erklingen simultan: Reihe auf f, ihr Krebs, Reihe auf d, ihr Krebs. Floros, Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 252. Der siebenjährige Munzo besuchte eine tschechische Volksschule. Perle: Das geheime Programm der Lyrischen Suite, S. 58. Im Solmisationssystem steht die Tonsilbe do für das c. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 457.

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Zitat aus der annotierten Partitur. Perle: Das geheime Programm der Lyrischen Suite, S. 58. Eine Notiz Bergs in der annotierten Partitur über diesem Motiv (3. Satz, T. 89) weist darauf hin. (Perle: Das geheime Programm der Lyrischen Suite, S. 61.) Perle: Das geheime Programm der Lyrischen Suite, S. 60f. Annotierte Partitur. Douglas Jarman: Geheime Programme, in: Pople (Hg.): Alban Berg und seine Zeit, S. 217. Perle: Das geheime Programm der Lyrischen Suite, S. 61. Ebenda. Berg an Hanna Fuchs, in: Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 54. Perle: Das geheime Programm der Lyrischen Suite, S. 62. Ebenda. Ebenda. Vorbild für die Farbwechsel innerhalb einer Klangfläche war Schönbergs Orchesterstück „Farben“ op. 16,3. In: Glaube, Hoffnung und Liebe, S. 236. Perle: Das geheime Programm der Lyrischen Suite, S. 63. Ebenda. Möglicherweise war eine Fassung für Singstimme und Streicher geplant wie in Schönbergs 2. Streichquartett. Renée Fleming und das Emerson String Quartet haben diese Version des Largo desolato auf CD eingespielt. Die andere Variante erschien im vierten Satz, T. 12–13. Eine Umkehrung der abgeleiteten Reihe. Hinweis bei Floros: Alban Berg. Musik als Autobiographie, S. 284. 2 x 23. Die Metronomzahl für den Finalsatz ist 69, 3 x 23. Berg: Maschinenschriftliche und handschriftliche Briefe, Briefentwürfe, Skizzen und Notizen, S. 166. 10.1.1927 an Schönberg. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 286. Ebenda, S. 305. Rudio= Rudolf Kolisch. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 488. In Paris zählte George Gershwin zu den Bewunderern dieses Werks. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 161f. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 172, Anm. b. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 161. Schon 1909 wird das Drama im Briefwechsel mit Helene Nahowski erwähnt (Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 1, S. 458, 461). Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 163. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 320. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 135. Berg übernahm, gegen den Rat Morgensterns, Jack’s Satz nach seinen Morden am Ende der Tragödie: Nicht einmal ein Handtuch haben die Leute! Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 195. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 187. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 214.

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„Die Büchse der Pandora“, 1928 gedrehter Stummfilm mit Fritz Kortner. Siehe S. 37ff. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 495. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 330. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 176. Brief vom 20.9.1929, zit. in: Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 419. Im Lied der Lulu C-Dur und Fis-Dur. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 330. Am 6.9.1927 an Berg. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 158f. Adorno bezieht sich wohl auf die Suiten für Klavier op. 25 und op. 29. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 314. Dahlhaus: Vom Musikdrama zur Literaturoper, S. 168. Ebenda, S. 169. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 360, 408. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 716. Brief vom 25.9.1930, ebenda, S. 515. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 347. Edward Dent hatte ihn eingeladen, als Juror an der Programmauswahl für das Fest der IGNM in London teilzunehmen. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 524f. Mahler-Werfel: Mein Leben, S. 171. Moldenhauer: Anton von Webern, S. 341. Zitiert bei Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 277. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 267. 11. März 1935. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 260f. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 225ff. Schönberg: Sämtliche Werke, Abteilung V, Reihe A, Bd. 18: Chorwerke I, S. 66. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 259f. In der Parenthese „wie der Mediokre neckisch sagt“ spielt Schönberg auf Kře-nek an. Zitiert von Harald Halsmayr, in: Stollberg (Hg.): Erich Wolfgang Korngold, S. 186. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 196. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 231. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 343. Ebenda, S. 433. Weber (Hg.): Zemlinsky: Briefwechsel mit Berg u.a., S. 318. In der Jury saßen außer Berg: Charles Koechlin (Frankreich), Alfredo Casella (Italien), Désiré Defauw (Belgien), Grzegorz Fitelberg (Polen) und als Berater Adrian Boult (England). An Schönberg. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 427, 428. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 531, 532, 529. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 343, 344.

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Handschriftliche Notizen, zitiert von Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 372. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 607. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 458f. Ebenda, S. 460. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 288. Hilmar (Hg.): Alban Berg 1885–1935, S. 188. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 554. Ebenda, S. 640, 641. Reich (1963): Alban Berg, S. 84. Berg: Briefe an seine Frau, S. 621. Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk, S. 205. Aus Debussys Orchesterzyklus „Images“. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 644. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 129. Eigentlich hatte das Musikfest in Karlsbad stattfinden sollen, es wurde aber aus politischen Gründen in Prag abgehalten. Zitiert bei Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 295. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 328. Hilmar (Hg.): Alban Berg 1885–1935, S. 115. Zitiert bei Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 366f. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 55. Akademiemitglieder bezeichnete man als Akademiker. Fuchs: Auf ihren Spuren, S. 11. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 440. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 664f. Ebenda, S. 668. Zitiert bei Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 411. Am 18.9.1925, zitiert in: Rauchhaupt (Hg.): Die Streichquartette der Wiener Schule, S. 91. Briefe an Webern vom 28.8. und 20.9.1929, zit. in: Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 421. Charles Baudelaire: Les fleurs du mal; darin der fünfstrophige Zyklus „Le Vin“. Über den Jazz informierte sich Berg in: Alfred Baresel: Das neue Jazzbuch. Ein praktisches Handbuch für Musiker, Komponisten, Arrangeure, Tänzer und Freunde der Jazzmusik. Leipzig 1929. Beraten ließ er sich auch von seinem Schüler Hans Erich Apostel, einem ausgewiesenen Jazzmusiker. Brief vom 4.12.1929 an Hanna Fuchs, in: Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 78. Brief vom Dezember 1928, ebenda, S. 77. Berg fasst das 2. Quartett des Sonetts mit den ersten beiden Versen des 1. Terzetts zusammen. 4. Dezember 1929, in: Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 78.

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Dominantseptakkord auf d mit tiefalterierter Quinte. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 239f. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 328. Seit 2016 ist der Wagen im Technischen Museum Wien ausgestellt. Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 189. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 253. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 555. Berg: Maschinenschriftliche und handschriftliche Briefe, Briefentwürfe, Skizzen und Notizen, S. 223. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 506. Brief vom 15.5.1933 an seine Frau. Ebenda, S. 665. Brief vom 23.7.1931, zit. in: Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 439. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 556, 558. Ebenda, S. 557. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 475. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 571. Stefan Askenase, Schüler von Emil Sauer, Lehrer u.a. von Martha Argerich, war berühmt für sein Chopinspiel. Alban Berg : Briefe an Anny Askenase. Handschriften. Bayerische Staatsbibliothek, Fasc. germ. 90,4 Fasc.germ.90,14 Fasc.germ.90,2 Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 564, 566, 558. Fasc.germ.90,2 Fasc.germ.90,1 Fasc.germ.90,16 Fasc.germ.90,2 Fasc.germ.90,4 Fasc.germ.90,16 Brief vom November 1932, in Floros: Alban Berg und Hanna Fuchs, S. 87. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 359ff. UFA-Film von 1929/30 unter der Regie von Josef von Sternberg. Adorno: Gesammelte Werke, Bd. 13, S. 333. Fasc.germ.90,4 Fasc.germ.90,8 An Webern, 7.9.1932, zit. in: Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 446. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 485f. Fasc.germ.90,9 Fasc.germ.90,10 Knaus zufolge handelt es sich um Otto Jokl oder um Otto Nirenstein (Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 378). In einem Brief an Anny Aske-

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nase erwähnt Berg ihren Bruder Otto Lifczis, mit dem er in Wien ein paar Worte gewechselt habe (Fasc.germ.90,11). Fasc.germ.90,12 Brief an Schönberg. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 491. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 586. Ebenda, S. 585. Siehe auch Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 367. Ebenda, S. 596. Helenes Halbschwester. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 611. In der Mitschrift von Rudolf Ploderer erschienen sie 1960 unter dem Titel „Der Weg zur neuen Musik“. Ebenda im Vorwort von Willi Reich, S. 8. Webern: Der Weg zur neuen Musik, S. 20f. Alma Mahler heiratete den 11 Jahre jüngeren Franz Werfel am 6.7.1929. Hilmes: Witwe im Wahn, S. 221. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 296. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 255. Moldenhauer: Anton von Webern, S. 131f. Krones: Arnold Schönberg, S. 233. Stein (Hg.): Schoenberg: Briefe, S. 90. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 497. Ebenda, S. 503. § 3 des von Hitler erlassenen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, das die Beschäftigung von Nichtariern im öffentlichen Dienst verbot. Die katholische Mutter, eine geborene Calvelli-Adorno delle Piane, war die Tochter einer deutschen Sängerin und eines französischen Offiziers; der Vater, Oscar Alexander Wiesengrund, war Jude. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 376. Steiger (Hg.): Alban Berg – Erich Kleiber, S. 154. Brief vom 23. Mai, zitiert bei Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 401. Zitiert ebenda, S. 377. Brief an Helene vom 12.4.1933. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 625. Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 222. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 664. Um die eigentliche Absicht zu kaschieren. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 661, 660. Zitiert bei Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 385. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 515, Anm. 979. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 94. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 257. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 626. Ebenda, S. 616f. Ebenda, S. 632.

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Ebenda, S. 627. Ebenda, S. 633. Ebenda, S. 636. Ebenda, S. 595. Ebenda, S. 639, 620, 619. Ebenda, S. 659. Moldenhauer: Anton von Webern, S. 362. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 252f. Fuchs: Auf ihren Spuren, S. 16. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 253. Ebenda, S. 368. Ebenda, S. 256. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 291. Brief an Reich, zitiert bei Moldenhauer: Anton von Webern, S. 365. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 519. Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 219. Brief vom 1.1.1934, in: Arnold Schönberg. Gedenkausstellung 1974, S. 56. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 537f. Eisler: Musik und Politik, S. 273. Postkarte vom 10.2.34, abgebildet in: Fuchs: Auf ihren Spuren, S. 16. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 523, Anm. 991. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 396. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 681. Ebenda, S. 671f. Sie betrugen 6.500 Schilling. Ebenda, S. 727. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 272. Siehe Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 405f. Frau des Pianisten Eduard Steuermann und Professorin am Moskauer Konservatorium. Zitiert bei Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 416f. Brief vom 26.8.1934. Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk, S. 236f. Brief vom 27.2.1934. Ebenda, S. 233. Berg: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk, S. 248. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 692. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 233. Abgedruckt in: Berg: Briefwechsel mit seiner Familie, S. 220–222. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 342. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 684. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 260. Er hatte das Standrecht am 11.11.1933 wieder eingeführt. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 337f.

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Er bearbeitet das sechsstimmige Ricercar aus Bachs „Musikalischem Opfer“. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 341. Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 221. Hilmar (Hg.): Alban Berg. 1885–1935. Katalog, S. 193. Brief vom 17.3.1934, zitiert in Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 470. Steiger (Hg.): Alban Berg – Erich Kleiber, S. 121. Ebenda, S. 112.. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 547. Berg: Maschinenschriftliche und handschriftliche Briefe, Briefentwürfe, Skizzen und Notizen, S. 279. Moldenhauer: Anton von Webern, S. 366. Brief vom 25. Dezember 1934. Manuskript, abgebildet bei Moldenhauer: Anton von Webern, S. 367. Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 257. Eleonore Vondenhoff im Gespräch, S. 603. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 358. Ruth Kleiber war seit ihrer früheren Tätigkeit in der amerikanischen Botschaft mit dem deutschen Botschafter Prittwitz bekannt, durch den das Gespräch mit dem Ministerpräsidenten Göring wahrscheinlich zustande kam. (Steiger (Hg.): Alban Berg – Erich Kleiber, S. 298f.) Reich (1963): Alban Berg, S. 90. Steiger (Hg.): Alban Berg – Erich Kleiber, S. 135. Berg: Maschinenschriftliche und handschriftliche Briefe, Briefentwürfe, Skizzen und Notizen, S. 279f. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 690. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 274. Ebenda, S. 275. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 704. Ebenda, S. 727, 729. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 531f. Ebenda, S. 549. Da Canetti ein Verhältnis mit Anna Mahler hatte, war er mehrfach auf der Hohen Warte. Canetti: Das Augenspiel, S. 56. Die Ehe wurde am 11.10.1920 geschieden. Geb. 1903 in der Ukraine. An Charly schreibt er: Nach 2jähriger ununterbrochen bis zur Erschöpfung v. Nerven u. Hirn erfolgter Arbeitsleistung an „Lulu“ nun diese Viechsarbeit an einem ganzen Violinkonzert das bis im Herbst vollendet sein m u ß . Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 66. Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 234.

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Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger, deren Mitglied Berg war. 14.7.1935, Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 568. Stephan: Berg. Violinkonzert, S. 47. Adorno spricht vom „Doppelsinn“ des „zwölftönigen und zugleich quasi-tonalen“ Materials. Gesammelte Schriften, Bd. 15, S. 338. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 571. Auch die scheinbar nur kadenzartigen schnellen Tonfolgen im Soloinstrument sind aus der Reihe gebildet. Auf dem Höhepunkt werden Umkehrung und Krebs (Solovioline in Sechzehnteltriolen) simultan kombiniert. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 15, S. 344. Besonders auf die Neunte Sinfonie, von deren Sätzen 1 bis 3 Berg den Partiturentwurf besaß, ein Geschenk Alma Mahlers. Im 1. Satz der Neunten findet sich auch ein Leitrhythmus („mit höchster Gewalt“, T. 314). Mit der Bezeichnung misterioso spielt Berg auf eine Stelle im 1. Satz der Neunten an (T. 376), im Allegretto auf den langsamen Ländler im 2. Satz mit den parallelen Terzen sowie auf das Walzermotiv T. 409ff. in Mahlers Sinfonie. Jeweils als Krebs der Umkehrung. Möglicherweise dem Kärntner Volkslied „A Vögele af’n Zweschpmbam“ nachgebildet (abgedruckt in Stephan: Berg. Violinkonzert, S. 42). So auf einem Skizzenblatt. Siehe Floros: Alban Berg. Musik als Autobiographie, S. 348. In den Skizzen finden sich Marcia, A la marcia. Siehe Floros, ebenda. So auf einem Skizzenblatt. Siehe Floros, ebenda. Zum Beispiel im 2. Satz der 5. Sinfonie, T. 7ff. Bachs Choral aus der Kantate „O Ewigkeit,du Donnerwort“ steht in A-Dur. Siehe auch Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 15, S. 366. Dagegen Scherliess: Berg, S. 127. Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 554. Ebenda, S. 559. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 300, 301. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 278. Reich (1963): Alban Berg, S. 93. Briefwechsel Alban Berg–Helene Berg, Bd. 3, S. 652. Ebenda, S. 733. Ebenda, S. 743. Siehe den Entwurf eines Bittbriefs an Yella Hertzka, in: Berg: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen, S. 94–96. Berg: Alban Berg. Leben und Werk in Daten und Bildern, S. 49. Berg: Maschinenschriftliche und handschriftliche Briefe, Briefentwürfe, Skizzen und Notizen, S. 136. Adorno: Alban Berg. Briefwechsel, S. 324. Ebenda, S. 325.

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Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“, S. 242. Ebenda, S. 243. Ebenda. Knaus/Sinkovicz: Alban Berg, S. 428. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 368. „Alban Berg hatte seit langem an Furunkulose gelitten. Seine Frau pflegte ihn ganz allein. Diesmal war es schiefgegangen.“ Alma MahlerWerfel: Mein Leben, S. 175. Křenek: Im Atem der Zeit, S. 916. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 370. Berg: Alban Berg. Leben und Werk in Daten und Bildern, S. 50. Morgenstern: Alban Berg und seine Idole, S. 370. Immer noch war für Berg die 23 seine Schicksalszahl. Sein Neffe nennt als Zeitpunkt des Todes den 23. Dezember (Erich Alban Berg: Alban Berg, S. 50). Sie starb am 30.8.1976 im Alter von 91 Jahren in ihrer Wohnung in der Trauttmansdorffgasse. Bei Wedekind ist Alwa ein Schriftsteller. Nelly (Schönheit: Helena), Eva (Verführerin). In Jacques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“; Adorno fiel die Ähnlichkeit der „Puppenstaccati“ auf (Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 485). Ein dreistimmiger Kanon (Trompete, Horn, Posaune), der das Thema auch in der Umkehrung behandelt. Achtmal an dieser Stelle. Septimen und Nonen erscheinen als Umkehrungen der thematischen Sekunden. Schon im Wozzeck hält der Hauptmann seine Rede über Moral im Charakter Quasi Gavotte. Kontinuierlich in 17 Abschnitten, auf dem Höhepunkt ist das Anfangstempo um das Sechsfache gesteigert. Danach, in der Umkehrung, nimmt das Tempo wieder allmählich ab. Als Vorlage diente der Foxtrott „Tea for two“. Adorno war der Ansicht, die Oper sei aus Alwas Perspektive komponiert, die „zynische Dimension“ des Dramas werde „von Berg kaum beachtet“. Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 484. Schon im Wozzeck waren die Quinten Ausdruck von Maries vergeblichem Warten. In Altsaxophon, Posaune, den Celli sowie der Singstimme. 1. Akt, 2. Szene: Ich finde, Du siehst heute reizend aus. Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 19, S. 490. Sie bildet die Grundreihe für die ganze Oper. Mit dieser Szene beginnt in Wedekinds Tragödie der zweite Teil, „Die Büchse der Pandora“. Bei Wedekind: Schauerdrama. Die Parallele zu den Vorwürfen der Familie Berg ist offensichtlich.

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981

Siehe Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 13, S. 482. Es taucht auch in der ersten Szene des ersten Akts auf (T. 320ff.). 983 Eine Notlösung, um die Ereignisse der Vergangenheit zusammenzufassen. 984 3. Satz: Allegro misterioso. 985 Die Töne 1,2,4 und 6 aus Alwas Thema. 986 Berg, zitiert bei Reich (1937): Alban Berg, S. 117. 987 Anmerkung zu T. 26, Klavierauszug S. 322. 988 T. 73ff. 989 Aktien der künftigen Schweizer Drahtseilbahn. 990 1. Akt, 3. Szene, T. 1043ff. 991 In unterschiedlicher Rhythmisierung, Instrumentierung, Lage und Taktart; in der 11. Variation liegt der cantus firmus in der Singstimme, in der 7. bildet er einen Kanon. 992 „Konfession“, aus: Frank Wedekind: Lieder zur Laute. 1906 war es in der Fackel abgedruckt. 993 2. Akt, T. 634–636. 994 In diesem Ensemble bricht die handschriftliche Partitur ab, das Folgende ist in einem sorgfältig ausgeführten Particell notiert. 995 Ironisch zitiert Lulu die Passage des Athleten aus dem 2. Duett: Du machst vier Menschen glücklich, wenn Du fünf gerade sein läßt (T. 334ff. und T. 523ff.). 996 Adorno: Gesammelte Schriften, Bd. 18, S. 647. 997 Briefwechsel Schönberg–Berg, Bd. 2, S. 526. 998 Wedekinds Lied in Es-Dur, in Dissonanz mit dem A-Dur-Tremolo des Orchesters. 999 Presto, Vivace, Allegro, Allegretto, Andantino, Andante, Adagio, Lento, Largo, Grave. In einem seiner letzten Briefe an Hanna Fuchs schrieb Berg, seit dem Mai 1925 bemerke er ein jahrelanges Decrescendo, dem schließlich vollständige Todesstille folgen werde. 1000 Die Idee, die drei Kunden Lulus, den Professor, den Neger und Jack, mit musikalischen Anspielungen als Wiedergänger ihrer früheren Opfer darzustellen, stammt von Alban Berg. 1001 Nur die Partie Alwas ist genau ausgeführt. 1002 Der Quintklang cis-gis wird getrübt durch den verminderten Dreiklang f-h-d. 1003 1. Akt, 2. Szene, T. 416ff. 1004 1. Akt. 1. Szene, T. 188: Ich liebe Dich. 1005 In der Lulu-Suite der Beginn des letzten Satzes (Adagio). 1006 Der Name ist eine Anspielung auf „Jack the ripper“, die Bezeichnung für einen nie gefassten Londoner Serienmörder aus dem Jahr 1888. Die detaillierte Beschreibung in der Regieanweisung zielt auf das typische Bild des Verbrechers. 1007 Die ersten sechs Töne suggerieren As-Dur. Siehe auch zuvor: Sostenuto T. 1174ff. 982

323

Zitierte Literatur Briefe ALBAN BERG: Briefe an seine Frau, hg. von Helene Berg. München/Wien 1965 Briefwechsel ALBAN BERG – HELENE BERG. Gesamtausgabe, Teil 1–3. Aus den Beständen der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, hg. von Herwig Knaus und Thomas Leibnitz. Wilhelmshaven 2012–2014 Briefwechsel ARNOLD SCHÖNBERG – ALBAN BERG, Bde. 1 und 2, hg. von Juliane Brand, Christopher Hailey und Andreas Meyer. Mainz, London, Berlin, Madrid, New York, Paris, Prague, Tokyo, Toronto 2007 (= Briefwechsel der Wiener Schule, hg. von Thomas Ertelt, Bd. 3) ALBAN BERG. Briefwechsel mit seiner Familie, hg. von Herwig Knaus. Wilhelmshaven 2016 THEODOR W. ADORNO: ALBAN BERG. Briefwechsel 1925– 1935, hg. von Henri Lonitz. Frankfurt a.M. 1997 ALBAN BERG: Briefe an Anny Askenase. Handschriften. Bayerische Staatsbibliothek, Fasc. germ. 90.1–90.16 ALBAN BERG: Handschriftliche Briefe, Briefentwürfe und Notizen. Aus den Beständen der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, herausgegeben und bearbeitet von Herwig Knaus. Wilhelmshaven 2004 (Quellenkataloge zur Musikgeschichte 29) ALBAN BERG: Maschinenschriftliche und handschriftliche Briefe, Briefentwürfe, Skizzen und Notizen. Hg. von Richard Schaal. Wilhelmshaven 2005 (Quellenkataloge zur Musikgeschichte 34) ALBAN BERG: Briefentwürfe, Aufzeichnungen, Familienbriefe, Das Bergwerk. Herausgegeben von Herwig Knaus und Thomas Leibnitz. Wilhelmshaven 2006 (Quellenkataloge zur Musikgeschichte 35)

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Horst Weber (Hg.): ALEXANDER ZEMLINSKY: Briefwechsel mit Arnold Schönberg, Anton Webern, Alban Berg und Franz Schreker. Darmstadt 1995 (= Briefwechsel der Wiener Schule, hg. von Thomas Ertelt, Bd. 1) Herwig Knaus/Thomas Leibnitz (Hg.): ALTENBERG bis ZUCKERKANDL. Briefe an Alban Berg. Liebesbriefe von Alban Berg. Wien 2009 Erwin Stein (Hg.): ARNOLD SCHOENBERG. Briefe, Mainz 1958 Martina Steiger (Hg.): „Immer wieder werden mich thätige Geister verlocken“. ALMA MAHLER-WERFELS. Briefe an Alban Berg und seine Frau. Wien 2008 Martina Steiger (Hg.): ALBAN BERG – ERICH KLEIBER. Briefe der Freundschaft. Wien 2013

Sonstige Literatur Theodor W. ADORNO: Berg. Der Meister des kleinsten Übergangs (1969), in: Gesammelte Schriften, Bd. 13, Frankfurt a.M. 1971, S. 321–514 Theodor W. ADORNO: Gesammelte Schriften, Bd. 18. Frankfurt a.M. 1984 Theodor W. ADORNO: Alban Berg: Violinkonzert, in: Gesammelte Schriften, Bd. 15. Frankfurt a.M. 1976, S. 338–368 Theodor W. ADORNO: Philosophie der neuen Musik. Frankfurt a.M. 1976 Peter ALTENBERG: Was der Tag mir zuträgt, hg. von Karl Kraus. Wien 1932. Korrigierte Ausgabe Wiesbaden 2009 Charles BAUDELAIRE: Les fleurs du mal. Sämtliche Werke, Bd. 3, S. 59ff. München/Wien 1975 Alban BERG: Glaube, Hoffnung, Liebe. Schriften zur Musik, hg. von Frank Schneider. Leipzig 1981 Alban BERG: Wozzeck-Vortrag. Ebenda, S. 267–289 ALBAN BERG STUDIEN. Bd. 1 (Hg. Franz Grasberger und Rudolf Stephan). Wien 1980; Bd. 11/2 (Hg. Rudolf Stephan). Wien 1980. Bd. 2 (Hg. Franz Grasberger und Rudolf Ste-

326

phan). Wien 1981; Bd. 3 (Hg. Rudolf Stephan). Wien 1993; Bd. 4 (Hg. Rudolf Stephan). Wien 1996; Bd. 5 (Hg. Rudolf Stephan). Wien 2000; Bd. 6 (Hg. Rudolf Stephan). Wien 2008 Erich Alban BERG: Der unverbesserliche Romantiker. Alban Berg 1885–1935. Wien 1985 Erich Alban BERG: Als der Adler noch zwei Köpfe hatte. Ein Florilegium 1858–1918. Graz/Wien/Köln 1980 Erich Alban BERG (Hg.): Alban Berg. Leben und Werk in Daten und Bildern. Frankfurt a.M. 1976 Elias CANETTI: Das Augenspiel. Lebensgeschichte 1931–1937. München/Wien 1985 Carl DAHLHAUS, Vom Musikdrama zur Literaturoper. Aufsätze zur neueren Operngeschichte. München/Salzburg 1983 Hanns EISLER: Musik und Politik. Schriften 1924–1948, hg. von Günter Mayer. Leipzig 1973 Constantin FLOROS: Alban Berg. Musik als Autobiographie. Wiesbaden/Leipzig/Paris 1992 Constantin FLOROS: Alban Berg und Hanna Fuchs. Die Geschichte einer Liebe in Briefen. Zürich/Hamburg 2001 Anton FUCHS: Auf ihren Spuren in Kärnten. Alban Berg, Gustav Mahler, Johannes Brahms. Klagenfurt 1988 Michael GIELEN: Unbedingt Musik. Erinnerungen. Frankfurt a.M. und Leipzig 2005 Arnold GREISSLE-SCHÖNBERG: Arnold Schönberg und sein Wiener Kreis. Erinnerungen seines Enkels. Wien/Köln/ Weimar 1998 Hans W. HEINSHEIMER: Schönste Grüße an Aida. Ein Leben nach Noten. München 1969 Ernst HILMAR (Hg.): Arnold Schönberg. Gedenkausstellung 1974. Wien 1974 Rosemary HILMAR: Alban Berg. Leben und Wirken in Wien bis zu seinen ersten Erfolgen als Komponist. Wien/Köln/Graz 1978 Rosemary HILMAR/Günter BROSCHE (Hg.): Alban Berg 1885– 1935. Katalog zur Ausstellung der Österreichischen Natio-

327

nalbibliothek in Zusammenarbeit mit der Universal Edition. Wien 1985 Oliver HILMES: Witwe im Wahn. Das Leben der Alma MahlerWerfel. München 2004 Gottfried KASSOWITZ: Lehrzeit bei Alban Berg, in: ÖMZ, 23. Jg., 1968, H. 6/7, S. 328 Herwig KNAUS/Wilhelm SINKOVICZ: Alban Berg. Zeitumstände – Lebenslinien. St. Pölten/Salzburg 2008 Herwig KNAUS: Anna Nahowski und der Kaiser Franz Josef. Ihr Leben – Ihre Liebe – Ihre Kinder. Wien 2012 Karl KRAUS: Die Fackel, hg. von Heinz Lunzer/Victoria Lunzer-Talos/Marcus G. Patka. Wien 1999 Hanspeter KRELLMANN: Anton Webern mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1975 Ernst K ENEK: Im Atem der Zeit. Erinnerungen an die Moderne. Aus dem amerikanischen Englisch von Friedrich Saathen. Rev. Übers. von Sabine Schulte. Hamburg 1998 Ernst K ENEK: Zur Sprache gebracht. Essays über Musik. München 1958 Hartmut KRONES: Arnold Schönberg. Werk und Leben. Wien 2005 Heinz LUNZER/Victoria LUNZER-TALOS/Marcus G. PATKA (Hg.): „Was wir umbringen“. „Die Fackel“ von Karl Kraus. Katalog zur Ausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Wien. Wien 1999 Alma MAHLER: Erinnerungen an Gustav Mahler. Gustav Mahler: Briefe an Alma Mahler, hg. von Donald Mitchell. Frankfurt a.M./Berlin 1971 Alma MAHLER-WERFEL: Mein Leben. Frankfurt a.M. 1963 Albrecht von MASSOW: Halbwelt, Kultur und Natur in Alban Bergs „Lulu“. Stuttgart 1992 Heinz-Klaus METZGER/Rainer RIEHN (Hg.): Alban Berg. Kammermusik I (= Musik-Konzepte 4). München 1981 Heinz-Klaus METZGER/Rainer RIEHN (Hg.): Alban Berg. Kammermusik II (= Musik-Konzepte 9). München 1979

328

Heinz-Klaus METZGER/Rainer RIEHN (Hg.): Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen (= Musik-Konzepte 36). München 1984 Hans und Rosaleen MOLDENHAUER: Anton von Webern. Chronik seines Lebens und Werkes. Zürich 1980 Christian MEYER (Hg.): Arnold Schönbergs Wiener Kreis. Bericht zum Symposium 1999. Wien 2000 Soma MORGENSTERN: Alban Berg und seine Idole. Erinnerungen und Briefe. Lüneburg 1995 Zsigmond MÓRICZ: Arme Leute. Sechs Erzählungen. Budapest 1961 Nuria NONO-SCHOENBERG (Hg.): Arnold Schönberg 1874– 1951. Lebensgeschichte in Bildern. Klagenfurt 1992 George PERLE: Das geheime Programm der Lyrischen Suite (= Musik-Konzepte 4, Alban Berg. Kammermusik I, München 1981, S. 49–74) Peter PETERSEN: Alban Berg. Wozzeck (= Musik-Konzepte Sonderband, München 1985) Hans PFITZNER: Die neue Ästhetik der musikalischen Impotenz – Ein Verwesungssymptom? In: Gesammelte Schriften, Bd. 2 Anthony POPLE (Hg.): Alban Berg und seine Zeit. Laaber 2000 Ursula v. RAUCHHAUPT (Hg.): Die Streichquartette der Wiener Schule. Eine Dokumentation. Hamburg/München 1971. Hans Ferdinand REDLICH: Alban Berg. Versuch einer Würdigung. Wien/Zürich/London 1957 Willi REICH: Alban Berg. Mit Bergs eigenen Schriften und Beiträgen von Theodor Wiesengrund-Adorno und Ernst Křenek. Wien/Leipzig/Zürich 1937 Willi REICH: Alban Berg. Leben und Werk. München/Zürich 1963 Willi REICH (Hg.): Alban Berg. Bildnis im Wort. Selbstzeugnisse und Aussagen der Freunde. Zürich 1959 Willi REICH (Hg.): Arnold Schönberg, Schöpferische Konfessionen. Zürich 1964 Dieter REXROTH (Hg.): Opus Anton Webern. Berlin 1983

329

Susanne RODE: Alban Berg und Karl Kraus. Zur geistigen Biographie des Komponisten der „Lulu“. Frankfurt a.M./ Bern/New York/Paris 1988 Volker SCHERLIESS: Alban Berg mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1975 Arnold SCHÖNBERG (Festschrift). Mit Beiträgen von Alban Berg, Paris von Gütersloh, K. Horwitz, Heinrich Jalowetz, W. Kandinsky, Paul Königer, Karl Linke, Robert Neumann, Erwin Stein, Ant. v. Webern, Egon Wellesz. München 1912 Arnold SCHÖNBERG zum 60. Geburtstag. 13. September 1934. Wien o.J. (1934) Arnold SCHÖNBERG: Stil und Gedanke. Aufsätze zur Musik, hg. von Ivan Vojt ch. Frankfurt a.M. 1976 Arnold SCHÖNBERG: Harmonielehre. Wien 1949 Arnold SCHÖNBERG: Berliner Tagebuch. Frankfurt a.M. 1974 Arnold SCHÖNBERG. Gedenkausstellung 1974, hg. von Ernst Hilmar. Wien 1974 Rudolf STEPHAN (Hg.): Die Wiener Schule. Darmstadt 1989 Rudolf STEPHAN: Berg. Violinkonzert. München 1988 (= Meisterwerke der Musik, H. 49) Arne STOLLBERG (Hg.): Erich Wolfgang Korngold. Wunderkind der Moderne oder letzter Romantiker? München 2007 Hans Heinz STUCKENSCHMIDT: Schönberg. Leben-UmweltWerk. Zürich/Freiburg 1974 Konrad VOGELSANG: Dokumentation zur Oper „Wozzeck“ von Alban Berg, Laaber 1977 Eleonore VONDENHOFF im Gespräch mit Andreas Maul über ihre Erinnerungen an Alban und Helene Berg, in: ÖMZ 44. 1989. H. 12, S. 601–610 Anton WEBERN: Der Weg zur neuen Musik. Hg. von Willi Reich. Wien 1960 Egon WELLESZ: Arnold Schönberg. Neuausgabe mit einem Nachwort von Carl Dahlhaus. Wilhelmshaven 1985 (Englische Ausgabe 1925)

330

Egon und Emmy WELLESZ: Egon Wellesz. Leben und Werk. Hg. von Franz Endler. Wien/Hamburg 1981 Frank WEDEKIND: Lautenlieder, hg. von Friederike Becker. München 1989 Stefan ZWEIG: Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers. Frankfurt a.M. 1970

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Register Adler, Alfred 220 Adler, Guido 27, 28 Adorno, Theodor Wiesengrund 32, 38, 68, 73, 79, 95, 132– 136, 142, 169, 182, 189, 191, 193, 195, 202, 208–211, 213, 215, 218–221, 230, 232, 239f., 246, 254, 260, 264f., Anm. 973 Ahles, Rudolf 258 Altenberg, Peter (Richard Engländer) 26, 38, 42, 44f., 47f., 73f., 77–79, 81, 85, 87, 135 Altmann, Elise (2. Ehefrau von Adolf Loos) 115, Anm. 351 Ansermet, Ernest 248 Apostel, Hans Erich 142, Anm. 773 Argerich, Martha Anm. 793 Askenase, Anny 232–235, 265 Askenase, Stefan 232, Anm. 793 Avenarius, Ferdinand 23 Bach, David Josef 180 Bach, Johann Sebastian 31, 129, 179, 185, 258, 262, Anm. 938

Bachrich, Ernst 117, 167 Bahr, Hermann 18, 26, 39, 45, 84–86 Balázs, Béla 132 Bareis, Maria, Edle von Barnhelm 10, 122 Baresel, Alfred Anm. 773 Bartók, Béla 116, 119, 132, 222 Baudelaire, Charles 133, 194, 205f., 227f., Anm. 636 Bayer, Josef 107, Anm. 317 Beethoven, Ludwig van 17, 31, 46, 64, 87, 104, 115, 127, 142, 222 Bekker, Paul 71, 127, 222 Benjamin, Walter 133 Berg, Alice 123–125 Berg, Conrad 7, 9, 10, 14, 18 Berg, Erich Alban (Eric) 41, 120, 136, 237, 250 Berg, Helene 27, 29, 42f., 48–51, 53, 55–62, 65– 67, 69f., 72f., 77, 79, 81, 84, 86, 90f., 96, 98f., 101–111, 113, 118, 120, 122–126, 130–139, 143,155, 165–168, 179–181, 183f., 187–188, 193– 198, 208, 210, 212f.,

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219, 221f., 224f., 230f., 233–238, 241–245, 248, 250–255, 264– 267, Anm. 228, 964 Berg, Hermann 8, 22, 37, 41f., 60, 63, 112, 118, 122–125 Berg, Johanna (Maria Anna), geb. Braun 7, 18, 22, 40f. 63, 65, 77, 79, 86, 97f., 104, 106, 109, 111, 120–125, 167, 182f. Berg, Karl (Charly) 7f., 13, 18, 22f., 38, 40–42, 77, 97, 101, 106, 109, 120– 123, 125, 132, 182, 207, 243, 249–251, 267 Berg, Smaragda 7f., 9, 18– 20, 22, 33, 40–44, 50, 56f., 60, 64, 88, 104, 111, 120–125, 180, 182f., 209, 211, 248– 250, 267 Berg, Stefanie 41, 109, 120f., 249 Bernays, Anna 19 Bie, Oskar 168 Bienenfeld, Elsa 22, 128 Bittner, Julius 213 Blond, Dr. Kasper 266 Borgfeldt, George 7, 9, 97, 122, 179, 183, 230, 249 Bösendorfer, Ludwig 8 Boulez, Pierre 268 Boult, Adrian Anm. 740

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Brahms, Johannes 20, 26, 31, 108, 129 Brand, Max 215 Brandt, Marianne Anm. 101 Braun, Franz Xaver Melchior 7f. Braun, Johanna Maria Anna Berg, Johanna Braun, Rudolf 179 Brecht, Bertolt 172 Broch, Hermann 11 Bronnen, Arnolt 208 Bruckner, Anton 8, 216 Büchner, Georg 96, 140, 208 Busoni, Ferruccio 27, 29, 33, 86, 126, 185 Calvelli-Adorno delle Piane, Agathe 133 Calvelli-Adorno delle Piane, Maria 133, Anm. 835 Canetti, Elias 38, 257, Anm.918 Caregnato, Antonio Anm. 386 Caregnato, Domenico Anm. 386 Casals, Pablo Anm. 55 Casella, Alfredo 117, 222, 258, Anm. 740 Cerha, Friedrich 268 Chagall, Marc 240 Chopin, Frédéric Anm. 793

Christianus, Gustav 237 Christianus, Hilde 237 Collaer, Paul 232 Cyhlar, Erich 257 Dahlhaus, Carl 211 Debussy, Claude 53, 97, 116f., 130, 222, Anm. 755 Defauw, Désiré Anm. 740 Dehmel, Richard 38, 45 Delvard, Marya 44, 249, Anm. 85 Dent, Edward 213f., 221, Anm. 723 Dietrich, Marlene 234 Dollfuß, Engelbert 251, 255 Dostojewski, Fjodor Michailowitsch 88 Dubost, Jeanne 227 Dukas, Paul 53, Anm. 115 Edwards, Edith 234, 236 Eger, Adolf Freiherr von 18, 42 Eichendorff, Joseph Freiherr von 20, 23, 127 Einstein, Albert 24 Einstein, Alfred 222 Eisler, Hanns 27, 131, 142, 166, 193, 214, 239, 247 Evers, Franz Anm. 12 Fischer, Samuel 45, 209 Fitelberg, Grzegorz Anm. 740 Fleming, Renée Anm. 688

Franz Ferdinand, Erzherzog 96 Franz Joseph I., Kaiser 9, 19, 48f., 96, 100, 104, 107, 187 Franzos, Karl Emil 140, Anm. 259 Freud, Sigmund 19, 57 Fried, Oskar 131 Friedell, Egon 38, 44f. Fuchs-Robettin, Dorothea (Dodo) 194, 196, 202, Anm. 663 Fuchs-Robettin, František (Munzo) 194, 196, 201, Anm. 672 Fuchs-Robettin, Hanna 192–206, 228f., 234, 263, 295, Anm. 617, 643, 959, Anm. 663, 999 Fuchs-Robettin, Herbert 193, 195–199, 201, Anm.630 Furtwängler, Wilhelm 166, 241 Gauguin, Paul 208 George, Stefan 133, 195, 205f., 227, Anm. 268 Gershwin, George Anm. 696 Gerstl, Richard 25, 42, 184 Gielen, Michael 117 Giraud, Albert Anm. 481 Glasunow, Alexander 258 Goebbels, Joseph 241, 252

335

Goethe, Johann Wolfgang von 11, 38, 181, 208 Gogh, Vincent van 25, 208 Göring, Hermann Anm. 907 Göttel, August 106, Anm. 294 Götzlik, Ernestine 9, 15 Greissle, Arnold (Schönbergs Enkel) 184 Greissle, Felix 142, 184, 214, Anm. 32 Greissle, Gertrud, geb. Schönberg 23, 25, 112f. Grillparzer, Franz 11 Gropius, Manon 108, 110, 139, 257–259 Gropius, Walter 108, 257 Grosz, Wilhelm 118f. Gütersloh, Paris von 35 Gutheil-Schoder, Marie 13 Haas, Joseph 220 Halbreiter, Otto 130 Hanslick, Eduard 216 Hartleben, Otto Erich 55 Haslinger, Tobias 9 Hauer, Josef Matthias 179, 190f. Hauptmann, Carl 52 Hauptmann, Gerhart 38, 208f., 254 Havemann, Gustav 71 Hebbel, Friedrich 66 Heine, Heinrich 39, 131

336

Heinsheimer, Hans 13, 168 Herlinger, Dr. Alfred 227, 234 Herlinger, R žena 227, 234 Hertzka, Emil 23, 71, 82f., 85, 112, 143, 166, 181, 192, 227 Hertzka, Yella 252, Anm. 948 Hesse, Hermann 45 Heuduck, Carola (Helene Bergs Stiefschwester) 48–50, 57, 238, 250 Heuduck, Johann 48 Hindemith, Gertrud 241 Hindemith, Paul 32, 224– 226, 321, 241 Hitler, Adolf 238, Anm. 834 Hoffmann, Josef 58, 171, 242 Hofmannsthal, Hugo von 39, 45, 118 Hohenberg, Paul 14, 16f., 51, 55 Hollnsteiner, Johannes 242, 257 Homer 11 Honegger, Arthur 214 Horenstein, Jascha 207, Anm. 205 Horkheimer, Max 133 Horwitz, Karl 35f., 85, 100 Huber, Johannes 11, 13f.

Humplik, Josef 252 Ibsen, Henrik 11f., 16f., 21 Isaac, Heinrich 27 Jakobowski, Ludwig 23 Jalowetz, Heinrich 27, 35, 71f., 85, 112, 167, 220, 267 Jokl, Otto 142, Anm. 814 Kabasta, Oswald 266 Kafka, Franz 134 Kahle, Nora 19 Kalbeck,Max 128 Kammerer, Dr. Paul 51, 58f., 136, Anm. 139 Kandinsky, Wassily 35, 68, 96, 240 Karl I., Kaiser 107, 114 Kasack, Hermann 208 Kassowitz, Gottfried 103, 141f., 168, 180 Keller, Gert 125 Keller, May 43, 104, 121f., 124f., 182f., 249f. Kellermann, Bernhard 52 Kerr, Alfred 45 Kleiber, Erich 143, 167– 169, 193, 207, 210, 241, 251–254 Kleiber, Ruth 254, Anm. 907 Klein, Fritz Heinrich 142, 165, 191, 200 Klemperer, Otto 131, 266 Klimt, Gustav 39, 44, 46, 58, 84, 181 Kodály, Zoltán 116. 222

Koechlin, Charles Anm. 740 Koimzoglu (Konsul) 10 Kokoschka, Oskar 22f., 44, 46, 77, 84, 108 Kolisch, Dr. Rudolf 184 Kolisch, Gertrud Schönberg, Gertrud Kolisch, Rudolf 118f., 131, 184f., 207, 227, 239, Anm. 557 Königer, Paul 36, 83, 142 Korngold, Dr. Julius 71, 128, 193, 216f., Anm. 353 Korngold, Erich Wolfgang 115, 118, 171, 215 217, 224, Anm. 353 Koussevitzky, Sergej 241 Kracauer, Siegfried 133f. Krasner, Louis 257–259 Kraus, Karl 8, 17, 26, 32, 37ff., 44–47, 73, 97, 100, 107, 132, 137, 165, 169 Krauss, Clemens 171, 218, 253 Křenek, Ernst 38, 131, 171f., 215–217, 221, 224, 238, 241, 265– 267, Anm. 733 Kurzmann, Rita 238, 257, 266 Lalo, Edouard 258 Landau, Paul 140 Lang, Fritz 215

337

Lebert, Anna (Antschi) 48, 50, 61f., 77, 111, 186f., 238, 250, 267 Lebert, Arthur 62f., 77, 122, 186f., 238, Anm. 166, 340, 598 Lebert, Hansi 139, 186 Lenau, Nikolaus 53 Lenz, Annerl 199 Leschetizky, Theodor (Teodor Leszetycki) 8 Lichtenstein, Alfred Fürst Anm. 67 Lieser, Henriette (Lilli) 112 Lifczis, Dr. Karl 237 Lifczis, Dr. Otto 235, Anm. 814 Liliencron, Detlev von 44 Linke, Karl 83, 100, 142 Liszt, Franz 20 Loos, Adolf 22, 26, 38, 44– 47, 73, 77, 82, 84, 97, 115, 184, 186 Löwe, Dr. Erich 188 Maeterlinck, Maurice 77, 97 Mahler, Alma 26, 54, 77, 85–87, 95, 101, 108, 110–112, 115, 117f., 119, 128, 133, 137, 181, 195f., 218, 222, 230, 234, 239, 242, 246, 252, 257f., 265f., Anm. 825

338

Mahler, Anna Justina 108, 110, 119, Anm. 204, 918 Mahler, Gustav 11, 13f., 24–28, 73, 82f., 85–87, 90–95, 101, 108, 113, 115, 117, 130–134, 147, 156, 214, 216, 238, 254, 260, 262, Anm. 204, 510, 931 Mahler, Maria Anna 108 Malipiero, Anna 222 Malipiero, Gian Francesco 222 Mann, Thomas 136 Maria Theresia, Kaiserin 136 Marx, Dr. Joseph 167 Mascagni, Pietro 124 Mildenburg, Anna von 13, 18 Milhaud, Darius 81, 116, 118, 222, 232 Milhaud, Madelaine 222 Mombert, Alfred 66 Morgenstern, Inge 235 Morgenstern, Soma ( Salomon) 39, 45, 131– 136, 172, 208f., 215, 217, 219, 230, 235, 240, 243–246, 249, 252, 255, 264, 266f., Anm. 703 Móricz, Zsigmond 110f. Moser, Fritz 51

Moser, Koloman (Kolo) 44, 57 Mozart, Wolfgang Amadeus 254 Müller, Georg (Verleger) 210 Munch, Edvard 25 Musil, Robert 22, 45, 131 Mussolini, Benito 251 Nahowski, Anna (Helene Bergs Mutter) 40, 48f., 60f., 64, 72f., 86, 100, 106, 110, 186– 188, 250 Nahowski, Anna (Helene Bergs Schwester) Lebert, Anna Nahowski, Franz (Helene Bergs Vater) 40, 43, 48–50, 52, 56, 60–65, 72f., 86, 100, 103, 105, 110, 122, 186f., Anm. 166 Nahowski, Franz Joseph (Franzl) 49f., 105, 186–188, 232, 238, 245 Nahowski, Helene Berg, Helene Napoleon Bonaparte 62 Nestroy, Johann 38 Newes, Tilly Wedekind, Tilly Nietzsche, Friedrich 51 Nirenstein, Otto Anm. 814 Offenbach, Jacques 38, Anm. 967

Oppenheimer, Max 44 Ostrčil, Otakar Anm. 535 Panzer, Bernhard Anm. 543 Peter I., König von Serbien 120 Pfeiffer, Toni 136 Pfitzner, Hans 27, 108, 126–128, 168 Pisk, Paul Amadeus 126, 238f. Ploderer, Rudolf 102, 179, 217, 239, Anm. 822 Poe, Edgar Allan 88 Polgar, Alfred 26 Polnauer, Josef 27, 36, 71, 83, 98, 103, 142, 188, 193, 238 Postl, Johann 99 Poulenc , Francis 116, 118 Prittwitz und Gaffron, Friedrich Wilhelm von Anm. 907 Prokofjew, Sergej 116, 215 Puccini, Giacomo 171, 198, 217 Puppi del Fù Giuseppe, Antonio Anm. 386 Puppi del Fù Luigi, Antonio Anm. 386 Raffael 61 Rankl, Karl 166 Ravel, Maurice 116ff. Reger, Max 85, 117, 130 Reich, Willi 69, 142, 171, 217f., 221f., 226, 254, 258, 264f., 267

339

Reinhart, Werner 180 Reinhold, Ernst 44 Renner, Karl 124 Renoir, Auguste 48 Riepan (Wirtschafter auf dem Berghof) 99 Rilke, Rainer Maria 20, 22f., 53f., Anm. 117 Rintelen, Anton 242, 252 Robettin, Dorothea Anm. 663 Rolleder, Marie 61 Roller, Alfred 58 Rosbaud, Hans 222 Rosé, Arnold 77, 84, 115, Anm. 204 Roth, Joseph 131 Roussel, Albert 222 Rovelli, Bruno 51 Rufer, Josef 71, 142, 168, 184, 189 Salten, Felix 45 Salzgeber, Marie Freifrau von 9f., 14, 22, 41 Sandrock, Adele 37 Sauer, Emil Anm. 793 Schalk, Franz 167 Scherchen, Hermann 71, 132, 166f., 193, 222, 259, Anm. 557 Scheuchl, Albine 14f. Scheuchl, Marie 14f., Anm. 11 Schidrowitz, Leo 250 Schiller, Friedrich von 11 Schillings, Max von 168, 239

340

Schlaf, Johannes 54f. Schloß, Julius 142, 233 Schmid, Josef 36, 83, 142f. Schnitzler, Arthur 21, 39, 84, 93, 100 Schönberg, Arnold 20, 22f., 25–29, 30ff., 39, 42, 44, 46, 53–55, 61, 68f., 72f., 74, 76–92, 96–98, 100–104, 109, 111–113, 115–119, 122f., 126–131, 133, 135f., 140–143, 148, 154f., 165f., 169, 171f., 179f., 184–186, 189– 191, 200, 207, 209f., 214–216, 218, 220f., 225, 232, 239f., 243, 246–248, 253, 255f., 258f., 264, Anm. 17, 118, 200, 247, 252, 493, 498, 684 Schönberg, Georg (Görgi) 24f., 112 Schönberg, Gertrud (Trude) Greissle, Gertrud Schönberg, Gertrud, geb. Kolisch 184–186, 218, 239 Schönberg, Mathilde 23f., 112, 184 Schönberg, Nuria 239 Schönberg, Samuel 25 Schopenhauer, Arthur 51 Schratt, Katharina 49

Schreker, Franz 82–84, 115, 118, 215, 224f., 239 Schüler, Johannes 95, 170 Schumann, Robert 127 Schuschnigg, Kurt 242, 251f., 255 Schwarzwald, Dr. (Psychotherapeut) 139 Schwarzwald, Dr. Eugenie 22f., 105, 112f., 139 Schwerdtner, Dr. 51 Seidenader, Rudolf 243 Semler, Frida 19, 21, 23, 37, 54 Shakespeare, William 11, 38 Skrjabin, Alexander 97, 116 Slezak, Leo 13 Sluzanski, Karl 114 Sophie Gräfin Chotek von Chotkowa und Wognin, Herzogin von Hohenberg 96 Specht, Richard 83 Stefan, Paul 168 Stein, Erwin 27, 29, 72, 85, 88, 98, 101, 112, 116, 143, 170, 238 Steiner, Julius (Major) 105, 110 Steinrück, Albert 96 Sternberg, Josef von Anm. 806

Steuermann, Eduard 29, 72, 100, 113, 116f., 119, 131, 133, 135, 166, 234, 238, 265, Anm. 557, 880 Steuermann, Hilda 234, 249, Anm. 518, 880 Stieler, Karl 23 Stokowski, Leopold 251 Storm, Theodor 53, 189, 192, 200 Strauß, Emil 17 Strauß, Johann (Sohn) 119 Strauss, Franz (Sohn von Richard Strauss) 222 Strauss, Pauline 222 Strauss, Richard 20, 50, 82, 85f., 112, 117, 128, 156, 193, 214, 222, 241, Anm. 505 Strawinsky, Igor 26, 32, 116f., 167, 185 Strindberg, August 11, 38, 51, 64, 181, 234 Strobel, Heinrich 226 Stuckenschmidt, Hans Heinz 168 Suñen, Anita 43, Anm. 80 Szell, George 222, 265 Szymanowski, Karol 116, 214 Tagore, Rabindranath 200 Tal, Ernst Peter 130, Anm. 413 Tandler, Julius 242 Toch, Ernst 222

341

Toscanini, Arturo 241 Varèse, Edgar 112 Verdi, Giuseppe 138, 157f., 181 Vondenhoff, Eleonore Anm. 905 Wagner, Richard 7f., 20f., 26–28, 33, 50, 55, 59f., 88, 107, 129, 132, 193, 203, 206, 222 Wagner, Siegfried 60 Walter, Bruno 84, 86, 90, 215, 242 Watznauer, Hermann 14– 17, 19, 61, 77, Webern, Amalia von 85, 113, 180, 220, 251 Webern, Anton von 27–29, 35f., 38, 68f., 71f., 77– 81, 85, 87, 90, 95, 97f., 100f., 104, 112f., 115f., 118f., 126, 130, 143, 167, 179–181, 184, 193, 200, 207, 213f., 219–221, 225, 227, 231, 235, 238f., 241, 245f., 251–254, 257, 265, 267, Anm. 32, 555, 557 Webern, Maria von 113 Webern, Peter von 113, 180 Webern, Rosa von 98 Webern, Wilhelmine von 85, 113, 115, 180

342

Wedekind, Frank 21, 37f., 44, 208f., 211, 234, 253, Anm. 965, 979 Wedekind, Tilly 37, 209f., 286–288, 291 Weidmann, Josef 40 Weidmann, Julie 40 Weill, Kurt 172 Weininger, Otto 17 Wellesz, Dr. Egon 118, 130, 213, 221f., 224f., 267 Werfel, Franz 137f., 181, 193f., 239, 242, 246, 252, 255, 258, 266, Anm. 825 Wiesengrund, Oscar Alexander 133, Anm. 835 Wiesengrund, Theodor  Adorno, Theodor Wilhelm II., Kaiser 113 Winkler, Wilhelm 83 Witek, Karl 237 Witkowski, Georg 140 Wolf, Hugo 17, 20, 108 Wright, Orville 182 Zemlinsky, Alexander von 22f., 25f., 35, 54, 71, 77, 83, 112, 119, 130, 166f., 193, 197, 200f., 203f., 217f., Anm. 55 Zillig, Winfried 171 Zsolnay, Paul 181, 255 Zweig, Stefan 106, 267