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German Pages 169 [172] Year 2015
Aby Warburg und Fritz Saxl enträtseln Velázquez
Karin Hellwig
Aby Warburg und Fritz Saxl enträtseln Velázquez Ein spanisches Intermezzo zum Nachleben der Antike
De Gruyter
Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf und der Bünemann Stiftung, München.
ISBN 978-3-11-042551-2 eISBN (PDF) 978-3-11-042052-4 eISBN (EPUB) 978-3-11-042063-0 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2015 Walter de Gruyter GmbH Berlin/Boston Einbandabbildung: Diego Velázquez, Las Hilanderas, um 1656, Detail mit der Hintergrundszene © Madrid, Museo del Prado Lektorat: Rainer Donandt, Christine Schatz Satz: Dr. Rainer Ostermann, München Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH Co. KG, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Aby Warburg.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Fritz Saxl.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Zur Methode Warburgs und Saxls. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Die „Hilanderas“ – der historiographische Kontext 1927. . . . . . . . . . 17 Warburgs Eintrag im Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg vom 18. Juli 1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutungsversuche bis 1888.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carl Justis neue Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Arachnemythos in den „Hilanderas“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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ulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, Hamburg 1927: K Velázquez und die spanische Malerei des Barock als neues Thema. . . . . 27 Spanien als Station auf der „Wanderstraße“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Saxls Forschungsaufenthalt in Madrid im Frühjahr 1927. . . . . . . . . . . . . . . . 28 Das Interesse an Velázquez und der Ovid-Rezeption im Spanien der Barockzeit.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
W arburg 1924 bis 1927: Forschungen zum Antikenbild von Rembrandt und Rubens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Zum Antikenbild der Barockkünstler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rembrandt: „Der Raub der Proserpina“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rubens: „Der Raub der Proserpina“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Pathosfigur der Pallas Athene.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Saxl 1927: Forschungen zu Velázquez. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Die Vorlesung über spanische Malerei.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die „Hilanderas“ als „vielleicht das beste Bild“.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Antikenbild des Velázquez.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Tempesta – Velázquez – Rubens“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
„ Velázquez-Gespräche“ an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg im Juni und Juli 1927 – Wege zur Lösung des Rätsels der „Hilanderas“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Warburg vor Justis Rätselbild.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Saxl „erklärt“ Warburg das Bild. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Rembrandt und Rubens zu Velázquez. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warburgs Eintrag und Saxls Vorlesungsnotate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Saxl 1927 bis 1932: Neue Ergebnisse zu El Greco und nicht realisierte Velázquez-Pläne.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Pläne für Velázquez-Studien 1927/28. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rezension von August L. Mayers „El Greco“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . El Grecos Rezeption der Renaissancekunst und seine Quellen für den „Laokoon“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Madrid-Aufenthalt im Herbst 1931. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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W arburg Institute, London 1940 bis 1952: Fortsetzung der „Velázquez-Gespräche“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Saxl im Gespräch mit Enriqueta Harris.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 „Neue“ Erkenntnisse zu den „Hilanderas“ Ende der 1940er Jahre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Dokumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Editorisches.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Briefe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Saxl, Texte zu den „Hilanderas“, Faksimiles. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Saxl, Texte zu den „Hilanderas“, Transkription. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Diego Velázquez, Las Hilanderas, um 1656, Öl auf Leinwand, 220x289 cm, Madrid, Museo del Prado
Einleitung
Am 18. Juli 1927 legte Aby Warburg (1866–1929) mit einem Eintrag im Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg die erste überzeugende Deutung von Diego Velázquez‘ Gemälde mit den Spinnerinnen, den „Hilanderas“, vor.1 Es heißt: „Gestern konnte ich endlich unserm Saxl bei seinen spanischen Hofjagden helfen: der Teppich im Hintergrund auf dem Weberinnenbild stellt meines Erachtens Pallas und Arachne dar, also eine allegorische Verherrlichung der Webekunst und kein ‚Liebermann‘.“2
Abgesehen von diesem kurzen Eintrag sind keine Schriften des Hamburger Wissenschaftlers (Abb. 1) überliefert, in denen er die Überlegungen, die ihn zu dieser Erkenntnis geführt haben, dargelegt hätte. Überhaupt ist nicht bekannt, dass sich Warburg bis zu dem Zeitpunkt des Eintrags intensiver mit dem Hofmaler Philipps IV. (König von Spanien 1621–1665) beschäftigt hätte, und es stellt sich die Frage, wie er scheinbar aus dem Nichts zu dieser ingeniösen Interpretation gelangen konnte. Eine Überprüfung des historischen, metho dischen, thematischen und biographischen Kontextes, in dem sein Eintrag erfolgte, macht deutlich, dass in der Tat einige Umstände zusammentreffen mussten, damit dieses Ergebnis möglich wurde. Die Rekonstruktion des Weges, der Warburg und seinen engsten Mitarbeiter Fritz Saxl zu der Lösung des Rätsels der „Hilanderas“ führte, erweist sich als nicht weniger komplex als das Ergebnis selbst und liest sich in gewisser Weise wie ein Detektivroman.
Aby Warburg Warburgs scheinbar wie aus dem Ärmel geschüttelte Deutung der „Hilanderas“ ist als Resultat bemerkenswert und ohne die Berücksichtigung der 1926 und 1927 an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg (K.B.W.) laufenden Forschungen und der methodischen Orientierung, die Saxl teilte, weder zu erklären, noch zu verstehen. Bereits mit seiner 1893 veröffentlichten Disser-
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Einleitung
Abb. 1
Aby Warburg, 1925, WIA
tation mit dem Titel „Sandro Botticellis ‚Geburt der Venus‘ und ‚Frühling‘“ hatte der Hamburger ein prominentes ikonographisches Rätsel gelöst, indem er die Gemälde mit literarischen Zeugnissen der humanistischen Mythographie des Medici-Hofes zusammenbrachte. 3 Dies gelang, indem er die Erklärung für zunächst unmotiviert wirkende Formen des bewegten Beiwerks in Stoffen, Gewändern und Haaren suchte, für die er antike literarische und bildliche Quellen bestimmen konnte. Er hatte zudem festgestellt, dass auch andere Künstler der Frührenaissance immer dann auf antike Formen zurückgriffen, wenn es um die Darstellung „leidenschaftlich bewegten Lebens“, also von Emotionen ging. Warburg hatte daraus gefolgert, dass die Künstler der Frührenaissance die Bildsprache des Mittelalters als ausdrucksarm empfunden und deshalb antike Bildtypen reaktiviert hätten, um Bewegung und Pathos mitzuteilen. Für diese pathetisch gesteigerten menschlichen Bewegungen in den Werken von Künstlern wie Donatello, Andrea Mantegna, Antonio Pollaiuolo, Domenico Ghirlandaio oder Botticelli, die antike Formelemente transportierten, hatte Warburg den Begriff der „Pathosformeln“ geprägt.3 Damit war der Kulturwissenschaftler auf ein zentrales Forschungsproblem gestoßen, das „Nachleben der Antike“ in der Kunst der Frührenaissance, auf das er Zeit seines Lebens immer wieder unter neuen Gesichtspunkten rekurrieren sollte.4 �
Aby Warburg
Nach Beendigung des Studiums hatte Warburg auf eine Habilitation verzichtet und mehrere Jahre als Privatgelehrter in Florenz gelebt. 1904 war er mit der Familie nach Hamburg zurückgekehrt und hatte dort ein Jahr später seine im Laufe der Jahre zu einer beachtlichen Fachbibliothek angewachsene private Büchersammhellwilung in eine Stiftung seiner Familie umgewandelt, die als halböffentliche Einrichtung geführt wurde. 1912 verlieh ihm die Stadt Hamburg den Professorentitel, und nach der Gründung der Universität Hamburg 1919, für die er sich stark eingesetzt hatte, bot er zwischen 1925 und 1929 mehrfach Übungen am Kunsthistorischen Seminar an. 1912 war Warburg mit dem Vortrag „Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoia zu Ferrara“ (publiziert 1922) auf dem 10. Internationalen Kunsthistorikerkongress in Rom erneut die Lösung eines notorischen Rätsels der Renaissanceforschung gelungen.5 Er hatte nämlich in den bis zu dem Zeitpunkt als nicht deutbar angesehenen Wandbildern des Palazzo astrologische Allegorien zur Darstellung der Monate erkannt. Im Vortrag legte Warburg seine Vorgehensweise ausführlich dar, sodass jeder seiner Schritte bei der Lösung des Rätsels nachvollziehbar wurde. Der Schlüssel zur Erklärung des Bildprogramms lag in der Erkenntnis, dass die in der Renaissance lebenden Menschen der Astrologie eine immense Bedeutung beimaßen und dass symbolische Bildformulierungen, wie es die astrologischen Sternbilder sind, sich auf „Wanderstraßen“ durch Zeiten und Räume bewegen. Auf den Fresken von Francesco del Cossa und anderen Künstlern waren antike Götter im Triumphzug, Szenen aus dem Leben am Hofe des Herzogs Borso d’Este sowie Tierkreiszeichen und neben ihnen weitere, rätselhafte Gestalten dargestellt. Letztere identifizierte Warburg als Dekane, also jene in der Astrologie als „Zehn-Tage-Herrscher“ bezeichneten Figuren, von denen jeweils drei zu jedem der zwölf Tierkreiszeichen gehören, und die ursprünglich auf griechische Mythen zurückgingen. Von Griechenland gelangten sie zunächst nach Indien und dann über Persien und Ägypten schließlich nach Italien. Während des Ersten Weltkriegs beschäftigte sich Warburg, der nicht zum Kriegsdienst eingezogen worden war, mit der Dokumentation der Kriegsereignisse durch Sammeln und Archivieren von Zeitungsausschnitten. Ab 1918 hielt er sich aufgrund einer psychischen Erkrankung in verschiedenen psychiatrischen Einrichtungen auf, von 1921 bis 1924 in der Nervenklinik Ludwig Binswangers in Kreuzlingen in der Schweiz. Nach der Heilung und Rückkehr nach Hamburg im August 1924 nahm Warburg die Arbeit am Problem des Nachlebens der Antike in der Neuzeit wieder auf. 1926 und 1927, den Jahren, bevor er im Juli 1927 die „Hilanderas“ deuten sollte, konzentrierte er sich auf die Auseinandersetzung von Rembrandt, Rubens und deren Zeitgenossen
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Einleitung
mit der Antike und der Bedeutung von Ovids „Metamorphosen“ und deren Illustrationen in diesem Prozess. Das Konzept der Pathosformel erfuhr in der Übertragung auf die Kunst des Barock eine neue, ihre Komplexität und Ambivalenz betonende Aktualisierung.
Fritz Saxl Fritz Saxl (1890–1948) war seit 1920 an der K.B.W. als engster Mitarbeiter Warburgs tätig.6 Saxl kam aus Wien, hatte dort bei Franz Wickhoff, Julius von Schlosser und Max Dvořák sowie in Berlin bei Heinrich Wölfflin Kunstgeschichte und Archäologie studiert und war 1912 von Dvořák mit einer Arbeit über Rembrandt promoviert worden. Sein für einen Kunsthistoriker ungewöhnliches Interesse an der Astrologie und an Planetendarstellungen hatte ihn bereits 1910 zu Warburg nach Hamburg geführt. Nach der Übersiedlung in die Hansestadt im Herbst 1913 wurde die Zusammenarbeit mit Warburg intensiver, sollte allerdings nur ein knappes Jahr dauern, da Saxl nach Ausbruch des Weltkriegs zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Nach dem Krieg war der Wissenschaftler zunächst in der Volksbildung des österreichischen Heeresamts in Wien mit der Organisation von Ausstellungen beschäftigt. Nachdem Warburg 1918 erkrankt war, beriefen seine Brüder 1919 Saxl an die K.B.W., wo er zunächst als kommissarischer Leiter, nach 1924 als wissenschaftlicher Bibliothekar und Assistent des an seinen Wirkungsort zurückgekehrten Warburg und nach dessen Tod im Oktober 1929 als Direktor tätig war. Während der krankheitsbedingten Abwesenheit Warburgs zwischen 1920 und 1924 baute Saxl die K.B.W. zu einem bedeutenden Forschungszentrum aus, das Wissenschaftlern und Studierenden der Universität Hamburg nicht nur eine hervorragende Spezialbibliothek zur Verfügung stellte, sondern mit regelmäßig stattfindenden Vorträgen und Publikationsreihen ein international anerkanntes, interdisziplinäres Diskussionsforum bot. Zudem hielt er nach der Habilitation im Frühjahr 1922 zunächst als Privatdozent und ab 1926 als außerplanmäßiger Professor regelmäßig Veranstaltungen am Kunsthistorischen Institut der Universität ab (Abb. 2). Saxls Publikationen dokumentieren die Breite seiner Forschungsgebiete, die Originalität seiner Fragestellungen und die Vielfalt seiner Ansätze.7 Er befasste sich mit Sternenglaube und Sterndeutung in der bildenden Kunst, mit der Kunst des Mittelalters in Italien sowie der Malerei der Renaissance und des Barock in Deutschland, Italien, den beiden Niederlanden und 1927 schließlich auch Spaniens. Saxl war ein Augenmensch, der die Kunstwerke stärker als Warburg in den Mittelpunkt stellte und deren ästhetische Qualitäten hoch
Zur Methode Warburgs und Saxls
Abb. 2
Fritz Saxl, 1926, WIA
schätzte. Dementsprechend spielte in seinen Studien neben ikonographischen und ikonologischen Fragen auch die Analyse der Formensprache eine wichtige Rolle. Methodisch bahnbrechend in der Untersuchung der philosophischen, literarischen und bildkünstlerischen Tradition von Dürers berühmtem Blatt erwies sich der Wiener in der zusammen mit Erwin Panofsky verfassten Studie „Dürers ‚Melencolia I‘. Eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung“ von 1923.8 Einen weiteren Schwerpunkt setzte Saxl während Warburgs Aufenthalt in Kreuzlingen auf die Auseinandersetzung mit dessen Forschungen und den Zielen der K.B.W., um eine größere Fachöffentlichkeit auf diese aufmerksam zu machen.9 Im Frühjahr und Sommer 1927 sollte sich Saxl mit einem für ihn neuen Thema beschäftigen: Velázquez, El Greco und der spanischen Malerei des Siglo de Oro.
Zur Methode Warburgs und Saxls Der Ansatz von Warburg und Saxl war disziplinübergreifend und geographisch überregional. Sie praktizierten keine nationale Kunstgeschichte, sondern eine Kulturwissenschaft, die insbesondere der Erforschung des Nachlebens der anti-
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Einleitung
ken Kunst in der Kunst, Religion, Geistesgeschichte, Geschichte und Literatur nachging. In ihren Studien berücksichtigten sie auch in ihrem künstlerischen Wert geringer geachtete Bildträger wie Münzen, Drucke, Truhen, Teppiche sowie Briefmarken und sonstige Gebrauchsgraphik, womit sie von der Bildkultur in ihrer gesamten Breite statt von einem vorherrschenden Kunstbegriff ausgingen und die damaligen Grenzen des Fachs sprengten. Die Wissenschaftler betrachteten das Kunstwerk als komplexe und aktive Reaktion auf aktuelle Erfahrungen und Bedürfnisse. Dieses war folglich nur aus seinem historischen Kontext angemessen zu begreifen und zu erklären und besaß über seinen ästhetischen Gehalt hinaus Bedeutung als historische Quelle, als Dokument. Der Frage nach der Bedeutung der Bilder näherten sich Warburg und Saxl mit ikonographisch-ikonologischen Ansätzen, indem sie nach verborgenen oder unverständlich gewordenen Sinnschichten suchten und literarische und emblematische Anspielungen zu entziffern trachteten. Aus ihrem Verständnis des Kunstwerks als Auseinandersetzungsprodukt zwischen individuellem Ausdruckwillen und dem überlieferten Vorrat an vorgeprägten Formen heraus spielten für sie Fragen wie jene nach Kontinuitäten und Verbindungslinien, nach Einflüssen und Entwicklungen sowie nach Wanderungsbewegungen von Bildformeln und Bildideen eine entscheidende Rolle. Das Nachleben der Antike in der Kunst der Frühen Neuzeit, mit dem ein breiter Fragenkomplex zusammenhing, sollte Warburg und Saxl als zentrales Problem der K.B.W. beschäftigen. Dabei ging es um Aspekte wie die Bedeutung der Antike für die Kunst der Renaissance und des Barock, die von den Künstlern ausgewählten und übernommenen Bildformen antiken Ursprungs, die Quellen, die das Bild dieser Künstler von der Antike prägten, und die Wege, auf denen den Künstlern ihr Bild von der Antike vermittelt wurde. Die Beschäftigung mit den „Pathosformeln“ als prägnanten Affektäußerungen, ausgedrückt in meist heftigen Gebärden, in denen die Antike in den Werken der Renaissancekünstler „nachlebte“, hatte Warburg und Saxl zu einer für die damalige Zeit neuen Auffassung über die Bedeutung von Körpersprache und Gestik geführt.10 Allerdings zeigten sie im Zugang zu den Kunstwerken wiederum auch Unterschiede. Während Warburg, weil er eine ästhetisierende Art, Kunstwerke zu lesen radikal ablehnte, überhaupt wenig Interesse an deren gestalterischen und stilistischen Qualitäten zeigte („Einzelkunstwerkbeschreiber“), versuchte Saxl Probleme der Form und solche der Ikonologie und Ikonographie gleichberechtigt zu behandeln. Innovativ war jedoch nicht nur der methodische Zugriff sondern auch die Art und Weise wie die beiden Kunsthistoriker auch vorläufige Ergebnisse präsentierten, indem sie ihre Thesen und Gedanken anhand von Abbildungen auf
Zur Methode Warburgs und Saxls
Tafeln vorführten. Das Medium Bildtafel hatte Warburg bereits 1905 benutzt, und auch Saxl brachte eine reiche Erfahrung im Arbeiten mit ihnen aus der Zeit der Tätigkeit im Heeresamt mit.12 Mit der Eröffnung des neuen Bibliotheksgebäudes am 1. Mai 1926 neben Warburgs Wohnhaus in der Heilwigstraße 114 bot sich im ellipsoiden Lesesaal mit Oberlicht die Möglichkeit, Bilderreihen und Ausstellungen zu einem bevorzugten Arbeits- und Präsentationsmittel für laufende Arbeitsvorhaben der K.B.W. zu erheben. Es handelte sich um Tafeln, auf denen fotografische Reproduktionen von Kunstwerken verschiedene Aspekte des ‚Nachlebens der Antike‘ visualisierten. Während der Ausstellungen bestand die Möglichkeit, die Anordnungen auf den Tafeln zu verändern, da die Abbildungen nur mit Klammern angeheftet und damit beliebig austauschbar waren. Diese experimentelle Art, dem Betrachter Forschungen und Probleme vor Augen zu führen, kam der dialogischen Struktur der Kommunikation zwischen den beiden Wissenschaftlern entgegen. Aus der kontinuierlichen und engen Zusammenarbeit ergab sich ein ständiger Austausch, in dem sich die beiden Kunsthistoriker ab der ersten Begegnung, 1910, bis zum 26. Oktober 1929, dem Todestag Warburgs, befanden. Am nachhaltigsten war dieser Dialog in Zeiten, zu denen sich beide in Hamburg aufhielten und gemeinsam die K.B.W. in Gang hielten. Doch standen sie auch bei längeren oder kürzeren Abwesenheiten des einen oder des anderen in regelmäßigem Briefkontakt. 13 Die Zusammenarbeit in Hamburg gestaltete sich derart, dass Warburg und Saxl sich laufend über Forschungsfragen bis auf einzelne Details und ins Unreine gesprochene Gedanken austauschten. Dabei spielten die Projekte Warburgs als des Gründers und Leiters der Institution naturgemäß eine wichtigere Rolle. Saxl als Assistent setzte sich mit dessen Themen auseinander, kümmerte sich um die Literaturbeschaffung, begleitete die Entstehung der Arbeiten mit Anregungen und las die Ergebnisse. Andererseits scheint Warburg, wie auch im Falle von Velázquez’ „Hilanderas“, Saxls Arbeiten immer wieder mit prägnanten Fragen oder Bemerkungen entscheidend vorangebracht zu haben. Nicht nur als Sprachrohr, sondern auch mit eigenen Ideen und Anregungen an dem Austausch beteiligt war Gertrud Bing (1892–1964), die nach einem mit einer Dissertation bei Ernst Cassirer abgeschlossenen Philosophiestudium in Hamburg ab Herbst 1921 als wissenschaftliche Bibliothekarin und später zudem als Assistentin Warburgs an der K.B.W. beschäftigt war. Sie war es, die über die Arbeiten an der Bibliothek informierte, wenn die beiden Forscher verreist waren und sie war es auch, die Saxls Vorlesungen, auch jene über spanische Malerei im Sommersemester 1927, besuchte und Warburg darüber berichtete. Wie bei den mythologischen Bildern Botticellis und den Schifanoia-Fresken gibt es auch im Fall der „Hilanderas“ ein Rätsel und eine Lösung. Doch wäh�
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Einleitung
rend Warburg mit seiner Dissertation 1893 und mit dem Vortrag 1912 seine Deutung umfassend hergeleitet und begründet hat, hat die intensive Beschäftigung mit dem Gemälde von Velázquez weder bei Warburg noch bei Saxl Spuren im publizierten Werk hinterlassen. Mit der vorliegenden Studie soll zunächst der Kontext aufgezeigt und anschließend der Weg nachgezeichnet werden, der die beiden Forscher zu der neuen Interpretation führte. Die Rekonstruktion dieses Dialogs zwischen Warburg und Saxl im Frühjahr und Sommer 1927, der zu der Lösung des Rätsels der „Hilanderas“ führen sollte, erfolgt auf der Basis eines weitgehend unpublizierten Materials. Es handelt sich zunächst um die Korrespondenz zwischen Saxl und Warburg aus dieser Zeit.13 Dazu kommen die Einträge im Tagebuch der K.B.W. im Laufe der Jahre 1926 und 1927, die einen Einblick in die Arbeitsweise und die Kommunikation an der Institution bieten.14 Der Austausch zwischen den beiden Kunsthistorikern in den Briefen und auch im Tagebuch erfolgt in vielen Fällen in einer verdichteten Sprache, die sich für nicht Eingeweihte wie ein Code liest. Sie teilten einander komplexe Sachverhalte mit, indem sie in manchen Fällen bloß Namen aneinanderreihten, die miteinander in Bezug standen. Warburg hat sich dabei seltener zu Velázquez geäußert als Saxl. Deshalb ist es für eine Rekonstruktion seines Anteils an dem Dialog in größerem Maße notwendig, ausgehend von seinen 1926 und 1927 laufenden Projekten, seine Gedankengänge durch Analogien und entlang sachlicher Überschneidungen nachzuvollziehen. Als Schlüsseltext erweist sich dabei sein Rembrandt-Vortrag von 1926.15 Dazu kommen die Tafeln der „Ovid-Ausstellung“, die Ende Januar bis Anfang Februar 1927 an der K.B.W. stattfand, und die wertvolles Bildmaterial liefert, das Warburgs Ideen und Thesen dokumentiert.16 Für die Rekonstruktion von Saxls Beitrag an den Gesprächen steht mit seinen Notizen zu den Gemälden von Velázquez und dem Thema spanische Malerei des Siglo de Oro ein umfangreiches Material zur Verfügung.17 Es waren der innovative methodische Zugang der beiden Kunsthistoriker, die Fähigkeit zum synthetischen Denken und zum vergleichenden kulturgeschichtlichen Forschen über die Sprach- und Ländergrenzen hinweg, ihr Interesse an Motivtransfers, ihr sensibilisierter Blick für pathetische Gesten und Körpersprache sowie ihre damals aktuelle Beschäftigung mit der Barockkunst in Flandern und den Niederlanden, die sie schließlich zur Lösung des Rätsels von Velázquez’ Gemälde führen sollten. Aufgrund der guten Quellenlage bietet sich hier eine für die Kunstgeschichte seltene Gelegenheit, das innovative methodische Vorgehen Warburgs und Saxls, das zur Entschlüsselung der „Hilanderas“ führen sollte, und damit die Genese der Interpretation eines Meisterwerks in ihren Einzelschritten, nachzuverfolgen.
Die „Hilanderas“ – der historiographische Kontext 1927
Warburgs Eintrag im Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg vom 18. Juli 1927 Die „Hilanderas“ („Die Spinnerinnen“) gehören mit den „Meninas“ („Die Hoffräulein“) zu den monumentalen Gemälden, die Diego Velázquez in den 1650er Jahren, seinem letzten Lebensjahrzehnt, geschaffen hat.18 Dargestellt ist ein Raum, in dessen Vordergrund mehrere Frauen mit dem Herstellen von Garn beschäftigt sind. Es herrscht eine ruhige Arbeitsatmosphäre. Das Zentrum bildet eine Gruppe von drei in einem Halbkreis sitzenden Frauen im Vordergrund, zu deren Füßen es sich eine schlummernde Katze gemütlich gemacht hat. Links dreht eine Ältere am surrenden Spinnrad, dessen schnelle Drehung durch schmale Lichtstreifen suggeriert wird, Wolle zu Garn. Frontal zum Betrachter sitzend, neigt sie den Kopf nach links. Rechts zieht eine Jüngere, Richtung Bildinneres gewandt, Garn von der Haspel, um es zu einem Knäuel zu wickeln. In der Mitte, zwischen den beiden Frauen, etwas nach hinten versetzt, sitzt schließlich eine ebenfalls jüngere Dritte, frontal zum Betrachter, und liest die am Boden verstreute Rohwolle auf, um diese mit dem Wollkamm zu bearbeiten. Zu dieser kunstvoll positionierten Dreiergruppe kommen zwei weitere Frauen hinzu. Die eine, am linken Bildrand im Gespräch zu der Älteren geneigt, ist dabei, einen Vorhang beiseite zu schieben, die andere tritt von rechts aus einer Tür hinzu und setzt neben der Garnwicklerin einen Korb ab. Durch einiges Zubehör, wie ein Wollknäuel und mehrere Haufen von Rohwolle an den Wänden und am Boden, hochgestapelte Stoffe links und dahinter eine an die Wand gelehnte Leiter, wird der Raum als Spinnerei charakterisiert. Nach hinten öffnet sich die Werkstatt zu einem bühnenartig erhöhten, durch das von links einfallende Sonnenlicht hell ausgeleuchteten Alkoven, dessen Wände mit kostbaren Wandteppichen geschmückt sind. In dem Alkoven, zu dem zwei Stufen hochführen, stehen drei elegant gekleidete Damen. Eine links, neben einem Sessel, an den eine Viola da Gamba gelehnt ist, und eine weitere rechts, mit dem Rücken zum Betrachter, blicken in Richtung des
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Die „Hilanderas“ – der historiographische Kontext 1927
Teppichs an der Rückwand. Am rechten Rand der Nische blickt eine dritte zum Betrachter aus dem Bildraum heraus. Hinter dieser Gruppe sind zunächst zwei Figuren erkennbar: eine aufrecht stehende behelmte Gestalt mit erhobenem rechten Arm, ihr gegenüber eine stehende junge Frau mit ausgebreiteten Armen. Dahinter, auf dem Wandteppich, ist eine weitere Szene sichtbar, die teilweise von der Zweiergruppe mit der Behelmten und der jungen Frau überschnitten wird: oben links zwei schwebende, geflügelte Putti und unten rechts, als kaum noch identifizierbarer Schemen, eine auf einem Stier reitende Frau mit wehendem Gewand. Dabei ist nicht eindeutig feststellbar, inwieweit die Behelmte und die junge Frau zum Bühnenraum oder dem Wandteppich im Hintergrund zugehörig sind. Die Tatsache, dass die Teppichbordüre im unteren Teil von den beiden Figuren verdeckt wird, würde eher darauf hindeuten, dass diese, wie auch die anderen drei Frauen, auf der Bühne vor dem Teppich stehen. Andererseits sind die beiden einander gegenüberstehenden Figuren von den drei Damen auf der Bühne farblich und durch eine skizzenhaftere Malweise abgesetzt und damit eher der Szene mit der auf dem Stier reitenden Frau ähnlich gestaltet, was wiederum auf ihre Zugehörigkeit zum Teppichraum hindeuten würde. Velázquez schafft hier eine komplizierte Raumstruktur, bei der die unterschiedlichen Realitätsgrade der einzelnen Ebenen schwierig zu differenzieren sind. Zu einer Interpretation der „Hilanderas“, die über die offensichtliche Lesbarkeit als Darstellung einer Teppichwerkstatt hinausgeht, gab es unterschiedliche Ansätze, die bis 1927 allerdings nicht zu einer überzeugenden Deutung geführt hatten.19 Die erste und bis heute gültige Entschlüsselung des allegorischen Inhalts des Gemäldes leistete Warburg mit dem erwähnten Eintrag vom 18. Juli 1927 im Tagebuch der K.B.W. Dem Leser des Tagebuchs erschließt sich dies keineswegs auf den ersten Blick, da weder der Name des Malers noch der gängige Titel des Bildes genannt werden.20 Erst der historiographische Kontext der Notiz macht sie als Deutung der „Hilanderas“ erkennbar. Mit der Erwähnung von Saxls „spanischen Hofjagden“ nahm Warburg Bezug auf dessen Auseinandersetzung mit Velázquez im Frühjahr 1927. Zum Zeitpunkt des Tagebucheintrags war Saxl mit den Vorbereitungen für die letzten Sitzungen seiner Vorlesung über spanische Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts an der Universität Hamburg beschäftigt. In diesen stellte er das Spätwerk des Hofmalers Philipps IV. vor, zu dem auch die „Hilanderas“ gehören. Die Feststellung, das besagte Gemälde sei „kein ‚Liebermann‘“, stellt ebenfalls einen Bezug zu den „Hilanderas“ her, die noch in den 1920er Jahren als „ältestes Arbeiter- oder Fabrikstück“ gesehen wurden. Denn die Deutung des Velázquez-Gemäldes als reale Szene in einer Teppichweberei erfolgte in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts unter
Deutungsversuche bis 1888
dem Eindruck der damals zahlreich entstandenen realistischen und naturalistischen Arbeitsdarstellungen von Malern wie Gustave Courbet, Jean-François Millet und eben Max Liebermann als Maler von Szenen wie „Der Weber“ oder „Flachsscheuer in Laren“. „Hilfe“ leistete Warburg seinem Mitarbeiter Saxl insofern, als es ihm gelungen war, die beiden bis zu dem Zeitpunkt nicht identifizierten Figuren auf dem Teppich im Hintergrund der „Hilanderas“ als Pallas und Arachne zu erkennen. Indem Warburg die Hintergrundszene mit Pallas und Arachne nicht bloß als gelehrte Zutat sah, sondern als Schlüssel zum Verständnis des Gesamtsinnes, gelangte er zu der Interpretation des Gemäldes als „Allegorie der Webekunst“.
Deutungsversuche bis 1888 Dieser Durchbruch im Verständnis des Werkes ist umso bemerkenswerter, als damals bereits seit 200 Jahren über dessen Inhalt gerätselt worden war. Auch über Entstehungsumstände und Auftraggeber lagen 1927, als sich Warburg und Saxl mit dem Bild beschäftigten, keine Hinweise vor. Bekannt waren lediglich die Hängungsorte der „Hilanderas“ seit Beginn des 18. Jahrhunderts, als es erstmals in den Sammlungen der spanischen Königs nachgewiesen ist. Unter Philipp V. (König von Spanien 1700–1746) gehörte das Bild zur Ausstattung der Sommerresidenz Buen Retiro; in den 1770er Jahren schmückte es die Räume des neuerbauten Palacio Real in Madrid und seit 1819 gehört es zum Bestand des damals neu gegründeten Museo del Prado. Wie aus der Erwähnung des Gemäldes durch den Kunstschriftsteller Antonio Ponz als „famoso cuadro de ciertas mujeres hilando“ in seiner Beschreibung der Ausstattung der Räume des Palacio Real von 1772 hervorgeht, besaß das Bild bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine gewisse Berühmtheit.21 In dieses Jahrzehnt fällt auch die erste intensivere Auseinandersetzung mit dem Gemälde durch Anton Raphael Mengs, der in einem Brief an Ponz von 1776 den noch heute gängigen Titel „Ylanderas“ prägte.21 Der Maler ordnete es in das Spätwerk von Velázquez ein und rühmte dessen meisterhafte Technik – es sei „nicht mit der Hand, sondern allein mit dem Willen gemalt“.22 Damit nahm Mengs Bezug auf die virtuose Fleckenmalerei, die sogenannte „borron“-Technik, die es ermöglichte, Gegenstände mit einigen wenigen Pinselstrichen so darzustellen, dass Formen und Konturen nahezu aufgelöst erschienen.23 Von einer genaueren Beobachtung des dargestellten Geschehens und der erstmaligen Wahrnehmung des Gemäldes als „Doppelbild“ zeugt die knappe Beschreibung im Katalog des Prado aus dem Jahre 1828, in der erstmals nicht �
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nur auf die monumentale Szene mit den Spinnerinnen im Vordergrund verwiesen wurde, sondern auch auf das Geschehen auf dem erhöhten Alkoven.24 Der hier zuerst angeführte Hintergrund mit den „señoras“, die die Tapisserien betrachten, und der anschließend genannte Vordergrund mit den „mujeres“ wurden damit als unterschiedliche soziale Orte charakterisiert. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sollten sich die Kunstschriftsteller in ihren großen Velázquez-Monographien erstmals intensiv mit den „Hilanderas“ als einem Hauptwerk des Malers beschäftigen, an das sie mit einer Reihe neuer Fragen herantraten.25 Zunächst wurde die Datierung präziser. Einige Autoren, wie Gregorio Cruzada Villaamil legten das Entstehungsdatum des Bildes vor jenes der „Meninas“, also vor 1656, andere wiederum, wie Carl Justi und Aureliano Beruete, danach. Zudem wurden durch Beruetes Hinweis auf die substanziellen Ergänzungen am rechten und am oberen Rand neue technische Daten über das Gemälde bekannt.26 Über den Inhalt der „Hilanderas“ wurden im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von Vermutungen aufgestellt, ohne dass bis 1888 eine wirkliche Deutung vorgelegen hätte. Kurz nach 1800 hatte Céan Bermúdez die Garn spinnenden Frauen des Velázquez mit den Parzen verglichen, die nach der Überlieferung der griechischen Mythologie den Schicksalsfaden der Menschen spinnen.27 Damit bezog er sich allerdings lediglich auf die Szene im Vordergrund mit den arbeitenden Frauen. Pedro de Madrazo wiederum hatte in den 1870er Jahren angemerkt, dass auf dem Teppich im Hintergrund eine mythologische Szene zu sehen sei, ohne jedoch das Thema näher zu spezifizieren.28 Von der unterschiedlichen Rezeption der „Hilanderas“ im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts zeugen auch die Veränderungen im Titel, unter dem das Gemälde erwähnt wurde. Zunächst wurde es als Darstellung einer Teppichwerkstatt („fabrica de tapices“), dann als Genrebild („Spinnerinnen“) mit den drei spinnenden, spulenden und kämmenden Frauen in der Vordergrundszene als Protagonistinnen wahrgenommen. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhundert wurde das Gemälde als Szene gesehen, die in der Madrider Teppichwerkstatt in der Calle Santa Isabel („fábrica de tapices de Santa Isabel de Madrid“) spielt, und damit als Darstellung eines real beobachteten Geschehens an einem historisch identifizierbaren Ort.29 Diese Deutung hing mit dem Versuch der Velázquez-Biographen der 1880er und 1890er Jahre zusammen, die Entstehungsumstände des Werkes mit der Biographie des Künstlers zusammen zu sehen. Cruzada Villaamil stellte eine Verbindung zwischen der Darstellung der Teppichwerkstatt und der Stellung von Velázquez als „aposentador real“ (Hofmarschall) her, aufgrund deren ihm die Betreuung der Kunstsammlung Philipps IV. oblag. In dieser Funktion habe er gelegentlich auch die Herstel-
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lung von Teppichen in der Manufaktur in der Calle Santa Isabel in Madrid überwacht. Bei einem seiner Werkstattbesuche – so Cruzada weiter – sei der Künstler von dem Lichteffekt und den anmutigen Bewegungen der Frauen beim Spinnen und Abspulen dermaßen beeindruckt gewesen, dass er diese Impressionen in einem Gemälde festgehalten habe.30 Diese neue Lesart des Werkes passte in das vorherrschende Bild von Velázquez als dem bedeutendsten Vertreter eines „spanischen Realismus“, dem es primär um die Darstellung der erkennbaren Wirklichkeit gegangen sei.
Carl Justis neue Fragen Eine Schlüsselrolle in der Interpretationsgeschichte der „Hilanderas“ spielt Carl Justis 1888 erschienene zweibändige Monographie „Diego Velazquez und sein Jahrhundert“. Justi warf eine Reihe von neuen Fragen auf, für die er zwar keine befriedigenden Antworten bereithielt, doch allein schon deren Formulierung markierte einen entscheidenden Schritt in der Erforschung des Gemäldes.31 Er zeigt damit neue Ansatzpunkte, von denen dann Warburg und Saxl bei ihrer Beschäftigung mit dem Bild ausgehen sollten. Wie bereits vor ihm Cruzada Villaamil bringt Justi die Entstehung der „Hilanderas“ mit einer Szene zusammen, wie sie sich tatsächlich abgespielt haben könnte: Velázquez hätte in seiner Funktion als „aposentador real“ drei Hofdamen in die Teppich werkstatt in der Calle Santa Isabel begleitet und während diese sich über eine ausgestellte Arbeit unterhielten, in seinem Skizzenblock die malerischen Motive der sich bewegenden Gruppen festgehalten. Wie die „Meninas“ sind für Justi auch die „Hilanderas“ die „Skizze eines Augenzeugen“, ein „Augenblicksbild“.32 Dabei unterscheidet er einen Hauptteil, den „breiten, plebejischen Teil“, ein „Arbeitszimmer“, nämlich den „Vordersaal mit fünf Weibern, welche mit der Zubereitung der Wolle beschäftigt sind“ und dahinter „wie ein Parterre“, einen „kapellenähnliche[n] Raum“, der als „strahlender erhöhter aristokratischer“ Teil drei Damen die standesgemäße Umgebung bietet, um wie auf einer Bühne Tapisserien zu betrachteten.33 Auf dem Teppichbild im Hintergrund identifiziert er drei Figuren: einen „Mann mit Helm und Schild“, vor ihm eine Frau, die Rechte ausgestreckt und schließlich hinter dieser eine weitere Frau, die ihren Arm schützend über das Gesicht hält sowie zwei Putti.34 Das sich für ihn nicht erschließende Verhältnis zwischen der nahsichtigen Szene im Vordergrund und jener auf der Bühne irritiert Justi. Er mutmaßt, dass diese inhaltlich nicht zusammenhingen und ordnet damit die „Hilanderas“ in die Reihe der Doppelbilder von Velázquez ein. Als „Volksstück“ ist das Gemälde für ihn mit
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dem „Bacchusfest“ von 1629 vergleichbar, nur dass der Maler die Szene nicht unter freiem Himmel platziert habe, sondern in einem geschlossenen Raum Als „Arbeiterstück“ stehe das Bild zudem in einer Reihe mit der „Schmiede des Vulcan“ von 1630.35 Die Art und Weise, wie Velázquez in den „Hilanderas“ bis zu dem Zeitpunkt noch nie dargestellte Lichtphänomene erfasst hat, wie das direkte, von hellen Körpern reflektierte Sonnenlicht, das indirekte farbige Reflexlicht im Schatten, die durch Staubkörper gebrochenen Sonnenstrahlen und das Licht der Speichen des schwingenden Rades, führt Justi zum Fazit: „Der eigentliche Gegenstand des Gemäldes ist das Licht“.36 Mit der Deutung der „Hilanderas“ als „ältestes Arbeiter- oder Fabrikstück“ bezieht sich Justi auf die Szene im Vordergrund des Gemäldes und lässt dabei jene im Hintergrund außer Acht.39 Seine Bemerkung, dass die Hintergrundszene mit dem „Tapetenbild“ der „eigentliche Gegenstand des Interesses“ sei, zeugt jedoch davon, dass er sich deren Bedeutung durchaus bewusst ist. Als Thema der Szene zieht er die Darstellung einer „Episode eines mythologischen Dramas“ in Betracht.40 Mit der Vermutung, dass in dem Bild Inhalte verborgen seien, die über den einer Genreszene hinausgingen, nimmt Justi den 1872 von Madrazo formulierten Gedanken über ein mythologisches Sujet im Teppichbild auf und führt diesen weiter.41 Der bühnenartige Hintergrundraum und die offenbare Diskrepanz zwischen den Figuren auf der Bühne, den drei Damen in zeitgenössischer Tracht einerseits und den mythologischen Figuren auf dem Teppich andererseits, führen ihn zur Überlegung, dass hier ein Schauspiel dargestellt sei, dem die drei Damen als Publikum beiwohnen. Die Viola da Gamba deutet er als einen Hinweis auf Musik, die man in den Zwischenakten gespielt habe. Die seines Erachtens auf dem Teppich dargestellten Figuren beschreibt er als „Mann mit Helm und Schild, abgewandt, die Rechte erhoben, wie zum Handschlag oder emporzeigend“, vor ihm eine Frau „zu ihm aufsehend, die Linke im Mantel, die Rechte ausgestreckt, wie in Bewunderung jener Heldengestalt“, und schließlich eine weitere Frau, „den Arm schützend über das emporgewandte Gesicht haltend“, die „durch zwei Flügelkinder fortgescheucht zu werden“ scheint.42 Bei der Identifizierung der mythologischen Szene kommt Justi allerdings nicht weiter, sondern sieht sich ebenso wie die davorstehenden Damen „ratlos“ vor dem „Tapetenbild“ stehen. Seine Überlegungen zum Inhalt der Hintergrundszene lassen demnach eine Reihe von Fragen bewusst offen.43 Mit der Suche nach Vorbildern geht Justi dann einen Schritt weiter als die anderen Velázquez-Biographen. Zunächst stellt er den Einfluss der venezianischen Malerei, vor allem Jacopo Tintorettos, auf den spanischen Maler fest, sowohl in der Formensprache, nämlich mit den im Kontrapost gegeneinander
Carl Justis neue Fragen
Abb. 3 Pinturicchio, Penelope und die Freier, 1509, Fresko, 125x152 cm, London, National Gallery
angeordneten Figuren, als auch in der Anordnung als Doppelbild.44 Zudem weist er auf ähnliche Darstellungen handwerklicher Arbeit hin, wie die im 17. Jahrhundert verbreiteten Szenen in der Zimmermannswerkstatt des Heiligen Josef.45 Konkreter wird er mit dem Hinweis auf Guido Renis um 1635-1640 datierte Gemälde „Jugend der Jungfrau Maria“, das die Gottesmutter beim Nähen inmitten von anderen jungen Frauen zeigt.46 Aus dem Fundus mythologischer Bilder führt Justi Pinturicchios um 1509 entstandenes Fresko „Penelope und die Freier“ an, auf dem die Frau des Odysseus am Webstuhl und eine jüngere Frau beim Kämmen von Wolle zu sehen sind (Abb. 3). Velázquez – so Justi – sei, indem er auf ein solches, die Arbeitsdarstellung motivierendes religiöses oder mythologisches Bildthema verzichtete, mit diesem „ältesten Arbeiter- oder Fabrikstück“ ein Wagnis eingegangen. Er habe jedoch damit, wie es der Beifall bezeuge, den das Bild zu allen Zeiten gefunden, einen glücklichen Griff getan.47 Mit der vermeintlich präzedenzlosen Thematik der „Hilanderas“ bestätigt sich für Justi das damals herrschende Bild eines Velázquez, der ohne Vorgänger
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auch keinen nachhaltig prägenden Einflüssen unterlegen sei, weder flämischen durch Rubens, noch italienischen oder antiken – trotz seiner beiden Romaufenthalte 1629 bis 1631 und 1649 bis 1651.48 Hatte die Forschung noch Ende des 19. Jahrhunderts die spanische Kunst des späten Mittelalters und der Renaissance vor allem nach niederländischen und italienischen Einflüssen befragt und gesichtet, so sah sie das Zeitalter des Velázquez als das Jahrhundert erwachender nationaler künstlerischer Eigenständigkeit. Für diesen Prozess bot sich der Hofmaler Philipps IV. als Künstler, der sich unbeirrt von allen äußeren Einflüssen geformt habe, geradezu als Paradebeispiel an. Als Schöpfer einer Szene, die sich so tatsächlich abgespielt haben könnte, sahen die Biographen ihn als bedeutendsten Vertreter des „spanischen Realismus“. Die lockere Malweise und seine Vorliebe für die Darstellung besonderer Lichtverhältnisse führten sie dazu, Velázquez als Vorläufer der Impressionisten zu betrachten. Im Anschluss an Justis Beobachtungen gelang es zwar Forschern noch vor 1927, Neues zum Inhalt der Teppichszene in den „Hilanderas“ herauszufinden, doch wurden diese Ergebnisse von Warburg und Saxl nicht rezipiert. 1895 identifizierte der französische Maler und Kunstkritiker Émile Michel im Hintergrund der Teppichszene eine Gestalt in Art der Europa auf dem Stier, von einem Schwarm Amoretten begleitet.49 Acht Jahre später bestimmte der englische Illustrator und Kunstschriftsteller Charles Ricketts (in Unkenntnis von Michels Artikel) die Szene auf dem Teppich im Hintergrund dann definitiv als „Raub der Europa“, da er im Kontext seiner Tizian-Forschungen das bekannte Gemälde des Venezianers als Vorlage erkannt hatte50 (Abb. 4). Ricketts vermutete, Velázquez habe das Teppichbild mit dem „Raub der Europa“ stellenweise mit einem „behelmten Mann“ und einer Dame übermalt, die er als Dido oder Cleopatra identifizierte. Wie vor ihnen Justi gingen auch Michel und Ricketts davon aus, dass diese beiden zentralen Figuren im Hintergrund der Ebene des Teppichs angehörten, den die drei auf der Bühne anwesenden Frauen betrachteten. Aus Sicht der Velázquez-Forscher entlegen publiziert, wurden diese Vorstöße, in den „Hilanderas“ mythologische und allegorische Inhalte zu lesen, jedoch lange nicht zur Kenntnis genommen, so dass das Gemälde in den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts weiterhin als frühes „Fabrikbild“ galt.
Der Arachnemythos in den „Hilanderas“
Abb. 4 Tizian, Raub der Europa, 1559–1562, Öl auf Leinwand, 178x205 cm, Boston, Isabella Stewart Gardner Museum
Der Arachnemythos in den „Hilanderas“ Auch Warburg, der bei Justi in Bonn studiert hatte, ging von dessen Erkenntnissen in der Velázquez-Monographie aus, offensichtlich ohne die Beiträge von Michel und Ricketts zu kennen.51 Dabei hätten ihn die Hinweise auf das Thema der Europa auf dem rückwärtig angedeuteten Bildteppich womöglich rascher auf den mythologischen Hintergrund des davor sich abspielenden Streits führen können: den Wettstreit zwischen Pallas Athene und Arachne. Von dem Vorfall berichtet Ovid in den „Metamorphosen“, Buch VI, 1-145. Dort heißt es, dass, nachdem die Lydierin Arachne damit geprahlt hatte, dass sie es im Weben selbst mit Pallas Athene, der Erfinderin der Webkunst, aufnehmen könne, die Göttin zunächst in Gestalt einer alten Frau vor ihr erschien, und sie vor den
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Folgen ihres Hochmuts warnte. Als Arachne sich jedoch nicht einschüchtern ließ, begann der Wettstreit zwischen der Sterblichen und der Göttin, wer die schöneren Teppiche weben könne. Pallas Athene stellte auf ihrem Teppich Szenen dar, in denen Menschen für ihre Hybris von den Göttern bestraft werden. Arachne wiederum wählte Episoden unmoralischen Verhaltens der Götter und webte auf dem ersten Teppich einen „Raub der Europa durch Zeus“. Verärgert, dass Pallas an Arachnes Bildteppich nicht den geringsten Makel finden konnte, zerriss sie diesen und schlug wutentbrannt auf die Lydierin ein. Daraufhin versuchte Arachne in ihrer Verzweiflung sich zu erhängen, was die Göttin aus Mitleid dazu bewog, sie in eine Spinne zu verwandeln, als die sie in Ewigkeit weiterweben konnte. Die Schwierigkeiten, die Kunstschriftsteller und Kunstwissenschaftler im Laufe des 19. Jahrhunderts bei der Deutung der mythologischen Szene hatten, sind zunächst darauf zurückzuführen, dass das Thema „Pallas und Arachne“ vergleichsweise selten dargestellt wurde.52 Zudem hatte Velázquez nicht den üblichen Moment der Bestrafung der Arachne dargestellt, in dem deren Meta morphose zur Spinne bereits begonnen hat, sondern den Augenblick kurz davor, in dem die erzürnte Göttin die Sterbliche bedroht und ihre Bestrafung ankündigt. Erschwerend für die Deutung kam hinzu, dass der Maler in den „Hilanderas“ eine vergleichsweise komplizierte Raumstruktur mit mehreren handelnden Personen geschaffen hatte und nicht eindeutig zu erkennen war – und ist –, in welchem Raum Pallas und Arachne letztlich agieren. Schließlich waren Details der Hintergrundszene auf den Abbildungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts kaum zu unterscheiden, so dass auch ikonographische Deutungen des Gemäldes eigentlich eine Auseinandersetzung mit dem Original erforderten.
Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, Hamburg 1927: Velázquez und die spanische Malerei des Barock als neues Thema
Spanien als Station auf der „Wanderstraße“ Eine entscheidende Voraussetzung für die Deutung der „Hilanderas“ war Saxls Studienaufenthalt in Madrid im Frühjahr 1927 und seine intensive Auseinandersetzung mit Velázquez.53 Bis zum Zeitpunkt der Reise gehörte lediglich das mittelalterliche Spanien zu den Interessensgebieten der K.B.W. In der Vorstellung Warburgs und Saxls vom Nachleben der Antike in der Frühen Neuzeit und der damit zusammenhängenden „Bildwanderung“ während des Mittelalters kam der Iberia als Station auf der geographischen „Wanderstraßenkarte“ der Kulturen eine kapitale Bedeutung zu.54 Sie war die vermittelnde Etappe, über die die sternkundliche Überlieferung der Antike, im Zuge ihrer Rezeption in Vorderasien und Indien zu astrologischen Vorstellungen mutiert, ihren Weg zurück nach Italien und von dort ins übrige Europa gefunden hatte.55 Ausgehend von der Frage nach der Bedeutung des Einflusses der Antike auf die Kultur der Renaissance hatten Warburg und Saxl in der Astrologie, genauer in der jahrhundertelangen Wanderung der Fixsternsymbole von Griechenland nach Kleinasien, Ägypten, Mesopotamien, Arabien und von dort zurück über Spanien eine wichtige Antwort gefunden.56 In Spanien war es während der Regierungszeit Alfons X. des Weisen (1221–1282) zu einem Wiederaufleben der Astrologie gekommen. Dieser hatte in Toledo eine Übersetzerschule gegründet, die große Leistungen bei der Vermittlung arabischen und jüdischen Wissens im christlichen Europa vollbrachte. Hier wurde eine Reihe von klassischen Werken über Astronomie, Mathematik und Philosophie reich illuminiert und aus dem Arabischen ins Kastilische und ins Lateinische übersetzt. Dazu gehörten auch arabische Handschriften, in denen die ursprünglichen griechischen kosmischen Symbole mit Darstellungen antiker Götter zu orientalischen Ungeheuern umgeformt worden waren. Diese Darstellungen gelangten durch Vermittlung des nach 1220 in Toledo als Übersetzer und Astrologe tätigen Schotten Michael Scotus (ca. 1175–ca. 1235) nach Italien. Ziel der Hamburger Forscher war es, anhand
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dieser Illustrationen die Wanderungen der antiken Götterwelt nachzuzeichnen, die zunächst als Astral-Dämonen in indischen und arabischen Planetenkalendarien fortdauerten, ehe sie im Mittelalter über das maurische Spanien ins Italien der Frührenaissance gelangten.57 Die Bilder mit Planeten und Tierkreiszeichen in den Alfonsinischen Handschriften waren für Warburg und Saxl Zwischenstation in den Überlieferungsketten zwischen der griechischen Antike und der italienischen Frührenaissance. Saxl arbeitete seit über einem Jahrzehnt an einem Katalog von illustrierten astrologischen Handschriften in europäischen Bibliotheken. 1915 war der erste Band mit den Beständen in römischen Bibliotheken erschienen, und 1927 sollte der zweite Band mit den Beständen der Wiener Nationalbibliothek folgen.58
Saxls Forschungsaufenthalt in Madrid im Frühjahr 1927 Mit der Suche nach illustrierten astrologischen Handschriften des Mittelalters hing einer der Aufträge zusammen, die Saxl in Madrid zu erledigen hatte. Über den Anlass der Reise notiert Warburg am 25. November 1926 ins Tagebuch der K.B.W.: „beschlossen, daß Saxl nach Spanien muß. a.) wegen astrologischer Handschriften b.) wegen Rubens c.) überhaupt damit er abentheuerlich bleibt.“59 Bereits 1911 hatte Warburg in Rom in der Biblioteca Apostolica Vaticana, mit dem Reg. 1283, einer reich illustrierten astrologischen Handschrift, die in Toledo im 13. Jahrhundert für Alfons X. geschaffen worden war, einen aufsehenerregenden Fund gemacht.60 Von der Spanienreise erhofften sich die Wissenschaftler weitere spektakuläre Funde. Saxl konsultierte die Bestände der Madrider Biblioteca Nacional, der Kathedralbibliotheken von Toledo und Segovia sowie der Bibliothek des Klosters von San Lorenzo El Escorial. Insgesamt jedoch sollte das Ergebnis enttäuschend sein, da er vor Ort erfuhr, dass ein Großteil der illustrierten astrologischen Handschriften durch die Inquisition vernichtet worden war.61 Ein Ziel von Saxls Aufenthalt in Madrid, dem Warburg offenbar zunächst nur nachgeordnete Bedeutung beigemessen hatte, waren jedoch Vorbereitungen für eine Vorlesung am Kunsthistorischen Seminar der Universität Hamburg im Sommersemester 1927, die er unter dem Titel „Spanische Maler des 16. und 17. Jahrhunderts“ angekündigt hatte.62 Er brach Ende März 1927 aus Hamburg Richtung Spanien auf und hielt sich bis Anfang Mai abgesehen von kurzen Aufenthalten in Toledo, El Escorial, Segovia und Ávila hauptsächlich in Madrid auf.63 Saxls Interesse für die Malerei des Barock reicht zurück bis in seine Jugend. Bereits während der Zeit seines Studiums legte er die ersten Publikationen
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über Rembrandt vor. Seine Dissertation bei Max Dvořák trug den Titel „Rembrandt-Studien“, und auch danach sollte er sich weiterhin mit Rembrandt und dessen Lehrer Pieter Lastman auseinandersetzen.64 Bei seiner Beschäftigung mit Rembrandts Vorläufern im Rahmen eines Kollegs im Sommersemester 1925 stieß er auf Anthonis Mor, den Hofmaler Karls V. (König von Spanien 1516–1556) und Philipps II. (König von Spanien 1556–1598). Damit wurde Saxls Neugier auf die spanische Hofkunst des 16. und 17. Jahrhunderts soweit geweckt, dass er zwei Jahre danach eine eigene Vorlesung zu dem Thema ankündigte.65 Die Bestände mit Werken der spanischen Meister in den großen europäischen Sammlungen in Wien, Dresden, London und Paris waren Saxl vertraut. Um jedoch über das Thema vortragen zu können, schien es ihm unumgänglich, die Gemälde in den Sammlungen und Kirchen in Madrid, El Escorial und Toledo zu studieren. Der Briefwechsel aus der Zeit von Saxls Spanienaufenthalt, der nahezu zwei Wochen währenden Rückreise über Modena, Venedig, Wien und Budapest und in den ersten Wochen in Hamburg zeugt davon, dass das Hauptinteresse zunächst Saxls und dann auch Warburgs uneingeschränkt Velázquez galt. Es gibt kaum ein Schreiben in dem nicht von Velázquez die Rede ist.66 Schon nach dem ersten Besuch im Prado am 30. März äußert Saxl auf einer Postkarte: „Veláquez ist in vielen Beziehungen die Vollendung“.67 Auch seine Begeisterung für Justis „Velazquez“ teilt er Warburg mit und bemerkt, dass er ihn darum beneide, den Bonner Ordinarius persönlich gekannt zu haben.68 Abgesehen von Justis Monographie, die er als kulturhistorischen Beitrag in der „Vereinigung von Sehen und Verstehen können“ hoch schätzte, lehnt Saxl allerdings die meisten der Schriften über den Künstler als rein formgeschichtliche und kennerschaftliche Studien oder als bloße Materialsammlungen ab. Saxl hielt Warburg über seine Beobachtungen und Erkenntnisse zu Velázquez ständig auf dem Laufenden. Er berichtet darüber, wie man im Prado nahezu das Gesamtwerk bei ausgezeichneter Hängung der Gemälde anschauen und damit seine Wandlungen so deutlich nachvollziehen könne, „daß man glaubt, den Augenblick erfassen zu können, in dem ein Neues entsteht.“69 An anderer Stelle erwähnt er, wie ihn die Entwicklung des Velázquez „aus den Klauen des Caravaggio“ ungemein interessiere, und dass sich Rembrandt und Velázquez in mehr als einem Punkt glichen: zum einen gingen beide von Caravaggio aus und entwickelten sich langsam „zur Lösung von der festen Form hin“, und zum anderen seien beide Außenseiter geblieben.70 Unter dem Einfluss von Rubens habe Velázquez – so Saxl – zu einer leuchtenden, weniger kontrastreichen Farbigkeit und einer offeneren, auf Fernwirkung berechneten Malweise gefunden. Beeindruckt zeigt sich der Forscher von den „Hilanderas“,
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aber auch von den Porträts, den Reiterbildnissen und den Historienbildern des spanischen Hofmalers. Ausführlich berichtet er über seine Auseinandersetzung mit der „Übergabe von Breda“, vor der er, nach dem Vormittag in der Handschriftenabteilung der Biblioteca Nacional – so Saxl an Warburg in einem Brief am 5. April –, „den ganzen übrigen Tag“ zugebracht habe.71 Dabei sei ihm „manches an dem Bild klar geworden“, das zwar nicht „das Brio“ und die „Phantastik“ von Rembrandts „Nachtwache“ habe, jedoch „menschlich tiefer“ sei als das „Schützenstück“.72 Das Gemälde „Merkur und Argos“ erscheint Saxl als ein „besonders schönes und völlig eigenartiges Bild des späten Velázquez“, das sich in seiner „Wildheit und Besonderheit“ nur mit den späten Rembrandts vergleichen ließe, in der „Pracht der Farbe“ jedoch „ganz venezianisch“ sei.73 Aus den knappen Bemerkungen Saxls in den Briefen an Warburg wird deutlich, wie originell und neu sein Ansatz ist. Saxl stellt Velázquez erstmals konsequent in einen europäischen Kontext und hinterfragt damit das verbreitete Image eines autochthon spanischen Malers ohne echte Vorbilder und Einflüsse. Auf diese Weise entdeckt er einen Velázquez, dessen Œeuvre durch die Auseinandersetzung zunächst mit den Werken von Tizian und Rubens und während der beiden Italienaufenthalte 1629 bis 1631 und 1649 bis 1651 mit der Kunst der Antike und der Renaissance wichtige Impulse erhalten hatte.
Das Interesse an Velázquez und der Ovid-Rezeption im Spanien der Barockzeit Mit der spanischen Malerei des Siglo de Oro konnte Saxl ein neues Forschungsgebiet an die K.B.W. bringen, worüber Warburg im Lauf des Jahres 1927 mehrfach seine Zufriedenheit äußern sollte.74 Auch die Erwerbungen zahlreicher Bücher zum Thema für die Bibliothek zeugt von der Tatsache, dass der Kunst und Kultur der Epoche große Bedeutung eingeräumt wurde. Bereits in Madrid war Saxl als wissenschaftlicher Bibliothekar damit beschäftigt gewesen, in den dortigen Buchhandlungen und Antiquariaten zu stöbern, um die Bestände der Bibliothek um wichtige Titel, sowohl Monographien als auch Zeitschriften, zu ergänzen. Er erwarb Fachliteratur zu den Bereichen spanische Malerei, San Lorenzo El Escorial, spanisches Theater und Festwesen sowie Wandteppiche und regte zurück in Hamburg den Ankauf weiterer Publikationen an.75 Saxls Begeisterung für Velázquez scheint Warburg, der Zeit seines Lebens nie in Spanien gewesen war und dementsprechend nur wenige von dessen Gemälden aus eigener Anschauung kannte, angesteckt zu haben. Ein frühes
Das Interesse an Velázquez und der Ovid-Rezeption im Spanien der Barockzeit
Interesse Warburgs für Velázquez dürfte bereits durch die Monographie seines Lehrers Justi geweckt worden sein, die er, wie es in einem Brief an Saxl heißt, gelesen hatte, als er sie „vor 30 Jahren“ von seiner „Tante Käthe“ geschenkt bekommen hatte.76 Zwei Exzerpte aus dem „Velazquez“ in einem seiner bunt beklebten Zettelkästen mit ‚wissenschaftlichen Notizen’, die ihm wegen der metaphorischen Bildlichkeit der Sprache aufgefallen waren, zeugen davon, wie intensiv sich Warburg mit Justis Opus auseinandergesetzt hat.77 Als Saxl sich Ende März 1927 auf den Weg nach Spanien machte, fand Warburg, der selbst den Strapazen einer solchen Fahrt aus gesundheitlichen Gründen nicht gewachsen war, ihn „beneidenswerth“.78 Von den begeisterten Kommentaren Saxls über den Hofmaler Philipp IV. aus der ersten Woche seines MadridAufenthaltes zeigt er sich sogleich beeindruckt, und bemerkt, dass er sich auf „Veláquez-Gespräche“ in Hamburg freue.79 Richtig Feuer für das Thema dürfte Warburg vermutlich zu dem Zeitpunkt gefangen zu haben, als Saxl ihm in einem Brief vom 18. April 1927 seine neugewonnene Erkenntnis übermittelte, dass die Darstellungen von Ovids „Metamorphosen“ in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Spanien eine herausragende Rolle gespielt hätten, wahrscheinlich sogar eine größere als in Italien.80 Damit hatte dieser ein Sujet berührt, das Warburg gerade beschäftigte: das Antikenbild der niederländischen Barockmaler und die Bedeutung von Ovids „Metamorphosen“ und deren illustrierten Ausgaben für die Prägung dieses Bildes. Warburgs Interesse an den Quellen des Antikenbildes von Velázquez wird aus seinen Kommentaren zu Francisco Javier Sánchez Cantóns Aufsatz „La librería de Velázquez“ von 1925 deutlich.81 Saxl und Warburg waren beide Ende April 1927, der eine in Madrid, der andere in Hamburg, auf die Publikation gestoßen. Saxl, der persönlich einen Sonderdruck erhalten hatte, berichtete nach Hamburg davon und beurteilte den Beitrag des damaligen Direktors des Prado als „sehr gute Arbeit“.82 Nahezu gleichzeitig hatte auch Warburg in Hamburg den Artikel in dem für die Bibliothek erworbenen dritten Band der Festschrift für Menéndez Pidal entdeckt.83 Die beiden Forscher erkannten, dass die Studie in der damaligen Velázquez-Forschung einen Einschnitt markierte. Tatsächlich wurde mit dem Bekanntwerden seiner Bibliothek Velázquez als humanistisch gebildete, auch kunsttheoretisch und naturwissenschaftlich interessierte Person fassbar und damit das vorherrschende Bild eines rein nach der Natur arbeitenden Malers ohne besondere intellektuelle Ansprüche revidiert.84 Die überlieferten Kommentare von Saxl und Warburg im Zusammenhang mit dem Aufsatz sind ungeachtet ihrer Kürze aufschlussreich und zeugen von den unterschiedlichen Fragen, mit denen sie zunächst an Velázquez herantraten. Saxl stellte nur fest, dass Velázquez viele Astrologica besessen habe.85
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Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, Hamburg 1927
Warburg dagegen zeigte sich überrascht davon, dass die Bibliothek des Malers nur einige wenige literarische Werke enthielt, nämlich Horaz und Ovid in spanischer Übersetzung und einige wenige Andachtsbücher, dagegen wider Erwarten zahlreiche kosmologische Werke.86 In einem weiteren Aufsatz im ersten Band der gleichen Festschrift war Warburg auf eine Reihe von Publikationen zu Lope de Vegas und Calderón de la Barcas mythologischen Dramen sowie zu Ovids „Metamorphosen“ und deren spanischer Übersetzung „Teatro de los Dioses de la Gentilidad“ des Dichters Fray Baltasar de Victoria aus dem frühen 17. Jahrhundert als deren Quellen gestoßen. Er regte Saxl an, in der Madrider Biblioteca Nacional nach illustrierten Ausgaben der Dramen zu suchen.87 Warburg waren keineswegs zufällig die Ausgaben von Ovids „Metamorphosen“ und deren Übersetzungen in der Bibliothek des Velázquez aufgefallen. Auch sein Hinweis an Saxl, nach illustrierten spanischen Ausgaben von Ovids Epos zu forschen, deutet auf sein Interesse an Velázquez’ mythologischen Gemälden und den Quellen für dessen Antikenbild hin. Mit Funden von Ausgaben von Ovid und von Publikationen anderer mythologischer Texte im Spanien des 17. Jahrhunderts erhoffte sich Warburg, auf Bildquellen für die Maler des Siglo de Oro zu stoßen, die bei ihrer Auseinandersetzung mit mythologischen Themen eine Rolle gespielt hatten.88
Warburg 1924 bis 1927: Forschungen zum Antikenbild von Rembrandt und Rubens
Zum Antikenbild der Barockkünstler Warburgs Interesse an Velázquez – das wird aus zahlreichen Bemerkungen in der Korrespondenz deutlich –, galt den Quellen für das Antikenbild des Malers und der damit im Zusammenhang stehenden Ovid-Rezeption im Spanien des Siglo de Oro. Die Beschäftigung mit diesem Problem hing eng mit seinen gleichzeitigen Forschungen zum Antikenbild Rembrandts, Rubens’ und anderer Barockkünstler und dem Einfluss der Illustrationen Antonio Tempestas auf dieses Bild zusammen. Um nachvollziehen zu können, wie es zu der Deutung der „Hilanderas“ überhaupt kommen konnte, ist entscheidend, nicht allein die von Warburg erzielten Ergebnisse zu berücksichtigen, sondern seine Gedankengänge bei der Beschäftigung mit dem Antikenbild Rembrandts und Rubens‘ nachzuzeichnen. Nach der Rückkehr aus Kreuzlingen nach Hamburg im August 1924 verfolgte Warburg mit der Untersuchung von Rembrandts Antikenbild ein für ihn neues Thema. Mit diesen Forschungen sollte der Kulturwissenschaftler das „Nachleben der Antike“-Problem und damit auch das der Pathosformeln auf den Bereich der Barockmalerei erweitern.89 Wie er in einem Brief betont, waren es Saxls Forschungen, die ihn „indirekt“ zunächst auf Rembrandts „Verschwörung des Claudius Civilis“ von 1660/61 gebracht hatten.90 Das Historienbild gehörte zusammen mit Gemälden mit Szenen aus der Frühzeit der niederländischen Geschichte anderer holländischer Meister zur Ausstattung des neuerbauten Amsterdamer Rathauses. Rembrandts Gemälde, das Warburg sehr beeindruckt hatte, zeigt eine Szene aus der Frühzeit der niederländischen Geschichte: Claudius Civilis schwört die Bataver zum Aufstand gegen die Römer ein. Ausgehend von Frederik Schmidt-Degeners Forschungen war ihm aufgefallen, dass die an der Ausstattung beteiligten Künstler bei ihrer Interpretation der Sujets auf ganz unterschiedliche Vorlagen zurückgreifen.91 Während sich die meisten auf Tempestas Illustrationen von Tacitus Darstellung des Bataverkrieges („Batavorum cum Romanis Bellum“) von 1612 stützten, präsentiert
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Warburg 1924 bis 1927: Forschungen zum Antikenbild von Rembrandt und Rubens
Rembrandt eine neue, andersartige, der nordischen Volkskultur verpflichtete Bildidee. Zeigt Tempesta die Szene als eine etwas steif wirkende festliche Versammlung zeigt, so stellt Rembrandt die Verschwörer als ernste, feierliche, ihre Schwerter zusammenhaltende Gruppe dar.92 In diesem Zusammenhang war Warburg mit der Frage, wie sich die Künstler und ihr Publikum im 17. Jahrhundert klassische Themen vorstellten, zu den Illustratoren antiker Texte und mit Tempesta auf einen der bedeutendsten dieser Illustratoren um 1600 gestoßen. Als weitere Schwerpunkte spielten in Warburgs Rembrandt-Forschungen Ovids „Metamorphosen“ und deren Illustrationen eine wichtige Rolle.93 Denn unter den antiken Texten war das Epos eine Hauptquelle für die Künstler der Neuzeit. Mit Tempestas um 1600 entstandenen Illustrationen – so Warburgs Erkenntnis – sei ein neues antikes bzw. antikisierendes Formenvokabular in die Niederlande eingeführt worden, das das Bild der Künstler von der Antike entscheidend geprägt habe. Warburg sichtete die von Tempesta und anderen Künstlern illustrierten Ausgaben der „Metamorphosen“, um festzustellen, wie die von Ovid geschilderten Passionen in Gestalt von Pathosformeln bildlich umgesetzt wurden. Dabei verfolgte er eine zweifache Spur der Antikenrezeption in der nordischen Kunst. Schwerpunktmäßig interessiert zeigt er sich an der indirekten Rezeption der antiken Werke durch Vermittlung von italienischen Künstlern wie Tempesta. Zudem ging es ihm auch um die zweite, direkte Spur der Antikenrezeption, nämlich jene der unmittelbaren Anschauung antiker Skulpturen, durch die das Bild der niederländischen und flämischen Künstler von der Antike ebenfalls geprägt wurde. Warburgs Forschungen, von Saxl durch Gespräche, Literaturhinweise und -beschaffung unterstützt, gingen zunächst in den Vortrag „Rembrandt und die italienische Antike“ ein, den er am 29. Mai 1926 an der K.B.W. hielt.94 In dem Vortrag behandelte er drei Darstellungen antiker Themen des holländischen Malers, die auch Tempesta in den Ausgaben von Ovid beziehungsweise von Tacitus illustriert hatte: die Gemälde „Raub der Proserpina“ und „Die Verschwörung des Claudius Civilis“ sowie den Kupferstich „Medea“.95 Von der Frage ausgehend, welche Elemente des antiken Erbes im Zeitalter Rembrandts interessierten, beabsichtigte er im Vortrag „die zweifache Methode bei der Beibringung mittelbarer und unmittelbarer Zeugnisse über das Verhältnis zur Antike“ vorzustellen.96 Zugleich fanden Warburgs Rembrandt-Forschungen ihren Niederschlag in den als „Bilderreihen“ erwähnten Ausstellungen, die ab Herbst 1926 im Lesesaal der K.B.W. stattfanden.97 In diesen Ausstellungen wurden schwarze Holztafeln mit fotografischen Reproduktionen und manchmal im unteren Bereich aufgeschlagene illustrierte Bücher hinter quer gespannten
Rembrandt: „Der Raub der Proserpina“
Schnüren zu verschiedenen Aspekten des „Nachlebens der Antike“ präsentiert. Insgesamt fanden im ersten Halbjahr 1927 drei Ausstellungen statt, in denen das Thema der Antikenrezeption von der Frührenaissance bis zum Barock eine Rolle spielte.98 Eng im Zusammenhang mit den für den vorliegenden Kontext fundamentalen Forschungen Warburgs zum Antikenbild von Rembrandt und Rubens steht die Ausstellung, die zwischen dem 29. Januar und dem 12. Februar 1927 unter dem Titel „Urworte leidenschaftlicher Gebärdensprache“ an der K.B.W. stattfand.99 Der Anlass für diese auch als „Ovid-Ausstellung“ erwähnte Schau, war ein Vortrag Max Dietmar Henkels, Bibliothekar des Prentenkabinets am Rijksmuseum Amsterdam und ausgewiesener Kenner Ovids, zu den illustrierten Ausgaben der „Metamorphosen“ vom 15. bis 17. Jahrhundert.100 Gezeigt wurden zunächst sechs, später sieben Tafeln mit Abbildungen von Gemälden, Plastiken und Graphiken sowie illustrierte Buchausgaben, die veranschaulichen sollten, wie die antike Formensprache in Gestalt von Pathosformeln auf die Künstler der Neuzeit nachgewirkt hat.101 Wie bereits im Rembrandt-Vortrag ging es Warburg auch hier um das Wechselspiel von direkter bzw. vermittelter Antikenrezeption, um die Auseinandersetzung mit überlieferten Kunstwerken einerseits und mit den vorgeprägten Bildtypen der neuzeitlichen Illustrationen antiker Texte andererseits. Auf den Tafeln mit den Titeln „Verfolgung (Daphne)/Verwandlung (Actaeon)“, „Raub (Proserpina)“, „Opfertod (Orpheus)“, „Menschenopfer (Medea)“, „Opfertanz/Klage“ und „Sieg“ mit zahlreichen Abbildungen zu den Themen, wurden die wichtigsten Pathosformeln präsentiert.102 Warburgs Ansatz, die Bedeutung sowohl der Antike als auch der „italienischen Antike“ für Rembrandt anhand ausgewählter Werke zu demonstrieren, war auch insofern bemerkenswert, als dieser um 1900 zu einer beliebten Identifikationsfigur einer ins Völkisch-Nationale zielenden Kunstgeschichte geworden war.103 Für die Vertreter dieser Richtung galt Rembrandt als das „nordische Genie“, das auf die damals zwingende Italienreise verzichtet und mit der Schöpfung eines antiklassischen Stils den Heroen der italienischen Renaissance Eigenes entgegengesetzt habe.
Rembrandt: „Der Raub der Proserpina“ In Warburgs Rembrandt-Forschungen spielt das antike Sujet des Raubes der Proserpina und die Vorbilder und Schriftquellen, auf die die barocken Maler bei der Darstellung der Raptusszene zurückgegriffen hatten, eine zentrale Rolle (Abb. 5). Im Vortrag am 29. Mai 1926 hatte er sich bei Rembrandts
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Abb. 5 Rembrandt, Raub der Proserpina, 1632, Öl auf Holz, 84x79 cm, Berlin, Gemäldegalerie
Bild aus der Berliner Gemäldegalerie auf die Auseinandersetzung des Malers mit Tempestas Illustration des Themas in Pieter de Jodes Ausgabe von Ovids „Metamorphosen“ (Antwerpen 1606) konzentriert.104 Rembrandt stellt in der um 1631 datierten Raub-Szene die beiden Protagonisten ins Zentrum: Pluto, der die Tochter der Ceres hochzerrt und den von vier schwarzen Pferden gezogenen Wagen in Richtung der dunklen Unterwelt lenkt, und die sich mit aller Kraft gegen den Entführer wehrende Proserpina.105 Zwei ihrer Begleiterinnen, von denen die eine durch Mondsicheldiadem und Köcher als die Jagdgöttin Diana identifiziert wird, die andere eine Nymphe, möglicherweise Cyane, darstellt, hängen sich an den Saum ihres Gewandes, um die Verschleppung zu verhindern. Zeugin des Geschehens ist auch eine farbige Dienerin, deren Gesicht hinter Diana hervorragt. Links von der Gruppe erscheint eine
Rembrandt: „Der Raub der Proserpina“
Abb. 6 Antonio Tempesta, Raub der Proserpina, um 1600, Kupferstich, 9,7x11,5 cm, Metamorphoseon sive Transformationum Ovidianarum libri quindecim, Antwerpen, Petrus de Jode, 1606, Nr. 47
weitere Frauenfigur, durch Helm, Schild und Speer als Minerva gekennzeichnet. Der Bug des prächtigen Wagens ist mit einem sein Maul zu einem Brüllen weit öffnenden goldglänzenden Löwenkopf geschmückt. Rembrandt steigert das Dramatische der Szene indem er die ganze rechte Bildseite dunkel hält. Tempesta, der dem Proserpina-Mythos in der Ausgabe von 1606 acht Illustrationen gewidmet hatte, zeigt in der Raub-Szene Pluto auf einem von einem Wolkenband umhüllten, von zwei Pferden gezogenen Wagen stehend, wie er Ceres’ Tochter mit beiden Händen kraftvoll umfasst und Richtung Hadesschlund entführt106 (Abb. 6). Die mit verzweifelter Geste die rechte Hand hochreißende, mit strampelnden Beinen sich wehrende und hilfesuchend nach links blickende Proserpina liegt halb auf den Oberschenkeln des im verlorenen Profil in Rückenansicht dargestellten Gottes. Unten links in der Ecke löst sich die dem Geschehen hilflos zusehende Nymphe Cyane aus Verzweiflung in Wasser auf. Aus dem Wagenkasten ragt ein Zweizack, das Wahrzeichen Plutos, heraus und den Bug ziert eine mächtige Fratze. Durch Positionierung der Figu ren über Kreuz, in verschiedene Richtungen strebend – die weg von Pluto nach links oben gestikulierende Proserpina, der nach rechts unten ausgerichtete Pluto und die ebenfalls nach rechts galoppierenden Pferde –, wirkt die Gruppe stark bewegt.
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Als Illustrator hält Tempesta sich streng an Ovids knappen Bericht in den „Metamorphosen“.107 Bei Ovid heißt es, dass Venus, da sie beabsichtigt neben Himmel und Meer auch die Unterwelt ihrem Reich einzuverleiben, ihren Sohn Cupido auffordert, Pluto, den Herrscher der Unterwelt, mit seinen Pfeilen zu treffen. Dieser entbrennt in Liebe zu Proserpina, der Tochter des Jupiter und der Ceres, und entführt diese, als sie mit ihren Gespielinnen auf einer schattigen Wiese in Sizilien Blumen pflückt. Die Quellnymphe Cyane stellt sich dem Wagen des Gottes in den Weg, kann ihn jedoch nicht aufhalten und wird, sich in ihren eigenen Tränen auflösend, zu Wasser. Als Ceres vom Raub erfährt, bittet sie Jupiter verzweifelt darum, Pluto zur Herausgabe ihrer Tochter zu zwingen. Ceres und Pluto einigen sich darauf, dass Proserpina die eine Hälfte des Jahres als Plutos Gattin in der Unterwelt verbringt, die andere bei ihrer Mutter auf der Erde. Warburg erkannte in Rembrandts Gemälde sowohl in der Gesamtkomposition mit dem Akzent auf der Raptusgruppe Pluto-Proserpina als auch in der Darstellung der Pferde und des mit einer Löwenfratze geschmückten Wagens, der Richtung Unterweltschlund rast, einen Anklang an Tempestas Radierung.108 Der Maler habe sich dadurch, dass er den Wagen gezielt Richtung Hadesöffnung lenkt, näher an Ovids Bericht gehalten, als seine Zeitgenossen. Allerdings habe er es abgelehnt – so Warburg weiter –, die „erstbesten Superlativ-Formeln“ zu verwenden, die die künstlerische Sprache seiner Zeit anbot, sondern sich künstlerischen Symbolen zugewandt, die ihres menschlichen Gehalts noch nicht beraubt waren.109 Rembrandt habe Proserpina nicht in den „üblichen Klagegestikulationen“ dargestellt, sondern lässt sie sich aktiv wehren und Pluto höchst resolut ins Gesicht greifen.110 „Sentimentale Floskeln sind ganz fortgeblasen“ – so Warburgs Beobachtung – womit Rembrandt zu einer „neuen Sachlichkeit“ gelangt sei und damit die „antikischen Pathosformeln, wie sie, von Italien aus dem 15. Jahrhundert herkommend, die europäischen Superlative der Gebärdensprache beherrschten“, überwunden habe.111 Indem sich Rembrandt von dem „substanzlosen Pathos“ Tempestas distanziert und die Bildtradition nicht schematisch übernommen habe, sei es ihm gelungen, einen „Denkraum der Besonnenheit“ zwischen sich und dem Kunstwerk zu schaffen.112 Warburg würdigt es als Leistung Rembrandts, im „Raub der Proserpina“ einen Mittelweg gefunden zu haben zwischen der vordergründigen Pathetik Tempestas und dem oft steif wirkenden niederländischem Formengut, dessen Kennzeichen weniger Pathos und eine eher realitätsnahe Gestik und Bewegung gewesen sei.113 Abgesehen von der Erwähnung von Jakob Struys 1634 erschienenem Drama „Ontschaking van Proserpina“ geht Warburg im Rembrandt-Vortrag auf keine anderen Schrift- und Bildquellen ein.114 Es scheint, dass ihm zu dem
Rembrandt: „Der Raub der Proserpina“
Zeitpunkt nicht bewusst war, dass der Maler sich nicht allein auf Ovid gestützt haben kann, da er mit der Darstellung der Göttinnen Diana und Minerva Personen ins Geschehen eingebracht hat, die dieser gar nicht erwähnt. Darin folgt Rembrandt vielmehr dem spätantiken Dichter Claudius Claudianus, der das Geschehen in dem dreiteiligen Versepos „De raptu Proserpinae“ viel ausführlicher schildert als Ovid. Im Vortrag erwähnt Warburg die neben Pluto und Proserpina dargestellten Frauen als „Gespielinnen, deren Leiber von der Vegetation verdeckt sind“. Wie er ein halbes Jahr später in einem Eintrag ins Tagebuch der K.B.W. bemerkt, war es ein Hinweis von Saxl, der ihn auf Claudian als Quelle für die Darstellungen des Sujets durch Soutman und Rubens hinwies.115 Nach Claudians Bericht in „De raptu Proserpinae“ eilen die Göttinnen der klagenden Proserpina zu Hilfe, Diana spannt den Bogen gegen den Räuber und Pallas Athene stellt sich ihm in den Weg und hätte fast den Speer gegen ihn geschleudert, wenn nicht Jupiter in Gestalt eines geflügelten Blitzes ihr Einschreiten unterbunden hätte.116
Abb. 7 Claes Cor nelisz. Moeyaert, Raub der Proserpina, um 1635, Öl auf Holz, 44x67 cm, Standort unbekannt (ehem. Berlin, Galerie Ehrhardt)
Abgesehen von dem indirekten Strang der bildlichen Tradierung des antiken Sujets durch die Illustrationen Tempestas verfolgt Warburg im Vortrag auch die zweite Spur der Antikenrezeption, die direkt zu den Werken der Antike führte. Am Beispiel des um 1635 datierten Gemäldes „Raub der Proserpina“ des niederländischen Malers Claes Cornelisz. Moeyaert, wiewohl nach seiner Auffassung zwar auch von Tempesta beeinflusst, demonstriert er, dass sowohl die Gesamtkomposition und die Gestik der Figuren, als auch die Abwehrgeste der Proserpina und die Hilfestellung ihrer Gespielinnen, weitgehend auf antike Proserpina-Sarkophage zurückzuführen seien117 (Abb. 7). Ein weiteres Ergebnis von Warburgs Beschäftigung mit Rembrandts Anti kenbild sind die Tafeln der Ovid-Ausstellung im Januar/Februar 1927. Dort
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Abb. 8
Ovid-Ausstellung, 20. Januar bis 12. Februar 1927, Tafel 2 Raub (Proserpina), WIA
präsentiert er dessen „Raub der Proserpina“ auf der Tafel 2 unter dem Titel „Raub (Proserpina)“ in dem umfassenderen Kontext der Pathosformel „Raub“118 (Abb. 8). Mit den insgesamt 13 Abbildungen und fünf Ovid-Ausgaben mit Illustrationen der Szene, zeigt er ein viel breiteres Material als im Rembrandt-Vortrag. Damit erweist sich diese Präsentation als besonders wertvolles Zeugnis von Warburgs Arbeits- und Argumentationsweise sowie seines Umgangs mit dem Bildmaterial. Unter den 13 Fotos sind neben Abbildungen von antiken Sarkophagen und Handschriftenillustrationen auch Reproduktionen der Gemälde von Rubens, Rembrandt und Moeyaert zum „Raub der Proserpina“ vertreten. Warburg präsentiert sie in einer Reihe neben der Radierung Tempestas als ihrem Vorbild. Indem er diese jedoch spiegelverkehrt zeigt, wird die Ausrichtung des Wagens so verändert, dass die Übereinstimmungen unmittelbar deutlich werden. Bei der Gestaltung der Hauptgruppe Pluto und Proserpina griff Rembrandt offensichtlich auf eine andere Vorlage zurück, die ebenfalls als Abbildung auf der Tafel zu sehen ist. Es handelt sich um Pieter Claesz. Soutmans um 1640 entstandenen Kupferstich „Raub der Proserpina“ nach einer früheren, um 1614 zu datierenden Variante des Gemäldes von Rubens119 (Abb. 9). Wie Soutman zeigt Rembrandt den Gott frontal zum Betrachter, wie er die sich wehrende Proserpina von hinten ergreift. Warburg gelingt es, mit den Abbil-
Rubens: „Der Raub der Proserpina“
Abb. 9 Pieter Claesz. Soutman (nach Peter Paul Rubens, um 1615), Raub der Proserpina, um 1640, Kupferstich, 21,3x32,8 cm
dungen auf der Tafel „Raub“ nachzuweisen, wie für Rembrandts „Raub der Proserpina“ sowohl Tempestas Illustration als auch Rubens frühe Version des Themas vorbildhaft gewirkt haben.
Rubens: „Der Raub der Proserpina“ Hatte sich Warburg im Rembrandt-Vortrag beim Proserpina-Sujet auf die Untersuchung seiner Bildquellen und jener von Moeyaert beschränkt, sollte er auf der Tafel „Raub“ in der Ovid-Ausstellung das Spektrum erweitern, indem er mit Rubens und Pieter Claesz. Soutman auch flämische Künstler einbezieht. Bei Rubens’ „Raub der Proserpina“ von 1636–1638 handelt es sich um eines der Gemälde mit mythologischen und Jagdszenen, die der Maler für die Ausstattung des Jagdschlosses Torre de la Parada von Philipp IV. von Spanien geschaffen hatte. Es ist auffällig zentral in der obersten Reihe platziert (Abb. 10). Rechts daneben wird es von dem besagten Kupferstich von Soutman nach der etwa 20 Jahre früheren Version flankiert.120 Warburg scheint demnach ausgehend von Rembrandt ein Interesse an Rubens’ Antikenbild entwickelt zu haben. In diesem Zusammenhang ist der
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Abb. 10 Peter Paul Rubens, Raub der Proserpina, 1636–1638, Öl auf Leinwand, 180x270 cm, Madrid, Museo del Prado
Tagebucheintrag vom 25. November 1926 im Vorfeld von Saxls Forschungsreise zu lesen, in dem Warburg bemerkt, dieser müsse „wegen Rubens“ nach Spanien.121 Dahinter steckt zunächst der Auftrag für Saxl, die überaus reichen Rubens-Bestände des Madrider Museo del Prado zu studieren. Der in dieser Sammlung gut vertretene Meister hochdramatischer mythologischer Szenen mit bewegten Figuren von überwältigender Vitalität ließ in seinem Umgang mit Pathosformeln auf neue Einsichten hoffen. Zudem versprach Rubens als Schöpfer zahlreicher Gemälde mit antiken Sujets ein ergiebiges Studienobjekt für das damals aktuelle Thema des Antikenbildes der Barockkünstler zu sein. Saxl, der die Gemälde des Antwerpener Malers bis dahin wie Warburg nur von Reproduktionen kannte, zeigte sich in Madrid beeindruckt von den malerischen Qualitäten des „Perseus“ und des „Raubes der Proserpina“ und hielt die „Die Befreiung der Andromeda“ sogar für „eines seiner [Rubens’] besten Bilder“.122 Warburg wiederum würdigt in einem Schreiben an Saxl Rubens’ Meisterschaft in der Formulierung der Pathosformel „Raub“ im „Raub der Proserpina“.123 Weitere Äußerungen Warburgs und Saxls verweisen auf ihre Beachtung von Rubens als kreativem Rezipienten antiker Pathosformeln. Nach der Rückkehr aus Madrid war Saxl mit dessen „Quos Ego“ in der Dresdner Gemälde-
Rubens: „Der Raub der Proserpina“
galerie auf ein weiteres Werk gestoßen, in dem dieser ein einschlägiges Motiv formuliert hatte, worüber er Warburg gleich informierte.124 Bei besagtem Motiv, einer der wichtigsten Pathosformeln, anhand derer die Antikenrezeption im 16. und 17. Jahrhundert deutlich wurde, handelt es sich um die Einhalt gebietende Geste Neptuns an die tobenden Winde in Vergils „Äneis“, die den Zuruf begleitetet: „Euch will ich [helfen]; Euch will ich’s zeigen!“125 Doch zurück zu den Proserpina-Bildern: Rubens’ Werke zeigen abgesehen von Details große Ähnlichkeit in der Behandlung des Sujets. Der flämische Maler folgt Claudians Bericht, indem er die Entführung der Tochter des Jupiter und der Ceres durch Pluto als eine vielfigurige Szene zeigt. Neben dem Entführer und der Entführten auf dem von Rossen gezogenen Wagen präsentiert er mit Pallas Athene und Diana zwei Göttinnen, die die Missetat verhindern wollten, und mit Venus die Göttin, auf deren Geheiß Amor Pluto mit seinem Pfeil in dem Augenblick getroffen hatte, als dieser Proserpina erblickte. Die Figuren werden aneinandergerückt – noch enger in der späteren Version –, und wie auf einem antiken Relief nebeneinander von links nach rechts gereiht. Plutos gewaltsamer Angriff auf Proserpina in der rechten Bildhälfte und der Versuch Athenes und Dianas, diesen zu verhindern, in der linken Bildhälfte, stehen gleichberechtigt nebeneinander. Rechts umfasst der Gott Proserpina von hinten, die ihn beide Hände von sich streckend verzweifelt abwehrt. Links greift Pallas, den Schild in der Linken, mit der Rechten kraftvoll nach Plutos Schulter, um diesen zurückzuhalten. Indem Rubens Pallas den Gegner mit kraftvoller Geste an der Schulter packen und diesen überrascht und erschreckt aufblicken lässt, gibt er der Szene einen neuen Gehalt: Die beiden Götter treten sich hier als ebenbürtige Widersacher gegenüber, beide greifen gegenstrebig nach ihrem Opfer bzw. ihrem Widersacher. Diese aktiv eingreifende Rolle der Athene, die in der frühen Version lediglich den Schild erhoben hat und Richtung Gruppe eilt, ist neu. Mit ihr setzt der Maler den Schwerpunkt nicht länger auf den Raub der Proserpina durch Pluto, sondern vielmehr auf den Zweikampf zwischen dem brutalen, von seinen Trieben geleiteten Gott der Unterwelt und der keuschen Athene, die schwerbewaffnet für die Ehre der Jungfrau gegen ihn zu Felde zieht. Rubens wählt den Moment, in dem beide Seiten gleich stark sind und der Ausgang noch offen scheint. Denn erst durch den Blitz Jupiters wird der Zweikampf zugunsten Plutos entschieden. Mit weiteren Abbildungen auf der Tafel „Raub“ präsentiert Warburg die antiken Bildquellen für Rubens’ Versionen des Proserpina-Sujets. In der ersten Reihe zeigt er von links nach rechts ein römisches Sarkophagrelief (Venedig, 1. Hälfte 1. Jh.), das Relief des Aachener Proserpina-Sarkophags,
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Abb. 11 Raub der Proserpina, Sarkophagrelief, römisch, 2. Jh. n. Chr., Aachen, Domschatzkammer
Rubens’ „Raub der Proserpina“ sowie Soutmans Kupferstich des Themas nach Rubens126 (Abb. 11). Auf den beiden antiken Sarkophagen war die Geschichte des Proserpina-Raubes nach Claudian dargestellt, an deren Formenvokabular sich der flämische Maler orientiert hat.127 Mit den Abbildungen der Werke von Rubens, Soutman und Moeyaert sowie der für diese vorbildlichen Sarkophagreliefs stellt Warburg den Rezeptionsstrang vor, der von der Antike direkt zu den Barockkünstlern führt.
Die Pathosfigur der Pallas Athene In Anbetracht einiger auffälliger Unterschiede zwischen Rubens’ „Raub der Proserpina“ und den antiken Sarkophagbildern wird Warburg sich nach weiteren Vorbildern für den Antwerpener Maler umgesehen haben. Rubens stellt zwar, wie vor ihm die antiken Bildhauer auf den Sarkophagen, Pallas mit Helm im Profil dar, wie sie, den Schild in der Linken, entschlossen auf Pluto zuschreitet, um diesen aufzuhalten. Doch im Unterschied zu den antiken Darstellungen, in denen die zahlreichen Teilnehmer am Geschehen gleichberechtigt erscheinen, steht bei Rubens die Gruppe Pallas Athene versus Pluto aufgrund der aufeinander bezogenen Blicke und Gesten des „Ergreifens“ und „Eingreifens“ als Protagonisten im Zentrum. In diesem Kontext erst wird Warburgs Bemerkung in dem Brief an Saxl vom 22. Mai 1927, Rubens habe im „Raub der Proserpina“ die „Eleganz des aktiven Ergreifens gebrauchsfertig formuliert“ verständlich.128 In Rubens’ Interpretation der Raptus-Szene als Zweiergruppenszene dürfte Warburg die eindrucksvolle Pathosfigur der Göttin besonders interessiert haben. Pallas Athene gehörte neben Orpheus zu jenen antiken Figuren, die
Die Pathosfigur der Pallas Athene
Abb. 12 Peter Paul Rubens, Pallas und Arachne, um 1640, Öl auf Holz, 27x38 cm, Richmond, Virginia, Virginia Museum of Fine Arts
in seinen Forschungen häufiger vorkommen. Bereits in seinem Vortrag auf dem 10. internationalen Kunsthistorikerkongress in Rom 1912 war die Figur der Pallas in Francesco del Cossas „Triumph der Minerva“ im oberen Register des „März-Bildes“ von 1469–1670 im Palazzo Schifanoia zentral.129 Diese und weitere Darstellungen der Göttin, wie jene in Mantegnas „Minerva vertreibt die Laster“ oder Botticellis „Pallas zähmt den Kentauren“ sollte Warburg in unterschiedlichen Zusammenhängen zunächst auf den Tafeln der Bilderreihen und anschließend auf denen des Mnemosyne-Atlas einbinden.130 Besonders dürfte ihm die Nähe zu einer weiteren Athene von Rubens aufgefallen sein, in dessen „Pallas und Arachne“ von 1636–1638 nämlich, das wie auch der „Raub der Proserpina“ für die Ausstattung des Jagdschlosses Torre de la Parada gedacht gewesen war131 (Abb. 12). Rubens präsentiert Pallas in beiden Gemälden in einer von links nach rechts ausgerichteten Bewegung im Profil, die Rechte erhoben, einmal als aggressive Drohgebärde des Ausholens zum Schlag und einmal als Geste des Zurückhaltens, wobei die Göttin in „Pallas und Arachne“ dynamischer wirkt als jene im „Raub der Proserpina“. Mit der Figur der Pallas in den beiden mythologischen Szenen hatte der Maler eine Pathosfigur verwendet, für die es für Warburg nach Vorläufern in der Antike oder in der „italienischen Antike“ zu suchen galt. Dass er dabei auf Tempestas
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Abb. 13 Antonio Tempesta, Pallas und Arachne, um 1600, Kupferstich, 9,7x 11,5 cm, Metamorphoseon sive Transformationum Ovidianarum libri quindecim, Antwerpen, Petrus de Jode, 1606, Nr. 52
„Pallas und Arachne“ in der Ausgabe von Ovids „Metamorphosen“ von 1606, die zum Bestand der K.B.W. gehörte, stieß, liegt nahe (Abb. 13). Warburg hatte sowohl seinem Rembrandt-Vortrag Ende Mai 1926 als auch in der OvidAusstellung im Januar-Februar 1927 die entscheidende Rolle von Tempestas Illustrationen zu dieser Ausgabe für das Antikenbild Rembrandts in dessen „Raub der Proserpina“ herausgearbeitet.132 In der Ovid-Ausstellung hatte er weitere Abbildungen von Illustrationen Tempestas aus dieser Ausgabe auf weitere Tafeln aufgenommen.133 Schließlich hatte auch Max Ditmar Henkel in seinem Vortrag über Ovid-Illustrationen Ende Januar 1927 zwei Pallas-Darstellungen Tempestas, nämlich „Pallas bei Invidia“ und „Pallas und Arachne“ ausführlich behandelt, was Warburg notiert haben dürfte.134 Warburg dürfte demnach aufgefallen sein, dass sich Rubens für das „Pallas und Arachne“-Gemälde an Tempestas Illustration des Sujets orientiert hat, wobei er allerdings das Ereignis stark dramatisierte. Er verwendet für die Szene zwar die gleiche Grundstruktur, verwickelt jedoch die beiden eng aneinander gerückten Hauptfiguren in ein affektgeladenes Geschehen. Wie Tempesta zeigt er die beiden Rivalinnen in der Werkstatt mit dem Webstuhl Arachnes, doch trennt er sie nicht wie dieser durch das Gestell, sondern rückt sie als verknäulte Gruppe in den Vordergrund. Die in den Raum hereingestürzte wutentbrannte Pallas hat die verschreckte Arachne zu Boden gestoßen, hält sie mit der Linken an der Schulter und ist gerade dabei, mit der Rechten mit einem Webschiff auf sie einzuschlagen. Während Tempesta sich auf die beiden Hauptfiguren Pallas und Arachne beschränkt, fügt Rubens mit einer am Webstuhl konzentriert
Die Pathosfigur der Pallas Athene
arbeitenden jungen Frau und einer zweiten, die hinter der Gruppe stehend entsetzt auf das Geschehen blickt, zwei Zeuginnen hinzu. Zudem nimmt Rubens rechts im Bild Arachnes Teppich mit dem Raub der Europa als ein wichtiges Detail der Geschichte auf, das bei Tempesta fehlt. Bei der Auseinandersetzung mit den Quellen für das Antikenbild Rembrandts und Rubens’ gelangte Warburg zu Ergebnissen, die für die Interpretation der „Hilanderas“ Ende Juli 1927 von grundlegender Bedeutung werden sollten. Zunächst ist sein Vorgehen bei der Suche nach Quellen für Rembrandts Antikenbild beachtenswert, die ihn zu Tempestas Illustration der „Metamorphosen“, zu Soutmans Stich nach dem frühen Gemälde von Rubens und zu Claudian führte. Er erkannte, dass Rembrandt sich für den „Raub der Proserpina“ sowohl an Tempestas Blatt – dessen Ähnlichkeiten die Seitenverkehrung zunächst kaschierte –, als auch an Rubens’ durch Soutman überlieferte frühere Version des Proserpina-Themas orientiert hatte. Für Rubens’ um 1638 entstandenes Gemälde mit dem Raub der Proserpina wiederum identifizierte Warburg zunächst antike Sarkophage als bildliche Vorläufer. In diesem Bild wird ihm zudem die eindrucksvolle Pathosfigur der Pallas Athene aufgefallen sein, die ihn anschließend zu der Figur der Göttin in Rubens’ „Pallas und Arachne“ führte, für die er wiederum Tempestas Pallas in der Ausgabe von Ovids „Metamorphosen“ von 1606 als Vorbild ausmachte.
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Saxl 1927: Forschungen zu Velázquez
Die Vorlesung über spanische Malerei Von Warburgs durch Saxl kompetent unterstützten Forschungen zum Antikenbild von Rembrandt und Rubens bis zur Deutung der „Hilanderas“ war noch ein langer Weg. Dieser führt über Saxls intensive Beschäftigung mit Velázquez im Frühjahr 1927 während seines Forschungsaufenthaltes in Madrid und während des Sommersemesters im Zusammenhang mit der Vorlesung über spanische Malerei des Barock, die anhand eines Konvoluts von Notizen zum Thema dokumentiert ist.135 Mit dem Hofmaler machte sich Saxl zunächst anhand von Justis „Diego Velazquez und sein Jahrhundert“ vertraut, dessen dritte Auflage er bei seiner Reise nach Madrid im Gepäck hatte.136 Er las die zwei gewichtigen Bände, die er als kulturhistorischen Beitrag schätzte, mit Begeisterung.137 Vor allem dessen Darstellung der frühen Jahre des Malers beeindruckte ihn, während er zum Bild der Spätzeit des Velázquez kritisch anmerkte, der Bonner Ordinarius habe diese hauptsächlich als Historiker gewürdigt.138 Zudem hatte Saxl die reich illustrierte Erstausgabe von Walter Gensels Velázquez-Band aus der „Klassikerder-Kunst“-Reihe von 1905 mitgenommen, den er bereits im Jahr des Erscheinens als Schüler erworben hatte, in dem er an den Rand der Abbildungen seine Beobachtungen zu Farbe und Komposition der Gemälde notierte.139 Als er am 18. April 1927 aus Hamburg dessen vierte Auflage mit einer Einleitung von Juan Allende-Salazar nachgeschickt erhielt, äußerte er sich erwartungsvoll, die dort zu erwartenden Neudatierungen der Gemälde vor den Originalen im Prado zu überprüfen.140 Abgesehen von der einschlägigen Fachliteratur konsultierte Saxl die Quellenschriften von Francisco Pacheco, Antonio Palomino und Juan Agostín Céan Bermúdez, die er in Madrid für die Bibliothek erworben hatte. Mit den historischen Verhältnissen machte er sich anhand von Ludwig Pfandls Einführung in die spanische Kultur des 16. und 17. Jahrhunderts und Martin Humes Studie über den Hof Philipp IV. vertraut.141 Über die Sekundärliteratur zu Velázquez urteilt Saxl kritisch. In einem Brief vom 18. April 1927 an Warburg heißt es:
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Saxl 1927: Forschungen zu Velázquez
„Scheußlich ist der Zustand der Velázquez Litteratur. Da gibt es zwei Typen: den ArchivForscher und den Connaisseur. Seit Justi hat niemand Ernsthafter die Sache versucht. Es gibt wichtige Aufsätze, die stecken irgendwo in Zeitschriften, die doch kaum in Berlin sein werden. Außerdem spielt diese angenehme Forschung in lokalen Ausstellungs-Katalogen, die wenn sie zu kaufen sind, auch eklig teuer sind.“142
Lediglich der bereits erwähnte Aufsatz von Francisco Javier Sánchez Cantóns „La librería de Velázquez“ von 1925 fand seine Zustimmung.143 Die Beiträge von August L. Mayer über Velázquez betrachtet er als formgeschichtliche „Vorarbeiten“ und klassifiziert diese abfällig als „Schöne Litt.“.144 Sein Fazit lautet: „Die Bücher unseres Denkens, unserer Methode sind nicht geschrieben“.145 Saxls Auseinandersetzung mit Velázquez ist zunächst durch die Notizen vor den Gemälden des Meisters vor Ort in Madrid dokumentiert, in denen er den Schwerpunkt auf formale und ästhetische Fragestellungen nach Komposition, Raum, Farbe und Licht legt und gelegentlich durch eine Skizze ergänzt146 (Abb. 14). Dazu kommen Entwurfsnotizen und Notate, auf die sich
Abb. 14 Fritz Saxl, Skizze nach Diego Velázquez, Las Meninas, Spanish Notes, WIA, Heft 1, 1927, Fol. 118 recto
der Wissenschaftler bei der Vorlesung stützte.147 Aufgrund der sehr knappen Bemerkungen zu äußerst komplexen inhaltlichen Zusammenhängen ist allerdings davon auszugehen, dass er vieles mündlich extemporiert haben muss. In der zwischen 17. Mai und 29. Juli 1927 jeweils dienstags und freitags zwischen 16 und 17 Uhr abgehaltenen Vorlesung konzentrierte sich Saxl auf
Die Vorlesung über spanische Malerei
El Greco und Velázquez. An eine Einführung über die „Situation der europäischen Kunst zu dem Zeitpunkt, als Greco aufhört und Velázquez anfängt zu malen“, in der er auf Maler wie Guido Reni, Caravaggio, Rubens und Domenico Fetti einging, schloss er einen „Greco-Teil“ an, gefolgt von einem ausführlicheren „Velázquez-Teil“. In den Ausführungen über die beiden Maler entwickelt Saxl sein Material vorwiegend chronologisch, behandelt die Gemälde sukzessive einzeln nacheinander und konzentriert sich dabei auf formanalytische und stilgeschichtliche Ausführungen, auf ihre Stellung im Œuvre des jeweiligen Malers sowie auf die Frage nach Vorläufern und Vorbildern. Eines der Ziele, die sich Saxl mit der Vorlesung gesetzt hatte, war somit die „Klärung der Form-Probleme“ bei El Greco und Velázquez.148 Er verwendet dabei weitgehend die von Wölfflin geprägte Terminologie.149 Wie dieser operiert Saxl gern mit Vergleichen und macht mittels antithetischer oder differenzierender Kategorien, wie Fläche-Tiefe oder Vielheit-Einheit Unterschiede und Gegensätze deutlich. Doch während Wölfflin dieses Kategoriensystem aufgestellt hatte, um anhand des Formenvergleichs die Epochen der Renaissance und des Barock zu unterscheiden, wendet Saxl es auf einzelne Kunstwerke an. Er entwickelt bei der Analyse der Gemälde seine Gedanken über die „Vielheit“ von Form, Farbe, Raum und Licht, die Velázquez nach seinem Urteil mit Meisterschaft zu einer „Einheit“ gebändigt habe. Auch seine Betonung des „Rechts“ und „Links“ bei den Bildanalysen ist auf Wölfflins Einfluss zurückzuführen. 150 Darüber hinaus erweist sich Saxl als Verfechter einer problemorientierten Kunstgeschichte, die – wiederum in Abgrenzung von Wölfflin – von historischen Veränderlichkeiten ausgehend, Konstanten in der Bewältigung von „Problemen“ auszumachen suchte.151 Er formuliert „Probleme“, die der Maler mit seinem Werk zu bewältigen beabsichtigte, und die es für ihn als Wissenschaftler zu erkennen galt, wie das „Problem des europäischen Porträts um 1600“, das „Problem ‚der Künstler im Bild’ bei Velázquez und Rembrandt“, oder das „Problem Rubens und Velázquez“.152 Im Velázquez-Teil behandelt Saxl chronologisch zunächst die Gemälde aus der Sevillaner Zeit, anschließend die am Madrider Hof entstandenen Werke der 1620er Jahre, die Bilder aus der Zeit des ersten Italienaufenthalts 1629– 1631, weiter die Werke der 1630er und 1640er Jahre, die in Rom 1649–1651 entstandenen Gemälde und schließlich die großen Historien und Hofporträts aus dem letzten Lebensjahrzehnt des Malers. Mit einem weiteren, gleich zu Beginn des Velázquez-Teils formulierten Anliegen, den Künstler in erster Linie als Europäer zu präsentieren, begab sich Saxl auf wissenschaftliches Neuland.153 Der Hofmaler Philipps IV. galt 1927
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noch immer als genuin spanischer Meister, der seine naturalistischen Meisterwerke ohne Einflüsse und Vorgänger geschaffen habe.154 Saxl, der bereits in seinen frühen Studien ein starkes Interesse an Verbindungslinien und Einflüssen gezeigt hatte, suchte nach den Wurzeln des vermeintlichen voraussetzungslosen Œuvres. Er entdeckte einen Velázquez, der durch die Auseinandersetzung zunächst mit den Werken von Caravaggio in Sevilla, Rubens in Madrid und – während der beiden Italienaufenthalte – mit der Kunst der Antike und der Renaissance wichtige Impulse erhalten hatte. Velázquez – so Saxl – habe als Zeitgenosse Rembrandts wie dieser zunächst unter dem Einfluss Caravaggios und anschließend unter dem von Rubens gestanden und diese Erfahrungen in seinen Spätwerken zu einer „Einheit“ verbunden.155 Saxls besonderes Interesse galt den Ovid-Darstellungen des Velázquez. Mit dem Ansatz, den Künstler in den Kontext der Malerei seiner Zeit einzubetten und seine Rezeption der Antike zu untersuchen, setzte er dem damals vorwiegend national orientierten Bild von Velázquez dasjenige des Malers als Europäer und Humanist entgegen. Saxls Vorlesung stieß bei seinen Kollegen an der K.B.W. auf große Beachtung.156 Warburg, der die Vorlesungen nicht hörte, ließ sich regelmäßig von Bing darüber berichten.
Die „Hilanderas“ als „vielleicht das beste Bild“ Mit den „Hilanderas“ setzt sich Saxl besonders intensiv auseinander.157 Über die „Hilanderas“ heißt es gleich nach seinem ersten Besuch im Prado am 30. März 1927: „Die ‚Hilanderas‘, von denen ich gemeint habe, dass kein Mensch unserer Generation etwas mit ihnen anfangen kann, sind vielleicht das beste Bild“.158 Drei Tage später äußert er in einem Brief an Warburg über das Spinnerinnenbild: „Die späten Vel.[ázquez], die Hilanderas und die Meninas haben die Schönheit der Staalmeesters. Und manche dieser Bilder haben auch die Seele wie späte Rembrandt’s.“158 In den Notizen geht Saxl ausführlich auf die Formensprache des Gemäldes ein, wobei er sich eng an Justi anlehnt. Er weist auf die Art und Weise hin, wie Velázquez die einzelnen Figuren und Figurengruppen im Raum durch ihre Stellung, mittels Licht, Farbigkeit oder durch die Positionierung einzelner Objekte zueinander in Beziehung setzt oder voneinander trennt. Wie vor ihm Justi, der als den „eigentlichen Gegenstand“ der „Hilanderas“ „das Licht“ betrachtet hatte, bemerkt er, dass „[...] das Licht in seinem An- und Abschwellen auf den ganzen, bewegten Körper, im ganzen Raum Hauptproblem“ sei.159 Anhand der Lichtführung habe Velázquez sowohl die einzelnen Personen�
Die „Hilanderas“ als „vielleicht das beste Bild“
gruppen als auch die drei Raumzonen voneinander getrennt beziehungsweise miteinander verbunden. Ausführlich analysiert Saxl die Szene im Vordergrund und weist darauf hin, wie Velázquez die Figurengruppen durch Form, Raumtiefe, Licht, Farbe und Bewegung voneinander abgesetzt hat: Rechts wird die Gruppe mit der jungen Spinnerin als Hauptfigur durch das von links oben her diagonal fallende Sonnenlicht wie auch von einer weiteren Lichtquelle vorne voll beleuchtet, links jene mit der alten Frau am Spinnrad und der Jüngeren neben ihr in Halbdunkel gehüllt, nur der Fuß der Alten wird vom Sonnenlicht gestreift.160 Wirke die parallel zur Bildfläche arbeitende Frau mit dem laufenden Spinnrad links eher flächenhaft – heißt es weiter –, so erscheine die rechts diagonal in die Tiefe des Bildraums hinein agierende junge Frau plastisch.161 Isoliert würden Vordergrund und Hintergrund durch die Silhouette im Mittelgrund.162 Beim helldunkel gestalteten Mittelgrund betont er ebenfalls die unterschiedliche Behandlung der beiden Bildhälften: die linke, mit der nur „leicht asymmetrischen“ „Kniefigur“, bei der lediglich Leiter und Stufe Reflexlicht erhalten, nimmt er mit den aufgetürmten Stoffen „angefüllt mit Masse“ wahr, die rechte als „dunklen Freiraum“.163 Den Figuren im vergleichsweise farbig gehaltenen Hintergrund attestiert er „breite Leuchtkraft“.164 Saxl zeigt sich als aufmerksamer Beobachter von Details, die im Gemälde eine wichtige Rolle spielen. Er merkt an, wie der Maler die beiden Figurengruppen im Vordergrund durch die Positionierung des Fußes der Alten und der Katze zusammenführt; wie er Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund auf der linken Bildseite durch die „Spindel-Hand-Teppich“-Linie verbindet, während auf der rechten die „kniende Schattenfigur“ („Silhouetten-Figur“) und die „Damen“ im Hintergrund „zusammengehen“; wie er die von oben links hinten nach unten rechts vorne zur jungen Spinnerin verlaufende Lichtdiagonale als ein die einzelnen Raumschichten verbindendes Element benutzt.165 Die Art und Weise, wie es Velázquez gelungen sei, die auf diese Weise erreichte „Vielheit“ zu „bändigen“, wie er die Verbindungen sowohl zwischen den beiden Figurengruppen im Vordergrund als auch zwischen den einzelnen Raumzonen geschaffen und diese zu einer „Einheit“ gestaltet habe, bewertet er als eine meisterliche künstlerische Leistung. Als Spätwerk behandelt Saxl die „Hilanderas“ in einer der letzten Sitzungen des Kollegs im Anschluss an die Porträts der Hofnarren und Hofzwerge und stellt einige Gemeinsamkeiten mit diesen fest. Auch in dem Porträt des Bobo de Coria (El bufón Calabacillas) und jenem des Niño de Vallecas (Francisco Lezcano) agieren die raumgreifenden Figuren in einem dunkleren, halbschattigen Raum im Vordergrund, während sich rückwärts – zumindest in dem Porträt des Francisco Lezcano – ein heller, flächig gestalteter Hinter-
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grund öffnet.166 Wie bei anderen Gemälden von Velázquez zieht Saxl auch für die „Hilanderas“ Werke anderer europäischer Meister zum Vergleich heran. Zunächst setzt er sie in eine Reihe mit Rembrandts „Staalmeesters“.167 Die Zentralkomposition und die Behandlung des Helldunkels („Helldunkelversuch“) in den „Hilanderas“ vergleicht er mit Caravaggios „Maria“ – gemeint ist hier dessen „Rosenkranzmadonna“ – und einem lediglich mit dem Stichwort „Hund“ charakterisierten und damit nicht näher identifizierbaren Gemälde von Guido Reni.168 Saxl ist damit einer der ersten Forscher, die die Bedeutung der Kunst Caravaggios für Velázquez erkannten. 1888 hatte Justi einen Einfluss des Lombarden auf Velázquez noch abgestritten und erst 1927, im Jahr als Saxl seine Vorlesung hielt, sollte Roberto Longhi im Zusammenhang mit der Zuschreibung eines „Heiligen Thomas“ aus dem Musée des Beaux-Arts von Orléans auf die Wirkung Caravaggios auf Velázquez hinweisen.169 Für Saxl, der ein starkes Interesse an Motivtransfers zeigte, war die Frage nach Vorbildern für die „Hilanderas“ zentral. Bereits Justi hatte im Hinblick auf die Raumdisposition des Gemäldes, in dem sich an die Szene im Vordergrund eine weitere im Hintergrund anschließt, auf Tintoretto und die venezianischen Meister als formale Vorbilder hingewiesen.170 Der Bonner Ordinarius war mit seiner Suche nach Darstellungen des Themas Spinnen und Weben, an denen sich Velázquez orientiert haben könnte, allerdings nicht weit gekommen. Er erwähnt Pinturicchios „Penelope am Webstuhl umgeben von ihren Mägden“ und Renis „Maria im Kreis der Jungfrauen“, beides Bilder, die, abgesehen davon, dass sie handarbeitende Frauen zeigen, als Vorläufer für die „Hilanderas“ nicht in Frage kommen. Von Justi ausgehend suchte Saxl weiter und machte zunächst mit Gemälden der Bassani thematische Vorläufer für das Bild von Velázquez aus. Auf der Rückreise von Spanien war er bei einem Zwischenaufenthalt in Bassano auf ein Bild der Bassani-Schule, „Die Weberinnen“, gestoßen, bei dem ihm auffiel, dass es „genau dasselbe Thema behandelt, wie der späte Velázquez“.171 Tatsächlich werden in Jacopo Bassanos „Der Sommer“ aus dem Zyklus der Jahreszeiten oder in den Versionen der „Vision des Joachim“ der Bassani-Schule wie in den „Hilanderas“ mehrere Frauen in einem sich nach hinten öffnenden Raum beim Spinnen und Weben, gezeigt.172 Saxls profunde Kenntnis der holländischen, flämischen und norditalienischen Malerei und Graphik und sein Blick für ausgeprägte Gesten und Bewegungen sollte ihn zu einem bis heute von der Velázquez-Forschung nicht beachteten Blatt führen, an dessen Formensprache sich der Künstler tatsächlich orientiert haben könnte. Er erwähnt eine Zeichnung des niederländischen Malers Joos van Winghe (ca. 1542–1603) als „ein technisches Bild des Webens“.173 Zwar nennt Saxl keinen Titel, es handelt sich jedoch mit großer Wahrschein-
Die „Hilanderas“ als „vielleicht das beste Bild“
Abb. 15 Joos van Winghe, Apostel Paulus in Korinth bei Aquila und Priscilla, 1585–1590, Feder in Braun, braun laviert, schwarze Kreide, weiß gehöht, 34,3x46 cm, Rotterdam, Museum Boijmans van Beuningen
lichkeit um dessen Zeichnung „Der Apostel Paulus in Korinth bei Aquila und Priscilla“ (Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam), deren Formensprache und Komposition eine Reihe von Übereinstimmungen mit jener der „Hilanderas“ zeigt (Abb. 15). Die beiden Werke haben eine ähnliche Raumdisposition – ein großer Raum vorne öffnet sich nach hinten in weitere Gemächer. Zudem ist sowohl die Positionierung und als auch die Bewegungen der beiden Figurengruppen im Vordergrund vergleichbar. In den Werken sind die beiden zentralen Figuren im Vordergrund einander kontrapostartig gegenübergesetzt: die frontal zum Betrachter postierte, am Spinnrad sitzende Priscilla rechts und ihr gegenüber das ebenfalls sitzende, sich nach hinten wendende, Garn spulende Kind links bei van Winghe, die alte Spinnerin und die Garn spulende junge Frau bei Velázquez. Van Winghes Motiv wurde von Johannes Sadeler I. (1550–1600) gestochen, und man kann davon ausgehen, dass Velázquez sich an dem Kupferstich orientiert hat. Die Gemeinsamkeiten der „Hilanderas“ mit Sadelers Stich sind größer, weil hier das Motiv der Zeichnung spiegelverkehrt wiedergegeben wird, so dass die beiden Gruppen der kontrapostisch positionierten Figuren
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Abb. 16 Johannes Sadeler (I) nach Joos van Winghe, Apostel Paulus in Korinth bei Aquila und Priscilla, 1585–1600, Kupferstich, 21x15,9 cm, Rotterdam, Museum Boijmans van Beuningen
einander entsprechen (Abb. 16). Nach 1928 stieß Saxl mit Antonio Fantuzzis (1510–1550) Kupferstich „Die Töchter des Minas“, der die drei Töchter des Königs Minas beim Spinnen, Weben und Garnspulen zeigt, auf ein weiteres Blatt, in dem er formale und thematische Gemeinsamkeiten mit den „Hilanderas“ vermutete174 (Abb. 17). Ähnlich wie in den „Hilanderas“ sind auch hier im Vordergrund drei Frauen in einem Raum, der sich nach hinten öffnet, mit Spinnarbeiten beschäftigt. Saxls methodischer Ansatz in anderen Beiträgen lässt vermuten, dass es dem Wissenschaftler keineswegs um formale Eins-zu-Eins-Ähnlichkeiten zwischen den „Hilanderas“ und den Blättern von van Winghe und Fantuzzi ging. Vielmehr standen für ihn Fragen nach der Tradierung bereits existierender Bildformeln und ihrer Umwandlung im Mittelpunkt. Auch bei Velázquez muss ihn daher die Frage beschäftigt haben, inwieweit dieser sich bei der Darstellung von Bewegungen und Gesten an Formen seiner europäischen Vorläufer bedient und diese modifiziert hat, wie er es für die Vorlesung auch mit dem „El Greco-Album“ illustriert.175 Aufgrund seines durch die Suche nach Pathosformeln geschärften Blicks für heftige Gebärden war es Saxl gelungen, mit dem Blatt von van Winghe ein Werk auszumachen, dessen Formenschatz und
Zum Antikenbild des Velázquez
Abb. 17 Antonio Fantuzzi, Le figlie di Minia, 1545, Kupferstich, 25x30,7 cm, Wien, Albertina
Raumstruktur für Velázquez’ Bildfindung bei den „Hilanderas“ eine wichtige Anregung dargestellt haben könnte. Mit diesen zu der damaligen Zeit neuen Fragen zur Rolle der niederländischen, italienischen und deutschen Graphik für die Gemälde des spanischen Malers zeigt er sich innovativ und nimmt Fragen vorweg, für die sich die Velázquez-Forscher erst in den 1940er Jahren interessieren sollten.176
Zum Antikenbild des Velázquez Bei der Frage nach dem Inhalt der „Hilanderas“ ging Saxl zunächst von Justis Deutung des Gemäldes als „frühestes Fabrikstück“ aus, also als Darstellung einer Teppichmanufaktur.177 Justis Vermutung, es handle sich bei der Szene im Hintergrund möglicherweise um eine „Szene eines mythologischen Dramas“, sowie die antiken Gewänder der beiden zentralen Gestalten im Hintergrund führte ihn zum Problem der Rolle der Antike im Œuvre des Velázquez.178 Diese Frage lag im Kontext der damaligen Forschungsprojekte zum Antikenbild
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der Barockmaler an der K.B.W. auf der Hand. Erst in diesen Zusammenhang werden auch Saxls knappe Notate verständlich, die die „Hilanderas“ mit der „Antike“ und dem „Klassischen“ zusammenbringen. Ohne nähere Erläuterungen vermerkt er in seinen Aufzeichnungen vor Ort in Madrid an einer Stelle: „13.) Philos. Zwerge 14. Hilanderas – Antike“; an einer anderen Stelle: „22. Die Zwerge Antike Hilanderas“; an einer dritten Stelle: „Die Geschichte des Klassischen – Velázquez – Hilanderas – Ananias – Hilanderas – Farnesina“.179 Weiter notiert Saxl über die Frauenfigur neben dem „Behelmten“ im Hintergrund, es sei eine „allegorische Figur“ und über die Szene insgesamt, diese sei ein „allegorisches Bild“.180 Damit bringt er bereits während seiner Auseinandersetzung mit dem Original nicht nur die Idee eines allegorischen Gehalts in den „Hilanderas“ auf, sondern vermutet auch antike Inhalte im Gemälde. Während seines Aufenthalts in Madrid war Saxl die selbst im Vergleich zu Italien besonders prominente Bedeutung von Ovids „Metamorphosen“ für die Rezeption der antiken Mythen durch die spanischen Maler der Barockzeit aufgefallen.181 Zudem hatte er bei seiner Auseinandersetzung mit den mythologischen Gemälden des Velázquez die Vorbildrolle der Werke von Rubens für den Spanier erkannt. In der Vorlesung geht er auf diese Vorbildfunktion exemplarisch ein, indem er Velázquez’ „Borrachos“ („Triumph des Bacchus“), „Mars“ und „Merkur und Argos“ und Rubens’ „Silen“, „Saturn“ und „Merkur und Argos“ einander gegenüberstellt und signifikante Gemeinsamkeiten feststellt.182 Für die Figuren des Weingottes im „Triumph des Bacchus“, des Apoll in der „Schmiede des Vulkan“ sowie für die Liebesgöttin in der „Venus vor dem Spiegel“ macht Saxl antike Skulpturen als Vorbilder aus und verfolgt damit auch den direkten Weg, auf dem die Antike sich für den spanischen Maler erschlossen hatte.183 Sein Fazit zu Velázquez’ Antikenbild lautet: „Die Antike eine lebendige Macht. Antike Gestalten gesehen in der harten, klaren Luft Spaniens gebildet mit dem dramatischen Temperament des Rubens das Spanisch finster Pointierte.“184 Für die Interpretation der „Hilanderas“ im Juli 1927 ist zunächst die Erkenntnis Saxls, dass das Antikenbild von Velázquez durch das Vorbild Rubens geprägt wurde, von Bedeutung. Bereits in Madrid hatte er in mehreren Gemälden von Velázquez Kompositionsschemata entdeckt, die auf Werke von Rubens zurückgeführt werden können. Als Saxl noch ganz unter dem Eindruck der Gemälde aus dem Prado auf der Rückreise aus Spanien im Wiener Kunsthistorischen Museum Rubens’ „Begegnung des Königs Ferdinand von Ungarn mit dem Kardinal-Infanten Ferdinand“ betrachtete, fielen ihm Ähnlichkeiten mit Velázquez’ „Übergabe von Breda“ auf (Abb. 18). Daraus schlussfolgerte er, dass die Begegnungskomposition der beiden Habsburger eine Vorlage für
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„Tempesta – Velázquez – Rubens“
Abb. 18 Diego Velázquez, Die Übergabe von Breda, um 1634, Öl auf Leinwand, 307x367 cm, Madrid, Museo del Prado
jene zwischen Ambrogio Spinola, dem Befehlshaber der spanischen Truppen und Maurits von Nassau, dem Kommandanten der besiegten Stadt Breda in Velázquez’ „Übergabe von Breda“ gedient habe und leitete seine Entdeckung an Warburg weiter185 (Abb. 19). Darauf reagiert dieser begeistert: „Rubens – Velázquez! Eine wunderbar weitreichende Entdeckung, ‚da gratulier ich‘.“186
„Tempesta – Velázquez – Rubens“ Eine weitere wichtige Einsicht formuliert Saxl in der Woche vor Warburgs entscheidendem Hinweis auf den Arachnemythos. Am Dienstag, den 12. Juli 1927 notiert er ins Tagebuch der K.B.W.: „Die Arbeit am Velázquez zeigt, daß Tempesta-Velázquez-Rubens als vollkommene Einheit zu begreifen sind.“187 Mit dieser Bemerkung, die erst bei einer Lektüre von Saxls Vorlesungsnotizen verständlich wird, setzt er die bereits im Mai in einem Brief an Warburg notierten Beobachtungen zu der „Übergabe von Breda“, für die er Rubens’ �
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Saxl 1927: Forschungen zu Velázquez
Abb. 19 Peter Paul Rubens, Die Begegnung Ferdinands von Ungarn mit dem Kardinalinfanten Ferdinand vor der Schlacht bei Nördlingen, 1635, Öl auf Leinwand, 328x388 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum, Detail
„Begegnung Ferdinands von Ungarn mit dem Kardinal-Infanten Ferdinand vor der Schlacht bei Nördlingen“ als Vorbild für die Begegnungsgestik der Monarchen ausgemacht hatte, fort.187 Inzwischen war Saxl nämlich mit Tempestas Stich „Civilis setzt Holzbrücken bei der Einnahme einer Festung ein“ (Nr. 10) aus dessen Illustrationsfolge zu Tacitus’ „Der Freiheitskampf der Bataver unter Gaius Julius (Claudius) Civilis“ ein weiteres Motiv aufgefallen, das Velázquez verwendet hatte.188 Er ging davon aus, dass der spanische Maler sich für die massige Figur des Pferdes in Rückenansicht an Tempestas monumentaler Pferdegestalt in der rechten Bildhälfte der Illustration orientiert habe (Abb. 20). Hinter Saxls verkürzt formuliertem Fazit einer „vollkommenen Einheit“ von „Tempesta-Velázquez-Rubens“ steckt die Überlegung, dass Velázquez in
„Tempesta – Velázquez – Rubens“
Abb. 20 Antonio Tempesta, Civilis setzt Holzbrücken bei der Einnahme einer Festung ein (Civilis 10), um 1600, Kupferstich, ca. 28x23,8 cm
der „Übergabe von Breda“ sowohl auf das Formenvokabular von Rubens als auch auf jenes von Tempesta zurückgegriffen hatte. Dabei war er methodisch ähnlich vorgegangen wie Warburg, der mit der Tafel „Raub“ der Ovid-Ausstellung nachgewiesen hatte, wie sowohl Rembrandt als auch Rubens im „Raub der Proserpina“ ihre Bildideen durchaus aus mehreren Vorlagen bezogen hatten. Saxl hatte sich bereits intensiv mit der Formensprache in den „Hilanderas“ auseinandergesetzt, die Frage nach einem antiken Inhalt im Bild problematisiert und zudem sowohl in Rubens’ Gemälden als auch in Tempestas Illustrationen antiker Texte wichtige Bildquellen für diesen erkannt.
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„Velázquez-Gespräche“ an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg im Juni und Juli 1927 – Wege zur Lösung des Rätsels der „Hilanderas“ Warburg vor Justis Rätselbild
„Velázquez-Gespräche“ im Juni und Juli 1927
Die von Warburg mit Vorfreude erwarteten „Velázquez-Gespräche“ mit Saxl sollten erst ab 30. Mai 1927 in Hamburg stattfinden. Saxl war zwar schon Mitte des Monats aus Spanien zurückgekehrt, traf jedoch Warburg nicht an, da sich dieser bis Ende Mai in Karlsbad zur Kur befand.191 Im Juni und Juli hielten sich die beiden dann vorwiegend in Hamburg auf, und es gab hinreichend Gelegenheiten zum Austausch. Warburgs eingangs zitierter Tagebucheintrag mit der Deutung der „Hilanderas“ trägt das Datum vom Montag, den 18. Juli 1927, bezieht sich jedoch auf eine Erkenntnis vom Vortag, als er Saxl den entscheidenden Hinweis gegeben hatte. Es ist kaum anzunehmen, dass Warburg seine Entdeckung lange für sich behalten hat, denn Saxl sollte das Gemälde bereits wenige Tage später, entweder am Dienstag, den 19. Juli, oder Freitag, den 22. Juli, in der Vorlesung behandeln.192 Man kann davon ausgehen, dass sie sich in den Tagen davor intensiv über Velázquez’ Meisterwerk ausgetauscht haben. Dass gerade sein verehrter Lehrer Carl Justi sich intensiv mit den „Hilanderas“ auseinandergesetzt und als erster eine Reihe von Fragen formuliert hatte, für die er keine Antwort finden konnte, wird Warburg vermutlich beschäftigt haben. Er schätzte Justi seit seinen Bonner Studientagen sehr, obwohl sein Verhältnis zu ihm nicht unproblematisch gewesen war.193 Justi hatte nämlich die Betreuung seines Dissertationsprojekts über den Einfluss und das Nachleben der Antike in der Renaissance abgelehnt und ihn zu Hubert Janitschek nach Straßburg verwiesen. Justi stand Warburgs Auffassung von der fundamentalen Bedeutung der Antike für die Kunst der Renaissance skeptisch gegenüber. Im Anschluss an das Epochenkonzept des Historikers Leopold von Ranke vertrat er die These, dass der Aufstieg der Kunst der Renaissance eine spontane Bewegung gewesen sei, in der die Antikenorientierung keine ausschlaggebende Rolle gespielt habe. Warburg wiederum ging davon aus, dass die Renaissance keineswegs ein unvermittelter und eigenständiger Entwicklungsschritt gewesen, „Velázquez-Gespräche“ an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg
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„Velázquez-Gespräche“ an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg
sondern in der intensiven Auseinandersetzung mit der Antike erfolgt sei.194 Er hat Justi diese Ablehnung zumindest nach außen hin nicht nachgetragen, stand weiterhin in brieflichem Kontakt mit seinem Lehrer und besuchte ihn bei Aufenthalten in Bonn. Justis zahlreiche unbeantwortete Fragen und im Konjunktiv formulierten Vermutungen in seiner Analyse der „Hilanderas“ – „wir wüßten gern“, „man wüßte gern“, „möchte man gern deuten“ –, sowie die Bemerkungen über die „ratlos“ vor dem Tapetenbild stehenden Damen, oder jene zum „Tapetenbild als eigentlichem Gegenstand des Interesses“, das alles reizte Warburg vermutlich in besonderer Weise. Denn weder Justis Vorstellung von Velázquez als vor aussetzungslosem Naturalisten noch die damit zusammenhängende Interpretation des Gemäldes als „Fabrikbild“ kann Warburgs Zustimmung gefunden haben. Seine Beschäftigung mit den „Hilanderas“ könnte demnach in gewisser Weise als späte Abrechnung mit seinem ersten Lehrer verstanden werden, der ihm mit der Ablehnung seines Dissertationsthemas wohl auch eine Kränkung zugefügt hatte. Es dürfte dann eine späte Genugtuung für Warburg gewesen sein, dass er gerade die in seiner Dissertation verteidigte These von der konstitutiven Bedeutung der Antike für die Formensprache der Renaissancekünstler an Justis Helden Velázquez erfolgreich verifizieren und damit ein Rätsel lösen sollte, vor dem dieser „ratlos“ kapituliert hatte. Dafür spricht auch die pointierte Wendung, das Bild sei eben „kein Liebermann“, obwohl der Name bei Justi gar nicht fällt. Denn die aphoristische Spitze lässt hinter der ikonographischen Fehldeutung als „Fabrikbild“ zugleich ein tieferes Problem aufscheinen: den Anachronismus der ästhetischen Maßstäbe des 19. Jahrhunderts bei der Würdigung der Kunst der Renaissance und des Barock. Ebenso wichtig wird Warburg aber auch gewesen sein, Saxls Überlegungen zu der „allegorischen Figur“ in den „Hilanderas“ sowie seine Stichworte zu den Problemfeldern „Velázquez und die Antike“ oder „Velázquez und das Klassische“ weiter zu „spinnen“. Mit den aktuellen Barockforschungen wurde ja das Themengebiet der K.B.W. nicht nur entscheidend erweitert, sondern in Gestalt der laufenden Lehrveranstaltung auch der akademischen Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt.
Saxl „erklärt“ Warburg das Bild Ein Austausch im Vorfeld des 17. Juli 1927, dem Tag an dem Warburg die Hintergrundfiguren in den „Hilanderas“ als Pallas und Arachne identifizierte, könnte mit einiger Wahrscheinlichkeit folgendermaßen abgelaufen sein. Zu
Saxl „erklärt“ Warburg das Bild
Abb. 21
Diego Velázquez, Las Hilanderas, 1927, Foto, 38,4x24,5 cm, WI, Photocollection
nächst wird Saxl Warburg das Bild im Lichte seiner Überlegungen in Vorbereitung der Vorlesung „erklärt“ haben. Dass dieser an Saxls aktuellen Forschungsproblemen im Bereich der internationalen Barockmalerei lebhaften Anteil nahm, lässt sich auch seinem Eintrag vom 9. Juli 1927 im Tagebuch der K.B.W. entnehmen, nach dem Saxl ihm einen Tag zuvor die „Bedeutung Caravaggios“ anhand von dessen „Rosenkranzbild“ „klargemacht“ hatte.195 Gut möglich, dass Saxl, auch angesichts seiner verschiedentlich bekannten Unsicherheiten im Umgang mit dem ihm neuen Themenkomplex, Warburg regelmäßig die Gedanken der anstehenden Vorlesungssitzungen vortrug. Bei solchen Gesprächen dürfte Saxl Warburg zunächst die von ihm so gründlich analysierten Aspekte der Formensprache, der Komposition und der Raumkonstruktion in dem Gemälde erläutert haben.196 Dabei wird ihnen eine 38,4x24,5 cm große Fotografie der „Hilanderas“ und nach dieser angefertigte Diapositive als Anschauungsmaterial zur Verfügung gestanden haben, anhand derer für die Interpretation entscheidende Details der Hintergrundszene zumindest in Ansätzen zu erkennen gewesen sein müssen (Abb. 21). Ein Problembereich, den Warburg und Saxl ausführlich diskutiert haben dürften, ist jener der Bedeutung der Antike für Velázquez und die Frage nach den Quellen seines Antikenbildes, in Saxls Notizen lediglich in der verkürzten Form der
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„Velázquez-Gespräche“ an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg
Stichworte „Hilanderas“, „Antike“ und „Das Klassische“ überliefert. In diesem Kontext wäre dann die rätselhafte Hintergrundszene mit der eindrucksvollen Pathosfigur des „Behelmten“, als die bei Saxl die zu dieser Zeit noch unidentifizierte Pallas Athene figuriert – auch als „Mann mit Helm und Schild“ und „Heldengestalt“ bezeichnet – und die „allegorische Gestalt“, die diesem gegenüber steht, zur Sprache gekommen.
Von Rembrandt und Rubens zu Velázquez In den Gesprächen werden Überlegungen zum Inhalt des rätselhaften Bildes eine wichtige Rolle gespielt haben. Es hätte Saxl und Warburg gleichermaßen als höchst unbefriedigend erscheinen müssen, der akademischen Öffentlichkeit in einer Vorlesung, die ja auch ein Stück Außendarstellung der K.B.W. war, ausgerechnet in den Schlusssitzungen ein unbewältigtes ikonographisches Deutungsproblem mit nicht näher bestimmbarem Antikenhintergrund präsentieren zu müssen. Dem suggestiven Anachronismus von Justis Deutung als „Fabrikbild“ hätte Saxl, so musste es noch in den letzten Tagen zuvor erscheinen, nur tentativ die vage Richtung einer alternativen Lesart entgegenhalten können. Von Justis beiläufig geäußerter Vermutung ausgehend, es könne sich bei der Teppichszene um die Episode eines mythologischen Dramas handeln, hatte Saxl ja bereits eine Verbindung „Hilanderas“-Antike angenommen, und es lag nahe, bei den beiden Pathosfiguren des „Behelmten“ und der „allegorischen Figur“ im Hintergrund des Gemäldes an antike Götter oder Helden zu denken. Damit stand die Frage nach Vorbildern für diese Figuren im Raum, mittelbar auch die grundsätzliche nach den Quellen für Velázquez’ Vorstellung von der Antike. Diese Verbindungen und Fragen lagen wie gesehen im Fokus der damals an der K.B.W. laufenden Forschungen zum Antikenbild von Rembrandt und Rubens, bei der die mythologische Komponente, Ovids „Metamorphosen“ und namentlich deren Illustration durch Tempesta eine große Rolle spielte. Saxl hatte bereits in Madrid die Vorbildrolle von Rubens für Velázquez’ mythologische Bilder erkannt. Zurück in Hamburg hatte er im Zusammenhang mit der „Übergabe von Breda“ nachgewiesen, dass es auch zwischen Velázquez und Tempesta Verbindungen gab. Die internationalen Austauschbeziehungen der barocken Kunst in ihrer Auseinandersetzung mit der antiken Überlieferung, von Justi in seiner monumentalen Velázquez-Monographie übersehen, waren für Warburg und Saxl ja gerade das wissenschaftliches Kernanliegen und bestimmten die Blickrichtung ihrer Recherche.
Von Rembrandt und Rubens zu Velázquez
Abb. 22 Diego Velázquez, Las Hilanderas, um 1656, Öl auf Leinwand, 220x289 cm, Madrid, Museo del Prado, Detail mit der Hintergrundszene
Der nächste Schritt bei der Beschäftigung der beiden Kunsthistoriker mit den „Hilanderas“ lag daher beinahe zwingend darin, für die beiden Pathosfiguren im Hintergrund des Gemäldes sowohl in Rubens’ mythologischen Bildern als auch in Tempestas Ovid-Illustrationen nach Vorlagen zu suchen (Abb. 22). Warburg wird demnach in der „Metamorphosen“-Ausgabe von 1606 geblättert haben, deren Vorbildrolle für Rembrandt und Rubens er ja bereits hatte aufzeigen können, und dabei auf die Abbildung Nr. 52 unter dem Titel „Arachne in araneam a Pallade convertitur“ gestoßen sein, die eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit der Figurengruppe im Hintergrund der „Hilanderas“ aufweist197 (Abb. 23). Beide Künstler zeigen die aufgebrachte Göttin mit Helm und Speer in dem Augenblick, in dem sie die Rechte drohend erhebt, um die erschreckt zurückweichende Arachne in eine Spinne zu verwandeln. Noch deutlicher wird die Vorbildrolle von Tempestas Radierung, wenn man diese seitenverkehrt zum Vergleich heranzieht. Warburg hatte sowohl im Rembrandt-Vortrag als auch in der Ovid-Ausstellung auf der Tafel „Raub“ Tempestas Radierung „Raub der Proserpina“ seitenverkehrt als eines der Vorbilder für Rembrandts Gemälde des gleichen Sujets
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„Velázquez-Gespräche“ an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg
Abb. 23 Antonio Tempesta, Pallas und Arachne, um 1600, Kupferstich, 9,7x 11,5 cm, Metamorphoseon sive Transformationum Ovidianarum libri quindecim, Antwerpen, Petrus de Jode, 1606, Nr. 52, spiegelverkehrt
präsentiert. Er war also darauf eingestellt, Motivverwandtschaften auch in der Umkehrung zu erkennen. Allerdings könnte Warburg auch zuerst bei Rubens nach Vorbildern für die Hintergrundfiguren in den „Hilanderas“ gesucht haben. Die von Velázquez mit bestenfalls verhaltenem Pathos ausgestattete behelmte Figur mit ihrer gebietend erhobenen Rechten kann ihn, mit seinem geschulten Blick für gestische Typen durchaus an die analogen Figuren der Pallas in Rubens’ „Raub der Proserpina“ und in dessen „Pallas und Arachne“ erinnert haben (Abb. 24 und Abb. 25). Dass Velázquez mit diesen Gemälden vertraut war, lag auf der Hand, da beide zur Ausstattung des königlichen Jagdschlosses Torre de la Parada gehörten.198 Velázquez’ Figur der Pallas zeigt starke Ähnlichkeit sowohl mit jener in Tempestas Kupferstich als auch mit der in Rubens’ „Pallas und Arachne“ und dessen „Raub der Proserpina“. Wie der italienische Künstler reduziert der spanische Maler das Geschehen auf eine Zweiergruppe und präsentiert die Göttin aufrecht stehend. Allerdings verändert er die Position des Körpers der Pallas, indem er diese nicht wie Tempesta in Dreiviertelansicht dem Betrachter zugewandt darstellt, sondern diese wie Rubens im Profil präsentiert. Bei der Figur der Arachne lehnt sich der Spanier einerseits an Tempesta an, indem er diese stehend der Göttin als Gegenüber präsentiert. Andererseits folgt er Rubens, indem er sie mit ausgebreiteten Armen frontal zum Betrachter zuwendet und darauf verzichtet, ihre beginnende Metamorphose zur Spinne anzudeuten. Velázquez lässt Pallas aber nicht wie der Flame mit heftiger Gebärde auf die bereits am
Von Rembrandt und Rubens zu Velázquez
Abb. 24 Peter Paul Rubens, Raub der Proserpina, 1636–1638, Öl auf Leinwand, 180x270 cm, Madrid, Museo del Prado, Detail Pallas
Abb. 25 Peter Paul Rubens, Pallas und Arachne, um 1640, Öl auf Holz, 27x38 cm, Richmond, Virginia, Virginia Museum of Fine Arts, Detail Pallas
Boden liegende Arachne einschlagen, sondern beschränkt sich wie Tempesta darauf, die Sterbliche vor der drohenden Göttin zurückweichen zu lassen, wobei die Art ihrer Reaktion durch die bloß andeutende Malweise kaum zu ermessen ist. Auch mit der Darstellung des Teppichs mit dem „Raub der Europa“ im Hintergrund orientiert sich Velázquez an Rubens, der als Erfinder dieser Bildidee gilt.199 Freilich bleibt sie bei Velázquez aufgrund der bloß skizzenhaft andeutenden Malweise ohne Kenntnis des Themas und des schemenhaft und im knappen Ausschnitt zitierten Tizian-Gemäldes nahezu nicht identifizierbar. Auch Warburg scheint sich aufgrund dieser kunstvollen Verfremdung die Verbindung zwischen den ihm bereits vertrauten Rubensbildern und der Hintergrundszene der „Hilanderas“ zunächst nicht erschlossen zu haben. Velázquez entfernt sich mit dem Verzicht auf die Darstellung der aktiven Bestrafung, die Folgen der Bestrafung, die des Webstuhls und die Aufnahme weiterer Weberinnen als Zeugen des Geschehens von beiden Vorbildern und findet damit seine eigene, genuine Interpretation des Sujets. Mit der Erkenntnis der Rolle von Tempesta und Rubens als Bildquellen für das Tapetenbild in den „Hilanderas“ gelingt es Warburg, auch dieses Bild in jene Rezeptionsreihe zu stellen, die Saxl zuvor bereits für Rubens „Übergabe von Breda“ erkannt hatte, und deren Bedeutung im Sinne der übergeordneten Fragestellung der K.B.W. er in dem pointierten Wort der „Einheit“ von „Tempesta-Velázquez-Rubens“ beschwor.200
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Warburgs Eintrag und Saxls Vorlesungsnotate Die Erkenntnisse der beiden Kunsthistoriker mündeten in Warburgs Eintrag ins Tagebuch der K.B.W. vom Montag, den 18. Juli 1927, in dem er die beiden Figuren der Hintergrundszene als Pallas und Arachne und den Inhalt der „Hilanderas“ als „Allegorie der Webekunst“ entschlüsselt. Unmittelbar danach sollte Saxl die Deutung des Bildes als „Allegorie der Webekunst“ in die Vorlesung aufnehmen. In den Notizen heißt es unterhalb des Bildtitels: „Pallas und Arachne. Ein Existenzbild: das Weben“.201 Saxl benutzt hier den von Jacob Burckhardt im „Cicerone“ geprägten Begriff der „Existenzmalerei“, mit dem dieser venezianische Gemälde des Cinquecento von Tizian, Paolo Veronese u.a. beschrieb, die „quer“ zu den traditionellen Bildgattungen standen. Es handelt sich dabei um Werke, in denen die Künstler über die ikonographische Bildtradition und die konventionellen Ansprüche der Gattungen hinaus, ein gesteigertes, harmonisches Dasein, das noch als Wirklichkeit vorstellbar ist, darstellen.202 Saxl scheint damit anzudeuten, dass Velázquez mit den „Hilanderas“, deren so wirklichkeitstreue Arbeitsdarstellung im Vordergrund an das „Augenblicksbild“ einer Alltagsszene in einer Madrider Teppichmanufaktur hat denken lassen, die antik-mythologische Thematik gewissermaßen ins Zeitlose überführt hat. Weiter heißt es, Velázquez habe „das Caravaggieske Substrat“ hier zur „Alle gorie im Rahmen der Wirklichkeit des Höfischen wie des Proletarischen“ verwendet.203 Mit der Formulierung „Caravaggieske[s] Substrat“ spielt Saxl auf die realistische, ungeschönte Darstellung der profanen Wirklichkeit unter Einsatz eines kräftigen Chiaroscuro an, die es Velázquez offenbar gestattet habe, die niedere Arbeitswelt des Vordergrundes mit der höfischen Szene im Hintergrund zu einer bruchlos scheinenden Bildrealität zusammenzuführen. Sie wird dann erst mit Hilfe des ingeniösen Einsatzes von Licht und Farbe subtil differenziert. Über die Hintergrundszene heißt es in seinen Notizen anschließend entsprechend: „Zentralkomposition: das lichte allegorische Bild“.204 Abgesehen von diesen knappen Stichworten fehlt jeder weitere Kommentar zum Inhalt des Bildes, doch kann davon ausgegangen werden, dass Saxl die erst in buchstäblich letzter Minute gelungene inhaltliche Analyse des Bildes extemporiert hat. Über Saxls letzte Vorlesung heißt es dann in einem Eintrag vom 29. Juli von Warburg, der sich auf Bings Bericht stützte: „Saxl muss ein vortreffliches Schlußkolleg über Velázquez gehalten haben“.205
Saxl 1927 bis 1932: Neue Ergebnisse zu El Greco und nicht realisierte Velázquez-Pläne
Pläne für Velázquez-Studien 1927/28 Nach Beendigung des Kollegs Ende Juli setzte Saxl seine Forschungen zu den „Hilanderas“ fort. Zunächst nahm er die Anregung Warburgs, der ein großes Interesse für Bildteppiche besaß, auf, nach einem realen Teppich mit dem Thema des Hintergrundbildes zu suchen.206 Er versuchte zu klären, ob ein Teppich mit dem Thema „Pallas und Arachne“ in der Sammlung Philipps IV. existiert hatte. Zuerst wird er die von Warburg empfohlene Publikation von Alphonse Wauters über die Brüsseler Teppichmanufakturen konsultiert und darin nach Teppichen mit Darstellungen dieses Themas recherchiert haben, Teppichen von Urbanus Leyniers, seinen Vorläufern und Nachfolgern, die für den spanischen Hof tätig gewesen waren.207 Nachdem er bei Wauters nicht fündig geworden sein wird, wandte sich Saxl am 24. August 1927 an Heinrich Göbel, Verfasser mehrerer Standardwerke über Wandteppiche, mit einer Anfrage zum Inhalt des Teppichs im Hintergrund der „Hilanderas“.208 Göbel, der damals damit beschäftigt war, einen seiner Bände über Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien und Spanien abzuschließen, antwortete erst fünf Wochen später. In seinem Brief vom 1. Oktober 1927 heißt es, dass seines Erachtens auf dem Bild die Manufaktur Santa Isabel dargestellt sei. Weiter schreibt er, dass es ihm nicht gelungen sei, den dargestellten Teppich, „zweifelsohne ein Erzeugnis von Brüssel“, zu identifizieren, er bezweifle jedoch, dass es sich bei dem Motiv um „Pallas und Arachne“ handle. Dagegen spräche das Motiv der geflügelten Putten, und er vermutete, es könne sich eventuell um Perseus und die befreite Andromeda handeln.209 Da Göbel und Saxl die Überlegungen Michels über eine „Raub der Europa“-Szene im Hintergrund und jene Ricketts‘, dass es sich wahrscheinlich um eine nach Tizian empfundene Szene handle, nicht bekannt waren, konnten sie mit den dort erkennbaren geflügelten Putten nichts anfangen. Um jedoch weitere Überlegungen zum Thema der Hintergrundszene anstellen zu können, bat Göbel Saxl um eine größere Abbildung. Nach dem Erhalt des von Saxl zugesandten Diapositivs antwortete er mit einem Schreiben
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Saxl 1927 bis 1932: Neue Ergebnisse zu El Greco
vom 27. November 1927, dass er bei der Durchsicht zahlreicher Abbildungen und alter Inventarverzeichnisse nicht fündig geworden sei.210 Erneut zweifelt er daran, dass es sich bei dem Hintergrundbild um die Darstellung von Pallas und Arachne handeln könne; wiederum schlägt er stattdessen ein anderes Motiv aus Ovids „Metamorphosen“ vor, nämlich „Pallas und die Musen“. Argumente für diese Annahme liefert Göbel nicht. Mit diesen Recherchen Saxls vom Sommer und Herbst 1927 endet dessen dokumentierte Beschäftigung mit dem Gemälde. Allerdings sollte er weitere Pläne zu Forschungen über Velázquez schmieden. Es deutet alles darauf hin, dass Warburg, nachdem er sich nach seiner Rückkehr aus Kreuzlingen mit Rembrandt einen der Forschungsschwerpunkte Saxls in gewisser Weise angeeignet hatte, nach dessen Aufenthalt in Spanien im Frühjahr 1927 eine Neuverteilung der Arbeitsbereiche vorgenommen hatte. Davon zeugt ein Eintrag aus dem Sommer des Jahres 1927 ins Tagebuch, in dem er anmerkt: „Wir müßten deshalb die Tendenzen zum Durchbruch bei der Bestellung neuer Felder (Ego: Holland, Briefmarke Saxl: Flandern, Spanien) geradezu als eigentlich Funktionen des fruchtbaren Werdens empfinden und pflegen“.211 Damit wird deutlich, dass Warburg für sich das Thema Rembrandt (Holland) in Anspruch nahm, während er für Saxl Velázquez und Rubens reservierte. Diese Neuverteilung der „Felder“ scheint Saxls Interessen durchaus entgegengekommen zu sein, zumindest akzeptierte er sie kommentarlos. Bereits in Madrid hatte er Warburg gegenüber die Idee geäußert, ein Buch über Velázquez zu schreiben.212 Weitere Bemerkungen zeugen davon, dass Saxl auch nach Abschluss der Vorlesung im Sommersemester 1927 vorhatte, weiter über Velázquez zu arbeiten. Aus dem Eintrag vom 1. Dezember 1927 ins Tagebuch der K.B.W. erhält man eine Ahnung, wie diese Velázquez-Studien, wären sie realisiert worden, hätten aussehen können.213 Der Titel des Vorhabens, das als „große kunstgeschichtliche Arbeit“ gedacht war, erinnert nämlich an Saxls Dissertation, in der er unter dem Titel „Rembrandt-Studien“ in mehreren Kapiteln auf einzelne Hauptwerke wie die „Nachtwache“, die „Anatomie des Dr. Tulp“ und die „Staalmeester“, sowie auf Fragen wie „Lastman-Probleme“ und „Echtheitskriterien der Rembrandt-Zeichnungen“ eingegangen war.214 Auf ähnlich breit gefächerte Fragestellungen deuten Saxls Äußerungen zu der geplanten Arbeit über Velázquez, in der es um die „Übergabe von Breda“, um das „Problem ,Rubens und Velázquez’ unter anderem in ihrem Verhältnis zum HöfischFestlichen“ und um die „Ovid Darstellungen des Velázquez, die im Anschluß an Rubens entstanden sind“ gehen sollte. Warburg kommentierte den Plan mit Begeisterung: „Ein mit Spannung gesättigtes Thema, dessen Bearbeitung das ganze Orchester fesseln wird.“215
Die Rezension von August L. Mayers „El Greco“
Die Einträge vom 1. Dezember 1927 im Tagebuch der K.B.W. im Zusammenhang mit diesem Vorhaben Saxls sind, soweit bekannt, die letzten überlieferten Quellen über einen Austausch zwischen den Wissenschaftlern über Velázquez. 1928 und 1929 sollten sich beide anderen Themen zuwenden. Warburg verbrachte das Jahr vor seinem Tod am 26. Oktober 1929 mit Bing in Italien und widmete sich intensiv der Arbeit am Mnemosyne-Atlas. Saxl legte 1928 mehrmonatige Forschungsaufenthalte in London ein, während denen er sich mit illustrierten astrologischen Handschriften beschäftigte.216 Es gibt allerdings Hinweise, dass Saxl seine Pläne für ein Buch über Velázquez auch Ende 1928 noch nicht aufgegeben hatte.217 In einem Brief an den Romanisten Gerhard Moldenhauer, Leiter des „Centro de Intercambio Intelectual Germano-Español“ in Madrid, zu dem er während seines Aufenthalts dort Kontakte geknüpft hatte, erwähnte er „Velázquez-Studien“, die er zu schreiben beabsichtigte.218 Allerdings sollte Saxls nicht dazu kommen, das Projekt zu realisieren. Nach dem unerwarteten Tod Warburgs Ende Oktober 1929 übernahm er die Leitung der K.B.W. und war mit organisatorischen Arbeiten ausgelastet. Mit der geplanten Herausgabe der Schriften Warburgs wurden neue Schwerpunkte an der K.B.W. gesetzt, so dass Saxl gezwungen war, eine Reihe von eigenen Forschungsthemen zurückzustellen.
Die Rezension von August L. Mayers „El Greco“ Bei dem einzigen publizierten Ergebnis von Saxls Studienaufenthalt in Spanien, das er im Laufe von Sommer und Frühherbst 1927 verfasste, handelt es sich um die 1928 erschienene Rezension von August L. Mayers Monographie „El Greco“. Es waren besondere Umstände, die dazu führten, dass der Kunsthistoriker sich zu Mayers Buch über den Maler aus Kreta äußern sollte, für den er weniger Interesse aufgebracht hatte, als für Velázquez.219 Warburg scheint sich für El Greco – trotz dessen „Laokoon“ – gar nicht interessiert zu haben. Während er in den Schreiben an Saxls wiederholt auf dessen VelázquezBemerkungen einging, äußerte er sich kein einziges Mal zu El Greco-Fragen. 1926 hatte Mayer eine Monographie mit Werkkatalog mit dem Titel „Dominico Theotocopuli El Greco. Kritisches und illustriertes Verzeichnis des Gesamtwerkes“ veröffentlicht, in der er den Schwerpunkt auf Einzelbeobachtungen und formale Analysen der Werke legte.220 Mayer, damals schon ausgewiesener Spanienforscher mit zahlreichen Publikationen sowohl zu Velázquez als auch zu El Greco, war an der Alten Pinakothek in München beschäftigt und lehrte zudem Kunstgeschichte als außerordentlicher Professor an der Münch-
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Saxl 1927 bis 1932: Neue Ergebnisse zu El Greco
ner Universität.221 Die abschätzigen Bemerkungen Saxls zu dessen Arbeiten, die er als formgeschichtliche „Vorarbeiten“, „oberflächlich“ und als „schöne Literatur“ beurteilt, und weitere Anspielungen im Tagebuch der K.B.W., zeugen davon, dass Mayers Forschungen von den Hamburgern nicht geschätzt wurden.222 Diese vermissten in dessen Studien Problembewusstsein, systematische Fragestellungen und analytisches Vorgehen.223 Zudem hatten sie – ähnlich wie auch die Münchner Kollegen – nicht nur ein Problem mit Mayers Forschungsansatz, sondern lehnten auch dessen Verwicklungen mit dem Kunsthandel moralisch ab. Nun hatte der Kunsthistoriker Friedrich Antal bereits in einem Brief vom 28. Februar 1925 Erwin Panofsky über Pläne informiert, mit einer neuen Zeitschrift die 1915 eingegangenen „Kunstgeschichtlichen Anzeigen“ wieder aufleben zu lassen.224 Dafür fragte er bei Panofsky schon im Vorfeld des Erscheinens der geplanten Zeitschrift nach „scharfen Rezensionen“ an und bat, diese Anfrage auch an Saxl weiterzuleiten. Als besonders angriffswürdig erwähnte Antal „die Front A.L. Mayer – Brinckmann – Voss“, die „genug Bücher und Aufsätze [vorgelegt hätte], die nicht unwidersprochen bleiben dürften.“ In der Zwischenzeit war der erste Doppeljahrgang (1927/28) der neuen Zeitschrift mit dem Titel „Kritische Berichte zur Kunstgeschichtlichen Literatur“ in Arbeit und sollte 1928 erscheinen. Im Editorial des ersten Heftes erklärte Wilhelm Pinder, einer der Herausgeber, die Zeitschrift zu einem „Organ, dessen ausschließlicher Zweck in der Selbstkritik der Kunstgeschichte als Wissenschaft“ läge.225 Saxl, der Zeit seines Lebens nur vier Rezensionen verfasst hat, scheint sich hier angesprochen gefühlt zu haben. Zum einen ergriff er die Gelegenheit, Mayer methodisch anzugreifen, und zum anderen ließ er seine eigenen neuen Forschungsergebnisse zum Thema einfließen.226 In diesem Kontext ist auch Saxls Bemerkung in einem Brief an Ludwig Münz vom 17. Juni 1927, zu verstehen, er werde das Buch von Mayer „herunterreißen“.227 Denn Mayers Buch hatte, noch bevor sie es gesehen hatten, bei den Hamburger Wissenschaftlern schon wegen des hohen Preises Unwillen erregt.228 Saxls Besprechung erschien im 3. Heft des Jahrgangs 1-2 der Zeitschrift und gehört mit insgesamt elf Seiten Text und sechs Seiten Abbildungen zu den längeren Beiträgen.229 Bereits am Anfang heißt es dramatisch: „Gewiß hat über diesem Buch ein Unstern gewaltet.“ In diesem Ton geht es in dem in fünf Teile gegliederten Beitrag, der kein gutes Haar an Mayers Buch lässt, weiter. Die ästhetische Würdigung von El Greco erschien Saxl ungenügend; in der Darstellung der Entwicklung des Malers fehlten ihm Ausführungen zu dessen Verhältnis zum Manierismus, und als „schwächsten“ Ansatz betrachtete
El Grecos Rezeption der Renaissancekunst und seine Quellen für den „Laokoon“
er schließlich Mayers Versuch, den Einfluss bestimmter religiöser Ideen auf Greco nachzuweisen. Kritisch äußerte Saxl sich auch zu der Präsentation von El Greco als Einzelgänger, als Solitär.230 Dabei wird deutlich, dass er von einer Monographie gerade über diesen Künstler erwartete, dass sie ihn aus der Rolle des Außenseiters löst und den Schwerpunkt auf Verbindungslinien, Einflüsse und Entwicklungen im gesamteuropäischen Raum legt. Saxl ergänzte die von Mayer angeführte Bibliographie über den Maler um ganze 24 Titel, beurteilte das Werkverzeichnis als mangelhaft, die Daten zu Leben und Werk El Grecos als „etwas dürftig“. Er übte scharfe Kritik an der Auswahl der Abbildungen, an deren Qualität und daran, dass wichtige Werke gar nicht abgebildet seien, dass einige abgeschnitten („Fall von Verstümmelung von Bildern“) und andere zu klein seien, wiederum andere nur Text- und nicht Tafelabbildungen seien.231 Mayer reagierte auf die Rezension mit Beschwerdebriefen an die Herausgeber der Zeitschrift, die als Abschriften die Runde in der Fachwelt machten.232 Die Reaktion der Kollegen war eindeutig. Saxls Kritik wurde als gerechtfertigt angesehen und Mayers Reaktion als übertrieben kritisiert. Die Aufregung, die die Rezension in Fachkreisen entfachte, spiegelt die unterschiedlichen methodischen Ausrichtungen im Deutschland der 1920er Jahre. Sie reflektiert die Kluft zwischen dem auf Formgeschichte konzentrierten, beschreibenden Ansatz von Kunsthistorikern wie Mayer einerseits und der Auffassung von der Kunstgeschichte als Problemgeschichte, die sich kritischer Methoden bedient, unter den an der K.B.W. tätigen Forschern andererseits.
El Grecos Rezeption der Renaissancekunst und seine Quellen für den „Laokoon“ Saxl, der wie an Velázquez auch an El Greco mit für seine Zeit unkonventionellen Fragestellungen herantrat, sollte es gelingen, sowohl in der Vorlesung als auch in der Rezension von Mayers Monographie neue Ergebnisse über den Maler aus Kreta vorzulegen. Mit der Forschungsliteratur war der Wissenschaftler keineswegs zufrieden, er schätzte lediglich Manuel Bartolomé Cossíos Monographie als Buch von europäischer Bedeutung.233 Er urteilte über das von der damaligen Forschung vermittelte Bild von El Greco als einem Außenseiter, dessen Werke eine „extravagante“, „bizarre“ Manier aufwiesen, oder als „Moderner“, kritisch. Ihm ging es in der Vorlesung darum, El Grecos Werke in den größeren Kontext der europäischen Malerei der Zeit zu setzten und sie aus der Auseinandersetzung des Malers mit Tizian, Tintoretto und den Bassani zu er-
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klären. Diese Fragestellung wird anhand des sogenannten „El Greco-Albums“, das Saxl als Unterrichtsmaterial eingesetzte, besonders deutlich.234 Bei dem Album handelt es sich um Tafeln, auf denen in SchwarzweißFotografien Gemälde El Grecos Artefakten von Künstlern der italienischen Renaissance und des Manierismus gegenübergestellt sind. Es lässt sich konzeptuell in die Reihe der Ausstellungen von Tafeln mit fotografischen Reproduktionen einordnen, die ab 1926 an der K.B.W. zu verschiedenen Aspekten des Themas „Nachleben der Antike“ stattfanden.235 Insgesamt 21 Fotos von 16 Gemälden El Grecos werden zusammen mit 22 Fotos von Werken – Gemälden, ein Relief, Fresken, Kartons, Zeichnungen und Kupferstiche – anderer Künstler des Quattro- und Cinquecento präsentiert (Jacopo Bassano, Girolamo Bedoli, Filippo Brunelleschi, Domenico Campagnola, Michelangelo, Parmigianino, Raffael, Marcantonio Raimondi, Luca Signorelli, Tintoretto und Tizian). Gezeigt werden Werke mit extrem affektgeladenen Figuren in kraftvoller Körperbewegung mit expressiven Gebärden, die Ausgangspunkte für El Greco gewesen sein könnten. Von El Greco werden ausschließlich Gemälde mit christlichen Inhalten gezeigt, und die Vergleichswerke stammen – mit Ausnahme von Raimondis Kupferstich nach Michelangelos „Kletterern“ und Tizians „Sturz des Tityos“ – ebenfalls aus religiösen Historien. Für Saxl scheinen im Album ikonographische Probleme keine zentrale Rolle gespielt zu haben. Über die formalen Gemeinsamkeit der stark bewegten Figuren und auffälligen Gesten finden sich in den jeweils auf einer Tafel vereinten Bildzitaten Inhalte versammelt, die erst im Zusammenhang mit dem Problem der Pathosformeln, in einigen Fällen auch mit deren energetischen Inversionen in einen sinnvollen Bezug treten. Saxl, mit einem geschärften Blick für Affektdarstellungen und Gebärdensprache erkannte in El Grecos Körpersprache und Gebärden Bildformeln, für deren Formulierung sich der Maler aus Kreta bei Michelangelo, Raffael, Tizian und anderen Künstlern der Renaissance bedient hatte, die sich auch gegenseitig mit ihrem jeweiligen Formenrepertoire angeregt hatten. In der Kunst des Manierismus, als einer selbstreflexiven Kunst, kam solchen Zitaten innerhalb der künstlerischen Formensprache ein ganz neuer Stellenwert zu. Als Konstanten der Bildzitate auf den Tafeln des „El Greco-Albums“ sind menschliche Körper in komplizierten Bewegungsmotiven auszumachen. Dabei werden auch ähnliche Gesten und Körperbewegungen gezeigt, die durchaus eine unterschiedliche, ja gegensätzliche inhaltliche Bedeutung haben können. Auf Tafel VIII beispielsweise wird die Formel des kopfüber rücklings aus dem Bild zu stürzen scheinenden Körpers präsentiert: in einem Fall der vor Staunen rücklings gestürzte, nackte römische Soldat im Vordergrund von El Grecos „Auferstehung“ und im anderen, voller Entsetzen
El Grecos Rezeption der Renaissancekunstund seine Quellen für den „Laokoon“
Abb. 26
Fritz Saxl, El Greco-Album, 1927, WIA, Tafel VIII
über das ihm durch den Adler zugefügte Leid, der angekettete Riese in Tizians Gemälde „Sturz des Tityos“236 (Abb. 26). Auf Tafel IV des Albums wird die auffällige Kniefigur des Blinden aus El Grecos „Blindenheilung“ als Formel der stark gedreht-bewegten Kniefigur in Dreiviertelansicht als Beleg für die Auseinandersetzung El Grecos mit Tizian (in Gestalt einer Nachzeichnung der Apostelgruppe der „Assunta“ von Campagnola) und Raffael (über Raimondis Nachstich des „Bethlehemitischen Kindermordes“) gezeigt237 (Abb. 27 und Abb. 28). Bei fast gleicher Körperhaltung und ähnlichen Gebärden sind die drei verglichenen Figuren in unterschiedliche, ja gegensätzliche dramatische Geschehen eingebunden. Während der kniende Blinde bei El Greco von Christus das Augenlicht empfängt und der kniende, vom wundersamen Geschehen geblendete Apostel aus Tizians bzw. Campagnolas „Apostelgruppe“ die positiven Ereignisse der Heilung beziehungsweise der göttlichen Offenbarung erlebt, wird die rechts vorn kniende Mutter aus dem „Bethlehemitischen Kindermord“, die in einer schützenden und abwehrenden Drehbewegung versucht, ihr Kind vor dem mit dem Schwert ausholenden
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Saxl 1927 bis 1932: Neue Ergebnisse zu El Greco
Abb. 27
Fritz Saxl, El Greco-Album, 1927, WIA, Tafel IV
Abb. 28 El Greco, Blindenheilung, um 1565, Öl auf Leinwand, 65,5x84 cm, Dresden, Gemäldegalerie
El Grecos Rezeption der Renaissancekunstund seine Quellen für den „Laokoon“
Abb. 29
Fritz Saxl, El Greco-Album, 1927, WIA, Tafel V
Soldaten zu schützen, bedroht. In Raffaels Erfindung wird äußerste Gewalt mit extremem Leid und Verzweiflung zusammengeführt. Saxl zeigt mit dieser Tafel, wie El Greco eine Pathosformel aufgreift, die zunächst bei Raffael für das Pathos des Kindermordes, bei Tizian dann in energetischer Inversion für die Erkenntnis göttlicher Offenbarung steht. Saxl hat damit mögliche Vorläufer für die Pathosfigur des Blinden bei El Greco identifiziert, die er in den Vorlesungsnotizen als „klare Renaissance Knie-Figur“ erwähnt.238 Auf Tafel V wird in einer Bilderreihe mit sieben Abbildungen die Formel des stark nach vorne gebeugten Mannes präsentiert, der unterschiedlichen Tätigkeiten nachgeht (Abb. 29): der nach vorn gebeugte, ein Loch ins Kreuz bohrende Mann aus der „Entkleidung Christi“ und der sich nach der Geldtruhe Bückende aus der „Vertreibung der Wechsler aus dem Tempel“ (Version London, National Gallery); daneben der nach vorn gebückte Wasserschöpfer aus dem Relief mit der „Opferung Isaaks“ von Brunelleschi; darunter zunächst die packende Figur des würgenden Henkers am vorderen Bildrand aus Signorellis „Taten des Antichrist“ im Dom von Orvieto; der nach vorn Gebeugte, der einen anderen mit der ausgestreckten Linken hochzieht aus Raimondis
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Abb. 30 El Greco, Laokoon, 1610–1614, Öl auf Leinwand, 137,5×172,5 cm, Washington, National Gallery of Art
„Kletterer“ nach Michelangelos „Schlacht von Cascina“; dazu zwei Motive von Raffael, nämlich die zwei sich nach vorn bückenden, kraftvoll die Netze aus dem Wasser emporziehenden Männer aus dem Teppichkarton mit dem „Wunderbaren Fischzug“ und schließlich der sich nach einem Stein bückende Mann aus der unteren Bildzone links auf dem Teppich mit der „Steinigung des heiligen Stephanus“.239 Saxl wies für diese von der El Greco-Forschung als „einzigartig“ deklarierte Figur nach, dass sie über die Formel eines ‚nach vorn gebeugten Mannes‘ und deren energetische Inversionen in einer komplexen Überlieferungsgeschichte stand. Anhand dieser Tafeln demonstrierte Saxl, wie El Greco sich mit seiner damals als „extrem“ empfundene Gebärdensprache nahtlos in die Tradition der Renaissancekünstler einfügte. Mit der Rezension von Mayers Monographie sollte Saxl auch in der Frage nach den Quellen für El Grecos Antikenbild im „Laokoon“ neue Ergebnisse erzielen240 (Abb. 30). Gerade im Kontext der laufenden Forschungen an der K.B.W. zum Antikenbild der Barockmaler Rembrandt, Rubens und eben auch Velázquez war der Forscher an diesem einzigen überlieferten Gemälde mytho�
El Grecos Rezeption der Renaissancekunstund seine Quellen für den „Laokoon“
logischen Inhalts des Künstlers besonders interessiert. Mayer hatte in seinem Buch die Figuren im „Laokoon“ als „seltsam rhythmisch bewegte Figuren, deren Hauptaktoren gleich muskelstarken Akrobaten mit den Schlangen mehr zu spielen scheinen, als daß man mit ihnen die Furchtbarkeit der berühmten Szene erlebt“ wahrgenommen und die Darstellung insgesamt als „spielerisch, artifiziell“ empfunden.240 Saxl kritisierte solche „affektbetonten Werturteile, die den Zugang zum eigentlichen Problem verbarrikadieren“ und forderte eine „ruhig eindringende historische Analyse“ und die Untersuchung entwicklungsgeschichtlicher Voraussetzungen.241 Bei seinen Betrachtungen ging Saxl zunächst von Cossíos Monographie aus, der darauf hingewiesen hatte, dass der „Laokoon“ weniger mit der berühmten hellenistischen Gruppe als mit einem Typus von Darstellungen der Szene zusammenhängt, der durch antike Reliefs überliefert ist, da die Figuren ähnliche Positionen aufwiesen.242 Cossío waren Gemeinsamkeiten in der Körperhaltung des jüngeren, bereits toten Sohnes des Laokoon, der, rechts vom Vater, dramatisch verkürzt und rücklings liegend dargestellt ist, mit einem solchen Relief aufgefallen. Zudem – so Cossío weiter – sei Laokoon sowohl im Relief als auch bei El Greco nicht stehend präsentiert, sondern halb liegend, mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck im abgeknickten Kopf, leicht angezogenen, auseinander strebenden Beinen und leicht verdrehten, die Schlange abwehrenden Armen. Saxl wiederum war zusätzlich aufgefallen, dass El Greco die Szene „im Gegensinn“ komponiert hatte, indem er den stehenden Sohn auf der linken Seite und den stürzenden Toten auf der rechten Seite postierte (Abb. 31 und Abb. 32). Das führte ihn zur These, dass der Maler nicht ein Relief, sondern eine Druckgraphik nach einem Relief benutzt habe, die die
Abb. 31 Laokoon, Zeichnung nach einem antiken Relief, nach Manuel Cossío
Abb. 32 Laokoon, Zeichnung nach einem antiken Relief, nach Manuel Cossío, spiegelverkehrt
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Saxl 1927 bis 1932: Neue Ergebnisse zu El Greco
Abb. 33 Jean de Gourmont, Laokoon, um 1530–1550, Kupferstich, 10,7x15,3 cm, Wien, Albertina
Komposition seitenverkehrt wiedergab. Seine Vermutung sah Saxl dann durch einen Stich von Jean de Gourmont bestätigt, auf dem die Figuren ähnlich angeordnet sind wie bei El Greco (Abb. 33). Für die von der antiken Gruppe, von den Reliefs wie auch von den Drucken abweichende Figur des liegenden Laokoon machte Saxl ein weiteres antikes Vorbild aus, nämlich die Statue des „Fallenden Galliers“ im Museo Archeologico, Venedig (Abb. 34). Damit wies er nach, wie El Greco auf unterschiedliche antike Vorbilder zurückgegriffen hatte, um mit seinem Gemälde das extreme Leiden der Figuren zum Ausdruck zu bringen.244 Saxl erkannte zudem, dass Jusepe Leonardo in den beiden im Vordergrund liegenden Figuren in seinem Gemälde „Aufrichtung der ehernen Schlange“ El Grecos „Laokoon“ rezipiert hatte, und machte damit einen spanischen Nachfolger des Malers aus Kreta aus.245 Bei Saxls Forschungen zu El Greco wird deutlich, wie er mit Fragen nach der künstlerischen Tradition oder nach den Quellen für das Antikenbild des Künstlers zu originellen, spätere Forschungen Ergebnisse vorwegnehmenden Antworten gelangte.
Madrid-Aufenthalt im Herbst 1931
Abb. 34 Fallender Gallier, 1. Jh. v. Chr., Marmor, Höhe 73 cm, Venedig, Museo Archeologico Nationale
Madrid-Aufenthalt im Herbst 1931 Im Herbst 1931 sollte sich Saxl erneut mit der spanischen Malerei beschäftigen, diesmal aber offensichtlich weniger intensiv. Im Oktober/November reiste er wieder nach Madrid, wo er jedoch andere Arbeitsschwerpunkte setzte.246 Belegt ist zunächst seine Auseinandersetzung mit Tizian, die mit den Vorbereitungen für die im Wintersemester 1931/32 angekündigte Vorlesung „Geschichte der venezianischen Malerei“ zusammenhing. Begeistert berichtet er Panofsky, dass er die großformatigen Gemälde Tizians im Prado „mit der Leiter“ gesehen habe.247 Als wissenschaftliches Ergebnis des Aufenthaltes erwähnt er Erkenntnisse zu einem Skizzenbuch von Aniello Falcone aus dem Bestand der Biblioteca Nacional.248 Da Saxl für das Wintersemester auch ein Kolleg über spanische Malerei angekündigt hatte, kann man davon ausgehen, dass er bei dieser Gelegenheit auch Velázquez’ Gemälde im Prado noch einmal gründlich studiert hat. Während er die Vorlesung im Sommersemester 1927 als Beitrag über „Spanische Maler des 16. und 17. Jahrhunderts“ angekündigt hatte, auch wenn er sich schon damals schwerpunktmäßig auf El Greco und Velázquez konzentrieren sollte, lautete der Titel der Vorlesung im Wintersemester 1931/32 „Spanische Malerei im Zeitalter des Greco und Velázquez“. Bei der Vorlesung stützte er sich weitgehend auf die vier Jahre zuvor erarbeiteten Materialien, die er überarbeitete und ergänzte.249 Saxl sollte sich mit der vielbeachteten Rezension von Mayers El GrecoMonographie auch insoweit einen Namen als Spanienforscher machen, als ihn
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Saxl 1927 bis 1932: Neue Ergebnisse zu El Greco
Panofsky an Walter Cook, Gründer und Leiter des Institute of Fine Arts der New York University als erstklassigen Forscher und exzellenten Lehrer empfahl, der auf Rembrandt, das italienische Quattrocento und El Greco spezialisiert sei.250 Abgesehen von dem Kolleg im Sommersemester 1931/32 gibt es keine Belege über eine weitere Beschäftigung Saxls mit Velázquez in den 1930er Jahren. Als nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten die Existenz der Bibliothek bedroht war und Saxl, Panofsky und den anderen jüdischen Wissenschaftlern die Lehrbefugnis an der Universität entzogen wurde, gelang es die K.B.W. im Dezember 1933 nach London zu übersiedeln.251 In der neuen Umgebung kam eine Vielzahl organisatorischer Aufgaben und anderer Themen auf Saxl zu, die Vorrang hatten. Es ging zunächst vor allem darum, das neue Warburg Institute in die englische Wissenschaftslandschaft zu integrieren. Zudem waren es auch die politischen Entwicklungen in Spanien, die Saxl wahrscheinlich davon abhielten, das Projekt der Velázquez-Studien weiterzuverfolgen. Nach der Gründung der zweiten Republik, 1931, kam es in Spanien zu schweren politischen Unruhen, die im Bürgerkrieg zwischen 1936 und 1939 endeten, aus dem die Faschisten mit General Franco als Sieger hervorgingen. Das faschistische Spanien kam für Saxl weder während des Bürgerkriegs und des daran anschließenden Zweiten Weltkriegs noch in den Jahren unmittelbar danach bis zu seinem frühem Tod 1948 als Reiseziel in Frage. Dass für ihn die Auseinandersetzung mit dem Original Voraussetzung nicht nur für die Lehre, sondern auch für jede schriftliche Äußerung war, wird ein Grund gewesen sein, das Thema zurückzustellen.
Warburg Institute, London 1940 bis 1952: Fortsetzung der „Velázquez-Gespräche“
Saxl im Gespräch mit Enriqueta Harris Ende der 1930er Jahre sollte sich für Saxl am Warburg-Institute in London die Gelegenheit ergeben, die 1928 mit Warburg abgebrochenen „VelázquezGespräche“ mit der englischen Kunsthistorikerin Enriqueta Harris (1910– 2006) weiterzuführen (Abb. 35). Nachdem Warburgs und Saxls Interpretation der „Hilanderas“ als „Allegorie der Webekunst“ als Notiz in dem Tagebuch der K.B.W. und in Saxls Vorlesungsunterlagen der Öffentlichkeit verborgen geblieben war, las man das Werk auch nach 1927 weiterhin als „Fab rikbild“.252 Im Laufe der 1930er Jahre wurden keine neuen Erkenntnisse zum Inhalt der „Hilanderas“ erzielt.253 1940 sollte Harris mit einer Bemerkung zu den Hintergrundfiguren in den „Hilanderas“ die Interpretation des Meisterwerks erneut ins Rollen bringen. In ihrer Publikation über berühmte Gemälde des Prado mit dem Titel „The Prado. Treasure House of the Spanish Collections“ heißt es in dem neun Zeilen umfassenden Beitrag über „The Spinners (Las Hilanderas)“: „The scene is the tapestry factory of Santa Isabel in Madrid; in the background, through an arch, is a room in which some ladies of the court are inspecting a tapestry. It is a scene with which the artist was no doubt very familiar in his capacity of Palace Marshal, responsible for the decoration and furnishing of the royal palaces. The picture was painted about 1657 and hung in the Retiro Palace. Although the subject is of a purely genre character, and as such unique in the late work of the artist, there is a classical allusion in the tapestry in the background. The subject of the tapestry echoes the genre theme of the picture, for it represents Minerva, the goddess who presided over the craft of needlework and tapestry weaving, accompanied perhaps by Arachne, who dared to challenge her in this art and who was as a punishment changed into a spider and condemned to spin for the rest of her life.“254
Zwei Einschätzungen in Harris’ Text sind im Zusammenhang mit der Deutungsgeschichte der „Hilanderas“ beachtenswert. Zum einen jene über das Gemälde als Genreszene, in die Velázquez mit dem mythologischen Sujet allerdings eine „classical allusion“ hineingebracht hätte; zum anderen die Bemerkung, dass es
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Abb. 35 Enriqueta Harris, um 1940, WI, Photocollection
sich bei den Hintergrundfiguren um Minerva, die Göttin der Webkunst und „vielleicht“ um Arachne handle. Man fragt sich, woher Harris ihre Erkenntnis bezogen hat, die – wie sich zeigen wird – auch in der Art der Formulierung direkt zu Warburgs und Saxls nicht publiziertem Ergebnis von 1927 führt. Harris, die spanische Wurzeln hatte, lehrte nach ihrer der Promotion 1934 an dem University College London im Fach Kunstgeschichte am Courtauld Institute, mit dem die Wissenschaftler des Warburg Institute enge Kontakte unterhielten. Die beiden Institutionen gaben in Gemeinschaft die ursprünglich unter dem Titel „Journal of the Warburg Institute“ (Bd. 1 1937/38 und Bd. 2 1938/39) und ab Band 3, 1939/40 als „Journal of the Warburg and Courtauld Institutes“ erscheinende Zeitschrift heraus. Auf die enge Zusammenarbeit der Institute weisen auch die sechs Vorträge hin, die Saxl in den 1930er und 1940er Jahren am Courtauld Institute hielt.255 Auch Saxl und Harris befanden sich Ende der 1930er Jahre in regem Austausch. Harris’ wissenschaftliche Pub likationen vom Ende der 1930er Jahre, in denen sie ikonographische Fragen zu Altartafeln von El Greco behandelt, waren unter unmittelbarem Einfluss von Saxl und Rudolf Wittkower entstanden. Im ersten Band des „Journal of the Warburg Institute“ von 1937/38 ist sie mit einer ikonographischen Studie über Nicolas Froments Dornbusch-Triptychon vertreten, bei der sie Saxl entscheidend unterstützt hatte.256 Als Harris an ihrem Buch über die Gemälde des Prado arbeitete, lag es auf der Hand, dass sie ebenfalls dazu Saxl zu Rate zog.
Saxl im Gespräch mit Enriqueta Harris
Dieser wird sich auch hinsichtlich der „Hilanderas“ nicht weniger hilfsbereit gezeigt haben, zumal sich unter den widrigen Zeitumständen absehbar keine bessere Gelegenheit abzeichnete, den Fund einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Harris’ Bemerkungen über die „Hilanderas“ hängen unmittelbar mit Warburgs und Saxls Ergebnissen über den Inhalt des Gemäldes zusammen. Ihre vorsichtige Identifizierung der Hintergrundfiguren als „Minerva [...] accompanied perhaps by Arachne“ mag durchaus aber auch Zweifel widerspiegeln, die Saxl aus der Korrespondenz mit dem Tapisserienforscher Göbel erwachsen waren. Dieser hatte, die Deutung des Hintergrundbildes als Streit zwischen Pallas und Arachne ja als unplausibel zurückgewiesen und lediglich der Identifikation der behelmten Figur mit Athene beipflichten wollte.257 Insofern Saxls letzte Recherchen zu dem Bild offenbar von der Annahme eines real existierenden Teppichs als Vorbild der Komposition ausgegangen waren, wog ein solcher Einwand aus berufenem Kennermund schwer genug, um auch einer ratsuchenden Kollegin weitervermittelt zu werden, die nun ihrerseits vor einer voreiligen Festlegung zurückschreckte. Saxl beließ es Harris gegenüber möglicherweise bei der Identifikation der beiden Figuren auf dem Teppichbild im Hintergrund der „Hilanderas“, ohne die komplexen Gedankengänge nachzuzeichnen, die Warburg und ihn im Juli 1927 zu dieser Erkenntnis geführt hatten. Dafür spricht die Tatsache, dass die Kunsthistorikerin die Behauptung in ihrem Buch einfach in den Raum stellt und keine weiterführenden Argumente für diese Deutung vorträgt. Der Interpretation des Gemäldes als „Allegorie der Webkunst“, sollte sie Saxl ihr gegenüber weiterhin vertreten haben, schloss Harris sich nicht an, sondern deutete das Gemälde als Genrebild mit einer „klassischen Anspielung“ im Teppichbild. Auch über Tempestas Illustration des Mythos sowie über Rubens’ „Pallas und Arachne“ und über die dortige Figur der Pallas als Vorbilder für Velázquez scheint Saxl nicht mit der Kollegin gesprochen zu haben. Anderenfalls – davon kann man ausgehen – hätte Harris, die an Velázquez sehr interessiert war und in den darauffolgenden Jahrzehnten zahlreiche Publikationen über ihn vorlegen sollte, diesen Faden sicherlich weiter verfolgt.258 Dass Harris in ihren Ausführungen nicht auf Saxl als Quelle für diese Deutung hingewiesen hat, ist verständlich, da es sich bei der Publikation um ein populärwissenschaftliches Werk ohne Anmerkungen handelt. Mit Harris’ Beitrag sollte die von Warburg und Saxl 1927 erzielte Erkenntnis zum Weberinnenbild ab 1940 aber dennoch ihre Wirkung zu entfalten beginnen und acht Jahre später, wie noch auszuführen sein wird, eine Rolle bei Angulo Íñiguez’ Interpretation der „Hilanderas“ als „Fábula de Palas y Aragne“ spielen.
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Die Gespräche zwischen Saxl und Harris scheinen nicht nur für letztere fruchtbar gewesen zu sein, sondern auch Saxl dazu angeregt zu haben, seine Arbeitsmaterialien von 1927 über Velázquez für einen Vortrag am 12. November 1942 unter dem Titel „Velasquez and Philip IV“ am Courtauld Institute, London hervorzuholen.259 Im Vortrag ging es um Velázquez’ Hofporträts, um die „Meninas“ und um die „Übergabe von Breda“ im Kontext der Frage nach der Bedeutung der Kunstwerke als historische Quellen.260 Weder die „Hilanderas“ noch andere Ovid-Darstellungen von Velázquez, die Saxl 15 Jahre davor in besonderem Maße interessiert hatten, sind Thema in dem Vortrag. Die Schwerpunkte, die der Wissenschaftler bei einer Wiederaufnahme der Velázquez-Forschungen setzte, zeugen davon, wie er sich in den 1930er Jahren vom Thema Antikenrezeption in der Frühen Neuzeit, das an der K.B.W. grundlegend gewesen waren, ein Stück wegentwickelt hatte.261
„Neue“ Erkenntnisse zu den „Hilanderas“ Ende der 1940er Jahre In den 1940er Jahren sollten mehrere Beiträge die „Hilanderas“-Forschung entscheidend weiterbringen. Zunächst machte Philip Hendy, der bereits 1931 auf Tizians „Raub der Europa“ als Hintergrundbild hingewiesen hatte, 1946 eine wichtige Beobachtung zur Raumstruktur des Gemäldes.262 Er lokalisierte die beiden zentralen Frauengestalten im Hintergrund, die man bis zu dem Zeitpunkt als zum Raum des Bildteppichs zugehörig betrachtet hatte, in den gleichen Raum mit den drei Damen davor. Zwar hatte bereits Ricketts 1903 eine „Zwischenstellung“ der beiden Gestalten in Erwägung gezogen, diese jedoch mit Velázquez‘ Arbeitsweise erklärt, der zunächst die Teppichszene mit dem „Raub der Europa“ gemalt und anschließend diese mit den beiden Figuren übermalt habe. Hendy deutete nun die gesamte Hintergrundszene als „Hommage an Tizian“: Velázquez habe sich nicht nur mit dem Motiv der Teppichszene auf Tizian bezogen, sondern auch bei der Farbwahl, indem er für die Figuren das für Tizian typische Ultramarin verwendete, das er – wie der Venezianer – mit Rosa und Gold kontrastierte.263 Harris’ Bemerkung zum Thema der Hintergrundszene als Pallas und „vielleicht“ Arachne wurde erst 1948, dem Todesjahr Saxls, von Diego Angulo Íñiguez rezipiert. Angulo hatte 1947 einen Schlüsselbeitrag publiziert, in dem er auf die formalen Vorbilder für mehrere Gemälde von Velázquez hinwies und damit erstmal dessen Auseinandersetzung mit den Meistern der Renaissance dokumentierte.264 Bereits mit der Auffindung des Nachlassinventars von Velázquez,
„Neue“ Erkenntnisse zu den „Hilanderas“ Ende der 1940er Jahre
publiziert 1925, in dem auch seine Bibliothek mit 156 Titeln angeführt ist, veränderte sich das Bild vom Künstler als reinem Naturalisten und Realisten.265 Die zahlreichen Kunst- und Architekturtraktate sowie die naturwissenschaftlichen Schriften aus dem Besitz des Malers zeugen von seiner Vorliebe für exakte Wissenschaften und zeigen ihn als zwar nicht ausgesprochen gelehrte, aber doch von vielseitigen literarischen Interessen bewegte und reflektierende Persönlichkeit. Für die „Hilanderas“ wies Angulo 1947 nach, dass der Künstler für die kontrapostische Haltung der beiden Spinnerinnen im Vordergrund Michelangelos Figuren zweier „Ignudi“ an der Sixtinischen Decke als Vorbilder gewählt hatte und sah darin eine Hommage an den großen Florentiner. Mit dem Nachweis von formalen Vorbildern machte der spanische Kunsthistoriker deutlich, dass es sich bei dem Spinnerinnenbild keineswegs um eine Momentaufnahme einer Alltagsszene in einer Teppichmanufaktur, mithin ein „Fabrikbild“, und damit um ein spontan gemaltes ‚Augenblicksbild‘ handeln könne. Im Gegenteil: Velázquez legt hier eine sorgfältig ausgetüftelte Komposition vor, die auch auf Skizzen nach Werken anderer Meister basiert (Abb. 36 und Abb. 37). Nur ein Jahr später, 1948, sollte Angulo einen Aufsatz zur Interpretation der „Hilanderas“ als Fabel der Arachne publizieren.266 Der Schlüssel für Angulos Deutung der „Hilanderas“ lag in seiner Zusammenführung von mehreren Informationen. Zunächst erkannte er als Thema der im Bildteppich dargestellten Szene – in Unkenntnis der Beiträge von Michel 1895, Ricketts 1903 und Hendy 1931 und 1946 –, den „Raub der Europa“ nach dem Gemälde Tizians, das sowohl als Original als auch in der Kopie von Rubens Teil der Sammlung Philipps IV. gewesen war.267 Damit konnte für die von Harris bloß unter Vorbehalt geäußerten Vermutung, es handele sich bei der mythologischen Szene im Hintergrund um den Streit zwischen Pallas und Arachne, die Angulo bekannt war, ein überaus stichhaltiges Argument beigebracht werden.268 Denn nach dem Bericht Ovids ist der Raub der Europa eines der Sujets, die Arachne im Wettstreit mit der Göttin auf ihrem Teppich darstellt. Dass Velázquez diesen Text besaß, konnte der spanische Forscher wiederum anhand des Bibliotheksinventars des Malers nachweisen. Velázquez war im Besitz nicht nur einer italienischen und einer spanischen Übersetzung von Ovids „Metamorphosen“, sondern zudem auch der „Philosophia secreta de la gentilidad“ von Juan Pérez de Moya, einem der bedeutendsten mythologischen Handbücher des 16. Jahrhunderts, dessen Teil VI unter dem Titel „De la contienda de Palas y Aragnes“ den Wettstreit zwischen der Sterblichen und der Göttin behandelt.269 Angulo stellte eine Verbindung zwischen Hinter- und Vordergrundszene in den „Hilanderas“ her, indem er die These formuliert, dass Velázquez im Gemälde
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Abb. 36
Michelangelo, Ignudi, 1511, Fresko, Vatikan, Capella Sistina
Abb. 37 Diego Velázquez, Las Hilanderas, um 1656, Öl auf Leinwand, 220x289 cm, Madrid, Museo del Prado, Detail mit der Vordergrundszene
„Neue“ Erkenntnisse zu den „Hilanderas“ Ende der 1940er Jahre
zwei Momente des Wettstreits zwischen Pallas Athene und Arachne zeige. Die Frauengruppe vorn deutet der Forscher als eine zweite Darstellung der Protagonistinnen: die alte Frau am Spinnrad identifiziert er als die vor dem Wettbewerb als Alte verkleidete Athene, die junge, den Faden aufwickelnde Frau als Arachne. Im Hintergrund auf dem Teppichbild, sei schließlich der Moment der Bestrafung der Arachne dargestellt. Bei den drei davorstehenden Damen könne es sich um die bei Ovid erwähnten Lydierinnen handeln, die die Arbeiten Arachnes bewundert hätten. Die Viola de Gamba, welche die dem Betrachter am nächsten Stehende von ihnen zu ergreifen scheint, erklärt der Wissenschaftler mit der Überlieferung, Musik sei ein Mittel gegen Spinnengift. Zur Unterstützung seiner Deutung als Simultandarstellung zweier aufeinanderfolgender Szenen führt Angulo ein Vergleichsbeispiel von Velázquez, „Die Heiligen Antonius und Paulus“, an. Angulo stellt die „Hilanderas“ zudem in die Tradition der frühen Bildim-Bild-Kompositionen von Velázquez. Diesen Werken liegt eine Bildstruktur zugrunde, bei der sich ein vorderer Raum zu einem hinteren öffnet, der einer andere Realitätsebene angehört, wie beispielsweise in „Christus im Hause von Maria und Martha“ und dem „Emmausmahl“. Bei der Suche nach weiteren Darstellungen des Pallas-und-Arachne-Themas war Angulo zunächst auf Rubens’ Ölskizze und auf ein Gemälde Luca Giordanos gestoßen, erkannte jedoch keine Gemeinsamkeiten zwischen diesen Werken und den „Hilanderas“.270 Als graphische Darstellungen waren ihm 1948 lediglich zwei französische illustrierte Ovid-Ausgaben, Paris 1637 bzw. Paris 1655, in der Madrider Biblioteca Nacional untergekommen, die als Vorbilder für Velázquez nicht in Frage kamen.271 Die Wege, die Warburg und Saxl 1927 und Angulo Íñiguez 1948 bei ihrer Interpretation der „Hilanderas“ beschritten, waren eng miteinander verwoben. Die Erkenntnis der Hamburger Wissenschaftler über die Rolle der Ovid-Illustra tionen Tempestas zunächst für das Antikenbild von Rembrandt und Rubens und dann für das von Velázquez sowie über die Vorbildrolle von Rubens’ und Tempestas mythologischen Figuren für Velázquez wie auch ihr Blick für Pathosfiguren und Pathosformeln hatten sie zu der Identifizierung der beiden Hauptfiguren der Hintergrundszene als Pallas Athene und Arachne geführt. Angulo Íñiguez wusste mit den Mitteln der klassischen Ikonologie den „Text zum Bild“ zu finden. Zudem stützte er sich dabei auf Harris’ auf Warburg und Saxl zurückzuführende Identifizierung der Hintergrundfiguren als „Pallas and [...] perhaps Arachne“. Nachdem er erkannte hatte, dass auf der Teppichszene im Hintergrund der „Raub der Europa“ nach Tizian dargestellt ist, brachte er diese Entdeckung mit Ovids Beschreibung des Wettstreits in den „Meta-
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morphosen“ und der des „Raubes der Europa“ als erste Szene, die Arachne im Wettstreit mit Pallas auf ihrem Teppich webte, zusammen. Bestätigt wurde Angulos Deutung noch im gleichen Jahr 1948 durch einen Dokumentenfund von María Luisa Caturla. Dieser war es gelungen mit Pedro de Arce, dem Höfling Philipps IV., den ersten Besitzer – und wahrscheinlich auch Auftraggeber – der „Hilanderas“ im Jahre 1664 auszumachen.272 Sie identifizierte das Gemälde mit dem als „Otra pintura de diego Belazquez de la fabula de aragne de mas de tres baras de largo y dos de cayda, tasada en quinientos ducados“ erwähnten Bild in dem 1664 erstellten Inventar von de Arces Sammlung. Mit diesem Eintrag war die Deutung der Hintergrundszene als ArachneFabel auch quellenmäßig gesichert. 1949 lieferte Charles de Tolnay, der 1928 in Hamburg als Privatdozent gelehrt und sich ein Jahr später dort habilitiert hatte, eine Interpretation des Gemäldes als „Allegorie der Künste“ und damit als Ausdruck von Velázquez’ kunsttheoretischem Denken.273 Angulos Interpretation erregte in Fachkreisen großes Aufsehen, und als Folge erhielt er von Henri Frankfort, Saxls Nachfolger als Direktor, eine Einladung an das Warburg Institute in London.274 Während dieses einjährigen Forschungsaufenthaltes im Jahre 1950 sollte Angulo zahlreiche Darstellungen des Pallas-und-Arachne-Themas in der Graphik ausfindig machen und dabei auch Tempestas Radierung als Vorlage für Velázquez Hintergrundszene in den „Hilanderas“ entdecken. Bei seinen Recherchen erhielt er die Unterstützung von Enriqueta Harris, die damals in der Photocollection des Warburg Institute beschäftigt war.275 Seine Ergebnisse publizierte Angulo 1952 unter dem Titel „Las Hilanderas. Sobre la iconografía de Aracne“.276 Nachdem sich mit Angulo Íñiguez’ Deutung als „La Fabula de Palas y Aragne“ die Überzeugung durchsetzte, dass es sich bei den „Hilanderas“ auf jeden Fall um ein Gemälde mythologischen Inhalts und nicht um ein Genrebild handle, bemühte man für die ikonographisch-ikonologischen Interpretationen eine Reihe von anderen Episoden mit spinnenden oder webenden Frauen aus der antiken Mythologie: Die Parzen, die tugendhafte Lukretia und ihre Mägde, die Minyaden und schließlich Penelope. Diese Vorschläge überzeugten jedoch ebenso wenig wie der Versuch, das Gemälde mit Hilfe der Emblematik als politische oder didaktische Allegorie zu lesen.277 Von Tolnays Studie ausgehend entdeckten Autoren in den „Hilanderas“ kunsttheoretische Inhalte, die sie in den Kontext der Bemühungen der spanischen Maler um die Anerkennung der Malerei als ars liberalis einordneten.278 Ungeachtet zahlreicher Interpretationsversuche hat sich seit den 1940er Jahren die Zahl der offenen Fragen zu den „Hilanderas“ letztlich nicht reduziert.279 Seit den fundamentalen Erkenntnissen Warburgs und Saxls 1927 und
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Angulos 1948 ist trotz unterschiedlicher methodischer Ansätze letztlich keine der Studien zu befriedigenden Ergebnissen gelangt.280 Die Raumdisposition und damit die Frage der genaueren Differenzierung der unterschiedlichen Realitätsgrade des Dargestellten ist nicht eindeutig zu klären. Es gibt noch immer unterschiedliche Positionen zu der Frage, ob Pallas Athene und Arachne nun vor dem Bildteppich stehen oder dessen fiktiver Räumlichkeit angehören. Auch für die drei Damen im Hintergrund, das Streichinstrument und die Leiter hat man noch keine wirklich stimmige Deutung parat. Überzeugende Vorläufer für das Gemälde hat man bislang auch noch nicht gefunden. Schließlich ist die Frage nach einem inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Szene im Vorder- und jener im Hintergrund der „Hilanderas“ bis heute nicht schlüssiger beantwortet worden, als es Warburg und Saxl 1927 mit der Lesart des Bildes als „Allegorie der Webekunst“ geleistet haben.
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Editorisches Abkürzungen wurden dem besseren Verständnis zuliebe stillschweigend aufgelöst. Satzzeichen sind in Fällen, in denen das Textverständnis erschwert worden wäre, korrigiert bzw. eingefügt worden. Es wurden Briefe abgedruckt, die in engem Zusammenhang mit dem Dialog zwischen Warburg und Saxl über Velázquez stehen und entscheidende Bemerkungen enthalten, die zu der Deutung der „Hilanderas“ geführt haben. Die Briefe wurden ungekürzt wiedergegeben, die Interpunktionen fallweise eingefügt, Schreib- und Tippfehler weitgehend korrigiert. Der Text in Saxls Notaten wird typographisch weitgehend dem Original entsprechend wiedergegeben, weil auf diese Weise Zusammenhänge deutlicher werden. Alle Briefe und Texte Saxls werden im Warburg Institute Archive (WIA) verwahrt und sind abgedruckt mit freundlicher Genehmigung des Direktors des Warburg Institute.
Briefe Alle Briefe finden sich im WIA, General Correspondence (GC). © The Warburg Institute. Mit freundlicher Genehmigung des Warburg Institute, London 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Brief Saxl an K.B.W., 30.03.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief Saxl an Warburg, 02.04.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief Warburg an Saxl, 06.04.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief Saxl an Warburg, 07.04.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief Saxl an Warburg, 18.04.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief Saxl an Warburg, 21.04.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief Warburg an Saxl, 22.04.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief Saxl an Warburg, 01.05.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief Saxl an Warburg, 20.05.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10. Brief Warburg an Saxl, 22.05.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 11. Brief Göbel an Saxl, 01,10,1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 12. Brief Göbel an Saxl, 27.11.1927. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
1. Postkarte von Saxl, Madrid, an die K.B.W., Hamburg, (ursprünglich vor 06.04.1927 datiert), neu 30.03.1927, handschriftlich, recto und verso Liebe Bibliothek! Die Sache mit den Klischees steht so, daß ich Petermann sofort Vorwürfe gemacht habe, daß er nicht beide Klischees im Querformat gemacht hat. Das Neu-Anfertigen kostet 25 Mark. Ich habe ihm versprochen, mich vor Neu-Anfertigung nochmals mit dem Verfasser in Verbindung zu setzen. Wenn Noack es genehmigt hätte, hätte ich es gelassen, da ich das Ganze unschön, aber nicht viel Geld wert finde. Da aber Noack reklamiert, müssen wir neu anfertigen lassen. Lassen Sie also bitte Herrn Trautmann ans Telefon rufen, und sagen Sie zuerst, daß Sie keinen Pfennig zahlen. Nach und nach lassen Sie sich eventuell auf Teilung des Schadens ein. Er hat sehr viel an uns im letzten Jahr verdient. Von Kunst hat man keine richtige Vorstellung, wenn man den Prado nicht kennt. Das ist ganz einfach. Aber die Stadt ist nichts. Zumeist grotesk hispano-amerikanisch. Der Gegensatz zu Paris ist zu arg. Dazu dies sonderbare Klima: heisse Sonne, kalte Schatten, eisiger Abend. Spanisch sprech ich auf Deubel komm heraus. Man versteht mich, aber ich versteh wenig von den anderen. Nachmittag war ich bei Herrn Privatdozent Dr. Moldenhauer, der hier an der deutschen Schule ist und zugleich das Centro Hispano Aleman leitet. Morgen gehe ich mit ihm nach der Biblioteca Nacional wegen der Astrologica, in 14 Tagen fahren wir nach dem Escorial. Moldenhauer ist ein wissenschaftlicher Auslandsdeutscher aus Halle a. S., der die Sicherheit unseres und seines Kollegen Pr. [Pérez] hat. Bitte schickt ihm für seine Bibliothek unsere Vorträge: Adresse: Calle Fortuny 15. Ich hätte auch gern 1.) 2 Exemplare von Vorträgen 1, 2 Exemplare des arabischen Picatrix. Der kann mir im Escorial helfen. Augustin soll 2 Exemplare direkt herschicken. Winter möchte mir auch noch Exemplar des römischen Katalogs schicken. Ich bitte ferner vielmals Professor Warburg zu sagen, daß die „Befreiung der Andromeda“ hier von Rubens doch eines seiner besten Bilder ist, die es überhaupt gibt. Es ist eines der letzten Bilder, die der alte Rubens überhaupt gemalt hat. Von sämtlichen Bildern des Prado, die ich aus Reproduktionen gekannt habe, war ich wieder erschlagen, wie anders sie aussehen. Greco finde
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ich interessant, aber im Grunde eintönig. Velázquez ist in vielen Beziehungen die Vollendung (Rosa Schapire eine dumme Pute). Die „Hilanderas“, von denen ich gemeint habe, dass kein Mensch unserer Generation etwas mit ihnen anfangen kann, sind vielleicht das beste Bild. Die Weltgeschichte ist hier in Reiterbildern Form geworden: „Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg“ von Tizian, Philipp IV. von Velázquez und „Ferdinand“ von Rubens. Es ist sinnlos sich zu unterhalten, welches das Schönste ist. Jedes formt eben das antike Imperatoren-Vorbild auf seine Weise um. Sehr angenehm ist, daß wenigstens die Velázquez gut und breit aufgestellt sind. Grecos hängen allerdings über 20 in einem kleinen Raum. Nach Paris kommt einem hier alles sehr teuer vor. Ich wohne vorläufig gräulichst, da ich in der Pensione Viennesa nicht untergekommen bin. Ich habe aber noch keine Zeit gehabt, mich nach etwas umzusehen. Dass man hier jemals wegkommt, kann man sich gar nicht vorstellen. Auch davon hab ich keine Ahnung, wie ich aus all dem ein Kolleg zusammenbringe. Man hat das Gefühl, daß das Jahre Vorbereitung brauchte. Allen sehr sehr herzliche Grüße Saxl
2. Brief Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, 02.04.1927, handschriftlich, 1 Folio recto und verso Lieber Herr Professor Eigentlich ist es ja selbstverständlich – es geht mir lächerlich gut. Täglich bekomme ich eben vom Schicksal ein paar Kunstwerke geschenkt. Und zwar Dinge völlig ersten Ranges. Seit der Fahrt nach Basel zu den Holbein-Bildern ist es mir nicht so gut gegangen, daß ich Neues aufnehmen konnte, von dessen Existenz ich vorher gar keine Ahnung hatte. Sonderbar, daß ich nach Rembrandt Holbein arbeiten würde und nach Holbein Velázquez hätte ich nie gemeint. Aber ich kann vorläufig mit Greco gar nichts anfangen, während mich die Entwicklung des Velázquez aus den Klauen des Caravaggio ungemein interessiert. Velázquez hat eine Intensität im Suchen nach dem „Sujet“ angemessener Form, von der ich nichts geahnt hab. Es ist ja ein sonderbarer Fall, daß man das Lebenswerk eines Mannes so in drei Räumen nebeneinander hat, seine Entwicklung so übersehen kann, daß man glaubt, den Augenblick erfassen zu können, in dem ein Neues entsteht. Velázquez und Rembrandt gleichen sich in mehr als einem Punkt. Nicht nur darin, daß sie beide von Caravaggisten ausgehen und sich langsam zur
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Lösung von der festen Form hin entwickeln, Rembrandt allerdings im Tenebroso verharrend, sie gleichen sich auch darin, daß sie beide im Grunde ausserhalb ihrer Welt stehen. In die Kunst des Velázquez ist bitter wenig von dem üblichen Leben jener Tage eingegangen. Was ihn an den Menschen inter essiert, ist gerade das Unzeitgemässe. So ist auch an beiden die Entwicklung vorbei gegangen, an Rembrandt wie an Velázquez. Und sonderbarer Weise hat beide das 19. Jahrhundert wieder entdeckt. Lieber Herr Professor, es tut mir so im Innersten leid, daß ich das Gefühl hab, Ihnen diese Dinge im Augenblick nicht deutlich werden zu lassen, weil sie außerhalb Ihres Blickkreises liegen. Aber vielleicht geht es wie mit dem Civilis, vielleicht kommt auch noch einmal ein Tag, wo sich zeigt, daß ich auch hier für Sie gearbeitet hab. Ausser Velázquez habe ich hier noch eines gefunden: Justi. Dies Buch ist wunderbar, ich lese es mit wirklicher Liebe, wie ich seit Jahren nichts gelesen hab. Und ich denk dabei oft an Sie und Ihre Zeit bei Justi. Jetzt beneide ich Sie darum, diesen Mann gekannt zu haben. Langsam, wie ich arbeite (Sie lachen, vor dem Kunstwerk verlier ich wahrhaftig das à vapeur) hab ich mich jetzt durch die ersten zehn Jahre des Velázquez durchgedacht, bis zu der ersten Reise nach Italien. Nun kommen die Mannesjahre, die „Belagerung von Breda“, die großen Reiterbilder, eine harte harte Nuss. Die „Belagerung von Breda“ gleicht der nur ein paar Jahre später entstandenen Nachtwache an Bedeutung und ist im Grunde gleich schwierig für uns wie diese. Die späten Velázquez, die „Hilanderas“ und die „Meninas“ haben die Schönheit der „Staalmeesters“. Und manche dieser Bilder haben auch die Seele wie späte Rembrandts. Ich weiß nicht, ob Sie nach der Astrologie fragen werden. Ich muß gestehen, daß ich noch nicht wieder in den Bibliotheken war, aber gehe dieser Tage wieder in die Nacional freilich ohne sehr grosse Hoffnungen. Heute war ich beim Botschafter um Empfehlungen für den Escorial. Das wird gehen, aber es bleibt eben alles doch nur Rekognoszierung. Heute hab ich Professor Obermeyer gesprochen, den Praehistoriker der hiesigen Universität, der will mit Asin Palacios sprechen. Vielleicht geht das. In der Enciclopedia Espasa ist ein sehr guter Artikel über spanische Astrologie. Ich will herausbekommen, wer ihn geschrieben hat und mich mit dem Mann in Verbindung setzen. Das Alles ist hier wie in Süd-Italien. Es gibt Eigenbrötler, die alles wissen nichts publizieren, deren Namen man heraus bekommen und an die man sich Empfehlungen verschaffen muß. Dann geht alles. Und man braucht Zeit, viel Zeit auf diese Weise. Aber man käme an sein Ziel, das bin ich überzeugt. Wie schön wäre ein Katalog der astrologischen Handschriften! Es ist doch schade, daß ich Meyer nicht mit habe. Mit ihm hätte ich ihn doch jetzt machen können.
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Wissen Sie übrigens, daß Ihr Lehrer Justi im I. Band des Velázquez ein Kapitel Theater und Gemälde hat, worin er von der Aufführung des PERSEUS von Calderon berichtet? Morgen ist Sonntag und ich gehe weder in den Prado noch sonst wohin. Und ich lese auch nichts außer Justi (spanische kunstgeschichtliche Bücher lese ich schon ganz leidlich, Gott sei Dank, mich hat ja diese Sprache so geärgert). Ich will ins Gebirge fahren. Madrid liegt über 600 m hoch, bis über 1200 geht die Bahn ins Gebirge. Es wird viel Ski gefahren hier. Montag fahr ich bibbernden Herzens zum ersten Mal nach Toledo. Wie wird wohl dieser Greco in Wirklichkeit aussehen? Ob wohl bei Ihnen und in der Bibliothek alles ordentlich geht? Ich bin schon bald zwei Wochen weg. Mir sind sie wie im Flug vergangen. Paris war zauberhaft in seinem Reichtum und seiner Lebendigkeit, Velázquez ist großartig in seinem Suchen. Sehr herzlich Ihnen in alter Sternenfreundschaft Gutes wünschend Ihr Saxl 2/4/ 27. [Queres P.S.] Wann hat Ihr Bruder Max 60. Geburtstag? Der Botschafter hat mich gebeten, es ihn wissen zu lassen. Nach der Statistik der Botschaft ist Madrid um 2/3 teurer als Deutschland. Dann waren die gekauften Bücher nicht teuer.
3. Brief von Warburg, Hamburg, an Saxl, Madrid, 06.04.1927, Schreibmaschine, 2 Folio, recto und verso Carissimo Don Federico, Um das Geschäftliche vorauszuschicken – mein Bruder Max wird am 5. Juni seinen 60ten Geburtstag feiern. Mit Ihrer Karte und Ihrem Brief haben Sie mir wirklich grosse Freude gemacht. Ich kann mir nichts Lieberes denken, als dass Sie unter mächtig packenden neuen künstlerischen Eindrücken stehen. Eine solche innere Auffrischung war Ihnen längst nötig, und ich freue mich auf Velázquez-Gespräche. Dass Sie bei dieser Gelegenheit meinen verehrten Lehrer Justi in der ganzen prähistorischen Wucht seiner synthetischen Gelehrsamkeit erfahren, ist eine besonders schöne Zugabe. Ich kann mir gut vorstellen, wie Sie das spanische Ozon zu sich nehmen, das ich freilich Ihrer Pension zu bemisstrauen mir erlaube, und Ihnen deshalb gestern telegrafiert habe. Ich weiss ja, dass Sie auf Reisen den Bohemien-Mimikristen zu überwinden haben,
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hoffe aber, dass die Anfechtungen quadratim abnehmen. Auf die Stelle über Calderon hatte ich, als ich vor 30 Jahren das Buch von meiner „Tante Käthe“ geschenkt bekam, nicht geachtet. Gibt es keine alten illustrierten Calderonausgaben? Der Maler Baccio del Bianco ist mir schon als Festaiuolo begegnet. Es wäre sehr schön, wenn Sie in der Zeichnungssammlung irgendetwas an Entwürfen feststellen könnten. Sollten Sie sehen, dass mit ein paar Tagen länger mehr zu erreichen ist, so bleiben Sie unbedrückt noch etwas weg. Ich werde allerdings spätestens am 2. oder 3. Mai auf vier Wochen nach Karlsbad müssen. Im Übrigen beunruhigen Sie sich nicht mit der Idee, dass Sie mehr hätten sehen müssen; wir haben ja verabredet, dass Sie diese spanische Reise als Rekognoszierung ansehen wollten. Uns geht es hier recht betriebsam und recht erfreulich. Mein physisches Befinden könnte etwas besser sein, und unsere Vitamina wird es sich auch wohl gefallen lassen müssen, von der guten Fräulein Samson zu konsistenterer irdischer Nahrung ermahnt zu werden. Ich passe aber auf, denn sie hat jetzt wirklich ein Höchstmass von Arbeit zu leisten. Mir macht es Spass, etwas mehr mit dem Lesesaal zu tun zu haben. Fräulein Wegener, die aus Freiburg herkommen wollte, ist eingetroffen und erweist sich als eine sehr sympathische und intelligente Person, die von mir in Greiffragen betreut wird. Klibansky leuchtete in der Abschiedsgloriole eine Entdeckung – er wollte die Weltanschauung des Cusanus auf den neun Arazzi der Teppichfolge de l’Honneur entdeckt haben, die sich in Madrid (im Prado) befinden. Beim näheren Zusehen erwies sich aber, dass dies eine gänzlich in der Luft schwebende Hypothese war, wobei Alanus ab Insulis mit seinem Anticlaudianus als Quelle hervortrat (Wagenbau) worauf ich durch Ihre Forschungen gekommen war. Sehen Sie sich nur ja die Arazzi an, es erscheinen dorten seltsame astrologische Kombinationen. So ist auf dem Teppich Trumpf Ratio oben rechts Prometheus im Zeichen der Libra oder Jungfrau in ganz leidenschaftlicher Vorwärts-Bewegung abgebildet. Merkwürdigerweise fand ich im Marcellus Palingenius „Zodiacus Vitae“ den Prometheus an derselben Stelle angeführt; für Klibanskys jugendliche Überschätzung seiner eigenen Kenntnisse ist charakteristisch, dass er diesen Marcellus Palingenius, der doch zu den bekannten Quellen der astrologischen Vorstellungen gehört, als süsses Geheimnis in seinem Busen barg und dennoch nicht diese naheliegende Kombination versucht hatte. Er ist ja ein trefflicher kleiner Kerl, hat aber meines Erachtens vom Odenwald her bei der Schlagseite zu viel Segel gesetzt; er wird sich dennoch, wenn ein alter erfahrener Steuermann am Ruder steht und ihn von Zeit zu Zeit anpfeift, zurechtlegen und Kurs halten. Von Dr. Lilienfeld erhielten wir von San Francisco einen besonders liebenswürdigen und verständnisvollen Brief. Er will sich nur in einer kurzen Einleitung
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zu einer Ausstellung, die in der „Chemnitzer Kunsthütte“ (was es alles für bodenständige Protuberanzen gibt.) im Frühjahr stattfindet, dazu äussern und will ferner in ungewöhnlicher Noblesse sein ganzes Material Törnell zur Verfügung stellen. Törnell selbst steckt im richtigen Arbeitsfieber drin, ein feiner Jagdhund, der vor übergrosser Empfindlichkeit am ganzen Körper zittert. Gestern war der Verleger Reichl aus Darmstadt hier, doch ein ziemlicher Trottel. Er wollte bei mir Auskunft darüber haben, ob kosmologische und okkultische Einzelpublikationen aktuell wären, und hat bereits einen Fernheiler, der ihm auch sehr gut gegen Kopfweh geholfen hat, vermittels dessen auf die Reise mitgenommenen Photographie zu einer abgemachten Zeit mit Erfolg konsultiert. Ich habe diesen läppischen Leuchter, der höchstens ein Monstra Nachtlicht ist, sehr kollegial und ernsthaft behandelt und ihm mit den „Petits Faits“ unserer Bibliothek bis an die Nase vollgestopft. Von mir wollte er zu Much gehen, der ihn im Augenblick mit Weltanschauung beliefert. Ich habe mir erlaubt, ihm ganz trocken diesen Propheten muchelich zu machen, so dass er mit dem Gefühl abgezogen ist, stark beschädigte Ware zu beziehen. Much ist tatsächlich hier in Hamburg das andere Zentrum für Weltabschauung, woraus man sehen kann, wie nötig wir sind. Von Rosenthal ist eine sehr sorgfältig ausgewählte, wenn auch sehr teuere Sammlung von Ovidausgaben unterwegs (etwa 40 Stück), die wir jedenfalls bis zu Ihrer Rückkehr hier lassen wollen. Ein grosses französisches Werk über Teppiche, von Demotte, haben wir nach heftigem Würgen und Preisdrücken erstehen müssen – es kostet Mark 600.– enthält aber wirklich unglaublich schöne und unentbehrliche Reproduktionen. Heute Abend hat sich Senorita Bingia mit Fräulein Dr. Reichhard zu Massary-Pallenberg verabredet. Ich bin neulich auch in dem Stück gewesen und finde diese Kunst wirkliche Kunst. Vielleicht kommt es durch das Alter – was mir auch egal wäre – aber ich kann jetzt dieses grundsätzlich Chaotische und dieses Caressieren des nur Natürlichen nicht mehr als Offenbarung ansehen; der – meinetwegen Kitsch der Duscha bleibt doch ein Seelenstück, während das übelriechende Weiberfleisch von Dix kein Anrecht auf die Aufmerksamkeit menschlicher Kunstsucher hat. Mit dieser Konfession banaler Wahrheiten schliesse ich die Epistel an Don Federico. Ernten Sie weiter, damit ich auch eine Handvoll in meine Raufe kriege. Herzlichst, mein Lieber Ihr alter Warburg
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(Zugabe nur als Seite eines Durchschlags vorhanden, datiert oben rechts mit 6. April 1927) Ihr Hinweis auf den „Perseus“ Calderons trifft in der üblichen glücklichen Manier des Saxlpfeils mitten in mein wissenschaftliches Herz. Auf Deutsch: ich möchte natürlich jetzt gern, dass Sie sich in Madrid umtun, ob erstens an irgendeiner Stelle Entwürfe für höfliche Festlichkeiten in irgendeiner Form erhalten sind. Da auch Lope de Vega eine „Fabula di Perseo“ und eine „Andromeda“ herausgebracht hat, so scheint es doch nicht ganz aussichtslos, frühe illustrierte Ausgaben zu finden, eine Hoffnung, die ich in Bezug auf den „Perseus“ des Calderon zunächst caressiere. Ob es irgendwie zweckmässig wäre, im Staatsarchiv nach solchen Berichten zu suchen? Ich möchte eigentlich nicht, dass Sie die Zeit diesmal mit solchen Recherchen verschwenden. Nur bringen Sie vielleicht heraus, an wen man sich in Madrid mit solchen Schmerzen am besten wenden kann.
4. Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, Madrid, Calle de Velázquez 25, Pension Bergen, 07.04.1927, handschriftlich, 6 Folios recto Lieber Herr Professor Ich ärgere mich im Augenblick sehr und schreib daher auch auf so ungebührlich kleinen Zetteln. Auf irgend einem Umweg habe ich erfahren, daß Herr Professor Sanchez Perez hier – wie ich schon durch irgend eine Publikation wußte – über Geschichte der Mathematik in Spanien arbeitet. Gestern war ich bei ihm, er war nicht da, sein Assistent hat mir sein Material gezeigt: ich war erschlagen, das war das Material. Der Mann macht einen neuen Houzeau-Lancaster und hält beim Buchstaben D, hat die Handschriften durchgearbeitet. Heute war ich wieder da, habe ihn selbst gesprochen. Zugeknöpft bis an die Haare, ja es gibt illustrierte Handschriften, man muß sie suchen, Antolín, Katalog der Handschriften des Escorial. Nach 40 Minuten bin ich weggegangen, ohne auch nur eine einzige Signatur. Nun, ich glaube nicht, daß ich aus Herrn Perez etwas herausbekomme, bevor er publiziert. Ich halte es aber doch für richtig, wenn Sie so gut sind, ihm mit Bezug auf unser Gespräch den 1. Band Vorträge mit dem Picatrix zu schicken. Perez ist Mathematiker und sieht in der Astrologie einen bloßen Unsinn, das schadet aber nichts. Sobald ich von meinem Katalog noch ein Exemplar habe, gebe ich ihm eines. Bitte telegraphieren Sie doch an Winter,
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er möchte ihm vorsichtshalber noch 3 Exemplare schicken. Sehr schlecht seien die Aussichten in Toledo, sagt Perez. Das Dom-Kapitel läßt nicht in die Bibliothek! Der Botschafter läßt mich schon auf die Empfehlung für den Escorial vier Tage warten, ob ich da noch für Toledo diesmal das Richtige herausschlage, weiß ich nicht. Für die Zukunft liegt also die Sache so: man muß ganz ruhig in Hamburg die 7 Bände Antolín von A-Z lesen und sich dann nach dem Escorial setzen und sämtliche Manuskripte ansehen, ob sie Illustrationen haben, genau wie im Vatican und Wien. Das ist nicht schlimm in den Herbstferien durchzuführen, wenn die Wissenschaftliche Stiftung die Mittel gibt oder die Notgemeinschaft. Viel schlechter liegt die Sache hier in Madrid, wo man nur den dreckigen Index von Gallardo hat. Gallardo hat sich für Literarisches und Historisches interessiert, aber doch nicht für die verachtete Astrologie. Und ausser diesem Index von Gallardo gibt es keinerlei Hilfsmittel. Das Scheußliche ist, daß irgendein Teufel von Bibliothekar die alten Fonds aufgelöst hat, bald stehen ein paar Astrologica bei der Signatur Aa beisammen, bald bei L usw. Das ist das eigentliche Unglück. Sowohl im Vatikan als in Wien, als auch, glaube ich, in München sind die alten Fonds in der alten Wissenschafts-Aufstellung beisammen geblieben. Die Biblioteca Nacional hoffe ich diesmal in gewisser Beziehung fertig machen zu können. Sowie ich Meiers Auszüge habe, gehe ich ans Bord und suche, welche illustriert sind. Das geht nämlich bei der hiesigen „Ordnung“. So böse ich also über Perez bin, bin ich doch durch ihn wenigstens sicher, daß es illustrierte Handschriften gibt. Und sehr wichtig war mir schließlich die Mitteilung, daß der Katalog von Antolín vollständig ist. (Doch glaube ich das noch nicht ganz.) Denn damit ist das Ganze zu einer Fleiß-Aufgabe geworden und den Fleiß habe ich noch, ein paar Bände Handschriften-Katalog zu lesen. Mit Herrn Perez habe ich die ersten wissenschaftlichen Gespräche auf Spanisch geführt, ein Vergnügen ist das nicht, aber es geht. Ich glaube nicht, daß ich nun, so ich weiß, daß es via Antolín geht, noch versuche, auf persönlichem Weg hier diesmal etwas zu erreichen. Ich lasse mich nicht gern von Herrn Perez belehren, daß eben Fleiß dazu gehöre, die Handschriften zu finden. Und dabei hat der Mann, während er das sagt, seine ganzen Auszüge neben sich stehen in Form zweier großer Zettelkästen! Anders mein Velázquez. Die Bilder hängen ausgezeichnet und wenn man so Tag um Tag stundenlang da sein und sie befragen kann, erzählen sie Wunderbares. Velázquez malt dreissig Jahre für denselben Hof, lebt diese dreissig Jahre immer unter seinen Bildern und formt diese dauernd um, übermalt die Jugendwerke im Alter, oder kopiert in den Mannesjahren seine eigenen
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Frühwerke, mit einem Wort er arbeitet im Grunde dreissig Jahre langsam an denselben Problemen, und wer die Bilder genau genug betrachtet, erlebt dieses wunderbare Schauspiel, wie das Genie seine Gedanken stets um- und neuformt. Ich hab natürlich von all den Dingen keine Ahnung gehabt, und ausserhalb Madrids kann man sie auch gar nicht kennen lernen. Denn nur die Bilder, die hier sind, sind diejenigen, die Velázquez immer um sich gehabt hat. In den ersten Tagen hab ich das Alles nicht gesehen, es gehört dies dauernde und ruhige Sich-Einsehen dazu, um von jedem Strich sagen zu können, ob er alt oder neu ist. Aber nun denken Sie sich, wie schwierig die Datierungsfragen da sind. Aber immer wieder bewunder ich Justi, diese Vereinigung von Sehen und Verstehen können. Daneben kommt man sich ganz dumm vor (wenn auch lange noch nicht so wie die A. L. Meyers.) Ich habe mich sehr gefreut, zu hören, daß Sie die Indianer Sache wieder vorgenommen haben. Sie wissen, wie ich den Indianer Vortrag liebe, wie lebendig mir die Cleo Jurinos geworden sind. Ich habe damals in Kreuzlingen mehr gelernt, als sonst in Jahren. Ich bin in alter Verehrung Ihr Schüler N.B. Bitte lassen Sie an Dr. Moldenhauer Centro de Intercambio Intelectual Germano Español, Madrid, Fortuny 15 entweder nur unsere Vorträge oder alle unsere Publikationen schicken. Die Leute haben eine Bibliothek und es kommen die Germanophilen-Spanier der Universität hin. Für richtig hielte ich es, auch an Dr. Hugo Obermaier, De la Real Academia de la Historia, Cate dratico (das heißt einfacher Professor) de la Universidad de Madrid, Alcala 143, den 1. Band zu schicken. Obermaier ist Deutscher, Geistlicher, Professor der Urgeschichte hier an der Universität und der Haupt-Verbindungsmann zur Botschaft, dem Centro etc. Bitte schreiben Sie mir doch mal ein Wort, wie es Ihnen bei der neuen Diät geht. Sehr gerne komme ich nicht zum Schlosser Vortrag zurück. Ich brauche zum Kolleg noch ausser Velázquez den Greco, Ribera und Tintoretto. Ich werde aber doch schon mit dem Velázquez nicht fertig! Aber ich bin schon so dankbar für diese Tage jetzt des Sich-Einlebens und immer Näher-Kommens an den einen Velázquez.
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5. Brief von Saxl, La Granja, an Warburg, Hamburg, 18.04.1927, handschriftlich, 1 Folio recto und verso Lieber, guter Herr Professor Ich hab mich sehr sehr über Ihren Brief gefreut, den ich mit Aufregung erwartet hab. Über die Arbeit kann ich nicht klagen. Es scheint mir zu gelingen, was ich gehofft hatte, hier auch das Bild des XVII. Jahrhunderts auf der Kehrseite der Medaille zu erkennen. In Holland sitzen die Sieger, hier die Besiegten. Olivares dessen Reiterbild ein Höhepunkt des Schaffens von Velázquez im Mannesalter ist, ist der Leiter jener spanischen Politik, die zum Zusammenbruch der spanischen Macht geführt hat. Und nun die Rolle Italiens, der Mutter der Künste: seine Kunst ist die Quelle der Kunst der Sieger wie der Besiegten. Wie es von Caravaggio zum frühen Rembrandt führt, genau so zum frühen Velázquez. Wie von Tizian zur l’art officiel des späteren Lievens, genau so zur spanischen. Nur eines, oder dies vor Allem ist grundverschieden: in Spanien haben die Herrscher Velázquez beschäftigt, die Heeren in Amsterdam haben Rembrandt nicht verstehen können. Das ist doch wohl durch die ältere Kultur der Höfe zu verstehen. Es ist hier genau so in dieser Beziehung wie in Italien. Scheußlich ist der Zustand der Velázquez Literatur. Da gibt es zwei Typen: den Archiv-Forscher und den Connaisseur. Seit Justi hat niemand Ernsthafter die Sache versucht. Es gibt wichtige Aufsätze, die stecken irgendwo in Zeitschriften, die doch kaum in Berlin sein werden. Ausserdem spielt diese Forschung in lokalen Ausstellungs-Katalogen, die, wenn sie zu kaufen sind, auch eklig teuer sind. 30 Mark ein Katalog der Ausstellung spanischer Kinderbilder, in dem natürlich das vor-Velázquez Kinderbild in Abbildungen vergraben ist u.s.w. Gestern war ich in der Bibliothek der hiesigen historischen Gesellschaft, diese Lückenhaftigkeit ist für unser Denken unverständlich. Unter den 1020 Bänden Klassiker der Kunst, die sie haben, fehlt Velázquez. Es fehlt Justi, Velázquez, der sogenannte systematische Katalog ist so, daß man Alles einfach durchblättern muß, weil die Bücher gleichen Inhalts nicht beisammen stehen u.s.w. Aber wenn ein Deutscher wie von Loga versucht in die Forschung mal Leben zu bringen, ist man rasch national beleidigt. So gut Justi auch kunsthistorisch für die frühen Jahre des Velázquez ist, so wunderbar als Historiker für die Spätzeit, so läßt er doch für diese Epoche vollkommen als Kunsthistoriker im Stich. Die Bilder des späten Velázquez sind so „flüchtig“ gemalt, weil ihm sein Hofamt so wenig Zeit zum Malen gelassen hat!! Das steht tatsächlich, und sogar wiederholt bei Justi. Ganz neu war mir, welche Riesen-Rolle die Darstellungen zu den „Metamorphosen“ hier in der Mitte des 17. Jahrhunderts gespielt haben. Ich glaube
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kaum, daß es in Italien ebenso viel Darstellungen in jener Zeit gab. Ein ganz besonders schönes und völlig eigenartiges Bild des späten Velázquez stellt Mercur und Argus dar. Es läßt sich in seiner Wildheit und Besonderheit nur mit den späten Rembrandts vergleichen, in der Pracht der Farbe ist es aber ganz Venezianisch. Justi hat im 2. Band ausführlich über diese „Metamorphosen“ Illustrationen gehandelt. Der „Raub der Proserpina“ hier und der „Perseus“ von Rubens sind schon auch besonders gute Bilder. Es ist schon dumm, daß gute Bücher schreiben so schwer ist und mittelmässige ganz überflüssig. Aber ich schriebe schon gern einen Velázquez. Natürlich müßte man die Londoner und die Wiener Bilder auch sehen und den Innozenz in Rom vor Allem, ohne den die ganze Entwicklung der Spätzeit kaum zu verstehen ist. Und dann müßte man die Neapolitaner und die römischen Caravaggios wiedersehen und die venezianischen Bilder, die Velázquez so genau sich angesehen hat und zum Teil kopiert hat und dann und dann ... und dann ... ins Unendliche. Die Kunst ist eben, wie jeder weiß, ein komplexes Gebilde. Aber bitte, beunruhigen Sie sich nicht, ich schreibe keinen Velázquez oder erst in zwanzig Jahren. Ich habe diesen Brief zwei Tage herumgetragen und da kommt heute die neue Auflage des Velázquez der Klassiker der Kunst. Nein, ich schreibe bestimmt keine Zeile darüber, wenn sich Material und Ansichten von der 1. bis zur 4. Auflage so verändert haben. Nun hab ich gemeint, daß ich schon so gescheit bin und da kommt ein so viel gescheiter sein wollendes (und zum Teil wohl auch seiendes) Buch. Heute und gestern bin ich tagsüber nicht in Madrid, gestern in einem kleinen, seit dem Mittelalter stehen gebliebenen Nest, Avila, und heute im Escorial. Dies Sterbezimmer Philipps II. mit dem Blick auf den Hochalter ist etwas, dessen Art man sich nicht entziehen kann. Und diese wunderbaren, harten Bilder des 70jährigen! Aber ob Mittelalter oder Renaissance, ob spanische romanische Künstler oder herbeigerufene Zuccaros, es bleibt alles hart wie die Landschaft. Und das Klima. Gestern in Avila, das über 1100 m hoch liegt, gab es richtigen, dichten Schnee neben fast heisser Sonne. Ich bin schon sehr begierig morgen mit dem neuen Velázquez Band bewaffnet in den Prado zu ziehen, all diese Neudatierungen, Zu- und Abschreibungen zu überprüfen. Nächstens muß ich nur mal sehen, nach London und Wien zu kommen. Da gibt es unbezweifelt 21 Velázquez, das ist Kolossal, bei der geringen Anzahl, die es überhaupt gibt. Aber ich hoffe auch hier mir ein verläßliches Bild von Velázquez bilden zu können, soweit man das eben im Augenblick überhaupt kann. Heute habe ich im Escorial ein prunkvolles „Quos Ego“ für Sie gesehen. Ich schicke Ihnen morgen das Buch, in dem
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der Teppich abgebildet ist. Einen ganz besonders interessanten Neptun fand ich auch bei Tizian. Die Fotografie hab ich schon längst bestellt, aber noch nicht bekommen. Sehr sehr herzlich und dankbar wie immer und Ihnen Allen recht fröhliche Ostern wünschend bleibe ich Ihr aller Saxl Montag 18/4 Im Panteón de los Reyes sind nicht nur die Särge der verstorbenen Könige, sondern auch schon die der künftigen.
6. Postkarte Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, 21.04.1927, handschriftlich, 1 Folio recto und verso (Ansicht Madrid – Fuente de la Cibeles) Lieber Herr Professor! Schönen Dank für die Osterkarte, die ich als Zeichen eines halbwegs guten Befindens und Humors hoffe ansehen zu dürfen. Die Fotos der Zeichnungen sind noch nicht fertig! Aber ein kleines Stück weiter sind wir. Denn ich habe eine Bibliographie des spanischen Festwesens ganz ausführlicher Art, zum Teil mit Inhaltsangabe gefunden von 1903 und für 10 Pesetas sogar kaufen können. Ausserdem fand ich, daß die mehrere tausend Stück umfassende Sammlung von Theaterstücken der National Bibliothek katalogisiert ist und zwar nicht nach Autoren sondern Stücken. Auf den ersten Blick fand sich nichts für Sie, ich will aber sehen, ob ich den Band zu kaufen bekommen kann. Den brauchen wir. Bitte lassen Sie besorgen: Martin Hume, The Court of Philip IV, entweder London 1907 oder Paris 1911. Da ist Fest-Material drin. Ich habe noch immer nicht von der Botschaft die Einführung für den Escorial! Morgen bin ich in der Kapitel-Bibliothek in Toledo. Herzlichst und dankbar Ihr Saxl (ausgerechnet Stand ursprünglich vor Buen Retiro, heute am „Stefansplatz“ von Madrid, so daß man dauernd an diese Gottheit erinnert wird.) Bitte einen Band I Vorträge an: Don Francisco Javier Sanchez Cantón, Madrid, Museo del Prado. Er hat mir eine sehr gute Arbeit von sich über die Bibliothek des Velázquez geschenkt. Velázquez besaß relativ viel Astrologica.
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7. Brief Warburg, Hamburg, an Saxl, Madrid, 22.04.1927, Schreibmaschine, 4 Seiten recto Mein lieber Saxelino, Ich habe Ihnen heute Morgen telegraphiert, dass Sie doch Menendez Pidal und Asin Palacio aufsuchen. Dass der Letztere für unsere astrologischen Untersuchun gen von Bedeutung ist, wird Ihnen gewiss schon längst klar gewesen sein. Aber was Menendez angeht, so bin ich auf dessen Bedeutung für uns durch die dreibändige dicke Festschrift gekommen, die zu seinen Ehren 1925 publiziert wurde. Das Buch kostete Mark 127.– und war, wie sie sich vielleicht erinnern, ein harter Bissen. Wir haben aber richtig gefunkt. Solche Festschriften, die wir ja eigentlich, wenn wir nach Schema F vorgingen, als Anschaffungsobjekte für grosse Staats-Bibliotheken abschieben dürften, sind doch, der konventionellen Meinung zum Trotz, geradezu als Handbücher unentbehrlich, weil sie den Treffpunkt der besten Sucher auf einem Forschungsgebiet darstellen, sodass man in die Region der Versuche und neuen Witterungen geführt wird. So enthält z.B., was Sie besonders interessieren wird, die Festschrift Band III, S. 379– 406 eine Studie über die Bibliothek von Velázquez von Sanchez Cantón (er besass von Poeten nur den Horaz und Ovid in spanischer Übertragung und ganz wenig Andachtsbücher, dagegen eine ganze Reihe von kosmologischen Werken, was man auch nicht erwartet hätte.) Sodann aber ist in Band I ein Aufsatz von Pierre Paris „La Mythologie de Calderón“. Pierre Paris scheint Lehrer an der École des Hautes Études in Madrid (?) zu sein. Seine Gelehrsamkeit ist freilich nicht allzu gross, denn obgleich er den Roscher kennt, sagt er auf Seite 561, Flora käme, soweit er wisse, bei Ovid nicht vor (!?) Aber er gibt ein Zitat, das für Sie sehr interessant sein wird. Der Traktat über die Götter, den die Spanier wie ein Handbuch benutzten, was das „Teatro de los dioses de la gentilidad“, p: Fr: Baltasar die Vitoria, 1648 (womöglich existierte schon eine frühere Auflage). Vielleicht versuchen Sie, das Buch für uns aufzutreiben oder jedenfalls einzusehen und festzustellen, ob es illustriert ist. Vielen Dank für die herrliche Photographie nach dem Tizian, die ich heute Morgen erhielt. Der Neptun ist ein Prachtexemplar. Wir müssen für die Bibliothek auch die Abhandlungen und Ausgaben von Marcelino Menendez y Pelayo haben, besonders „Calderón y su Teatro“, Conferencias, Círculo de la Universidad, Madrid 1884. Auch seine Gesamtopera, die von der Spanischen Akademie herausgegeben werden, müssen wir besitzen, besonders Band VI. Wie ich schon gestern schrieb, habe ich in Modena bereits um Kopien der Berichte von Ottonelli gebeten. Da ich bisher keine Antwort habe, nehme ich an, dass die Kopien bereits in Arbeit sind. Sollten sich irgendwelche Schwierigkeiten ergeben, tele-
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graphiere ich Ihnen. Die Empfehlung an Bauer wird unterdessen in Ihren Besitz gekommen sein und ich hoffe, dass Sie energisch davon Gebrauch machen. Fräulein Bing und ich haben gestern unser Programm für 1927/28 bebrütet. Es darf unter keinen Umständen zu wenig Anschaulichkeit dabei herausspringen. Preuss wird ja Bilder zeigen und Fischel denke ich zu schreiben, dass er sich auf Inigo Jones stürzt. Da dessen Entwürfe jetzt in sehr schönen Publikationen vorliegen, sehe ich keine Schwierigkeiten und wir erhalten auf diese Weise unter allen Umständen historisches und anschauliches Material. Die Verbindung mit Italien lässt sich durch meine Kostümfiguren ebenfalls in ungewohnter Deutlichkeit vor Augen stellen. Fräulein Bing meinte, ob wir nicht auch Gundolf heranziehen wollten, um etwas Shakespeare und die Antike zu behandeln. Das wäre, freilich wiederum auch ohne Bilderbeigabe, auch eine Idee. Dass wir Bertram aus Köln über Nietzsches Vorstellungen von der griechischen Tragödie sprechen lassen, hat aus denselben Gründen manches gegen sich. Ausserdem müsste ich vorher wissen, wie Bertram spricht, was ich ja z.B. durch Hashagen erfahren kann. Ferner bleibt zu erwägen, ob wir nicht Hermann-Berlin, den Bahnbrecher auf dem Gebiet der Theatergeschichte, der sicher mit Bildern sprechen kann, heranziehen. Dann müsste wohl unser hiesiger P. dran glauben, obwohl ein Thema wie etwa Goethes szenische Entwürfe zum Faust uns wenigstens wunderbares Anschauungsmaterial einliefern würde, nur kann man sich nicht dafür verbürgen, dass der Begleittext selbst diese Fülle ausdörrt. Wir hätten also bisher Preuss, Geffcken, Regenbogen, Voss, Fischel, Cassirer, das heißt wir müßten eventuell neun Mal sprechen lassen, was ich ungern tun würde. Sollte ihnen diesbezüglich etwas zwischen der einen Olive oder der anderen einfallen, so gönnen Sie uns eine Randbemerkung. Herzlichst von allen grüßend Ihr alter Aby Warburg
8. Brief Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, 01.05.1927, handschriftlich, 4 Folios recto Lieber guter Herr Professor Ich hab ja eigentlich nicht gern, wenn man mir Kolleg vorwegnimmt, aber Sie haben natürlich ganz das Richtige getroffen: das Charakteristische hier ist dies nebeneinander von Askese und Weltlust (natürlich haben Sie das viel richtiger ausgedrückt als ich). Hinzu kommt als drittes Element die auch im Alltäg-
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lichen lebendige feste Form. Eine erstaunliche Vielheit, die aber im Charakter des Ganzen hier steckt. Velázquez ist ja das typische Beispiel. Er beginnt mit Caravaggio, schwarze und dunkelbraune Bilder, harte, häßliche Köpfe, starre Madonnen, völliger Ernst der Anbetung, er schildert in den frühen Porträts entschlossene, tief ernste Männer. Dann lernt er Rubens kennen und Form rundet sich, die Schatten werden leuchtend, ein neues Leben erfüllt alle Gestalten. Aus den ernsten Betern sind Condottieres geworden. Und es schließt Velázquez in einer leidenschaftslosen, ganz unasketischen Darstellung schöner Wirklichkeit. Das Merkwürdige ist, daß Greco den umgekehrten Weg geht. Greco beginnt als tizianesker Schilderer der schönen Farbe und löst sich in den langen Jahren seines Werdens von aller bloß schönen Farbe, von aller sinnlichen Plastizität und gelangt so zu einer weitgehend abstrakten Symbolisierungskunst der Darstellung des Religiösen. Greco ist mir ja nicht so klar geworden wie Velázquez. Aber an ihm hoff ich jenen Kampf zwischen dem harten Asketisch-Wirklichen und dem Rubenshaft-Lebensbejahenden darstellen zu können und zu zeigen, wie in den Spätwerken es dann zu einer Formung des Alltäglichen kommt, die von beiden verschieden, Resultat eines neuen Idealismus ist. Gerade diesen Prozeß hab ich in all den Wochen klar darstellen zu können versucht und darum ärgert es mich, daß Sie so mir nichts, Dir nichts in Hamburg die Erkenntnis aus dem Ärmel schütteln. Es ist ganz ausserordentlich schwer, Velázquez richtig und seiner Art gerecht zu interpretieren, die Hochachtung vor der malerischen Leistung beiseite zu legen und zu erkennen versuchen, wozu diese Anstrengung, zu der Leistung zu gelangen, gemacht wurde. Aber dies dumme hinauskommen. Velázquez ist ein Maler, aber er hat keine Seele, ist doch noch sehr viel schwerer als ich gedacht habe. Am deutlichsten wird mir die Seele eben noch, wenn ich jene Problemstellung, von der Sie schreiben, betrachte. Aber ich darf ja nichts sagen, ich habe doch von dieser Welt hier kaum noch was gehört und gesehen. Gerade zu Velázquez gehört die Kenntnis der Zeit. Erst wenn man die Menschen aus ihren eigenen Briefen und aus den Bildern anderer kennen wird, wird man wissen, was die Bilder des Velázquez bedeuten. Und wie hier alles Zeit kostet, mögen Sie aus dem Resultat meiner heutigen (4. Vierten!) Toledofahrt nach den Handschriften entnehmen. (1.) Fahrt: Bibliothekar nicht in T. 2) Besprechung für den 22. 3.) Bibliothekar nicht in Toledo) Heute war Herr Estella hier. Die Handschriften aber weltlichen INHALTS SIND AN DIE Biblioteca Nacional in Madrid abgegeben. – Man glaubt es nicht –
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Das hat der Man mir nicht schon beim Besuch Nummer 2 sagen können. Das einzige was ich gefunden hab, ist eine entzückend illustrierte ober-italienische Handschrift der Zeit und Gegend des Albrium (um 1420, aus der Gegend des Ausbuchs der Cerrutti) mit Darstellungen eines Streites des Januar mit den Monaten. Wiederum, wie im Cas. 1404 Erinnerungen an die Bühne: der Streit, die Trennzone, zwischen dem einen (Januar) und den anderen elf und die Versöhnung wird bildlich dargestellt. Ich könnte mir sehr gut denken, daß das mit irgend welchen Canti Carnavaleschi zusammen hängt. Heute Sonntag kam Ihr Brief mit den Fragen, wo die mythologischen Stücke abgedruckt sind. Der „Perseus“ des Lope de Vega im VI. Band der Akademie Ausgabe (Madrid 1890–1918), das von Justi zitierte grosse Festspiel von Calderon über Jason, Theseus, Herkules: „Los tres mayores prodigos“ in dessen comedias Part II, Madrid 1637. Ich schicke Ihnen morgen zwei Bücher, die Ihnen vielleicht nützlich sind, eines über Lope de Vega, das andere über „the Spanish Stage“. Vielen Dank für die Empfehlung an Bauer, die ich leider nicht benutzen kann. Bauer gilt hier als der finanzielle Vertreter Frankreichs und man machte sich bei allen Deutschen unmöglich mit einer Empfehlung von Bauer. Ich brauche ja auch keine mehr. Die Leute wissen tatsächlich nichts und nur systematische Handschriften-Suche kann da helfen. Hoffentlich geht es Ihnen mit Auge und Herz erträglich. Sie schreiben nie darüber. Morgen früh gehe ich nach der Biblioteca Nacional wegen der „Fiera“. Ihr alter Saxl Sonntag Abend
9. Brief Saxl, Hamburg, an Warburg, Karlsbad, 20.05.1927, Schreibmaschine, 7 Folios recto, Durchschlag Lieber Herr Professor, Ich habe etwas contre cœur begonnen, den nachstehenden Brief zu diktieren, bin aber dabei sehr in die Breite gekommen. L’appetit vient en mangeant. Der Brief ist ganz unwichtig, und wenn Sie keine Zeit oder Lust haben, ihn zu lesen, will ich Ihnen gern den unwesentlichen Inhalt hier erzählen. Ich habe heute früh eine sizilische Münze herausgesucht, von der ich hoffe, dass sie Ihnen gefällt, und nach Wien geschrieben, ob sie mir auch einen Abguß davon geben können. Der Lichtdruck bei Giesecke ist nämlich nicht sehr schön. Es ist ein Exemplar der Artusa-Münze. Das Buch über Gevaerts ist von Hoc und
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hat sich nach einigem Suchen in Ihrem Zimmer gefunden. Auf den Tafeln aus Oberbeck finde ich nur einen archaischen Neptun mit Viergespann und einen späten auf einem Zweigespann abgebildet. Da ich nicht weiss, welcher Ihnen besser passt, lasse ich von beiden Diapositive machen. Was nun Italien betrifft, so war gewiss die Zeit zu kurz, um die Dinge ganz klar herauszubekommen, die ich hätte herausbekommen müssen, nämlich vor Allem: wie verhalten sich die Jugendwerke des Greco zu den Werken seiner italienischen Umgebung. Greco ist im Atelier Tizians gross geworden, in dem Venedig des 70jährigen Tizian, Tintoretto und der Bassani. In Spanien befindet sich nahezu nichts aus der Jugend des Greco, wohl aber in Parma ein Bild, das an Ort und Stelle geblieben zu sein scheint; denn wir wissen, dass er im Schutz der Farnese in Rom und wohl auch in Parma gelebt hat, ja wir wissen sogar, dass erstaunlicherweise Fulvio Orsini sich für ihn interessiert hat. Ich bin daher zuerst nach Parma gefahren, wo ich wenigstens das eine Jugendwerk in Ruhe gesehen habe, und auch wieder die ganzen Correggios, ohne allerdings eine direkte Verbindung zwischen den spanischen Dingen und Correggio finden zu können. Aber wichtiger als dieses spezielle Kunsthistorische der ersten beiden Tage war etwas anderes. Die Reise längs der Riviera war sehr vergnüglich, wenn Sie wollen sehr interessant, man hat das Gefühl, in einem Land der Polarität katexochen zwischen Gut und Böse, zwischen arm und reich zu sein. Ich habe mich nirgends aufgehalten, sondern bin von Marseille in einem Zug bis Genua gefahren. Aber der Eindruck Genuas im Gegensatz zu Spanien ist geradezu überwältigend. Ich kam doch aus Barcelona, das eine wohlhabende Stadt mit sehr schöner Vergangenheit ist; „schön“ im ästhetischen Sinne gebraucht. Aber all dies Spanische hat auch nicht einen Funken jenes künstlerisch Grossen und doch zugleich Weichen, das das Italienische hat. Man ist überwältigt von der Kraft des italienischen Geistes, wenn man, von spanischem Boden kommend, Genua betritt und nun diesen Reichtum der Erfindung, diesen Reichtum der Formen und vor allem diese Freude an der Formung, diesen Sinn für das künstlerisch lebendige Aussehen der Strasse, des Hauses, des Hofes, des einzelnen Zimmers erlebt. Wenn man das einmal mitgemacht hat, dann erscheint es einem selbstverständlich, dass die Spanier und noch vielleicht in höherem Grade als die Deutschen, immer und immer wieder nach Italien tendiert haben, dass Philipp II. eine ganze Kolonie von Italienern im Escorial ansiedelte, um diesen auszuschmücken. Es steckt in dieser Architektur ein Sinn für Grösse, Proportion und Belleza, der dem Spanier restlos fehlt. Am nächsten Tag musste ich dann endlos hinaufbummeln von Spezia nach Parma, durchs Gebirge durch, also scheinbar durch eine Gegend, die noch mit der spanischen
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eher verwandt erscheint, als etwa die Landschaft der Terraferma. Aber es ist banal, das zu sagen – diese Landschaft ist genau in demselben Sinne von der Landschaft Spaniens verschieden, wie die Kunst. In all diesen Linien steckt eine Weichheit, ist etwas so ungemein Freundlich-Schönes, dass man aufatmet nach der Herbheit Spaniens. Was ich in Modena an Archivalischem gesehen habe, habe ich ja schon geschrieben. Kunsthistorisch war für mich vor allem in Modena das Porträt des Este von Velázquez interessant, das dort noch heute verwahrt wird neben der Büste desselben Herzogs von Bernini. Man wird vielleicht dem Velázquez-Bild von unserem Standpunkt aus den Vorzug geben. Es ist das Bild eines versonnenen, ernsten jungen Mannes mit dunklen Haaren, von einer wunderbaren Schönheit der Farbe. Bei Bernini ist es der Barockheros mit dem fliegenden Gewand, erfüllt von einer Bewegung, nicht von widerstreitenden Gefühlen. Es ist mir wieder einmal so richtig klar geworden, wie man Dinge nur an Ort und Stelle verstehen lernt. Es ist doch kein Zufall, dass heute noch dieses Velázquezbildnis und das des Bernini sich in Modena befinden, aber da ich mich mit Velázquez beschäftigt habe, fand ich natürlich in meinen Büchern über Bernini nichts, und so wäre mir niemals dieses Mittel des Vergleichs der Beiden zur Verfügung gestanden, wenn ich nicht eben in Modena gewesen wäre. Am nächsten Tag habe ich eine Dummheit gemacht. Ich bin durch Bologna durchgefahren, weil ich zu müde war, noch in die Galerie zu gehen und ich muss sagen, ich habe das schon herzlich bereut, denn wir kranken eben doch immer wieder daran, dass wir den Weg zu der Hauptschule des italienischen Seicento, zu den Bolognesen, nicht finden. So bin ich denn nach Venedig weitergefahren und habe mich dort recht und schlecht mit 1. dem späten Tizian, 2. Tintoretto und 3. den Bassani herumgeschlagen, bin sogar einen Vormittag hinübergefahren nach Bassano, das ist nur mehr 30 km von der Frontstelle entfernt, an der ich mich im Krieg so ruhmreich betätigt habe. Es ist nämlich unmöglich, ausserhalb Bassanos die Bassani kennen zu lernen, und da gibt es wirklich noch Überraschungen, z.B. dass es ein Bild der Bassanischule „Die Weberinnen“ gibt, das also genau dasselbe Thema behandelt wie der späte Velázquez. Was ich gesucht habe, war vor allem ein historisches Verständnis des grossen offiziellen Gemäldes von Velázquez zu erlangen, der „Belagerung von Breda“. Ich habe vor allem gebraucht, den Dogenpalast kennen zu lernen, den ich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte. Der Salone de los Reinos (Salon der Königreiche) in Buen Retiro, in dem ursprünglich jenes Schlachtenbild des Velázquez neben vielen anderen schlechten Schlachten hing, ist ja auch nur ein, man möchte eben doch sagen armseliger Nachhall jener grossen Ma-
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schinen des Tintoretto, der Bassani etc. im Schlachtensaal des Dogenpalastes. Auch hier ist man ja von dem Können und der Phantasie der Italiener völlig hingerissen. Diese Einheit von Wollen und Können gibt es in Spanien nicht, es ist ganz gleichgültig, ob ein italienisches Schlachtenbild im Einzelnen besser oder schlechter ist, denn das Ganze lebt nicht vom Einzelbild sondern lebt von seiner grossen architektonischen Form, die durch das schwere Gold der Rahmung und die Farben der Bilder gleichsam nur belebt wird. In all diesem Italienischen ist eine Leichtigkeit, die über die Unvollkommenheit des Einzelnen mit Recht völlig hinübersehen lässt, während im Spanischen dieser Mangel an Beweglichkeit alle Fehler der Schwachen besonders emportauchen lässt. Aber damit waren meine Breda-Studien nicht zu Ende, trotzdem ich es selbst am ersten geglaubt habe. Sie haben in Wien eine ganz überraschende Fortsetzung gefunden, die mich nun plötzlich wohin geführt hat? – zu niemand anderem als zu Gevaerts und zu Rubens. Die Wiener Velázquezbilder sind sehr schön, aber sie erfüllen einen nicht, wenn man von Spanien kommt, sie sind ausgezeichnet datiert und helfen kunsthistorisch; aber hier hat sich wieder einmal gezeigt, wie die historischen Zusammenhänge plötzlich einem die Kunsthistorischen erhellen helfen. Ich gehe nichts ahnend durch die Rubenssäle, die ja eben historisch mit Recht in Wien neben den Velázquezsälen stehen, da beide aus dem Patrimonium der Habsburger stammen. Auf einmal sehe ich, scheinbar zum ersten Male in meinem Leben mit Bewußtsein, ein riesiges Bild der Spätzeit des Rubens, märchenhaft gemalt: die Begegnung des Königs Ferdinand von Ungarn mit dem Infanten Ferdinand. Nun habe ich in irgendeiner Notiz gelesen gehabt, was auf mich natürlich gar keinen Eindruck machte, dass das Breda Bild sich an diese Begegnungskomposition des Rubens anschliesst. Vor dem Bild war ich erschlagen von der Richtigkeit dieser Behauptung und nun mit einemmal konnte ich das Spezifische der Velázquezkomposition, dadurch dass ich sie an ihrem Vorbild Rubens messen konnte, so erfassen, wie es mir trotz aller Mühe in Madrid ganz unmöglich war. Ich glaube nicht, dass es ein besseres Beispiel gibt, um zu sehen, in welcher Weise das Spanische die europäische Art officielle des 17. Jahrhunderts umgewandelt hat. Noch aber wusste ich in Wien nicht, wohin eigentlich dieses Rubensbild gehört hat. Heute früh begann ich nun für Sie, das Gevaerts-Buch zu suchen und besah mir bei dieser Gelegenheit die Abbildungen des Introitus. Was sehe ich plötzlich an einem Triumpfbogen? Eben das Wiener Bild des Rubens. Mit einemmal sieht man nun den Salon de los Reinos eingestellt in das flämische Festwesen mit seinem Ohrmuschelstil, aber diesen gründlichst verleugnend, alles Dynamische in Statisches verwandelnd. Aus kunstgeschichtlichem Ärger bin ich dann noch eine Nacht hinübergefahren nach Budapest und mittags wie-
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der zurück, weil ich es denn doch unerträglich finde, dass man die Geschichte der Kunst des Velázquez auf Bilder aufbaut, die mit seiner Hand nichts zu tun haben. In Budapest war man sehr erfreut, und ich soll in der ungarischen kunsthistorischen Zeitschrift die Sache publizieren. Sie wissen ja aber, dass das nicht meine Leidenschaft ist. Ich täte es höchstens aus Anstandsgefühl gegen Velázquez. Lieber Herr Professor, entschuldigen Sie diese lange Epistel damit, daß Sie alles herausgefordert haben. Sehr herzlich Ihnen noch alles Gute für die letzten Tage wünschend bleibe ich Ihr Saxl P.S. Beiliegend mein Durchschlag an Sudhoff bezüglich Darmstädter.
10. Brief Warburg, Karlsbad, an Saxl, Hamburg, 22.05.1927, handschriftlich, 1 Folio recto und verso Mein lieber Saxelino, Obzwar ich ja bald in Hamburg zu sein hoffe, möchte ich Ihnen doch noch von hier sehr persönlich für Ihren ausführlichen Bericht danken, den ich gestern Abend empfing. Da ich gestern Abend früh zu Bett ging, schadet es nicht, wenn ich träge Morgen-Wachstunden zu meiner Antwort benutze. Ihr seelisches Erschütterungsgebiet war in Hamburg zu eng geworden: mein Wunsch war, daß Sie weiter über sich hinauswachsen: daß dies mit mordsmäßigen Anstrengungen verbunden sein würde, war mir bei der Art ihrer Reise-Dynamik klar; was schadet das im Grunde? Daß sie nun schließlich Italien und Spanien als stilbildende Mächte (Land und Leute) in leidenschaftlicher Intellektualität in ihrer vollen Polarität erfahren und zusammenschauen können, bedeutet, daß sie in die Heimarmene ihres steilen Aussichtsturmes ein mächtiges spanisches Fenster hineingeschlagen haben, worüber ich mich herzlich freue. Rubens-Velázquez! Eine wunderbar weitreichende Entdeckung, „da gratulier ich“. Hier könnte man den Spaten noch weiter in den Boden treiben. Schon längst will es mir scheinen, als ob die Beliebtheit von Rubens daher kommt, dass er dem Ideal des fürstlichen sozialen Auftretens auch die Pose der „réception morale gracieuse“ einliefert, wie er die Eleganz des aktiven Ergreifens (Raub pp) gebrauchsfertig formuliert. Diese Prägwerte: sieghaftes Ergreifen wie gnädiges Empfangen sind nun sicher Marken: Rom (Griechenland). Aber wo soll man suchen? Auf dem Konstantinsbogen ist ja die Darstellungszene der pietas (?) der Kaisers (der heilte) gegen die Soldaten und Frauen. Die „Continentia Scipionis“
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gibt ja weiterhin die Matrize zur Prägung dieses Wertes: „passive Größe“. – Dies mir einige Begleittöne zu Ihrer Musik. – Erhole mich ganz, beinahe sehr gut. An meinen Bruder komme ich nicht recht heran, meine prächtige Schwägerin ist zu tief in Beobachtungen (Lekanomanten) drin, die sich auf Lolas Nierenstein beziehen. Grüßen Sie auch Ihre Frau und die brave Hedwig. Herzlichst ihr alter Freund Warburg. Am Dienstag bitte ich aus Venedig noch einmal Post nach Hotel Leitner, hinter dem Pulverturm Prag zu schicken.
11. Göbel, Kolberg, an Saxl, Hamburg, 01.10.1927, handschriftlich, 1 Folio recto Sehr geehrter Herr, Ich war einige Wochen abwesend, sodass ich erst heute zur Beantwortung Ihrer Anfrage vom 24. August komme. Aus Ihrem ersten Schreiben war nicht ersichtlich, dass es sich um den in den „Hilanderas“ dargestellten Teppich handelt. Abgebildet ist in dem Gemälde von Velázquez aller Wahrscheinlichkeit nach die Manufaktur Santa Isabel unter Leitung des Juan Alvarez, die unter Oberaufsicht des Diego Velázquez stand und sich um 1655 in der Hauptsache mit Reparaturen und der Herstellung von Wappenteppichen (reposteros) befasste, die auch für Private arbeitete. Der dargestellte Teppich gehört dem königlichen Spanischen Textilienschatz nicht an. Es handelt sich zweifelsohne um ein Erzeugnis von Brüssel. Hinsichtlich der Darstellung habe ich starke Zweifel, dass es sich um den Mythos von Pallas und Arachne handelt, schon die geflügelten Putten wollen nicht dazu stimmen. Die Deutung lässt verschiedene Möglichkeiten zu, ich denke z.B. an Perseus und die befreite Andromeda. Leider ist die Abbildung, die ich von dem Velazqueschen Bilde habe, zu klein, um die Darstellung genauer beurteilen zu können. Ich stelle ergebenst anheim, mir einen brauchbaren Abzug zur Einsicht zu schicken, ich bin dann gern bereit, die Deutung zu versuchen. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener Heinrich Göbel
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12. Göbel, Kolberg, an Saxl, Hamburg, 27.11.1927, handschriftlich, 1 Folio recto Sehr verehrter Herr Professor! Ich bitte um Entschuldigung, dass ich mit meiner Antwort so lange warten lassen musste. Ich war leider durch die Drucklegung des zweiten Teiles meiner „Wandteppiche“ sehr stark in Anspruch genommen. Ausserdem kamen noch sonstige widerige Umstände hinzu. Ich habe eine sehr grosse Anzahl von Abbildungen sowie eine Reihe alter Inventarverzeichnisse durchgesehen. Ein Motiv, das sich genau mit dem von Velázquez dargestellten Teppich deckt, habe ich nicht finden können. Zweifellos handelt es sich um einen Bildteppich der Manufaktur Brüssel und zwar um ein Erzeugnis, das ziemlich gleichzeitig mit dem Bilde des Meisters entstanden ist. Es ist nun die Frage, ob Velázquez sich genau an den Teppich gehalten oder sich künstlerische Freiheiten gestattet hat. Meines Erachtens kommt nur ein Motiv aus der Serie der Ovidschen „Metamorphosen“ in Frage und zwar in erster Linie „Pallas und die Musen“. Die Darstellung mit dem bekannten Streit der Pallas und der Arachne in Verbindung zu bringen, halte ich nicht für angängig. Ich erlaube mir, das mir liebenswürdigerweise übersandte Diapositiv unter Einschreiben zurückzusenden. Stets gern zu Ihren diensten, bin ich mir vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener Heinrich Göbel
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Fritz Saxl, Texte zu den „Hilanderas“, Faksimiles Notizen in Madrid, Spanish Notes, WIA, Heft 1, Fols. 90–92, alle recto
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Vorlesungsnotizen, Spanish Notes, Heft 4, Fols. 137, 139 und 149–151, alle recto
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© The Warburg Institute
Fritz Saxl, Texte zu den „Hilanderas“, Transkription
Fritz Saxl, Texte zu den „Hilanderas“, Transkription Notizen in Madrid, Spanish Notes, WIA, Heft 1, Fols. 90–92, alle recto (handschriftlich, 4 Folios recto, Notizen vor dem Gemälde im Prado, Madrid, entstanden zwischen 30. März und 30. April 1927)
[Fol. 90] Wunderbar in dem Zug der Komposition. Diagonale von links das Licht, das auf die Spinnerin hinführt, die mit der Figur daneben zusammengesehen wird. Symmetrisch dazu die linke Gruppe, die mit Transmission und Rockende der linken Figur, sowie Stoffen dahinter eine Einheit ist. Diese linke Gruppe hat zweierlei Überleitungen: 1.) das Holz am Boden nach vorne 2.) die steife Leiter dahinter nach rückwärts Von den rechten Figuren führt dagegen die dunkle Kniefigur nach dem Hintergrund. Die vom Rücken gesehene grosse Frau im Hintergrund löst sich von dieser Figur langsam los. Von der Hauptfigur rechts vorne ebbt die Farbe langsam nach rechts ab in der vom Rand überschnittenen Figur. Links vorne Vorhang und linke Gruppe helldunkel (nur unter dem Vorhang ein Sonnenstreif, der der Gruppe die Einheit des Halbdunkel gibt, ebenso wie das ganz im Vordergrund liegende Holz), rechte Gruppen von links vorne hell beleuchtet, das Holz* mit harten Lichtern, Licht nach rechts abnehmend, ebenso nach dem Hintergrund zu. * auf dem das Garn
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[Fol. 91] Mittelgrund im Dunkel. Leiter bekommt schon Reflexlicht, ebenso Stufe. Hintergrund im Gegensatz zu Vordergrund – Sonne, daher sehr farbig und links schwere Schatten. Aneinanderstossen der Töne an der Spindel der Alten, die weiß und grau. Darüber die leuchtende Stehfigur mit schweren Schatten, die schweren Schatten und leuchtenden Lichter des Musikinstruments und des Ständers. Im Hintergrund Vielheit kleiner Farben, Vordergrund breite Farbflächen. Differenzierung der Vertikalen zu Haupten der Alten: die Seiten, die Architektur, die Frau im Licht, der Behelmte Rechts gehen die Damen mit der knienden Schattenfigur zusammen. Als Zentrum bleibt die allegorische Figur, vor der das lichte Bodenstück des Hintergrundes Am Boden im Vordergrund die Verbindung der Figuren durch die Katze. Links alles angefüllt mit Masse, rechts über der lichten Figur dunkler Freiraum. Die Puttos auf dem Teppich führen a) zur Hauptfigur des Teppichs b) zur Licht Diagonale Hilanderas Das Problem im Niño de Vallecas schon gestellt: Vordergrund Figuren mit Plastizität und ½ Schatten, breiter Behandlung der Stoffe, Hintergrund lichter Tiefe Augen Die Figuren im Hintergrund haben ähnliche, breite Leuchtkraft Hier ist noch nichts vom Bobo de Coria
Fritz Saxl, Texte zu den „Hilanderas“, Transkription
[Fol. 92] [Bleistift] Velázquez Hilanderas Zeichnung Uffizien als Tizian gestochen von A. Scacciati in: Proseguimento de Disegni della Real Galleria Tomo II. No. 63 ein technisches Bild des Webens Dasselbe Zeichnung Joost van Winghe Museum Boymans Reproduktion Kleinmann
Vorlesungsnotizen, Spanish Notes, Heft 4, Fols. 137, 139 und 149–151, alle recto (handschriftlich, 5 Folios recto, Notizen entstanden auf der Rückreise aus Spanien im Mai 1927 und in Hamburg im Juni und Juli 1927)
[Fol. 137] Die Geschichte des Klassischen in Velázquez Hilanderas Ananias Hilanderas Farnesina [Fol. 139] (Auszug) Wie der Velázquez der Enanos und Hilanderas, dem das Licht in seinem Anund Abschwellen auf den ganzen, bewegten Körper, im ganzen Raum Hauptproblem ist, der Velázquez der weichen Rhythmen Mythologien darstellen? Der Velázquez, der das Pathologische als das habituell Pathetische – contradictio in adjecto – empfindet, der die Figuren in enge harte Rhythmen einschließt, aus denen der Kopf und vom Kopf die grinsende Lijyx heraustritt.
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[Fol. 149] Hilanderas 2,20 : 2,90 Beschnitt Thema Pallas und Arachne Ein Existenzbild: das Weben Anschluß an Caravaggio Maria Guido Reni Hund, Zentralkomposition. Helldunkelversuche Nochmals Zusammenhang mit den Zwergen. Der Umriß der knienden Figur, das Erscheinen vor der Architektur-Ecke. Die großen Stofformen, die Behandlung des Leinens Das Schildern des verschwebenden Lichts (Rad), das Helldunkel Die Sonne im Hintergrund. Wie dort das Caravaggieske Substrat zur Schilderung des pathologisch-pathetisch existenziellen, und damit vollkommen Neuen verwendet wird, so hier zur Allegorie im Rahmen der Wirklichkeit des Höfischen wie des Proletarischen. Zentralkomposition: das lichte allegorische Bild Vordergrund nur leicht asymmetrisch die Mittelfigur, rechts und links ähnliche Gruppen. Dennoch stark bewegt. a) Diagonale von rechts vorne, Vordergrund Licht von links, linke Gruppe helldunkel vor Sonnenlicht nur Fuß voll belangt. Rechts voll beleuchtet. Figuren-Gruppe links nach vorwärts, parallel zur Bildfläche inhaltlich in sich geschlossen farbig (ziegelrot braun -schwarz) und Licht nach rechte Gruppe nach rückwärts, diagonal in die Tiefe blaugrün (rosa (Tuch) braunrot). Einheitlich hell Linke Gruppe flächenhaft, rechte plastisch Gegensatz des laufenden Rades links, des plastischen Gestelles rechts. Links die Leiter im Reflexlicht, rechts die fast leere Wand. (2 Diapositive) Hintergrund
Fritz Saxl, Texte zu den „Hilanderas“, Transkription
Asymmetrisch Fortführung der Diagonale: das Licht rechts 2 Figuren vom rücken gesehen, links Profilgruppe. Links ansteigen der Figuren rechts Senken, links licht, rechts dunkel.
[Fol. 150] Nochmal ganz Also Vielheit Vordergrund Mittelgrund Hintergrund Bildparallel – Bilddiagonal Dunkel, Helldunkel, Licht und Sonne Plastisch, Silhouette Auflösung Vertikale, Horizontale, Schräge Wodurch diese Vielheit gebändigt 1.) Das strenge Grundgerüst Entfalten der Schrägen in der linken Gruppe, Abschluß durch die Wand, Zusammenfassung durch den Vorhang Symmetrie des Hintergrundes 2.) Gegensatz Motiv: die Diagonale von rechts vorne nach links rückwärts 3.) Die Isolation von Vordergrund und Hintergrund durch die Silhouette 4.) Die Verzahnung a) Spindel – Hand – Teppich b) der Übergang von den Silhouetten-Figuren zu der Dame c) Fuß der Alten und Katze Borrachos Schon bei dem jungen Velázquez diese erstaunliche Anlage zur Vielheit a) der Richtungen b) der Plastizität und des Lichtes aber hier steht im Vordergrund 1.) überall das lineare Ausdrucksproblem: der einzelne Mensch 2.) die aneinandergedängten Massen
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[Fol. 151] Das Neue der Hilanderas ist a) das Auflösen des Einzelnen, bei Belassung seiner Totalität b) der Bewegungsraum der Gestalt c) der Stimmungswert des Raumes d) die Verbindung von Gestalt und Raum durch das Licht e) der Stimmungswert des Lichts f ) der Stimmungswert der Farbe © für alle Faksimiles The Warburg Institute
Anmerkungen
ANMERKUNGEN
1 Vgl. Hellwig 2004, Warnke 2005 und Hellwig 2006. 2 Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 121. 3 Vgl. Warburg, Botticelli, 1998. 4 Warburg benutzt den Begriff „Pathosformel“ zum ersten Mal 1905 in dem Vortrag „Dürer und die italienische Antike“. Mit der dynamisch ausschreitenden Dienerin, die in Ghirlandaios Freskenzyklus in der Chorkapelle von Santa Maria Novella in die Geburtsstube des Johannesknaben hereintritt, der sogenannten Ninfa Fiorentina, hatte er eine erste Pathosformel ausgemacht. Bei den Pathosformeln handelt es sich nicht um die getreue Abbildung der Wirklichkeit, sondern sie sind symbolisch zu verstehen, denn sie vermittelten anhand des von Leidenschaften gekennzeichneten Menschenbildes eine seelische Konstitution, an der die Künstler der Neuzeit interessiert waren. Für Warburg stand keineswegs die bewusste und auf dem Wege unmittelbarer Interpretation verständliche Rezeption von vorgeprägten antiken Bildformeln und ihrer Bedeutung im Vordergrund, sondern in erster Linie eine Energie, von der die Pathosformeln zeugten, und die von den Künstlern evoziert wurde. Diese Energie war nicht an einen spezifischen Darstellungssinn gebunden, so dass ein ursprünglicher Gehalt einer solchen formelhaften Geste oder Gebärde durch ‚energetische Inversion‘ auch in sein Gegenteil verkehrt werden konnte. Zu den Pathosformeln vgl. Warnke 1980, Gombrich 1992, Port 1999, Krois 2002, Pfisterer 2002, Port 2005, Knape 2008, Wedepohl 2009, Wedepohl 2012 und Wedepohl 2014. 5 Zu Warburg vgl. Bing 1998, Warnke 1980, Warnke 1990, Wuttke 1992 (1979), SchoellGlass 2007, Böhme 2007, Michels 2007, Wuttke 2011, Donandt 2011, Schneider, Zivilisation, 2012, Wedepohl 2012 und Wedepohl 2014. 6 Vgl. Warburg, Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara, 1998. 7 Zu Saxl vgl. Bing 1957, Schramm 1958, Badt 1960, Ginzburg 1995, Gombrich 1970, Settis 1985, Röll 1999, Donandt 2001, Schoell-Glass 2005, Hellwig, Saxls Forschungsaufenthalt, 2008, Hellwig 2011, Donandt 2011, Hellwig 2012, McEwan 2012 und Schneider, Fritz Saxl, 2012. 8 Vgl. die Bibliographie von Saxls Schriften bei McEwan 2012, S. 217–226 und die Liste seiner Vorlesungen ebda., S. 280–282. 9 Vgl. Panofsky/Saxl 1923. 10 Vgl. Saxl 1922 und Saxl 1923. 11 Vgl. Rehm 2002, S. 200–213.
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Anmerkungen
12 Zum Gebrauch von Tafelwerken vgl. zuletzt Wedepohl 2012 und Fleckner, Bilderreihen, 2012. 13 Vgl. die Korrespondenz WIA, GC sowie die Bände Warburg/Saxl 1998 und Warburg/Saxl 2004. 14 Die mit rund 30 Schreiben nicht vollständig überlieferte Korrespondenz zwischen Warburg und Saxl während dessen Spanienaufenthaltes (1927) und der Hin- und Rückreise wird im Warburg Institute Archive (im Folgenden zitiert als WIA), General Correspondence (im Folgenden zitiert als GC) aufbewahrt. Dazu kommen weitere Briefe der Wissenschaftler im Zusammenhang mit dem Thema, alle WIA, GC. Vgl. Hellwig, Saxls Forschungsaufenthalt, 2008. 15 In dem von Warburg, Saxl und Bing zwischen 1926 bis 1929 geführten Tagebuch der K.B.W. notierten sie stichwortartig, in einer Art von schriftlichem Dialog, Gedanken und Gespräche sowohl über die Alltagsgeschäfte als auch über die laufenden Forschungen in der Institution. Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001. 16 Vgl. Warburg, Rembrandt, 2012. 17 Vgl. Warburg, Bilderreihen, 2012. 18 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Heft 3 und Heft 4, WIA. Siehe die Auszüge zu den „Hilanderas“ Dokumente II und Dokumente III. 19 Diego Velázquez, Las Hilanderas, um 1656, Öl auf Leinwand, 220x289 cm, Madrid, Museo del Prado, Inv. 1173. Vgl. Museo del Prado. Catálogo de las pinturas, Madrid 1996, S. 420. 20 Zur Interpretationsgeschichte des Gemäldes vgl. Garragori 1960, Pita Andrade 1992, Hellwig 2004, Portús 2005 und Hellwig 2006. Für die Sekundärliteratur zu den „Hilanderas“ vgl. die Bibliographien von Gaya Nuño 1963 und Portús 1999. 21 Vgl. Mengs 1776, in: Ponz 1988, S. 326. Allerdings erwähnt Justi das Gemälde an einer Stelle als „Weberinnen“, was Warburg aufgefallen sein könnte. Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 15f. 22 Den Zusatz „famoso“ verwendet Ponz lediglich bei den „Hilanderas“. Er erwähnt das Gemälde 1772 in der Beschreibung der „pieza de la cámara, o de vestir de su majestad“, wo es zusammen mit „Merkur und Argos“, „Apoll in der Schmiede des Vulkan“, dem „Fest des Bacchus“ und anderen Werken von Velázquez hing. Vgl. Ponz 1988, S. 240. 23 Es heißt: „quadro llamado de las Ylanderas“. Vgl. Mengs 1776, in: Ponz 1988, S. 326. In den Inventaren des Palacio Real vom Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts sowie in Juan Agustín Ceán Bermúdez’ „Diccionario histórico de los más illustres profesores“ von 1800 wird das Bild als „Hilanderas“ geführt. Vgl. Hellwig 2004, S. 41f. 24 Vgl. Mengs 1776, in: Ponz 1988, S. 326. 25 Über diese auf Tizian zurückgehende Technik des späten Velázquez äußert sich schon Antonio Palomino bei der Beschreibung des Porträts des Adrián Pulido Pareja. Vgl. Palomino 1988, S. 225. 26 Vgl. Kat. Mus. Prado 1828, S. 64–65. 27 Vgl. Stirling 1855, Cruzada Villaamil 1885, Justi 1888, Justi 1923, Stevenson 1895, Beruete 1898 und Picón 1899. 28 Vgl. Beruete 1898, S. 125. Die ursprünglichen Maße des Gemäldes betrugen 167x252 cm, die Maße mit Ergänzungen betragen 220x289 cm. Vgl. Kat. Ausst. Velázquez 1990, S. 360. Zu den Ergänzungen vgl. Garrido 1992, S. 550–563. 29 Vgl. Hellwig 2004, S. 42.
Anmerkungen 30 Im Prado-Katalog erwähnt Madrazo das Werk als „La fábrica de tapices de Santa Isabel de Madrid: cuadro llamado de Las Hilanderas“. Die Damen bewunderten eine Tapete mit einem mythologischen Sujet – „en cual se figura un asunto mitológico“. Vgl. Madrazo 1872, S. 602f. In dem Aufsatz erwähnt Madrazo den Teppich als „tapisserie de style mythologique flamand“. Vgl. Madrazo 1878, S. 195. 31 Vgl. Hellwig 2004, S. 40–43. 32 Vgl. Cruzada Villaamil 1885, S. 194–197, hier S. 197. 33 Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 340–347. Im Folgenden wird auf die dritte Ausgabe des „Velazquez“ von 1923 rekurriert, die Saxl in Spanien mit sich führte. 34 „Die Gruppen könnten in einer Augenblicksphotographie nicht zufälliger aussehen; auch sind es, wie meist im Leben, lauter Nebenpersonen ohne Hauptperson (a novel without a hero).“ Justi 1923, Bd. 2, S. 342. 35 Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 341. 36 Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 343. Die beiden Hauptfiguren im Hintergrund betrachtet Justi als dem Teppichraum zugehörig. 37 Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 345. 38 Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 342. 39 Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 346. 40 „Den eigentlichen Gegenstand des Interesses, das Tapetenbild möchte man gern deuten, denn das Auge wird beständig darauf hingelenkt, und die Sonne selbst zeigt wie mit dem Finger drauf. [...] Wahrscheinlich sind die drei davorstehenden Damen ebenso ratlos wie wir.“ Justi 1923, Bd. 2, S. 329. 41 Vgl. Madrazo 1872, S. 602f. und Madrazo 1878, S. 195. 42 Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 343. 43 Justis Kommentare sind voller Fragewörter und Konjunktive, wie „wahrscheinlich“, „könnte man [...] für eine Theaterszene halten“, „glaubt man [...] zu erkennen“, „möchte man gern deuten“,. Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 340–347. In der Ausgabe 1888 heißt es an einer Stelle: „Sonst wüßte ich für die Erfindung keine Analogie.“ Vgl. Justi 1888, Bd. 2, S. 328. 44 „In der Anordnung glaubt man freie Nachklänge venezianischer Studien zu erkennen. Die kreuzweis gestellten Contraposte der vor- und zurückgelehnten Figuren mit ihren starkverkürzten Köpfen; das Sonnenlicht von der Fensterseite auf die Frauenköpfe fallend; selbst die Art wie die zweite kleine Scene in einem abgeschlossenen Raum hinter der Hauptscene angebracht ist, das sind wohlbekannte Motive Tintorettos“. Justi 1923, Bd. 2, S. 342. Die Art, wie Velázquez die Farbe einsetzte, wie er statt kühler blasser Töne eine warme Farben wählte, erinnert Justi an die Niederländer Pieter de Hooch und Jan Vermeer. Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 345f. 45 Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 347. 46 Siehe Guido Reni, Jugend der Jungfrau Maria, 1635–1640, Öl auf Leinwand, 146x204 cm, Staatliche Eremitage, St. Petersburg. 47 Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 346. 48 „Velazquez gehört zu den Meistern, die mit keinem anderen verglichen werden können.“ Justi 1923, Bd. 1, S. 4. Zu Justis „Velazquez“ vgl. Hellwig 1999, Hellwig 2005 und Rößler 2009.
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Anmerkungen
49 „Les rayons du soleil se jouent sur la tapisserie, où l’on entrevoit vaguement deux personnages allégoriques et comme une figure d’Europe sur un taureau blanc, escortée par un vol de petits Amours dans un ciel pâle.“ Michel 1895, S. 110 und dazu Garragori 1960, S. 402. 50 „The main tapestry itself, forming part of the glimpse, was formerly a copy of Titian’s ,Rape of Europe‘. This has been turned into something else, and we note painted over it a helmet man grouped with some lady, Dido or Cleopatra.“ Ricketts 1903, S. 86–87. 51 Vgl. Gombrich 1992, S. 42-62. 52 Vgl. Heintze/Hager 1961. 53 Zu Saxls Spanienaufenthalt im Frühjahr 1927 vgl. Hellwig, Saxls Forschungsaufenthalt, 2008. 54 Zu der Rolle Spaniens im Mnemosyne-Atlas vgl. Hellwig 2010; zu den „Wanderstraßen“ vgl. Wedepohl 2005. 55 Auf dieser „Wanderstraße“ – so Saxl in einem Brief an den Teubner-Verlag – sei „Zeus von Athen nach Alexandria und Indien und von dort rückwandernd über Persien und das moslimische Spanien nach dem Mittelalterlichen Europa gegangen“. Saxl, Brief an den Verlag B. G. Teubner, 1930, S. IX. 56 Vgl. Warburg, Italienische Kunst und internationale Astrologie, 1998. 57 Vgl. Warburg, Italienische Kunst und internationale Astrologie, 1998. Auch in dem in dem Bericht „Orientalisierende Astrologie“ über den Deutschen Orientalistentag in Hamburg, 1926 weist Warburg auf die Bedeutung der Bilderreihen aus arabischen und spanischen Bilderhandschriften aus dem Zeitalter Alfons des X. hin. Vgl. Warburg, Orientalisierende Astrologie, 1998. 58 Vgl. Saxl 1915 und Saxl 1927. 59 Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 29. 60 Vgl. García Avilés 1996, S. 14–23. 61 Zu Saxls Funden gehört ein illustriertes Losbuch aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in der Biblioteca Nacional und eine illustrierte astrologische Handschrift des Michael Scotus. Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 17.04.1927, WIA, GC und Hellwig, Saxls Forschungsaufenthalt, 2008. 62 Saxls Kolleg ist im Vorlesungsverzeichnis unter dem Titel „Spanische Maler des 16. und 17. Jahrhunderts“ angekündigt. Eine Liste von Saxls Vorlesungen bei McEwan 2012, S. 280– 282. Hinweise auf das Kolleg finden sich auch im Tagebuch der K.B.W. Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 92 und S. 126. 63 Auf der Hinfahrt über Paris hatte Saxl zudem Gemälde der spanischen Meister in der Sammlung des Louvre studiert. Zu Saxls Forschungsaufenthalt in Madrid vgl. Hellwig, Saxls Forschungsaufenthalt, 2008. 64 Vgl. die Bibliographie der Schriften Saxls bei McEwan 2012, S. 217–226. 65 Im Sommersemester 1925 las Saxl am Kunsthistorischen Seminar der Universität Hamburg das Kolleg „Rembrandt und seine Vorläufer“. Vgl. Brief von Saxl, Hamburg, an Warburg, Baden-Baden, vom 26.05.1925, in: Warburg/Saxl 2004, S. 145–148 und McEwan 2012, S. 280. 66 Zur Korrespondenz vgl. Hellwig, Saxls Forschungsaufenthalt, 2008.
Anmerkungen 67 Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an die K.B.W., Hamburg, vom 30.03.1927, WIA, GC, Siehe Dokumente I, Nr. 1. Der Name des Malers taucht in den Texten von Saxl und Warburg in ganz unterschiedlicher Schreibweise auf, die in der vorliegenden Arbeit auf die Form „Velázquez“ vereinheitlicht wurde. 68 Vgl. Briefe Saxls, Madrid, an die Warburg, Hamburg, vom 02.04.1927 und vom 07.04.1927, beide WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 2 und Nr. 4. 69 „[...] daß man das Lebenswerk eines Mannes so in drei Räumen nebeneinander hat, seine Entwicklung so übersehen kann, daß man glaubt, den Augenblick erfassen zu können, in dem ein Neues entsteht.“ Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 02.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 2. 70 Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 02.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 2. Siehe Dokumente I, Nr. 2 . In einem anderen Schreiben heißt es: „Velázquez ist ja das typische Beispiel. Er beginnt mit Caravaggio, schwarze und dunkelbraune Bilder, harte häßliche Köpfe, starre Madonnen, völliger Ernst der Anbetung, er schildert in den frühen Porträts entschlossene, tief ernste Männer. Dann lernt er Rubens kennen und Form rundet sich, die Schatten werden leuchtend, ein neues Leben erfüllt alle Gestalten. Aus den ernsten Betern sind Condottieres [sic!] geworden. Und es schließt Velázquez in einer leidenschaftslosen, ganz unasketischen Darstellung schöner Wirklichkeit.“ Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 01.05.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 8. 71 Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 05.04.1927, WIA, GC. 72 Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 05.04.1927, WIA, GC. 73 Vgl. Brief von Saxl, Madrid an Warburg, Hamburg vom 18.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 5. 74 Noch während Saxl Aufenthalt in Spanien äußert Warburg in einem Brief vom 19. April 1927: „Ich stelle mit grosser Befriedigung fest, dass Spanien für Sie bedeutet, daß Sie in die hamburgische Umfassungsmauer ein neues grosses Aussichtsfenster hineingeschlagen haben. Dass Sie auch mir dabei in meinen Spezialnöten zu Hilfe kommen, ist ja sehr erfreulich.“ Brief von Warburg, Hamburg, an Saxl, Madrid, vom 19.04.1927, WIA, GC. An anderer Stelle heißt es: „Ihr seelisches Erschütterungsgebiet war in Hamburg zu eng geworden: mein Wunsch war, daß Sie weiter über sich hinauswachsen: daß dies mit mordsmäßigen Anstrengungen verbunden sein würde, war mir, bei der Art ihrer Reise-Dynamik klar: was schadet das im Grunde? [...] daß Sie in die Heimarmene [Universum] ihres steilen Aussichtsturmes ein mächtiges spanisches Fenster hineingeschlagen haben, worüber ich mich herzlich freue.“ Brief von Warburg, Karlsbad, an Saxl, Hamburg, vom 22.05.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 10. Auch mit den Ergebnissen von Saxls Forschungsaufenthalt war Warburg zufrieden. Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 27.04.1927, WIA, GC. Auch in einem Brief vom 18.08.1927 an den mit ihm befreundeten belgischen Kunsthistoriker Mesnil (Jean-Jacques Dwelshauvers) heißt es: „Unseren Saxl haben wir im Frühjahr nach Spanien geschickt, von wo er fast zu reich beladen und mit Erkenntnisschätzen zurückgekehrt ist.“ Brief von Warburg, Hamburg, an Mesnil, vom 18.08.1927, WIA, GC. 75 Zu den Ankäufen vgl. Hellwig, Saxls Forschungsaufenthalt, 2008 und Warburg, Tagebuch, 2001.
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Anmerkungen
76 Vgl. Brief von Warburg, Hamburg, an Saxl, Madrid, vom 06.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 3. Warburg hatte zwischen 1886 und 1888 in Bonn Kunstgeschichte studiert. Vgl. Gombrich, Warburg, 1992, S. 42–62. Zu Justi vgl. Hellwig 1999, Hellwig 2005 und Rößler 2009. 77 Es handelt sich um Zettelkasten Nr. 52, „Literatur“, WIA, III.2.52/029131. Vgl. Hensel 2011, S. 198.. 78 Es heißt in dem Eintrag vom 21.03.1927: „Heute abend will Saxelino fort, der mir fehlen wird; jedennoch: Glück auf die Reise, beneidenswerth [sic!]“. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 71. 79 „Ich kann mir nichts Lieberes denken, als dass Sie unter mächtig packenden neuen künstlerischen Eindrücken stehen. Eine solche innere Auffrischung war Ihnen längst nötig, und ich freue mich auf Velázquez-Gespräche.“ Brief von Warburg, Hamburg, an Saxl, Madrid, vom 06.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 3. 80 Es heißt: „Ganz neu war mir, welche Riesen-Rolle die Darstellungen zu den Metamorphosen hier in der Mitte des 17. Jahrhunderts gespielt haben. Ich glaube kaum, daß es in Italien ebenso viele Darstellungen in jener Zeit gab.“ In diesem Zusammenhang erwähnte er auch Velázquez’ „Merkur und Argos“, das sich in seiner „Wildheit und Besonderheit nur mit den späten Rembrandts“ vergleichen ließe. Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 18.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 5. 81 Vgl. Sánchez Cantón 1925. 82 Vgl. Postkarte von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 21.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 6. 83 Vgl. Brief vom 22.04.1927 von Warburg, Hamburg, an Saxl, Madrid, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 7. 84 Am 29. März 1922 hatte der Direktor der Madrider Biblioteca Nacional Francisco Rodríguez Marín einen Teil des von ihm im Archivo Histórico de Protócolos, Madrid entdeckten Nachlassinventar des Velázquez in einem Vortrag über Francisco Pacheco, den Lehrer Velázquez‘ bekannt gemacht, den er 1923 publizierte. Zwei Jahre später veröffentlichte Sánchez Cantón eine Studie über die Bibliothek des Malers, in der er die einzelnen im Inventar ursprünglich oft nur summarisch und, weil nach Gehör aufgeschrieben, mit falschen Angaben angeführten rund 154 Bände erstmals identifizierte. Vgl. Sánchez Cantón 1925. 85 Es heißt: „Er [Sánchez Cantón] hat mir eine sehr gute Arbeit von sich über die Bibliothek des Velázquez geschenkt. Velázquez besaß relativ viel Astrologica.“ Postkarte von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 21.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 6. 86 Es heißt: „So enthält z.B., was Sie besonders interessieren wird, die Festschrift Bd. III, S. 379–406 eine Studie über die Bibliothek von Velázquez von Sánchez Cantón (er besass von Poeten nur den Horaz und Ovid in spanischer Übertragung und ganz wenig Andachtsbücher, dagegen eine ganze Reihe von kosmologischen Werken, was man auch nicht erwartet hätte.“ Brief vom 22.04.1927 von Warburg, Hamburg, an Saxl, Madrid, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 7. Die mit dem Abstand von nur einem Tag von Madrid beziehungsweise von Hamburg abgeschickten Schreiben müssen sich überschnitten haben. 87 Warburg war in dem ersten Band der Festschrift für Menéndez Pidal auf den Aufsatz von Pierre Paris „La Mythologie de Calderón“ gestoßen, in dem dieser den Traktat von Baltasar Victoria „Teatro de los dioses de la gentilidad“ (1. Auflage Madrid 1620) als „Traktat über die
Anmerkungen
Götter, den die Spanier wie ein Handbuch benutzten“ erwähnt. Er empfahl Saxl nachzuforschen, ob der Band illustriert sei und ob es eine frühere Ausgaben gab, und diesen nach Möglichkeit zu erwerben. Vgl. Brief von Warburg, Hamburg, an Saxl, Madrid, vom 22.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 7. Drei Tage vorher, am 19.04.1927 hatte Warburg Saxl auf Rudolph Schevills 1913 erschienenen Band über Ovid und die spanische Renaissance hingewiesen, in dem ein Kapitel über Lope de Vega und Ovid handelte, und bat ihn, dieses ebenfalls für die Bibliothek anzukaufen. Es heißt: „Sie finden in meinem Buche von Fitzmaurice-Kelly, Geschichte der spanischen Literatur, herausg. von Hamel (Heidelberg, Winter 1925) eine Menge wertvolle Literatur angegeben. Auf Seite 598 wird verzeichnet: R. Shevill, Ovid and the Renaissance in Spain, Berkeley 1913, worin ein besonderes Kapitel über Lope de Vega und Ovid stehen soll. Ich will versuchen, das Buch für uns zu beschaffen, doch halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass Sie es auch in Spanien an irgendeiner Stelle auftreiben.“ Brief von Warburg, Hamburg, an Saxl, Madrid, vom 19.04.1927, WIA, GC. Es handelt sich um Rudolph Schevill, Ovid and the Renascence in Spain, University of California Publications in Modern Philology 4, No. 1, S. 1–268, Berkeley 1913 und um James Fitzmaurice-Kelly, A History of Spanish Literature, New York, London 1898 (2. Aufl. 1910).
88 Saxl entdeckte in der Biblioteca Nacional, Madrid eine Ausgabe von Calderón de la Barcas mythologischem Drama „La fiera, el rayo y la piedra“ (Madrid 1690), in dem Bühnenbilder der Aufführung in Valencia 1690 von José (Jusepe) Gomar und Juan Bautista Bayuco abgebildet waren. Vgl. Brief von Warburg, Hamburg, an Saxl, Madrid, vom 06.04.1927, WIA, GC und Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 25.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 3. 89 In der Einleitung zu dem Vortrag des Altphilologen Karl Ludwig Reinhardt am 24. Oktober 1924 über Ovids „Metamorphosen“ an der K.B.W., der ersten öffentlichen Veranstaltung, an der Warburg nach seiner Rückkehr aus Kreuzlingen teilnahm, definierte er „die Idee und Aufgabe des Instituts sowie seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit“ mit folgenden Worten: „Eine bestimmte Frage, die mir seit meinem ersten Aufenthalt in Florenz 1888 von weittragender und nicht genügend erforschter Bedeutung erschien, sollte [...] als Mittelpunkt und Leitstern dienen: Die Frage nach dem Einfluss der Antike auf die späteren Kulturepochen.“ Warburg, Zum Vortrage von Karl Reinhardt über Ovids ‚Metamorphosen‘, 2010, S. 680. 90 Vgl. Brief von Warburg, Garmisch Partenkirchen, an Carl Neumann, Heidelberg, vom 22.01.1927, WIA, GC. Zum Ausgangspunkt der Forschungen schreibt Warburg in dem Brief an Neumann, er sei „durch Saxl’s Forschungen indirekt darauf geführt“ bei John Kruse auf eine Farbabbildung des „Claudius Civilis“ gestoßen und habe anschließend „Näheres“ über das Gemälde erfahren wollen. Der Brief Warburgs an Neumann ist abgedruckt bei Pinelli 2005, 525–535, hier S. 526. Es handelt sich um John Kruse, Die Farben Rembrandts, Stockholm 1913, Abbildung Frontispiz. 91 Vgl. Frederik Schmidt-Degener, Rembrandt und der holländische Barock, Leipzig u.a. 1928 mit Hinweisen auf frühere Publikationen des Autors zu Rembrandt._ 92 Tempesta hatte Tacitus’ „Der Freiheitskampf der Bataver unter Claudius Civilis“ in der Ausgabe von 1612 nach Zeichnungen von Otto van Veen illustriert. Vgl. Leuschner 2005, S. 464–474.
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Anmerkungen
93 Vgl. Woldt, Funktion der nachlebenden Antike, 2012, S. 115. 94 Zum Rembrandt-Vortrag vgl. Gombrich 1992, Pinelli 2005, Leuschner 2005 und Schneider, Zivilisation, 2012. Das lückenhafte Manuskript des Vortrags publiziert in Warburg, Rembrandt, 2012. 95 Tempesta hatte Ovids „Metamorphosen“ in der Ausgabe von 1606 illustriert. Vgl. Leuschner 2005, S. 435–539. 96 Vgl. Warburg, Rembrandt, 2012, S. 70. 97 Warburg benutzte für diese Präsentationen auch den Begriff „Bilderreihen“. Zu den Bilderreihen und Ausstellungen vgl. Fleckner, Bilderreihen, 2012. Zum Neubau der K.B.W. von Gerhard Langmaack vgl. Stockhausen 1992. 98 Die Ausstellungen fanden im Lesesaal der K.B.W. statt, wobei die Bildtafeln auf der Ablage der Bücherregale gezeigt wurden. Zum Gebrauch von Tafelwerken bei Warburg und Saxl vgl. Wedepohl 2012 und Fleckner, Bilderreihen, 2012. Das erste der drei Ausstellungsprojekte, die sogenannte Ovid-Ausstellung, fand zwischen dem 29. Januar und dem 12. Februar 1927 unter dem Titel „Urworte leidenschaftlicher Gebärdensprache“ an der K.B.W. anlässlich des Ovid-Vortrags von Max Ditmar Henkel statt. Zu der Ausstellung vgl. Wedepohl 2012, S. 48f. und Woldt, Urworte, 2012, S. 73–97. Die zweite Ausstellung fand unter dem Titel „Die Bedeutung des ‚seltenen Buches‘ für eine universell und geisteswissenschaftlich orientierte Kunstgeschichte“ am 10. April 1927 statt. Vgl. Woldt, Bedeutung, 2012, S. 99–113. Eine dritte Ausstellung trug den Titel „Kunstgeschichtliche Bilderreihen zu den Epochen der Auseinandersetzung des europäischen Menschen mit der Geste der Antike“ und fand zwischen 3. und 6. Juni 1927 anlässlich des 60. Geburtstags von Max Warburg 5. Juni 1927 statt. Vgl. Woldt, Bilderreihen 2012, S. 115–132. 99 Zu der Ausstellung vgl. Wedepohl 2012, S. 48f. und Woldt, Urworte, 2012, S. 73–97. Anlässlich der Ausstellung fanden zwei Führungen bzw. Vorträge Warburgs statt, die in Teilen in schriftlicher Form in Vortragsskizzen zur ersten Ausstellung überliefert sind. Der Titel des Vortrags am 6. Februar 1927 lautet: „Aus dem Urgrund seelischer Ergriffenheit. Kunstgeschichtliche Bilderreihen zu den Epochen der Auseinandersetzung des europäischen Menschen mit der Geste der Antike“. 100 Der Vortrag von Henkel wurde in der Reihe „Vorträge“ der K.B.W. publiziert. Vgl. Henkel 1930, S. 56–144. 101 Die Fotografien der Tafeln werden im WIA aufbewahrt. Vgl. Woldt, Urworte, 2012, S. 73. Zudem sind Kommentare zu der Ausstellung von Warburg und Bing im Tagebuch der K.B.W. überliefert. 102 Zu den wichtigsten Pathosformeln zählte Warburg „Verfolgung, Raub, Verwandlung, Opfertod, Opferspiel, Klage“. Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 50. In der Ovid-Ausstellung waren sechs der sieben Tafeln mit Titeln versehen und dazu gab es in vielen Fällen Angaben zu den gezeigten Abbildungen und Buchausgaben, alles Informationen auf die in den beiden anderen Bilderreihen verzichtet wurde. Vgl. Wedepohl 2012, S. 48 und Woldt, Urworte, 2012, S. 80–97. 103 Vgl. Schoell-Glass 1998, S. 205. 104 Vgl. Ovid, Metamorphoseon sive Transformationum Ovidianarum, 1606. De Jodes Ausgabe enthält abgesehen von den Untertiteln der Radierungen keinen Text. Zu der Ausgabe
Anmerkungen
von de Jode und deren Wirkung vgl. Henkel 1930, S. 100–104, Brehm 1996, S. 183–186 und Leuschner 2005, S. 435–439.
105 Vgl. Warburg, Rembrandt, 2012, S. 78f. 106 Zu den Proserpina-Szenen Tempestas vgl. Brehm 1996, S. 183–185. 107 Vgl. Ovid, Metamorphosen, V, 348–572. Zur literarischen Überlieferung in der Antike vgl. Brehm 1996, S. 9–15 und Grohé 1996, S. 49–51. 108 Vgl. Warburg, Rembrandt, 2012, S. 78f. 109 Vgl. Warburg, Rembrandt, 2012, S. 78f. 110 Vgl. Warburg, Rembrandt, 2012, S. 77f. 111 Vgl. Warburg, Rembrandt, 2012, S. 79. 112 Vgl. Schoell-Glass 1998, S. 202. 113 Tempestas Darstellungen der Antike empfand Warburg als floskelhaft, oberflächlich und ohne tieferes Verständnis für das Sujet. Vgl. Warburg, Rembrandt, 2012, S. 78f. 114 Warburg erwähnt Jakob Struys 1634 erschienenes Drama „Ontschaking van Proserpina“, das sich auf Claudian stützt. Vgl. Warburg, Rembrandt, 2012, S. 73. Zu Claudian vgl. Brehm 1996, S. 13–15 und Grohé 1996, S. 49–51. 115 Zwar stützt sich auch Struys in seinem Drama auf Claudian, was Warburg zunächst nicht erkannt zu haben scheint. 116 Claudians Gedicht in drei Büchern blieb unvollendet. Wie aus mehreren Tagebucheinträgen deutlich wird, hatte zunächst Saxl Claudian als Quelle für Soutmans Stich nach Rubens’ „Raub der Proserpina“ identifiziert. Am 15. Oktober 1926 notiert Warburg ins Tagebuch: „Claudian (von Saxl) als Quelle der Unterschrift für den Stich von Soutman nach Rubens festgestellt“. Warburg erwähnt am 22. November 1928 Rubens’ Bild im Zusammenhang eines Besuches der Diocletionsthermen in Rom, wo er ein Fragment eines Proserpina-Raubes sah, auf dem eine gewappnete Athena dargestellt ist. Dazu bemerkt er: „[...] das Fragment eines Proserpinaraubes mit einer gewappneten Athena dabei. Sonst bezeugt? Außer bei Claudian – Peter Paul Rubens (im Stich).“ Warburg, Tagebuch, 2001, S. 16 und S. 373. Zu Claudian vgl. Brehm 1996, S. 13–15 und Grohé 1996, S. 49–51. 117 Warburg bemerkt, dass sowohl Moeyaerts Figur der Proserpina als auch jene der Gespielinnen „einfach Varianten“ der auf dem antiken Sarkophag dargestellten Mädchen seien. Bei den in Richtung Unterwelt galoppierenden Pferden habe sich der Maler jedoch an Tempesta orientiert. Vgl. Warburg, Rembrandt, 2012, S. 75f. 118 Zur Ausstellung vgl. Wedepohl 2012, S. 48f. und Woldt, Urworte, 2012, S. 73–97, die Rekonstruktion der Tafel S. 82f. 119 Vgl. Grohé 1996, S. 55. 120 Vgl. Grohé 1996, S. 57. 121 Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 29. 122 „Professor Warburg zu sagen, daß die Befreiung der Andromeda hier von Rubens doch eines seiner besten Bilder ist, die es überhaupt gibt.“ Brief von Saxl, Madrid, an die K.B.W., Hamburg, vom 30.03.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 1. Am 18. April 1927 heißt es: „Der Raub der Proserpina hier und der Perseus von Rubens sind schon auch besonders gute Bilder.“ Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 18.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 5.
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Anmerkungen
123 Vgl. Brief von Warburg, Karlsbad, an Saxl, Hamburg, vom 22.05.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 10. 124 Es handelt sich um Rubens’ Gemälde aus der Bilderfolge zum Einzug des Kardinal-Infanten Ferdinand in Antwerpen: Peter Paul Rubens, Quos ego! – Neptun, die Wogen beschwichtigend, um 1635, 326x384 cm, Dresden, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 964 B. 125 Vergil, Aeneis I, 135. 126 Raub der Proserpina, Sarkophagrelief, römisch, 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts, Marmor, Venedig, Archäologisches Museum; Raub der Proserpina, Sarkophagrelief, römisch, 2. Jh. n. Chr., Aachen, Domschatzkammer. Vgl. Woldt, Urworte, 2012, S. 82f. 127 Heute gelten die Reliefs des Altemps-Mattarini-Rospigliosi-Sarkophag aus dem Palazzo Rospigliosi in Rom als Vorbild für Rubens. Vgl. Alpers 1971, S. 258, Brehm 1996, S. 237f. und Grohé, S. 55–59. 128 Vgl. Brief von Warburg, Karlsbad, an Saxl, Hamburg, vom 22.05.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 10. 129 Inwieweit Warburg hier die Szene im Hintergrund rechts von Minerva, in der mehrere Frauen dargestellt sind, bereits als „Pallas und Arachne“ deutete, sei dahingestellt. In dem Vortrag von 1912 „Italienische Kunst und internationale Astrologie“ erwähnt er diese als „ferraresisches Handarbeitskränzchen [...] im Vordergrunde drei stickende Frauen, dahinter drei Weberinnen am Webstuhl, von einer Schar eleganter Zuschauerinnen umgeben.“ Vgl. Warburg, Ausgewählte Werke, 2010, S. 384. De Cossas Märzbild erscheint sowohl in der Ausstellung „Die Funktion der nachlebenden Antike“, 3.–6. Juni 1927 auf Tafel 2, Nr. 11 und Nr. 12 als auch im Mnemosyne-Atlas, Tafel 27, Nr. 4a und Nr. 4b. Vgl. Woldt, Bilderreihen, 2012, S. 122f. und Warburg, Mnemosyne, 2003, S. 46f. 130 Vgl. Warburg, Bilderreihen, 2012 und Warburg, Mnemosyne, 2003. 131 Das Original gilt als verschollen, überliefert ist die von Rubens’ als Entwurf gedachte Ölskizze, heute im Besitz des The Virginia Museum of Fine Arts, Richmond, Virginia. Sie gehörte damals zur Sammlung van Gelder, Brüssel. Vgl. Rosenberg 1921, Abb. S. 385 und S. 386 und Alpers 1971, S. 178f. und Abb. 60. 132 Zu dieser Ausgabe und ihrer Wirkung vgl. Henkel 1930, S. 100–104 und Leuschner 2005, S. 435–439. 133 Es handelt sich um Tempestas „Diana und Aktäon“ auf Tafel 5 und um zwei von dessen Illustrationen zum Medea-Thema auf Tafel 4. Vgl. Woldt, Urworte, 2012, S. 73–97. 134 Vgl. Henkel 1930, S. 102 sowie Taf. XXII, Abb. 43 und Taf. XXXIV, Abb. 65. 135 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Heft 3 und Heft 4, WIA. Die Notizen vor Ort und die Konzepte für die Vorlesung machte Saxl auf einzelne Blätter, die er in Klemmhefte einordnete. Gelegentlich hat der Gelehrte die Notizen mit einer Skizze der Gemälde kombiniert, in der er den Schwerpunkt auf die Raumstruktur und die Komposition legte. Bei den Notizen vor Ort in Spanien handelt es sich um insgesamt 119 recto beschriebene Folios. Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1. 136 Seitenangaben in Saxls Notizen vor Ort in Madrid, in denen er sich auf Stellen bei Justi bezieht, weisen auf diese dritte Ausgabe des „Velazquez“ von 1923 hin (Justi 1923). 137 Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 02.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 2.
Anmerkungen 138 Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 18.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 5. 139 Der Band, der auf dem Schmutztitel rechts oben den handschriftlichen Vermerk „Friedrich Saxl 1905“ trägt, stammt aus dem Nachlass von Enriqueta Harris und befindet sich heute im Bestand der Warburg Institute Library. Vgl. Gensel 1905. 140 Vgl. Allende-Salazar 1925 und Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 18.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 5. 141 Es handelt sich um Francisco Pacheco, El arte de la Pintura, Erstauflage Sevilla 1638, um Antonio Palomino, Parnaso español pintoreso laureado, 3 Bde, Erstauflage Madrid 1715– 1724 sowie um Juan Agustín Céan Bermudez, Diccionario histórico de los más ilustres profesores de las bellas artes en España, 6 Bde., Madrid 1800. Vgl. Pfandl 1924 und Hume 1907 und Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 30.03.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 1. Zum Stand der Velázquez-Literatur 1927 vgl. die Bibliographie bei Vollmer 1926, S. 189–197. 142 Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 18.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 5. Damit könnte er sich auch auf Aufsätze von Pedro de Madrazo über Velázquez beziehen. Vgl. Gaya Nuño 1963. 143 Vgl. Postkarte von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 21.04.1927, WIA, GC und Sánchez Cantón 1925. Siehe Dokumente I, Nr. 6. 144 Vgl. Postkarte von Saxl, Madrid, Ansicht der Casa de Correos, an Warburg, Hamburg, vom 20.03.1927, WIA, GC. Mayer hatte zahlreiche Aufsätze und kleinere Monographien zu Velázquez verfasst, die letzte war 1924 erschienen. Vgl. Mayer 1924. für die weiteren Beiträge Mayers vgl. die Bibliographie von Gaya Nuño 1963. 145 Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 1. 146 Heft 1 mit Notizen vor den Gemälden in Madrid enthält 40 Folioseiten mit Kommentaren zu Werken von El Greco und 119 Folioseiten mit solchen zu Werken von Velázquez. Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1. Zusätzlich zu den Notizen kommentiert Saxl auch die Farbgebung der Bilder auf den Abbildungsseiten der Erstausgabe von Walter Gensels Velázquez-Band aus der Klassiker-der-Kunst-Reihe von 1905. Vgl. Gensel 1905, S. 96. 147 Heft 3 mit 98 Folioseiten recto, mit Notizen in Tinte und Bleistift, von denen nur ein kleiner Teil mit dem Kolleg zusammenhängt, enthält Saxls in Madrid und auf der nahezu zwei Wochen dauernden Rückreise nach Hamburg entstandene Entwürfe für die Gliederung der Vorlesung. Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 3. Heft 4, das Konvolut mit den Notizen, auf die Saxl sich bei der Vorlesung zunächst im Sommersemester 1927 und vier Jahre später im Wintersemester 1931 stützte, besteht aus jeweils in den Tagen vor dem Kolleg in Hamburg aufgeschriebenen Konzepten. Diese 196 Folioseiten recto umfassenden Notizen in Heft 4 hat Saxl in Hamburg zwischen Mai und Juli 1927 aufgeschrieben und im Winter 1931–1932 ergänzt, worauf Notate in etwas veränderter, größerer Schrift hinweisen. Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4. Saxls Notizen sind stichwortartig oder als Halbsätze formuliert und haben fragmentarischen Charakter, so dass sich an mehreren Stellen Ungereimtheiten und Lücken ergeben. 148 „Versuchen, uns auf die Klärung der Form-Probleme bei Greco und Velázquez innerhalb ihrer Kunst zu beschränken.“ Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 93. 149 Vgl. Wölfflin 1915 und zu Wölfflin zuletzt Wimböck 2007.
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Anmerkungen
150 Vgl. Wölfflin 1928. 151 Zur „Problemgeschichte“ vgl. Krois 2009, S. 29f. 152 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 3 und Heft 4. 153 „Wenn nicht als Spanier verstehen können, sondern in erster Linie als Europäer.“ Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 1. 154 Justi hatte betont, dass die spanischen Maler ohne Anstoß aus Italien auf einen eigenständigen Naturalismus gekommen seien. Vgl. Justi 1923, Bd. 1, S. 131f. 155 „Aus Caravagieskem Realismus und Rubens ist eine Einheit geworden.“ Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 147. 156 Die Kommentare im Tagebuch der K.B.W. über diese Vorlesung Saxls sind zahlreicher als über seine anderen Veranstaltungen. Über die erste Vorlesung notiert Bing am 17. Mai 1927: „17. Mai. Erstes Kolleg: Überblick über die europäische Zeit zu dem Zeitpunkt, als Greco aufhört und Velázquez anfängt zu malen: Guido Reni als Vertreter der ‚belleza‘, Caravaggio des Realismus und der Plastizität, Rubens der Bewegung und Domenico Feti der Landschaft.“ Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 92. Mit der Vorlesung am 17. Juni hatte Saxl mit dem „Greco-Teil“ abgeschlossen und begann mit dem „Velázquez-Teil“. Vgl. den Eintrag von Saxl vom 14.06.1927, Warburg, Tagebuch, 2001, S. 102. Am 7. Juli 1927 notiert Bing, dass sie Saxls Kolleg gern „zu Ende mitmachen“ möchte. Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 113. 157 Saxls Beobachtungen zu den „Hilanderas“ in den Notizen vor Ort in Heft 1 umfassen insgesamt vier Folioseiten; eine Skizze des Gemäldes hat er nicht angefertigt. Die Notizen zu den „Hilanderas“ in den Vorlesungsmaterialien in Heft 3 und Heft 4 umfassen rund sechs Folioseiten. Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fols. 89–92, Heft 3, Fols. 16–20 und 88f. und Heft 4, Fols. 137–139 und 149–151. Siehe Dokumente II und III. 158 Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an die K.B.W., Hamburg, vom 30.03.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 1. 159 Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 02.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 2. 160 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 139. Siehe Dokumente III, Nr. 2; Justi 1923, Bd. 2, S. 343. Saxls Fazit zum „Neuen“ in den „Hilanderas“ bezieht sich auf Formprobleme: „Das Neue der Hilanderas ist: a) das Auflösen des Einzelnen, bei Belassung seiner Totalität; b) der Bewegungsraum der Gestalt; c) der Stimmungswert des Raumes; d) die Verbindung von Gestalt und Raum durch das Licht; e) der Stimmungswert des Lichts; f ) der Stimmungswert der Farbe“. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 151. Siehe Dokumente III, Nr. 2. 161 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fol. 90 und Heft 4, Fol. 149. Siehe Dokumente III, Nr. 2. 162 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fol. 91 und Heft 4, Fol. 149. Siehe Dokumente III, Nr. 2. 163 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 150. Siehe Dokumente III, Nr. 2. 164 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fol. 90f. Siehe Dokumente III, Nr. 1. 165 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 150. Siehe Dokumente III, Nr. 2. 166 „Hintergrund im Gegensatz zu Vordergrund hell und sonnig“ und „Mittelgrund im Dunkel. Leiter bekommt schon Reflexlicht, ebenso Stufe.“ Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fol. 91. An anderer Stelle heißt es: „Diagonale von l. das Licht, das auf die Spinnerin hinführt, die mit
Anmerkungen
der Figur daneben zusammengesehen sind.“ Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 150. Siehe Dokumente III, Nr. 2.
167 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fol. 89. Siehe Dokumente III, Nr. 1. Den Zusammenhang der „Hilanderas“ mit den Porträts der Hofzwerge subsumiert Saxl mit den Worten: „Der Umriß der knienden Figur, das Erscheinen vor der Architektur-Ecke. Die großen Stofformen, die Behandlung des Leinens. Das Schildern des verschwebenden Lichts (Rad), das Helldunkel. Die Sonne im Hintergrund. Wie dort das Caravaggieske Substrat zur Schilderung des pathologisch-pathetisch Existenziellen, und damit vollkommen Neuem verwendet wird, so hier zur Allegorie im Rahmen der Wirklichkeit des Höfischen wie des Proletarischen.“ Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 149. Siehe Dokumente III, Nr. 2. Bei den beiden Porträts handelt es sich um die Gemälde: Diego Velázquez, El bufón Calabacillas, genannt Bobo de Coria, nach 1651, Öl auf Leinwand, 106x83 cm, Madrid, Museo del Prado, Inv. 1205 und Diego Velázquez, Francisco Lezcano, el Niño de Vallecas, nach 1651, Öl auf Leinwand, 107x83 cm, Madrid, Museo del Prado, Inv. 1204. Vgl. Velázquez 1990. S. 316–325. 168 Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 117. „Die späten Velázquez, die ‚Hilanderas‘ und die ‚Meninas‘ haben die Schönheit der ‚Staalmeesters‘. Und manche dieser Bilder haben auch die Seele wie späte Rembrandts.“ Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 02.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 2. 169 Saxl beschränkt sich in den Vorlesungsnotizen auf Stichworte: „Anschluß a. Caravaggio Maria Guido Reni Hund, Zentralkomposition. Helldunkelversuche“. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 140. Es bleibt offen, auf welches Gemälde Renis Saxl hier anspielt, einzig in Renis „Raub der Helena“ (Paris, Louvre) ist im Vordergrund ein Hund zu sehen. Caravaggio, Rosenkranzmadonna, ca. 1606–1607, Öl auf Leinwand, 364x249 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum. 170 Vgl. Longhi 1927. 171 Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 346f. 172 „Es ist nämlich unmöglich, ausserhalb Bassanos die Bassani kennen zu lernen, und da gibt es wirklich noch Überraschungen, z.B. dass es ein Bild der Bassanischule „Die Weberinnen“ gibt, das also genau dasselbe Thema behandelt wie er späte Velázquez.“ Brief von Saxl, Hamburg, an Warburg, Karlsbad, vom 20.05.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 9. 173 Vgl. Jacopo Bassano. Kat. Ausst. Bassano del Grappa, 1992, Abb, 53, S. CLVII. 174 Saxl notiert in verkürzter Form Informationen zu mehreren Blättern, von denen ich lediglich die Zeichnung aus der Biblioteca Nacional, Madrid und das Blatt von van Winghe identifiziert habe. Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fol. 89. Siehe Dokumente III, Nr. 1. Die Zeichnung in der Biblioteca Nacional, Madrid, auf der eine frontal zum Betrachter sitzende Spinnerin dargestellt ist, zeigt keine Ähnlichkeiten mit den Figuren in den „Hilanderas“. An einer Stelle heißt es: „Zeichnung Uffizien als Tizian gestochen von A. Scacciati, in: Proseguimento de Disegni della Real Galleria Tomo II. No. 63, ein technisches Bild des Webens. Dasselbe Zeichnung Joost van Winghe Mus. Boymans Repr. Kleinmann“. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fol. 92. Siehe Dokumente III, Nr. 1. Mit der Notiz „Repr. Kleinmann“ bezog sich Saxl auf das Mappenwerk „Handzeichnungen alter Meister der Holländischen Schule, H. Kleinmann &Cie. Haarlem, Serie VI. (vor 1899). Das nicht datierte Mappenwerk erschien ohne Text und gelangte nicht vollständig zur Ausgabe. Joos
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Anmerkungen
van Winghes Blatt ist hier als Blatt 20 abgebildet. Im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin sind die Lieferungen in zwei Bänden zusammengefasst, Bd. 1, „Rembrandt“ und Bd. 2, „Andere holländische Meister in alphabetischer Reihenfolge“. Das Blatt 20 in Band 2 ist in alter Handschrift Joos van Winghe zugeschrieben.
175 Saxl weist in einer handschriftlichen Notiz neben der Abbildung der „Hilanderas“ in seinem Exemplar von Gensels „Velazquez“ von 1905 auf Fantuzzi hin: „Fantuzzi, Le figlia [sic!] di Minia’, Pittaluga, L’incis. Ital. pl. 280“. Vgl. Gensel 1905, S. 96. Er bezieht sich in der Notiz auf Pittaluga 1928, Abb. 216, S. 280. Vgl. Zerner 1969, S. XLVI, Abb. 81. Der Eintrag Saxls entstand nach 1928, vielleicht sogar erst 1931/32, da Pittalugas Monographie 1928 erschien. 176 Vgl. Teil 6. 177 Vgl. Angulo Íñiguez, Velázquez, 1947 und Soria 1948. 178 Im Register des „Velazquez“ ordnet Justi das Gemälde zusammen mit dem „Wasserträger“ und der „Eierbräterin“ unter dem Stichwort „Genrebilder“ ein. Vgl. Justi 1923, Bd. 2, S. 451. 179 In den Notizen vor Ort in Madrid in Heft 1 erwähnt Saxl die im Vordergrund dargestellten Personen zunächst als „Spinnerin“, „Alte“, „Kniefigur“ und jene im Hintergrund als „Damen“, „Behelmter“ und „Stehfiguren“, wobei er sich auf Justi stützt. Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fols. 90–91 und Justi 1923, S. 340–347, hier S. 343. Siehe Dokumente III, Nr. 1. 180 „13.) Philos. Zwerge Antike, 14. Hilanderas – Antike“ und ein anderes Mal „22. Die Zwerge Antike Hilanderas“. Saxl, Spanish Notes, Heft 3, Fols. 88f.; „Die Geschichte des Klassischen Velázquez – Hilanderas – Ananias – Hilanderas – Farnesina“. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 137. Siehe Dokumente, Nr. 2. 181 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fol. 91. Siehe Dokumente III, Nr. 1. 182 Vgl. Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 18.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 5. 183 Saxl erkannte, dass Velázquez im „Merkur und Argos“ auf Rubens’ Gemälde mit dem gleichen Sujet, das sich damals in der Sammlung Philipps IV. befand, als Vorbild zurückgegriffen hatte. Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 1, Fols. 115–118 und Heft 4, Fols. 113, 139 und 149f. Siehe Dokumente III, Nr. 2. 184 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fols. 112, 117 und 149. Siehe Dokumente III, Nr. 2. 185 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 142. 186 Peter Paul Rubens, Die Begegnung Ferdinands von Ungarn mit dem Kardinal-Infanten Ferdinand vor der Schlacht bei Nördlingen, 1635, Öl auf Leinwand, 328x388 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie; Diego Velázquez, Die Übergabe von Breda, um 1634, Öl auf Leinwand, 307x367 cm, Madrid, Museo del Prado. Vgl. Brief von Saxl, Hamburg, an Warburg, Karlsbad, vom 20.05.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 9. Saxls Annahme stimmt nicht, da Rubens das Gemälde 1635 in Antwerpen, also erst ein Jahr nach der Entstehung von Velázquez’ Bild gemalt hat. Vgl. Peter Paul Rubens 1577– 1640. Die Meisterwerke, Kat. Ausst. Wien 2004, Hgg. Johann Kräftner u.a., Wien 2004, Kat. Nr. 85, S. 332–343 und Warnke 2005, S. 99–103 187 Brief von Warburg, Karlsbad, an Saxl, Hamburg, vom 22.05.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 10.
Anmerkungen 188 „Die Arbeit am Velázquez zeigt, daß Tempesta-Velázquez-Rubens als vollkommene Einheit zu begreifen sind. Einzubeziehen ist das Frankreich Richelieus. Da Gegensatz bilden a) das päpstliche Rom b) das bürgerliche Holland. ‚Breda‘ und die ‚Anatomie‘ oder sogar die ‚Nachtwache‘ sind Gegenpole. Grenzfälle Rembrandts sogenannte Allegorie auf den westfälischen Frieden. Wunderbar deutlich die Stellung des Civilis a) Verbindung mit Rubens – Caravaggio –Tempesta (die offizielle nationalistische Welt im Spiegel des Antiken b) die Trennung (schon rein inhaltlich) das ‚revolutionäre‘ Bürgertum c) die Ablehnung durch die offizielle Amsterdamer Welt, die eben nicht mehr revolutionär und bürgerlich, sondern nur mehr nationalistisch ist.“ Warburg, Tagebuch, 2001, S. 117. 189 In den Vorlesungsnotizen geht Saxl ausführlich auf den Vergleiche der beiden Gemälde ein und erwähnt die Abbildung von Tempesta als Civilis 10. Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fols. 121–123. 190 Die Illustration findet sich unter dem Titel „Civilis Using Moovable Wooden Bridges to Attack a Fortress“. Vgl. Illustrated Bartsch, 35, Bd. 1, New York 1984, Nr. 569, Ausgabe Batavorum cum romanis Bellum, Antwerpen 1612. 191 Warburg war am 5. Mai abgereist und am 30. Mai 1927 wieder zurück in Hamburg. Vgl. die Einträge von Bing vom 05. Mai 1927 und den Eintrag von Warburg vom 30. Mai 1927. Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 88 und S. 95. 192 Den Tagebucheintrag vom 18. Juli 1927, s.o., S. 3. Aus den Notizen mit der Gliederung, Heft 3 als auch aus den Vorlesungsnotizen, Heft 4 geht hervor, dass Saxl in einer der beiden letzten Sitzungen über die „Hilanderas“ gelesen hat. 193 Vgl. Scholz-Hänsel 1990, S. 489–494. 194 Vgl. Gombrich 1992, S. 58–92. 195 Eintrag Warburg vom Samstag, dem 9. Juli 1927: „Saxelino hat mir gestern die Bedeutung Caravaggios an dem Wiener Rosenkranzbild sehr schön klargemacht.“ Warburg, Tagebuch, 2001, S. 115. Der Eintrag bezieht sich auf Caravaggios Gemälde aus dem Kunsthistorischen Museum, Wien, das Saxl in der Vorlesung mehrfach erwähnt. 196 Dass Warburg solchen Ausführungen zur Formensprache der Kunstwerke durchaus zwiespältig gegenüberstand, ist einem Brief Saxls zu entnehmen, in dem er über das Verhältnis zwischen Rembrandt und Tempesta schreibt. In dem daran anschließenden Absatz heißt es: „Lieber Herr Professor, ich weiss, dass Ihnen diese Auseinandersetzungen langweilig und bis zu einem gewissen Grade nichtssagend sind, weil sie zu sehr im Formalen haften.“ Saxl schrieb den Brief am 1. Juni 1926 nur drei Tage nach Warburgs Rembrandt-Vortrag am 29. Mai 1926. Vgl. Brief von Saxl, Hamburg an Warburg, Baden-Baden vom 01.06.1926, Warburg/Saxl 2004, S. 161. 197 Vgl. Ovid, Metamorphoseon sive Transformationum Ovidianarum libri quindecim Aeneis formis ab Antonio Tempesta Florentino incisi, Antwerpen: Petrus de Jode, ca. 1606. Die Ausgabe gehört heute zum Bestand der Warburg Institute Library und trägt die Signatur NCH 422. Auch Max Ditmar Henkel hatte im Februar 1927 in seinem Vortrag an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg über „Illustrierte Ausgaben von Ovids Metamorphosen im 15., 16. und 17. Jahrhundert“ Tempestas „Pallas und Arachne“ aus dieser Ausgabe gezeigt und kommentiert. Vgl. Henkel 1930, S. 102 sowie Taf. XXII, Abb. 43 und Taf. XXXIV, Abb. 65.
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Anmerkungen
198 Zudem schmückte eine Kopie Juan Bautista del Mazos nach Rubens’ „Pallas und Arachne“ die Wand im Hintergrund des in den „Meninas“ dargestellten Raumes des Madrider Alcázar. Vgl. Velázquez 1990, S. 426. 199 Rubens hat als Erster dieses Motiv in die Darstellung des Wettstreits zwischen Pallas und Arachne eingebracht. Vgl. Heintze/Hager 1961. Zu den Warburg und Saxl offenbar unbekannten Artikeln von Émil Michel und Charles Ricketts, in denen der Teppich im Hintergrund bereits als Darstellung des Raubes der Europa erkannt worden war. 200 Auch Luca Giordano sollte sich 1695 in seinem Gemälde „Pallas und Arachne“ bei der Figur der Pallas ebenfalls an Rubens orientieren. Vgl. Luca Giordano, Pallas und Arachne, 1695, Öl auf Leinwand, 300x324 cm, El Escorial. 201 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 149. Siehe Dokumente III, Nr. 2. 202 Zum Begriff „Existenzbild“ bei Burckhardt vgl. Schlink 1990 und Roeck 1990. Warburg, der wie auch Saxl ein großer Bewunderer Burckhardts war, hielt im Sommersemester 1927 ein Burckhardt-Seminar. Vgl. Roeck 1991. 203 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 149. Siehe Dokumente III, Nr. 2. 204 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 149. Siehe Dokumente III, Nr. 2. 205 Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 126. 206 „Wäre nachzusehen ob zum Beispiel die Serie der Teppiche nicht bei Wauters (Brüsseler Tapisserie) unter dem Wirken Leyniers erwähnt wird, die Generationen lang für Spanien arbeiten.“ Warburg, Tagebuch, 2001, S. 121. Mit dem Velázquez-Aufsatz von Émile Michel war Warburg auch entgangen, dass dieser bereits 1895 nachgeforscht hatte, ob zu der königlichen Sammlung in Madrid ein Teppich mit dem „Raub der Europa“ gehörte, oder ob in der Teppichmanufaktur in der Calle Santa Isabel in Madrid in der Zeit des Velázquez ein Teppich diese Themas angefertigt worden sei, ohne indes zu einem Ergebnis zu gelangen. Vgl. Michel 1895, S. 108, Anm. 1. Zu Warburgs Beschäftigung mit Teppichen vgl. Warburg, Arbeitende Bauern auf burgundischen Teppichen, 1998. 207 Vgl. Wauters 1878. 208 Vgl. Brief Göbel, Kolbert an Saxl, Hamburg, vom 01.10.1927, WIA, GC, der sich in dem Antwortschreiben auf Saxls Anfrage bezieht, die nicht überliefert ist. Vgl. Göbel 1923– 1934. 1928 sollten mit Band 2.1 und 2.2 die Bände zu den Wandteppichen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal erscheinen. 209 Vgl. Brief Göbel, Kolbert an Saxl, Hamburg, vom 01.10.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 11. 210 Vgl. Brief Göbel, Kolbert an Saxl, Hamburg, vom 27.11.1927. Siehe Dokumente I, Nr. 12. 211 Vgl. den Eintrag Warburgs vom 21. August 1927, Warburg, Tagebuch, 2001, S. 130. 212 „Es ist schon dumm, daß gute Bücher schreiben so schwer ist und mittelmässige ganz überflüssig. Aber ich schriebe schon gern einen Velázquez [...] Aber bitte, beunruhigen Sie sich nicht, ich schreibe keinen Velázquez oder erst in zwanzig Jahren.“ Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 18.04.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 5. 213 Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 153. 214 Über die Gliederung von Saxls aus dem Bestand der Bibliothek des Warburg-Institutes verschollener Dissertation (Typoskript, Signatur CFB 365, 87 Seiten) sind wir anhand von Salvatore Settis Bibliographie informiert. Es heißt: „Indice: Vorwort, p.1; I. Die Anatomie
Anmerkungen
des Dr Tulp, p.3; II. Die Nachtwache, p. 19; III. Die Anatomie des Dr Deymann, p. 27; IV. Die Staalmeesters, p. 46; V. Lastman-Probleme, p. 56; VI. Echtheitskriterien der Rembrandt-Zeichnungen, p. 74.“ Settis 1985, S. 500.
215 In dem Eintrag Warburgs vom 1. Dezember 1927 heißt es, dass er überlegt habe, ob Saxl ab 1. Januar 1928 „das große Sabbatjahr“ antreten solle und dann „unter anderen Aufgaben [...] die große kunstgeschichteliche [sic] Arbeit und den Katalog der astrologischen Handschriften zu Paris“ bearbeiten solle. Saxls Antworteintrag vom gleichen Tag lautet: „Das zweite die Bearbeitung des Problems ,Rubens und Velázquez‘ unter anderem in ihrem Verhältnis zum höfisch-Festlichen. Ich stelle es mir ungefähr so vor, daß man 1.) die Leistung des Rubens im Vergleich mit dem Vorangehenden (zum Beispiel Teppich von Bayonne) darstellt und 2.) von diesem festen Ausgangspunkt aus dann das Spanische zu charakterisieren sucht. Mir handelte es sich vor Allem darum, das Breda-Bild zu charakterisieren und die Ovid Darstellungen des Velázquez, die im Anschluß an Rubens entstanden sind.“ Warburg, Tagebuch, 2001, S. 152f. 216 Im Wintersemester 1927/28 las Saxl über „Sternglaube und Sterndeutung in der bildenden Kunst“ und war die nächsten Semester, bis inklusive dem WS 1929/30, beurlaubt. Vgl. McEwan 2012, S. 280–282. 217 Im Februar 1928 bestellte Saxl in Madrid eine großformatige Fotoreproduktion nach den „Meninas“. Vgl. Brief vom 09.02.1928 von Saxl, Hamburg, an die Casa Moreno, Fotografia de Arte, Plaza de las Cortes 8, Madrid, WIA, GC. 218 Saxl ließ Moldenhauer einen Sonderdruck seiner Rezension von August L. Mayers „El Greco“ zukommen und schrieb dazu: „Velázquez-Studien sollen noch folgen.“ Vgl. Brief vom 17.12.1928 von Saxl, Hamburg, an Moldenhauer, Madrid, WIA, GC. Mit diesem Brief bricht Saxls dokumentierte Beschäftigung mit Velázquez zunächst ab. 219 Das wird aus der Korrespondenz, aus den Tagebucheinträgen sowie aus den Vorlesungsmaterialien Saxls deutlich. Vgl. Hellwig, Saxls Forschungsaufenthalt, 2008. 220 Vgl. Mayer 1926 und Saxl, Rezension Mayer, 1927/28. 221 Zu Mayer vgl. Posada Kubissa 2010. 222 „Die Litt. über span. Kunst liegt noch in den Windeln. Schöne Litt. in der die A.L. Meyers eine Rolle, die Rolle spielen.“ Brief von Saxl, Madrid, an Warburg, Hamburg, vom 30.03.1927, WIA, GC. Siehe Dokumente I, Nr. 1. Vgl. zudem Warburg, Tagebuch, 2001, S. 92 und S. 229. 223 Vgl. Saxl, Rezension Mayer, 1927/28, S. 91. 224 Die „Kunstgeschichtlichen Anzeigen“ erschienen zwischen 1904 und 1915. Vgl. Brief vom 28.02.1925 Friedrich Antal, Berlin an Panofsky, Hamburg, Panofsky 2001, S. 163f. 225 Vgl. Pinder 1927/28, S. 1f. Herausgeber waren Rudolf Kautzsch, Wilhelm Pinder, Georg Swarzenski und Karl M. Swoboda, Redakteure Friedrich Antal und Bruno Fürst. Pinder formulierte im Namen der Herausgeber die Bewahrung der „Verpflichtung zur Sauberkeit wissenschaftlichen Denkens“ als Programm. 226 Saxl erhielt zwar zahlreiche Anfragen, Bücher zu besprechen, in seiner Bibliographie erscheinen allerdings nur vier Rezensionen: 1912 zu einem Buch von Carl Larsson, 1921 zu Carl Neumann, „Aus der Werkstatt Rembrandts“, die hier besprochene Arbeit über A.L. Mayer und 1941 die Besprechung von Ernst Kitzinger, „Early Medieval Art“. Vgl. Bibliographie bei McEwan 2012, S. 217–226.
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Anmerkungen
227 Vgl. Brief Saxl, Hamburg, an Ludwig Münz, Wien vom 17.06.1927, WIA, GC. Es heißt: „Herrn Mayers grosses Grecowerk werde ich demnächst bei Antal herunterreißen.“ Es sei eine „Unverschämtheit für 400 Mark einen solchen Schund“ zu liefern. 228 Vgl. Mayer 1926 und Saxl, Rezension Mayer, 1927/28, S. 86–96. An der K.B.W. weigerte man sich, das mit einem Preis von 400 DM damals sehr teure Buch zu erwerben und regte deshalb bei Gustav Pauli den Ankauf durch die Hamburger Kunsthalle an, wie Bing am 22.03.1027 ins Tagebuch notiert. Vgl. Warburg, Tagebuch, 2001, S. 71f. 229 Vgl. Saxl, Rezension Mayer, 1927/28. 230 Vgl. Saxl, Rezension Mayer, 1927/28, S. 92. 231 Vgl. Saxl, Rezension Mayer, 1927/28, S. 87. Umso peinlicher muss es Saxl gewesen sein, dass in der Rezension bei der Unterschrift zweier Abbildungen ein „ärgerliches Versehen“ passiert war. Wie Bing in einem Brief vom 7. März 1928 bemerkt, war der Hinweis „Abbildung seitenverkehrt“ bei der Drucklegung versehentlich unter den „Sterbenden Gallier“ geraten und nicht, wie es korrekt gewesen wäre, unter das Laokoon Relief. Vgl. Brief von Bing, Hamburg, an Saxl, London vom 07.03.1928, WIA, GC. 232 Vgl. Hellwig 2011. 233 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 93. 234 Das Album gehört zu den Beständen des Londoner WIA. Das weder beschriftete noch kommentierte Tafelwerk konnte als Arbeitsmaterial von Saxl identifiziert und eine Datierung in das Jahr 1927 vorgenommen werden. Es besteht aus zwölf quer zusammengehefteten Tafeln aus braunem Karton mit den Maßen 39,2x44,5 cm. Während die erste und die letzte Tafel als Einband fungieren, enthalten die übrigen zehn insgesamt 43 aufgezogene Schwarzweißfotografien von Kunstwerken. Die 43 fotografischen Reproduktionen unterschiedlichen Formats sind nicht nach einem festen, sich durchziehenden formalen Schema auf die einzelnen Tafeln montiert; mal sind sie horizontal in Reihen, mal vertikal in Kolumnen angeordnet. Vgl. Hellwig 2012. 235 Vgl. Warburg, Bilderreihen, 2012. 236 Tafel VIII enthält Reproduktionen von Details von zwei Werken, die nebeneinander angeordnet sind: 1. El Greco, Auferstehung (Detail), Öl auf Leinwand, 275x127 cm, ca. 1600–1605, Madrid, Museo del Prado; 2. Tizian, Tityos (um 90° gegen den Uhrzeigersinn gedreht), Öl auf Leinwand, 1547–1548, 253x217 cm, Madrid, Museo del Prado. 237 Die drei Details auf Tafel IV sind in zwei Kolumnen angeordnet: 1. El Greco, Die Blindenheilung (Detail), Tempera auf Öl, 66x84 cm, ca. 1565, Dresden, Gemäldegalerie; 2. Domenico Campagnola, Apostelgruppe, nach Tizians Assunta, Venedig, Santa Maria dei Frari, Federzeichnung auf Papier, 231x312 mm, Paris, Louvre, Cabinet des Dessins; 3. Marcantonio Raimondi, Der Bethlehemitische Kindermord, nach Raffael (Detail), Kupferstich, ca. 1510. 238 Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fol. 30. 239 Die Reproduktionen der sieben Details auf Tafel V werden in zwei Reihen gezeigt: 1. El Greco, Die Entkleidung Christi (Detail), Öl auf Leinwand, 285x173 cm, 1577–1579, Toledo, Kathedrale, Sakristei; 2. El Greco, Die Vertreibung der Wechsler aus dem Tempel (Detail), Öl auf Leinwand, 106x130 cm, ca. 1600–1605, London, National Gallery; 3. Filippo Brunelleschi, Die Opferung Isaaks (Detail), Bronze, vergoldet, 45x38 cm, 1401–1402, Florenz, Museo Nazionale del Bargello; 4. Luca Signorelli, Taten des Antichrist (Detail),
Anmerkungen
Fresco, ca. 1501, Orvieto, Dom; 5. Marcantonio Raimondi, Die Kletterer nach Michelangelos Schlacht von Cascina (Detail), Kupferstich, 1504–1505; 6. Raffael, Der wunderbare Fischzug (Detail), Karton, 345x535 cm, 1515, London, The Victoria and Albert Museum; 7. Raffael, Die Steinigung des heiligen Stephanus (Detail), Teppich, 345x535 cm, 1515, Rom, Pinacoteca Vaticana.
240 Auch in der Vorlesung beschäftigt sich Saxl mit dieser Frage: „Auf den ersten Blick wenig antikische Elemente. In der Mitte die beiden nach entgegengesetzter Richtung der Tiefe orientierten Gestalten am Boden unmöglich antikisch. Die Figuren ganz im modernen Sinn in die Landschaft aufgenommen. Dennoch liegen auch hier antikische Elemente zugrunde – Relief Madrid und Luzern, Rundkomposition. Etwas von der Rundform der Gemme ist auch hier erhalten. Sterbende Gallier. Die plastische Gruppe ist zerstört, die Gestalten liegen tiefeinwärts. Die Gestalten sind manieristisch verändert: Kontur und Oberfläche sind von einer gesteigerten Bewegung erfüllt. Der physiognomische Ausdruck ist schwebend verzerrt. Eine Kunst die mit den Mitteln des Manierismus, der Kenntnis des sog. Antiken Barock, der „modernen“ Erwerbung der Tiefe, und zugleich der dieser entgegenwirkenden flächigen Bindung der Figuren, der die Figuren zu gesteigerter räumlichen Erscheinung bringenden Schilderung der Atmosphäre wie der linearen Benutzung der Wolkenbilder, ein Bild des verhalten Tragischen, nicht des sich frei entladenden Schmerzes gibt.“ Saxl, Spanish Notes, Heft 4, Fols. 21f. 241 „Wo seine Darstellungen nicht die Welt des Religiösen-Jenseitigen eröffnen, zeigt sich ein spielerischer, artifizieller Zug, der nicht nur über alles hinausgeht, was die Verklärtheit venezianischer Auffassung an Vernachlässigung der exakten Wiedergabe des Inhalts mit sich gebracht hat, sondern dem Kapriziösen und der „Grazia“ der Manieristen eine ungeahnte Wirksamkeit verleiht. Das beste Beispiel hierfür ist der „Laokoon“. Es sind seltsam rhythmisch bewegte Figuren, deren Hauptaktoren gleich muskelstarken Akrobaten mit den Schlangen mehr zu spielen/ scheinen, als daß man mit ihnen die Furchtbarkeit der berühmten Szene erlebt. Vor einem grandiosem Prospekt sich bewegend scheinen diese tänzelnden, gleitenden Figuren keinen festen Boden unter den Füßen zu haben.“ Mayer 1926, S. XXX–XXXII und XXXVIIf., hier S. XXXVII. 242 Vgl. Saxl, Rezension Mayer, 1927/28, S. 95f. 243 Vgl. Cossío 1908, Bd. 1, S. 357–364, hier S. 359. 244 Vgl. Saxl, Rezension Mayer, 1927/28, S. 96. 245 Damit – so Saxl – sei bezeugt, dass die Generation nach El Greco den Laokoon als „so gefühlsstark und ernsthaft empfunden [habe], daß sie ihn zum Vorbild der Aufrichtung des Kreuzes nimmt, der Aufrichtung der ehernen Schlange.“ Saxl, Rezension Mayer, 1927/28, S. 96. 246 Der Aufenthalt ist schlecht dokumentiert. Man kann anhand der Ergebnisse jedoch davon ausgehen, dass Saxl sich vielleicht zwei Wochen in Madrid aufgehalten haben könnte. Vgl. Hellwig, Saxls Forschungsaufenthalt, 2008. 247 „Ich hab fast alle Tizians, die ich gesehen habe, mit der Leiter gesehen – soweit sie groß sind – und hab nun dies Gefühl für seine Handschrift, das einem erst die Möglichkeit zum wirklichen Genuß gibt.“ Brief vom 07.11.1927 Saxl, Madrid, an Panofsky, New York, Panofsky 2001, S. 412f. 248 Es heißt: „[...] ich kann endlich was Klares über Aniello Falcone sagen. Hier ist nämlich ein Skizzenbuch von ihm, das ich nicht kannte und das einen Schlüssel gibt (daß ich es nicht
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Anmerkungen
kannte, ist blamabel, denn es war in den 60er Jahren darüber ein Aufsatz erschienen).“ Brief vom 07.11.1927 Saxl, Madrid, an Panofsky, New York, Panofsky 2001, S. 412f.
249 Die Vorlesungsmaterialien enthalten Notate in unterschriftlichen Schriftgrößen und mit verschiedenen Schreibgeräten in Tinte oder Bleistift. Vgl. Saxl, Spanish Notes, Heft 4. 250 Vgl. Brief vom 20.10.1933 Panofsky, Hamburg, an Walter Cook, New York, Panofsky 2001, S. 656f. 251 Vgl. Saxl, Geschichte der Bibliothek Warburgs, 1992. 252 Wie bei Justi wurde das Gemälde weiterhin unter den „Genre Pictures“ geführt. Vgl. Mayer 1936, S. 30. 253 1931 identifizierte der englische Kunsthistoriker Philip Hendy – in Unkenntnis der Ergebnisse von Michel 1895 und Ricketts 1903 – zwar erneut das Thema des Bildteppichs im Hintergrund der „Hilanderas“ als „Raub der Europa“, seine Erkenntnis wurde jedoch erst 1948 von der Velázquez-Forschung wahrgenommen. Vgl. Hendy 1931, S. 373. Es heißt: „Velázquez paid his tribute by painting Titian’s canvas into the background of ‘The Spinners’“. Zu Hendys später weiterentwickelter Position s.u., S. 94f. 254 Die mit großen Abbildungen illustrierten Beiträge über die einzelnen Gemälde umfassen jeweils rund zehn Zeilen. Vgl. Harris 1940, S. 85. 255 Saxls Vorträge wurden postum in den Lectures publiziert. Vgl. Saxl, Lectures, 1957. Zur Ausstellungstätigkeit Saxls vgl. McEwan 2012, S. 181–191. 256 Vgl. Harris 1937/38 und Glenndining 2002, S. 24. Bei diesem Aufsatz habe Saxl – das hat Harris Elizabeth McGraw mündlich mitgeteilt –, ihr entscheidende Hinweise gegeben. Es heißt bei McGraw: „Prompted by Saxl, who, she [Harris] always said with a wry smile, rewrote the piece and kept the proofs out of her sight, she contributed with a brilliant iconographic study to the first issue of the Journal, on Nicholas Froment’s Virgin in the Burning Bush.“ Elizabeth McGraw, Rede gehalten anlässlich einer Gedenkfeier im Warburg Institute am 1. November 2006. Mein Dank geht an Elizabeth McGraw, die mir das der Rede zugrundeliegende Manuskript freundlicherweise überließ. 257 Siehe Teil 6. 258 Michels, Ricketts‘ und Hendys Gedanken über den Inhalt des Teppichs im Hintergrund als Szene mit dem „Raub der Europa“ (nach Tizian) scheinen Harris 1940 nicht bekannt gewesen zu sein. 259 Der Vortrag erschien 1957 postum im ersten „Lectures“-Band. Vgl. Saxl, Velasquez and Philip IV, 1957. Im WIA aufbewahrte Notizen und Leihscheine aus der British Library belegen, dass Saxl sich anlässlich des Vortrags intensiv mit publizierten Quellen und der Sekundärliteratur zu Velázquez beschäftigt hat. 260 Saxl zeigt sich in dem Vortrag weniger an ikonographischen Problemen und an der Bedeutungsforschung interessiert, als in dem Problem der „Benutzung bildlicher Zeugnisse als historische Quelle“. Er stellt beispielsweise Parallelen zwischen den Porträts Philipps IV. und den politischen Ereignissen der Zeit her. Bei dem „Breda-Bild“ wies er anhand von zeitgenössischen Stichen nach, dass Velázquez sich bei der Darstellung des Ortes Breda, wo die Begegnung zwischen Ambrogio Spinola und Maurits von Nassau stattfand, keineswegs an die realen Gegebenheiten gehalten hat. Vgl. Ginzburg 1995, S. 115 und Vosters 1973. 261 Vgl. McEwan 2012, S. 166-173.
Anmerkungen 262 Vgl. Hendy 1946, S. 23f. 263 Vgl. Hendy 1946, S. 23f. 264 Vgl. Angulo Íñiguez, Velázquez, 1947. 265 Vgl. Sánchez Cantón 1925. 266 Vgl. Angulo Íñiguez, Hilanderas, 1948. 267 Angulo vollzog die Entdeckung erneut, denn, wie er in der Rezension von Gué Trapier, Velázquez, betonte, kannte er die Beiträge von Michel, Ricketts und Hendy nicht. Vgl. Angulo Íñiguez, Rezension Gué Trapier, 1948. Tizians „Raub der Europa“ gehörte ursprünglich zur königlichen Sammlung in Madrid und seit Ende des 19. Jahrhunderts zum Bestand des Isabella Stewart Gardner Museum, Boston. 268 Es heißt: “E. Harris obervó que Minerva es la diosa de la aguja y de la tapicería, y se preguntó si la otra figura no podría ser Aragne, la joven que por haberse atrevido a disputarle la primacía en ese arte fué convertida por la dios araña.” Vgl. Angulo Íñiguez, Hilanderas, 1948, S. 2, Text und Anm. 1. Angulo kannte Harris, die spanische Wurzeln hatte, auch persönlich und sie standen in engem Kontakt. 269 Vgl. Sánchez Cantón 1925 und Angulo Íñiguez, Hilanderas, 1948, S. 4–7. Zu Pérez de Moyas Traktat im Zusammenhang mit den „Hilanderas“ vgl. Portús 2005, S. 73f. 270 Erst Anfang der 1950er Jahre fiel Angulo auf, dass Rubens der einzige ist, der ebenfalls den Teppich mit dem „Raub den Europa“ darstellt, was es sehr wahrscheinlich macht, dass Velázquez sich mit diesem Motiv an dem Flamen orientiert hat. Vgl. Angulo Íñiguez, Hilanderas, 1952. 271 Vgl. Angulo Íñiguez, Hilanderas, 1948, S. 8. 272 Vgl. Caturla 1948, S. 302f. 273 Vgl. Tolnay 1949, S. 21–38. 274 Vgl. Harris 1987, S. 89. 275 Angulo dankt in einer Anmerkung Harris für ihre Unterstützung. Vgl. Angulo Íñiguez, Hilanderas, 1952, S. 67, Anm. 2. 276 Vgl. Angulo Íñiguez, Hilanderas, 1952. 277 Vgl. Azcárate 1960 und Santiago Sebastián 1984. 278 Vgl. Portús 2005. 279 1985 gelang Vicente Lleó Cañal ein beachtlicher Fund zur Provenienz, als er das Gemälde im Inventar des IX Duque de Medinaceli von 1711 lokalisierte, wo es als „Mugeres que trabajan en tapiceria“ erwähnt wird. Aus dieser Sammlung ging es nach 1711 in die königliche Sammlung über. Don Luis de la Cerda y Aragón, 9. Duque de Medinaceli hielt sich zwischen 1684 und 1706 in Italien auf, mit Ämtern in Rom an der Botschaft und am Hof des Vizekönigs in Neapel, geriet in Ungnade und starb 1711. Im Inventar seiner Sammlung heißt es: „Mas otra de Velazquez con Mugeres que travajaban en tapicería que tiene de largo tres varas y de alto dos y media, marco dorado y moldado – 30000 reales.“ Daneben findet sich die Notiz: „se embio a Palacio cuando murió mi Amo“. Vgl. Lleó Cañal 1985, S. 22f. 280 Das Gemälde wird seit 1950 in der Velázquez-Literatur meistens unter dem Titel „Geschichte der Arachne“ oder „Sage der Arachne“ geführt. Vgl. die einzelnen Titel in den Velázquez-Bibliographien von Gaya Nuño 1963 und Portús 1999. Vgl. zum Forschungsstand Brown 1986, S. 320f., Pita Andrade 1992 und Hellwig 2004.
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Abbildungsnachweis
Abb. „Hilanderas“, 10, 18, 22, 24, 37: Museo del Prado, Madrid; Abb. 1, 2, 8, 14, 21, 26, 27, 29, 35: Warburg Institute, Archive and Photocollection, London; Abb. 3: Paintings in the National Gallery, Hgg. Augusto Gentili u.a., Kat. Mus. London, Boston u.a. 2000, Abb. 74, S. 81; Abb. 4: Rubens im Wettstreit mit Alten Meistern. Vorbild und Neuerfindung, Kat. Ausst. München, Alte Pinakothek 2009-2010, Hg. Reinhold Baumstark, S. 222; Abb. 5: Rembrandt. Genie auf der Suche, Kat. Ausst. Berlin Gemäldegalerie 2006, Berlin 2006, S. 265; Abb. 6, 13, 23: The Illustrated Bartsch, Antonio Tempesta. Italian Master of the Sixteenth Century, Hg. Sebastian Buffa, Bd. 36, New York 1984, S. 33 und S. 36; Abb. 7: Nachhall der Antike. Aby Warburg. Zwei Untersuchungen, Hg. Pablo Schneider, Zürich 2012, S. 76, Abb. 6; Abb. 9: British Museum, Department of Prints and Drawings, London; Abb. 11: Walter Maas, Der Aachener Dom, Regensburg 2013, Abb. 146; Abb. 12, 25: Virginia Museum of Fine Arts, Richmond, Virginia; Abb. 15: Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin; Abb. 16: Bosch to Bloemaert. Early Netherlandish Drawings in Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam, Hgg. Yvonne Bleyerveld u.a., Kat. Ausst. Paris 2014, Paris 2014, S. 186; Abb. 17: Henri Zerner, L’école de Fontainebleau. Gravures, Paris 1969, Abb. 81; Abb. 19: Peter Paul Rubens. Die Meisterwerke, Kat. Ausst. Wien, Gemälde galerie, Wien 2004, Hgg. Johann Kräftner u.a., Wien 2004, S. 334; Abb. 20: The Illustrated Bartsch, Antonio Tempesta. Italian Master of the Sixteenth Century, Hg. Sebastian Buffa, Bd. 35, New York 1984, S. 292; Abb. 28, 30: El Greco und die Moderne, Kat. Ausst. Kunstpalast Düsseldorf 2012, Hgg. Beat Wismer und Michael Scholz-Hänsel, Ostfildern 2012, S. 201 und S. 138; Abb. 31, 32: Manuel Bartolomé Cossío, El Greco, Madrid 1908, Bd. 2, S. 68, Fig. 2; Abb. 33: Jeannot Simmen, Ruinen-Faszination in der Graphik vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Dortmund 1980, Abb. 43 und 44; Abb. 34: El Greco, Kat. Ausst. National Gallery, London 2003, Hg. David Davies, New Haven u.a. 2003, S. 240; Abb. 36: Michelangelo. La Capella Sistina. Documentazione e Interpretazioni, Hg. Carlo Pietrangeli, Bd. 1, Novarra 1994, Abb. 39
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Wimböck, Gabriele: Heinrich Wölfflin (1864–1945), in: Klassiker der Kunstgeschichte, Bd. 1 Von Winckelmann bis Warburg, Hg. Ulrich Pfisterer, München 2007, S.124–140 Wölfflin, Heinrich: Kunstgeschichtliche Grundbegriffe. Das Problem der Stilentwicklung in der neueren Kunst, München 1915 Wölfflin, Heinrich: Über das Rechts und Links im Bilde, in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst 5, 1928, S. 214–224. Woldt, Isabella: Urworte leidenschaftlicher Gebärdensprache, Hamburg, Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg 29. Januar – 12. Februar, in: Aby Warburg, Bilderreihen und Ausstellungen, Hgg. Uwe Fleckner, Isabella Woldt, Berlin 2012 (Aby Warburg, Gesammelte Schriften, Zweite Abteilung, Bd. II.2), S. 73–97 Woldt, Isabella: Die Bedeutung des ‚seltenen Buches‘ für eine universell und geisteswissenschaftlich orientierte Kunstgeschichte, in: Aby Warburg, Bilderreihen und Ausstellungen, Hgg. Uwe Fleckner, Isabella Woldt, Berlin 2012 (Aby Warburg, Gesammelte Schriften, Zweite Abteilung, Bd. II.2), S. 99–113 Woldt, Isabella: Die Funktion der nachlebenden Antike bei der Ausprägung energetischer Symbolik, in: Aby Warburg, Bilderreihen und Ausstellungen, Hgg. Uwe Fleckner, Isabella Woldt, Berlin 2012 (Aby Warburg, Gesammelte Schriften, Zweite Abteilung, Band II.2), S. 115–133 Wuttke, Dieter: Nachwort, in: Aby Warburg, Ausgewählte Schriften, Hg. Dieter Wuttke, Baden-Baden 1992, S. 601–638 Wuttke, Dieter: Aby Warburg, in: Killy Literaturlexikon, Hg. Wilhelm Kühlmann, Bd. 12, Berlin/Boston 2011, S. 142–146 Zarco Cuevas, Julián: El monasterio de S. Lorenzo el Real de El Escorial y la Casita del principe. Descripción, historia, bibliografía, Madrid 1926 Zerner, Henri: École de Fonainebleau. Gravures, Paris 1969
Dank
Das vorliegende Buch ist das Ergebnis des von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekts zu Fritz Saxls Forschungen über die spanische Malerei des Siglo de Oro. Den Weg zum Buch haben viele Freunde und Kollegen begleitet. Mein Dank geht an Martin Warnke, Hamburg, dessen Entdeckung und Deutung des Eintrags von Warburg im Tagebuch der K.B.W. mit der Interpretation der „Hilanderas“ als Allegorie der Webkunst den Ausgangspunkt für meine Beschäftigung mit Warburg und Saxl bildete. Des Weiteren bin ich Dorothea McEwan, London, dankbar, deren Studien zu Warburg und Saxl ebenfalls ein Anhaltspunkt für mich waren. Sie hat mich vor Jahren, damals noch als Leiterin des Warburg Institute Archive, London, zunächst auf die „Spanische Korrespondenz“ zwischen Warburg und Saxl hingewiesen und anschließend deren Bearbeitung tatkräftig gefördert. Erst dabei stieß ich auf Saxls Notizen zu Velázquez, El Greco und weiteren spanischen Malern des Siglo de Oro, die er während seines Studienaufenthalts in Madrid angefertigt hatte, sowie auf seine Vorlesungsnotate zu dem Thema. Mein besonderer Dank geht an Claudia Wedepohl, London, die mich in vielfacher Hinsicht bei der Bearbeitung des Projekts unterstützt hat und deren eingehende Forschungen über Warburg für mich grundlegend und inspirierend waren. Nicht zuletzt hat der anregende Austausch mit Claudia Wedepohl die Idee hervorgebracht, gerade die „Velázquez-Gespräche“ zwischen Warburg und Saxl zum Thema einer Studie zu machen. Ebenfalls danken möchte ich Henrik Karge, Dresden, der das Projekt mit konstruktiven Gesprächen begleitet hat. Während der Arbeit an dem Buch haben mir meine Freunde und Kollegen aus der Bibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte (ZI), München, mit Rat und Tat beiseite gestanden. Charlotte Diehl, Ulrike Grammbitter und Volker Schümmer sei dafür herzlich gedankt. Volker Schümmer hat zudem die kritische Lektüre des Textes übernommen und wertvolle Anregungen gegeben. Bedanken möchte ich mich auch bei Thomas Lersch, München, für seine stete Gesprächsbereitschaft und dafür, dass er mich an seinem umfassenden Wissen zum Thema Historiographie teilhaben ließ. Er hat die Arbeit nicht nur in all
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Dank
ihren Phasen begleitet, sondern auch die „letzte“ Fassung einer kritischen Lektüre unterzogen. Das wissenschaftliche Lektorat hat dankenswerterweise Rainer Donandt, Frankfurt a. M., übernommen. Seine Kommentare und kritischen Einwände als die eines profunden Kenners der Warburg-Schule waren von außerordentlichem Wert und haben zur Präzisierung einiger Thesen geführt. Danken möchte ich schließlich auch Christine Schatz, die den Text in einer frühen Phase lektoriert hat; Ian Jones, Warburg Institute Photocollection, für die Erstellung der Fotos und Scans von Saxls Notaten und dem El Greco-Album; Holm Bevers, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Stephan Klingen und Johannes Griebel, ZI, Photothek für ihre Hilfe bei der Beschaffung von Abbildungsmaterial; Rainer Ostermann für die kreative und sorgfältige Erstellung des Satzes; schließlich und nicht zuletzt Katja Richter und Verena Bestle vom de Gruyter Verlag, die sich allzeit gesprächsbereit mit großem Engagement für die Publikation eingesetzt haben. Für die Übernahme der Druckkosten bin ich der Gerda Henkel Stiftung und der Bünemann Stiftung zu Dank verpflichtet.
Personenregister
Personenregister
Alanus ab Insulis 100 Alfons X. der Weise, König von Kastilien 27, 28 Álvarez, Juan 116 Angulo Íñiguez, Diego 87–89, 91–93, 144, 151 Antal, Friedrich 74, 147, 148 Antolín, Guillermo 102, 103 Arce, Pedro de 92 Asín Palacios, Miguel 98 Baccio del Bianco, Luigi 100 Baltasar de Victoria, Fray 32, 108, 136 Bassano, Jacopo 54, 76, 113, 143 Bauer, Ignacio 111 Bedoli, Girolamo 76 Bernini, Gian Lorenzo 113 Bertram, Ernst 109 Beruete, Aureliano 20, 132 Bing, Gertrud 15, 52, 70, 73, 109, 131, 132, 138, 142, 145, 148 Binswanger, Ludwig 11 Borso d‘Este 11 Botticelli, Sandro 10, 15, 45, 131 Brinckmann, Albert Erich 74 Brunelleschi, Filippo 76, 79, 148 Burckhardt, Jacob 70, 146 Calderón de la Barca, Pedro 32, 99, 102, 111, 108, 136, 137 Campagnola, Domenico 76, 77, 148 Caravaggio 29, 51, 52, 54, 65, 97, 105, 106, 110, 128, 135, 142, 143, 145 Cassirer, Ernst 15, 109 Caturla, María Luisa 92, 151
Ceán Bermúdez, Juan Agustín 132, 141 Civilis, Gaius Julius Claudius 33, 34, 60, 61, 98, 137, 145 Claudianus, Claudius 39 Cook, Walter 84, 150 Correggio, Antonio da 112 Cossa, Francesco del 11, 45, 140 Cossío, Manuel Bartolomé 75, 81, 149 Courbet, Gustave 19 Cruzada Villaamil, Gregorio 20, 21, 132, 133 Cusanus, Nicolaus 100 Darmstädter, Ernst 115 Dix, Otto 101 Donatello 10 Duczynska, Irma von (Duscha) 101 Dürer, Albrecht 13, 131 Dvořák, Max 12, 29 El Greco 13, 51, 56, 71, 73–84, 86, 96, 97, 99, 104, 110, 112, 141, 142, 147–149 Falcone, Aniello 83, 149 Fantuzzi, Antonio 56, 57, 144 Ferdinand von Spanien, Kardinal-Infant 58, 60, 97, 114, 140, 144 Ferdinand von Ungarn, König 58, 60, 97, 114, 144 Fetti, Domenico 51 Fischel, Oskar 109 Fitzmaurice-Kelly, James 137 Franco, Francisco General 84 Frankfort, Henri 92
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Personenregister
Froment, Nicholas 86, 150 Fürst, Bruno 147 Gallardo, Bartolomé José 103 Gensel, Walter 49, 141, 144 Gevaerts, Jean-Gaspard 111, 114 Giesecke, Alfred 111 Ghirlandaio, Domenico 10, 131 Giordano, Luca 91, 146 Göbel, Heinrich 71, 72, 87, 96, 116, 117, 146 Goethe, Johann Wolfgang von 109 Gué Trapier, Elizabeth du 151 Gundolf, Friedrich 109 Harris, Enriqueta 85–89, 91, 92, 141, 150, 151 Hashagen, Justus 109 Hendy, Philip 88, 89, 150, 151 Henkel, Max Ditmar 35, 46, 138–140, 145 Hermann, Max 109 Hoc, Marcel 111 Holbein, Hans d.J. 97 Hooch, Pieter de 133 Horaz 108 Hume, Martin 49, 107, 141 Janitschek, Hubert 63 Jode, Pieter de 36, 37, 46, 68, 138, 145 Jones, Inigo 109 Justi, Carl 20–25, 29, 31, 49, 50, 52, 54, 57, 63, 64, 66, 98, 99, 104–106, 111, 132, 133, 136, 140, 142–144, 150 Karl V., Römisch-deutscher Kaiser 29, 97 Kautzsch, Rudolf 147 Kitzinger, Ernst 147 Klibansky, Raymond 100 Kruse, John 137 Larsson, Carl 147 Lastman, Pieter 29, 72, 147 Leonardo, Jusepe 82 Leyniers, Urbanus 71, 146 Liebermann, Max 9, 18, 19, 64 Lievens, Jan 105 Lilienfeld, Karl 100
Loga, Valerian von 105 Longhi, Roberto 54, 143 Lope de Vega y Carpio, Félix 32, 102, 111, 137 Madrazo, Pedro de 20, 22, 133, 141 Mantegna, Andrea 10, 45 Maurits von Nassau 59, 150 Mayer, August L. 50, 73–75, 80, 81, 83, 104, 141, 147–150 Mazo, Juan Bautista del 146 Medinaceli, Luis de la Cerda y Aragón, 9. Duque de 151 Meier, Hans 103 Menéndez Pidal, Ramón 31, 108, 136 Menéndez y Pelayo, Marcelino 108, 136 Mengs, Anton Raphael 19, 132 Michelangelo 76, 80, 89, 149 Michel, Émile 24, 25, 71, 89, 131, 134, 146, 150, 151 Millet, Jean-François 19 Moeyaert, Claes Cornelisz 39–41, 44, 139 Moldenhauer, Gerhard 73, 96, 104, 147 Mor, Anthonis 29 Much, Hans 101 Münz, Ludwig 74, 148 Neumann, Carl 137, 147 Nietzsche, Friedrich 109 Noack, Hermann 96 Obermaier, Hugo 104 Olivares, Gaspar de Guzmán Conde de 105 Orsini, Fulvio 112 Ovid 12, 16, 25, 30–36, 38–41, 46, 47, 52, 58, 61, 66, 67, 72, 88, 89, 91, 101, 108, 117, 136–139, 145, 147 Pacheco, Francisco 49, 136, 141 Palingenius Stellatus, Marcellus 100 Palomino, Antonio 49, 132, 141 Panofsky, Erwin 13, 74, 83, 84, 131, 147, 149, 150 Paris, Pierre 108 Parmigianino 76 Pauli, Gustav 148
Personenregister Pérez de Moya, Juan 89, 151 Petermann, Gustav 96 Pfandl, Ludwig 49, 141 Philipp II., König von Spanien 29, 106, 112 Philipp IV., König von Spanien 9, 18, 20, 24, 31, 41, 49, 51, 71, 89, 92, 97, 144 Philipp V., König von Spanien 19 Pinder, Wilhelm 74, 147 Pinturicchio 23, 54 Pollaiuolo, Antonio 10 Preuss, Konrad Theodor 109 Ponz, Antonio 19, 132 Pulido Pareja, Adrián 132
Schapire, Rosa 97 Schevill, Rudolph 137 Schlosser, Julius von 12, 104 Schmidt-Degener, Frederik 33, 137 Scotus, Michael 27, 134 Shakespeare, William 109 Signorelli, Luca 76, 79, 148 Soutman, Pieter Claesz 39–41, 44, 47, 139 Spinola, Ambrogio 59, 150 Struys, Jakob 38, 139 Sudhoff, Karl 115 Swarzenski, Georg 147 Swoboda, Karl M. 147
Raffael 76, 77, 79, 80, 148, 149 Raimondi, Marcantonio 76, 77, 79, 148, 149 Ranke, Leopold von 63 Regenbogen, Otto 109 Reichl, Otto 101 Reichhard, Gladys 101 Reinhardt, Karl Ludwig 137 Rembrandt 11, 12, 16, 29, 30, 33–36, 38–41, 46, 47, 49, 51, 52, 54, 61, 66, 67, 72, 80, 84, 91, 97, 98, 105, 106, 132, 134, 136–139, 143–145, 147 Reni, Guido 23, 51, 54, 128, 133, 142, 143 Ribera, Jusepe de 104 Richelieu, Kardinal 145 Ricketts, Charles 24, 25, 71, 88, 89, 134, 146, 150, 151 Rosenthal, Erwin 101 Rubens, Peter Paul 11, 24, 28–30, 33, 35, 39–47, 49, 51, 52, 58–60, 66–69, 72, 80, 87, 89, 91, 96, 106, 110, 114, 115, 135, 139, 140, 142, 144–147, 151
Tacitus 33, 34, 60, 137 Tempesta, Antonio 33, 34, 36–41, 45–47, 59–61, 66–69, 87, 91, 92, 137–140, 145 Tintoretto, Jacopo 22, 54, 75, 76, 104, 112–114, 133 Tizian 24, 25, 30, 69–71, 75–77, 79, 83, 88, 89, 91, 97, 105, 107, 108, 112, 113, 127, 132, 143, 148–151 Törnell, Gösta 101 Tolnay, Charles de 92, 151 Trautmann, Johann 96
Sadeler I., Johannes 55, 56 Sánchez Cantón, Francisco Javier 31, 50, 107, 108, 136, 141, 151 Sánchez Pérez, José Augusto 96, 102, 103 Saxl, Fritz 9, 12–16, 18, 19, 21, 24, 27–34, 39, 42, 44, 49–54, 56–61, 63–66, 69–77, 79–88, 91–93, 95–97, 99, 102, 105, 107–109, 111, 115–118, 125, 131–150 Scacciati, Andrea 127
Velázquez, Diego da Silva Rodriguez 9, 13, 15–27, 29–33, 49– 61, 63–73, 75, 80, 83–85, 87–89, 91, 92, 95, 97–99, 102–108, 110, 113–117, 127, 129, 132, 133, 135, 136, 140–147, 150, 151 Vermeer, Jan 133 Veronese, Paolo 70 Voss, Hermann 74, 109 Warburg, Aby 9–19, 21, 24–35, 38–47, 49, 52, 59, 61, 63–73, 85–87, 91–93, 95–97, 99, 101, 102, 105, 107–109, 111, 115, 116, 124, 130–132, 134–148, 150 Warburg, Max 99, 138 Wauters, Alphonse 71, 146 Wegener, Harriet 100 Wickhoff, Franz 12 Winghe, Joos van 54–56, 127, 143, 144 Wölfflin, Heinrich 12, 51, 141, 142
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